„Marke †“ bewilligt worden. Erhöhung des Gehalts der Mischung an phosphorsaurem Futter⸗ kalk lautet die Bezeichnung der Fulterkalkmischung nunmehr: „Temsfeld's gewürzter Futterkalk Marke “ (enthält 10 % phosphorsauren Futterkalk). Berlin, den 22. Januar 1925. 8 Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft. 88 J. A.: Dr. Hoffmann.. 8
8 11“ ““
Durch Entschließung vom heutigen Tag ist dem Württ. Kreditverein A. G. in Stuttgart die Genehmigung erteilt worden, 8 prozentige bis spätestens 1. April 1934 rückzahlbare Goldpfandbriefe im Nennwert von 3 Millionen Goldmark in den Verkehr zu bringen. 8 “
Stuttgart, den 20. Januar 1925.
Ministerium des Innern. X W. Hagg.
Bekanntmachung.
„Die von heute ab zur Ausgabe gelangende Nummer 1 des Reichsgesetzblatts Teil II enthält die nachstehend be⸗ zeichneten Gesetze usw.
die Verordnung zur Eisenbahn⸗Verkehrsordnung und zur Eisen⸗ bahn⸗Bau, und Betriebsordnung, vom 22. Dezember 1924,
die Vierte Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die (Industriebelastung (Industriebelastungsgesetz) vom 30. August 1924, vom 10. Januar 1925,
die Bekanntmachung über den Schutz von Erfindungen, Mustern
eund Warenzeichen auf einer Ausstellung, vom 13. Januar 1925,
- die Bekanntmachung über die Regelung der Vermögensübertragung
un Polen bezüglich der sozialen Versicherungen in Polnisch⸗Ober⸗ schlesien vom 14. Januar 1925.
die Bekanntmachung, betreffend die am 30. November 1920 in
Madrid unterzeichneten Weltpostvereinsverträge, vom 15 Januar 1925,
. die Bekanntmachung, betreffend das am 4. Mai 1910 in Paris
Lunterzeichnete Abkommen zur Bekämpfung der Verbreitung unzüchtiger Veröffentlichungen, vom 16. Januar 1925.
die Bekanntmachung wegen Inkraftsetzung des Haager Ab⸗ kommens über den Zivilprozeß in der Zone des Spanischen Protektorats
an Marokko, vom 16. Januar 1925.
Umfang ½ Bogen. Verkaufspreis 15 Reichspfennig.
Berlin, den 23. Januar 1925. 8
Gesetzsammlungsamt. J. V.: Alleckna
Preußen.
Dem Landschaftlichen Kreditverband für die Provinz Schleswig⸗Holstein in Kiel ist das Recht zur Ausgabe von bis zu 8 H jährlich verzinslichen, mit minde⸗ stens ½ vH jährlich zu tilgenden und auf Goldmark gleich dem Geldwert einer bestimmten Menge Feingold lautenden Schuldverschreibungen auf den Inhaber (Goldpfandbriefe des Landschaftlichen Kreditverbandes für die Provinz Schleswig⸗ Holstein) verliehen worden.
Berlin, den 20. Dezember 1924. Das Preußische Staatsministerium.
Nichtamtliches.
Deutsches Reich.
In der vorgestrigen Sitzung des Reichsrats hat auf die
Begrüßungsansprache des Reichskanzlers Dr. Luther nicht der
Staatssekretär Weismann, wie irrtümlich berichtet worden
ist, sondern der Preußische Landwirtschaftsminister Dr. Wen⸗ dorff geantwortet. 1
Deutscher Reichstag.
—
12. Sitzung vom 23. Januar 1925, Nachmittags 1 Uhr. Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger.)
Am Regierungstische: Reichsjustizminister Frenken. Präsident Löbe eröffnet die Sitzung um 1 Uhr 25 Min. Das Haus erledigt zunächst die Novelle zum Post⸗ gesetz endgültig, indem es Einleitung und Ueberschrift annimmt. Diese Abstimmung war seinerzeit ausgesetzt worden, weil man
den früheren Postminister Dr. Höfle herbeiholen wollte.
Es folgt die dritte Beratung des deutsch⸗polnischen
Abkommens über Staatsangehörigkeits⸗ und Dptionsfragen. Abg Kube (Nat.⸗Soz.) lehnt die Vereinbarung ab. Wieder seien 30 000 kleinbäuerliche Besitzer deutschen Stammes von der olnischen Regierung ausgewiesen worden. Der Redner beantragt Rückverweisung der Vorlage an den Auswärtigen Ausschuß.
882 Freiherr von Freytagh⸗Loringhoven (D. Nat.)
stellt fest, daß der Vertrag für uns sehr ungünstig ist. Die Materialien lassen erkennen, daß unsere Diplomatie der polnischen nicht gewachsen war. Die Polen strebten nach Entdeutschung des geraubten Gebiets, wir suchten möglichst vielen Volksgenossen die polnische Staatsangehörigkeit zu verschaffen. Das war eine Folge unserer allgemeinen traurigen vage. So gingen die Deutschen Polens zwar dem Staate, aber nicht dem Volkstum ver⸗ loren. Im allgemeinen sind die Wünsche der Polen befriedigt worden. Für uns ist an die Stelle völliger Rechtlosigkeit ein schlechtes Recht getreten. Der Redner bespricht den Vertrag im einzelnen und ebt besonders hervor, daß alle Optanten zum Verlassen Polens ge⸗ zwungen werden. Der Vertrag gibt den Polen zahlreiche Möglich⸗ keiten zu Schikanen. Trotzdem erhalten sie in Art. VII eine Ehren⸗ erklärung für alle früheren Verfehlungen. Wir haben uns vergeblich um ein Schiedsgericht für kommende Streitfälle bemüht, die Polen lebnten das ab, und der Völkerbund unterstützte uns nicht. Wir müssen Repressalien anwenden und uns Gesetze zur Be⸗ ämpfung des polnischen Grundbesitzes in Deutschland schaffen. Es war eine Torheit, daß wir in der Verfassung den fremdstämmigen Minderheiten Schutz zusagten, ohne ihn durch Gegenseitigkeit zu be⸗ dingen. Wir glauben immer noch an Verständigungsmöglichkeiten, anstatt zu erkennen, daß Polen unser Feind vielleicht in noch höherem Grade ist als Frankreich. wäre nicht Diplomatie, und diese Frage darf nicht Gegenstand des Streites der Parteien sein. Redner erinnert an die Deutschen⸗ verfolgung in Polen, an die polnischen Gieuel in Oberschlesien, gan die feindlichen Absichten in Ostpreußen, insbesondere an die Weichselfrage, an den jüngsten Danziger Streit. Wir müssen Polens eigene prekäre Lage ins Auge fassen. Bei 40 vH Fremdstämmigen gebärdet es sich als Nationalstaat. Es ist wirt⸗ schaftlich schwer erschüttert und veon zerrissen
2
Infolge gleichzeitig genehmigter
Vertuschung dieser Tatsache
