— Zustände himveist, welche die französische politik geschaffen hat, und die zum Ausdruck bringt, daß Deutschland lle Verpflichtungen aus dem Versailler Vertrage so lange ruhen assen würde, als nicht der Rechtszustand im besetzten Gebiet wieder⸗ hergestellt sei. Aus diesen Erklärungen, bei denen es übrigens gar keine parteipolitischen Gegensätze gab — es ist so falsch, alle diese Dinge immer auf den Parteikarren laden zu wollen (Zustimmung); der eine sucht dann aus solcher allgemeinen Not die Verantwortung
ach links, der andere sucht sie nach rechts hin zu bringen. Damals war Ministerpräsident Braun auf diesem Standpunkt mit uns ganz einig. Es waren also nicht deutschnationale Einflüsse, und als wir or dieser furchtbaren Situation damals standen, haben wir uns nicht gefragt, zu welcher Fraktion oder Partei wir gehörten. (Sehr richtig!) Aber Sie sehen aus dieser Erklärung auch das eine: daß es sich hier jicht nur um eine innerpolitische Situation handelt. Von einem allenlassen des Rheinlandes war gar keine Rede. Ich habe diese zerhandlungen mit Poincaré6 deshalb hier erwähnt, weil sie mit ieser Situation in ursächlichem Zusammenhang standen. Die Kund⸗ ebung, die wir damals in den Hauptstädten der Welt veranlaßt aben, diese Erklärungen unserer Botschafter und Gesandten in allen ändern der Welt, daß wir Frankreich und Poincaré verantwortlich achen für das Chaos, das im besetzten Gebiet ausbrechen muß, wenn ir die Unterstützungen nicht mehr zahlen können, wenn wir in diese age gebracht worden wären, bildeten doch auch den ganz starken oralischen, politischen und außenpolitischen Druck, der vielleicht mit azu geführt hat, daß nachher die Verhandlungen schneller voran⸗ ingen, und daß es mit Frankreich zu einer Verständigung gekommen t. (Sehr wahr! bei den Regierungsparteien.)
Bei diesen Verhältnissen — das möchte ich doch betonen — hat es nie einen Beschluß des Kabinetts im Deutschen Reich gegeben, der davon gesprochen hat, daß das besetzte Gebiet vom übrigen Deutsch⸗ land abgekoppelt werden sollte. (Zustimmung.) Was damals die Situation so außerordentlich erschwerte, lag auf jenem finanziellen, währungspolitischen Gebiete, daß wir eben die Rentenmark geschaffen hatten, daß noch kein Mensch so recht an die Rentenmark glaubte; — denn die, die sich später zu ihr bekannten, haben sie verhöhnt als sie damals ins Leben trat. (Lebhafte Zustimmung in der Mitte und links.) Ferner sagten wir uns: wenn diese Rentenmark wieder nicht zu halten ist, wenn dieser Versuch wieder mißlingt, dann kommt das deutsche Volk wieder zur Verzweiflung! Wer weiß, wie der Finanz⸗ ninister, Herr Dr. Luther, im Kabinett gerungen hat — ich kann jetzt wohl sagen: einmal ist er deswegen fast einem Weinkrampf er⸗ legen —, als er erklärte: ich kann nicht weiter, ich kann die neue Währung nicht ruinieren, es muß etwas geschehen, was uns von den ungeheuren Summen befreit, die dort hineingegeben werden! als wir den Verzweiflungsschritt taten, der aber auch außenpolitisch gedacht war, ich glaube, da sollten Sie von uns die eine Ueberzeugung haben, daß wir nie daran gedacht haben, uns vom Rheinlande zu trennen, sondern nur an eins dachten, Rheinland und Reich gemeinsam zu retten, wie es schließlich auf dem Wege der weiteren Entwicklung sich vollzogen hat. (Bravo!) Das ist das, was ich hier einmal betont haben möchte. Ich habe die Empfindung, als ob wir so oft in Deutschland darunter leiden, daß nur die gegenwärtige Situation, daß nur der kleine Sektor des gegenwärtigen Geschehens in den Blickpunkt der Kritik tritt. (Lebhafte Zustimmung bei den Regie⸗ rungsparteien.) Natura non facit saltus — die Natur geht nicht sprungweise vor, und die Weltgeschichte geht erst recht nicht sprung⸗ weise vor. Ich verstehe vollkommen, daß wir, die Mitlebenden, alle diese Dinge empfinden unter dem täglichen Druck, dem wir ausgesetzt sind. Ich glaube, die Nachwelt wird einmal die Entwicklung, die in der Zeit von 1918 bis 1924 vor sich gegangen ist, ganz anders ansehen. (Sehr richtig! in der Mitte.) Einst wird man sich sagen, daß in der großen Entwicklung dieser sechs Jahre doch nur eine kleine Spanne waren, und daß das, was in diesen sechs Jahren von Versailles bis London führte, doch eine Aenderung der gesamten Charaktereinstellung der Welt in sich barg, die man auch in dieser Gegenwart nicht über⸗ sehen sollte. Gerade diejenigen, die einen starken Glauben an das deutsche Volk haben, die der Meinung sind, daß dieses Volk nicht untergehen darf und nicht untergehen wird, sollten doch auch nicht glauben, daß hier die Fesseln, die Paragraphen eines wirtschaftlichen Vertrags den Gang der Entwicklung aufhalten, wenn der Gang der Entwicklung der ist, daß Deutschland wieder zu wirklicher Gleich⸗ berechtigung in der ganzen Welt gelangt. (Bravol bei den Mittel⸗ parteien.) Dann werden sich Mittel und Wege auch anderer Ver⸗ ständigung finden. Wollen Sie aber die Zukunft retten, dann treten Sie erst auf den Boden dieser Gegenwart! (Stürmischer Beifall bei den Mittelparteien.)
