recht wenig Anssicht aehabt. Kanzler zu werden, und auch der deutschnationale
Rittergutsbesitzer Schiele hätte wohl die Konkurrenz mit den Dallwitzen und Itzenplitzen nicht aufnehmen können ebensowenig Herr Streiemann.
Wenn die jetzigen Mmister bewenen. daß sie die richtigen Männer sind. so wenden sie der Republik und der Demokratie einen Dienst
erweisen. Das Programm der Regierung mag im ganzen nicht schlecht sein ist aber doch im allgemeinen recht nichtssagend Herr Hergt hat im Wahlkampfe aus dem schalen Tee durch einen Schuß deutschnationalen Rum einen kräftigen Grog machen wollen, aber wie können die Deutschnationalen dieser Regierungserklärung zu⸗
stimmen, wie können sie mit der Fortsetzung der bisherigen Außen⸗ politik, mit der Behandlung der Schuldfrage in dem bisherigen
Sinne, dem Bekenntnis zur Republik emverstanden sein und⸗wie
können sie die frühere Regierung anerkennen in dem Augenblick wo
Graf Westary diese als eine Reagierung der vollendeten Tatenlosigkeit bezeichnet? Die Versprechungen der Deutschnationalen seit fünf Jahren vertragen sich nicht mit dieser Regierung. Entweder müssen sse ihre Wähler verraten oder den Reichskanzler. Vielleicht auch abwechselnd die einen und den anderen. Wir stehen der neuen Regierung ab⸗
ehnend deshalb gegenüber, weil sie aus dem unnötigen Sturz einer
Regierung, der wir unser volles Vertrauen schenkten. zustande ge⸗ ommen ist. (Sehr richtig bei den Dem) Des Vorwurfs braucken
uns nicht zu schämen, daß wir die Sozialdemokraten nicht in eine feindliche Haltung zum Staat hineindrängen lassen wollen. Darüber haben wir im vorigen Jahre im Reichstag treffliche Ausführungen gehört, daß die Sozialdemokraten dank ihrer nationalen Einstellug zur
Mitarbeitung herangezogen werden müßten, und diese Ausführungen hat der damalige Reichskanzler Dr Stresemann gemacht (Hört, hört! b d. Dem) Herr Scholz wird in der Zusammenarbeit mit den Deutsch⸗ nationalen innerhalb sechs Wochen wohl empfinden, daß er genau so vielen Schweerigkeiten für die Fortsetzung seiner Pokitik bei den Dentschnationalen findet wie früher bei den Sozialdemokraten. Nielleicht ist er dann zu einer Remedur nach der anderen Seite bereit. Die Regierung begeanet nach ihrer Zusammensetzung und Entstehungsgeschichte ernstesten Bedenken. (Sehr richtig b. d. Dem) Allerdings hat der Reichskanzler Dr. Lutber betont, daß der Staatsgedanke der besonderen Pflege bedarf. Ich stimme mit ihm darin überein, aber der Innenminister hat alle Ver⸗ anlassung, mit der Pflege des Staatsgedankeus in der Republik ernst zu machen Dabei muß vor allem die Erfurcht und die Achtung vor dem Präsidenten des Staates gepflegt werden Wir sind der Meinung, daß in dieser Zeit das Oberhaupt des deutschen Staates der besonderen Achtung bedarf. und wir haben hier pon Amerrkanern Franzosen und anderen Völkern noch sehr viel zu lernen. Der Reichspräsident wird uns gewiß nicht herrlichen Zeiten entgegenführen können aber er hat es uns auch nicht versprochen Ich glaube, daß der Weg durchs Dunkle. den wir gegangen sind, unter Führung eines Monarchen nicht so faktvoll und so schweigsam gemacht worden wäre wie unter Führung des Reichspräsidenten Ebert. (Beifall links, Unruhe und Zurnfe rechts.) Ich würde es nicht für nötig halten, hier lobende Worte über den Herrn ““ zu sprechen, wenn nicht von unberusener und dazu n keiner Weise geeigneter Weise Kübel von Schmutz über ihn
(Beifall links.) Darum beginnen wir
mit der Bitte an den Reichskanzler, er möge seinen Innenminister
anweisen, dafür zu sorgen, daß der Vizepräsident des Reichstags dem Reichspräsidenten die ihm zukommenden Ehren nicht versagt.
(Beifall links) Das Magdeburger Urteil bedauern wir aufs tiefste
und schmerzlichste. Ganz im Gegensatz zum Grafen Westarp. der gestern verlangte, daß der Reichsinnenminister die vaterlaäͤndischen
Verbände in seinen ganz besonderen Schutz nehmen müßte, verbitten
wir es uns. daß solche Verbände wie der „Stahlhelm“, die derartiges
über den Reichspräsidenten gesagt und geschrieben baben, unter einen be⸗ sonderen Schutz genommen werden (Sehr gut! links.) Wir verlangen vielmehr, daß der Reichskanzler dafür sorgt, daß diese Verdände überall dort, wo sie die Linie des Gesetzes verlassen, in ihre Schranken urückgewiesen werden. (Beifall links.) Vor dem Kriege war man
n der evangelischen Kirche vielfach der Meinung, daß die evangelischen
Geistlichen nur die Politik treiben dürften, die die Obrigkeit für
richtig bielt.
monarchistische Agitation. d Geistlichkeit herrscht? Weite Schichten der Bevölkerung halten
noch treu zur Kirche, sind aber doch Republikaner. Warum duldet
die evangelische Kirche, daß viele ihrer Geistlichen sich im
Gegensatz zu den Worten des ⸗Avpostels Paulus gegen die Obrigkeit
wenden? Ueberall sehen wir diese Geistlichen im Dienst der
schärfsten politischen Agitation. (Große Unruhe rechts. Rufe: Korell!
