1925 / 31 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 06 Feb 1925 18:00:01 GMT) scan diff

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Angelegenbeit, deren Behandlung nicht durch das Reichsarbeits⸗ ministerium, sondern durch das zuständige Finanzministerium zu er⸗ folgen hat. Hier im Hause ist der Irrtum aufgetreten, daß diese Frage beim Etat des Reichsarbeitsministeriums im Haushaltsausschuß erörtert worden wäre. Das ist nicht der Fall gewesen, sondern diese Frage ist vor dem Etat des Arbeitsministeriums behandelt und vom Finanzministerium vertreten worden. (Zuruf von den Kommunisten: Wir möchten aber auch gern Ihre Meinung als Reichsarbeitsminister hören!) Ich habe die Pflicht, den zuständigen Minister darüber reden zu lassen. (Lachen und Zurufe bei den Kommunisten: Sehr bequem!) Ich wäre wohl in der Lage, mich zu diesem Zwischen⸗ ruf zu äußern; aber ich will eben dem zuständigen Minister das Wort lassen. (Erneutes Lachen und Zurufe bei den Kommunisten.)

Die Angelegenheiten der Lohnsicherung sind stets in engster Fühlung mit den Spitzenverbänden der Gewerkschaften erledigt worden. (Hört, hört! rechts und in der Mitte) Mißbräuche in der An⸗ wendung der Lohnsicherung waren allerdings bei dem damaligen Zu⸗ stand der Verwaltung in den besetzten Gebieten nicht zu vermeiden. (Zustimmung rechts und in der Mitte.) Solche Mißstände sind auf allen Seiten derjenigen, die die Lohnsicherung in Anspruch genommen haben, zu verzeichnen gewesen. (Sehr richtig! rechts.) Eine Kontrolle dieser Dinge konnte erst nachher einsetzen. Sie ist und wird auch weiter von uns durchgeführt; ein eigener Referent in der Reichsarbeits⸗ verteilung ist mit dieser Frage befaßt.

Kern und Stern aller sozialen Bestrebungen der Arbeitnehmer liegt natürlich bei dem Arbeitsvertrag und seiner Gestaltung. Ihm gilt deshalb auch die Hauptarbeit des Ministeriums. Das Reichs⸗ arbeitsministerium erblickt die Rettung der deutschen Wirtschaft und Sozialpolitik keineswegs in verlängerter Arbeitszeit und in verkürztem Lohn. Ich halte auch die Mehrheit der deutschen Unternehmer nicht für so kurzsichtig, daß sie glauben könnten, mit solchen Mitteln ihren Platz am Weltmarkt zu behaupten. (Abg. Höllein: Ihre Taten sprechen für siel) Die Verlängerung der Arbeitszeit war nur eines der Hilfsmittel in der Not (Lachen bei den Kommunisten), zu denen wir nur für die Notzeit gegriffen haben und greifen mußten. (Zuruf von den Kommunisten: Was haben die Unternehmer gegen die Not getan?) Viel zu sehr ist ja leider schon vergessen, wie groß damals unsere Not war und wie stark sich die Erkenntnis von der Notwendig⸗ keit der Verlängerung der Arbeitszeit damals ohne Unterschied der politischen Parteien durchgesetzt hatte. (Sehr gut! rechts und in der

Mitte. Hört, bört! bei den Kommnnisten.)

Vergessen oder vielleicht besser gesagt, vor den Arbeitermassen verschwiegen wird auch die Bedeutung der damaligen Arbeitszeit⸗ verordnung für die Aufrechterhaltung der Gewerkschaften und ihrer Arbeiten auf lohnpolitischem Gebiet. (Sehr wahr! rechts und in der Mitte. Hört, hört! bei den Kommunisten.) Nur auf diesem Wege war es möglich, die Betriebe wieder in Gang zu bringen, die Arbeitslosigkeit einzudämmen und die Löhne zu steigern. (Abg. Diß⸗ mann: Nur auf diesem Wege?) Nur auf diesem Wege! (Lachen bei den Kommunisten.) Nur auf dem Wege, den wir damals ge⸗ gangen sind, war es möglich, die Betriebe wieder zu öffnen und in Gang zu bringen sowie die Löhne zu steigern. (Abgeordneter Diß⸗ mann: Ja, nach dem Unternehmerwillen!) Nein! Man

muß anerkennen, daß auf diesem Gebiet auch im verflossenen Jahre

wesentliche Verbesserungen erzielt worden sind. Der Reallohn besindet sich in einem dauernden schrittweisen Aufstieg. Im großen Durch⸗ schnitt mögen innerhalb des letzten Jahres Lohnsteigerungen um 30 Prozent eingetreten sein. (Hört, hört! rechts. Zurufe links: Und die Teuerung?) Ich komme darauf; seien Sie nur nicht so ungeduldig! Auch wenn man die eingetretenen Preissteigerungen in Rechnung stellt, bedeutet das immer noch eine ansehnliche Erhöhung des Reallohns. (Zurufe und Lachen links.) Selbstverständlich bleibt in dieser Hinsicht noch vieles zu tun. Ich stehe nicht auf dem Standpunkt, daß wir hier am Ende unserer Bestrebungen etwa auch nur vorübergehend angelangt sind. (Bravo! im Zentrum und rechts.)

Dieser Wiederaufbau der Löhne hat sich im allgemeinen ohne schwere Erschütterungen vollzogen. Das Jahr 1924 steht in bezug auf Arbeitskämpfe besser da, als die meisten seiner Vorgänger. (Hört, hört! rechts.) Daran haben die Schlichtungsinstanzen ein wesent⸗ liches Verdienst, die in den letzten Jahren wertvolle Arbeit geleistet haben. Daß vielen Stellen das Arbeitsministerium selbst in der vorliegenden Frage es nicht allen Beteiligten hat recht machen können, ist selbstverständlich. Heute erleben wir Klagen und Beschwerden von der einen und morgen erleben wir sie von der anderen Seite. Auch die Schlichtungsausschüsse und Einigungsinstanzen sind natürlich an reale Tatsachen gebunden und können sich in ihren Sprüchen nicht darüber binwegsetzen. (Zurufe von den Kommunisten) Wenn es sich um Verbindlichkeitserklärungen handelt, sind sie erst recht an solche gegebenen Tatsachen gebunden und können darauf aufgebante Schiedssprüche nicht abändern.