Reichsminister der Finanzen Dr. Luther: Meine Damen und Herren! Gegenüber der Sachdarstellung, die ich vor einigen Tagen hier im Hause über die Zustände gegeben habe, die jetzt sind und sich entwickeln würden, wenn wir zu einem Abkommen nicht kommen, ist bemerkt worden, ich hätte schwarz in schwarz gemalt. Widerlegt ist meine Sachdarstellung von niemand worden! (Sehr richtig! bei den Mittelparteien.) Ich glaube vorweg bemerken zu müssen, daß wir uns in der ernsten Stunde, in der wir sind, ganz entschlossen vor die Tatsachen stellen müssen und die Tatsachen sehen müssen, wie sie sind. Aber hinzu kommt für mich ein zweiter Gesichtspunkt. Es war für die Regierung und war für mich notwendig, als Begründung für unsere Stellungnahme gerade diesen Umstand unserer Wirtschaftsnot deutlich in den Vordergrund zu stellen. Wenn ich auch, wozu ich durchaus bereit bin, die großen Fortschritte der Londoner Abmachungen gegenüber dem jetzigen Zustand anerkenne, so kann ich doch in dem
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Gesamtbild, das sich ergibt, nicht eine solche Lösung sehen, daß
wir ohne die Not, die nun einmal bei uns herrscht, uns zu der Zu⸗ stimmung entschließen sollten. Indem ich diese Not in den Vorder⸗ rund gestellt habe, habe ich gerade diesen Gesichtspunkt scharf unter⸗ richen, der mir wichtig scheint für Gegenwart und Zukunft. Was die eine Sonderfrage anbetrifft, die Frage der Kontrolle nserer Einnahmen, so stimme ich mit dem Herrn Abgeordneten r. Quaatz darin völlig überein, daß diese Kontrolle unserer Ein⸗ nahmen einer der schwerst zu tragenden Teile in den Londoner Abmachungen und in dem Gutachten ist. Die Regierung hat von
nfang an dem Tatbestand mit Sorgen gegenüber gestanden, daß diese Einnahmenkontrolle im Gutachten vorgesehen war, ohne daß chon die Wege gewiesen waren, um diese Dinge in bestimmte und este Umrisse und Formen hineinzubringen. Ein Organisationskomitee für diese Angelegenheit war nicht vorgesehen; es war nur vorgesehen, daß die beteiligten Regierungen sich über die Maßnahmen verständigen sollten, die praktisch zu ergreifen sind, und wir mußten zunächst fest⸗ legen, daß im Sinne des Gutachtens Deutschland zu den beteiligten Regierungen gehört hat. 11.“ 8
Dann ist, nachdem die übrigen Organssationskomitees mit ihren Arbeiten weit vorgeschritten waren, für diese Angelegenheit ein be⸗ sonderes, eine Art freiwilliges Organisationskomite geschaffen worden, und dieses Komitee hat die Aufgabe gehabt, die vielfach nicht nur sehr ungünstigen, sondern auch in der Ausdrucksform sehr unscharfen Be⸗ stimmungen des Gutachtens in eine für uns einigermaßen tragbare Gestalt zu bringen. Es ist im Auswärtigen Ausschuß kürzlich eine zusammenhängende Darstellung vorgelegt worden über den jetzigen Zustand der Kontrolle der Einnahmen bei uns, über den Inhalt des Gutachtens und über das, was in London abgemacht worden ist. Es ist selbstverständlich unmöglich, hier die Einzelheiten nach dieser Richtung zu schildern, aber zwei Hauptlinien möchte ich unterstreichen.
Die eine Hauptlinie ist die, daß wir uns bemühen mußten, im Normalzustand, im Zustand der ersten Stufe unserer Leistungsfähigkeit das Maß der Kontrolle nach dem Text des Gutachtens und nach der Lage der Dinge so gering wie nur irgendmöglich zu gestalten, und dieses Ziel ist in den von mir angegebenen Grenzen durchaus erreicht⸗ Wir haben erreicht, daß für den Normalzustand überhaupt nichts anderes mehr in Frage kommt als eine Auskunftsbefugnis des Kom⸗ missars. Es kommt keinerlei Eingriffsrecht in der ersten Stufe in Frage (hört, hört! bei den Mittelparteien), es kommt in der ersten Stufe nicht einmal ein Vorschlagsrecht in Frage, sondern die Aufsicht der ersten Stufe — Aufsicht ist ja der Allgemeinbegriff — ist auf Auskunftserteilung beschränkt, die nach verschiedenen Richtungen in besonderen Formen gebildet ist. Das stellt immerhin gegenüber dem jetzigen Zustand der Dinge auch bei normalen Verhältnissen eine Erleichterung dar. Denn augenblicklich besteht beim normalen Zu⸗ stand der Dinge bereits ein Aufsichtsrecht des Garantiekomitees über den gesamten Haushalt, über Einnahmen und Ausgaben, und dieses Aufsichtsrecht über den gesamten Haushalt wird hiermit beseitigt und auf ein Auskunftsrecht über die verpfändeten Einnahmen beschränkt. (Hört, hört! bei der Deutschen Volkspartei.)
Die zweite Hauptaufgabe, die wir zu lösen hatten — vichtig war natürlich jeder einzelne Punkt —, bezog sich auf die Gefahren, die mit der letzten Stufe verbunden sind. Diese Gefahren waren im Text des Gutachtens wirklich nicht unerheblich, und zwar wegen der Allgemeinheit der Ausdrucksform, die sich dort findet. Ich lege Gewicht darauf, hier einmal der Tryt des Gutachtens in drei Sätzen zu ver⸗ lesen. Er lautet:
Wenn es notwendig ist, würde die Kontrolle des Kommissars automatisch rühriger, verantwortlicher, schwieriger und notwendiger⸗ weise kostspieliger werden; denn wenn Gefahr drohte, daß die Ein⸗ nahmen unzureichend wären, würde es seine Pflicht sein, jede mög⸗ liche Maßnahme zur Steigerung ihrer Ergiebigkeit zu ergreifen. Diese Steigerung der Tätigkeit der Kontrolle würde sich genau nach dem dafür vorhandenen Bedürfnis richten. Er würde also die Ver⸗ waltung im einzelnen nur dann und soweit es notwendig wäre, um⸗ gestalten und leiten.
Meine Herren, das sind in der Tat außerordentlich weitgehende Möglichkeiten, und nun haben wir versucht, in drei Richtungen die hier vorhandenen Gefahren zu vermindern und haben sie nach meiner Ueberzeugung vermindert. Einmal sind an die Stelle dieser ganz allgemeinen Wendungen von Gefahren für die Einnahmen ganz feste Formeln getreten. Es ist an deren Stelle eine Häufung von Voraus⸗ setzungen getreten, die eintreten müssen, bis überhaupt der Gedanke an solche Gefahren gegeben ist, Voraussetzungen in der Menge der Rück⸗ stände bei den verpfändeten Einnahmen, in der Zeit, in der diese ver⸗ pfändeten Einnahmen rückständig find, in dem Verfahren, das ein⸗ geschlagen wird, um festzustellen, ob denn nun die vom Kommissar geplanten Maßnahmen überhaupt geeignet sind, Besserungen hervor⸗ zurufen.