Abg. Kahl: Ihre Behauptung ist ganz unbewiesen). Wir haben alle
Veranlassung, vor einer solchen Agitation zu warnen. (Erneute
Unruhe rechts. Abg. Mumm: Das ist ohne jeden Beweis!) Ich
bin der Meinung, daß das Wort des Avpostels Paulus gegenüber
der Regierung des Kaisers Nero auch gegenüber der Republik gilt Ich frage den Reichskanzler: Mißbvilligen Sie die Agi⸗ tation gegen die Republik und rücken Sie ab von Leuten, die Ihr Kabinett als Instrument gegen die Republik gebrauchen wollen? Auch wir wünschen strenge Untersuchung und Ahndung der in letzter Zeit bekannt gewordenen Skandale. Es ist aber falsch, wenn man die Schuld allein bei denen sucht, die als Be⸗ amte der Seehandlung nicht volle Reinlichkeit bewahrt haben. Man darf auch nicht die Republik für die Korruption verantwortlich machen, denn, wie der Abg Breitscheid richtig sagte, die Korruption hat schon im Kriege eingesetzt, als die Kriegsgesellschaften gebildet wurden. Was auf wirtschaftlichem Gebiete dem einen und dem anderen versprochen ist. was da aus Thesen zugunsten des einen und an Antithesen zuungunsten des anderen ausgesprochen ist, das er⸗ mangelt der Beweise durch die Praxis. Man hat fünf Jahre von uns vas Unmögliche verlangt, und so wird man auch von der jetzigen
Regierung in der Aufwertungsfrage das Unmögliche verlangen. Der
Retner iritt för die Berücksichtigung der Auslandsdeutschen, der
Verträngien und der Kriegsbinterbliebenen bei der Regelung
der Autwertungstrage ein. Er verlangt weiter Stützung des Hand⸗
werks, Förterung der Siedlung und Erweiterung des Pachtschutzes der Kleinsierler. Ferner nicht nur eine angemessene Bezahlung der
Beamten, sondern auch eine enegültige Schaffung eines Beamtenrechts
Dem übertriebenen Zentralismus der Verwaltung muß begegnet werden
(bört! bört! rechts). Die hauptsächlichste Zentralisierung in Deutsch⸗
land herrscht im Reichefinanzministerium. Beginnen Sie zunächst da⸗
mit aufzuräumen mit der ungeheuerlichen Zentralisation auf dem Ge⸗ biete des Steuerwesens und des Beamtenwesens, insonderheit der
Gehaltsregelung. Ein einbeitlicher Wille muß aber darüber hinaus
besteben. Die Inpflichtnahme eines Teiles der Reichswehr durch eine
Landesregierung erscheint, mir durchaus nicht unitarisch und der
Weimarer Verfassung entsprechend. Wir werden zunächst die Hand⸗
lungen der neuen Regierung abwarten, denken aber nicht daran, ihr
von vornherein Neutralität zuzusagen. Wir entschließen uns dazu, der Regierung, deren Erklärung zufriedenstellend ist, wenn sie sie durch iedigende Beantwortung unserer Anfragen ergänzt, freies Spiel geben. Das Kabinett wird zurückkehren müssen zu der Politik der
Geduld. der Vernunft, der Beharrlichfeit, der Demokratie.
8 Abg Dr Jörissen (Wirtsch Vereinig.): Die Wirtschaftliche Vereinigung wird ihre Stellungnahme davon abhängig machen, wie die Regierung die Interessen des Mittelstandes vertritt Wir wünschen
vor allem, daß die Regierung der Beamtenschaft wohlwollend gegen⸗ übersteht. Ohne eine feste Ordnung im Innern wird auch die beste Außenpolitik nichts nützen In der Regierung sitzen der Reichskanzler und der Außenminister, die den Londoner Vertrag mitbeschlossen haben. Sie können es daher nicht verantworten, ihr eigenes Werk zu zerstören. Vor dem Kabinett sitzt aber auch das Zentrum, das mit Argusaugen
darüber wacht, daß der Geist des Herin Marx nicht daraus verschwindet. Da hat weder das Ausland noch Vertreter des Inlandes Ursache zum Mißtrauen. Der Redner erhebt — als Rhein⸗ länder — besonders energischen Einspruch gegen die Nichträumung der Kölner Zone unter Bruch des gegebenen Veriprechens
Die Tausendjahrfeier im Rheinland soll und wird fordern den freien
deutschen Rhein. Die Regierung muß auf alle Folgen der Nicht⸗
äumung hinweisen, die uns die Erfüllung unserer Verpflichtungen rschweren. Bei den Handelsvertragsverhandlungen müssen unsere nterhändler kühlen Kopf und Zähigkeit bewahren. Dem lker⸗
ansgeschüttet worden wären
Was bleibt nun aber beute noch als Grund für die die in weiten Kreisen der evangelischen
bund stehen meine Freunde skeptischer gegenüber als ein Laokoon dem trojanschen Roß. In der Regierungserklärung sind schöne Worte über den Mittelstand; aber wir müssen der Regierung sagen: hic Rhodus. hic salta!“ Es darf nicht mehr so weiter gehen, daß man die Kleinen hängt und die Großen laufen läßt. Wir werden der Regierung auch auf dem Steuergebiet Forderungen unterbreiten, die wir im Interesse des Mittelstandes stellen. Die Arbertslosiakeit muß bekämpft werden, die Korruption muß aufhören. (Beifall bei der Wirtschaftlichen Vereinigung)
Abg. Leicht (Bayr Np.): Die Regierungserklärung zeigt den guten Willen, ersprießliche Arbeit für Vaterland und Volt zu leisten. (Zwischischenruf des Aba Keil, Soz.) Herr Keil, es wird sachlich sehr schwer sein gegen diese Erklärung eine ablehnende Haltung ein⸗ zunehmen, und ich weiß nicht, ob nicht aus diesem Grunde auch der Mißtrauensantrag der Sozialdemokraten mehr nach der persön⸗ lichen Seite sich richtet. Dr. Breitscheid hat erklärt, daß man gegen diese Regierungserklärung sehr schwer etwas sagen könne. Nach dem Ausfall der letzten Wahlen erschien uns eine bürger⸗ liche Regierung gegeben, eine auf Mehrheit beruhende bürgerliche Regierung. Ueber den Versuch, eine solche Regierung zu bilden, sollten auch diejenigen nicht ungehalten sein, die bisher eine bürger⸗ liche Minderheilsregierung geduldet haben. (Sehr richtig! rechts.) Ee wurde manchmal sogar der Eindruck erweckt, als ob diese bürger⸗ liche Minderbeitsregierung unterstützt wurde. Wenn nun die Minderheitsregierung sich in eine Mehrheitsregierung verwandelt, so kann das im Interesse der Stabilität nur begrüßt werden Die Re⸗ gierung wird, auch wenn sie keine parlamentarische Konstellation dar⸗ stellt, grundsätzlich von einer Mehrheit gestützt. Das Zentrum hat zwar keinen Zweifel darüber gelassen daß die Unterstützung nicht für alle Fälle unter jeder Bedingung gegeben werde; ich hatte aber bei der Zentrumserklärung den Eindruck, daß das Zentrum sich seiner aus⸗ schlaggebenden Bedeutung bewußt ist, und ich bin überzeugt, daß