LSoch wohl der richtige Ausdeuck der gegemwärkigen Sitnalion (In⸗ stimmung bei den Sozialdemokraten und bei den Deutschen Demo⸗ kraten), und wenn er nicht zur Herrschaft käme, wäre er im französischen Parlament so stark, daß gegen ihn Politik nicht gemacht werden könnte (sehr richtigt links), also ist die Frage, ob er die Regierung übernimmt oder die Regierung breinflußt, verhältnismäßig sekundärer Natur —, jedenfalls hat dieser Block der Linken dauernd zwei Gesichts⸗ punktie betont: einmal den beschleunigten Wiederaufbau Nordfrankreichs und zweitens die Beendigung der bisherigen Methoden der Ruhrpolitik. Meine Herren, die Regierung ist sich völlig klar darüber, daß die Leistungen Deutschlands abhängig sind von dem Wegfall jeder Beein⸗ trächtigung deutscher Produktivität, und es ist kein Zweifel, daß eine Foridauer dieser Besetzung eine Beeinträchtigung deutscher Produk⸗ tivität sein soll. (Sehr richtig! links.) Deshalb ist ganz selbstver⸗ ständig von der Regierung bisher und wird von ihr weiter diese Frage der Aufhebung der militärischen Räumung des Ruhrgebiets mit erörtert und auf die Erledigung dieser Frage hingewirkt werden. 1 In ein internationales Abkommen über die Annahme des Sach⸗ verständigengutachtens gehören diese Fragen aber nicht unmittelbar hinein. (Hört, hört! bei den Deutschnationalen.) — Sie gehören in dieses Gutachten nicht unmittelbar binein (sehr richtig! bei den Deutschen Demokraten); sie können nicht zu einer Präambel dieses Gutachtens gemacht werden. Im komme nachher zu der Frage des unteilbaren Gutachtens, über das sich Herr Graf Westarp gestern so⸗ wohl in bezug auf die Rede von Mac Donald als auch in bezug auf den klaren Inhalt des Sachverständigengutachtens geirrt hat. Meine Herren, es gibt andere Gelegenheiten, bei denen diese Fragen gesichert werden können. Ich bin der Meinung, daß die Form, in der versucht werden muß, diese Dinge gleichzeitig mit einer elwaigen Annahme des Gutachtens zu regeln, auch mit den Fraktionsführern besprochen werden muß, ohne daß ich etwa hier in der Lage wäre, etwas anderes auszusprechen als die eine Tatsache, mit der Sie so rechnen müssen, wie ich damit zu rechnen habe, daß eine direkte Verbindung dieser Fragen mit der Annahme des Sachverständigengutachtens auf dem Wege einer Einbeziehung dieser Fragen in das Gutachten eine Unmöglichkeit ist. (Zurufe rechts.) Die Regierung hat bisher kaum nen Tag verstreichen lassen, ohne auf die Wichtigkeit der Regelung ieser Fragen gegenüber den Ententemächten hinzuweisen. Sie wird auch alles Weitere tun, um diese Fragen zu regeln, ohne deren Erledi⸗ gung sie sich auf die Dauer eine erfolgreiche Durchführung des Sach⸗ rständigengutachtens sowohl aus psychologischen wie aus materiellen Beweggründen nicht vorzustellen vermag. Ich komme zu der Frage der Annahme oder Ablehnung im uzen, die gestern Herr Graf v. Westanp vongebracht hat. Er hat ausgeführt, es sei ein Uebersetzungsfehler bezüglich einer Rede von Mac Donald erfolgt; Mar Donald hätte nicht von unteilbamem Ganzen gesprochen, sondem ungefähr gesagt: im großen und gangen. (Zuruf rechts.) — „on the whole“. Vielleicht interessiert es den Herrn Grafen v. Westarp, daß die „Times“ auf seine Rede bereits Bezug nimmt und an Hand von Aeußerungen Mar Donalds nachweist, daß vaf v. Westamp den britischen Premierminister mit Bezug auf die
Forderung der Amahme des Gulachtens als Ganzes falsch zitiert habe;
dem Mat Donald habe am 15. April im Unterhaus gesagk, es werde im Bericht des ersten Ausschusses deutlich erklärt, daß er ein unteil⸗ bares Ganzes ist und daß die britische Regierung bereit sei, ihrer⸗ seits den Plan in seiner Gesamtheit zu unterstützen. Die „Times“ weist weiter darauf hin, daß Mar Donald das auch in seiner Rede in Vork am 20. April gesagt habe. (Zuruf rechts: Ist das auch richtig übersetzt?) — Das nehme ich an, Herr Kollege. (Heiterkeit
chts.) Aber im allgemeinen dürfen Sie sich auf diese Ueber⸗ setzungen verlassen (Rufe rechts: Na, nal), obwohl ich Ihnen als Außenminister das eine sagen und ans Herz legen möchte: wenn
wird, so können Sie sich nicht wundern, daß bei großen Ueber⸗ setzungen wie der des Sachverständigenberichts auch einmal Unklar⸗
iten unterlaufen. (Zuruf rechts.)