Gerade jetzt bereitet sich der Sturz des Finanzref ormators Grabski vor. Außenwpolitisch ist es Frantreichs Vasall und von diesem be⸗ vstimmt, die Verbindung zwischen der kleinen Entente und den Rand⸗ staaten mit der Front gegen Deutschland zu schaffen. Mit Rumänien ist es zwar verbündet, zu Südflavien fehlt aber jede Verbindung. und das Verhältnis zur Tschechei ist trotz eines Vertrags ge⸗ spannt. Von den Randstaaten wird die polnische Führung abge ehnt. Mit Litauen lebt es wegen Wilna in offener Feindschaft, Lett⸗ land fürchtet für Polnisch⸗Livland, Finnland will sich nicht mißbrauchen lassen. Vor allem aber lastet auf Polen der Druck Rußlands Weder ein bolichewistisches, noch ein zarisches Runland kann sich mit der Existenz Polens abfinden. Zwischen uns und einem wiedererstandenen Rußland wird Freundschaft herrschen. Darin liegt keine Drohung, sondern eine Feststellung geschichtlicher Notwendigkeiten Polen sät Wind und wird Sturm ernten. Die Deutschnationalen werden für das Abkommen stimmen. Sie nehmen diese Demütigung um der Volksgenossen in Polen willen auf sich. Es besteht jetzt die Neigung, nur der Leiden im besetzten Westen zu gedenken Ohne die Bedeutung des Westens herabzusetzen, muß be⸗ tont werden, daß der Osten nicht vergessen werden darf. Die Deutschen dort stehen in schwerstem Kampf. Wie sie uns unver⸗ brüchliche Treue halten, mässen wir sie ihnen halten. (Lebhafter Bei⸗ fall rechts)
Abg. Dr. Landsberg (Soz.): Die Rede des Vorredners war eine richtige Oppositionsrede bis auf den unerwarteten Schluß. Der Außenminister wird von der Rede weniger erbaut sein als sein polnischer Kollege. Ich will dem Redner nicht folgen auf dem Gebiete der Bosheiten gegen das Auswärtige Amt. In einem stimme ich mit dem Vorredner überein, daß wir uns den Kampf gegen polnische Anmaßungen schwerer gemacht haben dadurch, daß wir den Polen ermöglichten, gewisse preußische Gesetze, die gegen die Polen gerichtet waren, einfach abzuschreiben und sie gegen Deutsche zu benutzen. Wird aber dieser Vertrag 75 abgelehnt, dann bleibt alles das bestehen, worüber si die beiden Vorredner beklagt haben. Die Folge wird sein, daß Polen die für uns günstigen Bestimmungen des Schiedsvertrags einfach ignoriert. Bei Annahme des Vertrags können die Ausgewiesenen ihr Vermögen mitnehmen. Ein polnischer Minister hat erklärt, daß nach Annahme des Vertrags neunzigtausend Hektar Land in deutschen Händen bleiben würden. Wir können den Vertrag nur im ganzen annehmen oder ablehnen. Er enthält viele günstige Bestimmungen für uns und die ungünstigen müssen wir in Kauf nehmen. Was übrigens den deutschen Optanten in Polen droht, droht auch den polnischen Optanten in Deutschland. Daher ist zu erwarten, daß Polen sich in dieser Frage anständig benehmen wird. (Zuruf des Abg. von Freytagh⸗Loringhoven: Das bezweifle ich!) Seinerzeit sind leider auch aus Preußen ganz ohne Grund zahlreiche Polen ausge⸗ wiesen worden, die sich nicht das geringste hatten zuschulden kommen lassen. Darauf kommt es nicht an, daß wir hier nationalistische Redens⸗ arten machen und den Polen Schimpfworte an den Kopf werfen, sondern wir sollten sie auf die gemeinsamen Interessen beider Staaten binweisen. (Lachen rechts.) Ich spreche wieder den Wunsch nach Schaffung eines Fremdenrechts aus. Es ist’' ein unerträglicher Zu⸗ stand, daß anständige, ehrenwerte Ausländer lediglich der Willkür der Verwaltungsbehörden überlassen sind. Mit einem solchen Gesetz nutzen wir unseren Landsleuten in Polen ebenfosehr, wie mit der Annahme dieses Vertrags. (Beifall links.)
Abg. Freiherr von Rheinbaben (D. Vp.): Der Reichstag sollte in dieser Frage einig und geschlossen sein, und man sollte heute nicht mehr untersuchen, ob Preußen in der Vergangenheit Fehler gemacht hat. Das Auswärtige Amt hat sich jedenfalls immer bemüht, das beste für unsere Landsleute herauszuholen, aber der Völkerbund hat uns nicht unterstützt. Reichsregierung und Preußen sollten ge⸗ meinsam prüfen, wie das Vordringen der Polen in unserem Lande abgewehrt werden kann. Ein freundnachbarliches Verhältnis mit Polen wollen wir gern herstellen, wir haben ja auch das Handels⸗ provisorium mit Polen abgeschlossen. In die inneren Verhältnisse Polens wollen wir uns nicht einmischen. Wir wollen eine Ver⸗ ständigung mit Polen, aber unbeschadet unserer Rechte. Das vor⸗ liegende Abkommen bedeutet immerhin eine Verbesserung gegen den
bestehenden Zustand und meine Freunde nehmen es an als eine Etappe
auf dem Wege zur Verständigung. 1 Reichskommissar Dr. Lewald: Der Teil des Vertrags über
die Optantenfrage ist allerdings für uns sehr drückend, und es gibt
im Auswärtigen Amt niemanden, der sich des Abschlusses dieses Ver⸗ trags rühmen würde, aber wir standen der Angelegenheit mit ge⸗ bundenen Händen gegenüber. Seit der Einverleibung deutschen Ge⸗ biets in Polen im Jahre 1919 wurden unsere deutschen Landsleute in diesem Gebiet schwer bedrückt. Infolgedessen strebte das Auswärtige Amt immer wieder eine vertragsmäßige Regelung an, die aber immer wieder gescheitert ist. Niemand wollte eine Bestimmung annehmen, wonach die Deutschen gezwungen werden sollten, das polnische Gebiet zu verlassen, wo sie seit Dezennien und sogar seit Jahr⸗ hunderten angesessen waren. Wir hatten eine Entscheidung vor dem Internationalen Gerichtshof im Haag gewünscht, aber da trat der Völterbund ein. Nun wäre es ein ungewöhnlicher Vorgang gewesen, wenn wir einem einzigen Schiedsrichter, den der Völkerbund benennen sollte, so schwerwiegende Fragen überlassen hätten. Einem Schiedsspruch hätten wir uns nach internationalem Recht unterwerfen müssen. Ueber zehntausend Hektar früher deutschen Besitzes schwebte das Damobklesschwert, durch diesen Vertrag werden nunmehr mindestens neun⸗ tausend Hektar Land in deutschen Händen geschützt. Wenn wir den Ver⸗ trag ablehnen, würde der polnische Staat, der sich nun einmal im Besitz des Landes befindet, sämtliche Deutschen dort von heute auf morgen vertreiben können. Er würde sich dabei auf den Schiedsspruch des Völkerbundes stützen können, wonach dies Rechtens wäre, und dann würden alle diese Fristen in diesem Vertrage, die wir in mühe⸗ vollen, monatelangen Verhandlungen gesichert haben, fortfallen. Durch diesen Vertrag wird das Leiden der Deutschen immerhin etwas er⸗ leichtert. Das Auswärtige Amt hat ein Merkblatt herausgegeben, durch das die Deutschen über ihre Rechte in Polen unterrichtet Die Zeit drängt, und ich bitte das Haus, den Vertrag an⸗ zunehmen.
