1925 / 121 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 26 May 1925 18:00:01 GMT) scan diff

Waren ganz oder teilweise aus Perlmutter oder Nach⸗ ahmungen davon, soweit sie nicht besonders aus⸗ genommen sind oder durch die Verbindung mit anderen Stoffen unter andere Nummern fallen:

andere Waren als Knöpfe [606a] mit Ausnahme der Opern⸗ und Ferngläser, Perlmutter in ganzen Schalen geschliffen oder poliert, auch mit Perlen

Bearbeitete (abgeriebene, geschliffene, durchbohrte) rote Korallen, ungefaßt oder gefaßt oder mit anderen Stoffen verbunden .. . ““ 1“

Gepreßte, gedrehte oder gefräste Knöpfe aus Horn, Horn⸗ masse oder Knochen mit oder ohne Oesen. 8

Waren aus tierischen Schnitzstoffen, nicht unter die vor⸗ stehenden Nummern 160t bis 613] fallend, auch in Verbindung mit anderen Stoffen, soweit sie nicht dadurch unter andere Nummern fallen..

1 B. Holzwaren. . Stöcke, auch in Verbindung mit anderen Stoffen, soweit sie nicht dadurch unter Nummer 568 oder unter andere Nummern fallen, mit Ausnahme der fein ggearbeiteten Peitschenstiele.. 1114““ Weberblätter (Riete, Tuchmacher⸗, Weberkämme) und Weberblätterzähne (Rietstäbe) .. . 1““ Grobe rohe Holzrormen zu Posamentenzwecken.... Stockkanteln aus Holz; Zigarren⸗, Zigarettenspitzen.

D. Waren aus anderen pflanzlichen Schnitzstoffen als Holz und Kork oder aus anderweitig nicht genannten Formerstoffen.

Spulen (Garnspulen), Spindeln (Garnspindeln, Spillen), Weberblätter (Riete, Tuchmacher⸗, Weberkämme) und Weberblätterzähne (Rietstäbe) aus Rohr, auch in Verbindung mit unlackiertem, unpoliertem Eisen sowie Rohrfender. 1 o1“ Stöcke aus Rohr, auch in Verbindung mit anderen Stoffen, soweit sie nicht dadurch unter Nr. 568 oder

unnter andere Nummern fallen .. 1

Perlen und dergleichen aus anderen pflanzlichen Schnitz stoffen als Holz und Kork (mit Ausnahme derjenigen aus Zellhorn oder ähnlichen Formerstoffen), auf Ge⸗ spinstfäden, Schnüre oder Draht gereiht und ohne weiteres als Schmuck verwendbar, auch in gleicher Weise hergestellte Besatzartikel

Elfter Abschnitt. Papier, Pappe und Waren daraus.

Papier und Pappe, auch der Nr. 657, ausgestanzt, auch

mit Handmalereien, gepreßten Naturblumen. Photo⸗ graphien oder in irgendeiner anderen Weise verziert. Papier und Paype, mit Gespinstwaren aller Art ganz oder teilweise überzogen, oder mit Unterlagen oder Zwischenlagen von Gespinstwaren aller Art oder von Drahtgeflecht.. 6““ Spielkarten von jeder Gestalt und Größe Papierwäsche, auch ganz oder teilweise mit Baumwollen⸗ geweben überzogen oder mit Unter⸗ oder Zwischenlagen von Gespinstwaren aller Art 5 ““

Albums (Sammelbücher zur Aufnahme von Bildern,

Briefmarken, Postkarten oder dergleichen) 3 (670/2) Waren aus Pavier, Pappe, Steinpappe, Holzmasse, Zellstoff, Vulkanfiber, Steinpappmasse, soweit sie nicht unter die Nummern 649 bis 669 fallen, auch Hartpapierwaren: (670 a/e) ohne Verbindung mit anderen Stoffen oder nur in Verbindung mit Holz oder Eisen:

Blumen . . 1

Schreibhefte, geheftete oder auf Pappe aufgezogene öder emaebundene Preisverzeichnisse (Kataloge) und andere

in Verbindung (auch ganz oder teilweise überzogen) mit

Gespinsten oder Gespinstwaren aller Art mit fein geformter Wachsarbeit, mit Halbedelsteinen. Perl-. mutter, Elfenbein, Zellhorn (Zelluloid) oder ähn⸗ lichen Formerstoffen, vergoldeten oder versilberten unedlen Metallen (Figuren, Büsteu, Kartonnagen, Ankündigungstafeln, Jacquardkarten usw.); Sticke⸗ reren auf Papier oder Pappe . 11““

Zigärrenspitzen, Ankündigungstafeln, Patronenhülsen, Kartonnagen, Schnellhefter, Briefordner und andere Waren in Verhindung mit anderen als den vor⸗ genannten Stoffen, soweit sie dadurch nicht unter andere Nummern sallen . . . . . .. 8 Zwölfter Abschnitt.

Bücher, Bilder, Gemälde.

Farbendruckbilder in Buch⸗, Stein⸗ (Chromo⸗) Metalldruck; auf Papier gedruckte rellgissen Wartinlinag 6

Kupfer⸗, Stahlstiche, Holzschnitte, Helio⸗, Photogravüren d 252

Photographien v111464“

Gemälde (gemalte Bilder) auf Geweben aus pflanz⸗ lichen Spinnstoffen, auf Holz. unedlen Metallen oder Legierungen unedler Metalle, Papier oder Stein.

Zeichnungen, auch eingebunden oder auf Papier, Pappe, Geweben oder dergleichen aufgezggen.

Fünfzehnter Abschnitt. 8 Glas und Glaswaren. Glasplättchen. Glas⸗, Porzellanperlen, Glasschmelz und schuppen, auch lediglich zum Zwecke der Perpackung 8 und Versendung auf Gespinstfäden gereiht; Glas⸗ tropfen (Glastränen, Springgläser); Glaskörner (⸗kügelchen, massive, tropsen) .. ... . .... Glas., Porzellanperlen, Glasflüsse, ⸗steine, ⸗korallen und dergleichen, auf Gespinstfäden, Schnüre oder Draht genäht oder gereiht und ohne weiteres als Schmuck verwendbar; auch in gleicher Weise her⸗ gestellte Besatzartikel aus Glasperlen usw. . Waren aus Glasflüssen, ⸗steinen oder ⸗korallen, vor⸗ stehend nicht genannt, auch in Verbindung mit anderen Stoffen, soweit sie nicht dadurch unter andere msfall

Sechzehnter Abschnitt. Edle Metalle und Waren daraus. „B. Silber. Waren ganz oder teilweise aus Silber, anderweit nicht genannt, auch vergoldet oder auf mechanischem Wege mit Gold belegt, soweit sie nicht durch die Ver⸗ di cts mit anderen Stoffen unter andere Nummern allen:

Siebzehnter Abschnitt. Unedle Metalle und Waren daraus. A. Eisen und Eisenlegierungen. Eisenbahnweichen⸗ und Signalteile. 1“ Möbel (nicht gepolstert), mit Ausnahme derienigen aus nicht schmiedbarem Kunstguß oder anderem feinen Gusse (781) oder aus Kunstschmiedearbeit (837); Kurngeräte. . . . . ... . .. 1 .