Im übrigen kommt es doch schließlich, Herr Graf v. Westarp,
gar nicht entscheidend darauf an, was Mac Donald in jener Rede im Unterhaus gesagt hat, obwohl diese Rede in voller Uebereinstimmung mit seinen fortgesetzten Ausführungen war, daß der Bericht ein un⸗ teilbares Ganzes ist. Ich bitte Sie aber, Seite 47 des Sach⸗ verständigengutachtens selbst anzusehen, wo ausdrücklich der Ausdruck „unteilbares Ganzes“ auch im englischen Text gebraucht ist. In all den Verhandlungen, die wir mit England über den Sachverständigen⸗ bericht gehabt haben, ist uns fortgesetzt bis in die letzte Zeit erklärt worden, daß etwas anderes als die Annahme des unteilbaren Berichts für die Lösung der Reparationsfrage nicht in Betracht käme. 1 Ich darf dabei auf eins himweisen. Es wird immer gesagt: also wollt ihr überhaupt nicht verhandemhn. Meine Herren, das ist eine durchaus falsche Auffassung des Ganges der Dinge. Verhandelt wird ja bei der Ausarbeitung der deutschen Gesetzentwürfe. Das, was an diesen Dingen zu bessern ist, muß in die deutschen Gesetz⸗
entwürfe hinein. Angenommen haben wir den Bericht als Schema, angenommen haben wir ihn auch in der Höhe der Leistungen, nicht angenommen ist er als intemnationales Gesetz; denn dam gehört die Zustinnnung des Deulschen
reichstags, und weiter muß in dem Aufbau der deutschen Gesetzgebung versucht werden, das beste aus diesem Schema heraus⸗ zuholen. (Hört, hört! in der Mitie.) Aber Nichtannahme des un⸗ heilbaren Ganzen nürde bedeuten, daß sich jede Nation aus diesem Kuchen die Rosinen herauspickt, die ihr gerade passen. (Sehr richtig! in der Mitte.) Wenn wir von diesem Gesichtspunkt der Annahme als Ganzes abgehen, dann gibt es keine frangösische Regierung, die ihrerseits nicht dasselbe läte. Unsern Vorbehalten würden vielmehr fremde gegenüberstehen, und ich fürchte, die anderen, die mehr Vor⸗ behalte machen würden, würden am längeren Hebel uns gegenüber⸗ siten. (Sehr richtigt in der Mitte.) . Das ist die Lage, vor der wir stehen. Deshalb sind gerade die Bestrebungen derjenigen Nationen, von denen ich annehme, daß sie aus wirtschaftlichem Interesse für uns dafür mit eintreten, daß Deutschland wirtschaftlich wieder in die Höhe kommt, gerade darauf gerichtet, in dieser Beziehung das unteilbare Gange auch durchzuseten. (Zuruf des Abgeordneten Dr. Quaatz.) Herr Dr. Quaatz ruft mir zu: ein gutes Plaidoyer für die Gegenseite. (Stürmische Pfuirufe bei der Deutschen Volkgpartei und links.) Ach, Herr Quaatz, ich glaube, ich brauche den französischen Ministerpräsidenten nicht darüber zu belehren, welche Möglichkeiten für ihn bestehen. Im übrigen muß ich Ihnen sagen: diese Tet, einem Außenminister vorzuwerfen, daß er fremde
Interessen verkrift, ist das Infamste, Manne an dieser Stelle vorwerfen kamn. (Erneunte stürmische Pfuirufe und lebhafte Zustimmung bei der Deukschen Volkspartei, in der Mitte und links. — Glocke des Prösidenten.)
Ich bin seit dem Jahre 1907 in diesem Hause. Ich habe mir niemals einen Ordnungsruf zugezogen. Ich darf aber bemerken, daß es schließlich Grenzen des Erträglichen für jemanden gibt, der an dieser Stelle steht. [Große Umruhe. — Abgeordneter Berndt: Auch Grenzen
des Ertrräglichen für unser Volk!¹) — Gewiß, Herr Berndt, anch Grenzen
des Erträglichen für unser Volk. Aber ich glaube nicht, daß ich die Grenzen dieses Erträglichen ehwa überschritten hätte für das, was Sie ia bezug auf diese Ausführungen ehwa ertragen könnten. Ich mache kein Hehl darans, daß ich das Sachverständigengutachten für einen Fortschritt gegenüber dem jetzigen Zustand der Dinge halle. (Sehr gut! in der Mitte. Hört, hört! rechts.) Gewiß, sonst würde ich doch nicht dafür eintreten, wenn ich nicht dieser Meinung wäre. Ich halte es für einen Fortschritt gegenüber dem jezzigen Stande der Dinge und übernehme nicht die Verantwortung als Person für das, was welt⸗ politisch ans uns wird, wenn diese Dinge in der Form abgelehnt werden, wie Sie es verlangen. Daß ich für diese Dinge eintrete, tue ich, weil ich es als im deutschen Interesse befindlich ansehe. Irren wir uns darin, so mögen Sie andere Ansichten vertreten. Aber Sie haben nicht das Recht zu sagen daß ich ein Plaidoyer der Gegenseite halte. (Ernente Zustimmung in der Mitte und rechts. — Zuruf des Abgeord⸗ neten Berndt.) Ich weiß nicht, wen Sie im Angenblick im Sinne haben. (Abgeordneter Berndt: Soviel Kenntnis müssen Sie haben!) Ich glaube, daß ich geschichtlich ebenso viel Kenntnis habe wie Sie. Ich bin gern bereit, mich in der Beziehung mit Ihnen zu messen. Im übrigen wird nicht diese Zeit darüber richten, wer das Richtige in dieser Situation für Deutschland tut.
Ich komme damit auf Ausführungen, die Graf Westarp darüber gemacht hat — Ausführungen, die ich übrigens vollkommen keile —, daß es in der Außenpolitik in erster Linie auf die Persönlichkeit an⸗ kommt, die sie führt. Graf Westamw hat zum Ausdruck gebracht, daß seine Freunde eine andere Persönlichkeit — ich nehme an, nicht nur an der Spitze des Reichs, sondern auch für die Führung der Außen⸗ politik — gewünscht hätten, und er hat sich dagegen gewandt, daß eine Einmischung des Auslandes etwa in Personenfragen der Kabinetts⸗ bildung erfolgte. Herr Graf Westarp, eine derartige Einmischung ist nicht erfolgt. Ich würde es als deutscher Außenminister zurückgewiesen haben, wemm jemand diese Einmischung versucht hälte. Die Regie⸗ rungen fremder Länder haben uns ihre Auffassung über die Lage, in die Deukschland bei Ablehnung des Gutachtens geriete, mit unmißver⸗ ständlicher Deutlichkeit, zum Teil in offiziellen Regierungserklärungen zum Ausdruck gebracht. Aber in die deutsche Regierungsbildung ist eine Einmischung nicht erfolgt. Ich wiederbole, sie würde auch von uns zurückgewiesen worden sein.
Graf Westarp ist gestern über Aeußerungen englischer Kritik er⸗ regt gewesen, die ehwa von Deutschland zitiert würden, Kritik, die sich gegen den Kandidaten der Deutschnationalen Volkspartei richtete. Einst hörte ich, man sollen den Faden mit England unter keinen Um⸗ ständen abreißen, und es wurde gerade nach dem 11. August der Regierung zum Vorwurf gemacht, daß sie das getan bätte. Das stimmt mit dieser Zurückweisung der englischen Kritik wenig überein. (Ageordneier Graf v. Westarp: Ist ganz etwas anderes!) Ich habe volles Verständnis dafür gehabt, daß gestern Herr v. Graese z. B. auch ausländische Pressestimmen angezogen hat. Jede Negierung, auch eine Regierung, Herr Graf Westarp, in der Sie führend währen, würde — das nehme ich als selbstverständlich an —, sich darum bemühen, eine Politik durch Persönlichkeiten zu führen, die auch im Ausland das Vertranen haben, das notwendig ist, um die deutschen Geschäfte vorwärts zu bringen. Ich stimme aber mit Ihnen vollkommen darin überein, daß die Entscheidung darüber bei den Dentschen liegt und daß jede offizielle Einmischung in solche Dinge unterbleiben muß.
