Was die zweite Frage, die Entwicklung des Aufkommens aus den Steuern nach Lage der Wirtschaft, anlangt, so wird man vielleicht auf längere Sicht eine gewisse Zuversicht nicht auszuschalten brauchen. Erholt sich die deutsche Wirtschaft im Laufe der Jahre, steigen die Umsätze, bilden sich wieder Vermögen und arbeitet Industrie, Handel und Landwirtschaft wieder mit Ertrag, so wird bei den hohen Steuersätzen, die wir ja auch auf längere Dauer werden tragen müssen, ein gewisses Ansteigen des Aufkommens immerhin erwartet werden können. Aber auf diese Wandlung der Dinge mit Sicherheit zu rechnen, wäre unverantwortlicher Leichtsinn. Wir wissen weder, ob diese günstige Wirtschaftsentwicklung ein⸗ treten wird, noch kennen wir das Tempo, und vor allem vermag niemand zu sagen, von welchem Zeitpunkt an eine Besserung einsetzen kann. Es wäre meines Erachtens vor allem nicht zu verantworten, aus der Besserung der wirtschaftlichen Lage, die 88 nach dem Lon⸗ doner Abkommen gezeigt hat, und die auch in den Steueraufkommen der letzten Monate sich ausprägt, zu schließen, daß die günstige Ent⸗ vicklung anhält, vor allem, da ja zur Förderung des Wiederaufbaues eine schonendere Behandlung in steuerlicher Beziehung erforderlich ist.
Schwer einzuschätzen ist auch die Wirkung des dritten Punktes, der Regelung des Finanzausgleichs, auf den Etat. Sie wissen, daß wir nach der Regelung der 3. Steuernotverordnung, abgesehen von einigen kleineren Ueberweisungen, von der Einkommen⸗ steuer und Körperschaftssteuer nicht weniger als 90 % und von der Umsatzsteuer 20 %% den Ländern und ihren Gemeinden überweisen. Ich möchte mich hier nicht ausführlicher über die schwierige Frage auslassen, ob damit nicht des Guten zu viel geschehen ist, und ob nicht bei geringeren Ueberweisungen, vor allem bei den Gemeinden, eine erwünschte größere Sparsamkeit erzwungen worden wäre. Wir werden uns sehr ernst die Frage vorlegen müssen, wenn über den neuen Finanzausgleich verhandelt wird, ob hier nicht Einschränkungen motwendig sind und ob nicht im System der Beteiligung der Länder und Gemeinden an den gemeinsamen Steuern eine Aenderung er⸗ wägenswert erscheint. Es handelt sich dabei um Probleme von ganz besonderer Schwierigkeit, die nicht nur für die politischen Be⸗ ziehungen zwischen Reich, Ländern und Gemeinden von größter Be⸗ deutung sind, sondern auch die Gesamtwirtschaft auf das stärkste be⸗ rühren. Ich werde Gelegenheit haben, über diese Frage in aller⸗ nächster Zeit mit den verantwortlichen Männern in den Landes⸗ egierungen zu beraten, und hoffe, daß auch der Entwurf eines Ge⸗ setes zur Regelung des Finanzausgleichs Reichsrat und Reichstag recht bald beschäftigen wird. Aber gerade bei der Schwierigkeit des Problems sehe ich keinen Anlaß, mit einer allzu erheblichen Minde⸗ ung der an Länder und Gemeinden, sei es unmittelbar, sei es mittel⸗ bar, fließenden Beträge zu rechnen. Ich betone dabei, daß es für die rtatsmäßige Beurteilung mehr odex weniger gleichgültig ist, ob wir gewisse Steuern in ihrer höchstmöglichen Höhe von Reichs wegen veranlagen und den Ländern und Gemeinden dann teilweise heraus⸗ hahlen, oder ob wir auf den entsprechenden Teil dieser Steuern ver⸗ ichten und Ländern und Gemeinden überlassen, die freigewordene Steuerkraft selbst auszunützen.
Wenn man sich die Dinge zahlenmäßig vergegemvärtigt, so wird man die möglichen Steuereinnahmen für das ö“ Rech⸗ nungsjahr und im großen und ganzen auch für das darauf folgende, ganz rund gerschnet, auf 6 Milliarden veranschlagen können,
ovon aber 2 Milliarden — ich würde es begrüßen, wenn es weniger sein könnte — für die Länder und Gemeinden bestimmt sind. Mehr 1S 4 Milliarden werden also für das Reich nicht zur Verfügung solange nicht die Wirtschaft einen sehr wesentlichen Aufschwung mimmt und damit die Erträge automatisch steigen. Sie wissen aber, daß dann die Reparationslasten bevorstehen und beß mit einem Steigen der Wirtschaft und der Einnahmen im allgemeinen auch die Ausgaben zu steigen pflegen.
Wenn man sich vor Augen hält, daß für den eigentlichen Finanz⸗ bedarf des Reiches dauernd nicht mehr als vier Milliarden Einnahmen zur Verfügung stehen, so wird eine vorausschauende Finanzwirtschaft nicht umhin können, für die folgenden Jahre einen festen Ausgaben⸗ plan schon jetzt aufzustellen. Ich kann aber schon heute sagen, daß sich die fortdauernden Ausgaben des Reiches für seine laufenden Ver⸗ waltungen in den nächsten fünf Jahren kaum unter zweitausendfünf⸗ hundert bis zweitausendsiebenhundert Millionen Mark jährlich halten werden, wobei nicht in Anschlag gebracht ist, daß dauernd neue un⸗ vrwartete Ausgaben zu den alten hinzutreten, denen sich das Reich schwer wird entziehen können. In diesen Ausgaben sind selbst⸗ Verständlich auch nicht diejenigen inbegriffen, die noch im Zusammen⸗ hang mit dem Kriege stehen und deshalb als außerordentliche be⸗ geichnet werden müssen. Hier kommen hauptsächlich in Betracht die Pensionen an Kriegsteilnehmer und Kriegsbeschädigte, die sone Für⸗ sorge für Kriegsbeschädigte und Hinterbliebene, die Gehaltszahlungen an diejenigen Reichsbeamten, die noch mit der Abwicklung der Kriegs⸗ folgen und Kriegsschäden beschäftigt sind, endlich die Kriegsschäden und die Liquidationsschäden selber. Wenn man diese außerordentlichen Ausgaben in Anschlag zieht, so wird man zu dem Ergebnis kommen, daß der Gesamtbedarf des Reiches einschließlich der Ausgaben für Reparationszwecke sich in Summen bewegt, die mit etwa 4 Milliarden im Jahre 1925 beginnen und bis zum Jahre 1930 auf mindestens 4900 Millionen steigen. Das ist in Anbetracht der voraussichtlichen Steuereinnahmen ein außerordentlich trübes Bild. Was den außer⸗ ordentlichen Haushalt anlangt, so können wir uns für die Zukunft der Erkenntnis nicht verschließen, daß dessen Bedürfnisse, soweit sie merbenden Zwecken dienen, wieder aus Anleihemitteln bestritten werden mnüssen, d. h., daß wir produktive Aufgaben nur insoweit übernehmen können, als die Erträgnisse der Volkswirtschaft uns die Mittel hier⸗ für zur Verfügung stellen. Angesichts dieser Sachlage wird die Reichs⸗ regierung nicht umhinkönnen, die von den Parteien des neuen Reichs⸗ tags gestellten Anträge einer sehr sorgfältigen Prüfung auf ihre finanzielle Auswirkung hin zu unterziehen. Eine solche vorläufige Prüfung sämtlicher Anträge hat im Reichsfinanzministerium bereits tattgefunden. Das Ergebnis wird Ihnen in Gestalt einer kurzen Denkschrift zugehen. Die finanziellen Auswirkungen sind außerordent⸗ lich hoch. Die Kosten würden aus Steueraufkommen nicht mehr ge⸗ deckt werden können. Die Reichsregierung ist sich aber darüber im klaren, daß trobzdem in den Grenzen des finanziell Möglichen alles getan werden soll. 1 1 B
Der Haushalt für die Kriegslasten erfährt infolge des Londoner Abkommens und des Sachverständigengutachtens eine grundlegende Umgestaltung. Auf der einen Seite zeigt der Haushalt
zum ersten Male die Belastung des Deutschen Reiches durch die Fehresleistum auf Grund des Londoner Abkommens und des Sach⸗ verständicenautachtens, andererseits ist eine wesentliche Entlastung infolge Weafalls derjenigen Ausgaben eingetreten, welche künftig aus der Jahresleistung Deutschlands durch den Generalagenten für Reparationszahlungen zu bestreiten sind.