das Zentrum sich auch der Verantwortung bewußt ist, die es jetzt über⸗ nimmt Ich habe das Vertrauen zu dem Zentrum gemäß seiner Ver⸗ gangenheit, daß es dieser Verantwortung immer eingedenk sein wird⸗ Ueber unsere Haltung zur Regierung sind verschiedene Märchen in die Welt gesetzt worden; ich wiederhole deshalb, daß wir in dem Postminister Stingl unseren Vertrauensmann in der Regierung erblicken, und zwar nicht nur in dem zünftigen parlamentarischen Sinne, sondern in dem weiteren Sinne, daß unsere gesamte Fraklion vollstes Vertrauen in seine Person setzt. (Beifall b. d. Bayr. Volksp.) Die Regierung bat sich zur Reichsverfassung als rechtlicher Grundlage ihrer Arbeit bekannt und will gewaltsame Versuche zur Abänderung der Verfassung als Hochverrat verfolgen. sie hat aber auch die Notwendigkeit der Nachprüfung der Verfassung zur inneren Gesundung des Staatswesens betont Wir können dem nur beipflichten. Wir haben mit Befriedigung vernommen, daß auch die Beziehungen des Reiches zu den Ländern nachgeprüft werden sollen und daß das Eigenleben der Länder geachtet werden soll Wir erwarten, daß es nicht bloß bei den freundlichen Worten bleibt, sondern daß auch praktische Maß⸗ nahmen baldigst erfolgen, die, wie Herr Scholz sagte, es den Ländern ermöglichen, sich bebaglich unter dem Dach des Reiches zu fühlen. (Zwischenruf b. d. Soz.) Das gilt auch gegenseitig; das Reich kann sich nicht behaglich fühlen, wenn es den Ländern nicht behaglich ist. Durch die Anwendung und Ausleaung der Weimarer Verfassung ist die Reichsfreudigkeit der Länder nicht gefördert worden. Deehalb freuen wir uns, daß der deutschnationale Redner sich auf die Denkschrift der baverischen Regierung bezogen hat. Wir stehen auf dem Boden dieser Denkschrift und verlangen eine größere Selb⸗ ständigkeit der Länder. Ich habe da auch recht nette Worte von dem Führer der demokratischen Fraktion gehört und dachte dabei an die Stelle, daß im Himmel mehr Freude sei über einen Sünder der Buße tut, als über 99 Gerechte. (Große Heiterkeit.) Das Wort eines bayerischen Fürsten „Verbündete, nicht Vasallen!“ wollen wir modern dahin variieren: Staaten und nicht Provinzen! Wir verlangen, daß der Schwerpunkt der inneren Verwaltung und der ganzen Kulturfragen in die Länder verlegt werden soll. Die pänder dürfen nicht mehr Kostgänger des Reiches sein, und darum verlangen wir einen Finanz⸗ ausgleich, der Ländern und Gemeinden in Wirklichkeit die Selbst⸗ verwaltung läßt. Wir hoffen, daß unsere Anträge die der Reichsregierung und des Reichstags finden. Die Regelung der Steuergesetzgebung in der von der Regierung versprochenen
klarsten und emfachsten Form wird boffentlich durchgeführt werden. kinderreiche Familien
daß und daß der arbeitenden auferlegt werden sollen
Wir sind auch einverstanden damit,
besonders berücksichtigt werden sollen
Bevölkerung keine untragbaren Lasten auf Wir verlangen Abbau der übermäßigen Besteuerung, die zu einer Bedrohung der Produktion geworden ist, und verweisen hier auf unsere Anträge. Auch die Verwaltung der Reichssteuern muß billiger werden. Die „Bavyerische Staatszeitung“ hat berechnet. daß wir vor dem Krieg 127 Millionen in Reich und Ländern für die Steuerverwaltung ausgegeben haben, während es jetzt 533 Millionen sind. Die Passivität unserer Handelsbilanz hat in elf Monaten des vergangenen Jahres mehr als zwei Milliarden Goldmark betragen. Bei einer 1 dieses Zustandes wird es unmöglich sein, den Dawes⸗Plan durchzuführen, zumal die Belastung später immer mehr wachsen wird. Nachdem wir mit dem 10. Januar unsere wirtschaftliche Freiheit wiedergewonnen haben, muß das von uns benutzt werden, um dem deutschen Außenhandel neue Tore zu öffnen und die Einfuhr nach dem deutschen Wirtschaftsbedürfnis zu regeln. Ich mache gar kein Hehl daraus, daß dem Volk dieser Gedanke durch⸗ aus noch nicht zum Bewußtsein gekommen ist, daß wir vielmehr Dinge verzehren und verbrauchen, auf die wir ohne Schädidung unsererseits verzichten könnten (Sehr richtig ¹). Die einheimische Pro⸗ duktion ist durch Schutzzölle so weit als möglich zu schützen. Der Beamtenschaft, namentlich den Unterbeamten, muß eine austömmliche Lebenshaltung garanttert werden. unparteiische Untersuchung dringend wünschenswert. Die Kleinrentner müssen berücksichtigt werden. Für die Kriegsanleihe muß eine Ver⸗ zinsung gegeben werden. Wie können sonst Reich und Staat nochmals von dem Volk verlangen, daß es für Staatszwecke Opfer bringt? Für den sozialen Frieden, für die Forttührung der Sozialpolitik bringen wir gern große Opfer. Nicht minder liegt uns am Herzen die Erhaltung des konfessionellen Friedens (Beifall) Neben der
sozialen und politischen Zerklüftung in unserem Volke können wir
wahrhaftig nicht noch eine konfessionelle Befehdung ertragen. (Sehr richtig!) Wir stehen auf dem Boden der Duldung, die aber nicht so
aufgefaßt werden darf, als ob wir Katholiken bloß die Geduldeten
seien, es muß volle Parität herrschen insbesondere auch auf dem Ge⸗ biete der Beamtenstellung und, wenn er weitergehen sollte, des Abbaues. In der Außenvpolitik muß ein wirklicher und dauerhafter Friede herbei⸗ geführt werden. Wir sind also Pazifisten, aber es gibt auch einen übertriebenen Pazifismus, den wir nicht teilen. In den anderen Ländern, die uns früher feindlich waren, sollte die Friedensgesinnung nicht bloß deklamiert werden Nationalgefühl ist notwendig, aber übertriebener Nationalismus ist zu verwerfen. Man verlangt von Deutschland, daß es einseitig in der Abrüstung vorangeht. Barum bleiben die Kontrollkommissionen bestehen, die nachschnüffeln, ob nicht irgendwo in einer Schublade noch ein Revolver vorhanden ist. Der Gedanke des Völkerbundes dient dem internationalen Frieden, aber nach der Zusammensetzung des Bundes sind wir skeptisch. Nach den Erfahrungen des Saargebiets muß man doppelt vorsichtig mit dem Eintritt sein. Wenn die Idee des Völkerbundes wirklich dem Frieden dienen soll, muß die Gerechtigkeit die Grundlage sein. Darin sehen wir auch eine größere Sicherheit für Frankreich als in sonstigen Maß⸗ nahmen. (Beifall rechts und der Bayer. Volkep.)