Graf Westarp hat im übrigen gestemmn das Sachverständigen⸗ gutachten und die Stellung seiner Freunde in objektiver Weise be⸗ gründet, für die ich ihm dankbar bin, und wenn durch seine Rede eine Skepsis in bezug auf das Verhalten uns gegenüber klang, so habe ich vorhin diese Skepsis in einer Beziehung zurückgewiesen. Ich muß aber auch speziell dem Ausland gegenüber betonen und habe das wiederholt getan, daß diese Skepsis und diese Zweifel des deutschen Volkes ihre volle Berechtigung haben in der Politik, die bisher uns gegenüber getrieben worden ist. Das deutsche Volk ist so oft ge⸗ täuscht worden in dem, was es erwarten konnte, auch in bezug auf internationale Abmachungen (lebhafte Zustimmung), daß dieser Zweifel durchaus ausgesprochen werden kann.
Meine Damen und Herren, Sie können aber daran nicht vorbei⸗ gehen, daß schließlich hier speziell auch dieses Recht des deutschen Volkes zum Zweifeln von den Männern ausgesprochen wurde, die heute an der Spitze der englischen Regierung stehen und wahrschein⸗ lich an der Spitze der französischen Regierung stehen werden. Gerade ein Mann wie Mac Donald hat die Worte seinerzeit ausgesprochen: Die ganze Enhvicklung der radikalen Verhältnisse in Deutschland, das. was man im Ausland Nationalismus nennk, hat seine tiefsten Wurzeln in der Pelitik, die Deutschland gegenüber getrieben worden ist. Und ähnliche Worte hat Herriot ausgesprochen, der wahrschein⸗ lich mit seinen Freunden eine entscheidende Rolle in der französischen Regierungsbildung spielen wird. Daraus entnehme ich, aus diesem Erkennen des Pspchologischen, was im deutschen Volke vorgeht, näm⸗ lich des Aufbäumens gegen eine Politik der Demütigungen, daß die Männer, die das psychologisch erkennen, auch in ihrem eigenen Volke von den Methoden abweichen werden, die sie hier mit Recht geißeln und die man als die Methoden eines Poincaré bezeichnen muß.
Wenn ich das anerkenne, muß ich doch andererseits sagen, daß die Ausführungen, die gestern Herr v. Graefe gemacht hat, in außer⸗ ordenklicher Weise verantwortungslos gewesen sind. Wie kann man, wenn der Reichskanzler davon spricht — und selbstverständlich muß er davon sprechen, und es haben Deutschnationale diese Worte aus⸗ gesprochen —, wenn er spricht von einer ehrlichen Verständigung, die notwendig wäre — wie kann man dann sagen: die Zunge solle ihm eher verdorren, als daß er das Wort einer ehrlichen Verständigung in den Mund nähme. (Zuruf von den Deutschnationalen: So lange die Franzosen im Lande sind, hat er recht!) — Es handelt sich darum, daß die Franzosen aus dem Lande herauskommen, und ich glaube nicht, daß durch die Politik, die Sie (nach rechts) treiben, dies eher erreicht wird. Wenn wir hören, daß in anderen Ländern davon gesprochen wird, daß man zu einem modus vivendi mit Deutschland kommen wolle, soll dann ein deutscher Reichskanzler etwas anderes für Jahre
erstreben können, als eine ehrliche Verständigung mit denen, mit
denen wir bisher Krieg geführt haben? Jede andere Politik würde
was man überhaupt einem
dem Volke ins Unrecht setzen zu können.
verantwortungslos sein, jede andere Politik würde nur dem Volk Illusionen vorspiegeln, an denen es vielleicht zugrunde gehen könnte. Meine Damen und Herren, man hat köürzlich das Moltke⸗Denkmal in Halle eingeweiht. Man hat dabei erinnert an den Spruch des alten Feldmarschalls, den Wahlspruch seines Lebens: Mehr sein als scheinen. Mich dünkt, daß wir manchmal auch in bezug auf äußere Entfaltungen von Prunk und Paraden das Gegenteil von dem machen, was in diesem Wahlspruch gelegen hat (lebhafte Zustimmung in der Mitte), daß wir versuchen, mehr zu scheinen, als wir sind. Wir stehen vor der brutalen Tatsache, daß wir waffenlos sind und sollten nicht irgendeine Macht vortäuschen, die wir gar nicht haben. Aber durch diesen Schein werden uns Fragen, wie die Beendigung der Militärkontrolle, unendlich erschwert, weil auf diesem Schein die andenen bestehen, die uns diese Dinge unmöglich machen. (Zu⸗ 8g W den
ir werden leider auch in diese Fragen, in die Erledigung des Sachve rständigengutachtens eintreten in einer Zeit größter polikischer Zerrissenheit, wie sie aus den Debatten dieses Hauses heransklingt. Diese politische Zerrissenheit gerade angesichts der Entscheidung, vor der wir stehen, und die doch wohl die bedentendste ist seit dem Frieden von Versailles, wird wenig verstanden, weder im Inland noch im Ausland. Gerade bei solchen Fragen spielen politische Leidenschaften viel weniger eine Rolle, als daß man sachlich und kühl Vorteile und Nachteile dessen erörtert, um was es sich handelt.
Die Regierung wird sich bei diesen Verhandlungen leiten lassen von der Wahrung der deutschen Lebensinteressen. Sie ist überzeugt, daß sie mit dem Weg, den sie gegangen ist, den einzigen Weg ging, der zuꝛ Konsolidierung der deutschen und der europäischen Verhällnisse führen wird, und sie kann nur das eine hoffen, daß die Behandlung dieser Fragen geführt werden möge von Sachlichkeit und Verantwort⸗ lichkeitsgefühl und nicht vom Fanatismus der Parkeien. (Tebhafter
Eingegangen ist ein kommunistisches Mißtrauensvoium.