Absolut unrichtig aber ist es, wenn behauptet wid, den Schlichtern seien Anweisungen zur Niedrighaltung der Löhne gegeben worden. Das ist nicht geschehen. Wir haben, um diesen Vorwürfen vorzubeugen, während dieses Jahres die beiden Parteien, sowohl Unter⸗ nehmervertreter wie Arbeitervertreter, geladen und sie beiderseitig mit den versammelten Schlichtern in unserem Arbeitsministerium über die Wirtschaftslage verhandeln lassen. Die Schlichtungsstellen handeln bei Erfüllung ihrer richterlichen Aufgaben unabhängig und nach eigener Verantwortung. Ich für meine Person bedaure es lebhaft, daß sowohl Arbeitgeber wie Arbeitnehmer die Regelung ihrer Be⸗ ziehungen immer noch allzu sehr auf die Verbindlichkeitserklärung ab⸗ stellen und dem Schlichter, insbesondere dem Arbeitsministerium, die Verantwortung zuschieben. (Sehr richtig! bei der Deutschen Volks⸗ partei.)

Ich bin kein Freund solcher staatlicher Eingriffe als Regelfall und würde es begrüßen, wenn sie immer seltener würden. Voraussetzung dafür wäre allerdings, daß die Beteiligten ihrerseits verantwortungs⸗ freudiger werden und daß sie für Fälle, in denen sie sich nicht selbst einigen können, eigene private Schlichtungsstellen schaffen. Die weitere Voraussetzung für eine derartige Regelung wäre freilich, daß die Beteiligten sich im Sinne wahrer Arbeitsgemeinschaft wieder zusammenfinden. (Sehr richtig! bei der Deutschen Volkspartei.) Das ist es, woran es leider bis heute noch fehlt. Es ist nicht meine Auf⸗ gabe, hier an dieser Stelle die Gründe zu untersuchen. Ich bin aber gern bereit, alles zu tun, was in meinen Kräften steht, damit es wieder zu einem besseren Sich⸗Verstehen und zu einem besseren Ver⸗ ständigungswillen unter diesen beiden Parteien kommt:

Entscheidend für die Lage der Arbeitnehmer ist nicht so sehr der Nominallohn wie die Kaufkraft der Löhne. (Sehr richtig! und Aha!

bei den Sozialdemokraten.) Daher ist das Reichsarbeitsministerium,

Herr Dißmann, stets für alle Maßnahmen eingetreten, die gegen eine ungesunde Preisentwicklung gerichtet waren (Zunuf links: Mit welchem Erfolg?) Einen Augenblick! Warten Sie doch nur, ich antworte Ihnen darauf. (Erneuter Zuruf links: Auch gegen die Zölle?) Ich habe z. B. auf dem Gebiet der Kartellgesetzgebung und ihrer Durchführung stets die schärssten Maßnahmen vertreten. Die Reichsregierung ist aber nicht dafür verantwortlich zu machen, wenn geltende Bestimmungen der Preistreibereiverordnung in der Praxis der Länder nicht scharf genug durchgeführt werden sollten. (Sehr richtig! im Zentrum und rechts.) Die gesetzlichen. Bestimmungen gestatten einen Eingriff; aber dieser Eingriff liegt nicht in der Hand des Reichs, sondern der Länder. Auch wenn die Justiz in der Frage der Wucher⸗ bekämpfung hier und da versagen follte, so ist das nicht unsere und insbesondere nicht meine Schuld. Ich stehe gar nicht an, daß ich z. B. Preise, wie sie hier erwähnt worden sind, von 50 bis 60 für 1000 Ziegel, die jetzt in Berlin am Bau gelten, für geradezu skandalös halte und für Wucherpreise erkläre. (Lebhafte Zustimmung im Zentrum und rechts. Zurufe von den Sozialdemokraten.) Ich muß nochmals erklären: Das Reichsarbeitsministerium kann nicht dafür verantwortlich gemacht werden, wenn Instanzen, die zur Be⸗ kämpfung solcher Erscheinungen berufen sind, es an der nötigen Energie vielleicht fehlen lassen sollten. (Sehr richtig! im Zentrum und rechts. Zurufe von den Sozialdemokraten.) Sie haben doch auch andere Stellen, wo Sie Ihre Klagen geltend machen können, und nicht bloß beim Reichsarbeitsministerium, und ich bitte Sie dringend, sie an diesen Stellen anzubringen. (Erneute Zurufe von den Sozial⸗ demokraten). Ich habe mindestens so viel über diese Dinge an entscheidenden Stellen geredet, wie Sie nur wünschen können. Freilich dürfen auch die engeren Zusammenhänge zwischen der Preisgestaltung und der Arbeitszeit nicht außer Betracht bleiben. (Lachen und Zurufe von den Sozialdemokraten: Aha!) Gerade die Rücksicht auf die Niederhaltuung der Produktionskosten und damit der Preise macht es notwendig, bei der Herabsetzung der Arbeitszeit vorsichtig und schritt⸗ weise vorzugehen. Bei dem engen Zusammenhange kann eine un⸗ günstige Beeinflussung des Reallohns durch den Abbau der Arbeitszeit nur vermieden werden, wenn der Produktionsausfall auf anderer Seite ausgeglichen wird. (Erneute Zurufe von den Sozialdemokraten.) Nicht der radikale Sozialpolitiker scheint mir auf die Dauer immer der erfolgreichste zu sein. (Sehr gut! und Zustimmung im Zentrum und rechts.)

Deshalb fordert meines Erachtens auch die Vorbereitung des neuen Arbeitszeitgesetzes besondere Gewissenhaftigkeit bei aller Dring⸗ lichkeit, die ich vollauf anerkenne. Wie schwierig solche gesetzgeberische Arbeiten sind, hat sich doch neulich im Reichswirtschaftsrat gezeigt. (Sehr richtig! im Zentrum.) Ueber eine Teilfrage, zu der bereits ein Regierungsvorschlag vorlag, und über die doch nur ein Gutachten er⸗ stattet werden sollte, haben im Sonderausschuß des Reichswirtschafts⸗ rats zwölf wirtschaftlich und sozial geschulte Persönlichkeiten monate⸗ lang geprüft und beraten, ohne schließlich zu einem Ergebnis zu kommen. (Hört! hört! im Zentrum.) In dem von uns verlangten Arbeitszeitgesetz aber steckt nicht nur eine, sondern stecken Hunderte solcher Fragen, für deren wirtschaftlich und sozialpolitisch tragbare Lösung ich die Verantwortung übernehmen soll. (Zuruf von den Sozialdemokraten: Also in zehn Jahren sind wir fertig!) Nein, ich hoffe: in diesemm Ich kann die Verantwortung freilich nicht so leicht nehmen, wie es Herr Kollege Dißmann in seinen Ausführungen getan hat, der gestern wieder den schematischen Achtstundentag für alle Kopf⸗ und Handarbeiter proklamiert hat.

einzustellen hätte. (Sehr gut! im Zentrum und rechts.) Sie ist aber nicht brauchbar für den Gesetzgeber und wäre es auch dann nicht, wenn derselbe Dißmann hieße. (Heiterkeit. Zuruf von den Sozialdemokraten.) Wir können ja mal die Probe machen. Ich lade Sie freundlichst dazu ein. gebungswerk im möglichsten Ausmaß beschleunigt werden.

