1925 / 134 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 11 Jun 1925 18:00:01 GMT) scan diff

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Die Kosten der staatlichen Prüfung einschließlich der dem Kontrollbeamten zu zahlenden Vergütung fallen den Erzeugungs⸗ anstaten zur Last.

Bid auf weiteres ist an die Prüfungsstelle für jedes Liter der Gesamtmenge des von einer Anstalt gleichzeitig zur Prüfung gestellten gleichwertigen Serums eine Gebühr von 2 ½ vH ders Verkaufepreises des Serums, mindestens aber eine Gebühr für 100 Liter zu entrichten. Werden von einer Anstalt mehr als 250 Liter Serum auf einmal zur Prüfung gestellt so beträgt die Gebühr für die ersten 250 Liter 2 ½ vH. für das Mehr 1 vH des Verkaufspreises. Fm Falle der Beanstandung einer Serumprobe wird nur die obenerwähnte Mindest⸗ gebühr berechnet.

§ 6

Die über diese Anordnung binausgehenden Vorschriften der §§ 77— 88 meiner Viehfeuchenpolizeilichen Anordnung vom I. Mai 1912 über den Verkehr mit Viehseuchenerregern und über die Her⸗ stellung und Verwendung von Impfstoffen bleiben auch für Geflügel⸗ choleraserum unberührt

Die beamteten Tierärzte sind ferner befugt, nach näherer An⸗ ordnung der Regierungspräsidenten von dem im Verkehr befindlichen Geflügelcholeraserum Proben zu Untersuchungszwecken zu entnehmen. Zu diesem Zweck ist ihnen das Betreten der Räumlichkeiten, in denen Geflügelcholeraserum feilgehalten oder aufbewahrt wird, während der üblichen Geschäftszeiten zu gestatten.

Geflügelcholeraserum, das über ein Jahr alt ist, ist zu beschlag⸗ nahmen und außer Verkehr zu setzen.

§ 7. 8

Bei Einfuhr von Geflügelcholeraserum aus dem Auslande

bleibt vorbehalten, das Untersuchungsverfahren von Fall zu Fall zu

regeln. Bis zur Entscheidung über die Einfuhrfähigkeit verbleibt das Serum im Gewahrsam der Zollbehörde.

Zuwiderhandlungen gegen diese Anordnungen unterliegen den Strafvorschriften des § 75 des Viehseuchengesetzes vom 26. Juni 1909 (Reichs⸗Gesetzbl. S. 519).

Diese Anordnung tritt mit dem 1. Juli 1925 in Kraft.

Berlin, den 13. Mai 1925. . Der Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten. J. A.:- Müssemeier.

Vorschriften über die staatliche Prüfung des Geflügelcholeraserums.

. Entgegennahme der Serumproben für die Prüfung.

1.

1. Die Entnahme der Serumproben für die staatliche Prüfung hat in den Erzeugungsanstalten durch die von den Regierungs⸗ präsidenten ernannten Kontrollbeamten zu geschehen.

2. Jede Anstalt hat die Serumproben mit einem Begleitschreiben nach dem Muster der Anlage A an die zuständige Prüfungsstelle zu senden. Auf den die Proben enthaltenden Gefäßen ist die im Be⸗ gleitschreiben vermerkte Kontrollnummer des Serums anzugeben. Der Inhalt des Begleitschreibens ist von dem Kontrollbeamten auf seine Richtigkeit zu prüfen. Die Begleitschreiben sind von ihm gegenzuzeichnen.

§ 2.

1. Das Serum einer Kontrollnummer muß, wenn es in ver⸗ schiedenen Behältern aufbewahrt wird, in diesen eine untereinander völlig gleichmäßige Zusammensetzung und Mischung enthalten.

2. Von jeder Kontrollnummer hat der Kontrollbeamte 4 Proben 8” je 5 ccm zu entnehmen. Ist das Serum in verschiedenen Be⸗ hältern untergebracht, so ist die Probeentnahme so einzurichten, daß die Proben im Verhältnis der absoluten Mengen, die gemischt werden sollen, Serum aus allen Behältern enthalten.