Ministerialdirektor Dr. Wallroth: In Anbetracht der Not⸗ wendigkeit der Herstellung eines besseren Verhältnisses zu Polen möchte ich es als Vertreter des Auswärtigen Amts vermeiden, auf allgemeine politische Aeußerungen einzugehen. Wenn aber u. a. auch auf den Zugang zur Weichsel Bezug genommen ist, so weise ich dar⸗ auf hin, daß wir bei den Verhandlungen darüber der Entscheidung der Botschafterkonferenz gegenüber gestanden haben. Wir haben aber festgestellt, daß die Regelung der Zugangsfrage den deutschen Inter⸗ essen nicht entspricht, und haben uns vorbehalten, nach dieser Richtung weitere Anträge zu stellen.
Das Abkommen wird in dritter Lesung und in der Schluß⸗ abstimmung gegen die Stimmen der Nationalsozialisten an genommen, nachdem der Antrag Kube auf Zurückverweisung an den Ausschuß abgelehnt worden ist.
Es folgt die erste Beratung des deutsch⸗spanischen Handelsvertrags in Verbindung mit dem Antrag Scholz (D. Vp.) auf Einsetzung eines besonderen Ausschusses von 28 Mitgliedern für die Beratung von Handelsverträgen.
Abg. Weidenhöfer (Nat⸗Soz.): Ich begreife nicht, wie die Regierung einen solchen Vertrag vorlegen konnte, der die Belange wichtiger Zweige der deutschen Landwirtschaft schwer beeinträchtigt. Wozu brauchen wir die spanischen Südfrüchte, wozu die Bananen? Soll etwa unser Auswärtiges Amt dazu da sein, dem Dilemma der spanischen Regierung abzuhelfen. (Heiterkeit links und Zurufe.) Auch für die deutsche Arbeiterschaft, die Sie (nach links) ja zu ver⸗ treten behaupten, sind die erwähnten Luxusartikel ohne Bedeutung. (Unruhe und Zurufe links.) Natürlich, wenn hier die Belange der deutschen Landwirtschaft erörtert werden, wollen Sie (nach links) nichts davon hören. (Lachen links.) Im Ausschuß sollte man scharf darüber nachdenken, ob nicht ein solcher Vertrag unsere Winzer und Obstzüchter schwer schädigt. Wir lehnen ihn ab.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ueber den
Antrag Scholz, betreffend Einsetzung eines besonderen Handels⸗
88 debatte. Abg. Simon⸗Franken (Soz.) bekämpft den Antrag Scholz, den hingegen der Antragsteller befürwortet. Der Antrag Scholz (D. Vp) wird angenommen. — Der Handels⸗ vertrag mit Spanien wird einem besonderen Ausschuß von 28 Mitgliedern überwiesen.
Der Gesetzentwurf, betreffend Abänderung des Handels gesetzbuchs und des Genossenschaftsgesetzes, wird in dritter Lesung angenommen. 8
Präsident Löbe schlägt vor, noch auf die Tagesordnung zu setzen den Bericht des Ausschusses für soziale Angelegen⸗ heiten über Erwerbslosenfürsorge. 1
Der Antrag verlangt:
1. daß die Unterstützungssätze der Erwerbslosenfürsorge spätestens mit Wirkung vom 8. Februar ab im Sinne des Gutachtens des Ver⸗ waltungsrats des Reichsamts für Arbeitsvermittlung erhöht werden, jedoch mit der Maßgabe, daß die Spannung der Unterstützungssätze zwischen männlichen nnd weiblichen Erwerbslosen sowohl in den Einzelbezügen wie in den Höchstsätzen wegfällt und der Unterschied in den Unterstützungssätzen der ledigen Männer beseitigt wird.
2. Die Reichsregierung soll ersucht werden die Fürsorge für er⸗ werbslose Seeleute auch auf die in der Hochseefischerei beschäftigten Seeleute, soweit sie nicht offenbar als Saisonarbeiter zu betraächten sind schleunigst auszudehnen. 1 b
Abg. Molden hauer (D. Pp.) erklärt, der Erledigung dieser Sache heute widersechen zu müssen, falls die Regierung erklären würde, daß auch ohne einen Beschluß, der heute gefaßt würde, eine Erhöhung der Sätze eintreten könnte.
Ministerialdirigent Weigert erklärt als Regierungsvertreter, eine Erhöhung der Sätze könne auch ohne einen heute gefaßten Beschluß des Reichstags eintreten.
Abg. Moldenhauer (D. Pp.) erklärt, daß er nunmehr Widerspruch dagegen erheben müsse, daß der Antrag über die allgemeine Erwerbslosenfürsorge heute auf die Tagesordnung gesetzt werde.
Infolge dieses Widerspruchs wird nur der Antrag über die Fürsorge für erwerbslose Hochseefischer zur Be⸗ ratung gestellt. X“
Abg. Schlecht (Komm.) beantragt, daß im Gegensatz zu dem Ausschußantrag auch die Saisonarbeiter von der Erwerbslosenfürsorge betroffen sein sollen.
Abg. Andre (Zentr.) bedauert, daß der erste Teil des Antrags des sozialen Ausschusses heute nicht angenommen werden kann. Herr Moldenhauer habe sich im Ausschuß selbst dafür ausgesprochen. Das Haus habe früher einstimmig der Erhöhung der Sätze zugestimmt, jetzt scheine aber eine Meinungsverschiedenheit zwischen den neuen Regierungsparteien und der Regierung zu bestehen. “
Abg. Hoch (Soz.) befürwortet entschieden eine Erhöhung der Unterstützungssätze. Es handelt sich um eine ganz minimale Er⸗ höhung angesichts der großen Not, und deshalb sei es nicht gerecht⸗ fertigt, die Sache deswegen zu verschleppen, weil kein Unterschied mehr zwischen Männern und Frauen in der Höhe der Unterstützung gemacht werden solle. “ .