Das zweite, was wir verfolgten, das zweite, was sich in den Mitteln dem ersten naturgemäß anschließt, war, den Weg bis zu der Erreichung dieses äußersten Punktes möglichst lang zu gestalten, so zu gestalten, daß es sich nicht etwa um vorübergehende Krisen⸗ erscheinungen handeln kann, die uns dann mit einem Male in der⸗ artige Kontrollschwierigkeiten hineinstürzen würden, sondern so zu gestalten, daß nur, wenn eine wirkliche fortlaufende Senkung unserer Einnahmen eingetreten ist und schon allerhand vorbereitende Maß⸗ nahmen sich als wirkungslos erwiesen hatten, die letzten Rechte des Kommissars eintreten sollten.
Und endlich der dritte Punkt. Wie sehen nun diese letzten Rechte aus? Da ist keine Rede mehr von umgestalten und von leiten, sondern da handelt es sich darum, daß der Kommissar nach Benehmen mit dem Agenten für Reparationszahlungen fordern kann, daß eine Aenderung der Organisation bei dieser Einnahmequelle eintritt. Er kann also auf keinen Fall selbst umgestalten, auf keinen Fall selbst leiten. Aber auch diese Forderungen nach einer Organisationsänderung sind erst dann auszuführen, wenn ein besonderer Schiedsrichter ent⸗ schieden hat, daß die Maßnahmen erstens notwendig sind und zweitens geeignet sind, die Eingänge aus den Steuern so zu gestalten, daß die jährlichen Haushaltsverpflichtungen durch die verpfändeten Einnahmen sichergestellt sind.
Meine Damen und Herren! Der Zweck dieser meiner Dar⸗ legungen ist nicht etwa, Ihnen erzählen zu wollen, daß diese Kontrolle unserer Einnahmen eine leicht zu tragende Sache sei. Es bleibt auf jeden Fall eine schwere Last für uns. Aber der Zweck meiner Dar⸗ legungen ist, zu zeigen, daß wir immerhin unter dieser nun einmal gegebenen Voraussetzung hier ein Gebäude errichtet haben, das hoffentlich so ist, um wirkliche Gefahren auszuschließen. (Bravo! bei der Deutschen Volksp.)
Ich möchte noch eine kurze abschließende Bemerkung machen. Schon der Herr Außenminister hat davon gesprochen, daß die Welt⸗ geschichte ja nicht stille steht. Ich möchte zu dieser Bemerkung zwei Anfügungen geben. Ich möchte einmal, daß gerade auch hier im Reichstag, wo ja so oft der Gedanke der Endlösung ausgesprochen worden ist, ausdrücklich vom Regierungstisch aus der letzte Satz des Gutachtens selbst verlesen wird. Das Gutachten selbst — ich meine damit den ersten Teil — schließt mit folgendem Satz, der mithin an denkbar betonter Stelle steht:
Wir möchten schließlich betonen. daß unser Plan zwar keine Löfung der ganzen Reparationsfrage versucht, wozu er ja auch nicht be⸗ rechtigt ist, wohl aber eine Regelung ahnen läßt, da seine Durch⸗ führung sich über einen genügend langen Zeitraum erstreckt, um das Vertrauen wieder herzustellen; gleichzeitig ist er geeignet, ein end⸗ gültiges umfassendes Abkommen über alle Reparations⸗ und ver⸗ wandte Fragen zu erleichtern, sobald die Verhältnisse es ermög⸗ lichen. (Sehr richtig! bei der Deutschen Volkspartei.)
Der zweite Punkt, den ich noch au b moöchte, Wiederholung dessen, was ich schon in meiner ersten Rede gesagt hatte. Wir dürfen bei der Ausführung der Londoner Abmachungen nicht einen Augenblick müde werden. Ein solches Vertragswerk ist nicht mit der Unterzeichnung abgeschlossen, sondern mit der Unter⸗ zeichnung beginnt auf der Grundlage eines solchen Vertragswerkes ein neues Leben. Die jetzige deutsche Regierung und alle künftigen deutschen Regierungen werden alle ihre Kraft darauf zu richten haben, daß bei der Ausführung Schritt für Schritt das, was im Gutachten vorgezeichnet ist, auch verwirklicht wird, daß die Gesichtspunkte ver⸗ wirklicht werden, die bereits der Herr Außenminister Stresemann aus⸗ gesprochen hat, daß ferner unsere Währung tatsächlich erhalten bleibt als die notwendige wirtschaftliche Grundlage für alles, und daß endlich auch das erhalten bleibt, was im Gutachten ebenfalls an ausgezeichneter Stelle steht, nämlich die Verfügungsgewalt der deutschen Regierung über die deutsche Wirtschaft. (Lebhafter Beifall in der Mitte und bei den Sozialdemokraten.)