—— 8

¹) Nicht entwertete Briefmarken aus dieser Nummer find schon einfuhrfrei 1 2) Technische Zeichnungen aus dieser Nummer sind schon ein⸗

uhrfrei. ³⁴) Glasperlen aus dieser Nummer sind schon einfuhrfrei.

aus 622

aus 624 aus 6288 aus 630b

B“

E““

m oder Bilder mit

1ö1ö“

Federn (außer Schreib⸗, Sprung⸗, Tür⸗, Wagen⸗, Uhr⸗, Reiß⸗, Jacquardmaschinennadel⸗ und Federn zu Hand⸗ feuerwaffen); Blankscheite (Planchetten) .. 8

Nähnadeln keinschließlich der Heft⸗, Stick⸗ und Stopf⸗ nadeln), auch mit vergoldeten Oehren e“

Näh⸗, Strick., Stick⸗ und Wirkmaschinennadeln ..

Steck⸗ Hechel⸗, Jacquard⸗, Kopier⸗, Kratzen⸗, Strick⸗, Häkel⸗, Haar⸗, Pack⸗ und andere Nadeln, Nadel⸗ spitzen sowie Angelhaken . . .. . . 1u

B. Aluminium und Aluminiumlegierungen.

Bruchaluminium .. 3

H. Waren, nicht unter die Unterabschnitte A bis G fallend, aus unedlen Metallen oder aus Legierungen unedler Metalle.

Waren ganz oder teilweise aus versilberten oder

mit Silber belegten (plattierten) unedlen Metallen

oder Legierungen unedler Metalle, soweit sie nicht

besonders ausgenommen sind oder durch die Ver⸗ 8

bindung mit anderen Stoffen unter andere Nummern fallen:

c4*] 885 b öö6eee Zellenschmelzarbeiten (sogenannte Cloisonneewaren); Perlen aus unedlen Metallen oder aus Legierungen unedler Metalle, vernickelt oder verniert e“

887b Gasmesser (uhren), Wassermesser ohne Uhrwerke.. 891 k

Achtzehnter Abschnitt. 8 Maschinen, elektrotechnische Erzeug⸗ nisse, Fahrzeuge. 8 A. Maschinen. 8

Dampflokomotiven, nicht auf Schienen laufend, ein⸗ schließlich der Dampfstraßenwalzen, jedoch ausschließ⸗ lich der Dampflokomotiven, die zu den Pflügen für Kraftbetrieb 905 a gehören . . ... 6

Gestelle von Näh⸗, Kurbelstick⸗, Strick⸗ auch von Netz⸗ strick⸗(Filet⸗)Maschinen sowie Teile von solchen Ge⸗ stellen, einschließlich der dazugehörigen Tischplatten 11141“

Maschinen für die Leder⸗ und Schuhindustrie ..

Andere Buchdruckmaschinen als Schnellpressen für

Neunzehnter Abschnitt. Feuerwaffen, Uhren, Tonwerkzeuge, Kinderspielzeug.

B. Uhren.

Wand⸗ und Standuhren sowie alle anderweit nicht ge⸗ nannten Uhren mit Uhrwerken (auch solche mit Spielwerken und elektrische oder elektrisch betriebene), soweit sie nicht durch ihre Verbindungen unter andere Nunimern ‚vKI1216

Bekanntmachung.

Auf Grund des § 10 des Gesetzes vom 1. Juni 1898, betreffend die elektrischen Maßeinheiten, sind die folgenden Systeme von Elektrizitätszählern zur Beglaubigung durch die Elektrischen Prüfämter im Deutschen Reiche zu⸗ gelassen und ihnen die beigesetzten Systemzeichen zuerteilt worden:

I. Erster Zusatz zu System . Form L. 1, Induktionszähler

für einphasigen Wechselstrom,

II. Zweiter Zusatz zu System F. Form L. 2, Induktionszähler für einphasigen Wechselstrom,

III. System x. Form C R 3, Magnetmotorzähler für Gleich⸗ strom, 3 sämtlich hergestellt von den Isaria⸗Zählerwerken A⸗G. in München⸗ 8 Eine Beschreibung wird in der „Elektrotechnischen Zeitschrift“ ver⸗ öffentlicht, von deren Verlag (Jul. Springer in Berlin W. 9, Link⸗

straße 23/24) Sonderabdrucke bezogen werden können.

Charlottenburg, den 16. Mai 1925. Der Präsident der Physikalisch⸗Technischen Reichsanstalt. Paschen.

11“

Verb ot von Bildstreifen.

„Rund um den Alexanderplatz“ 7 Akte 2130 m Ursprungsfirma und Antragsteller: Landlicht⸗Filmverleih G. m. b. H., Berlin. Prüfnummer 10 517.

Berlin, den 22. Mai 1925. Der Leiter der Filmoberprüfstelle. 8 Dr. Seeger.

Preußen.

Zuf Grund der durch den Landtagsabgeordneten Pieck mit Ermächtigung des Zeitungsverlages des „Echo des Ostens“ dem Herrn Preußischen Minister des Innern schriftlich und mündlich abgegebenen Erklärung wird das durch meinen Erlaß vom 16. Mai 1925 0. P. 3441 I ausgesprochene Verbot des „Echo des Ostens“ dahin ab gekürzt, daß die Zeitung am 26. Mai 1925 wieder erscheinen dagzgs. Königsberg i. Pr., denl 25. Mai 1925.

Der Oberpräsidenk.

J. W.: Dr. Herbst.

Nichtamtliches.

DSDeutsches Reich. 1

Der Reichsrat hält Donnerstag, den 28. Mai 1925, 5 Uhr Nachmittags, im Reichstagsgebäude eine Vollsitzung.

2

Deutscher Reichstag.

8

65. Sitzung vom 25. Mai 1925, Nachmittags 2 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger.) Am Regierungstische: Reichsfinanzminister von Schlieben. Präsident Löbe eröffnet die Sitzung um 2,20 Uhr und gedenkt des früheren Reichstagsabgeordneten Dr. Neu⸗ mann⸗Hofer, der mit seiner Gattin bei einem Automobilunfall sein Leben verloren hat.