Was die Ratifiziernng des Uebereinkommens von Washington betrifft, so verfolgt die Regierung durchaus die Linie, die durch die Erklärung der früheren Reichsregierung vorgezeichnet worden ist. Das neue Kabinett hat diese Erklärung übernommen und mich beauftragt, in dieser Linie meine Arbeiten fortzuführen.

Der Herr Abg. Dißmann hat dann die Besorgnis ausgesprochen, wir könnten vielleicht nur eine scheinbare Ratifizierung im Auge haben und diese leicht unter Zuhilfenahme des Artikels 14 wieder außer Kraft setzen. Daran ist nicht gedacht, Herr Dißmann. Ich habe bereits in Bern ausdrücklich betont und wiederhole es hier: Deutschland beabsichtigt unter keinen Umständen ein Vorgehen, das als soziales Dumping bezeichnet werden könnte. Eine derartige Hinterhältigkeit Uegt uns absolut fern. Auf der anderen Seite können wir aber nicht zugeben, daß Artikel 14 nur für den Kriegsfall und nicht auch für andere Fälle äußerster und außergewöhnlicher Ge⸗ fährdung gelten soll. Ich darf vielleicht den Artikel 14 des Washingtoner Abkommens hier eben verlesen:

„Die Bestimmungen dieses Uebereinkommens können in jedem

Lande durch die Regierung im Falle eines Krieges oder anderer

Ereignisse, welche die Landessicherheit gefährden, außer Kraft gesetzt

werden.“ b (Zurufe von den Kommunisten.) Ereignisse, wie wir sie im Jahre 1923 erlebt, und die uns an den Rand des Abgrundes gebracht haben, sind solchen Fällen durchaus gleichzustellen. (Sehr richtig! rechts und im Zentrum.) Ich bedaure für meine Person, daß der Direktor des Internationalen Arbeitsamts, Herr Albert Thomas, der früher eine ganz ähnliche Auffassung vertreten hat ich habe das im „Reichsarbeitsblatt“ unter den nötigen Zitaten ausdrücklich dar⸗ gelegt —, neuerdings davon abzuweichen scheint.

Meine Damen und Herren! Bei einem Vergleich der Arbeits⸗ zeit in Deutschland mit der anderer Länder ist auch von größter Be⸗ deutung, daß die deutschen Arbeitsbestimmungen und „gesetze strengstens durchgeführt werden. Insbesondere gilt das auch für die Vorschriften der Sonntagsruhe, die ja auch für die Gestaltung der Wochenarbeitszeit naturlich von wesentlichster Bedeutung sind. (Zuruf von den Sozialdemokraten: Herr Minister, wie ist es mit dem letzten Satz Ihrer Erklärung, die gestern im Auszug wieder⸗ gegeben ist, wo Sie ausdrücklich auf den § 14 des Washingtoner Abkommens hinweisen?) Es ist so, wie ich es eben dargelegt habe, daß wir darauf bestehen, daß dieser Paragraph für uns Gültigkeit hat! Ich kann nur sagen, daß wir uns auch über diesen Punkt in Bern ausgiebig unterhalten haben und darüber eine gewisse Ver⸗ ständigung stattgefunden hat.

Das ist eine einfache Formel, wenn man sich nur auf Werbetätigkeit

Selbstverständlich wird das Gesetz⸗

Eine Neufassung der gesetzlichen Bestimmungen über die Sonn⸗ tagsruhe ist von mir seit längerer Zeit beabsichtigt.⸗- Hierbei mu ten die Landesregterungen weitgehend beteiligt werden, weil die Bewilli⸗ gung eines großen Teils der nach der Gewerbeordnung zulässigen Aus⸗ nahmen vom Verbot der Sonntagsarbeit in die Hand der Landes⸗ regierungen gelegt ist. Die Landesregierungen sind insbesondere ge⸗ beten worden, ihre Erfahrungen über die vor Jahresfrist mit ihnen vereinbarten Richtlinien über die Ausnahmen für die Bedürmis⸗ gewerbe mitzuteilen. Sobald diese Ermittlungen abgeschlossen sind, werde ich die Neufassung der gesetzlichen Bestimmungen in Angriff nehmen.

Es ist auch, wenn auch nicht in den Reden, so doch in anderem Zusammenhang darauf hingewiesen worden, daß das Heimarbeiter⸗ lohngesetz noch nicht so durchgeführt wird, wie es wünschenswert wäre, weil eine Reihe von Fachausschüssen der Ausführung des Gesetzes nicht in der wünschenswerten und notwendigen Weise entgegenkommen, die einen mehr, die anderen weniger. Wir werden unsererseits darauf dringen, daß eine bessere Durchführung dieses Gesetzes stattfindet, und werden auch dafür sorgen, daß noch weitere Fachausschüsse errichtet werden. (Bravo! im Zentrum.)

Die Unfallverhütung, meine Damen und Herren, liegt dem Reichsarbeitsministerium besonders am Herzen. Ich bin sehr dankbar,

daß der Reichstag bereit ist, die Mittel zur Unfallforschung in größerem Ausmaß zur Verfügung zu stellen, als sie im Haushalts... entwurf ursprünglich vorgesehen waren. Ich hoffe auch, im Bereiche

der Unfallverhütung wesentliche Fortschritte schon dadurch reifen zu sehen, daß die Gewerbeaufsicht und die Berufsgenossenschaften der Unfallversicherung in ein organisches Zusammenwirken eintreten, und zwar nicht nur in dem Erlaß von Vorschriften, sondern auch bei der Ueberwachung der Durchführung dieser Unfallverhütungsvorschriften. Auf diesem Wege hoffe ich, auch die Frage des Bauarbeiterschutzes bald einer Löfung zuzuführen, für die bereits wesentliche Vorarbeiten geleistet sind. G

An der Durchführung der Unfallverhütung sind auf Grund des Be⸗ triebsrätegesetzes auch die Betriebsräte beteiligt. Ihre Zuziehung zu den Betriebsbesichtigungen der Gewerbeaufsichtsbeamten und anderer behördlicher Organe ist bereits jetzt durch die Verwaltungsanordnungen der Länder sichergestellt und wird, wie mir mitgeteilt worden ist, all⸗ gemein durchgeführt. (Zurufe von den Kommunisten: Nicht durch⸗ geführt! Dann kann ich auch nur wieder sagen: Sie müssen auch diese Klage einmal in den Landtagen vortragen. Die Gewerbeaussichts⸗

beamten hegen, wie dies in ihrem Jahresbericht häufig zum Ausdruck

kommt, den dringenden Wunsch, daß die Betriebsräte auf diesem Ge⸗ biete noch mehr und noch wirksamer als bisher sich betätigen möchten.