Abg. Schlange⸗Schöningen (D. Nat.): Ich habe heute ua
der Rede des Herrn Dr. Stresemann wieder von neuem das Gefüh
gehabt: wenn Deutschland durch Reden gerettet werden könnte wäre es schon lange gerettet. (Unruhe bei den R ierungsparteien.] Man hat sich andererseits des Gefühls nicht erwehren können, daß, wie wir so oft an ihm bemerkt haben, das, was er sagte, getvagen war von den ungehenerlichsten Illusionen, getragen von dem ungehenerlichsten Optimismus, aber 11⸗ Endes nichts weiter war, als eine kli Schelle, r nachher der Erfolg versagt war. Heiterkeit.) Von der Kriegsschuldfrage hat der Reichskanzler, aber erst aus Anlaß der Rede des Grafen Westarp, in einer Form gesprochen, die uns kein Vertrauen ein- ßt. Nach unserer Meinung muß diese Lebensfrage für das ganze dentsche Volk in unmittelbare Verbindung mit der Sehandiuns des Sachverständigengutachtens gebracht werden. Leider gibt es auch in Deutschland Anzahl von Leuten, die nicht mit der v28 auf dem Standpunkt stehen, der für jeden Deutschen ge⸗ geben sein muß. (Der Redner spricht unter andauerndem Lärm des Hanuses und ist zeitweise auf den Tribünen nicht verständlich.) Warum hat denn unsere Politik uns so schnell wieder in die Lage gebracht, in der wir jett stehen, vor die Entscheidung: „Friß, Vogel, oder stirb!“ Wir haben nicht die Verantwortung dafüx, und wir werden uns nicht mitschuldig machen an dieser Tat. Wir wollen uns ganz iß an niemand im Auslande herandrängen, anch an England nicht. Ob es aber praktisch ist, dies in aller Oeffentlichkeit anszusprechen, gevade England gegenüber, das erscheint mir immer⸗ in zweifelhaft. Wir befinden uns in ganz ungehenerlichen Iilu⸗ sionen. Ich will nicht eingehen, daß Dr. Stresemann Amerika als ehrlichen Makler bezeichnet. Möge es dies für uns werden! Denn es hat ja seit den 14 Punkten Wilsons immerhin etwas an uns gutzumachen. (Sehr richtig! rechts.) Ich hoffe, daß in Amerika endlich zum Durchbruch kommt das Gefühl der Gerech⸗ tigkeit gegenüber dem deutschen Volke. Aber ich meine, daß Dr. Stresemann doch zu sehr das wirtschaftliche Moment überschätzt. Andauernder Lärm links. (Abg. Cr 1sen (Scz.) schäägt wieder⸗ holt mit der Faust auf den Tisch. Zurufe bei den Nat.⸗Soz.: Was ist denn das für eine Indenschule da drüben!) Bisher hat in rank⸗ reich der Machtwille seine Triumphe Feiern⸗ In Frankreich mag eine Regierung zustande kommen, wie sie will, mag es eine sozia⸗ listische sein — das ist der Unterschied der französischen Sozialisten gegenüber e (Lärm bei den Soz.) — sie wird den Macht⸗ willen stets über alles stellen. (Andau r Lärm links. — Prä⸗ sident Wallraf ersucht, den Redner doch zu Worte kommen zu lassen.) In Frankreich hat immer noch der Machtwille über die wirtschaftliche Vernunft triumphiert. Wir sind doch wahrhaftig genug entgegengekommen. Die Franzosen werden nach Annahme des Gute chtens irgendwelche Fälle konstruieren, die ein neues Ver⸗ schulden Deutschlands irgendwie feststellen, und dann werden wir von neuem betrogen werden. Meine i hat von Anfang an Floht daß wir nicht die Möglichkeit haben, das Sachverständigen⸗ utachten von vornherein abzulehnen. (Widerspruch Aber wir wollen nichts unterschreiben, was für uns untrag (Zuruf in der Mitte: Wir auch nicht.) Der springend Punkt ist die Frage der Räumung. Dr. Stresemann ha gesagt, er wolle rauf hinwirken, daß termin in feste Aussicht genommen wird, und ferner, der Gedanke der Ruhrbefreiung in die Debatte geworfen werde. Wenn Sie das Gutachten annehmen, und wenn ihm auch die Gift⸗ zähne herausgebrochen werden, dann 8 für uns entscheidend, ob die Ruhrbefreiung zugesagt wird. enn uns diese absolute Sicherung nicht von vornherein gegeben wird, dann können wir etwas Derartiges nicht mitmachen. Die Annahme des Sachver⸗ — tens ohne ganz wesentliche Aenderungen und ohne Gewährleistung der Ruhrbefreiung wäre allerdings ein ungeheurer Fertscritt. aber ein Seas zum Verderben. 8 wünschte, daß Herr Dr. Stresemann selber etwas mehr Skepsis besäße. Dr. Strese mann hat früher oft von der Aktivität in der Politik gesprochen. Er venfäg selber unbestreitbar über eins grohe Aktivikat. Sie geht aber in eine verhängnisvolle Richtung. Sie haben eine außerordentliche Aktivität bewiesen in der Hinsicht, die guten Seiten des Sachverständigengutachtens hervorzuheben und die schlechten igen. Sie machen dem deutschen Volke die Annahme
zu verschwe des Gutachtens schmackhaft und unterlassen es, das deutsche Volk vor (Sehr richtig! rechts.)
den Gefahren des Gutachtens zu warnen. Wenn Herr Stresemann ernschaft bei der Entscheidung über das Gutachten das ganze Volk hinter sich haben möchte, dann hätte er selbst bei der Regierungsbildung dazu beitragen socien. daß über die Parteidogmen hinweg die Regierung auf eine breitere Basis gestellt wurde. Wir haben bei diesen Verhandlungen zum ersten⸗ mal den Wunsch, den das deutsche Volk seit fünf Jahren hegt, erfüllt, daß es nicht mehr angeödet wird mit Parteiprogrammen. (Lachen links.) Wir haben statt der Parteidogmen eine Persönlich⸗ keit für die Regierung der das Vertrauen der meisten Kreise des deutschen Volkes zugeflooen wäre. Aber die Demokraten haben das Gegenteil der Demokratie gewollt. Der Reichspräsident Ebert hätte die Deutschnationalen als stärkste Partei mit der Regierungsbildung beauftragen müssen. elches Geschrei wäre gewesen, wenn die Sozialdemokratie die stärkste Partei wäre und der Reichspräsident sie nicht mit der Regierungs⸗ bildung beauftragt hättel Der Reichskanzler hätte uns vier⸗ zehn Tage früher sagen müssen, daß an der Außenpolitik und der Preußenfrage ts geändert werden sollte, man hat aber vierzehn Tage lang mit uns herumverhandelt, um uns dann vor (Sehr wohr! rechts.)
8 EFortsebuna in der Zweiten Beilage.)
8
ein Räumungs. dcßzß
134.
Berlin, Sonnabend, den 7. Funi
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2 “
(Fortsetzung aus der Ersten Beilage.)