Die von der Staatsanwaltschaft nachgesuchte Genehmi⸗

ung zur Strafverfolgung von neun, meist kommunistischen, Abgeordneten wird nicht erteilt. 8

Das Gesetz über die Wechsel⸗ und Scheckzinsen wird dem Ausschuß überwiesen. Auch der Gesetzentwurf über die Errichtung der Deutschen Rentenbank⸗ Kreditanstalt geht ohne Aussprache an den Volkswirt⸗ schaftlichen Ausschuß.

Es folgt die zweite Lesung des Gesetzentwurfs über die Wiederaufnahme des Verfahrens gegenüber Urteilen der bayerischen Volksgerichte.

Der Rechtsausschuß, in dessen Namen Abg. Dr. Haas⸗ Baden (Dem.) Bericht erstattet, hat einen Gesetzentwurf aus⸗ gearbeitet, wonach gegenüber den Urteilen der bayrischen Volks⸗ gerichte die Wiederaufnahme des Verfahrens stattfinden kann. Die Wiederaufnahme enne. des Verurteilten findet auch dann statt, wenn aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen die Freisprechung des Angeklagten oder in Anwendung eines milderen Etrafgesetzes eine geringere Bestrafung zu erwarten ist. trag auf Wiederaufnahme des Verfahrens zulässig und begündet ist, entscheidet die Strafkammer. Die erneute Hauptverhandlung findet vor dem Gericht statt, das zurzeit der Anordnung der Er⸗ neuerung der Hauptverhandlung für die Sache zuständig ist. Wer in dem wieder aufzunehmenden Verfahren als Richter mitgewirkt hat, ist von der Mitwirkung bei der Entscheidung über die Wieder⸗ aufnahme und in der erneuten Hauptverhandlung ausgeschlossen.

Bayerischer Staatsrat von Nüßlein bittet um Ablehnung des Antrages. Die bayerische Regierung bestreitet die Zuständigkeit des Reiches in der Frage der bayerischen Volksgerichte, die ihr Ent⸗ stehen einem bayerischen Reservatrecht verdanken. Bayern hatte das ausdrückliche Recht erhalten, seinen Ausnahmezustand selber zu regeln. Aus dieser Rechtslage ergibt sich, daß von Anfang an eine Zuständigkeit des Reiches 19 nicht bestanden hat. Höchstens könnte im Wege eines verfassungsändernden Gesetzes verfahren werden. Aber auch dann würde Bayern sich dagegen erklären, da nicht ohne Not in die Selbständigkeit der Länder eingegriffem werden darf. Auch ganz vereinzelte Fehlurteile würden ein Ein⸗ greifen des Reiches nicht rechtfertigen.

Abg. Hampe (Wirtschaftl. Vereinig.) weist auf die reichende Bedeutung des sozialdemokratischen Antrages hin. Die bayerischen Volksgerichte kannten zwar die Möglichkeit eines Wiederaufnahmeverfahrens nicht. Das war aber nichts Besonderes; bei anderen Gerichten, z. B. Standgerichten, war das auch nicht der Fall. Der Redner schließt sich den Ausführungen des Vor⸗ redners bezüglich des bayerischen Reservatrechtes an. Aber auch aus staagtspolitischen Gründen sei der Antrag abzulehnen. Man müsse alles tun, um den endlich errungenen Zustand des inneren Friedens aufrechtzuerhalten. Der Antrag sei um so unbedenk⸗ licher abzulehnen, als eine Korrektur etwaiger Fehlurteile durch ein weitgehendes Begnadigungsrecht ermöglicht sei.

Abg. Lehmann (D. Nat.) lehnt die Vorlage gleichfalls ab und schließt sich den Gründen der beiden Vorredner an. Die Rechtsfrage könne allerdings vielleicht streitg sein. Das Ent⸗ scheidende sei aber nicht die juristische Frage, sondern die staats⸗ färitilchen Gründe. Eine Nachprüfung der Weimarer Verfassung ei ja in der Richtung erwünscht, wie die Rechte der einzelnen Gerade dieser Augenblick

weit⸗

Länder besser geschützt werden könnten. sei daher so schlecht wie möglich gewählt.

Abg. Sänger (Soz.): Der Ausschuß hat bei -. Be⸗ ratungen alle parteipolitischen Gesichtspunkte gänzlich außer Betracht gelassen. Angesichts der tatflichlichen und rechtlichen Lage erscheinen die Pressestimmen, die sich gegen dieses Gesetz als einen „unerhörten Eingriff in die bayerische Justizhoheit“ entrüsten, geradezu grotesk. Eine dieser Stimmen erblickt in dem Gesetz sogar die Ebnung des Weges zum deutschen Bolschewismus. (Heiterkeit.) Man will den von den bayerischen Volksgerichten politischen Verurteilten vorenthalten, was man den Wucherern ausdrücklich zugestanden hat! Die Voraussetzungen für die Er⸗ richtung dieser Ausnahmegerichte sind längst entfallen; dennoch hat der jetzige baher he Justizminister Dr. Gürtner erklärt, an die Aufhebung sei erst zu denken, wenn das Gerichtsverfassungs⸗ gesetz geändert sein werde. Als das Volksgerichtsgesetz im Juli 1919 in Bamberg zustande kam, wurden die Bedenken unserer Freunde, daß ein Wiederaufnahmeverfahren nicht vor⸗ gesehen sei, damit beschwichtigt, daß das Gesetz ja nur kurze Zeit in Kraft bleiben werde; jetzt aber soll die Justizhoheit Bayerns in Gefahr kommen, wenn die Wiederaufnahme zugelassen wird. Das Verfahren vor diesen sogen. „Volksgerichten“ ermangelt so sehr der elementarsten Rechtsgarantisn, daß die Zulassung der Wieder⸗ aufnahme eine unbedingte Notwendigkeit ist; das haben auch rechtsgerichtete bayerische Juristen anerkannt, die in dieser Art Rechtspflege nicht Recht, sondern Willkür sehen. Was soll man dazu sagen, wenn in Bayern vor einer Studentenversammlung durch ein Professor erklärt werden kann, in Bayern könnten die Erzbergermörder ruhig ihrem Erwerbe nachgehen, in Bayern werde man sie nicht verfolgen? Auch in Bayern ist die Forderung der Aufhebung der Volksgerichte schon jahrelkang erhoben worden. Fechenbach ware nicht begnadigt worden, wenn nicht die bayerische Regierung in diesem Falle zur Erkenntnis gekommen wäare, daß hier ein Unrecht verübt worden ist; aber das von uns be⸗ antragte Gesetz wird sich keineswegs in seiner Wirkung auf den Fall Fechenbach beschränken. Selbst der „Tag“, der „Lokal⸗ anzeiger“ und die „Deutsche Tageszeitung“ in Berlin sind nicht daran vorbeigekommen, daß im Falle Fechenbach ein Rechts⸗ irrtum vorliegt. Fünfeinhalb Jahrghhaben die bayerischen Volks⸗ gerichte amtiert, ohne daß gegen ihre Urteile ein Rechtsmittel ge⸗ geben war: wir verlangen im Namen des Rechts und der Sittlich⸗ keit, daß mit unserem Gesetzentwurf diesem Mangel, der die Rechtssicherheit überhaupt in Frage stellt, endlich abgeholfen werde! (Beifall bei den Sozialdemokraten.)