Ueber die gesamte Aktion zur Entschädigung der Be⸗ völkerung und Wirtschaft an Ruhr und Rhein, ihre Grundlagen und Einzelheiten wird dem Reichstag in Kürze eine eingebende Denkschrift vorgelegt werden. An dieser Stelle will ich aber schon jetzt hervorheben, daß in ganz besonderem Grade die Wirt⸗ schaft des besetzten Gebietes unter den Nackwirkungen des zehn⸗ monatigen Ruhrkampfes einer Ankurbelung bedurfte, um über den toten
unkt hinwegzukommen. Wenn jetzt der Wirtschaft des besetzten Gebietes erhebliche Geldsummen zufließen, so ist das nur ein knapper Ersatz für die Blutleere, die ihr durch die erzwungenen Reparations⸗ leistungen zugefügt worden ist, und ermöglicht es ihr, hunderttausenden von Arbeitnehmern, die bei ihrem Erliegen brotlos werden würden, eine weitere Existenzmöalichkeit zu schaffen. 8
Ich komme zum Schluß meiner allgemeinen Ausführungen. Ich habe das Gefühl und ich glaube nicht, mich darin zu täuschen, daß wir setzt in finanzieller Hinsicht an einem Wendepunkt stehen und daß deshalb den jetzt beginnenden Etatsberatungen, wie auch den Beratungen dieser und anderer Ausschüsse des hohen Hauses über die zahlreichen eingebrachten Anträge eine ganz besondere, ja wohl entscheidende Bedeutung beikommt. Es wird sich um nicht mehr und nicht weniger handeln, als darum, ob es gelingen soll, die Rettung unseres Vaterlandes, welche vor fünf Vierteljahren, noch in letzter Stunde, kurz vor dem drohenden völligen Zusammenbruchs unseres Reichsgebäudes durch das sogenannte „dentsche Wunder“, die Schaffung der Rentenmark gelungen ist, eine völlige werden und zur völligen Gesundung führen soll oder, ob wir uns der Gefahr aussetzen wollen
zwar noch einige Zeit das finanzielle Gleichgewicht zu halten, aber in nicht zu ferner Zeit uns der Gefahr eines ähnlichen Zusammenbruchs, wie sie im November 1923 drohte, auszusetzen. Diese Gefahr können Sie aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, nur beschwören, wenn Sie auf der einen Seite durch baldige Verabschiedung der Ihnen n zugehenden Steuergesetze, ohne die Wiedergesundun der deutschen Wirtschaft zu gefährden, dem Reiche, Ländern un Gemeinden geben, was sie zum unmittelbaren Lebensbedarf unbedingt benötigen, und indem sie auf der anderen Seite sich bei Beratung der Anträge zum Etat und eer sonst gestellten Anträge sich diejenige Beschränkung auferlegen, welche zur dauernden finanziellen Gesundung des Deutschen Reiches unerläßlich ist. 1 Ich appelliere deshalb an das Vaterlandsgefühl aller Parteien dieses hohen Hauses, der Reichsregierung mit allen Kräften zu helfen, das Ziel der endgültigen Famielen Rettung unseres Vaterlandes zu erreichen. Es handelt sich hierbei nicht um Parteifragen, sondern um eine Frage von allgemeinster vaterländischer Bedeutung, in der jede dartei mitzuwirken berufen ist. Wir haben keinen Grund zu Pessimismus, wenn wir die Reichsfinanzen schonend behandeln, aber auch nicht zu übertriebenem Optimismus. (Beifall.) . Nach der Rede des Reichsfinaelinistens wurde die allgemeine Aussprache eröffnet. Abg. Müller⸗Franken (Soz.) war der Meinung, daß wir wieder zu Etatsverhandlungen kommen müßten, die uns einen Ueberblick über den tatsächlichen Stand der Finanzen gäben. Das werde jedoch erst möglich sein, wenn einige Goldetats⸗ jahrgänge vor uns lägen, die auf ihrer Ist⸗Seite nicht geschätzte, sondern real eingekommene Einnahmen aufwiesen, so daß eine Ver⸗ gleichsbasis gegeben sei, inwieweit die Schätzungen auch in Wirklichkeit zuträfen. Immerhin müßte versucht werden, auch schon bei den gegen⸗ wärtigen Etatsberatungen diesem Ziele näherzukommen. Sehr wichtig sei, daß dem Reichstag volle Aufklärung über die noch für Rhein und Ruhr laufenden Ausgaben in Höhe von 600 Millionen Goldmark egeben werde. Es sei eine unmögliche Etatswirtschaft, wenn derartige Ausgaben ohne Etatisierun 1 Abg. Dr. Hergt (D. Nat.) erkannte an, daß es aufgg der Einführung der Rentenmark auch den Bemühungen der Reichs⸗ verwaltungen zur ö zu verdanken sei, daß wir Jt vor immerhin ertraäglicheren finanziellen Verhältnissen stünden. ie vom Reichsfinanzminister an Hn⸗ des Zahlenmaterials zugegebenen kassenmäßigen Ueberschüsse bewiesen deutlich die Ueberschraubung des Steuersystems, die letzten Endes nichts anderes als eine schädliche Thesaurierungspolitik gewesen sei, unter der die Wirtschaft, Arbeit⸗ geber und Arbeitnehmerschaft sehr gelitten habe. Die Steuerkürzungen kträten in den letzten Monatsübersichten kaum in die Erscheinung, seien also wohl nicht genügend gewesen. Bezüglich der Verwendung der Ueberschüsse, vamnae auch zu Ruhrzwecken, müsse erst noch näher geprüft werden, ob sie dem Budgetrecht des Reichstages ent⸗ Ueber die unzweifelhaft noch nötigen Maßnahmen auf dem biet der Beamtenbesoldung und der Vierteljahreszahlungen hätte man bestimmtere Zugeständnisse der Regierung erwarten sollen. Für die künstige Finanzentwicklung sei zurzcit weder Pessimismus noch Optimismus berechtigt, man müsse erst über Steuern und Finanz⸗ ausgleich klar sehen. Staatssekretär Dr. Popitz erklärte, es sei schwer, die Frage nach dem finanziellen Erfolg der Steuerminderung zu beantworten, da sie sic zum größten Teil erst im Januar auswirkte. Die Wirkung der ersten Umsätscterexmäsaiga werde durch den Gang der Wirt⸗ schaft stark verwischt. Im Oktober hätten die E des Reiches 686 Millionen gebracht, im Monat November 672 Millionen, im Dezember 635 Millionen; die Umsatzsteuer Oktober 197 Mil⸗ lionen, November 153 Millionen, Dezember 140 Millionen. Die bohe Oktobereinnahme von faft. 200 Millionen enthalte auch Vierteljahreszahler, deshalb sei die Fhah nicht recht vergleichbar. Gegenüber früheren Monaten habe im November und Dezember keine starke Absenkung stattgefunden. der Lohnsteuer sei die Er⸗ mäßigung der Steuersätze durch das Steigen der Gehälter und Löhne ausgeglichen. Dagegen sei bei der eigentlichen Einkommensteuer, namentlich infolge der Milderungen und Stundungen für die Land⸗ birtschaft die Einnahme zurückgegangen. Die genauen Riffern seien die Kassenzahlen, d. h. das tatsächliche Aufkommen von den Finanz⸗ kassen und Oberfinanzkassen. Abg. Brüning (Zentr.) betonte, es sei die falsche Vorstellung, als ob Deutschland in Geld schwömme, dadurch entstanden, daß man nur die Mehreinnahmen, aber nicht auch die Mehrausgaben mit⸗
geteilt habe; insbesondere hätte man sagen müssen, daß den Ländern
anstatt der vorgesehenen achtzehnhundert Millionen in Wirklichkeit zweitausenddreihundert Millionen überwiesen worden seien. Bedauer⸗ lich wäre, daß die Regierung die Etatsansätze für soziale Zwecke, ins⸗ besondere für Invalidenrentner und Erwerbslose, im vergangenen Jahre nicht erhöht hätte. Jetzt müsse Versäumte nachgeholt werden. Es sei unerklärlich, weshalb die Reichsregierung diese armen Kreise völlig übergangen hätte.