Ausland müßte endlich gezeigt werden, daß im deutschen velre ein Lebenswille vorhanden ist, der dem Feinde Grenzen zieht, damit er sich nicht mehr sagen kann: du kannst fordern, neas du willst, es wird dir bewilligt! (Abg. Wels (Soz.): Ich kondoliere nen, Herr Hergt. zu Ihrem neuen Fraktionsredner!)
kann sich die neue Regierung nur halten, wenn sie von der⸗ füe⸗ Sozlaldemokratie, 8* immer wieder den Kommunisten
üugeständnisse macht, gestützt wird. Das ist eine Bindung, die das Kabinett eines Tages hindern wird, das zu tun, was nötig sein wird. Das „Berliner Tageblatt“ hat jeden Tag einen Artikel über die Zerrissenheit innerhalb unserer Fraktion gebracht. Wir sind völlig einig gewesen, nicht ein einziger von uns war der Meinung, wir sollten uns um der Parteizwecke willen von irgendeiner Verantwortung drücken. Wir wollten aber in der Regierung nach unserer Stärke auch entscheidenden Einfluß haben. Nun werden wir, in die Opposition gedrängt, einen großen nationalen Block gegen die Regierung bilden. Bisher haben wir das Ruhrrevier verloren. Wir wollen nicht wieder unser eigenes Todesurteil unterschreiben. Wir müssen dem Ausland vielmehr sagen: Treibt es nicht zu weit! denn wenn ein Volk zur Ver⸗— zweiflung getrieben wird, so können sich Dinge ereignen, die keine Regierung wünschen mag, die aber auch keine Regierung verhindern kann. Auch die Preußenfrage spielt eine Rolle. Eine außenpolitische Befreiung ist nicht möglich, solange die Unter⸗ druckung der gesamten vaterländischen und völkischen Bewegung durch die preußische Polizei andauert, (Lachen b. d. Mehrheit; Abg. Höllein [Komm.]: b sola Herr Severing in regiert. (Ahal bei den Soz., e in der Mitte und inks.). Einst hat Stresemann gesagt, es gehe nicht ohne die Sozialdemokraten, obwohl deren Grundsätze denen der Volks⸗ parkei diametral entgegengesetzt sind. Heute haben wir eine große nationale Partei. Varum sagt Herr Stresemann jetzt nicht: Es ht nicht ohne die Deutschnationalen? (Lachen bei der Mehrh.) Pir haben es nicht nötig, wie Herr Löbe behauptet, um unsere Aufnahme in das Kabinett zu betteln, unsere Macht und Stärke ermöglicht uns eine andere Politik. Aber wenn die Sozial⸗ demokraten bei der Abstimmung für die Regierung eintreten, so schmeckt das viel mehr nach Beltelei. Wir werden den Augenblick erzwingen, wo man uns rufe. Und wenn wir uns in die aus⸗ schlaggebende Stellung nicht etwa hineingebettelt, sondern hinein⸗ gekämpft haben, dann werden wir aus der verantwortlichen Oppofition zu einer Politik übergehen, die dem Volk endlich Glauben und Hoffnung wiedergibt. (Lebh. Beif. b. d. Deutschn.) Abg. Dr. Breitscheid Sos) wird von der Rechten mit leb⸗ hafter Unruhe empfangen. Er wendet sich gegen den Abgeord⸗ neten Schlange, der das Inventar der Reichstagsredeblüten um interessante Exemplare bereichert habe und auf den das Bibelwort nicht zutreffe: Seid klug wie die Schlangen und einfältig wie die Tauben. (Große Heiterkeit.) Jetzt, nachdem alles vorbei ist, erhebt die Fraktion auf Grund ihrer Fraktionsstärke den Anspruch auf den Eintritt in die Regierung und auf den entscheidenden Einfluß in derselben. Aber nicht auf die wirklich oder künstlich zusammen⸗ gescharte Fraktionsstärke kommt es an, sondern darauf, daß sich eine Mehrheit für diess geeee ege Die große Majorität der Wähler hat das Programm der Rechten verworfen. 8 Grund des Parlamentarismus fordere die Rechte die Macht un den entscheidenden Einfluo z; wo sie in der Minderheit ist, zetert sie über Parlamentarismus und Demokratie und schreit nach der Diktatur. (Bis auf fünf oder sechs Mitglieder der Deutsch⸗ nationalen und der Nationalsozialen ist die rechte Seite des Hauses vollständig leer geworden.) Das Gutachten muß so schnell als möglich angenommen werden und nicht nur von Leuten, die aus praktischen Gründen ein Lippenbekenntnis dazu aufbringen. Man hat von der Rechten sehr Erkundigungen im Aus⸗ land über dessen Stellung zum Eintritt der Deutschnationalen in n; das ist trotz aller Ableugnungen Tatsache. Man hat sich in Punkto Tixpitz auf den oßen ausländischen Unbekannten berufen. Tatsächlich hat diese andidatur bei allen Nationalisten und Poincaréisten des Aus⸗ landes die hellste Freude hervorgerufen. Es gibt ja überhaupt nichts Internationaleres als den Nationalismus. (Sehr gut! links.) Bei diesen internationalen Nationalisten wäre ein Reichs⸗ kanzler Tirpitz oder Laverrenz (große Heiterkeit) stürmisch begrüßt worden. Die Sozialdemokratie stimmt für das Gutachten, stellt aber damit der Regierung Marg weder eine Blankovollmacht aus, noch bekundet sie ihr damit ein allgemeines Vertrauen. In der Regierung sitzen die alten Personen, auch Herr Jarres, der sich bei den Sozialdemokraten eines besonders geringen Vertrauens erfreut; wenn sie trotzdem die Regierung Marx bei dieser Ab⸗ stimmung nicht zu Fall bringen, so tun sie es aus Verant⸗ wortungs b5 und um der Interessen des deutschen Volkes willen. 88“ n rechts.) Einzelne Mitglieder der Regierung ollten bei ihren Aeußerungen in der Oeffentlichkeit, auch in der ahlbewegung, doch recht vorsichtig sein. (Sehr gut! links.) Gegenüber den Vorwürfen von rechts wegen der drohenden Ver⸗ klavung ““ muß man doch feststellen, daß alles Wesent⸗ iche der Forderungen des jetzigen Gutachtens schon vom Kunokabinett am 2. Mai 1923 zugestanden worden ist. Damals hat sich auch nicht eine einzige Stimme des Protestes aus den Reihen der heute so empörten Opposition erhoben! Was sich heute im H.er Gebiet abspielt, ist Sklaverei, ist Rechtlos⸗ machung. Wer diesem Zustande der brutalsten Willkür und Unter⸗ jochung ein Ende machen will, muß das Gutachten annehmen. Perr v. Graefe hat an das Rußland von 1812 erinnert; seine artei bvaucht ja garnicht so weit zu gehen, wie Rußland, als es sich Napoleons erwehrte. Es genügt, wenn seine sich doch auch esozialistisch“ nennende Partei, es über sich gewinnt finanzielle Leistungen aufzubringen und ihre Mitglieder zu bestimmen, auf diesem Wege an der