Abg. Moldenhauer (D. Vp): Man war im Ausschuß im allgemeinen einig, aber es stellte sich heraus, daß, wenn kein Unter⸗ schied zwischen Männern und Frauen gemacht würde, eine kinderreiche Familie mehr Erwerbslosenunterstützung bekommen könn te, als sie an Lohn bekommen würde. Dagegen erhob sich in meiner Frattion Widerspruch. Wir ziehen jedoch unseren Einspruch gegen die heutige Abstimmung zurück, wenn wir durch eine getrennte Abstimmung Ge⸗ legenheit erhalten, gegen die Gleichstellung von Mann und Frau zu stummen. 111“ .
Abg. Zieglex (Dem.) erklärt sich für den Ausschußantrag und bemerkt, daß die sozialpolitische Aera der neuen Regierung gut ansange, wenn heute die Koalition gesprengt werde dadurch, daß das Zentrum nicht im Sinne des Herrn Moldenhauer stimme.
Abg. Schroeder (Soz.) verurteilt das Verfahren des Abg. Moldenhauer, die Sache verschleppen zu wollen, sowie die Weigerung der Reichsregierung, Mann und Frau gleichzustellen. Die Mutter mit mehreren Kindern müsse ebenso unterstützt werden wie der Familienvater. Der Reichstag sei nicht dazu da, das Interesse der Arbeitgeber zu schützen, die billige weibliche Arbeitskräfte beschäftigen wollen. . 1b
Abg. Raedel (Komm.) bemerkt, daß der Abg. Moldenhauer dem Arbeitsministerium entgegenkommen wolle, das die Gleichstellung der Unterstützungssätze für Mann und Frau immer sabotiert habe. Der Beschluß auf Gleichstellung sei schon vom alten Reichstage gefaßt worden. Die Sozialdemokraten hätten sich also schon für die Durch⸗ führung dieses Beschlusses bei der Regierung Marx einsetzen sollen; sie hätten aber nichts dergleichen vetan. Die Unterstützungssätze sollten jetzt um 25 Prozent erhöht werden, die Teuerung sei aber um 40 Prozent gestiegen. Deshalb verlange er, daß die erhöhte Unter⸗ stützung vom 1. November ab nachgezahlt werde. Von dem für die Erwerbslosenunterstützung zur Verfügung stehenden Fonds von 170 Millionen seien bisher erst drei Millionen an die Gemeinden ausgezahlt worden.
Abg. Thiel (D. Vp.) widerspricht der Darstellung, daß es das Ziel Moldenhauers gewesen sei, die Erwerbslosen in ihrer Not sitzen zu lassen. Es sei keineswegs Absicht der Deutschen Volkspartei. die Erledigung zu verzögern. Sie lasse sich nur leiten von der Sorge, daß die Fürsorge nicht diskreditiert werde. Von einem schlechten An⸗ fang des Bürgerblocks könnten doch diejenigen nicht sprechen, die grundsätzlich 88 machten. (Lachen links.) 8
Abg. Behrens (D. Nat.) erlucht, die ganze Angelegenheit ruhig und sachlich zu behandeln. Die Gleichstellung der männlichen und weiblichen Erwerbslosen sei zuerst von den Deutschnationalen angeregt worden. Mit einer Resolution könne die Regierung machen, was sie wolle; solle ein Einfluß auf die Regierung ausgeübt werden., so könne das nur in Form eines Gesetzes geschehen. Leider würden solche wichtigen Dinge von finanzieller Tragweite immer erst in letzter Stunde im Ausschuß behandelt, eine ordnungsmäßige Beratung in der Fraktion unmöglich sei. Hinterdrein mache man dann den Parteien, die Bedenken hätten, den Vorwurf, nicht sozial zu sein. Auch bei den Deutschnationalen habe der Wunsch bestanden, die Frage nochmals in der Fraktion zu prüfen. Mit der Frage des Bürgerblocks habe das Ganze nichts zu tun. 1“
Abg. Moldenhauer (D. Vp.) beantragt, in Nr. 1 die Worte „wie in den Höchstsätzen“ zu streichen.
Abg. Giebel (Soz) wirft dem Abg. Moldenhauer vor, die von den Vertretern der Deutschen Volkspartei im Ausschuß gegebene Zusage nicht gehalten zu haben. 8 .
Ministerialdirigent Weigert bemerkt, bei dem Gutachten des Verwaltungsrats des Reichsamts für Arbeitsvermittlung handle es sich um einen gemeinsamen Beschluß von Arbeitgebern und Arbeit⸗ nehmern. Die Regierung werde mit der Erhöhung der Unterstützungs⸗ sätze so schnell wie möglich vorgehen. Der einzig streitige Punkt sei doch nur noch, daß bei den weiblichen Erwerbslosen die Unterstützung nicht den Lobn übersteige. Auch die Gewertschaften hätten bei ihren Unterstützungsaktionen immer darauf geachtet.
Eingegangen sind inzwischen Anträge der Kommu⸗ nisten, betr. wesentliche Erhöhung der Unterstützungssätze und Abkürzung der Karenzzeit sowie Rückwirkung vom 1. November vorigen Jahres. — Diese Anträge werden abgelehnt, ebenso der Antrag Moldenhauer zu Nr. 1 und der Antrag Raedel zu Nr. 2 des Ausschußantrages.
Der Ausschußantrag wird in seinen beiden Teilen an genommen. b
Damit ist die Tagesordnung erledigt. 18 8
Bei der Festsetzung der nächsten Sitzung teilt Präsident Lö. . mit, daß darüber im Aeltestenrat keine Einigung erzielt worden ser; es hätten drei Anträge vorgelegen: morgen weiter zu tagen, die näck Sitzung am Donnerstag näͤchster Woche oder am Dienstag übernãch
Woche abzuhalten. meint, das Plenum habe Arbeiteft
Abg. Dittmann (Soz) 1 Se genug, um Tag nachmittags zu sitzen, während die Ausscht
vertragsausschusses, kommt es zu einer kurzen Geschäftsordnungs⸗
Mormittag für sich hätten, z. B. müßten doch die Deutschnationalen eꝛan Interesse haben, daß ihre Interpellation unter dem Namen vrelg über Barmat vom Minister Schiele beantwortet werden ante. (Heiterkeit.) Man könnte auch über die Wiederberstellung 89 Achtstundentags verhandeln. Er beantrage, die nächste Sitzung . uhalten. ncrgen. abg chultz⸗Bromberg (D. Nat.) erwidert, daß in Fällen ner neuen Regierung immer eine Pause gemacht worden sei, seine Partei sei dabei immer gegen eine zu kange Pause gewesen. Er be⸗ untrage, die Sitzung am 3. Februar abzuhalten. b
Abg. Stoecker (Komm) verlangt morgen eine Sitzung. Der
Untrag auf Aufhebung des Republikschutzgesetzes und soziale An⸗ gelegenheiten böten Stoff genng. b heletbg. Fehrenbach (Z.) meint, daß die Hauptaufgabe jetzt ei, dem Haushaltsausschuß ganze Tage für seine Beratungen
eben. 8 1 u geb. Dittmann (Scz.) bebt hervor, daß das Volk jetzt
Urbeit vom Reichstag verlange.