Abg. Höllein (Komm.) polemisierte gegen die bürgerlichen Regierungen; denn das am deutlichsten und lautesten gegen das Verhalten der Bourgevoisie. Dieses „Wunder“ hätte viel früher eintreten können, wenn nicht durch die bürgerlichen Regierungen eine systematische Herunterwirt⸗ schaftung der deutschen Währung erfolgt wäve und wenn die not⸗ wendigen Maßnahmen zur Eindämmung der Inflation Fechtfeitig er⸗ folgt wären. Es wäre auch unerhört, daß der Ruhrindustrie als
Effschädisung für die Micumerpressung viele Hunderte Millionen zu⸗
flossen seien, während es an den dringendsten Mitteln für soziale ufgaben gefehlt habe.
Abg. Dr. Dietrich⸗Baden (Dem.) sah trotz aller bedenk⸗ lichen Aeußerungen der Regierung den Etat doch günstig an. Es 8 ein Ueberschuß im diesjährigen Etat zu erwarten, und der nächste Ftat werde balancieren. Der Reichstag werde genau zu prüfen haben, wo die Ueberschüsse geblieben seien, insbesondere gelte das für die Aufwendungen für den Ruhrkanpf. Einige Posten müßten noch nachträglich vom Reichstag genehmigt werden. Ein überstarker Ab⸗ bau der Umsatzsteuer sei nicht möglich, weil man die Einkommensteuer fsmst nicht in Ordnung bringen könne. Verhältnis der inanziellen Beteiligung der Länder und Gemeinden an den Steuer⸗ einnahmen des Reiches müsse neu geregelt werden. Neue Einnahmen müßten dem Reiche erschlossen werden, besonders durch die Post, der man ihre finanzielle Selbständigkeit wieder nehmen müsse. Das Branntweinmonopol sollte eine Einnahmequelle bilden, sonst müsse es verschwinden. Auch eine Reihe von Sparmaßnahmen sei erforder⸗ lich. Dagegen müsse man die Gehälter der unteren Beamten in ein richtiges Verhältnis zu denen der höheren Beamten bringen, die gering bezahlten Lohn⸗ und Gehaltsempfänger steuerlich entlasten, besser stellen und die Erbauung von Kleinwohnungen ördern.
Abg. Dr. Cremer (D. Vyv.) begrüßte die Bekanntgabe der Kasseneimahmen des Reiches, wünschte aber auch die Höhe der Stundungen zu erfahren. Die heute hier gegebenen Aufflärungen seien so vorsichtig gemacht worden, daß man jetzt ein letztes Wort wohl kaum sprechen könne. Ueber die Verwendung der zwölfhundert
Millionen Ueberschüsse könne man erst diskutieren, wenn die Denk⸗
chrift vorliege. Alle nicht vom Reichstag bewilligten Ausgaben be⸗ ürften einer nachträglichen Genehmigung des Reichstags. Die Länder und Gemeinden müßten wieder größere finanzielle Selb⸗ ständigkeit erhalten, ohne da dadurch die Einheitlichkeit der Steuer⸗ verwaltung leiden dürfe. ei der Stabilisierung des Etats müsse den sozialen Aufgaben in gebührendem Maße Rechnung getragen und die wirtschaftliche Lage der Beamtenschaft wiederhergestellt werden. Eine Herabminderung der Umsatzsteuer sei dringend zu wünschen, man dürfe aber diese Einnahmequelle nicht zum Versiegen bringen, bevor man einen genauen Ueberblick habe. Die Einkommensteuer müsse so ausgestaltet werden, daß sie auf der einen Seite die Bildung neuer Kapitalien nicht verhindere, auf der anderen Seite die unteren Klassen Faflaste. da diese schon durch die indirekten Steuern stark be⸗ astet seien.
Abg. Leicht (Bayer. Volksp.) bedauerte es, daß die bisherigen Veröffentlichungen über die Reichseinnahmen einen gewissen un⸗ berechtigten Optimismus hätten hervorrufen können, und suchte im vorgelegten Etat einen größeren Fortschritt darin, daß man jetzt nicht mehr mit den Schwankungen wie früher zu rechnen habe. Der Finanzausgleich 8 endlich auf einer Grundlage einsetzen, die auch den Ländern und 1 inden d H itsrechte wiedergebe und damit
nannte Wunder der Rentenmark spreche
die Möglichkeit schaffe, ihre eigenen Bedürfnisse auf Grund von Ein⸗ nahmen zu befriedigene, die sie sich serbst beschafften.
Abg. Müller⸗Franken (Soz.) fragte, ob es richug sei, daß die ganze Aktion zur Entschädigung der Ruhrindustrien nicht nur keine gefetzliche Grundlage habe, sondern lediglich auf einem Briefe beruhe, den der damal ige Reichskanzler Stresemann am 13. November 1923 an die Ruhrindustriellen geschrieben habe und der verfaßt worden sein solle, ohne daß der damalige Finanzminister davon Kenntnis ge⸗ habt habe. —
Gleichzeitig brachten die Sozialdemokraten einen Antrag ein worin verlangt wird: 1. die Ausführung der mit der Ruhrkohleaktien⸗ gesellschaft geschlossenen Vereinbarungen sofort einzustellen, 2. die Ausführung der Bekanntmachung über Ruhrschäden vom 10. De⸗ zember 1924 vorläufig einzustellen und 3. dem Reichstage sofort eine Denkschrift über die Vergütung der Ruhrschäden vorzulegen, die sowohl eine vollständige Ueberficht über die der Ruhrindustrie seit dem 11. Januar 1923 von allen öffentlichen, Stellen gewährten Kredite und Entschädigungen enthält, als auch die Materialien, die ur Begründung der erforderlichen gesetzlichen Reflung der Ent⸗ sche zun sansprüche notwendig sind. — Da die zuständigen Ressort⸗ vertreter des Ministeriums für die besetzten Gebiete und des Finanz⸗ ministeriums nicht anwesend waren, konnte auf die sozialdemokratischen Anträge zunächst noch keine Auskunft gegeben werden. Doch soll die
rage heute in aller Ausführlichkeit vor dem Haushaltsausschuß be⸗ handelt und beantwortet werden.