Abg, Fehrenbach (Str.) verliest folgende Erklärung seiner Partei: Die Fraktion des Zentrums hat ihre sachliche Haltung mehr⸗ mals dargelegt. Unsere Wünsche sind in Anträgen und Ent⸗ schließungen zum Ausdruck gebracht. Wir verkennen nicht die Leiden und Lasten des ganzen deutschen Volkes, besonders der besetzten Ge⸗ biete. Die Entscheidung, vor der wir stehen, wächst in ihrer Be⸗ deutung über Einzelheiten hinaus. Sie ist eine politische und berührt aufs tiefste die gesamte Nation, die Einheit und Freiheit Deutsch⸗ lands. (Sehr wahr! im Zentrum.) Politische Entscheidungen haben sich an der Wirklichkeit zu orientieren, auch wenn diese hart und spröde ist. In den Ländern der Alliierten und der Neutralen wird das Gutachten und der Londoner Pakt als ein internationales In⸗ strument der politischen Entspannung beurteilt; die Ueberzeugung ist allgemein, daß dadurch das Reparationsproblem zum ersten Marg der Politik entzogen und in die Atmosphäre ökonomischer Erwägungen hineingerückt ist. Eine Ablehnung deutscherseits würde als totale Verkennung der weltpolitischen Lage empfunden werden (sehr wahr! im Zentrum) und würde die lebendig gewordene und wachsende Ein⸗ sicht in die ökonomischen Zusammenhänge der Repargtionsfrage stören. Im Hinblick auf diesen Sachverhalt und unter Würdigung der Tatsachen haben wir seit Jahren die deutsche Politik verantwort⸗ lich getragen oder zu beeinflussen versucht; unser Blick war unter Zu⸗ rückstellung parteipolitischer und materieller Interessen unverwandt darauf gerichtet, die Einheit des Deutschen Reiches und Volkes zu wahren. (Lebhafter Beifall im Zentrum.) Damit war und ist es unvereinbar, Teile unseres Reiches und der Bevölkerung, die an sich schon schwer unter dem Zugriff gegnerischer Mächte zu leiden hatten, irgendwie preiszugeben, ihnen außerordentliche Lasten aufzubürden oder gar zu Reparationsprovinzen herabziehen zu lassen. Wir erklären auch in diesem Augenblick mit allem Nachdruck, daß jede Politik, die auf Kosten unserer besetzten Gebiete verderbliche Experimente machen will, in uns stets unerbittliche Gegner gefunden hat und finden wird. (Lebhafter Beifall im Zentrum.) Die Lasten sollen vom ganzen deutschen Volke getragen werden im Geist der Gerechtigkeit und wahren Volksgemeinschact. (Lebhafter Beifall im Zentrum. — Ruf bei den Kommunisten: Amnestie!) Die Bevölkerung des besetzten Gebietes hat in einem Massensturm von Entschließungen ihren Willen unzweifelhaft kundgetan. Sie erwartet von der Annahme der Londoner Abmachungen eine Erleichterung des heutigen unerträglichen Zustandes in Industrie, Landwirtschaft und Handel. Arbeiter und Beamte hoffen die Wiedererweckung des wirtschaftlichen Lebens, das Heer der Arbeitslosen erwartet die 11“ der Arbeit. Durch Ablehnung des Londoner Paktes wird Not und Elend vermehrt. Die Verantwortung darfür kragen diejenigen, die in politischer Ver⸗ blendung das Abkommen ablehnen. (Lebhafte Zustimmung im Zentrum.) Gerade von der rechten Seite, wo man das Wort „national“ immer im Munde führt, wird die nationale Verantwort⸗ lichkeit verkannt, und wir weisen das aufs schärfst⸗ zurück. (Lebhafter Beifall im Zentrum. — Abg. Dr. ꝑQuagatz (D. Nat.) ruft: Wenn man Sie ansieht, darf man da unwillkürlich lächeln? — Abg. Quaavt wird vom Vizepräsidenten Bell zur Ordnung gerufen.) Das deutsche Volk wird von Ihnen (nach rechts) Rechenschaft fordern, und es wird sein Urteil fällen. (Lebhafter Beifall im Zentrum.) 3
Vizepräsident Dr. Bell: Es ist vorhin vorgesehen worden, den Bericht des 17. Ausschusses, betr. die besetzten Gebiete, in die Verhandlung einzuschieben, aber nur unter der Voraussetzung, daß keine Debatte slaltfindet. Die inzwischen eingegangenen Wort⸗ meldungen müßten also zurückgezogen werden.
Reichsminister für die besetzten Gebiete Dr. Höfle: Meine Damen und Herren! Die Reichsregierung ist durchaus damit ein⸗ verstanden, daß die Fragen, die der 17. Ausschuß in langen Be⸗ ratungen behandelt hat, auch im Plenum zur Erörterung kommen. In der vor allem strittigen Frage der Betreuung der Privatpersonen ist inzwischen auch im Kabinett eine Verständigung erzielt worden. Die Reichsregierung ist aber der Meinung, daß die Durchführung der Anträge und Anregungen des 17. Ausschusses mit der Annahme des Sachverständigengutachtens sehr eng zusammenhängt, sie zum Teil sogar zur Voraussetzung hat. (Zustimmung bei den Mittelparteien.) Nameutlich in finanzieller Beziehung sind diese Zusammenhänge ohne weiteres gegeben. Ich darf daher bitten, diese Fragen erst dann zu entscheiden, wenn das Schicksal des Sachverständigengutachtens ent⸗ schieden ist.
Abg. Dr. v. Guévard (Str.): Die Ausschußanträge „— durchweg Materien, die außerordentliche Anforderungen an unsere Finanzen stellen. Würden sie ohne Hinblick auf das Schicksal des Londoner Abkommens angenommen, so würde das Elend der Be⸗ völkerung in den besetzten Gebieten nur noch verschärft werden, wenn das Londoner Abkommen nicht zu Annahme gelangt. Wir wollen doch von den entsetzlichen Zuständen loskommen, die in den besetzten Gebieten herrschen; wie wäre das ohne die Annahme des Abkommens möglich? Es wäre dann nur eine papierne Fürsorge für unsere Aus⸗ gewiesenen, für unsere Bedrängten zustande gekommen, wir würden ihnen lediglich eine Fata Morgana vormachen Ich beantrage daher, in der laufenden Debatte fortzufahren. 8
Abg. D. Mumm (D. Nat.): Die Beschlüsse des 17. Ausschusses sind heute vom Haushaltsausschuß überprüft worden. Stellen wir sie jetzt nach dem Antrag des Vorredners zurück, so wird die Wahr⸗ scheinlichkeit um so arößer, daß eine Beschlußfassung überhaupt nicht zustandekommt. (Große Unruhe.) Wir fordern daher. daß die An⸗ träge zuaunsten der besetzten Gebiete vor der endaültigen Bechluß⸗ fassung über London erlediät werden. (Rufe in der Mitte und rechts: Aha!) Wer für die Zurückstellung stimmt, übernimmt damit für das Schicksal der Bevölkerung des besetzten Gebiets. wo auch ich wohne, die gesamte Verantwortung.
(Fortsetzung in der Ersten Beilage.)
Verantwortlicher Schriftleiter: J. V.: Weber in Berlin.
Verantwortlich für den Anzeigenteil: J. V.: Rechnungsrat Meyer . in Berlin.