Abg. Dr. Kahl (D. Vp.): Ich werde dem Antrag des Rechts⸗ ausschusses zustimmen. Das Reich ist zwei ellos zuständig, diese Materie des Strafverfahrens zu regeln; es ist kein Eingriff in die Nun tizhoheit Bayerns. Es sind nicht politische, sondern reine Rechtsgründe, die mich bestimmen, für dieses Gesetz zu stimmen. Entscheidend sind die Forderungen der Rechtssicherheit. Es ist eine einzigartige Erscheinung, daß hier gegen ein Ürteil dieses Ausnahmegerichts überhaupt kein Rechtsmittel gegeben ist. Ich kann nicht für alle meine Freunde sprechen, aber ein Teil von ihnen wird sich aus rein iuristischen Gründen meinen Aus⸗ führungen anschließen.

Abg. Troßmann⸗Nürnberg (Bayr. Volksp.): Im Bayerischen Landtag haben sich die mehrfachen Versuche, das Wiederaufnahmeverfahren gegen die Volksgerichte einzuführen, zerschlagen, weil Baͤyern das Gesetz über die Volksgerichte wohl einführen, aber nicht mehr a ändern konnte, nachdem die Weimarer Verfassung die Zuständigkeit dafür an das Reich über⸗ tragen hatte. Die bayerischen Volksgerichte ganz aufzuheben, hieße, das Kind mit dem Bade auszuschütten; das Volksgerichts⸗ gesetz ist ein Kind der Revolution, die Linke darf sich also nicht darüber beschweren. Die Ungerechtigkeiten, die in den letzten Jahren daraus hervorgegangen sind, 28. sich nicht mit einem Schlage beseitigen. Wir können diese Dinge nicht wieder auf⸗ rühren. ill man die Justizhoheit der Länder aufheben, so möge man es offen sagen, aber nicht mit solchen kleinlichen Maßnahmen hinten herum kommen. Ich bitte den Reichstag also, das Gesetz abzulehnen. Abg. Dr. Korsch (Komm.) meint, es werde im Lande wenig verstanden werden, wenn jetzt sechs Jahre nach der Revolution, im Reichstage die Aufhebung von Ausnahmegerichten, wie sie die bayerischen Volksgerichte darstellten, abgelehnt werden sollie und dieser ganz besondere Schandfleck der deutschen Justiz bestehen bleibe. Der Einspruch der bayerischen Regiexung gegen Einführung des Wlederaufnahmeverfahrens gegen Urteile der bayerischen Schandgerichte sei bezeichnend. Bei Einrichtung der bayerischen Volksgerichte habe es sich nur um eine vorübergehende Maßnahme gehandelt, weil Gefahr im Verzug war. Es sei un⸗ erhört, daß ein solcher weißer Terror bestehen könne. Heute gelte in Deutschland jenes französische Wort aus der Zeit der

Verunglimpfung der Republik: Paime mieux la terreur blanche

Darüber, ob der An⸗

que la terreur rouge! Die deutsche Emminger⸗ und Radbruch⸗ justiz sei zu einer Schnellfeuerjustiz gegen das Proletariat geworden. Die bescheidensten Reformen 5— von der demokra⸗ tischen Republik abgelehnt worden. Dazu komme noch die Ver⸗ weigerung der Amnestie für die Opfer der Ausnahmejustiz der

unten deutschen Republik. Der Redner warnt vor den olgen solcher Taten. Man gewöhne die Massen an das Mittel

Gewalt.

F Dr. Haas (Dem.) stimmt dem Gesetzentwurf zu, fragt aber, ob man in Bayern nicht auch der Auffassung sei, daß einem von einem bayerischen Volksgericht Verurteilten die Möglichkeit des Wiederaufnahmeverfahrens gegeben werde. Bayern felbst könne dies nicht einführen, könne aber das Reich um Einführung des Wiederaufnahmeverfahrens bitten.

Abg. S. a enßer (Soz.) tritt den Ausführungen des Abg. Treßmann über die Haltung der bayerischen Sozialdemokraten gegenüber dem bayerischen. Volksgericht entgegen. Seitdem Sealeig die Hoffnung auf Einführung des Wiederaufnahme⸗ verfahrens geschwunden wäre, seien die Sozialdemokraten immer wieder für die Aufhebung der Volksgerichte eingetreten.

Damit ist die Aussprache beendet. Da die Abstimmung 4 bleibt, so erfolgt Auszählung. Dafür stimmen

ie Demokraten, Sozialdemokraten und die Kommunisten, eine

Minderheit der Deutschen Volkspartei unter Führung des Abg. Dr. D. Kahl und eine Minderheit des Zentrums unter Führung des Reichsarbeitsministers Brauns. Das Gesetz wird mit 148 gegen 126 Stiurmen in allen drei Lesungen angenommen. Die Annahme wird von der Mehr⸗ heit mit lebhaftem Beifall aufgenommen.

Es folgt die Beratung über den H aushalt für die Ausführung des Friedensvertrages (Kriegs⸗ lasten), dessen Annahme Abg. Drewitz (Wirtschaftl. Ver⸗ einigung) als Berichterstatter empfiehlt.

Abg. Dauch (D. Vp.) gibt namens der Deutschnationalen, der Deutschen und der Bayerischen Volkspartei, des Zentrums und der Wirtschaftlichen Vereinigung folgende Erklärung ab: Obgleich wir die Besprechung des Haushalts für die Aus⸗ führung des Friedensvertrages 5 außerordentlich wichtig halten, 8 nehmen wir heute davon Abstand, zu diesem Haushalt zu prechen, weil der Ergänzungshaushalt noch nicht im Ausschuß beraten ist. Um zu vermeiden, daf i der Beratung des Ergänzungshaushalts im Plenum viele der heute besprochenen sfhacen nochmals angeschnitten werden, werden wir unsere Aus⸗

hrungen zu dem Haushalt für die Ausführung des Friedens⸗ vertrages erst bei der Besprechung des Ergänzungshaushalts im Plenum machen.“

Abg. Dr. Dernburg (Dem.) schließt sich der vom Vor⸗ redner abgegebenen Erklärung an.

Abg. Dr. Rosenberg (Komm.) ist ebenfalls mit der Ver⸗ schiebung der Aussprache einverstanden, hält aber schon jetzt für notwendig zu beanstanden, daß den mit der Herstellung von Kriegsmaterial beschäftigten Fabriken in diesem Haushalt noch besondere Liebesgaben zugewendet werden sollen.