Befreiung von Rhein und Ruhr zu arbeiten. Herr Kunze will die Befreiung auf dem Wege der Juden⸗ verfolgung erreichen; besseren Erfolg aber verbürgt eine gerechte Verteilung der Lasten und dabei soll Herr Kunze uns — mit oder ohne Knüppel — (große Hritertssh willkommen sein. Komme man nicht schleunigst dem besetzten Gebiet entgegen, sc wird ein neuer Separatismus die Folge ein. Mit den franzö ischen Neuwahlen at sich auch die Aussicht auf befriedigende Lösung der sog. inanzfragen außerordentlich -n Schchlange scheint nicht zu wissen, daß Leon Blum, der Jude und Sozialdemokrat, in der französischen Kammer längst vor diesen Neuwahlen gegen die Ar eee. schärfste Opposition gemacht hat. Der Cehihe historische Moment in Frankreich darf nicht durch deutsche Schuld unterbrochen werden. Wir halten uns und die Regierung für berechtigt, auch über die Mauern dieses Hauses hinaus einen Appell an das neue Frankreich zu richten: Laßt die Gefangenen frei und laßt die Ausgewiesenen zurückkehren! Das fordern wir, nachdem unsere Regierung erklärt hat, 9 den Boden des Gut⸗ achtens treten zu wollen. Diejenigen, die in Frankreich die neue Regierung bilden werden, werden auch Deutschland einen Beweis ihres guten Willens geben müssen. Die Militärkontrolle sollte sobatd als möglich beseitigt werden, und wir sollten in den Völkerbund eintreten. Die deutsche Sozialdemokratie hat niemals Fhauptet. daß Deutschland allein die Schuld am Kriege habe. ie Masse des deutschen Volkes trifft keine Schuld. Aber wir müssen eine Politik treiben, die vernünftigen Menschen auf der ren Seite ermöglicht, bei sich Einkehr zu halten. Die
die Regierung und zur Weprelssunß einge i
—
Schuldigen bei uns freilich dürfen wir nicht He. wie Luden⸗ 88 und seine Jünger und Jünglinge. ir denken vater⸗ 2 ischer als die, die sich vaterländische Vereine nennen. (Beifall fnks.). . —.Einngegangen ist ein Antrag der Deutschen Volkspartei über den Antrag der Nat.⸗Soz., betr. das Vertrauensvotum, zur Tagesordnung überzugehen.
Abg. Maslowski (Komm.): Bei dem Kuhhandel, der hier getrieben wird, kann einem übel werden. Wir kämpfen afür, daß ieses Parlament zum Teufel gejagt wird, wir erstreben die Dik⸗
tatur des Proletariats. Die Micumverträge lassen ahnen, was dem arbeitenden Volk, insbesondere auch den Bergarbeitern, nach Annahme des Sachverstandigen⸗Gutachtens bevorsteht. Die Sozialdemokraten haben nichts mehr übrig für die Bergarbeiter. Im Streik der Ruhrbergleute hat ein Deutschnationaler versucht, die französischen Bajonette gegen die Bergaxbeiter mobil zu machen. Die 57 Kommunisten, die vor dem französischen Kriegsgericht in Mainz stehen, sind von der deutschen Polizen verhaftet worden. 8 hört! bei den Kommunisten; Unruhe rechts.) Um die deut⸗ en Arbeiter zu bekämpfen, 8 sich unsere Kapitalisten sogar mit dem Landesfeind ein. Herr Greitscheid stellt sich auf den Boden des Sachverständigengutachtens, das für die Arbeiter längere Ar⸗ beitszeit verlangt und zugleich spielt er sich als Vorkämpfer des Achtstundentages vu Die Sozialdemokraten haben sich in die Ein⸗ heitsfront des Faschismus eingereiht, Herr Wulle und seine Helden können in der Vergewaltigung der Kommunisten nicht mehr leisten als die Sozialdemokraten. Wenn Sie noch so viel Kommunisten einsperren, die proletarische Revolution wird doch kommen. (Die Redezeit des Redners ist abgelaufen, woran ihn Vizepräsident Dittmann wiederholt erinnert. Der Redner spricht trotzdem noch eine Weile weiter, schließt aber endlich unter Beifall und Hände⸗ klatschen der EE nachdem ihn der Präsident in ent⸗ schiedenem Tone aufgefordert hat, die Tribüne zu verlassen.)
Abg. Graf Reventlow (Nat. Soz.) unterzieht die Sach⸗ verständigen des großen Gutachtens einer näheren Betrachtung und erklärt, sie seien nur Angestellte der Morgan⸗Gruppe, einer Gruppe, die nicht rein idealistische Ziele verfolge. (Heiterkeit.) Die letzten fünf Jahre hindurch, fährt Redner fort, haben alle deutschen Re⸗ gierungen und ihre Presse das Weltgewissen angefleht. Es hat uns jetzt einen Lasso über den Kopf geworfen, mit dem man uns erdrosseln will. Dies Sachverständigengutachten ist ein Erzeugnis des Welt⸗
issens. (Zuruf links: Der Weise von Füen0, Die Weisen von Zion sind daran sehr erheblich beteiligt. ie ist es möglich, de eine deutsche Regierung das Gutachten als sachverständig und sachli bezeichnen kann? Wir teilen nicht den Optimismus der Regierung und jener Parteien, die glauben, daß man über dies Gutachten werde handeln können. (Zuruf links: Ohne Losso ist nichts zu machen!) Ja, den Lasso bekommen die Arbeiter zu spüren. Jedes Mal seit sechs Jahren hieß es vor einer neuen Entscheidung: Die Sache wird nicht so schlimm werden. Ebert, der den Versailler Vertrag für unannehmbar erklärt hatte, hätte als Mann von Charakter nach seiner Annahme gehen müssen. Aber er ist heute noch Reichspräsident. (Zuruf bei den Nationalsozialisten: Leider!) Immer wurde sahäch eeddroht und dann e. ihr vnker creiht dann wird'’s so schlimm nicht werden! hat nun recht gel abt? Die Politiker der nüchternen “ oder wir? Tatsächlich haben Sie die letzten fünf Jahre Katastrophenpolitik getrieben. (Sehr richtig!) Solche Katastrophenpolitik will man heute gegen⸗ über dem TTböeö“ wieder treiben. Die Mächte sagen: Es muß angenommen werden als Ganzes oder es nuß ab⸗