Verlag der Geschäftsstelle (J. V.: Meyer) in Berlin. 3
Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagsanstalt, 8
11“ Berlin, Wilhelmstr. 32. — —
Drei Beilagen 8 (einschließlich Börsenbeilage.) 8 und Erste und Zweite Zentral⸗Handelsregister⸗Beilage.
leiner übermäßigen Belastung der Wirtschaft und „der
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gleich wird die kommunistische Bewegung unterdrückt.
Abg. Thälmann gleich darauf von Brutalität der 9
zum Deutschen Reichsanzeiger und Preußischen Staatsanzeiger 1924
“ Abg. Florin (Komm.): Der amtierende Präsident hat mich der sachlichen Debatte widerrechtlich ausgeschlossen. Die Aus⸗ hußbeschlüsse konnten längst in die Tat umgesetzt werden, wenn die nerung den auten Willen dazu gezeigt hätte. Sie hat aber diese schlüsse bewußt sabotiert, und die Herren vom Zentrum, die jetzt Widerspruch gegen die Erledigung erheben, haben sich schon te früh im Haushaltsausschuß entlarvt. Die Arbeiterschaft fragt en Rheinlanden, wo es jetzt um ihre Befreiung geht, nicht danach, 1 angenommen wird oder nicht. Dieser Hinweis ist pure belei. Vizepräsident Dr. Bell verwahrt sich gegen die Insinuation Vorredners und verweist auf den ausdrücklichen Beschluß des ises, keine Debatte zuzulassen. Es wird nach dem Antrage v. Gusrard beschlossen und Verhandlung über das Londoner Abkommen fortgesetzt.
Abg. Dr. Zapf (D. Pp.): Die Deutschnationalen haben An⸗ eingebracht, wonach eine Reihe von Forderungen, deren Ver⸗ wirklichunga in London nicht gelungen ist, durch neue Verhandlungen erreicht werden soll. Auch wir verstehen die Enttäuschung über das unzureichende Ergebnis von London. Ob neue Verhandlungen die Begleichung der bestehenden Meinungsverschiedenheiten erleichtern werden, ist unsicher: sicher dagegen ist, daß der deutschen Wirtschaft h die monatelange Verzögerung ein ungeheurer Schaden erwachsen
de. (Sehr wahr! bei der D. Vp.) Das ganze deutsche Volk rsehnt die Beseitigung der Ungewißheit, die sein ganzes wirtschaft⸗ bes und soziales Leben lähmt. Die Industrie wie die Landwirt⸗ ft warten sehnlichst auf die Zuführuna der so notwendigen dite, um der schweren Krisis und der zunehmenden Arbeitslosigkeit egeanen. Ganz Deutschland wartet auf die Beseitigung der larenze am Rhein, auf die Wiederherstellung unserer Zollinie im sten, deren Fehlen täglich der deutschen Wirtschaft den schwersten aden zufügt, auf die Wiederherstellung der Einheitlichkeit res Eisenbahngebiets. Das Rheinland ersehnt dringend den ehinderten Verkehr zwischen besetztem und unbesetztem Gebiet, Befreiung von dem unerträglichen Druck widerrechtlicher onnanzen, die Rückgabe der rheinischen Forsten, um endlich den [dverwüstungen Einhalt tun zu können. Tausende von Aus⸗ iesenen erhoffen die Rückkehr, Hunderte von Gefangenen ihre iche Befreiunag. Die Verantwortung für eine weitere Hinaus⸗ bung der vorgesehenen Fristen vermag die Deutsche Volkspartei
t zu übernehmen. Wir haben dagegen eine Reihe von Anträgen Entschließungen eingebracht, welche keine politischen Selbst⸗ tändlichkeiten enthalten, wie man gestern angedeutet hat, sondern Lebensnotwendigkeiten des deutschen Volkes betreffen. Es ist Gebot dieser entscheidenden Stunde, erneut Protest gegen die uldlüge als Grundlage des Versailler Vertraas und des gegen seit fünf Jahren im Frieden geführten Krieages einzulegen. Es notwendig, die Befreiung des Ruhrreviers zu einem möglichst zeitigen Termin und die Schaffung von Rechtsaarantien für die einlande, sei es durch Wiederherstellung der Interalliierten Rhein⸗ bkommission in ihrer ursprünglichen Zusammensetzung, sei es durch ere Ausgestaltung des schiedsrichterlichen Gedankens, zu erzielen. muß festgestellt werden, daß die sämtlichen mit dem Gutachten zusammenhängenden Gesetze wieder außer Kraft zu treten haben, wenn der Anleiheplan nicht gelingt, und es ist endlich unerläßlich, wetlich festzulegen, daß die Regierung Mittel in der Hand hat, Arbeitskraft deutschen Volkes entgegenzutreten. Die hevenaghe ügee
lheitspartei und die Sozialdemokratische Partei haben diese Anträge Brücke für die Deutschnationale Partei bezeichnet. Diese Anträge bereits in unserer Fraktionssitzung am 21. Auaust als notwendige smnahme für die Richtung der künftigen deutschen Politik be⸗ ossen worden. (Hört! hört!) Sie haben ihren Wert in sich: n sie darüber hinaus Brücken schlagen, auf denen die Deutsch⸗ nationale Volkspartei am Zustandekommen der Gesetze mitwirken kann, so lieat das im Gesamtinteresse des deutschen Volkes. Unsere
1 Anträge sollen eine Plattform schaffen, auf die alle Parteien treten
küönnen, um zu zeigen, daß in Fragen der auswärtigen Politik eine meitgehende Uebereinstimmung der großen Parteien dieses Hauses und die gemeinsame Front besteht, die wir in der Veraangenheit so und so schmerzlich vermißt haben. Wir bedauern deshalb, daß zarteien dieses Hauses, obwohl sie die Richtiakeit unserer Gedanken rkannt haben, gegen unsere Anträge gestimmt haben, vertrauen aber darauf, daß heute alle diejenigen, denen es um das Zustande⸗ iommen der Gesetze ernst ist, zustimmen werden und damit den festen nationalen Willen bekunden, der allein den Wiederaufstiea Deutsch⸗ ds verbürgt.
