Nun haben die Herren Redner gesagt: ja, wir haben aber Miß⸗ trauen, daß die Gehälter heruntergesetzt werden können; sie wünschen das nicht. Auch die Verwaltung wünscht das nicht. Wenn aber langdauernde Krisenzeiten kommen — kurzdauernde Krisen spielen ja keine Rolle — muß in einem derartig konstruierten Unternehmen eine gewisse Möglichkeit gegeben sein. Entweder muß man das eine, oder man muß das andere wünschen. Und ich glaube, daß der § 24 in seiner Fassung der anderen Möglichkeit vorzuziehen ist. Dabei bin ich aber auch der Meinung und habe dem im Auswärtigen Ausschuß bereits Ausdruck gegeben, daß eine Garantie dafür gegeben werden muß, daß nicht willkürlich verfahren wird, daß also in die Personal⸗ ordnung entsprechende Bestimmungen aufgenommen werden. Das ist meine Absicht, und ich zweifle nicht daran, daß es gelingen wird, um so mehr, als die Personalordnung ja nicht einseitig von der Ver⸗ waltung aufgestellt wird, sondern als die Betriebsräte und die Beamtenvertreter mitzuwirken haben.
Was nun die andere Seite anbelangt, die etwaige Herabsetzung der Gehälter, so liegen die Dinge doch so, daß die Bezüge, die gegen⸗ wärtig bestehen, gewährleistet sind. Mit diesen tritt die Beamten⸗ schaft in die neue Gesellschaft ein. Das sind wohlerworbene Rechte, die als solche nicht angetastet verden können. Es würde nun vielleicht die Möglichkeit bestehen bleiben, daß das Reich seine Bezüge erhöht, die Gesellschaft aber nicht. Ich halte das praktisch für ausgeschlossen. Es ist unmöglich, wenn der Beamtenschaft im Reiche erhöhte Bezüge zugesprochen werden, dann den größten Beamtenkörper des Reiches davon auszunehmen. Ich würde davon eine derartige Beeinträchtigung der Arbeitsfreudigkeit befürchten, daß es in der Praxis nicht geht. Aber auch aus anderen Gründen bin ich der Meinung, daß eine solche Befürchtung nicht zu bestehen braucht. In die Zukunft können wir alle nicht blicken. Wir wissen nicht, was dem Deutschen Reich noch bevorsteht. Es ist möglich, daß das Reich, wie es schon einmal in einer solchen Zwangslage war, die Beamtengehälter hekuntersetzt. Das haben wir erlebt. Ich möchte nicht, daß ein derartiger Zustand wieder eintritt, er könnte aber kommen. Aber ich meine auf der anderen Seite wenn das Reich in der Lage ist, die Bezüge seiner Beamtenschaft zu erhöhen, so wird das immer dann der Fall sein, wenn ein entsprechender Steuereingang vorhanden ist. Dieser Steuer⸗ eingang setzt voraus, daß die Wirtschaft in dem entsprechenden Zu⸗ stand ist. Ist das aber der Fall, dann hat auch die Reichsbahn die entsprechenden Verkehre und braucht sich einem derartigen Vorgehen micht zu widersetzen, sondern kann es mitmachen, wie bisher die Reichsbahn bei jeder Beamtengehaltserhöhung diese zum Teil von sich aus gewünscht, sie aber jedenfalls alle mitgemacht hat. Ich bin also der Meinung, daß auch in der Hinsicht eine Befürchtung nicht ausgesprochen zu werden braucht.
Damn ist von einem der Herren Abgeordneen auf die Militär⸗ anwärter hingewiesen worden. Die Militäranwärter sind ein aus⸗ gezeichneter Bestandteil unseres ausgezeichneten Personals, und wir haben keine Veranlassung, hier eine Aenderung eintreten zu lassen. Es wird also entsprechend den Bestimmungen des Gesetzes verfahren werden.
Nun ist weiter gefragt worden: Wie stellt sich der Reichstag zu der neuen Gesellschaft, nicht heute und morgen, sondern wenn sie in Kraft getreten ist? Auch hier ist der Zustand vollständig klar. Für die Reichsbahn wird ein Aufsichtsminister bestehen. Dieser Auf⸗ sichtsminister bekommt sein Gehalt, dieses Gehalt steht im Haushalt, und bei diesem Gehaltstitel hat der Reichstag die Möglichkeit, alle Eisenbahnfragen zu behandeln. Weiterhin ist die Aufsicht des Reiches in mannigfaltiger Hinsicht vorgesehen sowie die Mitwirkung des Reiches bei der Gestaltung der Tarife. In allen diesen Dingen liegen amtliche Handlungen der Reichsregierung vor, für die ein bestimmter Minister verantwortlich ist. An diesen bestimmten Minister kann sich der Reichstag jederzeit halten. (Abgeordneter Schmidt [Stettin]: Ist die Gesellschaft zur Auskunftserteilung verpflichtet?) — Die Ge⸗ sellschaft ist der Reichsregierung gegenüber auch zur Auskunft ver⸗ pflichtet. Also ich glaube, daß der Zustand einwandfrei und voll⸗ ständig klar ist.
Ich darf aber bei dieser Gelegenheit das wiederholen, was ich im Ausschuß gesagt habe. Die Bemängelung des Verwaltungsrats von den verschiedenen Standpunkten aus sollte nicht dahin führen, daß man Persönlichkeiten von Ruf und Ansehen, die von der Gegenseite etwa in den Aufsichtsrat berufen werden, die Annahme eines derartigen Amts erschwert. Sie sind nicht Vertreter der Entente; sie sind Ver⸗ treter der Obligationäre, und wir haben das allergrößte Interesse daran, daß tadellose Männer berufen werden. (Sehr richtig! bei den Regierungsparteien.) Wenn aber im Vorhinein überall gesagt wird, daß es sozusagen gegen die vaterländische Würde verstoße, ein der⸗ artiges Amt anzunehmen, so folgt daraus eine große Erschwerung gerade der Auswahl der Personen, die wir alle wünschen. (Sehr wahr! bei den Regierungsparteien.) Ich glaube, es ist eine vornehme, vaterländische Pflicht, daß jeder, der berufen wird, in den Verwaltungs⸗ rat einzutreten, sich dem nicht versagt, sondern seinem Vaterlande auch auf diesem Posten dient. (Lebhafte Zustimmung bei den Regierungsparteien.)