Der Haushalt wird darauf nach den Ausschußvorträgen in zweiter Beratung angenommen. Damit ist die Tages⸗ ordnung erledigt.

Nächste Sitzung Dienstag, 2 Uhr: Haushalt des Reichs⸗ wehrministeriums. Die zweite Lesung des spanischen Handels⸗ vertrages wird am Mittwoch nach der zweiten Lesung des Ueberleitungs⸗Gesetzes stattfinden. 1

Schluß 4¼5 Uhr.

Nr. 20 des „Reichsarbeitsblatts“ (Amtsblatt des Reichs⸗

arbeitsministeriums und der Reichsarbeitsverwaltung) hat folgenden

dv Amtlicher Teil. I. Arbeitsvermittlung und rwerbslosenfürforge. Gesetze, Verordnungen, Erlasse: Schutz gegen das Bestechungsunwesen. Sachsen. Arbeitsvermittlung durch Gemeindebehörden. Bescheide, Ur⸗ teile: 53. Beitragspflicht zur Erwerbslosenfürsorge (Bedienungs⸗ personal in Krankenhaͤusern und ähnlichen Anftalten). IV. Arbeit⸗ nehmerschutz. Gesetze, Verordnungen, Erlasse. Richtlinien zu § 18 des Hausarbeitgesetzes vom 27. Junt 1923 (RG Bl. 1 S. 172 und 730) und zu § 2 der Verordnung über Fach⸗ ausschüsse für Hausarbeit vom 28. November 1924 (RGBl. I S. 757). Vom 7. Mai 1925. Uebertragung von Befugnissen des Reichs⸗ arbeitsministers an die obersten Landesbehörden. V. Sozial⸗ versicherung. Gesetze, Verordnungen, Erlasse: Verordnung über Geschäftsgang, Verfahren und Tragung der Kosten der Schiedsämter (Schiedsamtsordnung). Vom 8. April 1925. Verorduung über die Jahresarbeitsverdienstgrenze in der Angestellten⸗ versicherung. Vom 23. April 1925. Anhang II: Aus⸗ ländische Gesetzgebung. Vorschlag der Internationalen Arbeitskonferenz, betreffend die Benutzung der Freizeit der Arbeiter. Anhang III: Bekanntmachungen über Tarif⸗ verträge. I. Anträge auf Verbindlicherklärung von Tarif⸗ verträgen. II. Eintragung der allgemeinen Verbindlichkeit tarif⸗ licher Vereinbarungen in das Tarifregister. III. Löschungen von Eintragungen über allgemeine Verbindlichkeit tariflicher Verein⸗ barungen in das Tarifregister. Nichtamtli cher Teil. Um⸗ hns. 20 Seiten. Zur Arbeitsmarktlage. Statistische

achweisungen über die Arbeitsverhältnisse und Löhne in den Hauptbergbaubezirken im Jahre 1924. Die Tätigkeit der gewerbsmäßigen Stellenvermittler im Jahre 1924. Von Regierungs⸗ oberinspektor Schwanengel, Reichsarbeitsverwaltung. Die Deutsche Heimarbeitsausstellung 1925. Von Else Lüders, Regierungsrat in der Reichsarbeitsverwaltung. Sozia l⸗ politisches aus dem Ausland: Wanderungsstatistik und Wanderungspolitik in verschiedenen Ländern. Von Dr. Irmgard Feig, Charlottenbursg. Mitteilungen. Vorlesungen sozial⸗ politischen Inhalts im Sommerhalbiahr 1925. 29. deutscher Krankenkassentag. Zweiter deutscher Alkoholgegnertag. Grün⸗ dung der Deutschen Liga für freie Wohlfahrtspflege. Bücher⸗ anzeigen und Bücherbesprechungen.

Parlamentarische Nachrichten.

5 1““ 88 Haushaltsausschuß des Reichstags nahm

gestern vormittag den Bericht des Abg. E rsing (Ztr.) über das Ergebnis der Verhandlungen des auf Wunsch des Finanzministers eingesetzten Unterausschusses über die egenwärtige Finanzlage entgegen. Der Unterausschuß hat zusammen mit em Unterausschuß des Steuerausschusses in gemeinsamer Ab⸗ wägung der 8h. ügen vesseeeecgesen getagt. An Hand ein⸗ ehender Unterlagen, die im wesentlichen bereits der Oeffentlich⸗ eit bekannt sind, hat der Unterausschuß das Etats⸗ und Kassen⸗ bild des Reiches nach der Einnahmen⸗ wie nach der Ausgabenseite hin, einer genaunen Prüfung unterzogen. Der Berichterstarter erklärte als Resultat der Untersuchung folgendes: Wenn in einzelnen Fällen die Schätzung auch als zu hoch, in anderen wieder als zu vorsichtig angesehen wurde, so kamen wir im großen und ganzen zu folgender Auffassung, die ich schriftlich niedergelegt habe. Der Ausschuß kam zu der Auffassung, daß die stillen Rücklagen im Etat, die nur in Umfang vorhanden sind, n gerechtfertigt sind. ine stille Reserve ieht der Ausschuß in der angesetzten Summe von 235 Millionen ür die Durchführung der vierteljährlichen Steuer⸗ und Gehalts⸗ zahlungen. Die Durchführung der vierteljährlichen Steuer⸗ zahlungen für diejenigen Zensiten, die zur Einkommensteuer ver⸗ anlagt werden, bedeutet, daß dieser Teil der Steuerzahler die

Steuern nicht mehr monatli

zahlt, und zwar am Schluß, und daß dadurch in dem ufluß der Steuern zur Reichskasse eine Stockung entsteht. Nach einer sems Uebergangsperiode wird diese Stockung aber ausgeglichen