Zum Schluß der S. betonte der Abg. Borrmann (Wirtschaftl. Vereinigung) die Notwendigkeit, daß einerseits die Be⸗ amten ebensoviel Arbeit leisten, wie es von den Angestellten im privaten Wirtschaftsleben geschehe, daß sie aber auch auf der anderen Seite auskömmlich bezahlt werden müßten. Die Umsatzsteuer sei die roheste Form der Steuer. Eine Reform der Umsatzsteuer wäre un⸗ bedingt erforderlich. 8
Hierauf vertagte sich der Ausschuß auf Donnerstag.
— —
Zu Beginn des dritten Verhandlungstages nahm der Land⸗ tags⸗Untersuchungsausschuß für die Kredit⸗ gewährung der Preußischen Staatsbank zunächst einen Antrag Dr. Pinkerneil (D. Vp.) an: „Der Minister für Handel und Gewerbe wolle bei den staatlichen Erwerbsunternehmungen fest⸗ stellen, ob seit November 1923 vergeblich von ihnen bei der See⸗ handlung Kreditanträge gestellt sind.“ “
Zum ersten Teil der Kutisker⸗Angelegenheit, den der Ausschuß gestern beendet hatte, nahm hierauf ergänzend nochmals ein Ver⸗ treter des Preußischen Innenministeriums das Wort und erklärte, dem Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger zufolge: Auf Grund nochmaliger Nach⸗ prüfung beim Polizeipräsidium konnte festgestellt werden, daß Iwen Kutisker schon am 10. Dezember 1918 nach Berlin zugereist ist. Die erste polizeiliche Anmeldung erfolgte am 1. Dezember 1919. Außer⸗ dem stellte der Vertreter des Innenministeriums fest. daß die vorgestern erwähnte Aufenthaltsgenehmigung für INvan Kutisker nicht von Regierungsrat von Müller, sondem von Geheimrat Müller, einer anderen Persönlichkeit, erteilt worden ist.
Der Ausschuß wandte sich nunmehr der Barmat⸗Affäre zu. Zu der Frage, wie Barmat nach Preußen gekommen sei, und zu onstigen einleitenden Bemerkungen erhielt ein Vertreter des nstigen fim en Innenministeriums das Wort, der zu⸗ nächst ein Schreiben des Privatbüros des Ministers Sepering vom 23. November 1920 verlas, das an den zuständigen Referenten ge⸗ richtet war, und in dem es u. a. heißt: Der Minister wird von dem Reichskanzler Bauer gebeten, sich dafür zu interessieren, daß der Familie Barmat, die der holländischen Gesandtschaft angehört, auf ihrer Durchreise von Rußland durch preußisches Gebiet nach Holland keine Schwierigkeiten bereitet werden. Auf diese Zuschrift hin ist am 24. November 1920 ein Erlaß ergangen, in dem es u. a. heißt: „Die Familie des der holländischen Gesandtschaft angehörigen Herrn Barmat reist von Rußland über deutsches Gebiet nach Holland. In der Voraussetzung, daß die Familie Barmat im Besitz vheeünge. mäßiger Ausweispapiere ist, stehen der Durchreise keine Bedenken entgegen. Die Grenzüberwachungsstellen sind dahin zu verständigen, daß sie keine Schwierigkeiten bereiten.. In Anbetracht der Zu⸗ schrift und in Anbetracht der Persönlichkeit, so führte der Vertreter des Preußischen Innenministeriums weiter aus, bestanden keinerle Zweifel an der Richtigkeit dessen, daß die Familie Barmat der holländischen Gesandtschaft angehöre. Der Erlaß ist ausdrücklich so gefaßt worden, daß sein Inhalt nur Gültigkeit haben soll für den Fall, daß die betreffenden Personen sich im Besitze ee ketngesr h ge Ausweispapiere befinden. Dazu gehört sinngemäß auch, daß die An⸗ gabe richtig war, daß Barmat zur holländischen Gesandlschaft zu⸗ gehörig ist. Nur in solchem Falle sollten her Duccheeiseg eine Be⸗ denken entgegenstehen. Eine Nachprüfung ist in diesem Falle nicht erfolgt; einmal wezen der Persönlichkeit, von der die Empfehlung ausging, ferner weil das Auswärtige Amt von der Angelegenheit bereits unterrichtet war, und schließlich, weil in dem Erlaß ausdrück⸗ lich der Vorbehalt ausgesprochen war, daß sich die Papiere in ent⸗ sprechendem Zustand befinden müssen. Die Gebrüder Barmat waren bis dahin dem Minister Severing nach keiner Richtung bekannt und standen auch, wie der Minister mich ausdrücklich ermächtigt hat in sagen, in keinerlei Beziehungen zu ihm.
Der Vertreter der Paßabteilung erklärte auf Be⸗
fragen, derärti Empfehlungen seien nichts Außergewöhnliches.
Abg. Nuschke (Dem.): War dem Innenminister damals nicht bea daß es sich bei Barmat nicht um einen Holländer, sonder um einen Ukrainer handelte? Es hat darüber damals doch im An⸗ schluß an Veröffentlichungen der „Berliner Volkszeitung“ eine leb⸗ hafte Auseinandersetzung in der Presse stattgefunden. ch
Ministerialdirektor Dr. Abegg vom ö Der Polizeiabteilung des Ministeriums war der Name rmat nicht bekannt. Wir hatten keine Veranlassung, uns mit der Familie zu be⸗ fassen. . 1 88 Abg. Nuschke (Dem.): Ist bei der Ueberschreitung der Grenze nicht nachgeprüft worden, welche Ausweispapiere im Besitz der
amilie Barmat waren? 8 .“ 5 Ministerialdirektor Dr. Abegg: Darüber befindet sich kein Vermerk in den Akten. Die Grenzpolizei würde korrekt gehandelt haben, wenn 9 nach der Feststellung, daß Barmat keinen holländischen Paß hatte und nicht zur ho Krdeeh Gesandtschaft gehörte, ihn ebenso ehandelt hätte wie alle andern Leute ohne ausreichende Hahiex⸗ 8
Abg. Nuschke (Dem.): Ich habe begründeten Verdacht, daß der ukrainische Paß, in dessen Besitz Barmat war, bereits vor dieser Zeit ein Visum erhalten hat vom Polizeipräsidium Charlottenburg.
ch behalte mir vor, die Heranziehung der betreffenden Akten der Charlottenburger Polizei zu beantragen. Ich bin im Besitz eine Briefwechsels mit dem früheren Reichskanzler Bauer. Ich hobe in diesen Briefen im Jahre 1920 den damaligen Reichskanzler Bauer⸗ auf den Charakter der Familie Barmat aufmerksam gemacht. “
Dr. Abegg: Nach dem Zusammenbruch der Gebrüder Barmat
ist die Angelegenheit im Ministerium erörtert worden, und wir haben beim früheren Reichskanzler Bauer angefragt, wie es möglich s daß diese Empfehlung zustande kam, und wie er mitteilen konnte, daß es sich um Angehörige der holländischen Gesandtschaft handele Darauf hat Herr Bauer erwidert, daß er eine solche Mitteilung nicn gemacht habe, es müsse wohl ein Irrtum an anderer Stelle vorliegen, ihm sei schon damals bekannt gewesen, daß die Barmats 88— bolländische Staatsangehörige wären. Es haben dann weitere 9 örterungen stattgefunden, aber der Minister und die Ang ehörigen, 8 Büros können nichts Bestimmtes darüber sagen, wie der Ierg entstanden sein kann. Es ist anzunehmen, daß bei der Bespree Riß ein Mißverständnis vorgekommen ist, das dann auch in die Zuschri übergegangen ist. Auch beim Auswärtigen Amt haben wir angeftae Das hatte sich tatsächlich mit der Angelegenheit befaßt. Es ist e Herr Bauer ngegangen WW 85 duntergest ewesen, daß es sich nicht um holländische Staatsangehörige hanceee. eeeh sde Leidig: In dem Schreiben aus dem Privathune des Ministers ist darauf Bezug genommen, daß das Auswaärtige lts sich durch Herrn von Stockhammer mit der Durchreise einvers bülen erklärt habe. Ist es nicht üblich, daß man sich in solchen Faä
bei den in dem Erlaß
reise und Einmreise der Barmats motsen bei der e
darüber informiert, ob diese Aeußerung des Auswärtigen Amtes
vortiegt? 1u“ B 1 8
Dr. Abess: Es handelt sich in solchen Fällen immer um schleunige Sachen. Um die erforderliche Sorgfalt zu wahren, ist in dem Erlaß hervorgehoben worden, daß die Genehmigung⸗ nur erteilt wird unter der Voraussetzung, daß die Barmats sich tatsachlich als Mitglieder der holländischen Gesandtschaft ausweisen können.