Abg. von Graefe (Nat. Soz): Seinerzeit war der Name Rothschild die Kennzeichnung für die Herrschaft der Börse, heute sind geringwertige Namen an die Stellen getreten, wie Barmat. In der republikanischen Regierung sind die Regierenden nicht die Herrschenden, sie sind die Marionetten an den Fäden der Börse. Die politischen Mißerfolge dieser Regierenden erweisen sich als Sprossen der Leiter zu ihrem Aufstieg. Erzberger glaubte an die Versprechungen beim Waffenstillstand,. später sagten Haas und Haußmann, wenn die Arbeiter gewußt hatten, das der Versailler Friede so aussehen würde, hätten sie die Waffen nicht niederagelegt Herr Scheidemann sagte, die Hand müsse verdorren, die diesen Frieden
Zustimmung
auch
Bei den Finanz kandalen ist strengste
unterschresbe. Herr Ebert erklärte es für würdelos, den Frieden zu
unterschreiben Aber später wurde Herr Scheidemann Neichskanzler, es gibt sehr dickfällige Hände (Heiterkeit); Herrn Scheldemanns Hände sind nicht dünner geworden, die seiner Freunde auch nicht. (Heiterkeit) Bet den Maiwahlen entschied sich das deutsche Volk gegen das „zweite Versailles“ des Dawes⸗Gutachtens. Dann kam aber der 29. August mit der Annahme Herr Stresemann hat den Mißerfolg der Nichträumung der Kölner Zone eingestanden, aber trotzdem eine weitere Sprosse zum Aufstieg der Unterhändler des Londoner Abkommens in dieser Regierung! Die Herren der Börse dagegen wissen genau, was sie wollen, sie sind die Herrschenden und daher fommen unsere Regierungen immer sozusagen durch einen Kaiserschnitt zustande. Hat sich in unserer Politik irgendetwas geändert. ob Herr Scheidemann oder Herr Wirth ob Cuno oder Stresemann oder Marx Reichskanzler war. Nicht das geringste, ab⸗ gesehen von einigen Aeußerlichkeiten. Die Herren der Banken und Bör en beugen auch die Verfassung, wenn es ihnen paßt. Die Ver⸗ fassung ist schon sehr vielfach verändert worden, aber der Beaimte beschwört die Verfassung, wie sie in Weimar festgestellt ist. Der Vater der Verfassung, Preuß, hat auf dem Juristentag gesagt, daß alle versassungsändernden Gesetze in die Verfassung Nelbst ein⸗ gearbeitet werden müßten, um Geltung zu haben. Will die Regierüng alle die bisherigen Abänderungen der Verjassung, die nicht in diese eingearbeitet sind, für ungültig erklären? Auch das Eisenbahngesetz des Dawes⸗Gutachtens ist somit zu Unrecht angenommen worden und ungültig, weil es die Verfassung änderte, aber nicht in fie hinem⸗ gearbenet ist.é Auch die Abänderung der Verfassung, durch die die Amtszeit des Reichepräsidenten verlängert wurde, hätte. um gültig zu sein, in die Verfassung hineingearbeitet werden müssen. Die „Vossische Zeitung“ fordert in dem Artikel über die Magdeburger Richter in schamlosester Weise die Richter zur Rechtsbeugung auf. Wir fragen die Regierung, ob sie ernstlich gewillt ist, die Kor⸗ ruptionsskandale wirksam zu verfolgen Ich zweifle, ob in dieser Regierung ein Herkules sitzt der diesen Augsasstall reinigt. Es scheint, als wollte man diese Korruption lediglich auf Mißstände in der Kreditgewährung umdrehen. Das ist aber nicht die Haupflache Die Hauptsache ist, wie weit Beamtenbestechungen vorgekommen, sind und wie weit dadurch die Valuta künstlich beeinflußt worden ist. Ist es wahr, was behauptet wird, daß der preußische Justizminister zugunsten Barmats eingegriffen haben soll? Es ist die verdammte Pflicht und Schuldigkeit der Reichsregierung, mit dieser Art von Demenzserung Schluß zu machen. Am mersten ekelt mich der demokratische Bpzantinismus vor dem Götzen Ebert an (Unruhe u. Zurufe b. d. Dem). Wenn man an den Fall Podvielski erinnert, so verweise ich darauf, das Podbielski auf Besehl des Kaisers sein Amt niederlegen mußte; auch nicht der Schatten eines Verdachts durfte in jener Zeit auf einen Minister fallen Meine Freunde und ich haben eine solche Fülle von Material, daß wir sagen müssen, es ist erschreckend, wie weit die Korruption geht. (Rufe links: Heraus damit!) Heute verzichte ich darauf alles einzelne mitzu⸗ teilen. (Unrube links und neue Rufe: Heraus mit dem Material!) Unser Material betrifft auch die Familie des Reichspräsidenten. (Große Erregung b. d Soz und stürmische Zurusfe) Sie (au den Soz) brüllen Ihre Schande nicht nieder. Sie und Ihie Barmatischen Brüder werden schon noch daran kommen. (Sturmische Zurufe bei den Soz, minutenlanger Lärm. Glocke des Präsidenten) In einer Zeit, wo der reelle deutsche Geschäftsmann keinen Kredit bekam, wurde Staatsgeld leichtherzig an sremde Schieber bin⸗ gegeben. Die Not der Landwirtschaft ist mit Schutzzöllen nicht zu heilen, wenn ich auch kein grundsätzlicher Gegner von Schutzzöllen bin. Das ganze Kreditsystem muß geändert werden. Auch wir wünschen Ausbau der sozialen Genetzgebung aber wie das unter den Dawes⸗Gesetzen gemacht werden soll, bleibt Geheimnis. Die Aufwertungsfrage kann nur durch Aufhebung der dritten Steuer⸗ notverordnung gelöst werden. Hoffentlich bewahrheitet es sich nicht, daß Herr Stresemann ausländischen Pressevertretern gesagt haben soll, die Rechte sei in die Regierung nur aufgenommen worden, damit sie sich dort abnutze. Das bayerische Konkordat greift in unzulälsiger Weise in die Reichsschulgesetzzebung ein. Wir werden uns diefer Regierung gegenüber abwartend verhalten, wir werden weder für das N eeenene⸗ noch Vertrauensvotum stimmen. (Beitall bei den Nat.⸗Soz . 1 . Reeichskanzler Dr. Luther: Meine Damen und Herrenl! (Zurufe von den Kommunisten: Amnestiel — Heiterkeit rechts. — Fortgesetzte Zurufe von den Kommunisten.) — Meine Herren, mir kommt es so vor, als wenn ich neulich diesen Ruf auch schon gehört hätte. (Lärm bei den Kommunisten. — Glocke des Präsidenten. — Vizepräsident Dr. Rießer: Ich bitte um Ruhe!) — Meine Damen und Herren! Ich stelle mit Befriedigung fest, daß für das außenpolitische Programm der Regierung, wie ich es dem Hohen Hause zu unterbreiten die Ehre hatte, sich eine breite zustimmende Front gefunden hat. Nicht nur die Par⸗ teien, die Vertrauensmänner in die Regierung entsandt haben, und die Wirtschaftliche Vereinigung, sondern auch die Deutsche Demokratische Partei haben erklärt, daß sie das Programm der Regie⸗ rung, soweit die Außenpolitik in Betracht kommt, billigen; und der Redner der Sozialdemokratischen Partei, der Außenpolitiker Dr. Breitscheid, hat ausdrücklich hervorgehoben, daß dieses Programm auch von dem früheren Reichskanzler Herrn Marx hätte verlesen werden können. (Hört, hört! bei den Kommunisten.) Mir scheint diese Fest⸗ stellung für die weitere Arbeit des Kabinetts von größter Bedeutung; denn es wird in der Tat in den schwierigen Aufgaben, deren Lösung das Kabinett auf sich genommen hat, eine starke Stütze für das Ka⸗ binett sein, wenn es weiß, daß seine außenpolitische Politik eine solche breite Grundlage im Deutschen Reichstag hat.