1“ voraus, sondern

ein, so daß die in dem Voranschlag vorgesehene Summe unter Umstanden zur Bilanzierung des Etats dienen kann falls eine Unterbilanz eintreten sollte. Dies gilt nicht für die Rückstellung der Summen für Gehaltszahlungen. Der Vorschlag der Reichs⸗ regierung, eine Reparationsrücklage in Höhe von 220 Millionen Mark zu machen, ist heftig angegriffen worden. Der Spar⸗ ausschuß kam zu der Auffassung, daß die von der Reichsregierung beantragte Keparatonreclahe ns erechtfertigt ist. Nach eingehender Prüfung hält der Ausschuß die Auffassung, als ob im Ea große stille Reserven vorhanden find, nicht für e. Aber ebenso ist er auch der Auffassung, daß eine steuerliche Ueberlastung wie im ver⸗ Jahre auf die Dauer unheilvolle Folgen zeitigen würde. Der Ausschuß hält es daher für seine Pflicht, alle beteiligten Stellen darauf aufmerksam zu machen, daß durch die bereits be⸗ antragten oder gefaßten Beschlüsse in den verschiedenen Ausschüssen zwischen den Einnahmen und Ausgaben des Etats jetzt schon so roße Spanungen geschaffen worden sind, daß bei einer weiteren zergrößerung im Etat eine Unterbilanz eintreten wird und dantit die Gefahr eintritt, daß das Reich nicht mehr in der Lage ist, seine öffentlichen Aufgaben zu erfüllen. Was das für die Aus⸗ führung des Dawes⸗Gutachtens ist, brauche ich nicht darzulegen. Der Ausschuß gibt der Meinung Ausdruck, daß eine stabile Ent⸗ wicklung der Reichsfinanzen absolut notwendig ist für eine Ge⸗ sundung unserer Wirtschaft, für eine ruhige, soziale Entwicklung und für die Wiederkehr des Vertrauens unseres Volkes zu seinen Staatssinanzen. Ohne die Wiederkehr dieses Vertrauens werden niemals Staatsanleihen auf dem Anleihemarkt gemacht werden können. Der Ausschuß ist der Auffassung, daß das Reich wie auch Länder und Gemeinden Ausgaben für werbende Anlagen nicht ausschließlich durch Steuern, sondern in erheblichem Umfange durch Anleihen aufbringen sollte, damit auch die künftigen Generationen für den Nutzen, den se aus wirtschaftlichen Anlagen beziehen, zu den Kosten beitragen müssen. Soll aber die Einnahme⸗ und Aus⸗ gabeseite des Etats bilanziert bleiben, dann muß die Reichs⸗ regierung die Führung übernehmen und eine offene, klare und feste 1n und Etatspolitik treiben. Zusammenfassend stelle ich fest: ach dem Ergebnis der Verhandlungen im Unterausschuß des Haushaltsausschusses muß anerkannt werden, daß das vom Reichs⸗ finanzministerium dargelegte Kassen⸗ und Etatsbild im wesentlichen zutreffend ist. Der Ausschuß ist allerdings der Ansicht, daß zurzeit noch gewisse Reserven vorhanden sind. Es handelt sich hierbei jedoch nur um geringere träge oder um Beträge einmaliger Art, die durch vermehrte Ausgaben binnen kurzem aufgezehrt sein werden und daher ungeeignet sind, laufende Mehrausgaben zu stützen. Die gemeinsame Verhandlung mit dem Vertreter des Steuerausschusses hat ergeben, daß das Gesamteinnahmebild des Reiches nicht wesentlich höher angenommen werden kann, als es von der Regierung geschehen ist. Im Gegenteil haben schon die bis⸗ herigen Beschlüsse des Unterausschusses einen Einnahmeausfall für das Reich allein von rund hundertfünfundsiebzig Millionen Mark zur Folge gehabt. Hiernach ist der Unterausschuß der Ansicht, daß die Gesahr einer Störung des Gleichgewichts im Haushalt außerordentlich nahe liegt. Zur Vermeidung dessen ist auf der Ausgabeseite die größte Vorsicht geboten, während die Ein⸗ nahmen, falls die bisherigen Ausgabebeschlüsse des Haushaltsaus⸗ schusses und der Spezialausschüsse aufrechterhalten werden sollen, keinesfalls wesentlich mehr herabgemindert werden dürfen. Abg. Stücklen (Soz.) wies auf den 8 der finanziellen Lage hin. EFine Kürzung der Ausgaben oder Erhöhung der Einnahmen sei außerordentlich schwer. Die e sei ein sorgen⸗ volles Prohlem. Abg. Cremer 1:8 etonte, daß vor Milderung der Steuern, vor allem der Einkommen⸗ und Körper⸗ schaftssteuern, eine sorgfältige Prüfung der gesamten Einnahmen notwendig sei. Er forderte Nachprüfung der bereits erledigten Etats. Abg. Dretrich⸗Baden (Dem.) bemängelte die Verwirtschaftung der Ueberschüsse und verlangte, daß die daraus gemachten Ausgaben in allen Fällen einer Nachpruüͤfung unterzogen werden, damit endlich das Etatsrecht des Reichstags gewahrt bleibe. Er ließ ferner die Ftage offen, ob eine starke Reparationsrücklage, wie sie vorgesehen ei, jetzt schon notwendig wäre. Das Dawesgutachten sei klug genug, der deutschen Wirtschaft eine Fehatengspense von drei Jahren zu eben. Bei Fortsetzung der gegenwärtigen Steuerwirtschaft werde iese vernünftige Absicht illusorisch gemacht. Die demokratische Partei setze sich deswegen mit aller Energie dafür ein, daß die teuerlast ermäßigt und daß an den Ausgaben übera da. wo Men Gründe nicht im Wege stünden, entschieden gespart werde. Der einung, daß man die Ueberweisungen an die Länder in der Summe nach oben festlegen solle, trete er nicht bei. Abg. Hergt (D. Nat.) hob hervor, daß der Reichsfinanzminister vor den Ausschuß getreten sei, um in der „Bewilligungs reudigkeit“ eine kleine Aenderung eintreten zu lassen. Dabei käme der Minister allerdings nicht daran vorbei, daß sein Ministerium in dem wirtschaftlich bee Jahr 1924 einen Ueberschuß erzielt habe. Er hillige das Vorgehen des Ministeriums, mit den Ueberschüssen im Reiche finanziell Ordnung u schaffen. Man könne dem Minister keine Einnahmen streichen; bege Partei sei erfreut, daß ein Ä einmal daran gedacht abe, für das Dawesgutachten, das auch die Deutschnationalen in richtigem Sinne erfüllen wollten, Reserven zurückzustellen, wenn Ueber üss vorhanden seien. ver eine richtige Verwendung dieser Ueberschüsse zu sorgen, würde Aufgabe des Reichstages sein. Dem Minister müsse zugestimmt werden, wenn er die Ausgaben stoppen wolle, und diesem Wege würden die Deutschnationalen den Minister unter Abg. Hilferding (Soz.)]: Es handelt sich nicht darum, daß die Reserven unkorporativ im Etat gescha werden, sondern darum, daß sie korporativ in der Wirtschaft gebildet werden. Wir wenden uns deshalb dagegen, daß irgend eine Ueber⸗ spannung in bezug auf die künftigen Zahlungen aus dem Dawes⸗ utachten stattfindet, und wir wenden uns deshalb auch gegen eine hesaurierungspolitik. Die Finanzlage der Länder ist heute unseres Erachtens eine günstige, und daher könnten die Summen. die den Ländern aus der Einkommen⸗ und Umsatzsteuer überwiesen werden, vom Reichstage vorher fixert werden. Wenn dann diese Steuern darüber hinaus Ueberschulfe ergeben, 2 könnten diese in den Betriebsmittelfonds des Reiches fließen, ebenso wie die 1925 zu erwartende einmalige Einnahme aus dem Münzgewinn. Bei en Einnahmen sind auch nicht in Betracht Piogen die Mehrergebnisfe der von der Regierung vorgeschlagenen Zölle, die am 1. August in Kraft treten sollen. Diese Zollvorlage wird im Falle ihres In raft⸗ tretens den Lebenshaltungsindex verteuern; daher müssen die Löhne dann eine Erhöhung erfahren, Reichsfinanzminister vv. Schlieben: Die im Etat 1924 erzielten Mehreinnahmen haben nicht etwa allein die Wirtschaft belastet; sie vielmehr zu einem großen Teil entstanden aus Rentenmarkkreditgewinnen, aus Gewinnen der Silberprägung, der Rentenmünzprägung usw. Wir werden für die Balance des Etats alles irgend wie Erreichbare zusammenholen müssen. Dabei wollen wir nichts ohne Zustimmung des Reichstags unternehmen. Ich betone nochmals, daß mir nichts ferner liegt als eine Thesaurierungspolitik, die ja auch gar nicht möglich ist. Es ist mir klar, daß die Wirtschaft nicht zu Grunde gerichtet werden kann, denn sie könnte ja dann keine Steuern mehr zahlen. Betriebsmittelfonds des Reiches brauchen wir heute ganz erhebliche Summen. Sie können das Vertrauen zu mir haben, daß ich alles tun werde, einerseits die Wirsschoft zu a. andererseits zu ver⸗ hüten, daß ein Loch entsteht. Meine große Sorge um die Wirtschaft at i dazu veranlaßt heute vor Sie hinzutreten. Der Vor⸗ itzende, Abg. Heimann gab dem Ausschuß dann eine itteilung des Unterausschusses zur Kenntnis, in der es heißt: Nach eingehender Prüfung der Finanzlage ist der Unterausschuß zu der Ansicht gekommen, daß die Gefahr einer Störung des Gleich⸗ Fmüchte⸗ im 8v nahbeliegt. Zu ihrer Vermeidung ist gyößte orsicht auf der Ausgabenseite geboten, während die Einnahmen keinesfalls wesentlich herabgemindert werden dürfen. Das Plenum des Haushaltsausschusses nahm diese Mitteilung zur Kenntnis und vertagte sich auf Montag nachmittag. 8