Abg. Ladendorff (Wirtschaftl. Vereinigung): Ist dem Ministerium bekannt, daß bereits das deutsche Generalkonsulat in Holland am 9. Oktober 1919 das Auswärtige Amt direkt vor den Harmats gewarnt, und daß es in dieser Warnung Barmat nicht bloß als unreellen Geschäftsmann, sondern als Lump und Betrüger erster Klasse bezeichnet hat und sich beruft auf einen Brief von 1917, in dem damals schon das Generalkonsulat der Niederlande das Aus⸗ wärtige Amt gewarnt hat?
Dr. Abegg: Von diesen Vorgängen ist dem Ministerium des Innern nicht das geringste bekannt gewesen. Der Erlaß ist ohne weitere Vorgänge herausgegangen. Er wäre nicht so herausgegangen, wenn es sich nicht um einen angeblich holländischen Staatsangehörigen und ein Mitglied der hollandischen Gesandtschaft gehandelt hätte. Wenn es sich um einen russischen Staatsangehörigen gehandelt hätte, wäre sofort Ruckfrage bei der Polizei gehalten worden.
Abg. Lüdemann (Spz.) Mich überrascht die Wendung von der Empfehlung einer „hochgestellten Persönlichkeit“. Diese Persön⸗ lichkeit bekleidete damals keinerlei amtliche Stellung. Ist denn die Empfehlung durch eine hochgestellte Privatperson ein Grund, auf grundliche Nachprüfung zu verzichten?
Dr. Abegg: Hier handelte es sich darum, eine Persön⸗ lichkeit, die wir nach ihrer Stellung für informiert halten mußten, die positive Angabe gemacht hatte, daß Barmat der holländischen Gesandtschaft angehörte. Darum hielten wir in diesem Punkt eine Nachprüfung nicht für notwendig. Im übrigen wurde keine Empfehlung dazu führen, daß ein Fall anders als vorgeschrieben behandelt wird. Auch im Falle Barmat hatten wir ja ausdrücklich an den Erlaß die Voraussetzungen geknüpft, daß er die Zugehörigkeit zur holländischen Gesandtschaft nachweisen kann.
Vors Dr. Leidig: Wir werden aufzuklären versuchen, auf wen die falsche Angabe über die holländische Staatsangehörigkeit Barmats zurückzuführen ist. Wir werden darüber Herrn Bauer, Herrn Severing und dessen Privatsekretärin Rosenheim hören müssen.
Abg. Dr. Deerberg (D. Nat.): Am 22. Mai 1919 ist bereits Barmat von der deutschen Gesandtschaft im Haag auf Wunsch des Reichspräsidenten ein Dauersichtvermerk für drei Monate ausgestellt worden.
Dr. Abegg: Der Polizeiabteilung ist nichts davon bekannt.
Abg. Dr. Deer be ng⸗ Das ist geschehen, nachdem bereits vom Generalkonsulat die Warnung vorlag, daß es sich hier um eine offenbar betrügerische Firma handelte.
Abg. Brunk (D. Nat.): In der Antwort des preußischen
Ministers des Innern auf eine Anfrage der Volkspartei heißt es, die Angabe der „vertrauenswürdigen Persönlichkeit“ se für die Ent⸗ scheidung nicht von Erheblichkeit gewesen. Dazu steht im Widerspruch die Angabe des Ministerialdirektors Dr. Abegg. Dr. Abegg: Die Befürwortung konnte tasächlich nicht eine Entscheidung herbeiführen, die den Bestimmungen zuwiderlief. Sie war nur der Anlaß für den Erlaß, der ja die bekannten Voraus⸗ setzungen enthielt.
Abg. v. Waldthausen (D. Nat.): In welcher Weise ist die Empfehlung des früheren Reichskanzlers Bauer dem Innenministerium zugegangen?
Dr. Abegg: Reichskanzler a. D. Bauer war damals öfter im Innenministerium. Er hat die Empfehlung wahrscheinlich münd⸗ lich gegeben.
Abg. Schwering (Zentr.) beantragt, den Minister Severin die Privatsekretärin des Ministers, Rosenheim, Reichokanzlen a. 8. Bauer und Herrn v. Stockhammer vom Auswärtigen Amt vor den Ausschuß zu laden, um diese Persönlichkeiten über die Angelegenheit der Empfehlung der Barmats für die Durchreise durch deutsches Ge⸗ biet zu vernehmen.
Ueber diesen Antvag entspinnt sich eine rege Debatte, in der
Abg. Kuttner (Soz.) u. a. erklärte, es sei ni ht sicher, ob es sich
en genannten Mitgliedern der Familie Barmat um diejenigen Personen handele, die an dem jetzigen Verfahren be⸗ teiligt seien. Der Ausschuß habe doch nicht die 8. amilienangelegen⸗ heiten der ganzen Familie Barmat zu behandeln. Nach seiner In⸗ sormation beziehe sich der Erlaß auf die Eltern Barmats, ziemlich betagte Leute.
Der Vors. Dr. Leidig vertrat die Auffassung, daß man zur Klärung dieser Personenfrage die in dem Antrag Schwering ge⸗ nannten Personen befragen könne, wenn der Ausschuß sie vorlade.
Der Ausschuß beschloß auf Vorschlag des Vors. Dr. Leidig (D. Vp.) die Vernehmung der in dem Antrag Schwering genannten Personen, zu denen 18b Frhr. von Maltzahn noch geladen werden soll, soweit sie imstande sind, zu erscheinen, am 29. Januar, Nachmittags 6 Uhr, vorzunehmen und wandte sich dann der Frage zu, wie die Barmats ihre Einreise nach Deutschland vollzogen haben.