Nach der Probeentnahme sind die die Proben enthaltenden Ge⸗ fäße von dem Kontrollbeamten zu plombieren und unter seiner Auf⸗ sicht zu verpacken. Das fertige Paket ist von ihm gleichfalls zu plombieren. Ebenso sind die Behälter, in denen sich das zu prüfende Serum befindet, mit einer Plombe zu verschließen. Zum Befestigen der Plomben ist Bindfaden oder Spiraldraht zu verwenden. Die Behälter sind in einem von der Anstalt zur Verfügung zu stellenden Raum unter Mitwirkung des Kontrollbeamten aufzubewahren. Vor der Probeentnahme hat die Anstalt dem Serum 0,5 vH Pbenol zuzusetzen. Statt des Phenols kann auch ein anderes ““ Konservierungsmittel, z. B. Trikresol, zugefetzt werden.

ie zugesetzte Menge muß ausreichen, um die Haltbarmachung sicher zu stellen (vergl. nachfolgenden § 5 Abs. 5).

II. Verfahren bei der Prüfung des Serums.

§ 5. .1. Die Prüfung des Serums zerfällt in die Feststellung der Unschädlichkeit und die Feststellung der Wertigkeit des Serums.

Unschädlichkeit. 2. Ein Serum ist als unschädlich anzusehen, wenn es

a) klar und frei von gröberen Niederschlägen ist,

b) keimfrei ist,

c) nicht mehr als 0,5 vH Phenol oder 0,4 vH Trikresol enthält.

3. Die Prüfung zu a erfolgt durch makroskopische Besichtigung. Das Serum darf einen geringen Bodensatz zeigen, soll aber nach längerem Stehen im übrigen tlar sein. Zeigt das Serum dleibende allgemeine Trübungen, so ist zu prüfen. ob die Trübungen als Zeichen der Zersetzung anzusehen sind. Bejahendenfalls ist das Serum zu vernichten. Andernfalls sind die nötigen Anweisungen wegen Brauch⸗ barmachung des Serums zu geben.

4 Die Prüfung auf Keimfreiheit erfolgt nach den gebräuchlichen bakteriologischen Methoden. Es sind mindestens je 1 Agarröhrchen, 1 Traubenzucker⸗Agarröhrchen und 2 Bouillon⸗Röhrchen mit einer ab⸗ gemessenen Serummenge bei unverdächtigem Serum je 5 Tropfen zu impfen. Das Agarröhrchen ist zu einer Platte auszugießen, von dem Traubenzucker⸗Agarröhrchen wird eine Schüttelkultur in hoher Schicht angelegt. Das Ergebnis der Prüfung ist nach 6 tägiger Beobachtung der Kulturen festzustellen.

5 Zur Prüfung des Phenol⸗ oder Trikresolgehalts werden einer Maus von 15 g Gewicht 0,5 cem Serum unter die Haut gespritzt.

eigt die Maus keine oder nur unwesentliche Vergiftungserscheinungen, o ist anzunehmen, daß die Menge des zugefügten Phenols oder Trikresols das zulässige Maß nicht übersteigt.

Wertigkeit.

6. Das Serum muß mindestens 100 JImmunitätseinheiten (J. E.) in einem Kubikzentimeter enthalten. Das Serum ist als diesen An⸗ forderungen genügend anzusehen, wenn es in seiner Schutzwirkung nicht hinter der des Standardserums zurückbleibt. Als Standardserum dient ein Serum, das in der Regel in der Menge von 0,01 cem eine Maus von 15 g Gewicht gegen die 24 Stunden später vorgenommene intraperitoneale Einspritzung von 0,01 cem einer 24 stündigen Bouillon⸗ kultur virulenter Geflügelcholeraerreger schützt.