Für den

Der Haushaltsausschuß des Reichstags nahm in seiner gestrigen Nachmittagssitzung Stellung zum Kapitel der Selbstmorde in der Reichswehr. Der Berichterstatter, Abg. Stücklen (Soz.) gab, dem Nachrichtenbüro des Vereins deut⸗ scher Zeitungsverleger zufolge, eine Uebe über die bisherigen Verhandlungen und eine Statistik der ermittelten Eründe für Selbst⸗ morde in der Reichswehr im Jahre 1923. Im Alter von 20 bis 22 Jahren seien 1923 insgesamt 127 Selbstmorde vorgekommen und aufgeklärt. Bei vier Selbstmorden sei Mißhandlung als Grund an⸗ gegeben. Ein Vertreter des eichswehrmini⸗ steriums gab alsdann eine Statistik der Selbstmorde für 1924. In diesem Jahre beträgt die Zahl der Selbstmorde in der Reichs⸗ wehr 160, darunter 27 Selbstmordversuche. Dem Alter nach end⸗ fällt die höchste Zahl der Selbstmorde in das 21. Lebensjahr. 29 Reichswehrsoldaten haben in diesem Alter ihrem Leben ein Ende gemacht. 27 Selbstmörder waren 22 Jahre alt. 17 20 Jabhre, 13 19 Jahre, 7 18 Jahre und 2 17 Jahre alt. Nach dem dreißigsten Lebensjahre nimmt die Zahl der Selbstmörder in der Reichswehr sehr stark ab. Am gefährdetsten erscheint hiernach das Alter von 20 bis 23 Jahren, in dem die meisten Soldaten die Krisis ihrer Laufbahn erleben. Dem Dienstgrad nach sind an den Selbstmorden beteiligt: 1 Oberleutnant, 1 Leutnant, 24 Unteroffiziere, 36 Gefreite und 98 Mannschaften, dem Bekenntnis nach 130 evangelische und 30 katholische. Wie schon in der Statistik für 1923 sich heraus⸗ estellt hat, handelt es sich bei den Selbstmördern fast durchweg um Fune von guter Führung, die für ihre Laufbahn als Soldaten noch alles zu verlieren hatten. Als Gründe, die nach Ermittlungen für den Entschluß zum Selbstmord bestimmend gewesen sind, ergeben sich u. a.: Wirkung einer Strafe für Diebstahl, Unterschlagung, rechts⸗ widriger Waffengebrauch, Tätlichkeit gegen einen Vorgesetzten, Wacht⸗ vergehen, unerlaubte Entfernung oder Ungehorsam in 43 Fällen; Liebeskummer, Eiferfucht, Alimentensorgen usw. in 35 Fällen: Krank⸗ heit und Furcht vor Erkrankungen (darunter vor. Geschlechtskrankbeit in 11 Fällen) in 19 Fällen; geistige Minderwertigkeit oder krankhafte Schwermut in 16 Fällen; leichtsinnige Schulden und Unlust zum Dienst in 14 Fällen; Aussichtslosigkeit der Laufbahn (durch eigene Schuld in 13 Fällen): Entlassung wegen Unwürdigkeit oder Unbrauchbarkeit in 11 Fällen usw. Sechs Soldaten haben auch wegen schlechter Behandlung Selbstmord begangen. Einer war von einem Gefreiten, als Vorgesetztem, rechts⸗ widrig behandelt worden. Der Gefreite ist dofür gerichtlich mit einer Woche mittleren Arrest bestraft worden. Ein Soldat hat Selbst⸗ mord verübt, weil er sich Vorwürfe darüber gemacht hat, daß er einen durch Selbstmerd geendeten Kameraden nicht von der Tat zu rück⸗ gehalten hat. Heiratsschwierigkeiten haben unmittelbar in zwei Fällen den Selbstmord veranlaßt. In einem dieser zwei Fälle fürchtete der Täter, die Erlaubnis Sp Heirat nicht erhalten zu können. Seine Braut, die er mit in den Tod genommen hat, war eine übel beleumdete Petson Nicht geklärt ist der Anlaß zum Selbstmord in acht Fällen. Die Nachweisungen für 1924 ver rken gegenüber denen für 1923 noch den Eindruck, daß die Länge der Dienstzeit als mitwirkende Ursache für die Selbstmorde anzusprechen ist. Bei der Beurteilung der Selbstmordziffern darf nicht übersehen werden, daß gerade die Soldaten in dem gefährdeten Alter von zwanzig bis drei⸗ undzwanzig Jahren während des Krieges und in der Nachkriegszeit unter den ungünstigsten Erziehungsbedingungen herangewachsen sind. Ueber diese Jahrgünge äußert sich ein in der Militärseelsorge. tätiger Zivilgeistlicher u. a.: Erschütternd ist es oft. die Klagen über verworrene Familienverhältnifse mit anhören zu müssen. Ich haber den Eindruck, daß infolge der Auflösung fast aller sittlichen Drd nun gerade unter jungen Menschen eine völlige innere Unsicherhei und Haltlosigkeit Platz gegriffen hat. führte Abg. Tr. Moses (Soz.) u. a. aus: Wenn in der Reichswehr die Zahl der Todesfälle durch Krankheit 187 betrage, die Zahl der durch Selbst⸗ mord und Unglücksfälle aus dem Leben geschiedenen Reichswehr⸗ 9 Kers 1 so 4. das ein 1. ungesgüre⸗ der Reichstag diese Dinge einmal energisch zu ergrunden gzen müsse. Der Redner wies dann darauf hin, daß 1923 im Reichswehr⸗ kommando VI neun Selbstmorde, im Wehrkreiskommando II da⸗ gegen 39 Selbstmorde vorgekommen seien. Hier