1925 / 14 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 17 Jan 1925 18:00:01 GMT) scan diff

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Der Entwurf über das Reichsschiedsamt wird debatte⸗ los dem Sozialpolitischen Ausschuß überwiesen.

Der Antrag, am Sonnabend eine Sitzung abzuhalten, wird gegen die Stimmen der Sozialdemokraten, Kommunisten, Nationalsozialisten und Bayerischen Volkspartei abgelehnt.

Nächste Sitzung Montag 6 Uhr. (Entgegennahme einer

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Regierungserklärung.) Schluß 7 Uuhr.

tzung vom 16. Januar 1925, Nachmittags 2 Uhr.

[Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger*).)

Vor Eintritt in die Tagesordnung legte der Abg. Pieck (Komm.) Verwahrung dagegen ein, daß entgegen dem Be⸗ schluß des Landtages die Haftentlassung der kommu⸗ nistischen Abgg. Heydemann und Schulz⸗Breslau von den Gerichtsbehörden nicht würde, daß diese sich vielmehr geweigert hätten, den Beschluß auszuführen. Die Kommunisten beantragen, einen Antrag auf die Tagesordnung zu setzen, der die Vertrauenskundgebung der Preußischen Re⸗ gierung für den Reichspräsidenten anläßlich des in Magdeburg gefällten Urteils ablehnt. Der Redner bezeichnet unter stür⸗ mischen Unterbrechungen der Sozialdemokraten diese Kund⸗ gebung als Gesinnungslumperei. Der Antrag scheitert, da Widerspruch gegen die sofortige Beratung erhoben wird.

Hierauf beschließt das Haus die Mitgliederzahl des auf den deutschnationalen Antrag eingesetzten Ausschusses zur Untersuchung der armat⸗Angelegenheit bzw. der Kreditgewährung der Preußischen Staatsbank an ausländische Konzerne auf 29 Mitglieder fe zuse zen.

In der vorausgehenden Aussprache hatte Abg. Grzesinski 2 verlangt, daß die Unter uchung auch auf die Geschäfte der Zentralgenossenschaftskasse ausgedehnt werde. Abg. Pieck (Komm.) hatte der debattelosen Einsetzung eines Untersuchungs⸗ ausschusses widersprochen; es müsse zuvor der Charakter des Unter⸗ suchungsausschusses festgestellt werden. Werde der Ausschuß einfach eingesetzt, so sei er nichts als ein Verschleppungs⸗ und Ver⸗ schleierungsausschuß. Die Mehrheit des Landtages habe sich der aufgedeckten Korruption selbst schuldig gemacht. 8

Das Haus tritt hierauf in die politische Aus⸗ sprache zur Regierungserklärung ein.

Abg. Eberlein (Komm.) begründet den Antrag seiner Frak⸗ tion, dem Staatsministerium das Vertrauen zu entziehen. Unter dem gegenwärtigen Kabinett seien die an sich schon geringen Rechte des Proletariats noch weiter herabgedrückt worden. Besonders die sozialdemokratischen Minister hätten sich zu Dienern des Groß⸗ kapitals gemacht. Die Geschicke Preußens und Deutschlands würden von den großkapitalistischen Konzernen bestimmt. Reaktionärer als das jetzige Kabinett, in dem ein Sozialdemokrat der Minister⸗ präsident sei und zwei weitere Sozaldemokraten säßen, könne über⸗ haupt keine Regierung sein. Das System Severing müsse beseitigt werden. Wenn Minister Braun in seinem Rechenschaftsbericht die Taten der großen Koalition hervorgehoben hätte, so erinnere das lebhaft an die Indianergeschichten von Karl May. Die Sozial⸗ demokraten sollten doch an die Barmat⸗Affäre denken. In Sowjet⸗ Rußland würden Leute, die durch solche Affäre belastet sind, in drei Stunden an die Laterne gehängt. (Stürmisches Gelächter bei den Sozialdemokraten.) 1

Abg. Dr. von Campe (D. Vp.): Wir haben uns hier heute in erster Linie mit der Prüfun der Frage zu beschäftigen, ob das Ireubr seye ich auf der Ministekvanr nichk einen einzigen Minister. Und danach glaube ich, steht das Ministerium selbst auf dem Stand⸗ punkt, daß es tatsächlich schon verschwunden ist. (Große Heiterkeit und Rufe: Au!) Der Ministerpräsident hat in der Rede, über die wir uns hier unterhalten sollen, Fg man habe lediglich als Vorwand die ganze Frage auf das Gebiet des Rechtes verschoben; nun, diejenigen, die sich mit ihm darüber auseinandersetzen wollen, sind hier, aber der Ministerpräsident ist nicht da. (In diesem Augenblick erscheint Ministerpräsident Braun mit den anderen Ministern am Regierungstisch und nimmt Platz. Stürmische Heiterkeit und andauernde allgemeine Unruhe.) Es hat eine Neu⸗ wahl des Landtages stattgefunden, und da scheint es mir, daß hier viel wichtigere Dinge als etwa Eisenbahnfragen und dergleichen zur Erörterung stehen: die Ministerkrise, die ausgebrochen ist (stürmischer Widerspruch links) und dahinter der drohende Ver⸗ fassungskonflikt. Ich bin überzeugt, daß der nur gelöst werden kann, wenn es zu einer Neubildung des Mi⸗ nisteriums kommt; ist das nicht der Fall, dann wird der drohende Verfassungskonflikt die Grundmauern des Preußischen Staates zu erschüttern drohen. (Große Unruhe links und Rufe: Hu! Hu!) Droht etwa ein solcher erfaffungskampf nicht? Die Verfassung schreibt in Artikel 45 vor: Der Landtag wählt den Minister⸗ präsidenten. Damit gibt die Verfassung dem Landtage, und zwar dem jeweiligen Landtage (lebhafter Widerspruch links und in der Mitte), ein sehr wichtiges Recht, vielleicht das und wichtigste, das der 1 überhaupt hat; denn der Ministerpräsident see die Richtlinien der Politik zu bestimmen, und er gehört auch zu den drei Männern, die den Landtag auflösen können. Es ist shhecb edeng⸗ nicht anzunehmen, daß, wenn der Landtag einmal seine Wahl getroffen hat, diese nun für alle Ewigkeit gilt, auch dann, wenn ein neuer Landtag gewählt ist. Sie stoßen in der DAi. Verfassung überall auf dieselbe Ausdrucksweise. Artikel 26 esagt: Der Landtag bestellt einen Ständigen Ausschuß. Soll der bisheri S Ausschuß jetzt etwa auch weiterbestehen? (Leb⸗ afte Zurufe links.) Der Ministerpräsident hat neulich auch von