Zum Schluß möchte ich noch folgendes sagen: Für die Reichs⸗ bahnverwaltung als solche handelt es sich darum, daß die Einheit der deutschen Reichsbahn wiederhergestellt wird, daß die schwere Störung, die durch die Regiebahnen entstanden ist, beseitigt wird. Ich habe mir erlaubt, dem Auswärtigen Ausschuß darüber äußerst instruktive Zahlen mitzuteilen, und ich habe den Wunsch, daß die Fraktionen alle diese Zahlen kennen lernen. Ich bitte Sie, diese Zahlen ernsthaft zu prüfen, bevor Sie abstimmen. Das Ziel, nämlich die Wiederherstellung der Einheit der deutschen Eisenbahnen, wird, wie ich glaube, vom ganzen Hause gewünscht. (Zustimmung bei den Regierungsparteien.) Wenn dies aber der Wunsch des gesamten Hauses ist, dann sollten Sie uns auch die Möglichkeit geben, dieses Ziel zu erreichen. (Beifall bei den Regierungsparteien.)
Damit ist die zweite Lesung der Eisenbahnvor⸗ lagen erledigt. —
Es folgt die zweite Lesung des Mantelgesetzes. SDSdie zum Wort gemeldeten Abgg. Dr. Quaatz (D. Nat.) und Dr. Schiffer (Dem.) sind nicht anwesend. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die zweite Lesung aller Dawes⸗Gesetzes erledigt. — Die Abstimmung erfolgt später.
In allen drei Lesungen erledigt wird die Vorlage über Maßnahmen zur Durchführung des im Ver⸗ sailler Vertrag vorgesehenen Ausgleichs⸗ verfahrens für das Saargebiet, ebenso die Vor⸗
ftsetzung des mit Nicaragua.
Der Gesetzentwurf über Beitritt von, Staaten zum Haager Abkommen ü ber inter⸗ nationales Privatrecht wird in zwei Lesungen erledigt. 1
Die Novelle zum Postgesetz (neue Normierung der Entschädigung für verlorengegängene Pakete und Ein⸗ schreibesendungen) geht an den Verkehrsausschuß.
Die Novelle zum Gesetz über Prüfung und Be⸗ glaubigung von Fieberthermometern wird in zwei Lesungen debattelos erledigt, ebenso die Vorlage über Verlängerung des deutsch⸗spanischen Handelsprovisoriums.
Vor der Abstimmung über die Dawes⸗Gesetze, die um 3 Uhr beginnen soll, erhält das Wort zu einer Erklärung Abg. Frau Golke (Ruth Fischer) (Komm.), die verlangt, daß die Amnestie ausgedehnt werde auf die Tausende von Proletariern, die als volitische Gefangene in deutschen Gefänanissen schmachteten.
Aba. Sollmann (Soz.) unterstützt das Verlangen nach Aus⸗ dehnung der Amnestie auf die politischen Gefangenen im unbesetzten Gebiet. Seine Partei habe nie mit den Separatisten etwas zu tun gehaht. (Großer Lärm bei den Kommunisten und Rufe: Hoffmann!)
Abg Koch⸗ Weser (Dem.): Die Deutschdemokratische Partei hat stets das größte Gewicht darauf gelegt, alle dieienigen mit aller Schärfe zu bekämpfen, die mit Gewalt gegen die Verfassung vor⸗ gehen. Gleichaültig, ob diese Bestrebungen von rechts oder von links kommen. Die Deutschdemokratische Partei ist aus diesem Grunde grundsätzlich eine Gegnerin der Amnestie für pollten⸗ Verbrechen. “ Lärm und hört! hört! — Rufe bei den Kommunisten und Nationalsoziglisten.) Nun hat man uns die Bedinauna aufgezwungen, die Separatisten mit einer Amnestie zu bedenken, wenn unsere Lands⸗ leute, die in französischen Gefängnissen sitzen, weil sie im Interesse des Deutschtums im besetzten Gebiet tätig gewesen sind, ihre Freiheit wiedergewinnen. (Ruf bei den Kommunisten: Man hat es ia srei⸗ willig unterschrieben.) Wir sehen nun keinen Grund. das Unheil dadurch zu vermehren, daß wir eine allgemeine Amnestie bewilligen. (Großze Unruhe bei den Kommunisten und Nationalsozialisten. — Abg. Katz ruft: Pfui Teufel!) Die Vorwürfe, die man heute meinem Freund Brodauf gemacht hat, sind durchaus ungerechtfertigt. (Abg. Katz ruft: Pfuil als der Name Brodauf erwähnt wird, worauf Vize⸗ präsident Dr. Rießer erklärt, daß Pfuirufe im allaemeinen nicht parlamentarisch seien) Zum mindesten müßte man abwarten, ob morgen tatsächlich der Beschluß gefaßt werden wird. die Separatisten freizulassen. und die Parteien, wie die Kommunisten und National⸗ sozialisten, die morgen diesen Beschluß nicht fassen wollen, haben die allergerinaste Vevanlassung, solche Forderung zu stellen. (Große Unruhe bei den Nationalsozialisten und Kommunisten — Abg. Katz wird zur Ordnung gerufen, weil er dem Redner zuruft: Schieber!) Wenn die Separatisten morgen durch einen Beschluß des Hauses befreit werden, dann können wir am Freitag nochmals über die Sache beraten. Vorher haben wir nicht die gerinagste Veranlassung dam. Man hat den Aba. Brodauf wegen seiner sachlichen Stellungnahme sogar einen „elenden Schuft“ genannt. (Abg. Katz [Komm.] ruft: Das habe ich erklärt!) Nur durch die Zurufe von deutschvölkischer und kommunistischer Seite ist der heute bedauerliche Vorfall hervor⸗ gerufen worden; beide Parteien tvifft die gleiche Schuld daran. Ich hoffe, daß dieser Reichstag entweder in kürzester Frist die Kraft findet, sich gegen solchen Radau zu wehren und den Weg geht, den er verdient. (Großer Lärm bei den Kommunisten und National⸗ sozialisten.)