Ein Vertreter des Innenministeriums gab auf
Grund von Ermittlungen beim Polizeipräsidium darüber Auskunft. Es handelt sich dabei um die vier Brüder Julius, Salomon, Henry Herschel) und Isaak Barmat. Julius Barmat ist am 20. April 1922 aus Amsterdam mit einem vollgültigen Reisepasse eingereist. Am 26. April 1922 beantragte Julius Barmat für sich, seine Ehefrau und seinen Sohn die Aufenthaltsbewilligung und berief sich dabei auf Empfehlungen einer Reihe von deutschen und holländischen Firmen, darunter der Amsterdam Ex⸗ und Import⸗GEesellschaft und der vmping. und legte weiter ein Empfehlungsschreiben des Reichs⸗ ministers Bauer vor, das am 26. April 1922 ausgestellt ist. Auf Grund dieser Unterlagen hat das Polizeipräsidium dem Julius Barmat bis auf weiteres die Aufenthaltsbewilligung erteilt. Auch als am 27. Juli 1923 sämtliche Aufenthaltsbewilligungen der in Nutschland lebenden Ausländer nachgeprüft wurden, hat das Berliner Polizeipräsidium auf Grund der vorliegenden Empfehlungen die Auf⸗ enthaltsgenehmigung für Julius Barmat verlängert. Salomon Barmat ist am 18. Mai 1923 mit einem vollgültigen Pc nns Sichtvermerk aus Lodz zugereist. Er berief sich dabei auf ein Gesuch des Julius Barmat. Das olizeipräsidium hat offenbar hier die⸗ selben Unterlagen als maßgebend betrachtet, die für Julius Barmat zur Stelle waren, und die Aufenthaltsbewilligung erteilt. Henry Gerschel) Barmat ist am 4. Februar 1924 aus Amsterdam eingereist. Er hatte bereits am 31. Januar 1924 eine Aufenthaltsbewilligung beantragt und sich dabei ebenfalls auf b Bruder Julius Barmat berufen. Besondere Cageäangen e een auch hier nicht vorgelegen. Isaak Barmat ist bereits am 12. April 1921 ohne Paß und Sicht⸗ vermerk nach Deutschland eingereist. Von der ukrainischen Gesandt⸗ chaft in Berlin hat er am 18. Juli 1921 einen Paß erhalten. Auf seinen Antrag ist ihm dann ebenfalls Aufenthaltsbewilligung erteilt worden. Es wurde in dem Antrag betont, daß Isaak Barmat in Deutschland seine Studien fortsetzen wollte. Am 25. November 1923 ist er dann nach Wien gezogen und seit dem 15. Oktober 1924 für Schwanenwerder gemeldet. . u. Abg. Nuschke (Dem.) stellte ausdrücklich fest, daß der vom Büro des Reichspräsidenten befürwortete Sichtvermerk für Julius Barmat auf drei Monate, den der Abg. Deerberg (D. Nat.) erwähnt hatte, auf Antrag eines damals im Büro des Reichspräsidenten beschäftigten Landtagsabgeordneten erteilt worden ist.
Vors. Dr. Leidig (D. Pp.) schlug vor, die Frage der Durch⸗
Vernehmung der
geladenen Persönlichkeiten nochmals zu handeln. . 5 Abg. Kuttner (Soz.) beantragte, den Abg. Heilmann als Zeugen zu vernehmen. Die Einreiseerlaubnis sei von Unterstaats⸗ sekretär Töpfer erteilt worden, der jetzt in Stettin wohne. dr. Vors. Dr. Leidig kündigte für morgen die Vernehmung des Abg. Heilmann an. Weiter soll Unterstaatssekretär Töpfer ver⸗ nommen werden. “
Abg. Deerberg (D. Nat.) betonte, daß die Reichsbehörden nach der Verfassung kein Recht hätten, dem preußischen Unter⸗ chungsausschuß irgendeine Auskunft zu verweigern.
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Vors. Dr. Leidig: Das ist 5 noch nicht geschehen und wir sind ja auch noch nicht so weit. Schließlich ist die preußische Schupo größer als die Reichswehr. (Heeterkeit.)
Finanzrat E” äußerte sich hierauf über die Ge⸗ chäfte der Preußischen Staagtsbank mit Barmat ie Geschäftsverbindung wurde im Mai 1923 aufgenommen auf
Grund von Empfehlungsschreiben, die mit dem gleichen Datum vom 12. Mai 1923 vom Reichskanzler a. D. Bauer und vom sächsischen Gesandten Dr. Gradnauer eingingen. Die Briefe waren an den damaligen Staatsbankpräsidenten von Dombois gerichtet. Der Reichs⸗ kanzler a. D. Bauer schreibt:
Berlin, den 12. Mai 1923.
Sehr geehrter Herr Präsident!
Auf Grund einer Mitteilung des Herren Direktors J. Barmat der mit Ihnen wegen Diskontierung von Wechseln verhandelt hat, teile ich Ihnen mit, daß Herr Barmat mir seit vielen Jahren als ein zuverlässiger, kreditwürdiger bekannt ist, der seine Verbindlichkeiten bisher prompt erfüllt hat. Ich wäre Ihnen zu Dank verpflichtet, wenn es Ihnen möglich wäre, ihm ent⸗ gegenzukommen.
„Der Brief des Gesandten Dr. Gradnauer, der mit dem Briefkopf der sächsischen Gesandtschaft versehen war, enthielt gleich⸗ alls eine Empfehlung des Direktors J. Barmat von der „Amäxima“.
r. Gradnauer weist darauf hin, daß unter seiner Ministerpräsident⸗ chaft in Sachsen das sächsische Wirtschaftsministerium “ Geschäftsbeziehungen zu Barmat unterhalten und sich wiederholt lobend über die Zuverlässigkeit und Kreditwürdigkeit Barmats aus⸗ Fibecehen habe. Finanzrat Brekenfeld betonte, nach diesem Empfehlungsschreiben habe die Staatsbank weitere Erkundigungen über Barmat nicht für erforderlich gehalten. Barmat habe Kredite zur Beschaffung von Lebensmitteln und Margarinerohstoffen erhalten. Zunaͤchst erhielt er auf Wechsel, die mit 95 % beliehen wurden, einen Kredit von etwa 72 000 Goldmark, am 26. Mai 1923 einen Zusatz⸗ kredit von etwa 60 000 Goldmark auf Wechsel, die nur mit 75 % beliehen wurden. Dann wurden ihm gegen Effektendeckung weitere Kredite, nach der Stabilisierung der Mark wertbeständige Kredite sewährt. Am 16. Oktober betrug der Kredit etwas über 40 000 Goldmark. Die Deckung war bis dahin immer ausreichend. Auf Veranlassung von Dr. Hellwig, der Dezernent für die Kredite war, bekam die Staatsbank ein Blankoakzept, das überhaupt nicht aus⸗ 71.9 war. Es war ein eigenartiges Papier, auf dem als Akzeptanten tanden: Amäxima, Holland, Gebrüder Barmat, Holland und Ludo⸗ wika⸗Holland. Dieses Blankoakzept sollte die holländischen Unter⸗ nehmungen des E11 für die jeweilige Kontoschuld der Barmats derh ghn. Der Kredit stieg schließlich bis zum 31. Dezember auf 1 400 000 Rentenmark. Das Konto war damals in voller Höhe durch notierte Werte gedeckt und daneben waren noch unnotierte Werte da. Für die Generaldirektion war von entscheidender Be⸗ deutung, daß die Kredite zur Lebensmittelbeschaffung bestimmt waren. Ende Januar nahm die Amäͤxima von den wertvollen Effekten viele heraus, ohne sie entsprechend zu ergänzen. Dadurch wurde die Deckung allmählich schlechter. Als Höchstgrenze des Kredits wurden 4 Mil⸗ lionen Rentenmark bestimmt, die bis zum 15. Februar belassen werden sollten. Die Gesamtschuld betrug am 17. Januar 2 350 000 Mark und erhöhte sich bis zum 30. Januar infolge Abdeckung anderer Konten auf 3 130 Mark. Am 20. Februar betrug die Schuld 5 336 000 Mark. Am 31. März kam eine wichtige Vereinbarung zustande, der rafolge 5,1 Millionen Mark der Barmat⸗Amäxima bis zum 14. Juli fest be 888 werden sollten. Ob diese Vereinbarung mit Zustimmung der Generaldirektion “ wurden, ist nicht bekannt. Auf Grund weiterer Akzepte wurde ferner ein neuer Kredit in Höhe von 1 Million Goldmark an diesem Tage gewährt, zu dem noch ein anderer Kredit in Höhe von 1 Million Mark auf der Grundlage der Aktienmehrheit der Küstentransport⸗ und Bergungs⸗ A.