(Zuruf von den Kommunisten.) Ich bin nicht Gewerbeaussichts⸗ beamter; ich kann nicht feststellen, wie es damit steht. Ich kann hier nur feststellen, was die Gewerbeaufsichtsbeamten selbst übér diesen

Punkt berichten. (Zuruf links.)

Meine Damen und Herren!

Reichstag feststellen müssen, daß zwar auf

die damalige Notlage erzwungen und gerechtfertigt werden könnte,

daß aber an den Grundlagen des sozialen Gebäudes, an der Durch⸗ führung der sozialen Idee, nicht gerüttelt werden solle und daß das Bestreben nach Besserung der sozialen Verhältnisse nicht fallen geä. lassen würde. Nach dem, was inzwischen im letzten Jahre geschehen ist, und was ich sowohl im Hauptausschuß des Reichstags wie hier darlegen konnte, darf ich doch wohl feststellen, daß ich Wort gehalten habe, und darf zum Schlusse meiner Ausführungen erneut versichern: An dem Gedanken der Sozialreform halte ich fest und setze es mir zum Ziele, alle Kräfte, auch die der Wirtschaft, für den fozialen

Wiederaufbau einzusetzen. (Bravol im Zentrum)

15. Sitzung vom 5. Februar 1925, Nachmittags 1 Uhr.

(Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger*)]

Am Brauns.

Regierungstische: Reichsarbeitsminister

Präsident Löbe eröffnet die Sthzung um 1 Uhr 20 Min.

Zur ersten Lesung steht ein Gesetzentwurf der Regie⸗ rungsparteien, wonach in Rechtsstreitigkeiten über die Aufwertung von Vermögensanlagenund „ansprü⸗ c en die Verhandlung vor Gerichten und Auf⸗ wertungsstellen auf Antrag des Gläubigers einstweilen aus⸗ gesetzt werden kann.

Abg. Dr. E (D. Vp.) empfiehlt die Vorlage zur raschen Annahme, damit endlich Beruhigung geschaffen werde.

Abg. Keil (Soz.) glaubt, daß dieser Gesetzentwurf in den Kreisen der Gläubiger und Sparer große Verwunderung hervor⸗ rufen wird. Was ist denn von den Versprechungen der Rechten im Wahlkampfe eigentlich übriggeblieben? Der Aufwertungs⸗ ausschuß sei mit einer Flut von Anträgen bedacht worden, die . e und reich . verlangen, und zwar auf Grund

er bestimmten Ankündigungen der Deutschnationalen, als sie lich noch in der Opposition befanden. Jetzt als Regierungspartei haben ie im Aufwertungsausschuß gegen ihren eigenen Antrag auf Auf⸗ ebung der dritten Steuernotverordnung gestimmt. Schon in den

ersten Tagen dieses Reichstags wurde ein Gesetzentwurf über die

endgültige Lösung der Aufwertungsfrage angekündigt. Statt dessen deutschnationalen Antrag er in keinem Verhältnis steht zu den großen prochen haben. Erst be⸗ hebung der Verorduung Der Ausschuß sollte erledigen, er hat bisher vier e 82 Antrags durch die Antragsteller selbst verhindert. (Hört! Hört!) Die Verordnung vom 4. Dezember wurde sofort aus sachlichen und sie stellt einen Mißbrauch des

wurden die Gläubiger durch diesen

ülich überrascht, l Worten, die sie über die Aufwertung 8 antragten die Deutschnationalen die Au des Reichspräsidenten vom 4. Dezember 1924. diesen Antrag schleunigst

abgehalten, aber merkwürdigerweise wurde die Erledigung

rechtlichen Gründen angefochten; ¹ ich Artikels 48 der Reichsverfassung dar, und der Verfasser der Reichs verfassung Dr. Preuß erklärte sie sir eine juristische Ungeheuer lichkeit. Heute endlich wurde im Ausschuß nationalen Antrag abgestimmt, 6 88 gegen ihren eigenen Antrag. (Hört!

über den

Hört!)

m endlich Rechtssicherheit zu schaffen, brauchen wir eine neue gesetzliche Regelung. Das Verhalten der Deutsch nationalen erklärt sich nur aus politischen Gründen. Sie wollen dem Reichskanzler Luther, Verordnung vom 4. De zember verantwortlich ist,

ungültig erklärt.

der für die keine Schwierigkeiten machen. antragen nun zu dem vorliegenden Geseh die Einarbeitung des ersten deutschnationalen Antrages Fuf Aufhebung der Verordnung. Gewiß, das Aufwertungsproblem ist schwierig, wir haben auch nie eine hundertprozentige Aufwertung ver rochen, sondern wollen uns in den möglichen Grenzen halten, aber gelöst werden muß das Problem so schnell wie möglich. In erster Linie müssen die Not⸗ leidenden,

——

*) Mit Ausnahme der durch Sperrdruck hervorgehobenen Reden der Herren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben sind.

1

in Thüringen und

Vor einem Jahre labe ich im einzelnen Gebieten der Sozialpolitik ein gewisser Rückschlag erfolgt sei, der nur durch

deutschae und dabei stimmten die Antrag-⸗ Der Reichs⸗ heh in I hat die Verordnung vom 4. Dezember für

Wir be⸗

die kleinen Sparer und diejenigen Institute dabei be⸗

dacht werden, die ihres Vermögens beraubt sind. Die Mittel für die Aufwertung mögen vegen ge hergeben, die sich in der In⸗ let ac as bereichert haben. jie Deutschnationalen haben im