Abg. Thälmann (Komm.) verlangt Auflösung des Reichstags. Draußen bilden die Massen Spalier, um das Leichenbegängnis der Deutschen Republik mit Redner verliest eine Fraktions⸗
klärung, in der es u. a. heißt: Am deutschen Volk soll ein un⸗ geheuerliches Verbrechen verübt werden. In London ist über die beste Methode der Ausbeutung unseres Volkes durch den Kapitalismus beraten worden. Knebelung der deutschen Produktion, Massenarbeits⸗ losigkeit, Elend und Teuerung der Lebensmittel sind die Folge, und
hen Vertrag wagt die deutsche Regierung zu unterzeichnen. Zu⸗ Im Namen von drei Millionen siebenhunderttausend Arbeitern, Angestellten und
Beamten lehnt die Kommunistische Fraktion den Londoner Vertrag
ab, der nicht einmal Sicherheit der Ruhrräumung bietet. Das Separatistengesindel wird begnadigt, nicht aber die anderen politischen Gefangenen in Deutschland. Die Hauptverantwortung trägt die Sozialdemokratie. Die Kommunistische Partei, appelliert an die Arbeiterschaft, dieses Abkommen abzulehnen. Die Sozialdemokratie aber ist Helfershelferin des internationalen Kapitalismus. Amerika will uns nicht helfen, sondern das deutsche Volk ausplündern. Die Lumpenbande der Separatisten soll amnestiert werden, nicht aber ehrliche Arbeiter, die ihrer Ueberzeugung gefolgt sind. Solche Schweine⸗ und Lumpenbande, die sich dazu hergibt, dem FG
(derartige Vorschläge zu machen, ist in der ganzen Geschichte noch nich
dagewesen. Der Redner rühmt die Entwicklung in Rußland und erklärt, die Kommunisten freuten sich, wenn der Reichstag aufgelöst werden würde. Dann seien die Wahlversammlungen frei, und die Kommunisten dürften dem Volk die Wahrheit mitteilen. Als Redner der Regierung Frechheit und Dreistigkeit vorwirft, erklärt Vize⸗ präsidenk Dr. Bell das als parlamentarisch unzulässig. Als der bg Kegierung spricht, wird er zur Ordnung gerufen. 8 Abg. Graf zu Reventlom (Nat.⸗Soz.) wirft der Regierung Verschleierung der Lage und allzu starkes Appellieren an Gefühle vor. Die Minister hätten erzählt, daß sie in London kaum geschlafen und gegessen, sondern Tag und Nacht gearbeitet hätten. Das sei boch das mindeste, was man von einem Minister verlangen könne. Herr Marx habe vor zwei Jahren gesagt, jede Obrigkeit sei von Gottes Gnaden. Da Marx inzwischen Reichskanzler geworden sei, so halte er sich wohl nun guch 88 von Gottes Gnaden. (Zuruf links: Machen Sie nicht solche Witze!) Von Gottes Gnaden sei wohl auch Ebert, der ausnahmsweise seit zwei Jahren keine Munitionsarbeiterstreiks mehr organisiere. (Stürmische Zustimmung i den Nationalsozialisten.) — Vizepräsident Dr. Bell rügt solche angriffe auf den Reichspräsidenten als unparlamentarisch. (Großer 8. bei den Nationalsozialisten) — Graf zu Revent⸗ ow (Nat.⸗Soz.) erinnert ferner an Hamlets Wort,
Berlin, Freitag, den 29. August
er werde mit Versprechungen wie mit Luft gestopft. So gehe es auch dem deutschen Volke mit dem Dawes⸗Gutachten. Im Protokoll stehe, Frankreich werde innerhalb eines Jahres „zur Räumung schreiten“, es werde also die Räumunga nicht innerhalb dieser Zeit effektuieren: das werde vielmehr unter Umständen noch Jahre lang dauern können. Im Rahmen des Ganzen seien die erreichten Verbesserungen an dem Dokument des Weltiudentums ganz gerinafügig. Man solle die unglückliche Ruhr⸗ und Rhein⸗ bevölkerung nicht demagogisch vorschieben, um darüber das Dawes⸗ Gutachten in Vergessenheit zu bringen. Das sei geradezu unsittlich. Eine andere Lösung sei nur möglich in der Weise, daß man sage: Wir sind bereit, über eine internationale Regelung der Entschädigungs⸗ frage zu sprechen, aber unter der Bedingung eines internationalen neutralen Schiedsgerichts. Der Redner fordert als Hauptbedinaung die Aufrollung und Erledigaung der Schuldfrage. In London sei weder auf dem Gebiete der Schuldfrage, noch auf dem der Ruhr⸗ räumung etwas Positives erreicht worden. Die starke Suggestion der Londoner Atmosphäre habe natürlich auch auf unsere Unterhändler gewirkt. Aber hier dürfe das doch nicht mehr nachwirken. Man sei stolz gewesen über die höfliche Behandlung in London, habe auch einen gewissen Vater⸗ und Mutterstolz gehabt, das fünfiährige, bisher so kränkliche und schwächliche deutsche Republikchen vorstellen und vertreten zu können. Aber der Erfolg sei gleich Null gewesen. Das Gutachten ser nicht die Bibel der Amerikaner, sondern die Wirt⸗ schaftsbibel der amerikanischen Bankiers, des Weltleihkapitals, des in Amerika konzentrierten Weltiudentums. Er wisse nicht, was vorzuziehen sei, der Poincarismus oder der Judaismus. der uns in seine Fesseln schlage. (Hört! hört!) Redner gibt zum Schluß eine Erklärung ab, in der es heißt: Die Nationalsozialistische Freiheitspartei erklärt, daß sie und die hinter ihr stehende völkische Bewegung die auf dem Dawes⸗Gutachten beruhenden, dem deutschen Volke auf⸗ erlegten Verpflichtungen nicht anerkennt, insbesondere diejenigen nicht, welche Geldverpflichtungen gegenüber den sogenannten Gläu⸗ bigern von seiten des deutschen Volkes darstellen sollen. Die Welt⸗ gläubiger mögen sich klar machen, daß die der deutschen Bevölkeruna unter moralischem Zwange unter Vorspiegelung falscher Tatsachen abgenötiaten Obligationen usw. in Zukunft vom deutschen Volk als wertloses Papier behandelt würden. Die Nationalsozialistische Frei⸗ heitsvartei betrachtet nach einer Ablehnung des Dawes⸗Gutachtens die ausländischen Kommissare und alles, was zu ihnen gehört, nicht als legal, sondern als feindliche Eindrinalinge, für deren persönliche Sicherheit keine Gewähr übernommen werden kann. Die National⸗ sozialistische Freiheitspartei erklärt ihre Bereitschaft zu ratenmäßiger Abzahlung einer festbearenzten, die deutsche Zahlunasfähiakeit nicht überschreitenden Summe. Die Frage der Schuld und der Ver⸗ antwortlichkeit am Weltkriege müßte international aufaeworfen und unter unpartelischer Leitung geklärt werden. Die Nationalsozialistische Freiheitspartei erklärt schließlich: Rettung und Freiheit kann dem deutschen Volke nur aus sich selbst kommen. Rettuna und Freiheit liegen allein und ausschließlich in einer grundstürzenden, grund⸗ legenden, völkisch sozialen Neuorientierung des deutschen Volkes und Staates. Nach außen lieat unter Voraussetzung einer völkisch⸗ sozialen Politik, die deutsche Zukunft nach Osten. nicht nach Westen.