7. Die Virulenz der benutzten Kultur muß mindestens so hoch sein, daß weiße Mäuse nach intraperitonealer Einspritzung von „100 cem 24 stündiger Bouillonkultur innerhalb 24 36 Stunden eingehen. Sie wird derart festgestellt, daß je drei Mäusen ver⸗ schiedene, mit physiologischer Kochsalzlösung hergestellte Verdünnungen

der 24 stündigen Bouillonkultur intraperitoneal injiziert werden, und zwar

0,3 cem einer Kulturverdünnung 1:30 1:90 1: 300 1:900 1:3000 1:9000

8 .““ 1:30 000 8. Der Serumprüfungsversuch ist in folgender Weise auszuführen: Es werden zwei Prüfungsreihen angesetzt, eine mit Standard⸗ serum von 100 J C., das bei jeder Prüfung frisch gelöst wird, und eine zweite mit dem zu prüfenden Geflügelcholeraferum. Von jedem Serum erbalten je zwei (zusammen zehn) Mäuse subkutan folgende Serummengen: 0,005 = 0,5 cem einer Mischung von 1 cem der Serumverdünnung 1:50 + 1 cem 0,85 % Kochsalzlöfung, 0,008 = 0,5 cem einer Mischung ven l 6 cem der Serumverdünnung 1:50 + 04 cem 0,85 % Kochsalzsösung, 0,01 = 0,5 cem einer Mischung der Serumverdünnung 1:50, 0,015 = 0,5 cem einer Mischung von 0,6 cem der Serumverdünnung 1:10 + 14 cem 0,85 % Kochsalzlöfung, 0,02 = 0,5 cem einer Mischung von 0 8 cem der Serumverdünnung 1:10 + 1,2 ccem 0,85 % Kochsalzlösung. 9. 24 Stunden nach der Imptung mit Serum wird den Mäusen zugleich mit zwei unbehandelten Kontrollmäufen ⁄09 ccem (= 0,3 cem einer mit phvsiologischer Kochsalzlösung bergestellten 30 fachen Ver⸗ dünnung) 24 stündiger Bourllonkultur virulenter Geflügelcholeragerreger in die Bauchhöhle eingespritzt. Bei regelrechtem Verlauf der Versuchsreihen müssen die Kontrolltiere innerhalb 24 36 Stunden sterben. Außerdem müssen von den mit Standardserum bebandelten Tieren diejenigen, welche die kleineren Serummengen eingespritzt erbalten haben, mit einer Verzögerung von einigen Tagen eingehen, während die mit den größeren Mengen des Standardserums (meist von 0,01 cem an) behandelten Tiere leben bleiben sollen. Die eingegangenen Tiere werden zerlegt, um festzustellen, ob etwa interkurrente Krankheiten als Todesursache vorliegen. Die Beobach⸗ tung der Versuchstiere dauert 9 Tage. Der Prüfungsabschluß findet am 10. Tage statt Ist das zur Prüfung gestellte Geflügelcholera⸗ ferum ebenfalls 100fach, so muß die zweite Versuchsreihe einen der Standardreihe vollständig parallelen Verlauf zeigen. Sterben von dieser Reihe noch Tiere mit höheren Serumdosen als bei der Standard⸗ reihe, so ist der Prüfungsversuch zu wiederholen Falls auch jetzt Tiere mit höheren Serumgaben ves zu prüfenden Serums als in der Prüfungsreihe mit dem Standardserum sterben, so ist das Serum als nicht vollwertig zu bezeichnen

10. Ueber den Verlauf der Prüfung ist eine genaue Aufzeichnung anzufertigen.

11. Falls höherwertige Sera (z. B. mit 200 J. E.) zur Prüfung gestellt werden, so sind die Serumverdünnungen entsprechend zu ändern (z. B. bei Prüfung auf 200 J. E. statt Verdünnung 1:50 und 1:10 solche von 1:100 und 1:20 zu nehmen, im übrigen bleibt das Prüfungsverfahren das gleiche. v“ 8

III. Prüfungsergebnisse.

1. Von dem Ausfall der Prükung ist der Erzeugungsanstalt sofort durch Bescheinigung nach dem Muster der Anlage B Nachricht zu geben. Entfpricht das zu prüfende Serum zwar nicht den staatlichen Anforderungen. kann es aber durch eine besondere Behandlung brauchbar gemacht werden, so ist in der Bescheinigung genau anzugeben, in welcher Weise die Brauchbarmachung zu erfolgen hat.

2. Abschrift der Bescheinigung ist dem Kontrollbeamten zu übersenden. 67

1. Serum, das bei der Prüfung als völlig unbrauchbar zurück⸗ gewiesen wurde, ist unter Kontrolle des Kontrollbeamten zu vernichten.