müsse auch eine Prufung einsetzen. Fast ausnahmslos seien die Selbstmomde durch Erschießen erfolgt. Wenn die Heeresverwaltung ausdrücklich betont. daß schlechbe Behandlung im Dienst in als Selbstmord⸗ ursache festgestellt worden sei, so scheine nach den Mitteilungem, die die Abgeordneten aus den verschiedenen Fraktionen erhielten, daß diese Dinge doch nicht ganz zutreffend gekennzeichnet worden seien. Auch hier werde in jedem eintelnen Falle von Selbstmord eine genaue erfolgen müssen. Der Redner wies darauf hin, daß ähnliche erscheinungen sich auch beim ösfterreichischen Heere gezeigt hätten. Während nun in der Zivilbevölkerung die Junahme der Selbstmorde zweifellos zum aller⸗ größten Teile auf wirtschaftliche Gründe mrückzuführen sei, fehle dieses Moment in der Reichswehr oder sei zum mindesten nichkt aus⸗ schlaggebend. Der Redner schlug vor, daß jeder Fall von Selhst⸗ mord in der Reichswehr dem parlamentarischen Beivat ves Wehr⸗ ministeriums zur Kenntnis gegeben werben möge und daß dieser Beirat die Möglichkeit habe, an Ort und Stelle eine genaue Prufung des betreffenden Falles eintreten zu lassen. Auf diese Weise hofft er eine starke Abnahme der Selbstmorde in der Reichswehr zu er⸗ zielen. Abg. Dr. Schreiber (Zentr.): Der Tatsachenbestend, auf dem wir unser Urteil aufbauen, ist außerordentlich gering. Uns fehlen auch die internationalen Vergleiche. Betrüblich aber bleibt auch der deutsche Tatbestand. Begrüßen kann auch ich den Gedanken den pariamentarischen Beirat mit dieser Frage zu befassen, wenn ich auch nicht jeden Fall dort behandelt sehen möchte. Wir kamen sonst u einer Politisierung der Reichswehr. Auf Grund persönlicher Ein⸗ bräcke bei der Marine habe ich die Ueberzeugung gewonnen, daß Persönlichkeitsbewußtsein des einzelnen Mannes gewachsen ist, wir sozial⸗ekhisch vorwärts gekommen sind. Der Svort setzt ein höheres Persönlichkeitsbewußtsein voraus. Nur bei der Torpedo⸗ bootswaffe ist die Stimmuna etwas gedrückt wegen der schrecklichen Unterkunftsverhältnisse. Daran ist allerdings der Friedenspertvag schuld, der uns überalterte Schiffe aufswingt. Ich vermisse eine Statiftik über die Marineselbstmorde. In dem grauen Einerlei Dienstes brauchen die Mannschaften mehr Bücher, Bilder, Musikalien und ähnliche Einrichtungen zur Förderung der seelischen Kultur. Dem Linienschiff „Hessen ist jetzt ein Lehrer mitgegeben. Die Seelsorge müßte vertieft werden. limm drückt auf die Leute immer noch die Versorgungsfrage den langen Dienstjahren. Die Ver⸗ sorgungsmöglichkeiten müssen verbessert werden. Reichewehrminister Dr. Geßler dankte für das Lob. das den sportlichen Veranstaltungen der Reichswehr gezollt worden ist und sagte: Er sei ganz ein⸗ verstanden damit, den parlamentarischen Berrat 8 Prüfung der Selbstmorde in der Reichswehr heranzuziehen. Nicht jeder F könne dort sofort behandelt werden, weil eben die gerichtliche Unter⸗ suchung zunächst einsetze. Bei den Selbstmorden spielten sicherlich seelische und okonomische Faktoren mit. Die Vermehrung der er⸗ höhten Stellen werde ökonomisch eine Besserung der Verhälknisse der Mannschaften herbeiführen. Bei dem engen Zusammenleben in der Reichswehr stellten sich manche Vergehen, die sich im bürgerlichen Leben sonst charakterisierten, leichter, einfach als Mundraub dar. Deshalb solle das Militärstrafgesetzbuch auch nunmehr geändert werden. Es fehle noch außerordentlich an Wohnungen für die Ver⸗ heirateten. Hier stehe die Reichswehr und auch die Marine weit schlechter da als andere Verwaltungen; er denke besonders an die Küstenorte und an die Verhälmisse im Osten. Ueber die Ver⸗ sorgungsfrage liege ein Entwurf vor, der die Länder und Gemeinden mehr als bisber binden soll, frühere Reichswehrangehörige ein⸗ zustellen. Schlimm sei die lange Dienstzeit, die Verpflichtung auf 12 Jahre. Probeeinstellungen seien nicht möglich, weil in Spa dem Deulschen Reiche eine Probceinstellung seiner Soldaten abgelehnt worden ist. So hätte man keine Möglichkeit, den Mann, der ein⸗ stellt werden soll, auf seine Befähigung für den Dienst zu erproben⸗ Man müsse ihn vom ersten Tage an behalten. Trotzdem glaube i so erklärte der Minister weiter, sagen zu können: Wir haben tat⸗ fächlich sozial⸗ethische Fortschritte gemacht und werden die etwa be⸗ stehenden Mängel überwinden. Bei dem Wehrkreis III, der die

meisten Selbstmorde aufweist, muß man bedenken, daß er der Sitz ö“ 11“ 88