⸗G. in Hamburg kam. Am 31. März ist außerdem nochmals ein Kredit von 1 Million Mark unter weiteren abweichenden Be⸗ dingungen gewährt worden, so daß die Schuld an diesem Tage 8 Mil⸗ lionen Mark betrug. Hierzu kam Anfang April auf der Grund⸗ lage guter Handelswechsel eine Kreditzusage in Höhe von 250 000 Mark. Die Zusage wurde indessen in erheblich größerer Höhe, nämlich bis zum Betrage von 2 Millionen Mark, realisiert, so daß die Schuld sich Ultimo Mai auf über 10 Millionen Mark belief. Im Mai war ebenso wie im Falle des Bankhauses von Stein auch bei Barmat⸗Amäxima angeordnet worden, daß eine weitere Erhöhung der Kredite nicht stattfinden sollte. Die Bemühungen der Staats⸗ bank gingen von dann ab darauf, eine weitere Verstärkung der Unterlagen und eine Abdeckung der Kredite zu erreichen. Bis Ende 19. wurden 2,4 Millionen Mark zurückgezahlt, wovon freilich 500 000 Mark auf Zinsen kommen. Mit Einrechnung der Zinsen ergibt sich für das Konto Barmat⸗Amäxima eg fishe r 30. De⸗ ember 1924 ein Schuldsaldo von 9 484 000 Mark. Rachvem die Rückzahlung der 2,4 Millionen Mark erfolgt war, sind leider von dem Sachbearbeiter Oberfinanzrat Hellwig die amtlich notierten Werte aus dem Depot herausgegeben worden. Das war Ende August. Dadurch hatte sich die Deckung erheblich verschlechtert. Die Kredit⸗ schuld der Barmat⸗Amäxima ist zuletzt am 15. September bis zum 15. Dezember 1924 verlängert worden, und zwar, nachdem die Staatsbank von seiten Barmats die Mitteilung erhalten hatte, daß die Reichspost, als einer der größten Geldgeber der Staatsbank für Kreditzwecke, einen entsprechenden Betrag der preußischen Staats⸗ bank ebenfalls für die verlängerte Frist belassen würde. Auf eine Frage des Vorsitzenden Dr. Leidig bestätigt Finanzrat Brekenfeld, daß Oberfinanzrat Dr. Hellwig am 1. Oktober 1924 in die Dienste Barmats übergetreten ist, aber am 15. September noch Sachbearbeiter im Falle Barmats war. Dem Ersuchen Barmats, die Kredite über den 15. Dezember hinaus zu verlängern, hat die Staatsbank nicht stattgegeben, namentlich deswegen, weil sich in⸗ wischen eine Reihe wichtiger Tatsachen ereignet hatten. Einmal hatte Barmat einen fälligen Finebetrag nicht bezahlt und sodann mußten auch die inzwischen einsetzenden Presseangriffe seinen Kredit unterhöhlen. Die Staatsbank behandelte daher die Darlehen Barmats im Falle der Amäxima als fällig; von Barmat wurde die Fälligkeit bestritten. Die Staatsbank vertrat den Standpunkt, daß eine Prolen ation nur in Frage kommen könne, wenn eine erhebliche weitere Sicherheit ins Depot der Staatsbank gelegt werde, und zwar sollten mindestens für 4 Millionen Mark erststellige gute Hypotheken eingelegt werden. Das wurde von der Gegenseite als unmöglich bezeichnet. Die Verhandlungen konnten dann nicht weiter⸗ geführt werden, weil inzwischen sämtliche Barmats, auch Ministerial⸗ direktor Kautz, verhaftet worden waren. 8
Auf Wunsch des Ausschusses begann Finanzrat Brekenfeld nun einen Vortrag über die Geschäftsbeziehungen der Staatsbank zu anderen Unternehmungen der Barmats und erklärte, hier müsse man eine Scheidung eintreten lassen, weil bei einigen Unternehmungen die Kredite als vollbedeckt bezeichnet werden müßten. Der Vortragende wandte sich dann dem Fall der Allgemeinen Handelsbank Berlin zu, deren Kreditschuld bei der Staatsbank sich in den einzelnen Monaten des Jahres 1924 nach oben und unten dauernd veränderte. Per 31. 12. schloß das Konto der Allgemeinen Handelsbank mit einem Schuldsaldo von rund 1,2 Millionen Mark ab. Die Deutsche Merkur⸗Bank und die Berlin⸗Burger Maschinenwerke standen schon vor der Uebernahme durch den Barmat⸗Konzern in Geschäftsverbindung mit der Staats⸗ bank. Berlin⸗Burg war schwach geworden und sollte von ver⸗ schiedenen Banken mit Unterstützung der Staatsbank saniert werden. Diese Aussichten sind aber durch die letzten Ereignisse wieder zweifel⸗ haft geworden.
Nach einer Mittagspause legte der Vorsitzende Dr. Leidig dem Vertreter der Staatsbank die Frage vor, wie der Status Staats⸗ bank⸗Barmat⸗Konzern sich am 1. Januar 1924 darstellt.
Finanzrat Brekenfeld: Die Gesamtschuld der Barmats eegenüber der Seehandlung betrug am 1. Januar 14,5 Millionen Ueerk An Deckung waren vorhanden: 2,2 Millionen Mark an Wechseln mit der Garantie der Garantiebank, Blankoakzept der holländischen Amexima⸗Gesellschaft und Wechsel der Konzernfirmen.
Auf Vorschlag des Vorsitzenden gab Präsident Schröder so⸗ dann einen Ueberblick über die Geschäftsüblichkeit der Staatsbank vor dem Kriege: Ziel der Staatsbank ist immer gewesen, das Geld, das
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aus öffentlichen und privaten Mitteln zur Verfügung stand, gesunden wirtschaftlichen Zwecken zuzuführen. Die Staatsbank stand deswegsn insbesondere in mit Sparkassen und mit Kommunen. Auch der Landwirtschaft sind Erntekredite zur Verfügumg gestellt worden. Wechsel⸗ und Lombardgeschäfte der hier zur Sprache stehen⸗ den Art sind früher nur in wenigen besonderen Fallen getätigt und nach dem Kriege erst seit 1923 entwickelt worden.
Vorsitzender Dr. Leidig: Ich wollte das hervorgehoben haben, um festzustellen, daß die Herren Rühe und Kellwig nicht auf eine Tradition zurückblicen konnten.
Abg. Laden dorff EFeertscjaftl Vereinigung): Bedient sich die Staatsbank ähnlich wie andere solide Banken und die Reichsbank vor der Einräumung großer Kredite der Hilfe von Treuhändern und Sach⸗ verständigen?
Präftdent Schröder: Nein! Unser Betrieb ist nicht so aus⸗ gedehnt wie der der Reichsbank.
Abg. Dr. Pinkerneill (D. 5 Ist außer dem Empfehlungsschreiben der Herren Bauer und Gradnauer noch für Barmat später Fürsprache eingelegt worden? 1
Präsident Schröder: Bald nach meinem Amtsantritt wurde mir von meinem Vorgesetzten, dem Finanzminister v. Richter, ein Schreiben des Abgeordneten Heilmann übermittelt, in dem es heißt:
1 Berlin, den 31. März 1924. „Sehr verehrter Herr Minister!
Ich wäre 88 dankbar, wenn Sie meinen Freund Julius Barmat, einen Großkaufmann der bisher mit der Preuß schen Staatsbank in guten Geschäftsbeziehungen gestanden hat, auch dem neuen Präsidenten der Staatsbank zu wohlwollender Berücksichti⸗ gung empfehlen würden.