Abg. Schiffer (Dem.): Die Methode des Vorredners in der Behandlung des Gegenstands entsprach doch wahrlich nicht der welt⸗ geschichtlichen Bedeutung des letzteren, der eine rein parteipolitische Kritik und Würdigung einfach nicht verträgt. Was soll hier über⸗ haupt die negative Kritik? Es ist doch Tatsache, daß keine Partei von dem Londoner Abkommen befriedigt ist, daß es ungeheure Mängel aufweist. Auf die großen Worte verzichten wir; aber wir haben auch unsererseits gleichfalls das volle nationale Empfinden gegenüber den Mängeln, Lücken und Gefahren des Londoner Paktes. Jetzt kommt es darauf an, was wird, wenn wir ablehnen. In dieser Richtung hat der Reichsfinanzminister der Volksvertretung mit aller Deutlichkeit Aufklärung gegeben, und er hat nicht etwa schwarz in schwarz gemalt. Die Deutschvölkischen wollen den deutschen völkischen Staat, um Deutsch⸗ land vor dem Abkommen und vor dem Untergang zu retten; die Kom⸗ munisten empfehlen zu demselben Ende den kommunistischen Staat. Vielleicht läßt sich die fundamentale Gegensätzlichkeit dieser beiden Vorschläge dadurch aus der Welt schaffen, daß man einen völkisch⸗ kommunistischen Staat begründet. (Heiterkeit.) Aber, im Ernst gesprochen, die weitaus größte Mehrheit des deutschen Volkes will kein neues Experiment, will nicht die Ungewißheit einer neuen Konferenz mit noch ungewisserem Ausgange. Wer das Gutachten an⸗ nimmt, ist nach amerikanischer Auffassung ein Freund der Ordnung und des Friedens, und Amerika nimmt für sich unter den obwaltenden Umständen mit Recht in Anspruch, daß, wie ohne Amerika der Krieg nicht zu gewinnen war, auch ohne Amerika der Frieden nicht zustande gebracht werden wird. Lehnen wir es ab, uns in die Hände der Dawesschen Bankiers zu geben, so werden wir den Winkelbankiers, den zweifelhaften Elementen der Bankierwelt, in die Hände fallen. Gewiß ist auch der Dawes⸗Weg gefährlich; aber er ist doch ein Weg, der in die wirtschaftliche und damit im Laufe der Jahre auch in die politische Freiheit zurückführen kann. Der Sanierungsprozeß der deutschen Wirtschaft ist noch nicht vollendet, das Abkommen bietet eine Möglichkeit des Fortschritts zur Gesundung. Dem Volke muß endlich etwas gegeben werden, woran es sich klammern, womit es arbeiten kann. Die Rentenmark war der erste Akt der Stabilisierung unserer Währung, die Annahme des Abkommens stellt den zweiten Akt dar. Die deutsche Wirtschaft zu retten, müssen wir auf das Abkommen eingehen, aber nicht nur auf die anderen, sondern auch auf uns selbst vertrauen. Mit diesem Vertrauen in uns selbst, werden wir auch die Zukunft gewinnen! (Beifall bei den Demobkraten.)
Abg. Dr. Pfleger (Bayer. Vp.) sbricht sich insbesondere auch mit Rücksicht auf die traurige Lage der Bevölkerung in den besetzten Gebieten und in der Pfalz für die Annahme der Gesetze, auch der Reichsbahngesetze, aus und gibt der Hoffnung Ausdruck, daß seitens der Regierung alles geschehen wird, um bei deren Ausführung schädliche Eingriffe in die Verwaltung zu verhindern. Dem Erweiterungsantrag der Deutschnationalen zum Antrage der Deutschen Volkspartei könne seine Fraktion nicht zustimmen; auch die beantragte Entschließung zur Frage der Kriegsschuld⸗ lüge scheine ihr offene Türen einzurennen. b
Abg. Alpers (Wirtschftl. Vereinig.) erklärt, wir stünden unter einem Zwang und müßten daher das Dawes⸗Gutachten an⸗ nehmen. Der Redner führt die Vorteile an, die Deutschland aus dem Londoner Abkommen erwachsen, und erklärt insbesondere im Hinblick auf die Kredite, daß man vor der Landwirtschaft eine Ablehnung nicht verantworten könne. Der Redner verliest zum Schluß eine Kundgebung, wonach es den bayerischen Mitgliedern der Wirtschaftlichen Vereingung schwer falle, dem Eisenbahngesetz zuzustimmen. Sie wollten durch die Abstimmung nicht zum Aus⸗ druck bringen, daß Bayern auf seine Rechte verzichtet habe. Auch den übrigen Mitgliedern der Wirtschaftlichen Vereinigung werdr die Zustimmung nicht leicht, aber man dürfe nicht durch Selbst⸗ verschulden neues Elend hervorrufen.
Abg. Kunze (Deutschsozial) lehnt das Gutachten ab, weil es für die internationale jüdische Hochfinanz nur das Mittel bedeute, das deutsche Volk in ewige Zinsknechtschaft zu führen. Die Folge werde der fürchterliche Volksbankerott aller Zeiten sein. Und das alles, um den Wert einer Kartoffelschale einzutauschen.
Damit schließt die allgemeine Aussprache. Auf Vorschlag des Vizepräsidenten Dr. Rießer wird gegen die Stimmen der Kommunisten, Sozialdemokraten und Nationalsozialisten die Spezialberatung vertagt. (Rufe der Kommunisten: Schiebung! Kuhhandel!)