Abg. Quaatz (D. Nat.) bedauert, daß er infolge eines Zwischen⸗ falls nicht mehr zum Wort gekommen sei. Daß die Deutschnationalen, zum Eisenbahngesetz nicht mehr gesprochen hätten. sei aber kein Unglück, da der Kommunist Dr. Rosenberg eine so inhaltsreiche Rede darüber gehalten habe. (Heiterkeit.) Im übrigen würden die Deutschnationalen, was sie zu sagen hätten, noch dem Volke mitteilen.
Abg Dr. Frick (Nat.⸗Soz.) bestreitet, daß die unerfreulichen Vorfälle von heute morgen durch die nationalsozialistischen Zwischen⸗ rufe hervorgerufen worden seien. Schuld sei ledialich das un⸗ qualifizierbare Verhalten Brodaufs gewesen. Im übrigen schließt sich der Redner Frau Golke an und beantragt, die Amnestiefrage als ersten Punkt auf die morgige Tagesordnung zu setzen.
Vizepräsident Dr. Rießer: Es ist mir mitgceteilt worden, daß der Aba. Kopsch gegenüber einem deutschvölkischen Herrn den Ausdruck gebraucht haben soll: Einer der gemeinsten Hetzer (Abg. Dr. Kopsch [Dem.] ruft: Nein! — großer Lärm bei den National⸗ sozialisten, Rufe: Das hat er doch gesagt, gemeiner Lügner, Feigling). Falls dieser Ausdruck gefallen ist, muß ich den Aba. Kopsch zur Ordnung rufen.
Abg. Stoecker (Komm.) bestreitet, daß die kommunistische Partei im Sechziger⸗Ausschuß gesessen habe. Diese Behauptung Sollmanns sei unwahr. Wahr sei allerdinas, daß der Ausschuß niemals zu staatspolitischen Beschlüssen über die Abtrennung ge⸗ kommen sei. Das sei aber nicht das Verdienst irgendeiner bürger⸗ lichen Partei mit Einschluß der Sozialdemokraten. Der Redner erinnert an Artikel der Abag. Meerseld (Soz.), Erkelenz (Dem.) und Dr. Moldenhauer (D. Pp.) sowie an zahlreiche Erklärungen von Zentrumsabgeordneten, um zu beweisen, daß diese Parteien mit dem Gedanken der Lostrennung gespielt hätten (Zuruf bei den Kom⸗ munisten: Reichskanzler Marx!), zum mindestens mit der Lostrennung des Rheinlandes von Preußen. Als aber hier im Hause ein rheinisches Parlament gebildet werden sollte, bei dem durch elenden Kuhhandel und gemeine Schieberei die stärkste Vertretung der rheinischen Arbeiter ausgeschlossen und Vollmachten für diese Körper⸗ schaft durchagesetzt werden sollten, die die größten Gefahren in sich bargen, da hätten allerdinas die Kommunisten verlanat., daß sie nicht ausgeschaltet würden, aber auch nur, um in und außerhalb dieses Ausschusses den schärfsten Kampf gegen den Sevparatismus zu führen. (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Genau wie wir! — Lachen bei den Kommunisten.)
Aba. Koch (Dem.) fragt, ob es richtig sei., daß von den Völkischen fortwährend gerufen worden sei: Raus! (Rufe bei den Nationalsozialiften: Jawohl!) Daraufhin sind aber die Kommunisten auf meinen Freund Brodauf zülgesprungen! Herr von Graefe, der vorsichtigerweise den Saal verlassen hab (Großer Lärm bei den Nationalsozialisten und Zurufe: Sie wissen doch, daß jetzt um 2 Uhr der Aeltestenausschuß zusammentritt. und daß Graefe dabei ist!) Herr von Graefe hat Brodauf „Jude“ zugerufen, „elender Schuft“ (sehr richtigk bei den Nationalsozialisten), „Separatistenunterstützer“ (jawohll bei den Nationalsozialisten). Alle diese Aeußerungen werden ietzt zugegeben. (Zuruf bei den National⸗ soziaͤlisten: Jawohl, weil sie stimmen!) Ich stelle also fest, daßs die hauptsächliche Verantwortung für die Erreguna hier im Hause die Nationalsozialisten trifft.
Abga. Sollmann (Soz) gibt zu, daß die Massen im besetzten Gebiet ihre Pflicht getan haben gegenüber dem Separatismus. (Abg. Katz [Komm.]: Gegenüber dem Separatisten Sollmann!) Herr Stoecker wird bestätigen, daß der Vorwurf des Separatismus mich nicht trifft. Herr Stoecker schweigt, er aibt es also zu. Einen solchen Vorwurf kann auch nur ein Herr Iwan Katz erheben. Herr Stoecker hat an einer vorbereitenden Sitzung teilaenommen und ist damals in den Sechziger⸗Auschuß gewählt worden. Wenn er an den Sitzungen des letzteren nicht weiter teilgenommen bat. so hat er seine Pflicht verletzt. Wir sind stets Geaner des Sevaratismus gewesen, wir haben stets gegen die Loslösung der Rbeinlande von Preußen angekämpft. (Rufe bei den Kommunisten: Meerfeld!) So gewaltig die Gegensätze sind, die die rheinische Arbeiterschaft politisch trennen, im Kampf gegen den Separatismus hat die gesamte rheinische Arbeiterschaft immer ihre Pflicht getan.