Meine Damen und Herren! Was einzelne angeschnittene außen⸗ politische Fragen anlangt, so möchte ich auf einige Punkte ausdrücklich eingehen. Herr Dr. Breitscheid hat davon gesprochen, es sei bereits nach der Londoner Konferenz erklärt worden, daß die Räumung der Kölner Zone nicht vor dem Abmarsch der französisch⸗belgischen Truppen aus dem Ruhrgebiet erfolgen werde. (Abgeordneter Dr. Breitscheid: „erklärt“ habe ich nicht gesagt!) — Dann habe ich es mißverstanden. (Abgeordneter Dr. Breitscheid: Es sei klar gewesen!) — Es sei klar ge⸗ wesen. Herr Dr. Breitscheid, auch das ist nicht richtig, vielmehr hatten wir nach der Londoner Konferenz, an der ja auch ich teilgenommen habe, keinen Anlaß, an der Jenehaltung des vertragsmäßigen Räu⸗ mungstermins zu zweifeln. Bei den Besprechungen, die der frühere Reichskanzler Herr Marx und der Außenminister Herr Stresemann mit dem englischen Kabinettschef Herrn Maec Donald über die Frage der Räumung der ersten Rheinlandzone geführt haben, hat Herr Ma⸗ Donald erklärt, daß diese NRäumung von der Durchführung der Ent⸗ waffnung abhängen werde. Entsprechend dem bekannten Gutachten, das die beiden Juristen Hurst und Fromageot abgegeben hätten, würden die Alliierten rechtzeitig vor dem 10. Januar zusammenkommen, um sich darüber schlüssig zu werden, ob der Stand der deutschen Abrüstung derartig sei, daß die Voraussetzung für die Räumung erfüllt sei. Die
Regierung hatte also insofern festen Boden unter den Füßen, als die
frühere französische These, daß die Räumungsfristen überhaupt noch nicht zu laufen begonnen hätten, fallen gelassen war. Selbstverständlich ist dann bei den laufenden diplomatischen Unterhaltungen der Folgezeit das Problem der Räumung der nördlichen Rhein landzone angesicts der außerordentlichen Bedeutung dieser Frage immer wieder erörtert worden. 8 Als sich bei den internationalen Erörterungen die ersten Anzeichen bemerkbar machten, daß die Räumung der nördlichen Rheinlandzone
drängnis gedacht worden, unter der Herr’ Abgeordnete Graf Westarp hat die Frage des Zugangs zur
Versailler Vertrag vollends verlegt wird.
auf Uiierter Seite in Zweifel gestellt würde, hat die Regierung keinen Augenblick gezögert, die Initiative zu ergreifen. Die beteiligten aus⸗ ländischen Regierungen sind damals sofort in der dringendsten Form darauf aufmerksam gemacht worden, daß Deutschland die rechtzeitige Räumung als etwas Selbstverständliches erwarte. Diese Vorstellungen sind bis zur Absendung der alliierten Note hier und durch unsere Mis⸗ sionen im Auslande fortgesetzt worden. Niemals aber, wie ich ausdrück⸗ lich feststellen möchte, ist von irgendeiner der beteiligten Mächte der Vorschlag einer Kompromißlösung gemacht worden. Wenn die Alliier⸗ ten ihrerseits mit irgendwelchen Vorschlägen wegen eines Kompro⸗ misses an die Regierung herangegangen wären, so würden deren Vor⸗ schläge durchaus nicht von vornherein abgelehnt worden sein. (Zurufe links.) Das frühere Kabinett war vielmehr nach einem Vortrag des Außenministers Dr. Stresemann vollkommen darüber klar, daß ein etwaiger Vorschlag der gleichzeitigen Räumung des Ruhrgebiets und der nördlichen Zone unter dem Gesichtspunkt des deutschen Gesamt⸗
interesses und vor allen Dingen unter dem Gesichtspunkt der Not der besetzten Gebiete zu würdigen gewesen wäre. Selbstverständlich wäre
bei einem solchen Vorschlag zu prüfen gewesen, ob die Räumung für den Kompromißtermin wirklich sichergestellt und nicht etwa durch irgendwelche Voraussetzungen weiter ins ungewisse verschoben worden wäre. 3
Wenn einer der Herren Redner übrigens gemeint hat, daß durch die Verzögerung der Räumung der nördlichen Zone nunmehr auch die Ruhrräumung ins ungewisse verschoben worden sei, so muß ich dem entschieden entgegentreten. Uns liegen maßgebliche Erklärungen der französischen Regierung vor, daß sich an der von dem französischen Ministerpräsidenten im Namen der französischen Regierung und im „Einverständnis mit der belgischen Regierung auf der Londoner Konferenz gegebenen Erklärung bezüglich des letzten Termins der Ruhrräumung nichts geändert hat. (Lachen und Zurufe von den Kommunisten.) Eine andere rechtliche Auffassung ist auch vollkommen unmöglich. (Abgeordneter Dr. Breitscheid: Wie
— Ich habe mich über das geäußert, was der deutschen Regierung über die Dinge amtlich bekannt ist. Von einer anderen Vermittlung weiß ich nichts.
Was weiter die Ausführungen des Herrn Dr. Breitscheid über die Völkerbundsfrage anlangt, so glaube ich, daß meine vorgestrigen Erklärungen über die künftige Haltung der deutschen Regierung klar und eindeutig sind. Ich möchte nur noch ein Wort über die Be⸗ deutung des von Herrn Breitscheid zitierten § 16 hinzufügen. Wenn Herr Breitscheid meint, daß sich dieser Punkt nach unserem Eintritt in den Völkerbund von selbst erledigen werde und daß wir die Frage also ruhig der Zukunft überlassen könnten, so kann ich dem nicht zu⸗ stimmen. Die Frage ist für Deutschland von so erheblicher Be⸗ deutung, daß wir sie unter keinen Umständen im ungewissen lassen können. (Sehr richtig! rechts.) Wir müssen darüber vor unserem Eintritt Klarheit erhalten, und das ist der Zweck der Note gewesen, die die deutsche Regierung zuletzt an den Generalsekretär des Völker⸗ bundes gerichtet hat. —
Dann ist im Laufe der Erörterungen auch der besonderen Be⸗ Ostpreußen zurzeit leidet. Der Weichsel berührt, der seiner Ansicht nach nunmehr entgegen dem Grenzregelung an der Weichsel für die deutschen Interessen sehr un⸗ günstig ist. Die Grenzfestsetzung, die Ostpreußen territorial völlig von der Weichsel abschnürt, und zwar auch nach Ansicht der deutschen
„Regierung entgegen den Bestimmungen des Vertrages von Versailles
(Hört, hört!), ist von der Botschafterkonferenz in ihren Grundzügen aber bereits im Jahre 1920 erfolgt und die Grenze endgültig von der Grenzfestsetzungskommission diesen Grundzügen gemäß im Jahre 1922 festgelegt worden. Die Reichsregierung hat gegen diese schwere Verletzung des Versailler Vertrages damals und auch sonst bei jeder sich bietenden Gelegenheit Einspruch eingelegt, aber ohne Erfolg. Jetzt handelt es sich nicht um die Grenze selbst; durch die am 1. Fe⸗ bruar in Kraft tretenden Bestimmungen wird nur der Zugang zur Weichsel über polnisches Gebiet sowie die Benutzung des Stromes durch die ostpreußische Bevölkerung endgültigen Bestimmungen bedeuten gegenüber dem bisherigen Zustande immerhin eine Verbesseruna, wenngleich in wesentlichen Punkten den deutschen Wünschen nicht Rechnung getragen worden ist. Auch in dieser Hinsicht ist von der deutschen Regierung alles in ihren Kräften Stehende getan worden, und es wird auch weiter ver⸗ sucht werden, eine Besserung der nun erfolgten Regelung zu erreichen.