inem Rechte gesprochen, den Landtag auflölen zu können. Ich ehe das nicht als eine Drohung an, ganz wenec nicht; so absurd kann kein Ministerpräsident handeln, daß er gleich nach einer Neu⸗ wahl wieder zu einer Neuwahl schreitet, das ist eine politische Un⸗ möglichkeit. Sie wissen, daß ursprünglich der Landtagspräsident die Minister ernennen sollte, da war es doch ganz selbstverständlich, daß ihm dieses Recht durch einen neuen Landtag nicht genommen werden ollte. Jetzt hat man in der Verfassung an die Stelle des Landtagspräsidenten den Landtag geseft, und nun wollen Sie dem Landtag dieses Recht nehmen? Das kann nun und nimmermehr richtig sein. Das Gutachten des Justizministers hat mich keines⸗ wegs überzeugt; sein eigentlicher Grund ist doch nur der, daß die Verfassung über diese Frage nichts enthält. Und warum enthält sie nichts darüber? Weil es absolut selbstverständlich ist, daß der neue Landtag den Ministerpräsidenten wählt. In der alten Zeit, die Sie (nach links) verurteilen, war man in der Beziehung viel konseguenter. Bei einem Thronwechsel stellte jeder Minister⸗ präsident sein Mandat zur Verfügung, denn der Nachfolger auf dem Throne mußte doch freie Hand haben. Jetzt ist der Landtag 55 der Nachfolger. Der Ministerpräsident meinte neulich, der andtag bleibt doch Landtag. Ganz recht; aber wir haben heute einen ganz anderen Landtag als früher. Nun ist gesagt worden, das Volk habe gewissermaßen das Ministerium bestätigt, es habe sich in der Wahl 8 die sogenannte Große Koalition ausgesprochen. Der Ministerprä ident hat selbst angeführt, 18 sie elf, für die Gegner sieben Millionen gestimmt hätten. iese Rechnung hat ein großes Manko. Die auf meine rtei gefallenen Stimmen sind da nicht so zuzurechnen (Gelächter links); wenn man sie abzieht, verbleiben für die drei anderen bisherigen Koalitionsparteien neun, *) Mit Ausnahme der durch Sperrdruck hervorgehobenen Reden

der Herren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben sind.

für die Gegner aber 9,1 Millonen. (Erneutes Gelächter links.) Darum hat sich aber der Wahlkampf gar nicht gedreyt. Die Auf⸗ lösung des Landtages ersolgte eigentlich nur aus technischen Gründen. Vor die Frage, ein Urteil über die Große Koalition abzugeben, hat man das Volk gar nicht gestellt. (Zuruf im 19 Und Ihre schöne Rede vom 23. Oktober?! Heiterkeit.) Am 25. Oktober war in einer Zeitung zu lesen, daß der Kampf der Linksparteien sich in erster Linie gegen die D. Vp. richtet, daß man heute sagen müßte, der Feind steht halblinks. Und wer hat das geschrieben? Es war die „Vossische Zeitung“. Mit diesem Augenblick hatte die Demokratie die alte Koalition ge⸗ kündigt (Stürmischer Widerspruch und Gelächter in der Mitte und links); mit diesem Augenblick war die alte Koalition vollständige ,.e. Die D. Vp. war der Auffassung und hat sie öffentli ekanntgegeben, daß sie eine Erweiterung nach rechts wünschte; daran läßt sich nicht drehen und deuteln. Wenn der Minister⸗ präsident alledem gegenüber daäbei bleibt, daß sich das Volk für die Große Koalition ausgesprochen habe, so kann man nicht weniger als drei solcher Koalitionen unterscheiden, die 200, 246, 270 Mit⸗ glieder zählen, je nachdem man die Parteien zusammenfaßt; welche Majorität von diesen Dreien hat denn der Ministerpräsident gemeint? Wir unsererseits sind tatsächlich auf ein anderes Programm gewählt worden, und darum darf der Ministerpräsident unsere Stimmen nicht mit in Rechnung stellen. Für das Ministerium Braun wurden s. Zt. bei der Abstimmung uͤber das Vertrauensvotum 198 Stimmen abgegeben; von diesen gehören jetzt dem Hause nur noch 130 an, von diesen 130 gehören 19 meiner Partei an, so daß er sich doch schließlich bloß noch auf 111 Mann stützen könnte. (Gelächter links und andauernde Unruhe.) Ich führe das nur an, weil der Ministerpräsident ausdrücklich neulich auch sagte, er stütze sich auf das alte Vertrauensvotum. Was nun meine „schöne Rede“ vom 23. Oktober betrifft, so sagte ich darin, wir sähen das Ministerium nur noch als ein Geschäftsministerium an, und dieser Ausführung hat niemand im Hause widersprochen. Dementsprechend haben wir gehandelt. Ich habe nicht nur dem Ministerpräsiventen, sondern auch Herren von anderen arteien mit aller Offenheit gesagt, sie möchten, wenn wir ein solches Programm aufstellen, überzeugt sein, daß auch der Wille 8 Tat dahintersteht. Ich hasse jede Taktik, bei der hinter den Worten nicht auch der volle Ernst der Tat steht. In solchen ernsten Augenblicken sind Worte nicht dazu da, um die bergen, sondern um die Wahrheit zu sagen. Und das haben wir mit voller Deutlichkeit getan, wir haben den Worten die Tat folgen lassen, unsere Minister haben demissioniert, und als man auch da noch nicht glaubte, daß es uns vollerx Ernst sei, war es nötig, eine zweite Tat folgen zu lassen. Der Umstand, daß die Beschlüsse des Aeltestenrats nicht innegehalten wurden, hat uns den Anlaß zu der Demonstration hier im Hause gegeben. (Große Unruhe und Lachen links.) Tatsächlich hatte man sich im Aeltesten⸗ rat dahin verständigt, daß nur der Landtagspräsident eine Erklärung zur Kölner Frage abgeben sollte, sonst niemand. Der Präsident hat dort das als Wunsch des Landtages festgestellt und hinzugefügt, er werde es dem Ministerpräsidenten mitteilen und zweifle nicht, daß dieser dem Wunsche Folge geben werde. Man

hat ihm nicht Folge gegeben, und daher bei uns die Entrüstung.