Abg. Jenzen (Dt.⸗Soz.): Ich habe den Voraängen von vorhin, die sich verhältnismäßia schnell abaespielt haben, ganz in der Nähe beigewohnt und stelle fest, daß erst provoziert worden ist, als der kommunistische Stoßtrupp vordrang. (Große Unruhe bei den Kommunisten. Ruf: Elender Verleumder!) Von deutschvölkischer
Vertrags
Seite ist nicht provoziert worden. Den Unwillen der Kommunisten verstehe ich durchaus gegenüber dem Verhalten des sogenannten Demokraten Brodauf. Jetzt will Herr Koch aus dem Vorgang für seine Partei ein politisches Geschäft machen: demgegenüber stelle ich weiter fest, daß gerade der Abg Kovpsch es war, der unter deutlichem Fingerzeig einen deutschvölkischen Abgeordneten als „zelenden Hetzer“ bezeichnet hat. (Große Unruhe bei den Demokraten.) Nachher hat Herr Kopsch es abgestritten Herr Koch soll also seinen eigenen Leuten Moral predigen.
Abg. Esser⸗Köln (Zentr.)
mmu⸗ Zen⸗ epara
E bemerkt gegenüber den Ko nisten, daß die heute von ihnen angegriffenen Angehörigen des trums ein volles Jahr lang in vorderster Front gegen den S tismus gestanden haben.
Abg. v. Graefe (Nat.⸗Soz.): Der Abgeordnete Koch hat die gehabt, zu behaupten, daß die Szene von vorhin auf meine Leranlassung herbeigeführt worden sei. Ich verstehe durchaus, wenn die Demokraten jetzt einen Ausweg suchen angesichts der bodenlosen Gemeinheit, die sich ein Mitglied ihrer Partei hat zu schulden⸗ kommen lassen. (Große Unruhe und Zurufe.) Der Ausdruck ist unparlamentarisch. Aber die deutsche Sprache bietet mir keinen anderen Ausdruck Ich hahe auch nicht das geringste von meiner Kenngeichmung zurückzunehmen. Eortdauernder großer Lärm in der Mitte und bei den Demokraten.) Eine Meerestiefe trennt mich von den Kommunisten, aber ich erkenne an, sie haben doch noch mehr Ideglismus als die verkommenen und verkalkten Repräsentanten der Nachkommen derer von 1848, der heutigen sogenannten Demokratischen Partei (Fortdauernder allgemeiner Lärm.) Herr Koch soll dann weiter gesagt haben, ich wäre bis an die Tische der Demokraten vorgedrungen und hätte mich dann heimlich gedrückt. Es muß schon ein anderer Kerl sein als er, wenn ich mich heimlich drücken soll. (Stürmische Heiterkeit.) 8 Abg. Stoecker (Komm.): Ich bin an der Bildung des Sechs⸗ ziger⸗Ausschusses nicht beteiligt gewesen, unsere Partei hat dutzend⸗ mal gegen diese Bildung protestiert. Als der Ausschuß gegen unsern Protest gebildet worden war, haben wir allerdings verlangt, daß auch die rheinische Arbeiterschaft darin vertreten sei. Die Sozialdemokraten haben sich in Gemeinschaft mit Angehörigen des Zentrums und der Demokratie und allerdings auch mit Wissen und Zustimmung des Herrn Dr Jarres, auch in Koblenz an Besprechungen beteiligt, deren Ziel die Loslösung war.
Abg. Kopsch (Dem.) erklärt, sich nach dem Vorgehen der Deutschvölkischen gegen Brodauf zu seinem Zwischenruf für berechtigt gehalten zu haben.
Abg. Sollmann (Soz.) tritt wiederholt den Behauptungen des Abg. Stoecker entgegen.
„Abg. Stoecker (Komm.) erklärt, Sollmvann habe lediglich für die Zuziehung der Kommunisten plaädiert, teilgenommen hätten diese an der Sitzung des Sechziger⸗Ausschusses jedoch nicht.
Mit Rücksicht auf die Beratungen des Aeltestenrats werden die Beratungen um 2 Uhr bis 5 Uhr unterbrochen. Dann sollen die Abstimmungen für die zweite Lesung der Gut⸗ achtengesetze stattfinden. 1 8
Die zweite Sitzung. Mit fast einstündiger Verspätung wird die um 6 Uhr vom Präsidenten Wallraf eröffn An den Regierungstischen sind Reichswehrminister Dr. Geßler und Reichsarbeitsminister Brauns erschienen. 8 Präsident Wallraf nimmt dann sofort Stellung zu den Tumultszenen in der Vormittagssitzung des Reichstages und sagt: Die Vorgänge, die sich vorhin im Reichstag abgespielt haben, zwingen den Präsidenten, darauf zurückzukommen. Ich habe fest⸗ gestellt, daß der Abgeordnete v. Graefe durch Zwischenrufe belei⸗ digender Art den Abgeordneten Brodauf verletzt hat. Ich rule des
Abgeordneten v. Graefe dafür zur Orndnung. Die Prügelszene, die
sich dann zu unserem Schmerz, zum Schmerz der überwiegenden Mehr⸗ heit des Hauses und auch des Präsidenten hier zutrug, hat bis zur Stunde nicht in allen Einzelheiten geklärt werden können. Nicht alle, die sich einer gröblichen Verletzung der Ordnung schuldig ge⸗ macht haben, sind einwandfrei ermittelt. Fest steht indessen, daß als Angreifer sich beteiligt haben die Abgeordneten Grube Nedder⸗ meyer und Epstein. (Rufe bei den Kommunisten: Korell, Peine, Hergt!) Wegen gröblicher Verletzung der Ordnung des Hauses schließe ich die drei genannten Abgeordneten von der heutigen Sitzung ans, und ich fordere sie auf, den Saal zu verlassen.