Abg. Leicht (Bayr. Volksp.) erwidert, daß diese Arbeit nicht gerade aus Reden zu bestehen brauche. (Heiterkeit) Der Etat könne im Plenum nicht beraten werden, wenn er nicht im Haushaltsaus⸗ chuß vorbereitet sei.
Der Antrag, morgen Sitzung zu halten, wird gegen die Stimmen der Kommunisten, Sozialdemokraten und Demokraten
abgelehnt. 1 8 Die Sitzung wird auf Dienstag, den 3. Februar, festgesetzt. lagesordnung: Interpellation der Kommunisten wegen der Fürsorgepflicht; Anträge über den Achtstundentag.
Prreußischer Landtag. Sitzung vom 23. Januar 1925, Mittags 12 Uhr. Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger.)
Präsident Bartels eröffnet die Sitzung um 12 Uhr 25 Minuten. ““
Auf der Tagesordnung steht zunächst der Antrag der
ommunisten: weitgehende Amnestie zu gewähren. Die Amnestie soll gewährt werden gegen Straftaten aus politischen Motwen, ferner wegen solcher, die während der Inflations⸗ zeit aus wirtschaftlicher Not, die bei Bekämpfung des Wuchers oder des Schleichhandels oder die aus Anlaß der Ruhrbesetzung sowie wegen unzureichender Unterstützung an Erwerbslose be⸗ gangen worden sind.
Abg. Göbel (Zentr.) berichtet in längeren Ausführungen über den Ausschußantrag, den kommunistischen Antrag abzulehnen.
Abg. Dr. Körner (Freiheitspartei) erklärt, daß seine Partei, solange durch Ausnahmegesetze, durch Gesetze zum Schutze der Republik sowie durch Gerichte, wie der Staatsgerichtshof, das Volk geknebelt werde, auch für Amnestie sei. Unter dem System Severing seien Männer, denen nur politesche Gesinnung vorgeworfen wurde, wochenlang ins Gefängnis geworfen worden. Wir waren vogelfrei. Wir stehen dem kommunistischen Antrag wohlwollend
gegenüber, lehnen aber seine Begründung ab Der Antrag ist zu allgemein gefaßt. Gemeine Verbrechen dürfen nicht amnestiert werden. Auch darf nicht nur Amnestie für Arbeiter gewährt werden. Jeder werktätig Schaffende ist nach zunserer Ansicht ein Arbeiter, ob er Stubengelehrter ist oder am Schraubstock steht. Wir fassen als Arbeiter alle auf, die am Aufbau des deutschen Volkes mitarbeiten, die nicht zu den Raffenden, sondern zu den Schaffenden gehören. Die Kommunisten verstehen aber unter Arbeiter nur den sogenannten „Klassenbewußten“. Das würde dazu führen, daß ein Rechtsanwalt. der Kommunist ist, unter die Amnestie fällt, während ein deutschnationaler Metalldreher nicht als Arbeiter gilt. Im Gegensatz zu den Wucherbestrafungen werden sogenannte Roheitsdelikte zu streng bestraft. Alle Straftaten, die Volksaus⸗ wucherung bedeuten, verdienen die allerschärfsten Strafen. Wir sind also für den Antrag, lehnen aber seine Begründung ab. Wir behalten uns vor, demnächst selbständige Amnestieanträge einzubringen.
Hierauf wird die Beratung zur Vornahme der Abstim⸗ mung über die Vertrauensfrage, die auf 1 Uhr an⸗ gesetzt ist, unterbrochen. Abgestimmt soll zunächst werden über den kommunistischen Antrag: „Das Staatsministerium besitzt nicht das Vertrauen des Landtags.“
In der Begründung des Antrags wird dem Ministerium vor⸗ geworfen, daß es die Interessen der werktätigen Bevölkerung nicht ur Richtschnur seiner Politik mache. Es habe nichts getan gegen den Rauv des Achtstundentages, gegen Betriebsstillegung und Kurzarbeit, egen Niederhaltung der Löhne und Gehälter, gegen Annahme der
awesgesetze, gegen Verschleuderung von Staatsgeldern, gegen das
Anwachsen der Korruption, es habe vielmehr der Schonung des Besitzes Vorschub geleistet, die ausgesprochene Rachejustiz und den schmachvollen Strafvollzug gedeckt.
Es entspinnt sich hierauf eine längere Geschäftsordnungs⸗ aussprache. 8
Abg. Dr. von Campe (D. Vp.) fordert getrennte Abstim⸗ mung über den Antrag, das Vertrauen zu entziehen, selbst und über die Begründung. Die Sozialdemokraten widersprechen; über Motive könne nicht abgestimmt werden. — Präsident Bartels weist auf die Bestimmung der Geschäftsordnung hin, daß bei Zweifel über die Zulassung einer Zweiteilung der Antragsteller entscheidet. — Schließlich erklärt Abg. Pieck (Komm.): Wir haben unsere Begründung im Antrag ausgesprochen. Uns liegt daran, daß über das Mißtrauens⸗ votum selbst abgestimmt wird. — Abg. Dr. von Campe (D. Pp.): Ganz unsere Meinung!
Damit ist die Angelegenheit erledigt.
Das Haus schreitet zur Abstimmung über den kom⸗ munistischen Antrag, dem Staatsministerium das Ver⸗ trauen zu entziehen. Die Abstimmung hat folgendes Ergebnis: Abgegeben wurden 442 Stimmen. Enthalten hat sich niemand, ungültig war keine Stimme. Mit Ja haben gestimmt 221, mit Nein Fleichfals 221. (Minutenlanges Händeklatschen links und in eer Mitte.) Die Stimmenverteilung ist folgende: Mit Ja haben gestimmt 108 Deutschnationale, 43 Kommunisten, 45 Volksparteiler, 11 Mitglieder der Freiheitspartei, der Rest der Stimmen ist von der Wirtschaftspartei abgegeben. Der kommunistische Antrag auf Entziehung des Vertrauens ist v 1 den Bestimmungen der Geschäftsordnung ab⸗ elehnt. 1 „Es folgt die namentliche Abstimmung über den Antrag dem Finanzminister, dem Kultusminister, dem Innenminister und dem Handelsminister das Vertrauen zu entziehen. Der Antrag richtet sich nur gegen die sozialdemokratischen Minister.