ch habe unter dem Eindruck gestanden, daß wir von einer gewissen Seite überrumpelt werden sollten, denn der „Vorwärts“ vom Freitag früh teilte mit, der Aeltestenrat habe beschlossen, daß eine Regierungserklärung erfolgen solle, während das Gegenteil richtig war. Mir scheint im Aeltestenrat ein abgekartetes Spiel getrieben worden zu sein, denn wenn die Regierung plötzlich mit einer großen Rede aufsteht, so war diese doch eben von langer Hand vorbereitet. Ich bitte den Landtag, unserem Antrage suzu⸗ stimmen, und darf nun noch etwas zur allgemeinen politischen Lage hinzufügen. Wir haben drei Jahre lang aus voller Ueber⸗ zeugung die Koalitionspolitik mitgemacht. (Lachen links.) Ihr leitender Gedanke war, nicht denjenigen Kräften, die die Revolution gemacht und den alten Staat zerstört haben, allein den Ausbau des neuen Heims des deutschen Staates zu überlassen. Wir wissen sehr wohl, daß auch Demokratie und Zentrum an der Weimarer und Ausgestaltung nichk jenen allein überkassen, sondern sie

möglichst unseren Wünschen entsprechend Fecarcen. 1 wonne räfte, die in den heißen

daß alle diejenigen gewaltigen, nationalen Jahren beiseite gestanden hatten, für den Dienst an dem neuen Staat gewonnen wurden, wir wollten die Brücke schlagen von der alten Zeit zu der neuen Zeit und darüber hinaus auch denjenigen,

die mit ihrem ganzen Gedankenkomplex in der neuen Zeit leben,

zeigen, daß auch Männer, die auf ganz anderem Boden stehen, mit ihnen zusammenarbeiten können. Das war die Aufgabe, die wir uns innerhalb der Koalition gestellt hatten. Gewiß geht eine tiefe Kluft durch unser Volk, und die gilt es auch heute noch zu überbrücken. Wir wissen ganz genau, daß auf die Dauer auch ie Kräfte, die hinter den Deutschnationalen stehen, für den Aufbau des Deutschen Reiches nicht zu entbehren sind, und von dem Moment an, wo die Herren bereit waren, sich auf den Boden der gegebenen Tatsachen zu stellen, (Andauerndes Gelächter links)

ben wir unsere Bemühungen nach dieser Richtung aufgewandt. s liegt die Gefahr vor, 8 diejenigen Kreise, die in dauernder Opposition gegen die Staatsform stehen, schließlich auch von einer feindseligen Gesinnung gegen den Staat selbst ergriffen werden, und dieser Gefahr galt und gilt es, vorzubeugen. In meiner ersten Rede im Landtage nach der Schaffung der Koalition habe ich erklärt, daß diese uns nicht hindere, ein durchaus freund⸗ Fehii ze⸗ Verhältnis zu den Nachbarparteien Aufrechtzuerhalten sch habe damals auch gewünscht, die Vertreter aller Anschauungen, die von nationalen Gedanken getragen sind, in den Dienst des Vaterlandes zu stellen. In Konsequenz dieses Gedankens handeln wir auch heute, es ist dazselbe Ziel, aber ein anderer Weg. Es ist durchaus unrichtig, wenn uns nachgesagt wird, wir bildeten beim Zusammengehen mit den Deutschnationalen nur ein Anhängsel der Deutschnationalen Volkspartei. Wir haben in der alten Koalition eine völlig selbständige Politik getrieben, auch gerade dem Minister Severing gegenüber, wie er Selds bestätigt hat und bestätigen wird. Wir haben schärfste Kritik geübt an seiner Per⸗ sonalpolitik, an der ganzen Legion der Lübbring. Hörsing usw. seehen links), an seinen Verordnungen bezüglich der Verfassungs⸗ eier, an dem berüchtigten Urlaubserlaß, an seiner Behandlung der nationalen Verbände, an seiner Fepehstoung des Auftretens fran⸗ zösischer Paßif ten im Penssehe Reiche. Es hat uns also nicht sesehlt an elbständiger Politik, und es wird auch daran nicht ehlen in irgendeiner anderen Koalition. Wer eine solche als eine unlösliche Ehe auffaßt, ist ein politisches Kind. Sehen Sie doch in die Reichspolitik hinein; können Sie alle die so ungeheuer wich⸗ tigen Gesetze, die dort scha en werden müssen, mit 8 äußersten Linken schaffen? Glauben Sie denn nicht, daß wir im Reich und in Preußen annähernd gleiche Verhältnisse bekommen? Wenn in Preußen neue geschaffen werden, dann kann das zweifellos nach unserer nur auf der Grundlage fol⸗ ender Grundsätze geschehen: Anerkennung der Verfassung, loyaler Dienst an der Verha ung, Schutz gegen jeden Gewaltakt gegenüber der Verfassung (schallendes Gelächter links), Stäxkung Preußens gegenüber dem Reich. (Zurufe links.) Glauben Sie ja nicht, daß wir die Hand dazu bieten dürfen, in den Fehler der alten Zeit . daß nicht alle Aemter unbeschadet der politischen 8 vgea-. sofern nur ein loyales Verhalten der Berfassuns gegen⸗ über verbürgt ist, jedem einzelnen, der nach Persönlichkeit und Vorbildung dafür geeignet ist. offenstehen werden. (Lärm links, Rufe: Neuhaus.) Nur diejenigen, die ungeeignet sind oder sich kompromittiert haben, müssen aus ihren Aemtern entfernt werden, und auch das nicht mit rauher Hand von heute auf morgen. Heute früh war in der „Germania“ zu lesen, das Zentrum habe sich falscheossen. an der alten Linie seiner Politik festzuhalten, aber selbstverständlich müsse es die Bedingung 1 duß in den Kul⸗ turaufgaben seinem Standpunkt mehr als bisher Rechnung ge⸗ tragen wird. Wieweit das Zentrum dabei auf seine Rechnung kommt, wenn es allein auf die Sozialdemokratie und die mo⸗ kratie rechnen kann, stelle ich dahin. Noch ein ganz kurzes

hof,

Gedanken zu ver⸗

Schlußwort. Die letzten Wochen haben dem deutschen Volke eine so erschreckende Korruption gezeigt, daß hier mit eisernem Besen ansgekehrt werden muß. (Stürmische Zurufe und Lachen links.) Wir wollen uns doch nicht über Einzelheiten unkerhalten. Schnell fertig ist die Fustend mit dem Wort. (Gelächter bei den Kom⸗ munisten.) Angesichts dieser erschreckenden Korruption muß auch in das dunkelste Dunkel hineingeleuchtet werden, jede partei⸗ politische Rücksicht, wenn sie vorhanden sein sollte, hat zu ver⸗ schwinden. In seiner neuerlichen Rede hat der Ministerpräsident erklärt, einen Rechenschaftsbericht ablegen zu wollen. In diesem Rechenschaftsbericht hat er gesagt, daß er seinerseits die Vertrauens⸗ frage stelle und daß das Haus darüber zu entscheiden haben werde. In der „Germania“ hieß es aber nachher, das sei nicht so gemeint gewesen, es sei nur an einen Antrag aus dem Landtag auf Ent⸗ ziehung des Vertrauens gedacht worden. Herr Ministerpräsident,