Abg. Stoecker (Komm.) verlangt das Wort zur Geschäfts⸗ ordnung.
Präsident Wallraf verweigert es ihm: Sie bekommen sofort das Wort, sobald die drei Abgeordneten, die ich genannt habe, den Saal verlassen haben. Darauf warte ich. (Erneute Zurufe bei den Komm.: Peine, Korell!t — Gegenrufe: Sie haben nur abgewehrt!)
Präsident Wallraf stellt fest, daß die drei genannten Abgeordneten seiner Aufforderung zum Verlassen des Saales nicht gefolgt sind, und unterbricht die Sitzung auf fünf Minuten. Die Abgeordneten Grube, Neddermeyer und Epstein bleiben trotzdem auf ihren Plätzen.
Nach fünf Minuten wird die Sitzung von Präsident Wallraf wieder eröffnet, der folgendes bemerkt:
Durch die vorhin festgestellte Weigerung der Abgeordneten Grube, Neddermeier und Epstein, meinen Anordnungen zu folgen und dementsprechend den Saal zu vexylassen, und durch die von mir deshalb verkündete Unterbrechung 8 Sitzung tritt der Aus⸗ EHruf der drei Abgeordneten auf acht Sitzungstage ein (kurze Pause). Ich gtelle est, daß sie auch jetzt nicht den Saal verlassen und also sich wiederholt geweigert haben, meinen Anordnungen zu folgen. Da⸗ durch ist der Ausschluß auf zwanzig Sitzungstage von selbst ein⸗ getreten. (Großer Lärm bei den Kommunisten, lebhafter Beifall bei den anderen Parteien.) Ich mache darauf gaufmerksam, daß nach der Reichsverfassung dem Präsidenten des Reichstags das Hausrecht zusteht. (Großer Lärme bei den Kommunisten und Zurufe. — Leb⸗ hafter Beifall bei den anderen Parteien.) Ich mache weiter darauf -. daß ein Widerstand gegen meine Maßnahmen einen Hausfriedensbruch bedeutet (großer Lärm bei den Kommunisten), und daß weiterhin Widerstand gegenüber den Exekutivbeamten als Wider⸗ stand gegen die rechtmäßige Ausübung der Staatsgewalt gilt. Ab⸗ geordnete, die auf frischer Tat festgenommen werden, verlieren ihre Immunität gemäß Artikel 37 der Reichsverfassung. (Großer Lärm bei den Kommunlsten.) Nunmehr bitte ich, die Tribünen für das Publikum zu räumen. Auch die Herren von der Regierung und die Journalisten bitte ich, ihre Plätze zu verlassen.
Das Publikum verläßt die Tribünen, ebenso räumen die im Saale anwesenden Regierungsvertreter ihre Plätze, des⸗ gleichen die Vertreter der Presse auf der Journalistentribüne.
Der Abg. Neddermeier verläßt freiwillig den Saal. Dagegen warten die Abgg. Grube und Epstein erst eine dreimalige Aufforderung der vom Präsidenten herbeigeholten, Polizeibeamten ab, ehe sie sich entfernen.
Präsident Wallraf eröffnet die Sitzung wieder um 6 ½ Uhr mit einer Erklärung, von der auf der Tribüne infolge der dauernden lärmenden Unterbrechungen der Kommunisten nur Bruchstücke verständlich werden. Er führt etwa aus:
Die polizeiliche Entfernung von Abgeordneten (Pfuirufe bei den
Sitzung
Die Kommunisten) aus diesem Saale steht einzig da in der Geschichte des Deutschen Reichstags. Ich hoffe, es wird guch das letzte Mal sein. Das Recht des einzelnen Abgeordneten, seine Meinung hier auszusprechen, muß ebenso gewahrt werden, wie die Würde des Reichstags. Wenn man mich noch zu weitergehenden Maßnahmen zwingt, und wenn dieser Zwang von Ihnen (nach links, zu den Kommunisten) ausgeübt wird, werde ich durch meine Pflicht zu einem anderen Wege gezwungen. 8
Abg. Stoecker (Komm.) verlangt das Wort zur Geschäfts⸗ ordnung.
Präsident Wallra nicht, da er erklärt hat,
f: Ich erteile Herrn Stoecker das Wort daß er auf den Vorfall von vorhin zurück⸗
Sache vorbei.
8 belaostung sind Abänderungsanträge Irg
kommen wolle. Gegen dieses mein galten 8 der Einspruch an das Haus frei Damit ist diese Sache für heute
erledigt. (Beifall.) 3 8 b b Abg. Stoecker erhält auch das Wort nicht zu einer Er⸗ allraf: Wir kommen zur Abstimmung. (Rufe
klärung zur Abstimmung.
Peasident bei den Kommunisten: Erklärung zur Abstimmung.) Ich bitte, mich nicht immerfort zu unterbrechen. Ich habe mich doch deutlich genug
eben ausgedrückt! — Der Präsident macht von dem Vorschlag des
die Entschließungen erst bei der dritten
Aeltestenrats Mitteilun i d Das Haus ist damit ein⸗
Lesung zur Beschlußfassung vorzulegen. verstanden.