Lahlkampf so getan, als hätten sie ein fertiges Projekt für die Aufwertung schon in der Tasche Wo ist dieses Projekt? Die Deutschnationalen haben sogar den Aufwertungsmann Dr. Best u ihrem Kandidaten gemacht und dadurch viele arme Leute ver⸗ anlaßt, deut 6 129 bu wählen. Wann kommen Sie nun mit Ihr Vorschlägen? (Rufe rechts: Das überlassen Sie uns.) In⸗ olgedessen ist das Volk mißtrauisch geworden, und nun melden

schon die Schuldner in den Wirtschaftsverbänden und zeigen hre heiligsten Rechte an. Aber die Gläubiger sind den Deutsch⸗ nationalen ins Garn gegangen. Die Ruhrindustrie hat ein Ge⸗ schenk von siebenhundert Millionen bekommen. Wir sehen dem an⸗ heküngigtee Gesetzentwurf der Keggg über die Aufwertung mit ußerster ie deutschnational Orientierten

ecklenburg haben sich gegen jede Erhöhung des r erklärt. (Hört! Hört!) Das beantragte Gesetz über die Möglichkeit der Aussetzung schwebender Verfahren wollen wir wenigstens nur für eine Uebergangszeit zulassen und beantragen dessen ö bis zum 30. April. Es liegt im eigenen Interesse der Deutschnationalen, daß sie unseren Ab⸗ änderungsanträgen und damit ihrem eigenen ursprünglichen An⸗ trag auf ee der Verordnung vom 4. Dezember zustimmen. (Beifall bei den Sozialdemokraten.) Abg. Hampe (Wirtschaftl. Vereinigung): Der vorliegende Gesetzentwurf, den meine Partei mit beantragt hat, soll vor allem die kleinen Sparer beruhigen. Selbstverständlich soll er nur vor⸗ übergehenden Zweck haben und keineswegs damit die Aufwertung selbst abtun. Mit diesem Gesetz werden viele überflüssigen Pro⸗ zesse vermieden werden können.

Hierauf ergreift das Wort der Reichsjustizminister Dr. Fr anken, dessen Rede nach Eingang des Stenogramms ver⸗ öffentlicht werden wird.

Abg. v. Richthofen Hannover (Dem.): Wir wollen den Versuch machen, dem augenblicklichen Unheil in der Aufwertungs⸗ frage ein Ende zu bereiten. Wir wissen aber, daß mit dem Entwurf, der nur eine Kann⸗Vorschrift gibt, das erstrebte Ziel nicht erreicht werden wird. Wir beantragen daher die Ein⸗ führung einer Muß⸗Vorschrift. Wir können eine Einlösung der geimnachten Zusage wenigstens in der Festsetzung des Zeitpunktes erreichen. Dadurch können wir eine Beruhigung erreichen. Die Erklärung im Ausschuß, daß das neue Gesetz dem Reichstag Fsh in vier bis fünf Wochen zugehen werde, 9 von der Regierung auch hier im Plenum abgegeben werden, um Be⸗ ruhigung in ge Volke zu schaffen. Wir haben uns davor gehütet, im Wahlkampfe unerfüllbare Versprechungen zu machen. Aha! rechts). Wir werden das Gebiet der Sachlichkeit auch in der Aufwertungsfrage nicht verlassen.

Abg. De. Schetter (Ztr.). In die Aufwertungsfrage sellten keine politischen Momente hineingezogen werden. Wir werden sowohl für ünseren Antrag, als auch für den demokra⸗ tischen Antrag über die Muß⸗Vorschrift eintreten.

Abg. Seiffert (Nat. Soz.) erklärt die Zustimmung seiner Fraktion zu dem Entwurf. Eine Aussetzung aller Aufwertungs⸗ prozesse sollte ohne weiteres eintreten. Die Demokraten haben den Aufwertungsverbänden im Wahlkampf zwar keine Ver⸗ sprechungen gemacht, aber sie haben gesagt, sie seien mit den negativen Vorschlägen Dernburgs nicht einverstanden. Da eigentlich alle Parteien für die Aufwertung sind, so sollte doch die sozialdemokratische Fraktion den seitens der Deutschnationalen vermißten Antrag aufnehmen. Die Nationalsozialisten sind die einigen, die immer geschlossen sütn die Aufwertung eingetreten sind. Infolge der Verzögerung er Erledigung durch die Reichs⸗ tagswvahlen wird die Aufwertung zum Glück doch etwas höher ausfallen. Dann werden die Arbeiter und kleinen Leute auch wieder Lust und Vertrauen zum Sparen bekommen. Darum muß die Aufwertungsquote gerade gegenüber den Wünschen der Großindustrie so hoch als möglich ausfallen. (Lebhafter Beifall.)

Abg. Dr. Steiniger (D. Nat.): Es ist ja sehr liebens⸗ würdig, wenn Herr Keil und seine Freunde für unseren Antrag stimmen wollen. Es scheint, daß sich Herr Keil bereits zum ETEöö“ entwickelt hat, während er und seine Freunde früher gar keine Aufwertung wollten. Es war aber ein schweres Werk, die Kollegen von der Linken zu bekehren. Es ist hier keine Frage der Parteipolitik zu entscheiden, sondern es handelt sich nur um eine Frage der Gerechtigkeit und Billigkeit. Reichen wir uns also die Hand. (Heiterkeit). Nennen Sie mich aber nicht undankbar, wenn ich Ihnen . links) bei Ihrem Antrag heute nicht folge. Die Gründe liegen auf dem Gebiete der Verschiedenheit der Motive und Ziele. Sie (nach links) ver⸗ solgen politische Ziele, wir Ziele der Gerechtigkeit. Wir wollen heute noch nicht unser Fehtes Pulver verschießen, sondern die Reg senah. unter hydraulischen Druck halten. (Lachen links). Auf den vahltampf gehe ich nicht ein, unsere Anhänger wissen genau, daß wir ihnen etwas Positives bringen. Wir freuen uns, dem heet g der Demokraten zustimmen zu können, wonach die fakulative Au wird. Aber dem sozialdemokratischen Antrag noch nicht zustimmen. Beifall rechts.)

Abg. Höllein (Komm.) wirft der Rechten Demagogie in der Aufwertungsfrage vor. Die Schwerindustrie, der Groß⸗ kapitalismus hat die kleinen Sparer expropriiert, und nicht der Marxismus, wie man den Leuten eingeredet hat. Weite S ichten von Mittelständlern und kleinen Sparern sind nicht der Expropriation der Expropriateure, sondern der Expropriation durch die Erpropriatenre zum Opfer gefallen. Die Aufwertungs⸗ frage wird von den meisten Parteien nur als politisches Problem betrachtet. Wir Kommunisten werden uns mit allen Mitteln dagegen wenden, daß etwa durch neue Steuern, die den arbeitenden auferlegt werden, das Aufwertungsproblem gelöst werden soll. Der neue Finanzminister hat ja sbon neue Steuern angekündigt, die im wesentlichen den Besitzlosen auf⸗ erlegt werden sollen. Den kleinen Sparern sollen nur ganz geringwertige Aufwertungsprozente gewährt werden, höchstens drei Prozent, während die Hypothekengläubiger und Obligationen⸗ besitzer 15 Prozent erhalten sollen. Ein offenes Staatsverbrechen ist die Aufwertung der Schwerindustriellen auf Kosten der All⸗ gemeinheit. Die Schwerindustriellen haben 60 Prozent des Gesamtaufkommens der veslener zurückerhalten in Form der Miecumentschädigung. Dabei hat die Schwerindustrie auch noch die Löhne gedrückt.