Teufel. Ich meine, ein Appell an die politische Loyalität des Ministerpräsidenten kann und wird nicht vergeblich sein. Wie vor einem Jahr die Kabinettskrise im Reichstag war, hat Herr Strese⸗ mann erklärt, mit der Ablehnung eines Mißtrauensvotums sei er nicht zufrieden. Wir eree. daß der preußische Ministerprä⸗ sident die Vertrauensfrage stellt und sich ebenfalls nicht mit einem abgelehnten Mißtrauensvotum abfinden wird. (Beifall rechts, Un⸗ ruhe links.) 1u 1“ Ministerpräsident Braun: Meine Damen und Herren! Der Herr Abg. von Campe hat hier die Rechtsfrage in den Mittelpunkt seiner Ausführungen gestellt. Ich wihl ihm da in Einzelheiten nicht folgen, möchte nur bemerken, wenn er sagt es liege ein Verfassungs⸗ konflikt vor nach dem Vorgehen seiner Partei, und dieser Verfassungs⸗ konflikt könne nur durch Neuwahl des Ministeriums gelöft werden, so ist er darin, glaube ich, im Irrtum. Es gibt noch einen andern Weg, den ich in meiner Rede bereits gezeigt habe: das ist der, daß eine ganz obiektive Stelle entscheidet, der Staatsgerichts⸗ der zur Entscheidung von Verfassungskonflikten ein⸗ gesetzt ist. (Lebhafte Zustimmung b. d. Sozdem und in der Mitte.)

Wenn aber Herr von Campe, um die Rechtsauffassung seiner Partei zu stützen, auf den Artikel 26 der Verfassung hinwies un daraus schlußfolgerte: dort stehe auch nur, daß der Landtag einen Ständigen Ausschuß einsetzt, und es sei ganz selbstverständlich, daß jeder neugewählte Landtag einen neuen Ständigen Ausschuß einsetze, so ergiebt sich das in der Tat aus den weiteren Sätzen des Artikels 26, die Herr von Campe aus durchsichtigen Gründen nicht vorgelesen bat: da ergiebt sich ohne weiteres, daß der Ständige Ausschuß., wie es dort heißt,

für die Zeit außerhalb der Tagung und zwischen der Beendigung

einer Wahlperiode oder der Auflösung des Landtags und dem Zu⸗

sammentritt des neuen Landtags ““ gewählt ist. Danach ist der Ständige Ausschuß lediglich für die Zeit bis zum Zusammentritt des neuen Landtags zur Wahrnehmung der Rechte der Volksvertretung als Instanz gewählt Wworden. Daraus, daß im Artikel 45 nicht etwas Derartiges über eine zeitliche Begren⸗ zung steht, geht klar hervor, daß Artikel 45 nicht ebenso auszulegen ist wie Artikek 26. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.)

Wenn nun gar Herr von Campe, wie es schon im nichtöffent⸗ lichen Unterredungen der Fall gewesen ist, auf nach seiner Meinung analoge Vorgänge beim Thronwechsel unter der monarchistischen Ver⸗ fassung hinwies, so beweist das nur, daß er diese ganze Sache doch gar zu stark unter monarchistischen Gesichtspunkten betrachtet. (Sehr gut! und große Heiterkeit bei den Sozialdemokraten und in der Mitte. Lachen, Unruhe und lebhafte Zuruse rechts.) Ich verstehe durchaus, daß ein Mann, der sein Leben lang monarchistischen Anschauungen 2v2v.T, . ., -.eh. oüö.4 Coin wird sich bei der Beurtoiluncd Kaats- rechtlicher Fragen in diesen monarchistischen Gedankengängen zu be⸗ wegen. Er verkennt gar zu sehr, daß zwischen dem Landtag, dem Aus⸗ druck des Volkswillens, und dem früheren Monarchen als Ergebnis eines zufälligen natürlichen Ereignisses, doch ein großer Unterschied besteht. (Große Heiterkeit links. Lachen und andauernde lebhafte Zurufe rechts. Zuruf des Abg. Dr. von Campe.) Aber sie sind doch nicht allein der neue Mund des Landtags! Ich will ja nur einmal auf Ihren Vergleich eingehen. Bei dem Tode des Königs hat sich nicht die Monarchie nur einen neuen Mund verschafft, sondern sie hat einen neuen Repräsentanten bekommen (Zurufe rechts: Wie bei der Neuwahl des Landtags!), und weil die Minister früher die Vertrauensmänner dieses Königs und nicht des Volkes waren, so mußten sie sich eben das Vertrauen des neuen Königs sichern. (Zurufe rechts: Und ietzt des neuen Landtags!) Die jetzigen Minister sind aber Ver⸗ treter des Volkes. (Widerspruch rechts und Zurufe: Ohne Vertrauen¹) Dann sehen Sie sich die Verfassung an! Die Minister sind nickt Vertreter des Landtags, wie es irrtümlich in einzelnen Blättern der rechtegerichteten Presse gestanden hat; einer der Herren von der deutschen Volkspartei hat ja sogar erklärt, das Staatsministerium, sei der höchste Ausschuß des Landtags. (Zustimmung und große Heiter⸗ keit rechts.) Das ist ein Irrtum! Wenn Sie sich die Verfassung durchsehen, werden Sie zugeben müssen, daß davon gar keine Rede sein kann. Nach der Verfassung müssen die Minister und das Stagis⸗ ministerium das Vertrauen des Volkes haben. (Lebhafte Zuruse rechts: Das hat es nicht!) Solange der Landtag, der in diesen Fragen für das Volk zu entscheiden hat, es mir nicht entzieht, solange habe ich es! (Lebhafter Beifall bei den Soz.⸗Dem. Unruhe und Zurufe rechts.) 1

Herr von Campe hat weiter erklärt, daß meine Schlußfolgerung aus dem Wahlergebnis falsch sei; es hätten nicht über 10 Millionen Wähler für die große Koalition gestimmt, sondern so, wie die Dinge sich jetzt nach dem Ausscheiden der Deutschen Volkespartei aus der großen Koalition stellen, nur etwa 8 Millionen. Ja, ich habe ja in

wenn Ihr Pressechef Ihre Rede so auslegt, dann sge Sie ihn zum

meiner Rede ganz ausdrücklich auseinandergesetzt, daß die Wähler sich

in ihrer übergroßen Mehrheit für die Politik der großen Koalition ausgesprochen haben. (Lebhaftes Sehr richtig!)) Diese Wähler konnten am 7. Dezember nicht wissen, daß Sie danach diese Schwenkung vornehmen würden. (Lebhafte Zustimmung große Unruhe Glocke des Präsidenten.)