Zunächst wird abgestimmt über den Ministerpräsidenten,
zugleich auch in seiner Eigenschaft als Finanzminister und als
Kultusminister. Die Abstimmung wird getrennt vorgenommen; zuerst wird abgestimmt über den Kultusminister, dann über den Finanzminister und zuletzt über den Ministerpräsidenten. Die Abstimmung über den Kultusminister hat das folgende Ergebnis: Abgegeben wurden 437 Stimmen. Davon stimmten mit Ja 220, mit Nein 217, der Antrag auf Vertrauensentziehung gegen den Kultusminister ist also angenommen. Das Ergebnis wird von den Parteien, die mit Ja gestimmt haben, mit sirmischen Beifallskundgebungen aufgeommen.
Dr. Winckler (D.Nat.), dem Ministerpräsidenten,
Als der Präsident erklärt, der Anzrag sei abgalehnt, da es an der verfassungsmäßigen Mehrhelt fehle, die mehr als die Hälfte der gesetzlichen Mitglieder betrage, also mindestens 226, entspinnt sich eine lange Geschäftsordnungs⸗ aussprache über die Auslegung der einschlägigen Be⸗ stimmungen.
Abg Schlange⸗Schöningen (D. Nat.): Die Rechtsfrage ist zu unseren Gunsten entschieden; nur Spitzfindigkeiten können sie ver⸗ dunkeln. Ueber verfassungsmäßige Formalitäten können wir hier noch lange streiten, das erlösende Wort muß und wird hoffentlich vom Ministerpräsidenten Braun selbst gesprochen werden. Es kann nur so lauten, daß er nach einer derartigen moralischen Niederlage nicht zu einer Vergewaltigung dieses Hauses schreiten darf, sondern daraus die moralische Schlußfolgerung zieht.
Abg. Pieck (Komm.) erklärt gleichfalls, daß das Staats⸗ ministerium nach der Abstimmung seine Politik unmöglich weiter⸗ führen könne.
Die Abgeordneten der Deutschen Volkspartei, insbesondere Dr. von Campe und Stendel, vertreten in der Aussprache den Standpunkt, eine einfache Majorität genüge, da der Kultusminister das Vertrauen gar nicht gehabt habe; es komme daher in Frage Art. 57 Abs. 1.
Abg. Koch⸗Oeynhausen (D. Nat.) vertritt den gleichen Stand⸗ punkt, ebenso Abg. Bäcker⸗Berlin (D. Nat.).
Den gegenteiligen Standpunkt vertraten die Abgg. Nuschke (Dem.) und Grzesinski (Soz.), die darauf hinweisen, daß der deutschnationale Antrag sinngemäß derselbe sei, wie der vorhin abge⸗ lehnte kommunistische Antrag. ein Standpunkt, dem sich auch der Präsident Bartels anschließt.
Es folgt darauf die namentliche Abstimmung über die Entziehung des Vertrauens gegenüber Braun als Finanz⸗ minister. Die namentliche Abstimmung hat das folgende Ergebnis: Mit Ja stimmen 221, mit Nein 218 Abgeordnete. Der Präsident trifft dieselbe Feststellung wie bei der vorigen Abstimmung. Die Vertreter der Deutschen Volkspartei und der Deutschnationalen Volkspartei behalten sich Weiteres vor.
Hierauf stimmt das Haus ab über Entziehung des Ver⸗ trauens gegen Braun als EEöö1ö“ sowie gegen die Minister Severing und Sie ring. Das Ergebnis ist das gleiche wie im vorhergenden Falle: Mit Ja stimmten 221, mit Nein 218 Abgeordnete.
Abg. Koch⸗Oeynhausen (D. Nat.) spricht die Erwartung aus, daß aus den Mehrheitsverhältnissen, die sich ergeben hätten, die Minister Braun, Siering und Severing die Konsequenzen zieben möchten. (Lebhafter Beifall rechts.) Wir jedenfalls werden aus dieser Abstimmung die für die drei Minister sich ergebenden politischen Feghr zungen mit gebotener Schnelligkeit ziehen. (Lebhafter Beifall rechts.
Abg. Grzesinski (Sor) erklärt, daß diese Abstimmung ohne alle Bedeutung sei. (Lachen rechts.) Welche Konsequenzen die Herren daraus ziehen, bleibt ihnen überlassen.
Abg. von Campe (D. Vp.) weist darauf hin, daß immer wieder das Wesentliche von den Herren von links übersehen werde. Nach der Neuwahl habe das Ministerium Braun überhaupt noch kein Vertrauensvotum bekommen, das es nach Art. 57 Abs. 1 brauche.
Abg. Ladendorff (Wirtschaftl. Vereinigung) betont, daß ja der Ministerpräsident selbst erklärt habe, er lasse sich nicht leiten vom Kleben am Amt, sondern vom Pflichtgefühl. Angesichts der Mehrheit gegen das Kabinett Braun erwarten wir, daß er zurücktritt.
Abg. Pieck (Komm) stellt mit Bedauern fest, daß die werk⸗ tätige Bevölkerung Preußens so lange die Schande einer solchen Regierung geduldet habe. (Der Redner erhält hierfür einen Ordnungsruf.)
Das Haus wendet sich nunmehr zur namentlichen Ab⸗ stimmung über den Vertrauensantrag, der von den Nationalsozialisten gestellt worden ist. 8
Nachdem die Abgg. Baecker⸗Berlin (D. Nat.) und von Campe (D. Pp.) noch einmal die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Abstimmungen dargelegt hatten, erfolgt die Abstimmung über den Vertrauensantrag. Der Präsident teilt mit: Es sind 223 St immen abgegeben worden, der Landtag ist also beschlußunfähig.
Heftiger Widerspruch rech s8 und bei den Kommunisten. — Ungeheurer Tumult im ganzen Hause. Die Worte des Präsidenten, der die nächste Sitzung festsetzt, gehen in dem tosenden Lärm unter. Von der Tribüne hört man lärmende Kundgebungen. Die Kommunisten ant⸗ worten darauf. Als Präsident Bartels naͤch Feststellung der
Tagesordnung und Mitteilung der Gegenstände den Präsidentensitz
verläßt, stürzt Abg. Pieck zur Tribüne, reißt die Präsidenten⸗ glocke an sich und übernimmt unter dem tosenden Beifall seiner Fraktion und ungeheurem Tumult den Vorsitz. Es wird ein Hoch auf die Internationale ausgebracht, in das von der Tribüne aus eingestimmt wird.