2. Serum, das nach dem Prüfungsergebniffe zwar zurzeit nicht zugelassen worden ist, aber brauchbar gemacht werden kann, ist zum Zwecke der Brauchbarmachung in der Anstalt freizugeben, sofern nicht von der Anstalt die Brauchbarmachung abgelehnt wird. In letzterem Falle ist das Serum wie zurückgewiesenes zu vernichten. Andernfalls hat der Kontrollbeamte in geeigneter Weise darüber zu wachen, daß die Brauchbarmachung in der vorgeschriebenen Weise erfolgt Nach der Brauchbarmachung bat er eine nochmalige Prüfung des Serums nach den für die erste Prüfung bestimmten Regeln zu veranlassen.

3. Serum, das bei der Prüfung den staatlichen Anforderungen entsprochen hat, ist zur Abgabe freizugeben. Die Entfernung der Plomben von den Behältern, in denen das Serum bhis dahin auf⸗ bewahrt war 3), die Abfüllung in die Verfandflaschen und deren 17, darf nur unter dauernder Aufsicht des Kontrollbeamten erfolgen.

4. Bei dem Versand und der Kennzeichnung der Gefäße, in denen das Geflügelcholeraserum in den YVerkehr gebracht werden soll, sind die Bestimmungen in dem § 86 Abs 2 der Viehbseuchen polizei⸗ lichen Anordnung vom 1. Mai 1912 (Reichs⸗ und Staatsanzeiger Nr. 105) zu beachten. Außerdem sind die Gefäße unter Aufsicht des Kontrollbeamten zu plombieren. Die Plombe hat als Zeichen der staatlichen Kontrolle auf der einen Seite das Hoheitszeichen des preußischen Staates, auf der andern den Namen oder die Anfangs⸗ buchstaben der Erzeugungsanstalt zu tragen.

§ 8. Der Kontrollbeamte hat über jede Prüfung eine Aufzeichnung anzufertigen, aus der ersichtlich sind: 1. die Kontrollnummer des Serums,

die Nummern und die Kennzeichnung der Pferde oder sonstigen Tiere, von denen das zur Prüfung gestellte Serum stammt,

. Tag der Blutentnahme,

.die Menge des zur Prüfung angemeldeten Serums,

der Tag der Entnahme und der Absendung der Proben,

der Tag des Eingangs des Bescheides der Prüfungsstelle und dessen wesentlicher Inhalt, der Tag der Abfüllung des Serums, bei beanstandetem Serum dessen weitere Behandlung.

8 Anlage A. GHezteitschein Fe

zu dem von

eingesandten Geflügelcholeraferum. Kontrollnummer des Serums Nummern der Pferde oder sonstigen der Gattung nach zu bezeichnenden Tiere, von denen das Serum stammt:.

1IIIh;

Tag der Blutentnahhtwme.. v Blutmenge in cem. Menge des erhaltenen Serums.

. . sti 6 6 58 Prüfungsergebnis in der Versuchstiere Nr

6 itätseinhei Erzeugungsanstalt) Immunitätseinheite

Keimgehalt

Art und Menge des Konservierungsmitteell . Tag der amtlichen Probenentnahme Tag der Einsendung zur Prüfungsstelle .. . Bemerkungen.

029 222552225à5222à2322 22

Unterschriften des Vertreters der Anstalt

65553586889

des Aufsichtsbeamten

1““ 8 . 8 56 59 . .* .„ 2—2

*) Falls eine Vorprüfung in der Anstalt nicht stattgefunden hat, zu streichen.

.“ FPeaeiepunng über das Prüfungsergebnis zum Begleitschein Nr. . betreffend das von 1I“ W b . am .. . K eeimgesandte Geflügelcholeraserum.

No 4 Eingetroffen am ... Vorm

111““ Kontrollnummer des Serums ... Nummern der Pferde oder sonstigen der Gattung nach zu bezeichnenden [In d das Serum iommutlt“

E111““

Wert von.

er zu vernichten. Das Serum kann durch Umarbeitung tauglich gemacht werden. Es ist zu diesem Zwecke... Untersuchungsgebühr Bemerkung. den

.222222272 0299g. 6 252 7 ⸗0⸗

.„ 22„ 9 6 9 6666bR66 .9

Unterschrift.