Ahbg. die Deutschnationalen Wah herangezogen. 1 1 gewußt. Er hat nur wieder gesagt, daß die Deutschnationalen gegen ihren eigenen Antrag stimmen werden. Die Deutsch⸗ nationalen wissen noch gar nicht, was sie wollen. Wir verlangen, daß sie endlich mit ihren Vorschlägen herauskommen, anstatt die Regierung nur unter „hydraulischen Druck“ zu halten. Wir wollen die Verordnung vom 4. Dezember aufheben, weil diese Anwendung des Artikels 48 der Versessun widerspricht und das Recht des Reichstags bedroht. Die Deutschnationalen sind auch von dieser Heg ndüng ausgegangen, haben sie dann aber wieder fallen lassen. Durch die Aufwertung der Hypotheken würden die Hausbesitzer nicht geschädigt werden, denn sie wälzen ihre Lasten auf die Mieter ab. Es wäre also unsozial, wenn die Mittel zur Aufwertung auf diese Weise aufgebracht werden sollen. Die Mittel müssen auf andere Weise aufgebracht werden, 1. durch die Besitzenden in den Reihen der Deutschnationalen un der Deutschen Volkspartei. Zu diesem Zweck muß der hydrau⸗ lische Druck auf diese Parteien ausgeübt werden. Die Groß⸗ grundbesitzer und die Großindustriellen müssen hier Opfer bringen durch der Vermögenssteuer, damit auch die öffentlichen Anleihen aufgewertet werden können. Die Verbrauchssteuern der breiten Massen sind schon unerträglich hoch. Durch die Er⸗ schließung der noch vorhandenen Steuerquellen an der richtigen Stelle würden sich Milliarden aufbringen lassen. Die Auf⸗ wertung muß sozial sein und nicht in eine neue Ausbeutung der breiten Massen ausarten.

.

können wir heute

9. Mit der Aufwertungsfrage haben demagogie getrieben und Herrn Best

gogie g⸗ 1 Darauf hat Herr Fientiger nichts zu antworten

sezung wieder in eine zwingende verwandelt

Damit schließt die 85 Beratung. In der zweiten Be⸗ ratung wird über den Zusatzantrag der Sozialdemokraten auf Aufhebung der Verordnung des Reichspräsidenten vom 4. De⸗ zember 1924, die die 3. Steuernotverordnung und alle Aus⸗ führungsbestimmungen dazu entgegen verschiedenen Gerichts⸗ entscheidungen für gültig erklärt, namentlich abgestimmt, wobei auch die Deutschnationalen, die diesen Antrag ursprünglich e gestellt hatten, gegen den Antrag stimmen. Der Antrag wird mit. 235 gegen 144 Stimmen, bei einer Stimmenthaltung abgelehnt. .

Der Gesetzentwurf wird mit der Aenderung an⸗ genommen, daß entsprechend einem demokratischen Antrag die Kann⸗Vorschrift über die Aussetzung des Verfahrens in eine Muß⸗Vorschrift verwandelt wird und das Gesetz bis zum In⸗ krafttreten des in Aussicht gestellten Aufwertungsgesetzes, spätestens bis 30. April befristet wird. Die zweite Aenderung war von den Demokraten und Sozialdemokraten beantragt worden. In der so abgeänderten Fassung wird das Gesetz auch gleich in dritter Lesung einstimmig angenommen.

Hierauf vertagt sich das Haus. Nächste Sitzung Freita 1 Uhr (Einzelberatung des Hakügets des” Nüditag. ministeriums).

Schluß 4 ½ Uhr. 8

g. 1 95

Preußischer Landtag.

11. Sitzung vom 5. Februar 1925, Nachmittags 2 Uuhr.

(Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger“*).)

Präsident Bartels eröffnet die Sitzung um 2 Uhr 45 Minuten.

Der Abgeordnete Dr. Negenborn (D. Nat.) ist gestern gestorben; der Präsident widmet ihm einen ehrenden Na hruf, den die Mitglieder des Hauses stehend anhören.

Vom Ministerpräsidenten Braun ist Schreiben an den Präsidenten gerichtet worden:

„Auf Ihre Mitteilung vom 30. vor. M. über meine Wahl um Ministerpräsidenten teile ich Ihnen ergebenst mit, daß ich die

Wahl nicht annehme.“

„Der Aeltestenrat hat beschacllas die Wahl des Ministerpräsidenten auf Dienstag, den 10. Februar, Nachmittags 2 Uhr, anzusetzen.

Zur Geschäftsordnung bemerkt der Abg. Dr. Körner (Nat.⸗Soz.): Am Donnerstag, den 8. Januar, Nachm. 3,35 Uhr, ist der Abg. Bartels zum Präsidenten des Landtags gewählt worden. Nach § 7 der Geschäftsordnung wird der Präsident zunächst auf vier Wochen und dann endgültig gewählt. Seine Wahlzeit ist somit ab⸗ gelaufen. Wir haben zurzeit keinen, den Vorschriften der Geschäfts⸗ ordnung entsprechenden Präsidenten. Wenn der Aeltestenrat be⸗ schlossen hat, darüber stillschweigend hinwegzugehen, so halten wir das 81 unzulässig. Wenn ganze Gruppen von Abgeordneten von den

folgendes

ntern des Landlags ausgeschlossen werden, so widerspricht das dem

Artikel 9 der Verfassung, wonach ind. Wir legen gegen diese eert darauf, daß die I

alle Abgeordneten gleichberechtigt Uebung Verwahrung ein. Wir legen des Landtagspräsidenten sofort erfolgt.

Wir verlangen das als freie deutsche Männer. (Gelächter links.) Der

gemwvärtige Präsident gehört einer Fraktion an, der von Barmat

000 zugewendet worden sind. haftes Hört, hört! rechts.) Dieser Umstand macht ihn unfähig, das Amt des Präsidenten weiter sa bekleiden. (Großer Lärm links, wachsende Unruhe.) Wiederholt hat der Präsident Bartels Aenvfrrfe, die gegen uns von links ge⸗ schleudert worden sind, ungerügt gelassen. Er hat Zurufe wie „Lump“, „Schuft“ u. dergl. nicht gerügt, während er einschritt, wenn etwa von unserer Seite einmal „unverf ämter Jude“ gerufen werde. (Der Rest der Bemerkungen des Abg. Dr. Körner geht in der wachsenden Unruhe des Hauses verloren. Ein Abgeordneter der Linken ruft laut: „Runter mit dem Lümmel dal“*)

Gegen die Aenderung der Tagesordnung wird Wider⸗ spruch erhoben, damit ist das Verlangen der Nationalsozialisten erledigt. Das Haus tritt in die Tagesordnung ein.