Wenn Herr von Campe sich hier drei Arten von Koalitionen konstruiert und die Frage aufwirft, für welche Art von Koalition denn nun die Wäͤhler am 7. Dezember gestimmt hätten, so muß ich ihm sagen: wenn die Wähler zu der Politik einer Koalition Stellung genommen haben, haben, die sie kannten, und das war die „große Koalition“. (Sehr wahr!) Diese zweite und dritte, die Sie sich künstlich konstruiert haben, kannten sie nicht und konnten daher auch nicht dazu Stellung nehmen. (Sehr richtig!) .

Wenn Herr von Campe wieder wie in einer der letzten Sitzungen des alten Landtags von dem „Geschäftsministerium“ sprach, dae keine verfassungsmäßige Grundlage habe, so habe ich schon einmal im Staatsministerium, als auch diese Frage erwogen wurde, darauf hin⸗

so können sie nur zu der Stellung genommen

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gewiesen, daß ich den verfassunasmäßigen Begriff eines Geschäfts⸗

ministeriums überhaupt nicht kenne. (Zuruf.) Ja, Herr von Campe,

Awo ist denn eine verfassungsmäßige Grundlage für ein Geschäfts⸗

ministerium, von dem Sie reden? (Zuruf des Abg. Dr. von Campe⸗ Lachen links.) Sie unterstellen für Ihre Konstruktion eine Tat⸗ sache, die nicht eingetreten ist. Wenn Sie überhaupt von einem Ge⸗ schärtsministerrum in Ibrem Sinne reden wollen, so bestel t vielleicht fünf Wochen lang bis heute nachmittag um 6 Uhr ein Geschäfteministerium im Reiche, und dieses hat ohne Ihren Widerspruch für unser deutsches Volk weitestgehende Er⸗ arungen nach außen hin abgegeben. (Sehr richtig! links.) Sie aben es aber meinem Ministerium, das nach Ihrer Konstruktion gar nicht Geschäftsministerium ist denn es ist nicht zurück⸗ getreten —, verwehren wollen, hier in einer nationalen Frage, wo das Schicklal unseres Landes, insbesondere des besetzten Gebiets, auf dem Spiele steht (lebhafte Zustimmung), zu Ihnen zu reden. Da⸗ hin kommt man mit solchen künstlichen Konstruktionen! (Zuruf.) Altestenrat, rufen Sie. Herr von Campe hat hier erklärt: die Ver⸗ handlungen des Aeltestenrats wurden nicht gehalten. Ja, was heißt das, Verhandlungen wurden nicht gehalten? (Zurufe: Abmachungen !) Mit mir hat niemand eine Abmachung getroffen, und darauf will ich Sie hinweisen. Wenn in so wichtigen Fragen der Landtag duich seinen Aeltestenrat irgendwelche Abmachungen trifft, so war es bisher Usus, daß das Staatsministerium zugezogen und mit ihm beraten wurde (sehr richtig! links), damit die Sache nach außen wirksam ge⸗ staltet werden konnte. 1 Herr Dr. von Campe! Sie sprachen von Absichten meinerseits in der Angelegenheit. Ich will Ihnen das nicht unterstellen. Aber nach alledem muß ich annehmen, daß sehr viel mehr Wahrscheinlich⸗ keit dafür besteht, daß absichtlich das Staatsministerium ferngehalten wurde. (Lebhafte Zustimmung links. Große Unruhe und Zurufe Ich will mich bemühen, Ihnen jetzt die Vorgänge noch einmal, soweit das Staatsministerium in Frage kommt, kurz zu schildern, um so mehr als auch in der Presse draußen der Vorgang falsch dar⸗ gestellt wird. Ich verstehe, daß die Herren von der Volkspartei den unangenehmen Eindruck verwischen wollen, der poltisch ihnen unan⸗ genehm (lebhafte Zustimmung links. Lachen bei der D. Vp), weshalb versucht wird, die Vorgänge falsch darzustellen. Zurufe bei der D. Vp.) Sie haben im Aeltestenrat, ohne das Staatsministerium zuzuziehen, die Protestveranstaltung vereinbart. (Zuruf: Das ist Sache Ihres Präsidenten!) Wenn Sie aber von Abkommen reden und mir Bruch eines Abkommens vorwerfen, dann müssen Sie denienigen zuziehen, mit dem Sie ein Abkommen schließen wollen. (Sehr richtig! links.) Sie haben von Aobkommen geredet und gleichzeitig von einem Be⸗ schluß, der gefaßt sei. Es ist kein Abkommen, wenn man im Aeltestenrat erklärt: wir wünschen, daß das Staatsministerium nicht redet und das nicht einmal dem Staatsministerium mit⸗ teilt. Der Aeltestenrat hat, ohne das Staatsministerium in

Kenntnis zu setzen, beschlossen, allein hier durch den Landtags⸗

präsidenten eine Kundgebung zu veranstalten. Davon habe ich durch den Herrn Präsidenten erfahren. (Hört, hört! rechts.) Ich habe bei der Gelegenheit erklärt: Dann ist allerdings die Staats⸗ regierung gezwungen, gleichzeitig eine Erklärung abzugeben; denn wir können unmöglich im Hinblick auf die besetzten Gebiete und auf die Bedeutung dieser Frage schweigen. (Lebhafte Zustimmung links.) Daraufhin hat am nächsten Tage das sage ich insbesondere Herin von Eynern, der kürzlich eine nach meiner Auffassung irrige Darstellung in der „Magdeburgischen Zeitung“ veröffentlicht hat und Herrn Dr. von Campe, nicht nur im „Vorwärts“, sondern eine gleichlautende Notiz, von welcher Seite sie ausgegangen ist aus dem Aeltestenrat, weiß ich nicht vom amtlichen Pressedienst ist sie nicht ausgegangen auch in anderen Blättern gestanden, daß nur eine Regierungserklärung abgegeben werden sollte. Daraufhin habe ich veranlaßt, daß in der Pressekonferenz klargestellt wurde, daß nicht nur eine Regierungserklärung, sondern eine Erklärung des Landtags⸗ präsidenten abgegeben wird, der sich die Staatsregierung anschließen wird. So ist die Sache gegangen, und von der Absicht einer Ueber⸗ rumpelung kann sonach nicht die Rede sein. (Rufe Nein, nein! rechts.) Ich bin dann Mittags zur festgesetzten Sitzungsstunde die

Sitzung hat eine Stunde später begonnen hier ins Haus gekommen

und habe, als ich in meinem Zimmer eine halbe Stunde gewartet hatte, von einem Fraktionskollegen erfahren, daß im Aeltestenrat ein heftiger Streit darüber tobe, ob die Staatsregierung eine Erklärung abgeben soll. Auch da hat man nicht Veranlassung genommen, die Staatsregierung zuzuziehen. (Zurufe rechts: Bartels! Große Umuhe.) Sie wollten ja ein Abkommen mit mir schließen (Leb⸗ hafte Zustimmung links. Andauernde große Unruhe und Zurufe rechts.) Der Aeltestenrat hat die Staatsregierung nicht zugezogen, sondern hat sich einseitig schlüssig gemacht: die Regierung darf nicht reden. Nun muß ich Ihnen erklären: So liegen die Dinge denn doch nicht, wenn Sie auch in Ihren Kreisen der Auffassung sind, daß die Staatsregierung nur ein Ausschuß des Landtages ist. Nach der Verfassung liegen die Dinge anders. Die Staatsregierung ist ein selbständiger Faktor in unserem Staatsleben und entscheidet felbst, was sie in einer gegebenen Situation zu tun hat. (Zustimmung links. Zuruf rechts: Otto der Dickfellige!) Diese Dickfelligkeit ist bei Ihnen.