Ich komme nunmehr zu einer Reihe von innerpolitischen Fragen, die angeschnitten worden sind. Die erste dieser Fragen hut freilich auch ihre bedeutende außenpolitische Seite. Ich meine die Frage der Zeitfreiwilligen, von der Herr Dr. Breitscheid feststellte, daß sie
für die Sicherheit Frankreichs auch nicht die geringste Rolle spielen
könnte. Darüber, was die Reichsregierung in dieser Angelegenheit aus nicht mehr bestehenden innenpolitischen Gründen getan hat und
wofür sie die Verantwortung trägt, ist der Entente schon vor längerer
Zeit eingehende Mitteilung gemacht worden. (Lärmende Zurufe von den Kommunisten.) — Sollten die Ententemächte darüber hinausgehendes Material im Besitz haben, so kann ich hier nur den dringenden Wunsch aussprechen, daß dieses Material uns baldmöglichst zugeleitet werden möchte (sehr richtig!), sowie das Bedauern darüber aussprechen, daß diese Zu⸗ leitung nicht längst erfolgt ist. (Sehr richtig) Dazu wäre während der Ausübung der erneut aufgenommenen Kontrolltätigkeit die beste Gelegenheit gewesen. (Sehr wahr!) Ich glaube allerdings, daß nach etwaiger Vorlegung solchen Materials wir den Ententemächten den Nachweis erbringen würden, daß dieses Material in großem Um⸗ fang unzutreffend ist. (Hört! Hört!) v“ Im übrigen ist der Herr Abgeordnete Dr. Breitscheid im rrtum, wenn er annimmt, daß derartige Erörterungen in der
Irr Oeffentlichkeit den deutschen Belangen nicht abträglich seien. (Sehr nichtig! rechts.) Die Erfahrung hat vielmehr gelehrt, Herr Dr. Breit⸗
. 2
scheid, daß in erster Linie derartige Mitteilungen von einer uns feind⸗ lich gesinnten Propaganda in toller Uebertreibung in der ganzen Welt gegen uns ausgeschlachtet werden. (Sehr richtig! rechts. — Abg. Dr. Breitscheid: Sagen Sie das den studentischen Zeitschriften!)
Meine Damen und Herren! Dann ist die Frage der Stellung⸗ nahme der Reichsregierung zu der vaterländischen Bewegung und zu⸗ den vaterländischen Verbänden angeschnitten worden. Im Sinne der Anfrage, wie Herr Abgeordneter Koch⸗Weser sie an mich gerichtet hat, muß ich zunächst antworten, daß ganz selbstverständlich auf die vdaterländischen Verbände die Gesetze zur Anwendung gebracht werden kachen bei den Kommunisten. — Zurufe links: Aber wie!) und daß ganz selbstverständlich gleiches Recht für alle gilt. Ausschreitungen,
- ist es mit der privaten Vermittlung, von der Herr Stresemann gesprochen hat?)
Es ist richtig, daß die
endgültig geregelt werden. Diese
die vorgekommen sind, verurteilt die Reichsregierung. Auf der anderen Seite habe ich die Ausführungen des Herrn Grafen Westarp nicht dahin verstanden, daß Herr Graf Westarp von den vater⸗ ländischen Verbänden gesprochen hat, wie Herr Abgeordneter Koch fragte, sondern Herr Graf Westarp hat von der vaterländischen Be⸗ wegung gesprochen. (Ahai links.) Nun können wir, glaube ich, alle, wobei selbstverständlich im einzelnen Meinungsverschiedenheiten be⸗ stehen werden, eine Bewegung in unserem Volke nur begrüßen, die der Pflege des vaterländischen Gedankens dient. (Lebhafter Beifall rechts.) Nur daß diese Bewegung nach dem Grundsatz, den ich in jeder Beziehung stets vertreten habe, so sein muß, daß sie nicht etwa innere Gegensätze unterstreicht, sondern innere Gegensätze ausgleicht und dadurch den Staatsgedanken im ganzen fördert. (Zurufe links.) Nur eine solche vaterländische Bewegung, die im Sinne der Re⸗ gierungserklärung, wie ich sie abgegeben habe, den Staatsgedanken im ganzen pflegt, vermag ich zu wünschen und zu unterstützen. (Beifall rechts. — Fortgesetzte Zurufe links.) Ich habe ja gesagt, daß Aus⸗ schreitungen, die irgendwo, bei welcher Bewegung auch immer, bei welchem Verband auch immer, eintreten, von der Regierung nicht nur verurteilt, sondern auch mit den Mitteln des Rechts bekämpft werden.
Dann ist zur Reichsverfassung — auf die Frage der Staatsform komme ich nachher zurück — (Zuruf von den Kommunisten: Kleinig⸗ keit!) — Ich bin nicht dieser Auffassung! — zur Reichsverfassung ist die Bemerkung gemacht worden, der Juristentag habe sich auf den Standpunkt gestellt, daß die Form, in der bisher materiell Ver⸗ fassungsänderungen vollzogen worden seien, der Rechtsgültigkeit er⸗ mangele. Ich will gar nicht auf die Folgerungen dieser Auffassung hinweisen; ich weiß sonst nicht, wie es z. B. mit den gegemwärtigen Abgeordnetenmandaten bestellt wäre. (Sehr gut! in der Mitte und links.) Der Irrtum liegt in folgender Richtung. Der Juristentag hat nur ausgesprochen, daß er es für empfehlenswert halte, bei künftigen derartigen Gesetzen die Form der Verfassungsänderung zu wählen. Ich glaube, das doch hier aussprechen zu müssen, damit nicht in breiten Kreisen der Bevölkerung ein Irrtum über die Rechtsgültigkeit unserer gesetzgeberischen Arbeiten entsteht.
Weiter ist in breiter Form über Korruptionserscheinungen in unserem Staatswesen gesprochen worden. Ich will auf die Einzel⸗ ausführungen nicht eingehen, ich muß nur feststellen, daß auf jeden Fall in den Darlegungen ganz außerordentliche Uebertreibungen und völlig ungerechtfertigte Verallgemeinerungen enthalten gewesen sind. Ich muß ferner meinem Bedauern darüber Ausdruck geben, daß in
diese Erörterungen die Person des Herrn Reichspräsidenten hinein⸗
gezogen worden ist. Ich muß an der Stellung, die ich immer zur Person des Herrn Reichspräsidenten eingenommen habe, auch als Reichskanzler in vollem Umfange festhalten.