gelehnt werden. an sagt uns wohl hiermit ausnahmsweise die Wahrheit: man hält uns für reif. Die Regierung und alles, was ich in ihrem Dunstkreis befindet, sagt: Wir müssen so schnell wie möglich annehmen und dann sehen, daß wir möglichst viel heraus⸗ schlagen. In der linksstehenden Presse wurden sogar die einfachsten Gebote der Taktik vernachlässigt; sie hat ihre Regierung nicht gestützt. Sie weisen auf Mac Donald, auf Herriot hin. Wann hat Ihnen denn Ihre II. Internationale jemals geholfen? erriot hat ja auch schon Hesagt, die Franzosen würden an der Ruhr bleiben, bis die Deutschen die ersten produktiven Beweise ihres guten Willens ge⸗ eben hätten. Außerdem steht hinter Herriot der Marschall Foch mit bine ganzen Militärmacht und der kleine Rentner. Wie können ie Fraktionsführer die ungeheure 8 die Unter⸗ schrift auf sich nehmen auf vage Hoffnungen und Vermutungen und Gerede hin? Gewiß müssen unsere Volksgenossen im Westen befreit werden. Aber wissen Sie (nach links) denn, daß Sie dieses Ziel auch erreichen? Die demagogische Ausschlachtung dieses Rettungs⸗ hantoms ist unverantwortlich. Kann man aber für eine im besten alle zeitweise Entlastung unserer Volksgenossen im Westen die ewige Versklavung unseres ganzen Volkes verantworten? Wenn das Gutachten erst seine Auswirkung, besonders auf die Arbeiterschaft piigen wird, dann wird Ihre Gefolgschaft (nach links) wohl noch leiner werden. Redner gibt einige Stichproben aus dem Gutachten. In der sozialdemokratischen Presse steht nichts davon dadrin, daß nach den Ausführungen des Gutachtens die Eisenbahntarife der 1. und 2. Klasse zu hoch, die der 3. und 4. Klasse zu gering 19,7 Auch wir werden stets für eine gerechte Steuerpolitik ein⸗ ceten. Antisemiten sind wir überhaupt nicht. (Zuruf: Nur nicht, wenn Sie Geld brauchen!) Geld brauchen wir auch. Auch die Hebräer hassen wir nicht. Aber unsere Liebe zu ihnen wächst mit dem Quadrat der Entfernung. (Große Heiterkeit.) Auch das steht nicht in der sozialdemokratischen Presse, daß nach dem Gutachten die indirekten Steuern in Deutschland viel zu gering sind. Widerspruch links: Das steht ja nicht drin!) Ferner heißt es: Irgendwelche Vehreessessbeüfe dürfen nicht fabriziert werden. gerade alle die, die zu arm sind, sich Tabak zu kaufen. Dem Redner wird ein Expemplar des Gutachtens überreicht. Er zitiert daraus unter indirekten Steuern: „Die Sätze A dem Komitee un⸗ gewöhnlich zu sein“. (Stürmisches Hört, hört!) Für den oberflöchlichen Leser sind in dem Gutachten unsblige beruhigende und blendende Bemerkungen. (Zuruf bei den Nationalsozialisten: Von alledem hat Herr Stresemann nichts gesagt!) Der Außen⸗ minister hat zu unserem Erstaunen auf die gestrige Anfrage des derrn v. Graefe nicht erwidert. (Zuruf; Das ist ihm unangenehm!) Der Redner bespricht dann die Schuldfrage, die als Grundlage des Gutachtens, als „moralische Verpflichtung“ hingestellt werde. Zuerst ist das deutsche Volk militärisch entmannt worden, dann politisch; jetzt will man uns auch wirtschaftlich entmannen. it aller Sozial⸗ politik ist es dann absolut zu Ende. Deutschland ist durch das internationale Kapital „liquidiert“ worden. (Zuruf bei den Kom⸗ munisten; Und Sie sind die Spießgesellen! — Gegenruf bei den Nationalsozialisten; Nein, die Juden! Es steht auch im Gut⸗ achten; Die Ausgaben für militärische Zwecke Deutschlands seien viel 7 hoch. Man will uns jede Verteidigungsmöglichkeit, besonders nach em Osten hin, nehmen, will ung zu einem Helotenvolk machen. Ich bitte die Herren Ausländer in diesem Saale, nicht etwa zu glauben, daß Unterschriften der jetzigen Regierung von uns anerkannt werden würden. Die Schuldlüge ist hier als die Grundlage des Gutachtens genommen. Warum fordert die deutsche Regierung jetzt nicht die Einsetzung eines neutralen und unparteilichen Gerichtes zwecks Entscheidung über die Schuld am Kriege? Das wäre immerhin eine Politik. Aber immer nur Furcht und Hoffnung. Die Regierung würde sich dabei nichts vergeben und nur das in die Tat umsetzen, was der Reichskanzler gestern mit so hohen Worten verkündet hat. Auf die Schuldfrage werden wir nächstens in einer besonderen Inter⸗
pellation zurückkommen. Was wir dann in Zukunft tun werden,
Das trifft doch
das werden wir hier nicht (Stürmische Aha⸗Rufe.) Nur eine grundstürzende Umwälzung im völkischen Sinne kann uns die Rettung kommen,
Abg. Koch⸗Weser (Dem.): Wir bedauern sehr. daß das Niveau und der gute Ton des Reichstags so sehr geschwunden ist. Wir waren gewohnt, daß die Debatte im Tone gegenseitiger Achtung und sachlich
führt wurde und daß die Mahnungen und Anordnungen des Prä⸗ identen befolgt wurden. (Abg. Höllein (Komm.): Die Milch der rommen Denkungsart sprudelt bei Ihnen über! — Große Heiter⸗ keit.) Jetzt müssen wir daran denken, für jede Fraktion bei den Wahlen einen Preisboxer mitwählen zu lassen. (Heiterkeit.) Redner wendet sich gegen die Vorwürfe, die Graf Westamp speziell gegen die
ltung der Demokraten in der auswärtigen Politik erhoben
it fünf Jahren habe man von den Herren rechts nicht erfahren können, welche Art von Politik sie bu führen empfehlen, diese Herren hätten lediglich in negativer Kritik gemacht. Einen Revanchekrieg einem entwaffneten Volke zu empfehlen 1 Wahnsinn. Eine
vopaganda für die Entkrä v Ev. Schuldlüge könne doch Deutsch⸗ and auch nicht retten. Das besetzte Gebiet habe aber einen An⸗ spruch darauf, zu wissen, wie die Nationalsozialisten es befreien wollten. Die Zeiten seien denn doch vorbei, wo das Volk mit den Händen an der Hosennaht gehorsamst abwartete, welches Schicksal ihm eine hohe
Obrigkeit zu bestimmen geruhe. (Sehr gut! links.) Vor allem müsse das Volk an seinem inneren Aufbau arbeiten und erstarken. Das sei die Vorbedingung für eine aktive Außenpolitik, Auch in den Kreisen der Deutschnationalen und der hinter ihnen Stehenden werde diese Politik seiner Partei immer mehr gewürdigt. Die Schwierigkeit liege darin, daß die Deutschnationalen nicht dazu kommen könnten, eine solche verständige Politik mitzumachen. Man habe ihrem Ver⸗ langen nach Kursänderung der Außenpolitik nicht entgegenkommen können. Ein klein wenig günstiger sei die Situation seit dem 11. Mas doch. Herr Foch stehe so wenig hinter Herriot, wie Herr Ludendorff hinter Herrn Marrx. Was die Deutschnationalen gelegentlich der Verhandlung über die Regierungsbildung verlangten, sei geradezu verfassungswidriag gewesen. Herr Henning sehe bereits alle übri
arteien als überflüssig an und sehe den Endkampf zwischen Sowiet⸗ tern und Hakenkreuz sich vollziehen. Er würde aber sehr wünschen. daß der Schauplatz dieses Endkampfes nach außerhalb verlegt würde.