Richtamtliches. Deutsches Reich. Die auf den 15. d. M., Nachmittags 5 Uhr, angesetzte Vollsitzung des Reichsrats wird durch Beschluß der ollausschüsse auf Donnerstag, den 18. Juni, 5 Uhr Nachmittags, verlegt.

Der Botschafter der Union der Sozialistischen Sowjet⸗ Republiken Krestinski ist nach Berlin zurückgekehrt und hat die Leitung der Botschaft wieder übernommen.

Das Verzeichnis der „Deutschen Gesandtschaften, Konsulate und Paßstellen“ ist in neuer Auflage in Carl Heymanns Verlag, Berlin W. 8, Mauerstraße 44, erschienen (Stand Anfang Mai 1925) und kann von dort oder im Buch⸗ handel zum Preise von 1 RM bezogen werden.

70. Sitzung vom 10. Juni 1925, Nachmittags 2 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger.]

Präsident Löbe eröffnet die Sitzung um 2 Uhr 20 Mi⸗ nuten und teilt u. a. mit, daß der Abg. Severing (Soz.), der Minister des Innern, wegen Krankheit auf vier

ochen beurlaubt ist.

Die Verträge mit Ungarn über Rechtsschutz und Rechtshilfe in Steuerfachen werden an⸗ genommen.

Beim Abkommen mit Polen über Erleichte⸗ rungen im kleinen Grenzverkehr erhebt

Abg. Marie Lüders (Dem.) Beschwerde über die Paß⸗ Z“ die von polnischer Seite sowohl bei der Einreise wie

ei der Ausreise gemacht werden. Am schlimmsten sei es, wenn man aus Deutschland in die ehemals deutschen Gebiete wolle Es dauere oft ein halbes Jahr lang, bis die Einreiseerlaubnis erledigt sei. (Hört! Hört!)

Abg. b (D. Nat.) bestätigt das Es sei praktisch unmöglich, zum Beispiel aus Deutschland schnell in die jetzt im polnischen 8 befindlichen Landesteile zu kommen. In⸗ folge der polnischen Willkür könne man z. B. an einem Begräbnis niemals teilnehmen.

Gesandter Dr. Eckart erkennt die Beschwerden als durchaus berechtigt an. Durch den vorliegenden Vertrag sollen aber die

ärten beseitigt und auch die Gebühren verbilligt werden. Leider beziehe sich der Vertrag nur 8 die Grenzbewohner. Selbst⸗ verständlich werde alles geschehen, um den Uebelständen entgegen⸗ zutreten. .

Der Vertrag wird dann dem Auswärtigen Ausschuß überwiesen.

Das Gesetz über die Weltpostvereinsverträge wird ohne Aussprache gebilligt.

Auf der Tagesordnung steht dann der Bericht des Aus⸗ schusses für Bildungswesen über die Junglehrerfrage. Zu dieser Frage sind von allen Parteien zahlreiche Anträge

ε 8 * 3 eingegangen. Der Ausschuß für Bildungswesen ersucht die Reichsregierung, in den Haushaltsplan für 1925 ausreichende Mittel zur Sicherung der wir 5 tlichen Existenz der Jung⸗ lehrer und zu ihrer wiffenschaftlichen und praktisch⸗pädagogi⸗ schen Fortbildung einzustellen.

Abg. Mumm (D. Nat.) empfiehlt den Ausschußantrag.