Auf Antrag aller Parteien wird beschlossen, in die Statistische Zentralkommission fünf Mitglieder des Landtags zu entsenden. .

Die von den Fraktionen zur Wahl in den Ausschuß zur Durchführung der Personalabbauverordnung, in den Staats⸗ Fuüd mausschuß. in das Wahlprüfungsgericht vorgeschlagenen

itglieder werden ohne Widerspruch gewählt und nehmen die Wahl an.

Auf Antra bereitung der heiten des besetzten Gebietes ein 21 Mitgliedern eingesetzt werden.

Die Einstellung des wegen Hochverrats gegen den Ab⸗

eordneten Dörr Romm.) schwebenden Strafverfahrens 8 ie Dauer der Ta ung wird C“ Antrag des Geschäfts⸗ ordnungsausschusses beschlossen. Ebenso sollen die gegen die Abgeordneten Schnetter (Komm.) und Buchhorn (D. Vp.) schwebenden Privatklageverfahren aufgehoben werden. Die nachgesuchte Genehmigung zur Strafverfolgung des Abgeordneten Milberg (D. Nat.) wegen Beleidigung wird versagt.

Der Urantrag

der Deutschen Volkspartei soll zur Vor⸗ erhandlungen über die besonderen Angelegen⸗ Ständiger Ausschuß von

des Zentrums über die Neuordnung des höheren Schulwesens geht gemäß dem darschla des Aeltestenrats ohne Erörterung an den Unterrichtsausschuß.

Ohne Besprechung an den Hauptausschuß verwiesen werden die Uranträge der Sozialdemokraten, betr. den Ab⸗ bau von Wahlbeamten, der Deutschen Volkspartei und der Deutschnationalen auf Einstellung des Per⸗ onalabbaues in Preußen, Aufhebung der

eförderungssperre usw. Das Haus setzt die Aussprache über die von den Kommunisten und Sozialdemokraten eingebrachten Am⸗ nestieanträge fort.

Abg. Obuch (Komm.) kritisiert die vom Ausschuß empfohlene Ablehnung der kommumisäjsch Anträge, Es ist recht bezeichnend, daß auch der sozialdemokratische Ministerpräsident Braun gegen diese An⸗ träge Stelung genommen hat. (Ein kommunistischer Abgeordneter wird wegen eines beleidigenden Zurufs zur Ordnung 8 Im Gefängnis sitzen ledi lic Arbeiter; Wucherer aber, Volksaus⸗

lünderer und Spitzel 8 ben herum. Die Arbeiter werden mil den Amnestiegegnern abrechnen.

Als der nächste Redner, Abgeordneter Kuttner (Soz.), das Wort nehmen will, wird er mit anhaltenden stürmischen Rufen der Kommunisten, die ihn am Reden hindern wollen, empfangen. Man hört die Rufe: „Arbeitermörder!“, „Er hat einen Arbciter erschossen!“, „Raus mit ihm!“. Vizepräsident Dr. Porsch läutet andauernd die Glocke, um dem Redner das Wort zu verschaffen. Die lärmenden Unerbrechungen der Kommunisten halten an, die Zurufe „Mörder!“ wollen kein Ende nehmen. Dem Abgeordneten Kuttner ist es unmöglich,

*) Mit Ausnahme der durch Sperrdruck e Red

der Herren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben sind.

sich durchzusetzen. Als es dem Vizepräsidenten nicht gelingt sich Ruhe zu verschaffen, hebt er die Sitzung auf eine Viertel⸗ stunde auf. 1

8 .

Nach 4 Uhr wird die Sitzung durch den Präsidenten Bartels wieder eröffnet. 9 eeg 8

Präsident Bartels erklärt: Die Sitzung hat unterbrochen werden müssen, weil wegen des großen Lärms die Verhandlungen nich ortgefühes werden konnten. Ich habe den dringenden Wunsch, da as jetzt anders wird eroß⸗ Unruhe bei den Kommunisten), ich würde mich sonst genötigt sehen, von den geschäftsordnungsmäßigen Mitteln zu machen, die mir zu te stehen, um die ordnungs⸗ mäßige Fortsetzung der Verhandlung zu erzwingen.

Zur Geschäftsordnung erklärt Abg. Pieck (Komm.) die Kommunisten ihrem Protest dagegen vorhin Ausdruck gegeben aben, daß der Abg. Kuttner, der wider Recht und Gesetz im Jahre 1919 einen Arbeiter erschossen hat, auf dieser Tribüne das Wort ergreise. Die Kommunistische Fraktion würde jetzt ihrem Protest dadurch weiteren Ausdruck geben, daß 9. die Rede des Abg. Kuttner nicht anhöre, sondern den Saal verlasse. Unter stürmischen Entrüstungs⸗ hee der Sozialdemokraten verlassen darauf, während der Präsident 5 1ebg. Kuttner (Soz.) das Wort erteilt, die Kommunisten den Saal.

Abg. Kuttner (Soz.): Das Schauspiel, das die Kommunisten uns soeben gegeben haben, beweist wi einmal, daß für sie unsere Se; Verhandlungen nur ein Mittel zu dem Zweck sind, nach außen lgitation zu machen. (Lebhafte Zustimmung.) Trotz des ungeheuren Geschreis, das sie nach der Amnestie erheben, glaube ich nicht, daß sie auch nur das mindeste Mitgefühl mit den politischen Verunteilten haben. Wäre ein Funken von Menschlichkeit in ihnen, dann würden f nicht immer wieder die Geföngnisse füllen helfen, dann würden ie nicht immer wieder Verführte und unwissende Anhänger in Aktionen hineinhetzen, die schließlich dahin führen, daß zwar nicht die Herren Paul Hoffmann und Pieck, wohl aber eine Rotte unbekannter Arbeiter in den Gefängmissen verschwindet. Ich weiß nicht, ob der Abg. Paul Hoffmann, der hier als der Heerrufer im Streit gegen mich aufgetreten ist, diesen Eifer nicht vielleicht deshalb an den Tag Flegt hat, weil er ein besonderes persönliches Interesse an der