. Der Minister übermittelte mir dieses Schreiben in einem Brief, in dem er schrieb: „Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie dem Anliegen des Abg. Heilmann Ihr Interesse schenken und ihm vielleicht Ge⸗ legenheit zu einer persönlichen Unterredung gewähren würden.“ Schröder erklärte dazu: Ich habe mich in meiner selb⸗ ständigen Geschäftsführung durch dieses Empfehlungsschreiben ebenso⸗ wenig beeinflussen lassen, wie durch ähnliche Empfehlungen in anderen ällen. Im ganzen stehen wir auf dem Standpunkt, daß Kredit⸗ gesuche, die uns mit politischen Empfehlungen übermittelt werden, mit ganz besonderer Vorsicht geprüft werden. Geschäftsleute, die auf ganz solider geschäftlicher Grundlage einen Kredit bekommen müssen, gehen im allgemeinen nicht den Weg über Politiker. Auf eine Frage der Abg. Dr. Wegscheider (Soz.) erklärte Präsident Schröder, er könne sich nicht bestimmter Fälle erinnern, in denen ähnliche Empfehlungsschreiben von Politikern eingegangen
. Abg. Wgentig (Soz.) fragte sodann, ob irgendwelche Be⸗ ziehungen zwischen der Kreditgewährung an Barmats in der späteren Zeit und den Kreditbeziehungen der Staatsbank zu Berlin⸗Burg und Roth A.⸗G. in Burg bestehen? Die Staatsbank stand ja mit letzteren beiden Werken schon in Geschäftsverbindung, ehe sie Barmats Eigentum wurden. .
Finanzrat Brekenfeld: Die Kreditgewährung an Barmat ist nur bestimmt gewesen durch das Verhältnis zu Barmat.
Auf Anfragen erklärte Präsident Schröder, daß der General⸗ direktion der Staatsbank seit 1923 außer den Herren Rühe und
ellwig u. a. noch angehörten Geh. Rat Rugge, Oberfinanzrat Solder, Oberfinanzrat Habener. In der Generaldirektion sei auch jetzt über die zur Sprache stehenden Angelegenheiten gesprochen worden. Ueber die nach der von Barmat geleisteten Teilzahlung aus dem Depot herausgegebenen amtlich notierten Papiere sei in der Generaldirektion nicht gesprochen worden.
Abg. Dr. Deerberg (D. Nat.): Haben irgendwelche geschäft⸗ lichen Verbindungen der Seehandlung mit politischen Persönlichkeiten oder beamteten Persönlichkeiten bestanden?
Präsident Schröder: Eine große Reihe solcher Persönlich⸗ keiten haben ihre Konten bei der Staatsbank, die ein regelmäßiges Kontengeschäft führt. 5
Abg. Deerberg (D. Nat.): Sind Anhaltspunkte dafür vor⸗ handen, daß außer dem Schreiben Heilmanns unmittelbar Be⸗ seeschhgen politischer oder beamteter Persönlichkeiten mit dem damaligen Präsidenten Dombois stattfanden, in denen sich diese Per⸗ sönlichkeiten für die Kreditgewährung an Barmat einsetzten?
Präsident Schröder: Varüber ist mir nichts bekannt.
Abg. Wigloff (Dem.) wies darauf hin, daß am 31. März 1924 der Kredit um 5 Millionen auf 8 Millionen für Barmat er⸗ höht wurde, an dem Tage, an dem der Präsident der Seehandlung seinen Posten verlies. Das machte fast den Eindruck, als ob man noch kurz vor Toresschluß gewisse Dinge unter Dach und Fach bringen wollte. —
Präsident Schröder: Die Krediterhöhung am 31. März 1924 der Kredit um 5 Millionen auf 8 Millionen für Barmat er⸗ höht wurde, an dem Tage, an dem der Präsident der Seehandlung seinen Posten verlies. Das machte fast den Eindruck, als ob man noch kurz vor Toresschluß gewisse Dinge unter Dach und Fach bringen wollte.
Präsident Schröder: Die Kreditgewährung am 31. März steht in keinerlei Zusammenhang mit dem Wechsel des Präsidenten.
Abg. Nuschke (Dem.): Hat die Staatsbank nachgeprüft, ob Barmat die Kredite tatsächlich, wie er zu ihrer Begründung anführte, zum Ankauf von Lebensmitteln verwandt hat?
Finanzrat Brekenfeld: Eine derartige Nachprüfung hat nicht stattgefunden. Da wir von Barmat als Deckung Aktien der „Dema“ Margarine⸗Fabrik erhielten, nahmen wir natürlich an, daß er mit dem Kredit auch Rohstoffe für Margarine erwarb.
Abg. Nuschke (Dem.); Es war wohl bekannt, daß Reichs⸗ kanzler a. D. Bauer im Aufsichtsrat der „Dema“ saß. 8
Finanzrat Brekenfeld: Barmat war nur mit 25 % der rese an der „Dema“ beteiligt, während 75 % dem Reiche ge⸗
ören.
Abg. Nuschke: Ist der Staatsbank bekannt, wer die 75 ℳ% der Aktien des Reiches vertritt?
Finanzrat Brekenfeld: Das ist der Preußischen Staats⸗ bank nicht bekannt.
Abg. Ladendorff (Wirtschaftl. Vereing.): Die größte Er⸗ höhung der Barmatkredite erfolgte Ende 1923 als Reichsbank⸗ präsident Schacht die Kredite rücksichtslos sperrte und als an der Boörse schon die allerungünstigsten Gerüchte über Barmat kolportiert wurden.
Finanzrat Brekenfeld: Der Staatsbank war davon nichts bekannt. 3
Abg. Ladendorff: Hat die Staatsbank einen vertreter? 3 .
Finanzrat Brekenfeld: Sogar mehrere, aber uns ist nichts von solchen Gerüchten berichtet worden.
Abg. Marckwald (Soz.): Ich die Ladung des ersten Börsenvertreters als Zeugen.
Abg. Dr. Deerberg (D. Nat.): Die Handelskammer Bochum hat seinerzeit eine Warnung vor der Firma Barmat erlassen, die eine betrügerische sei. Diese Firma habe ihr Fettmonopol in unerhörter Weise ausgenutzt und das Doppelte der üblichen Preise schon 1919 genommen. Hat die Staatsbank von diesen in ganz Westdeutschland allgemein bekannten Dingen nichts gewußt. 1“
Präsident Schröder: Mir ist diese Anschuldigung erst jetzt aus der Presse bekannt geworden. 1“
Abg. Brunk (D. Nat.) fragte, ob Barmat und Kutisker die E Summen von allen Kreditnehmern der Seehandlung er⸗ halten haben.
Präsident Schröder: Nein, es sind noch an zwei andere Firmen größere Kredite erteilt worden. b 8
Abg. Brunk (D. Nat.): Hat es in der Zeit der Kreditgeschäfte mit Barmat seriöse Firmen gegeben, die vergeblich um Kredite er⸗ suchten, weil „die Staatsbank nicht in der Lage war“, Kredite zu gewähren. 2
Präsident Schröder: Darüber ist mir nichts bekannt. Es ist möglich, daß in einem Brief der Staatsbank an eine kreditsuchende
irma erklärt worden ist, die Staatsbank „sei nicht in der Lage,
redite zu gewähren“, weil die wirklichen Gründe nicht fhnammtt werden sollten. Gewöhnlich war dann die Deckung nicht vorschrifts⸗ gemäß oder die Kreditgesuche waren langfristig
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Börsen⸗