Dann, meine Damen und Herren, wurde gesagt, es sei ein Fehler gewesen, daß in die im Zusammenhang mit dem Londoner Abkommen geschaffenen Organisationen Beamte aufgenommen worden seien, die früher mit dem Auslande über die Schaffung dieser Organisationen Verhandlungen geführt haben. Ich halte diesen Gedankengang für völlig unmöglich. Für uns war es von großer Wichtigkeit, daß gerade die Männer, die die Verhand⸗ lungen, solange Abmachungen mit dem Auslande nicht bestanden, geführt hatten, auch an der Tätigkeit blieben nud so die Kontinuität der Verwaltungstätigkeit sicherten. Wenn in diesem Zusammenhange davon gesprochen worden ist, daß eine außerordentlich hohe Gehalts⸗ festsetzung für den Generaldirektor der Eisenbahn erfolgt sei, so muß ich auch hier wiederholen, was schon an verschiedenen Stellen kund⸗ getan worden ist, daß eine solche Gehaltsfestsetzung nicht erfolgt ist. (Zuruf von den Kommunisten; Wieviel kriegt er denn?2) — Dr. Oeser bekommt dasselbe Gehalt, das er früher als Minister be⸗ kommen hat. “
Dann ist von der Teilnahme von Ministern und Beamten an Aufsichtsräten gesprochen worden. Meine Herren, hierfür gilt völlig unverändert eine gesetzliche Vorschrift, die viele Jahrzehnte alt ist. In dieser gesetzlichen Vorschrift ist die Möglichkeit vorgesehen, daß auch Beamte Aufsichtsräten angehören, sofern sie davon keinerlei Gewinmn ziehen oder, wie es in dem alten Gesetz mit einem damals üblichen Ausdruck heißt, keinerlei Remuneration. Dieser Grundsatz ist bis zum heutigen Tage in vollem Umfange aufrechterhalten. (Lachen bei den Kommumisten.) Jeder Beamte bedarf, um in Auf⸗ sichtsräten tätig zu sein, dazu einer Genehmigung und darf keine Remuneration empfangen. In welchem Einzelfalle es zweckmäßig ist, die Genehmigung zu erteilen, kann unmöglich im allgemeinen ent⸗ schieden werden. Das ist eben eine praktische Ermessensfrage des einzelnen Verwaltungsfalles. Ich glaube, hiermit, wie ich hoffe, alle wichtigen, mir gestellten Fragen im allgemeinen hier beantwortet zu haben. (Zuruf bei den Kommunisten: Amnestie!. Zuruf bei den Nationalsozialisten.) — Ich werde eben gefragt, ob das auch für die Minister gelte. Das gilt auch für die Minister. Minister, die in das Kabinett eintreten, legen ihre Aufsichtsratsposten nieder. (Erneute Zurufe bei den Nationalsozialisten: Stresemann steht noch im neuesten Jahrbuch!) — Dann ist es eben im Jahrbuch noch nicht gelöscht worden. Ich kann aber unmöglich über jeden einzelnen Fall jetzt Auskunft geben; Dr. Stresemann jedenfalls gehört keinem Aufsichts⸗ rat an. (Anhaltende störende Zurufe bei den Kommunisten: Amnestie!) — Ich habe zum Punkte der Amnestie namens der Reichsregierung eine Erklärung nicht abzugeben. — Was im allge⸗ meinen die Frage der Regierungsrichtlinien betrifft, so — — (Lärm und Zurufe bei den Kommunisten: Amnestie! Glocke des Präsi⸗
denten.) — (Vizepräsident Dr. Rießer: Sie haben ja gehört,
daß der Herr Reichskanzler geantwortet hat, er lehne eine Ant⸗ wort ab.) 1.
Was die Regierungserklärung im allgemeinen betrifft, so könnter ich mit der Fassung — — (anhaltende lärmende Zurufe bei den
Kommunisten: Amnestie! Amnestie! — Glocke des Präsidenten.) Vizepräsident Dr. Rießer: Gegen jeden, der jetzt den Ruf wiederholt, werde ich wegen gröblicher Verletzung der Ordnung ein⸗ chreiten. (Die lärmenden Hurußs bei den Kommunisten, insbesondere sigen des Abgeordneten Dr. Schwarz [Berlin] halten an.) Ich habe Ihnen bereits erklärt, daß ich in diesen fortgesetzten Rufen eine gröbliche Verletzung der Ordnung des Hauses sehen muß. Sohe ließe nunmehr hiermit den Herrn Ahbgeordneten Dr. Schwarz (Berl der Sitzung aus. (Lebhafter Beifall rechts und in der fordere ihn auf, den S 388 zu verlassen. — Sie haben as nicht getan. Ich unterbreche daher gemãß c 91 der Geschäfts⸗ ordnung die Sitzung auf 5 Minuten, damit nachher verkündet wird, was die Folge dieser idersetzlichkeit ist. (Bravol rechts und in der Mitte.) — Die Sitzung ist auf 5 Minuten unterbrochen. (Pause von 5 Uhr 45 Minuten bis 6 Uhr.) 1 Nach Wiederaufnahme der Sgene erklärt der Vizepräsident Dr. Rießer: Der Abg Schwarz⸗Berlin hat den Sitzungssaal ver⸗ lassen Infolgedessen bleibt es zunächst bei den acht Tagen, auf die er auegeschlossen ist. (Zurufe b. d. Komm.) Ich hätte ihn auf zwanzig
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Tage ausgeschlossen, wenn er t hier wär ist, verbleibt es bei acht B b 5. jreten des Reichstags untersagt ist.
hindern wiederholten Rufe: Amnestiel
8 mache auf die Folgen aufmertsam, wenn dieses Rusen nicht auf⸗ ört. es zu tun.
Herren! die wesentlichsten mir unterbreiteten Fragen beantwortet zu haben,
eingegangen, zu denen bereits in der
erklärung bereits behandelt.
deutschen nennen (Bravo!
Einmütigkeit nach allen Richtungen
sächlich in einer Form eine
deutlich ausspricht, die
durch die verschiedenen Ausfüh
Zusammenarbeit hat schon bewiesen,
in) von itte.) Ich.
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Da er aber nicht hier
ü welche Zeit ihm hiermit das Be⸗
Als Reichskanzler Or. Lu iher hierauf seine Rede beenden will, ihn die Kommunisten zunächn daran durch die im Chor Amnestie! — Vizepräsident Dr. Rie ßer:
Ich habe die Wunde des Reichslags zu vertreten und bin gewillt, (Die Kommunisten verhalten sich nunmehr ruhig.