Zum Bankgesetz beantragt Abg. Koenen (Komm.) namentliche Abstimmung. Zur Unterstützung dieses Antrags erheben sich auch die Nationalsozialisten, worauf die Kom⸗
8
munisten Bravo rufen. Die Unterstützung reicht aus. Das
(Bankgesetz wird mit 249 gegen 171 Stimmen bei zwei
Stimmenenthaltungen angenommen.
Vor den weiteren Abstimmungen erhält das Wort zu einer Erklärung namens der National⸗ sozialistischen Partei der Abg. Dr. Frick:
Namens der Nationalsozialistischen Freiheitspartei habe ich zu erklären: Die Entschließungen und Anträge reden sämtlich an der Sie sind nur ein Versuch, der Deutschnationalen Volks⸗ partei, eine Brücke zu bauen. Die Nationalsozialistische Freiheits⸗ partei wird ihrer Auffassung dadurch Ausdruck geben, daß sie keine Stellung zu den Anträgen nimmt, sondern sich der Abstimmung enthält.
Namens der sozialdemokratischen Fraktion gibt der Abg. Dittmann folgende Erklärung ab:
Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion wird wie bisher mit
Entschiedenheit dafür wirken, daß die rechtswidrige Besetzung des
Ruhrgebiets und der übrigen Sanktionsgebiete so rasch wie möglich, sedenfalls noch vor dem 15. August nächsten Jahres, aufgehoben und
ür die Kölner Zone die am 10. Januar 1925 ablaufende Räumungs⸗
rist pünktlich innegehalten wird. Getreu ihren Grundsätzen und in
Uebereinstimmung mit Beschlüssen der sozialistischen und gewerkschaft⸗
U
lichen Internationale bekämpft die deutsche Sozialdemokratie jede Unterdruͤckung der einheimischen Bevölkerung durch fremde Hesses⸗ macht und fordert die Räumung des gesamten besetzten Gebietes noch vor dem vertragsmäßigen Termin. Die sozialdemokratische Fraktion erklärt weiter, daß nach Sinn und Wortlaut des Londoner Vertrages die von Deutschland übernommenen Verpflichtungen von dem Zu⸗ standekommen der Deutschland zu gewährenden Anleihe abhängig sind. Die fozialdemokratische Fraktion erklärt weiter, wie sie es durch ihren Redner Scheidemann schon am 25. Juli ausführlich hat darstellen lassen, daß eine Alleinschuld Deutschlands am Ausbruch des Welt⸗ krieges nicht angenommen werden kann. Die vorliegenden Anträge und Resolutionen vermögen an dem geltenden Rechtszustand und an der Lage des deutschen Volkes nichts zu ändern. Ihre Annahme soll ledig⸗ lich zur Verschleierung der Tatsache dienen, daß versucht wird, ein paar Mitglieder einer Partei dieses Hauses durch Einräumen von Regierungsstellen und wirtschaftlichen Zugeständnissen zu einer Ver⸗ anderung ihrer bisherigen Haltung zu dewegen. Aus diesem Grunde lehnt die sozialdemokratische Reichstagsfraktion alle diese Anträge und Resolutionen ab.
In einfacher Abstimmung werden das
angenommen
Privatnotenbankgesetz, der Gesetzentwurf über die
Rentenbank und das Münz⸗
Liquidierung der nd d 1 die Kommunisten,
gesetz. Dagegen stimmten geschlossen die Nationalsozialisten und die Deutschnationalen. Das Industriebelastungsgesetz wird mit 247 gegen 73 Stimmen angenommen. Ein Mitglied enthält sich der Abstimmung. Zum Gesetz zur Aufbringung der Industr ie⸗ gestellt. Ein An⸗ Dr. Schneider⸗Sachsen (D. Vp.) von nur mWaktioneller Bedeutung gelangt zur Annahme, ebenso der Antrag, die werbenden Bekriebe des Reichs, der Länder und Gemeinden entgegen dem Reichsratsbeschuß für aufbringungspflichtig zu erklären, dieser mit den Stimmen der Deutschnationalen. In dieser Fassung kommt das Gesetz mit der gleichen Mehrheit wie die vorher ge⸗ nehmigten Gesetzentwürfe zur Annahme. Es folgt die Abstimmung über das Gesetz, betr. die Deutsche Reichsbahngesellschaft (eichsbahn⸗
gesetz).
herhalten steht ihm zunächst
Abg. Dr. Bredt (Wirtsch. Vgg.) erklärt vor der Abstimmung: Nachdem wir gehört haben, daß die deutsche Regierung sich in London darauf festgelegt hat, daß eine Zweidrittelmehrheit über dieses Gesetz entscheiden soll, ziehen wir unseren Antrag zurück. Ich stelle aber fest, daß die Regierung sich festgelegt hat in dieser Frage, ohne jemals den Reichstag, der doch zur Enkscheidung berufen war, zu hören. Auch dem Auswärtigen Ausschuß ist nichts mitgeteilt worden, wir hatten nicht einmal Kenntmnis von dem Gutachten, auf dem die Stellung der Regierung beruhen soll
Abg. Stoecker erklärt namens der kommunistischen Fraktion: Bei 22 wichtigen und entscheidenden Abstimmung fehlen neben drei inhaftierten Mitgliedern der kommunistischen Fraktion noch fünf weitere, die aus dem Hause ausgeschlossen worden sind. Diese absicht⸗ liche Schwächung der Opposition (Gelächter) ist erst heute zum Teil noch herbeigeführt worden. Die kommunistische Fraktion hat die Sache der politischen Gefangenen, die Befreiung von 7000 politischen Ge⸗ fangenen mit aller Schärfe und Rücksichtslosigkeit vertreten, sie fühlt sich darin eins mit den Proletariern in allen Betrieben. Unsere Forderung, die Frage erneut dem Rechtsausschuß zu überweisen, war um so mehr bexechtigt, als die nationalsozialistische Fraktion, an deren Stimmen die Amnestie zuletzt im Ausschuß scheiterte, nunmehr selbst die erneuerte Beratung beantragt hat. Es war ein Akt der Ver⸗ gewaltigung, daß diesem Wunsche großer Fraktionen keine Folge geleistet wurde, und diese Vergewaltigung wurde noch unerhört dadurch verschärft, daß der demokratische sächsische Abgeordnete Brodauf durch e Einspruch die Behandlung der Frage verhinderte (Pfui⸗Rufe
ei den Kommunisten.) Es handelt sich um das Schicksal von 7000 Gefangenen, das Schicksal der Besten des deutschen Proletariats. (Gelächter.) Der Redner versucht hierauf eine ausführliche Darstellung der Vorfälle zu geben, die zu der Prügelszene im Reichstag geführt haben. Der Abgeordnete Korell habe gesagt: „Solange wir noch die Macht haben, kommt keiner von Euch Lumpen aus dem Gefängnis heraus“. Daraufhin habe sich die Empörung bei den Kommunisten Luft gemacht.