(Beifall und Heiterkeit.)
bEW Wallraf: Der letzte Redner hat von dem „Niveau⸗ der E1ö1 gesprochen. Alle Parteien sind gewiß mit dem Präsidenten in dem Wunsch einig, dieses Haus wieder zu einem Hause sachlicher Auseinandersetzungen zu machen. Bis zu einer eventuellen Aenderung der Geschäft. sordnung wird noch einige Fütt vergehen, aber ich bitte alle Fraktionen, die die Hebung des
iveaus wünschen, schon jetzt dafür zu sorgen, daß allzu starke Aus⸗ brüche des Temperaments unterbleiben. 1
Abg. v. Kardorff (D. Vp.) begründet den Antrag seiner Fraktion, über den Antrag der “ zur Tagesordnung überzugehen. Das sei ungewöhnlich, aber der nationalsozialistische Antr sei noch ungewöhnlicher. Deshalb “ er der schärfsten Zurückweisung und eine sogie liege in dem Uebergang zur Tages⸗ ordnung. (Beifall bei der Mehrheit.) 1 ——
v. Graefe Nat. Soz.) begründet den Antrag seiner Fraktion. Keine Regierung habe bisher so gegen die Verfassung ge⸗
Fibeis indem sie ohne das Vertrauen des Hauses im Amt bleiben wolle.
Abg. Löbe 8. Es ist noch nie dagewesen, daß eine Partet einen Antrag einbringt, den sie selbst ablehnen will. (Widerspruch Das ist eine namenlose Unehrlichkeit. (Zustimmung den zialdemokraten, Unruhe rechts.) Wir werden aber dafür sorgen, daß Sie Ihr Ziel nicht erreichen. (Zuruf rechts: Da entsteht wohl eine neue Schuldlüge? — Heiterkeit.)
Gegen die Stimmen der Kommunisten wird darauf ein Antrag auf Schluß der sachlichen Beratung angenommen. Es folgen “ Bemerkungen.
Abg. Dr. Qugatz (D. Nat.) erklärt es für einen ungewöhnlichen
Vorgang in den Parlamenten aller Länder, daß ein Minister . Präsident
Präsidenten einen Ordnungsruf erhalten habe. (Unruhe.
Walkraf erklärt, er habe lediglich gesagt, daß der Ausdruck „infam⸗ parlamentarisch unzulässig sei.) Dr. Quagatz fährt fort: Für meinen Geschmack und meine Begriffe ist die Rüge, die in diesen Worten des Präsidenten lag, eine ausreichend scharfe. Als ich meinen Einwurf machte, wurde von keiner Seite des Hauses hierin ein ehrenrühriger Vorwurf erblickt. (Ohol⸗Rufe.) Erst als der Minister nach einem Augenblick des Besinnens meine Aeußerung wiederholte, brach dang der Sturm los. Es liegt mir aber auch daran, zu motiyieren, welches der Gedankengang war, der mich zu meiner Aeußerung führte. (Lärm bei den Sozialdemokraten, Zurufe: Das ist keine persönliche Bemer⸗ kung!) Dr. Stresemanm hat sein Plaidover nach außen als Minister vergessen gegenüber dem 2 nach innen, er hat Eüpepcer nicht als Minister, sondern als Parteimann. (Gelächter bei
Mehrheit.)
Abg. Husemann (Soz.) wehrt sich gegen den Vorwurf des Abg. Maslowski, er habe als Mitglied der Arbeitsgemeinschaft mit den Arbeitgebern im B u die Achteinhalbstundenschicht vereinbart. Die Ueberschicht sei vielmehr durch Schiedsspruch festgesetzt worden. (Zurufe bei den Kommunisten: Demagoge! Oberbonze!)
Darauf wird der Entwurf eines Gesetzes über die Fe 84. Seenn des Reichshaushaltsplans für 1924 dem Haushaltsausschuß überwiesen. Es folgt die Abstimmung über die Anträge, die zur Regierungserklärung vorliegen.
Präsident Wallraf erklärt nach seiner persönlichen An⸗ schauung für die weitestgehenden Anträge diejenigen, die das Miß⸗ trauen für die Regierung aussprechen, wegen der daran sich knüpfenden weittragenden Folgen. Ueber diese Anträge müsse also zuerst ab⸗ Fhünxn werden. Sollte aber im Hause eine andere Meinung darüber
rrschen, so werde er das Haus darüber entscheiden lassen.
Abg. v. Graefe (Nat. Soz.) führt zur Geschäftsordnung aus, daß es der Praxis des Hauses entspräche, nach Ablehnung der Miß⸗ trauensanträge auch noch über den Vertrauensantrag abzustimmen.
Abg. Koenen (Komm.) bemerkt, es hexrsche das Bestreben, der Regierung so oder so eine Stütze zu verschaffen, und es scheine, daß der Präsident gleichfalls dieses Bestreben unterstütze. (Große Unruhe.
Präsident Wallraf erwidert, daß er sich lediglich von seinem Gewissen leiten lasse.
Abg. Koenen (Komm.) gibt der Ansicht Ausdruck, daß in klarer und eindeutiger Weise zuerst über den Vertrauensantrag Nationalsozialistischen Partei abgestimmt werden müsse, wobei es Pichgültig bleibe, qus nacen Motiven dieser gestellt E. Die
zialdemokratie treibe aus Angst vor einer Reichstagsauflösung ein Gaukelspiel.
In der Abstimmung wird der Vorschlag des Präsidenten Wallraf gegen die Stimmen der Nationalsozialisten und Kom⸗ munisten angenommen, so daß also nunmehr zuerst über den Antrag Hergt (D. Nat.) abgestimmt wird, der der Regierung das Mißtrauen ausspricht. — Auf Antrag der Deutsch⸗ natisnalen ist die Abstimmung eine namentliche. Es werden 433 Stimmkarten abgegeben. Für den Antrag Hergt 194, gegen denselben 239. Der Antrag Hergt ist damit abgelehnt. Abg. Scholem ruft: Eine ziemlich wackelige Kiste!) Für den Antrag Hergt in gestimmt die Deutschnationalen, die
Nationalsozialisten, die Wirtschaftliche Veveini die Deutsch⸗