mnestie hat, nachdem er oder seine Frau verurteilt worden sind, weil sie unter schärfstem Verstoß gegen das Fänderschubgesc⸗ ein minderjähriges Mädchen über Nacht in ihrer Wirtschaft beschäftigt haben. Von den Rechtsparteien wird häufig so getan, als hätten wir schon viel zu viel Begnadigungen, als sei eine Amnestie über⸗ haupt nicht mehr am Platze. Der Redner gibt seiner Verwunderung Ausdvuck, daß von deutschnationaler Seite ein Amnestieantrag Schiele, vom jetzigen Reichsminister, eingegangen sei, während die deutschnationale Presse gegen die Amnestie schreibe. Gegen Magdeburger Urteil spricht das Rechtsgefühl des deutschen Volks (Widerspruch bei den 1“ auch ein so bedeutender Kechtslehrer wie Prof. Dr. Kahl hat sich dagegen ausgesprochen. ch freue mich, daß der Führer des Republikanischen Richterbundes, Lwoner, so mutig seine Ansicht vertreten hat, wenn man auch über die Form verschieden denken kann. Der Richter, der sich als Sieger von Magdeburg hat seiern lassen, ist wirklich nicht vorbildlich. (Andauernde Zurufe bei den Deutschnationalen; große Unruhe im Hause.) Aögesichts der heutigen Justiz ist eine Amnestie in be⸗ stimmtem Um ange freilich notwendig. Deshalb empfehle ich, dis Anträge meiner Partei auf Amnestierung derjenigen, b während der Lebensmittelunruhen in bestimmter Weihe straßbar gemacht haben. Guraf bei den Deutschnationalen: Die Schieber!), sowie der⸗ sevigen, ie beim Rhein⸗ und Ruhrkampf wegen Streikvergehen, für die die Haltung der Industriellen die Schuld trage, verurteilt worden sind. (Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten, anhaltendes Zischen rechts.)

„Als der Redner seine Ausführungen geschlossen hat, er⸗ Kommunisten wieder im Saal und werden von

en Sozialdemokraten mit Zurufen empfangen.

Ein Antrag, auf der Anträge an den Rechtsausschuß findet Annahme. Damit ist die Tagesordnung erschöpft.

Nächste Sitzung Freitag 1 Uhr. Kleine Vorlagen. Kom⸗

munistische Anträge, die 1ab anders festzusetzen, als

. vom Präsidenten vorgeschlagen wurde, finden gegen die ntragsteller Ablehnung, darunter auch ein Antrag, der die Vertrauenskundgebung der Preußischen Staatsregierung für den Reichspräsidenten aus Anlaß des Magdeburger Urteils mißbilligt. Hierfür stimmen auch einige Deu nationale, was bei den Sozialdemokraten mit ironischen Zurufen be⸗ gleitet wird.

Schluß 4 ¼ Uhr.

Parlamentarische Nachrichten.

Der Haushaltsausschuß des Reichstags setz gestern die Beratung des Etats des Verkehrs⸗ ministeriums fort. Abg. Schuldt⸗ 8 (Dem.) wider⸗ sprach nach dem Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger den Angriffen gegen die Tätigkeit des General⸗ direktors der Reichsbahn⸗Gesellschaft und hob dessen 32 um die Eisenbahn in der Revolutionszeit und in der 3 eit der Neber⸗ Uegrung der Eisenbahnen in das Eigentum des Reiches hervor

as bezüglich der Leistungszulagen beanstandet sei, beruhe auf dem von allen Parteien beschlossenen 85 Nach dem Reichsbahn⸗ hesetz das einen Bestandteil des Londoner Abkommens bilde, stände eer Reichsregierung kein Einspruchsrecht gegenüber den Bezügen der leitenden Beamten zu, wohl aber gegenüber den Bezügen der übrigen Beamten. Wenn diese Freiheit sür die höheren Beamten gelte, müsse sie auch konsequenterweise für die übrigen Beamten elten. Diese Bestimmung müßte geändert werden. Ein Wider⸗ pruch der Entente sei nicht zu erwarten. Die jetzige Art der Ver⸗ teilung der Leistungszulagen billige er auch nicht. Der Redner wies sodann auf die gehalts⸗ und Lohnbewegung und die Arbeits⸗ zeitfrage unter den Eisenbahnern hin und auf die Folgen, die dar⸗ aus für unser Wirtschaftsleben bei Differenzen entständen. Eine Schutzvorschrift für die Arbeitszeit der Ei sei unbedingt erforderlich. Die mit Kündigung angestellten Beamten müßten nac Jahren den gesetlichen Anspruch auf unkündbare An⸗ ung bekommen. Unter den Beamten bestehe die Befürchtung, die Gruppen I bis IX überhaupt nicht mehr angestellt werden s en. Die Beamten seien keine eigentlichen Beamten mehr, ondern zu besseren Angestellten gemacht worden. Das sei ein un⸗ erträglicher Zustand. Der willkürlichen Auslegung des 24 müsse ein Riegel vorgeschoben werden. Die Reichsbahngesellschaft habe den Beamten, die öffentlich⸗rechtliche Beamte geblieben seien, will⸗ kürlich das Petitionsrecht genomnien. Dieser Schutz müsse den Beamten durch Gesetz wiedergegeben werden. Zum Schlu wies der Redner auf die Zeitungsmeldungen hin, nach denen Bayern dem Eisenbahngesetz nicht zustimme, sondern lich alle Rechte aus dem Staatsvertrage vorbehalte. Abg. Leicht (Bayer. Vp.) be⸗ stätigte dies und betont, daß durch das Eisenbahngesetz dieser Staatsvertrag verletzt worden 8 Der Redner trug sodann Kleinbahnwünsche vor und begrüßte den Antrag auf Bereitstellung von Mitteln für diesen Zweck. Abg. Seibert 8 Vp.) be⸗ klagte, daß die Reichsbahn willkürlich Haltestellen aufgehoben und den Personenverkehr eingestellt habe, weil er sich nicht rentiere. Die Aufhebung der Werkstätten dürfe nicht in einer Weise erfolgen, daß dadurch die Gemeinden in 58 Existenz bedroht würden. Der Abbau der Eisenbahnarbeiter gehe schon zu weit. Die Eisenbahn könne ihren Betrieb nur noch aufrechterhalten, weil sie starke Materialreserbven habe. Die Dienstverhältnisse des 2 ersonals seien katastrophal. Der Reichsverkehrsminister 8 gegen die allzu scharfe Anspannung, die eine Gefährdung der Betriebssicher⸗ heit bedeute, Einspruch erheben. Abg. Koch Düsseldorf (D. Nat.)