Präsident Wallraf ruft den Redner dreimal zur Sache und als der Abgeordnete Stoecker trotzdem weiter versucht, eine Darstellung der betreffenden Vorgänge zu geben, befragt der Präsident das Haus darüber, ob der Abgeordnete Stoecker noch weiter sprechen dürfe. Mit großer Mehrbeit wird dem Abgeordneten Stoecker das Wort entzogen. (Stürmische Pfui⸗Rufe bei den Kommunisten.) Gegen die Wort⸗ entziehung stimmten die Kommunisten und Nationalsozialisten.
Die Abstimmung über das Reichsbah ngesetz ist wieder namentlich. Die Mehrheitsverhältnisse sind die gleichen wie bei den übrigen Gesetzen. Die Vorlage wird mit 248 gegen 174 Stimmen bei einer Enthaltung angenommen.
Das Reichsbahnpersonalgesetz wird in ein⸗ facher Abstimmung angenommen.
Zum Mantelgesetz liegen zwei 8 Antrag Dr. Zapf (D. Vp.), der von der Regierung fordert, sie solle darauf hinwirken, daß das Sanktionsgebiet erheblich vor dem 15. August 1925, die Kölner Zone unter allen Umständen am 10. Januar 1925 geräumt werde und daß dafür Sicherheit geschaffen wird, daß künftig die im Rheinlandabkommen für die veng. der Besatzungs⸗ behörden gezogenen Grenzen nicht überschritten werden. Ferner ein Antrag v. Raumer (D. Vp.), wonach das Mantelgesetz und die dazugehörigen Gesetze außer Kraft treten, sobald die Reichsregierung feststellt, daß die im Lon⸗ doner Abkommen vorgesehenen Verträge über eine Deutsch⸗ land zu gewährende Anleihe von achthunder Millionen Gold⸗ mark nicht zustande kommen.
Abg. Schultz⸗Bromberg (D. Nat.) erklärt namens seiner Fnaktion zu diesen Anträgen, sie behalte sich für den Fall einer An⸗ nahme in zweiter Lesung die Stellung von Abänderungsanträgen in dritter Lesung vor. (Hört, hört! bei den Sozialdemokraten.)
Abg. Scholem (Kommn) gibt gleichfalls eine längere Erklärung ab. Um 8 Deutschnationalen ihre Zustimmung zu dem Londoner Pakt nicht zu erleichtern, sei die kommunistische Fraktion bereit gewesen, ihren in Frage kommenden Mitgliedern für die morgige Sitzung Urlaub zu erteilen. Leider sei es ihnen im Aeltestenrat unmöglich gemacht worden, irgendein Wort zu dieser Sache zu sagen. Sie häͤtten die feste Ueberzeugung, daß der deutschnationale Präsident den Aus⸗ chluß der Komnmnisten mur herbeigeführt habe um die Minderheit, die gegen das Eisenbahngesetz stimme, zu schwächen.
Der Antrag Zapf wird gegen die Stimmen der Kom⸗ munisten, Sozialdemokraten und eines Teils der National⸗
Anträge vor: Ein
4
8
sozialisten angenommen, ebenso der Antrag v. Raumer. In dieser Fassung nimmt das Haus das Gesetz über die Londoner Konferenz in namentlicher Abstimmung mit 248 gegen 175 Stimmen an; ein Mitglied enthält sich.
Damit ist die Tagesordnung erschöpft. Das Haus vertagt sich. Präsident Wallraf schlägt vor, die nächste Sitzung ab⸗ zuhalten am Donnerstag 10 Uhr mit der Tagesordnung: Kleine Vorlagen, dritte Lesung der Dawes⸗Gesetze, Amnestie, Freifahrtkarten.
Abg. Esser (Bentr.) beantragt, auch ein Ermächtigungsgesetz für die Regierung zur Einführung einer Erwerbslosenfürsorge für Seeleute auf die Tagesleute zu setzen.
Abg. Dr. Frick (Nat.⸗Soz.) wünscht Beratung der Amnestie vor den Dawes⸗Gesetzen.
Abg. Katz (Komm.) schließt sich dem an, weil er fürchtet, daß bei Auflösung des Reichstags in London die Amnestie für die Sepa⸗ risten ratifiziert wird, ohne daß die allgemeine Amnestie beraten worden ist.
Abg. v. Guépard (Zentr.) rechnet mit einer Auflösung und beantragt deshalb, das Gesetz über die Freifahrtkarten, da es zum Zweck habe, den Abgeordneten noch acht Tage nach der Auflösung die Freifahrtkarten zu belassen, gleichfalls vor den Dawes⸗Gesetzen zu beraten.