Es ist dann weiter von Herrn von Campe erklärt worden, ich hätte den Wunsch des Aeltestenrats nicht befolgt. Ich habe Ihnen erklärt, daß mir lediglich Mitteilung gemacht worden ist von der Auseinandersetzung im Aeltestenrat, daß mir nicht einmal der Wunsch des Arltestenrats d. h. eine sogenannte Entscheidurg soll ja gar nicht getroffen sein (Widerspruch rechts) mitgeteilt worden ist. (Hört, Hört! und Zurufe rechts.) Ich erkläre, wie ich zu der Sache stehe. Die Vorwürfe sind gegen mich erhoben, als ob ich hier im Landtage illoyal gehandelt hätte. (Lärm und Zurufe rechts) Herr Kollege Schlange, Sie werden die Sache besser machen; Sie sind noch jung. Sie wollen doch auch mit dem siegreichen Heer mit dem Kaiser an der Spitze durchs Branden⸗ burger Tor einziehen. (Lärm und Zurufe rechts.) Es kann davon keine Rede sein, daß ich einen Wunsch des Aeltestenrats nicht befolgt habe, aber ich stehe nicht an, zu erklären, daß wenn mir Mitteilung gemacht worden wäre über das, was im Aeltestenrat vorgegangen ist. wenn mir insbesondere Mitteilung ge⸗ macht worden wäre, aus welchen Gründen der Aeltestenrat verlange, daß ich nicht rede, daß ich dann dem Aeltestenrat in aller Ruhe erklärt

hätte: Das mag die Auffassung seiner Mehrheit sein; ich stehe aber

auf dem Standpunkt, daß die Regierung sich in dieser wichtigen

nationalen Frage den Mund nicht verbieten lassen darf. (Stürmischer Beifall links Zuruf rechts: Ueberschrift Demokratie!) Sie scheinen eine merkwürdige Auffassung von Demokratie zu haben; es wäre doch gut, wenn Sie noch etwas länger in der Republik lebten, damit Sie eine richtigere Auffassung von Demokratie bekommen. (Sehr! gut bei den Sozialdemokraten).

Herr von Campe hat dann einige Ausführungen über die poli⸗ tischen Motive gemacht, die seine Partei veranlaßt haben, seinerzeit die große Koalition einzugehen und jetzt wieder abzuschwenken. Er hat erklärt, sie hätte sich damals von dem Bestreben leiten lassen, nicht nur den Kräften, die die Revolution geschaffen hätten, allein den Ausbau des neuen Staates zu überlassen, sondern auch andere Kräfte heranzuziehen. Nun ist es eine merkwürdige Auffassung, daß die Kräfte des Zentrums, der Demokraten, der Sozialdemokraten die Revo⸗ lution geschaffen haben. (Rufe rechts: Das ist doch historische Tatsache!) Die Revolution ist überhaupt nicht geschaffen worden. (Andauernde Unruhe rechts) Ihre Parteifreunde (zu der Nat.⸗Soz. F) haben versucht, eine zu schaffen, z. B. im Bürgerbräukeller oder beim Kapp⸗ Putsch. Das zeigt eben, daß Sie in dieser irrigen Auffassung be⸗ fangen sind, daß Revolutionen geschaffen werden. Wenn den Zusammen⸗ bruch des Novembers 1918 überhaupt jemand geschaffen hat, dann haben ihn die Kräfte geschaffen, die das Volk in den Krieg hineingehetzt und diesen bis zum Weißbluten fortgesetzt haben. (Stürmischer Beifall und Händeklatschen links Lärm rechts.) Herr von Campe sagte, jetzt seien diese Voraussetzungen nach seiner Auffassung nicht mehr gegeben, denn nunmehr sagte er wollen wir alle die fähigen nationalen Kräfte, die im Volke schlummern, heranziehen, daß sie gewonnen werden für den Staat. Ja, ver⸗ ehrtester Herr von Campe, das tun Sie doch nicht dadurch, daß Sie in demselben Moment starke Kräfte, mit denen Sie bisher an dieser Aufgabe gemeinsam gearbeitet haben, zurückstoßen. (Sehr gut! bei den Soz⸗Dem.) Betrachten Sie die Millionen sozialdemokratischer Arbeiter

nicht als nationale Kräfte? (Lebhafte Zurufe bei der D. V. P.) Sie

haben erklärt, Sie wollten die nationalen Kräfte heranziehen. Sie wollen aber auch wieder gewaltige nationale Kräfte abstoßen, und den Fehler des alten Regimes, den Sie angeblich nicht billigen, machen Sie jetzt selbst, indem Sie die (große Unruhe rechts) großen sozialdemokratischen Volksteile zurückdrängen. Meine Herren, Sie haben ein Interesse daran, das nicht so klar in die Erscheinung treten zu lassen. Um so deutlicher muß es hier ausgesprochen werden, daß Sie eine Regierung mit Einschluß der Sozialdemokratie nicht mehr wollen. (Lebhafte Zustimmung) Bestreiten Sie nicht, daß Sie gewaltige nationale Kreise, das sind die sozialdemokratischen Arbeiter, zurückstoßen wollen. (Lebhafte Zurufe rechts.) Was das bedeutet, meine Herren, das hat Herr von Campe vor einiger Zeit selbst sehr treffend ausgeführt. Er hat z. B. im September 1922 auf einer Konferenz seiner Partei ganz richtig erklärt:

„Es würde der Krieg aller gegen alle sein, wenn wir die Parole

ins Volk schleuderten: Hie bürgerlich, hie sozialdemokratisch.“ (Hört, hört!) Diese Parole schleudern Sie jetzt tatsächlich ins Volk hinein. (Nufe rechts: Nein! Lebhafte Zustimmung bei den übrigen Parteien) Ja, meine Herren, was bedeutet es denn, wenn z. B. Ihr Fraktionsmitglied Steffens in einem Artikel der „Königsberger Allgemeinen Zeitung“ schreibt, mit der Sozialdemokratie könne unter keinen Umständen eine Regierung gebildet werden. (Sehr richtig! rechts. Lebhaftes Hört. hört! bei den übrigen Parteien.) Bedeutet das nicht, daß Sie den Schlachtruf „Hie bürgerlich, hie sozialdemokratisch!“ ins Volk schleudern?! (Stürmischer Beikall.) Meine Herren, spielen wir nicht Versteck. Solange die Rechtsparteien noch nicht so stark waren, haben ste mit uns in der großen Koalition versucht, das, was Sie innerpotitisch wollten, durchzusetzen. Jetzt sind Sie zu der Auffassung gekommen: das ist nun nicht mehr nötig, wir brauchen die Sozialdemokratie nicht mehr, jetzt können wir mit rechts gehen. Aber, meine Herren, wenn Sie das wollen, so sprechen Sie es offen aus! (Sehr wahr!) Dann versuchen Sie nicht, es so darzustellen, als ob Sie ihren alten Standpunkt eingehalten haben, den alten Standpunkt, von dem Sie nach meiner Ueberzeugung jetzt abgeschwenkt sind. 8

Herr von Campe hat in der Konferenz, die ich vorhin erwähnt habe, erklärt, daß ein Zusammenarbeiten in der Koalition notwendig sei, daß man auch weiterhin zielklar vorgehen müsse. Er sagte wörtlich:

„Nichts ist schlimmer in der Politik als ein Schwenken. Wir müssen Kurs halten.“

(Große Unruhe; stürmiscke Heiterkeit links.) Das war im September 1922 Ihre Auffassung: nicht schwenken, sondern Kurs halten. Wenn man nun die Politik betrachtet, die Sie jetzt eingeschlagen haben, so scheint es fast, als ob Sie die Flettnersche Erfindung in die Politik einführen wollen. (Erneute Heiterkeit.) Das ist nicht mehr Schwenkung, das ist schon etwas mehr als Schwenkung; da weiß überhaupt niemand mehr, woran er ist. (Sehr gut! links. Zuruf: das Ministerium schwankt.) Nein, das Ministerium schwankt nicht, sondern es steht fest. (Große Unruhe und Zuruf rechts: Aber es muß geschwenkt werden!)

Meine Herren, Herr von Campe hat weiter zur Begründung

seiner Schwenkung erklärt, die Gesetze, die jetzt ini Reiche zu machen

seien, könnten unmöglich mit der äußersten Linken geschaffen werden⸗ Meine Herren, es hat Ihnen ja niemand zugemutet, mit der äußersten Linken zusammen eine große Koalition zu bilden. Die Herren von der äußersten Linken werden sich auch dafür bedanken. Oder haben Sie die Sozialdemokratische Partei auch schon zur äußersten Linken geworfen? (Sehr gut! links. Fortgesetzte Unruhe rechts.)

Also, meine Herren, wie man sich die Sache ansieht es kommt weiter nichts dabei heraus als das eine: die Deutsche Volks⸗ partei ist solange mit der Sozialdemokratie zusammengegangen, als es ihr notwendig erschien, als sie allein mit den rechtsstehenden Parteien zusammen gegen die Sozialdemokratie nicht regieren konnte. In dem Augenblick aber, in dem sie glaubt, daß das zahlenmäßig möglich ist, schwenkt sie nach rechts ab. (Große Unruhe und Zurufe; Abg. Paul Hoffmann: Habt Ihr das jetzt erst bemerkt?! Stürmische Heiterkeit und erneute Zurufe. Glocke des Präsidenten.) Daß Sie, meine Herren (zu den Kommunisten), den Herren rechts dabei hilfreich zur Seite stehen, ist richtig. Aber gedulden Sie sich doch, die Zeit kommt schnell genug, wo mit Ihrer Hilfe einer Ihrer deutschnationalen Bundesgenossen an meiner Stelle steht. (Großer Lärm und stürmische Zuruse kinks. Glocke des Präsidenten.)

Der Herr Abg. von Campe hat dann die Vertrauensfrage erörtert und in diesem Zusammenhang von Unklarheit in meinen Aus⸗

des Volkes. D.⸗Dem. P. und im Zentrum. Anhaltende große Unruhe.)

die Angriffe von rechis in

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führungen gesprochen und die Tätigkeit des Pressechefs des Staats⸗ ministeriums absprechend erwähnt. Er hätte die Zeitungen zu Be⸗ richtigungen veranlaßt (Andauernde große Unruhe) Er bhat aber lediglich seine Pflicht getan, wenn er dafür Sorge getragen hat, daß nicht irrige Auffassungen platzgreifsen. Sem Eifer war durchaus am Platze. (Stürmische Zurufe bei der D. Volksv.) Wollen Sie Faullener in den Aemtern haben? Soll sich der Presse⸗ chef auf die Bärenhaut legen? Ich kann Ihnen nur das eine sagen: an dieser Stelle habe ich die Vertrauensfrage klar und unzweideutig gestellt: das bedarf keiner Deutung, auch keiner Berichtigung. Meine Auffassung ist im Protokoll nach dem Stenogramm abgedruckt ohne jede Aenderung; Sie können das Stenogramm nachsehen. Nur weil einzelne Blätter, offenbar bei dem furchtbaren Tumult, der hier herrschte und leider auch jetzt wieder herrscht, überhört haben was ich gesagt habe, ist, damft sich keine irrigen Auffassungen festietzen, von der Pressestelle auf diese entscheidende Stelle noch einmal auf Grund des Stenogramms hingewief ißt es aus⸗ drücklich: 5

Für diese Politie 8

die ich im einzelnen geschildert hatte

der großen Koalition, die seinerzeit vom Landtag gebilligt ist, hat das Kabinett das Vertrauen erhalten. Das Kabinett ist gewillt und bereit, diese Politik fortzusetzen und stellt dafür die Vertrauens⸗ frage.