Es folgen persönliche Bemerkungen. Abg. Dr. Quaatz (D. Nat.) verliest das Gutachten einiger achleute, zu denen er selbst gehört. Er will damit beweisen, daß diese Vorschlãge der Bahnen durchaus gemeinnäbig (Abg. Höllein [Komm.]: Und Stinnes?) Richten Sie Ihre ngriffe gegen mich und lassen Sie diesen großen Mann, eine Zierde seines Landes, im Grabe ruhen! (Beifall rechts.)
Abg. Koch (Dem.) zitiert eine Rede des Abgeordneten “ Reventlow, um nachzuweisen, daß dieser für ein militärisches Zu⸗ sammengehen mit Rußland eingetreten sei.
Vizepräsident Dr. Rießer teilt mit, daß Abgeordneter von Graefe (Nat.⸗Soz.) folgenden Antrag eingebracht hat: „Die Reichs⸗ regierung besitzt nicht das Vertrauen des Reichstages.“
Das Haus vertagt sich. Nächste Sitzung Freitag, 10 Uhr vormittags.
Ueber die Tagesordnung entspinnt sich eine einstündige Geschäftsordnungsdebatte. Gegen die Stimmen der Koalitionsparteien und der Bayerischen Volkspartei wird die Amnestiefrage auf die Tagesordnung gesetzt. Vorher Frei⸗ fahrtkarten, Fortsetzung der dritten Beratung der Dawes⸗ Gesetze, Angelegenheiten der besetzten Gebiete.
Schluß 7 Uhr.
Handel und Gewerbe. 1 Berlin, den 29. August 1924. 8 Telegraphische Auszahlung (in Billionen).
28. August Geld
.,405 1,705 2,24 “ 419 162,39 21,00 57,71 75,11 10,49 18,55 5,29 67,83 11,97 22,67 12,585 78,85 3,07 Eö
111,32 5,48 5,92
29. August Geld Brie
1,415 1,425 1,715 2,26
18,905 4,21 60,42 163,16 21,10 57,99 75,54 10,53 18,65 5,36 68,67 12,03 22,81
Buenos Aires (Papierpeso).. Japan.. Konstantinopel.. E1“ Nelb Io. Rio de Janeiro... Amsterd.⸗Rotterdam Brüssel u. Antwerpen Christiania ... . .. 8212 Helsingfors.. Italien Jugoslawien... Kopenhagen.. Lissabon und Oporto Paris.. P 12,645 Schweiz 79,25 Spanien .. 1 Stockholm und Gothenburg... wee“
„ 3. ..
„ 896 5558
6“
I“” 2
Ausländische Banknoten (in Billionen).
28. August Geld 4,19 4,19 1,39 0,40 18,80 18,79 18,89 20,875 20,975 öJ“ 7,68 2 74,86 b 162,24
29. August s⸗ Geld Brief 4,19 4,21 4,19 4,21 1,405 1,425 0,405 0,425
18,80 18,90 18,78 18,88 20,90 21,00 3,02 3,04 68,33 68,67 74,91 75,29 10,42 10,48 22,69 22,81 162,19 163,01 18,70 18,80 8 5,29 5,31 5,22 57,61 57,59 57 1 2,04 2,06 2,055 111,17
111,73 78,80 79,20 55,21
55,49 12,57 12,63 „ uüunter 100 Kr. 12,55 12,61 Oesterreichische .. 5,91 5,93 Ungartsche. .. 5,39 5,41 5,39 Die Notiz „Telegraphische Auszahlung“ sowie „Ausländische Banknoten“ versteht sich bei Pfund, Dollar, Peso, Yen, Milreis für je 1 Einheit, bei Oesterr. und Ungar. Kronen für je 100 000 Ein⸗ heiten, bei allen übrigen Auslandswerten für je 100 Einheiten. 8
Banknoten
Amerik. 1000-5 Doll. n2n. 1 Woll. Argentinische... Brasilianische ... Englische große .. 11a e““ Bulgarische 8
Dänische-. 1
Danziger Gulden)
Finnische... Französische .. “ Italienische über 10 Lire Jugoslawische . . . Norwegische. . Rumänische 1000 Lei „ unter 500 Lei Schwedische.. “ Spanische. Tschecho⸗slow. 100 Kr. u. darüber
Brief
4 2
141 21 G 1,41 0,42
18,90
London, 28. August. (W. T. B.) Wochenausweis der Bank von England vom 28. August (in Klammern Zu⸗ und Abnahme im Vergleich zu dem Stande am 21. August) in Pfund Sterling: Gesamt⸗ reserve 22 693 000 (Abn. 254 000), Notenumlauf 125 372 000 (Zun. 253 000), Barvorrat 128 315 000 (unverändert), Wechselbestand 76 904 000 (Abn. 1 413 000), Guthaben der Privaten 105 392 000 (Abn. 4 582 000), Guthaben des Staats 17 042 000 (Zun. 1 487 000), Notenreserve 20 874 000 (Abn. 252 000), Regierungssicherheiten 40 998 000 (Abn. 1 470 000). — Verhältnis der Reserven zu den Passiven 18,53 gegen 18,26 vH. Clearinghouseumsatz 657 Millionen, gegen die entsprechende Woche des Vorjahres 87 Millionen mehr.
Paris, 28. August. (W. T. B.) Wochenausweis der Bant von Frankreich vom 28. August (in Klammern Zu⸗ und Abnahme im Vergleich zu dem Stande am 21. August) in Franken: Gold in den Kassen 3 679 480 000 (Zun. 39 000) Fr., Gold im Ausland 1 864 321 000 (unverändert) Fr., Barvorrat in Silber 300 667 000 (Zun. 113 000) Fr., Guthaben im Ausland 567 079 000 (Abn. 504 000) Fr., vom Moratorium nicht betroffene Wechsel 4 406 044 000 (Zun. 13 041 000) Fr., gestundete Wechsel 9 058 000 (Abn. 113 000) Fr., Vor⸗ schässe auf Wertpapiere 2 703 664 000 (Abn. 30 343 000) Fr., Vor⸗ schüsse an den Staat 22 800 000 000 (Abn. 100 000 000) Fr., Vor⸗ schüsse an Verbündete 4 768 000 000 (Zun. 3 000 000) Fr., Noten⸗ umlauf 40 034 484 000 (Abn. 216 442 000) Fr., Schatzguthaben 16 146 000 (Zun. 3 159 000) Fr., Privatguthaben 1 983 651 000 (Zun. 66 861 000) Fr.
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