Abg. Scholem (Komm.) beschwert sich über das Verbot des Nochrichtenblattes der Kommunistischen Reichstagsfraktion und be⸗ antragt, die Aufhebung des Verbots auf die Tagesordnung zu setzen.
Abg. Müllern⸗Franken (Soz.) stimmt der. Vorziehung der Anträge zu, macht aber darauf aufmerksam, daß sie bei einer Auf⸗ lösung doch nicht zu retten seien.
Der Antrag Scholem wird abgelehnt, im übrigen wird die dritte Beratung der Dawes⸗Gesetze an den Schluß der morgigen Tagesordnung gesetzt.
8
1
Parlamentarische Nachrichten.
Der Aeltestenrat des Reichstags beschäftigte sich gestern während der Unterbrechung der Plenarsitzung zunächst mit der Geschäftslage des Hauses. Dem Bericht des „Nachrichten⸗ büros des Vereins deutscher Zeitungsverleger“ zufolge wurde be⸗ tont, daß es kaum möglich sein werde, die entscheidende Schluß⸗ abstimmung über die Gutachtengesetze noch am Donnerstag vorzunehmen, weil die dritte Lesung voraussichtlich längere Zeit in Anspruch nehmen werde. Es ist also mit der Möglichkeit zu rechnen, daß die Schlußabstimmung erst am Freitag erfolgt. Dann nahm der Aeltestenrat zu den Vorgängen in der Mittwochvormittagsitzung Stellung Es wurde verlucht, die Teilnehmer an der Schlägerei festzustellen. Von den Kommunisten und Nationalsozialisten wurde dagegen Einspruch er⸗ hoben, daß sich der Aeltestenrat zum Untersuchungsausschuß in dieser Angelegenheit mache. Die notwendigen Ermittlungen müßten in anderer Weise durchgeführt werden. Auf Vorschlag des Zentrums wurde die Untersuchung der Vorgänge schließlich dem Vorstand des Reichstags überwiesen.
Statistik und Volkswirtschaft.
Die amtliche Großhandelsinderziffer vom 26. August 1924.
Die auf den Stichtag des 26. August berechnete Großhandels⸗ indexziffer des Statistischen Reichsamts ist mit 120,9 gegenüber dem Stande vom 19. August (121,2) nabezu unverändert Die Indexziffern der Hauptgruppen lauten: Lebens mittel 111,5 (Vor⸗ woche 111,9), davon die Gruppe Getreide und Kartoffeln 99,1 (99,5); Industriestoffe 138,4 (138,5), davon die Gruppe Kohle und Eisen 129,5 (129,5), Inlandswaren 113,6 (113,8), Einfuhr 157,4 (158,1).
Zerlin, den 27. August 1924. Statistisches Reichsamt. B
Prauftoffverbrauch, Bierversteuerung usw. in den Brauerei
—
en der Biersteuergemeinschaft
Im 1. Viertel des Rechnungsjahrs 1924 sind in den Brauereien
verwendet worden
versteuert und steuerfrei abgelassen worden
Zucker⸗ stoffe
d2 dæ
Malz
Reis, Einfachbier— Schankbier
B
Vollbier V Bier
Reisgrieß, Maisgrieß, unter⸗ ober⸗
Maisstärke gärig gärig dz hl hl hl
unter⸗ ober⸗
gärig
unter⸗ gärig
ähnliche
ober⸗ im iche v Getränke
gärig ganzen
unter⸗ gärig
gärig
ober⸗ hl hl hl h
25 814 18 386 21 748 56 726 23 656 138 047 16 362 16 117 37 035 23 498 3 700 68 687 154 857 71 021 63 105 43 775 53 319 80 143 54 048 72 360 287 294 183 706 71 848 99 336 88 220 37 746
Königsberg. L rschlesien
Wresmn ..
Brandenburg..
Groß Berlin..
Mecklenburg⸗Lübeck.
Interelbbee
Schleswig⸗Holstein
Unterweser ...
Oldenburg.
Hannover. .
Münster.
Düsseldorf *)
Kölmn . .
Cassel 9 8u58
Thüringen.
Magdeburg.
Dresden *
Leipzig..
München.
Nürnberg.
Würzburg
Stuttgart
Karlsruhe
2 498 556
—109 309
10 219 6 401
2 511 18 071 28 091 101 725 3 901
2 394 — 6 787 635
5 027 1 848 21 402 1 947
676 1130 672
3 543 4 488 2 564
722
1 248 4 282 393
8 442 5 339 3 610 1 104 999
7 664 14 446 20 043 9 649 809 1 606 4 640 46 39 661
11 095 11 003 1 442 1 102 — 176 — 507
— 2 —‿½
1 568 —
II11
231 935 326
1 779
216 1 030 546
107 803 94 60o8 97 212 253 884 100 473 815 116 62 961 100 452 2 207 802 136 160 8288 5 20 643 b 365 101 702 225 305 929 265 34 8 222 874 8 ’“ 241 005 414 854 297 132 343 940 1 574 829 955 109 337 328 482 321 450 364
257598
177 785
128 542 105 312 110 885 309 790 137 230 947 564 91 116 104 531 226 179 140 735 21 160 393 346 748 981 341 823 275 999 224 433 176 282 227 — 448 155 — 346 653 387 882 1 616 011 449 997 553 3 966 364 562 5 486 263 852 452 098 448 178 740
7 105 12 8833 10 032 36 766
7 706 29 287 23 858
138 138 3
981
3 333
Noat Zusammen 1. Vierteljahr
* Angaben sind zollern verbraucht
Berlin, den 21. August 1924.
1924 1 810 554
263 895 66 433
in das Ruhrgebiet und der Besetzung⸗ 1*
[9 133 264
— ¹) Größtenteils Auslandszucker, der zu untergärigem Ausfuhrbier verwendet wurde. —
10 812 I87v5
2
2²) In