(Hört, hört! bei der Sozialdemokratischen Partei.) Will der Landtag dem Kabinett das Vertrauen entziehen, dann mag er entsprechend ent⸗ scheiden. (Aha! rechts.) Meine Herren, das ist doch klar. (Zurufe rechts: Sehr vorsichtig!) Ich weiß nicht, ob sie einen unvorsichtigen Ministerpräsidenten wünschen. Ich halte es für richtig, in einer solch wichtigen Frage vorsichtig zu sein. (Lachen und Sehr gut! rechts Zurufe rechts: Zu vorsichtig!) Nach ihrer Meinung, nach meiner nicht. Es ist mit aller Klarheit zum Ausdruck gekommen, was das Staatsministerium will. (Widerspruch rechts.) Es liegt nun an Ihnen, die Entscheidung zu fällen. Nach Artikel 57 der Verfassung haben Sie das Recht, dem Staatsministerium das Vertrauen zu ent⸗ ziehen. Können Sie es, gut, dann hat das Staatsministerium die Konsequenzen zu ziehen. (Sehr richtig! bei der Soz⸗Dem. P. Zurufe rechts.) Meine Herren, wenn Sie davon reden, ich will bleiben, so muß ich offen gestehen: so grausam bin ich nicht, einen von Ihnen an meiner Stelle zu wünschen. Wenn ich hier stehe und mein Amt vertrete, dann tue ich das im Interesse des Landes und (Stürmischer Beifall bei der Soz⸗Dem P., bei der

Hir Soz.) verurteilt das Verhalten der Volkspartei bei 1 gegen die Nichträumung der Kölner Zone. Er verliest eine Reihe von Zitaten aus Reden, die der Abg. von Campe während der Großen Koalition gehalten hat und in denen er die Verdienste dieser Koalition betonte. (Zurf des Abg. von Campe: Das galt ja alles für die Vergangenheit und nicht für die Zukunft!) Die Volkspartei habe ganz bewußt die Koalition gesprengt. Es stehe in der Verfassung kein Wort davon, daß ein neuer gee eine neue Regierung wählen müsse. Die sozialdemokratische tion stehe ganz auf dem Boden des Gutachtens des Justizmini ters. 9 Innern seines Herzens wisse 55 von Campe selbst, daß ee rgumente nicht richtig sind. ie sozialdemokratische Fraktion lehne selbstverständlich den Antrag der Volkspartei ah, ebenso den kommunistischen Der Redner setzt sich dann mit den Kommunisten auseinander. as der kommunistische Redner erzählt habe, sei nichts Neues mehr. Unwahrheiten würden da⸗ durch, daß man sie oft erzähle, nicht zur Wahrheit. Lärmende Zwischenrufe bei den Kommunisten.) Der kommunistische Antrag sei nur der Ausdruck wüstester Demagogie. Ein Sturz der Regie⸗ rung Braun würde eine Rechtsregierung nach sich ziehen. Diese käme dann auf das Konto der Kommunisten. Den kommunistischen Arbeitern würden dadurch vielleicht die Augen geöffnet werden. Der Redner wendet sich in scharfen Worten gegen die Rechtspresse, die den Kampf immer mehr vom sachlichen auf epersönts Gebiet trage, und nimmt insbesondere den Reichspräsi benten gegen chutz. Die Niedertracht, so fährt Redner fort, die in den letzten Wochen gegen den Reichspräsidenten begangen wurde, ist nichts, gegen die vielen Vertrauenskund⸗ a . wa- die er erhalten hat. Aber die deutsche Republik wird vor dem In⸗ und Auslande durch derartige Angriffe gegen das Staatsoberhaupt diskreditiert. Der Redner kommt dann auf die Barmat⸗Affäre zu sprechen und wendet sich auch hier gegen die Art, wie der Kampf von rechts und links geführt werde. Auch ein landwirtschaftliches Kreditinstitut, das in deutschnationalen und deutschvölkischen Händen liege, sei doch an der Angelegenheit schon beteiligt. der kommnnistis Führer Koenen habe at eben⸗ alls gekannt und sogar einen Kredit von ihm erhalten. (Zuruf ber den Kommunisten: Das ist nicht wahr! Abg. Heilmann Soz.): Ich habe die Quittung in 9 Sie Lügner!) Der eedner kommt zum Schluß auf die Große Koalition zu sprechen. Selbstverständlich seien auch nicht alle Wünsche der ozialdemo⸗ kraten in der Koalition erfüllt worden. Sie wären gezwungen, in die Koalition zu gehen im Interesse des Vaterlandes. Die Re⸗ jerung werde sich trotz des Ansturms der Volkspartei behaupten. Wenn es nicht mit der Volkspartei gehe, dann eben ohne sie, und wenn es sein müßte, auch gegen sie. Der Redner schließt: Die Gefahren, die der Republik aus dem Innern drohen, sind weit größer als die Gefahren von außen. (Pfuil⸗Rufe rechts.) gilt es jetzt, wirksam zu begegnen! Geifall bei den Soz)

Schmidt⸗Lichtenberg (Ztr.): Das Zentrum hält die 84 Deutschen Volkspartei zu Artikel 45 der Verfassung für unrichtig. Ich habe den Auftrag, Ihnen die verfassungsrecht⸗ lichen Gründe für diese unsere Meinung bekanntzugeben. Unsere Ansicht deckt sich im allgemeinen mit den Rechtsgutachten des Justizministeriums, das wir für durchaus objektiv und sachlich halten. Schon der Wortlaut des Artikels 45 spricht für un ere und gegen die Ansicht der Deutschen Volkspartei. Artikel 45 sagt: „Der Landtag wählt ohne Aussprache den Ministerpräsidenten. Es heißt nicht „der jeweilige“, es heißt auch nicht „jeder neue , auch nicht „der Landtag wählt für seine Dauer“. Etwas Derartiges hätte jedenfalls in den Artikel hineingeschrieben werden müssen. Denn es ist eine Vermutung im Staatsrecht, daß die Dauer eines Staatsministeriums unbeschränkt sei. Der Einwand. daß die Formulierung des Artikels 45 nicht von Ihnen, sondern von den jetzigen Koalitionsparteien stamme, ist ja richtig, aber er stärkt nicht Ihre Position, sondern er schwächt sie. Die Fassung i:m Arikel 45 gegenüber dem Entwurf ist in der zweiten Lesung im Verfassungs⸗ ausschuß auf Antrag der Demokraten und Sozialdemokraten be⸗ schlossen worden, diese Parteien sind also in diesem Falle die Gesetz⸗ ber gewesen. Es lagen zwar damals Verfassungen anderer änder vor, die die Sache anders regelten, so Württemberg. Sachsen, Anhalt, Hessen; man hat aber absichtlich diese abweichende Fassung wählt. Zum Artikel 45 sind auch von der rechten Seite Ab⸗ ünderungsanträge gestellt worden, aber bei allen Verhandlungen im Ver afhongsaecschu ist niemand darauf gekommen, an die Frage der Dauer des Ministeriums anzuknüpfen. Der Streit dat sich damals lediglich um das Organ gedreht. welches den Ministe! präsidenten ernennen sollte. Die rechte Seite dat damals in dieser Beziehung Vorschläge gemacht, die immerdin deute in die Erinnerung gerufen zu werden verdienen. sie wollte den Minister⸗ präsidenten vom Präsidenten der Oberrechnungskammer oder des Oberverwaltungsgerichts ernannt wissen. Auch dieer Umstand be⸗

Ihnen