Vor der Abstimmung hatte der Abg. Grzesinski (Soz.) erklärt, der Antrag, das Vertrauen auszusprechen, sei unwahr⸗ haftig, deshalb würden sich das Zentrum, Demokraten und Sozialdemokraten an der Abstimm ung nicht beteiligen.
Nächste Sitzung: Dienstag, 3. Februar. Große Anfrage Winckler (D. Nat.) über die Grenze zwischen Polen und Ost⸗ preußen. Sozialdemokratische Anfrage über die Wohnungsnot in Oberschlesien. Deutschnationale Anfrage über das Saar⸗ gebiet.
Schluß 3 Uhr 40 Minuten.
Der Auswärtige Ausschuß des Reichstags be⸗ handelte in seiner gestrigen Sitzung laut Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger die Amnestiefrage für das besetzte Gebiet auf Grund des Londoner Protokolls. Von seiten der Reichsregierung wurde die Frage durch den Staatssekretär Dr. Joel vom Reichsiustizministerium und den Ministerialdirektor Dr. Dilthev vom Reichsministerium für die besetzten Gebiete
erläutert. Aus der Mitte des Ausschusses nahmen die rn Stoecker (Komm.), Sollmann (Soz.), Dr. Hoetz
(D.⸗Nat., Dr. Hergt (D.⸗Nat.), Dr. Landsberg (Soz.) Dr. Kaas (Zentr.), v. Rheinbaben (D. Vp.), Dr. Wirth (Zentr.) und Dr. Dernburg (Dem.) hierzu das Wort. Auch der Außenminister Dr. Stresemann äußerte sich kurz. Die Debatte ergab übereinstimmend die Meinung, daß der Bevölkerung der besetzten
Gebiete in der Frage der Amnestierung innerpolitischer Delikte so⸗ Zur näheren
weitherzig wie möglich entgegengekommen werden müsse. . Prüfung der noch ausstehenden Einzelfälle wurde ein Unterausschuß eingesetzt unter dem Vorsitz des Abg. Dr. Kaa s. (Zentr.), dessen Arbeiten nach Vorliegen des amtlichen Materials beschleunigt auf⸗ genommen werden sollen.
Der Reichstagsausschuß zur Untersuchung der
Kreditgewährung durch Reichsstellen, der sogenannte
„Barmat⸗Ausschuß“, trat gestern unter dem Vorsitz des Abg. Saenger (Soz.) zu seiner ersten öffentlichen Sitz. zusammen. Seine Aufgabe war die Formulierung der Beweissätze, die die Grundlage der weiteren Verhandlungen des Ausschusses bilden
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Sitzung
sollen. Nach dem Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger betonte der
Abg Dr. Pfleger (Bayr. Vp.): Der Ausschuß müsse darauf Rücksicht nehmen, daß in der gleichen Angelegenheit Strafverfahren schweben und daß vom Preußischen Landtag ein Ausschuß zur Unter⸗ suchung der Geschäfte der Preußischen Seehandlung eingesetzt sei. Ein Gegeneinanderarbeiten der beiden Ausschüsse oder eine Störung des Gerichtsverfahrens müsse vermieden werden. Eine weitere Schwierigkeit für die Ausschußtätigkeit liege darin, daß verschiedene sehr an der Sache beteiligte Perionen in Haft seien. Der Redner stellte folgenden Antrag: 1. Es sind bezüglich der jämtlichen zu den Konzernen Kutisker, Gebrüder Herschel, Barmat und Jakob Michael gehörenden Firmen beglauvigte Auszüge aus dem Handelsregister und den zuständigen Gerichteu zu erboten. Die Erholung dieser Handels⸗ registerauszüge soll sich weiter auf solche Firmen erstrecken von denen sich im Laufe der Erhebungen herausstellt, daß sie als zu dem einen oder anderen Konzern gehörig anzusehen sind. Soweit ferner Gesell⸗ schaften mit beschränkter Haftung in Frage stehen und bei diesen statutengemäß bestimmt sein sollte, daß die bei der betreffenden Gesellschaft tätigen Aufsichtsratsmitglieder beim Registergericht nicht angemeldet zu werden brauchen, sind die Namen dieser Aufsichtsratsmitglieder durch Erholung des Sitzungsprotokolls über die Mitgliederversammlung der betreffenden Gesellschaft festzustellen. 2. Die sämtlichen Reichsministerien sind zu ersuchen, dem Unter⸗ suchungsausschuß die Vorschriften mitzuteilen, welche für die Ver⸗ waltung der Kassenbestände, insbesondere für die vorübergehende Anlage von Geldern, maßgebend sind. 3. Die sämklichen Reichsministerien sind zu ersuchen. dem Untersuchungausschuß mitzuteilen, ob an eine der beteiligten Firmen seit dem 1. Oktober 1923 Gelder ausgeliehen worden sind, in welchem Umfange und zu welchen Bedingungen, ferner, ob an andere Stellen bezw. Firmen Gelder verliehen wurden mit der Auflage, daß sie ganz oder teilweise an eine der beteiligten Firmen weitergegeben werden sollen. Weiter sollen sich diese Mitteilungen darauf erstrecken, ob Darlehen gewährt wurden an Abgeordnete des Reichstags oder des Landtages eines deutschen Gliedstaates bezw. an andere Personen oder Firmen mit der Auflage, sie ganz oder teilweise an Abgeordnete weiterzugeben. 4. Von der Staatsanwaltschaft am Landgericht Berlin sind Ab⸗ schriften der in dem Verfahren gegen Kutisker und Barmat erhobenen öffentlichen Klagen und der vorliegende Haftbefehl zu erholen. 5. Vom Preußischen Ministerium des Innern sind die sämtlichen auf die Einreise des Iwan Kutisker aus Libau, der Gebrüder Herschel aus Lodz und der Gebrüder Barmat aus Amsterdam bezüglichen Akten einzufordern. 6. Vom deutschen Generalkonsulat für die Niederlande in Amsterdam und vom Auswärtigen Amt in Berlin sind die sämtlichen auf die Gebrüder Barmat oder einen von diesen bezüglichen Aktenstücke zu erholen. 1