Reichskanzler Dr. Luther ffortfahrend): Meine Damen und Wenn ich vorhin abschließend gesagt habe, daß ich glaubte,
so bin ich damit natürlich nicht wiederholend auf alle die Fragen Regierungserklärung Stellung Arbeitszeit ist in der Regierungs⸗ Selbstverständlich ist es unmöglich ge⸗ wesen, auf alle Fragen, die von Wichtigkeit sind, in der Regierungs⸗ erklärung einzugehen. Es gibt in unserem Volke auch noch weitere
genommen ist. Die Frage der
Schichten, die neben den in der Regierungserklärung Genannten An⸗
spruch auf staatliche Fürsorge für ihre besonderen Interessen haben. Ich darf vielleicht hier im Zusammenhange noch einmal die Auslands⸗ rechts), die ja für unser Volk eine be⸗ sondere Last auf sich genommen haben. 1“ Im übrigen scheint es mir nach dem Gang der Erörterungen,
in denen weniger von der Regierungserklärung gesprochen worden ist als von gewissen grundsätzlichen Fragen der Einstellung der Regierung,
geboten zu sein, daß ich auf diese grundsätzlichen, von den Parteien ausgesprochenen Gesichtspunkte zurückkomme. Es ist richtig, daß eine Koalitionsregierung nicht vorhanden ist. Selbst wenn aber eine Koalitionsregierung vorhanden wäre, wäre damit ja noch nicht völlige b tigk gewährleistet. Das wesentlichste in der jetzigen Gestaltung der Dinge scheint mir zu sein, daß sich tat⸗ Mehrheit zusammengefunden hat, die für die Regierung die Möglichkeit praktischer Arbeit eröffnet.
Ich bitte dabei meine Person, so unangenehm mir das ist, einmal mit in den Vordergrund stellen zu dürfen. Es ist bei verschiedenen Rednern der Gedanke ausgesprochen worden — und die Presse ha es ja auch gesagt —, ich sei kein Politiker, ich sei ein Verwaltungs⸗
mann, und diese Mitteilungen haben häufig einen leichten ironischen
Unter⸗ oder Oberton gehabt. (Heiterkeit.) Der sachliche Sinn dieser meiner Stellungnahme ist der, daß, wie es die Regierungserklärung Zusammenarbeit, die sich in der neuen Re⸗ gierung vollziehen foll, völlig von dem Gedanken beherrscht ist, sach⸗ lichen Dienst am Volksganzen zu leisten. (Zurufe von den Kommu⸗ nisten.) Dabei bin ich ja durchaus kein unbeschriebenes Blatt. (Leb⸗
hafte Zurufe von den Kommunisten.) Ich bin durchaus nicht geneigt,
meine Damen und Herren, den Werdegang, den ich hinter mir habe, irgendwie zu verleugnen oder zu verdunkeln. Das, was ich bisher die Ehre gehabt habe im Dienste des Deutschen Reiches als Er⸗ nährungsminister und als Finanzminister zu tun, wird selbstverständ⸗ lich die Grundlage sein, auf die sich auch meine Tätigkeit als Kanzler aufbaut. (Wiederholte Zurufe von den Kommunisten.)
Nun, meine Damen und Herren, ist weiter gefragt worden oder rungen durchgeklungen, ob es denn bei vielleicht vorhandener verschiedenartiger Einstellung, die sich im Kabinett zu manchen Fragen ergeben könnte, möglich sei, praktische Arbeit zu leisten. Darauf antworte ich zunächst: die bisherige 1 daß es durchaus möglich ist, praktische Arbeit zu leisten. (Sehr gutl rechts und bei der Deutschen Volkspartei.) Ich antworte aber zweitens: es hieße ja an der Staats⸗ form, in der wir leben, verzweifeln, wenn wir nicht die Möglichkeit finden sollten, auch mit Persönlichkeiten, die in ihren Grund⸗- stimmungen verschieden denken, praktische Arbeit zu vollziehen. (Er⸗ neute Zustimmung.) 8 Und nun, meine Damen und Herren, warum ich, und zwar schon im Herbst, so stark für eine Mehrheitsregierung eingetreten bin, nach⸗ dem ich die ganze übrige Zeit in einer Minderheitsregierung gearbeitet hatte, auch darüber möchte ich vor dem Deutschen Reichstag einmal
sprechen. Die ganze Arbeit, die wir in London, die ganze Arbeit, die
wir überhaupt zur Rettung unseres Volkes vor dem schrecklichen Inflationsabgrund vollzogen haben, war eine Arbeit, bei der doch schließlich trotz abweichender Meinungen im einzelnen grundsätzlich eine Mehrheit des Volkes auch hinter dieser Minderheitsregierung stand. Die Situation veränderte sich nach meiner Art, die Dinge zu sehen, in dem Augenblick, wo es sich darum handelte, die Folgerungen für unser innerpolitisches Leben im einzelnen aus dem zu ziehen, was außenpolitisch herangewachsen war. Auch für dieses Ziehen der inner⸗ politischen Folgerungen wiederhole ich, wie es in der Regierungs⸗ erklärung ausgesprochen ist, daß wir dahin streben müssen, für jede Entscheidung eine möglichst breite Grundlage zu finden — (Zuruf von den Sozialdemokraten: Und Herr Stresemann?) — Verzeihen Sie, ich spreche jetzt als Kanzler, der für die Richtlinien der Politik verantwortlich ist und diese Verantwortung auch für sich in Anspruch nimmt! (Zuruf von den Sozialdemokraten: Also ein Unterschied!) — Durchaus kein Unterschied! Meine Herren, wenn Sie beginnen, hier jedes Wort, das ein Minister oder eine sonst in Betracht kommende Persönlichkeit jemals gesagt hat, gegeneinander abzuwägen, dann werden wir ja vermutlich nie zur praktischen Arbeit kommen! (Sehr richtig! bei der Deutschen Volkspartei.) Für die praktische Arbeit aber stehe ich auf dem Standpunkt — und ich werde darin auch von meinen Kabinettskollegen unterstützt —, daß wir uns bestreben müssen, für alle Entscheidungen eine möglichst breite Grundlage zu finden. Die Aufgaben, die für unser Volk zu lösen sind, sind derartig groß, daß wir jeden Weg versuchen müssen, um das, was nun einmal not⸗ wendig ist, der Gesamtheit unserer Bevölkerung verständlich zu machen. Ich weiß genau, daß das technisch⸗parlamentarische Svstem sich in irgendwelchen Gestaltungen durch Mehrheit und Opposition vollzieht. Aber aus diesem technischen System braucht nicht gefolgert zu werden und soll nicht gefolgert werden, daß man für die wichtigsten Entscheidungen nicht nach einer einheitlichen — völlige Einigkeit er⸗
reicht man sicherlich ja nicht — oder wenigstens möglichst weitgehenden
Grundlage sucht. (Zurufe von den Kommunisten.)
Meine Damen und Herren, ich brauche nur einige praktische Fragen zu nennen, um Ihnen zu zeigen, wie man doch für die Be⸗ handlung dieser Dinge zunächst in der Regierung einen Ausgangs⸗
Ppunkt haben muß, der auch eine Mehrheit darstellt. Denken Sie an das Problem der Aufwertung, denken Sie an das Problem des
Finanzausgleichs zwischen Reich und Ländern. Alle diese Sachen, die Steuerfragen und ähnliche Fragen, werden praktisch gar nicht mit Erfolg angefaßt werden können, wenn etwa eine nur auf schmaler Basis stehende Regierung oder gar eine sogenannte Beamtenregierung den Versuch macht, in der Oeffentlichkeit oder Halboffentlichkeit der Kommissionsberatungen einmal eine Grundlage im Reichstag zu
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