Ueber die an der Affäre beteiligten Firmen liegt dem Ausschuß folgende Aufstellung vor: I. Iwan Kutisker: Deutsche Merkantil⸗ bank Oberhausen, 2. Oberhausener Volksbank A G., Oberbausen, 3. Mechanische Treibriemenweberei und Ledertreibriemenfabrik A. G., Berlin⸗Tempelhof, 4. Bankbaus E. von Stein, Berlin, Jägerstr., 5. J. Kutisker, 6. J. B Kutisker & Co., 7. J. W. Kutisker Gesellschaft m. d. H., 8. Gustav Blau & Co. G. m. b. H., 9. Scharlach & Co. A G., 10. Deutsche Kredit⸗ und Grundstücks⸗A. G. (trüher Scharlach & Co.), 11. Hugo Hecht, 12. Holzmann K Co., 13. Amag, Berlin, Wilbelm⸗ straße, 14. Elma Schokoladenfabrik, Berlin, 15. Radiofunk G. m b. H, 16. Stern & Co. Speditionsgesellschaft 17. Osthandels⸗ gesellschaft Breslau, 18. Berliner Likörfabrik A. G., 19. Courier⸗ Druckerei, Berlin⸗Wilmersdorf, 20. Union⸗Piano⸗Gem b. H, 21. West⸗ deutsche Textilfabrik, 22. August Pieck, Berlin 23. Verwaltungs⸗ gesellschaft, 24. J. A. Kutisker Finanzierungsgesellschaft, 25. Matega (Maschinentechnische Aktiengesellschaft). I1I. Barmat⸗Konzern: 1. Schneider & Co., Heidelberg, 2. Deutsche Merkurbank A. G., 3. Depositen⸗ und Handelsbank in Berlin, 4. Berlin⸗Burger Eisen⸗ werke, 5. J. Roth A. G., Berlin, 6. Amäxina⸗Konzern, 7. Eisen⸗ Matthes A. G., 8. Aktiengesellschaft Chromo, 9. Bremer Privat⸗ bank, 10. Preußische Hypothekenbank. III. Kellner⸗Konzern: 1 Walter Kellner A. G. Maschinenfabrik in Barmen, 2. Textilwerke Mann & Reinhardt A. G. in Barmen, 3. Lippische Werke A. . Detmold (Metall⸗ und Holzwaren). IV. Jakob Michael: 1. Beer, Sond⸗ heimer & Co., Frankfurt⸗Main, 2. Industrie⸗ und Privatbank Jakobß Michael. Inzwischen sind noch weitere beteiligte Firmen ermittru worden 88
Abg. Engberding (D. Vp) begründet einen Antrag seiner Freunde, die Reichsregierung zu ersuchen, 1. dem Unterfuchungs⸗ ausschuß eine Autstellung zugehen zu lassen a) über alle Kredite, die von den Reichsministerien, der Reichsbank, der Reichekredit⸗ und Kontrollstelle und sonstigen Reichsstellen an die Barmat, Kutisker und Michael seit ihrem Auftreten eingeräumt worden sind, sowie über sonstige Kredite der genannten Stellen, mit deren Ge⸗- währung die Bedingung oder Empfehlung zur ganzen oper teil⸗ weisen Verwendung zugunsten von Barmats, Kutisker oder Michael verknüpft war; b) über alle sonstigen Kredite, die seit dem 1. No⸗ vember 1923 von den Reichsstellen eingeräumt worden sind; 2. an die Preußische Regierung die Bitte zu richten, ihr zur Weitergabe an den Untersuchungsausschuß, um diesem ein vollständeges Bild zu ermöglichen, eine Aufstellung zugehen zu lassen über alle Kredite, die von der Preußischen Staatsbank (Seehandlung) an die Barmat, Kutisker und Michael seit ihrem Auftreien eingeräumt worden sind, sowie über solche Kredite, mit deren Gewährung die Bedingung oder Empfehlung zur ganzen oder teilweisen Verwendung zugunsten von Barmats, Kutisker oder Michael verknüpft war. — Die erbetenen Aufstellungen sollen nicht nur die an Barmats, Kutisker und Michael persönlich gegebenen Kredite enthalten, sondern auch jene Kreditgewährung an Gesell⸗ schaften, Personenvereinigungen und Unternehmungen, die den Barmats, Kutisker oder Michael gehören oder gebört haben oder von ihnen kontrolliert wurden oder in denen einer von ihnen als Direktor, Leiter oder Aufsichtsrat tätig ist oder war. Die gewünschten Aufstellungen sollen insonderbeit Aufschluß geben: a) über die jeweilige Höhe und Art der Kredite, b) über das Datum der Einräumung und Rückzahlung der Kredite, c) über die vereinbarten Bedingungen, d) über die Sicher⸗ heiten für die Kredite, e) über etwaige Referenzen und Auskünfte, auf Grund deren die Krediie gegeben worden sind, f) darüber, ob sich für die Gewährung der Kredite eine beamtete Person oder einen Parlamentarier verwendet hat. Die gestern im Reichstag gegebene Begründung für die Kreditgewährung an die Barmats usw., daß in jener Zeit die Lieferung von Fett und anderen Lebensmitteln jehr willkommen gewesen sei, bezeichnet Abg. Engberding nicht als durch⸗ schlagend. Solche Lieferungen hätten auch alte deutsche Firmen be⸗ sorgen können, wenn man ihnen ähnliche Kredite gewährt hätte.
Abg. von Dewitz (D. Nat.) beantragt die Abgrenzung des Arbeitsgebiets des Ausschusses auf folgende Fragen: a) sind Schäden dem Reich, den Ländern bezw. dem Volksvermögen oder einzelnen Wütschaftszweigen durch die zur Erörterung stehenden Kredit⸗ operationen erwachsen und welche? b) sind Gelder, die ihren Ur⸗ sprung und ihrer Bestimmung nach volkswirtschaftlichen Zwecken dienen sollten, in schuldhafter Weise diesen Zwecken entzogen worden? c) welche für den Geldmarkt verantwortlichen staatlichen oder öffentlich⸗rechtlichen Geldinstitute tragen mittelbar oder unmittelbar die Schuld? d) sind irgend welche Bebhörden mitverant⸗ wortlich oder mitschuldig? Welche und in welcher Form? e) welche Beamte oder mit staatlicher Verantwortung bekleidete Persönlichkeiten sind im Rahmen der gestellten F . schuldig? Welche Beamte haben durch Begünftigung, l ebernahme irgendwelcher Ver⸗ pflichtung gegen Vergütung (offen oder in verschleierter Form) ihre Beamtenpflichten oder die Pflichten aus staatlicher Verantwortung per⸗ letzt? f) ist das Reich oder sind die Länder durch unsachgemäße Ver⸗ wendung ehemaliger Heeresgüter schuldhaft geschädigt? Dazu gehört evtl. die Verwertung auf Kosten bezw. zum Schaden des Reichs auf dem Wege über Scheingründungen. Schiebungen u. dergl. — Die Prüfung der Kreditquellen müsse sich erstrecken auf 1. die Reichsbank, 2. die Seehandlung evtl. andere Staatsbanken, 3. das Postministerium evtl. andere Ministerien, 4. die Girozentrale und andere, 5. das ehemalige Reichsschatzamt und die aus ihm entstandenen Stellen.
Abg. Aufhäuser (Soz.) beantragt, die Reichsregierung zu er⸗
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suchen, 1. dem Untersuchungsausschuß eine Auff en z