Abg. Neubauer (Komm.) beantragt, 40 Millionen 18 die uns rer flüssig zu machen. Die Junglehrerangelegenheit sei ein ungeheurer Skandal, zu dessen Begrabung in einem Ausschuß sich die übrigen Parteien von den Deutschnationalen bis zu den Sozialdemokraten geeinigt hätten. Man wolle für die Junglehrer nichts tun, höchstens weine man einige Krokodilstränen. Der Redner bringt Material bei für die Notlage der Junglehrer, dreißigtausend Junglehrer seien heute erwerbslos, und begründet einen Antrag seiner Fraktion, vierzig Millionen für die Jung⸗ lehrer auszusetzen. Wir wollen verhindern, daß die Junglehrer⸗ frage wieder im Sande verläuft. s genügt nicht, wenn die Deutschnationalen und die Deutsche Volkspartei von der Regierung „entsprechende Maßnahmen“ verlangen. Ein wahrer Hohn ist es auch, wenn die Demokraten vier Millionen zur Beseitigung der Not der Junglehrer beantragen, d. h. 133 für den Jung⸗ lehrer im Jahr; ebenso inhaltlos ist der sozialdemokratische An⸗ trag, der entsprechende Maßnahmen verlangt, um die Junglehrer dem Schuldienst zu erhalten. Auch der Ausschußantrag hilft den Junglehrern in keiner Weise. Wir beantragen deshalb, vierzig Millionen für die Junglehrer auszuwersen, damit die Junglehrer sofort wieder dem Schuldienst zugeführt werden können. Es müssen neue Schulstellen geschaffen werden dadurch, daß an allen Schulen die Klassenfrequenz auf 25 Schüler herabgesetzt wird

Abg. Seiffert (Völk.) ist der Ueberzeugung, daß nicht nur die Kommunisten ein Herz für Junglehrer haben Der Antrag der Kommunisten hätte den Regierungen als Material überwiesen werden sollen. Man sollte Junglehrer zur Vertretung erkrankter Lehrer und Lehrerinnen heranziehen, damit die Zusammenlegung von Klassen, wie sie hier in Berlin vorkomme, unterbleibe. Sonne ins Herz der Jugend, der Schüler! Dazu sei aber nötig: Sonne ins Herz der Junglehrer

Bei der Abstimmung genommen.

Zur Beratung steht dann der Bericht des Wohnungs⸗ ausschusses über den Gesetzentwurf zur Aenderung der Pachtschutzordnung. Die neue Vorlage bringt eine Reihe von Vereinfachungen. Ferner wird angeregt, eine ein⸗

wird der Ausschußantrag an⸗

helfen und auch dieses Par

5 1 eitliche Pachtschutzordnung zu erlassen, in der alle ein⸗ föhigahen Gesetze und Verordnungen zusammengefaßt sind.

Abg. Becker⸗Arnsberg (3) beantragt die Vertagung der Beratung mit Rücksicht darauf, daß der Preußische Landtag erst vor zwei Tagen einen Beschluß über die Pachtschutzordnung gefaßt hat.

Abg. Kölz (Dem.) widerspricht; der Beschluß eines einzelnen Landtages sei kein Anlaß für den Reichstag, seine Beratung abzu⸗ brechen. In einigen Wochen könnte vielleicht Bayern auch einen Beschluß fassen, und dann müßte der Reichstag wieder warten, was daraus werde. b

Die Abstimmung über den Antrag Becker⸗Arnsberg bleibt

ifelhaft; die Auszählung ergibt die Annahme des Antrags ben 147 gegen 104 Stimmen.

Präsident Löbe schlägt vor, die nächste Sitzung am reitag abzuhalten und auf die Tagesordnung den Titel des inistergehalts im Haushalt des Ministeriums des 82g

und als zweiten Gegenstand den Gesetzentwurf über Aenderung von Verbrauchssteuern zu setzen.

Abg. Henning (Völk. Arbeitsgemeinschaft) wiederholt seinen gestern abgelehnten Antrag, die Entwaffnungsnote und eine Re⸗ ierungserklärung dazu auf die Tagesordnung der Frettagsftdung 8 setzen. Die heutige Beratung des Auswärtigen Ausschusses sei jieder ausgegangen wie das Hornberger Schießen. Der Aus⸗ wärtige Ausschuß habe heute die weitere Beratung ausgesetzt. weil in einigen Tagen die Note über den Sicherheitspakt kommen werde. Die Beratung sei wieder im Wege des Kuhhandels verschoben worden. Die Entwaffnungsnote habe jedoch mit dem Sicherheits⸗ akt nichts zu tun. Die Entwaffnungsnote sei eine Ohrfeige; man

olle sich alfo gegen die eine Ohrfeige nicht wehren, weil man dem⸗ nächst eine zweite Ohrfeige erwarte. Das deutsche Volk verstehe ficht⸗ warum der Reichstag zu der Entwaffnungsnote schweigen olle.

Abg. Stöcker (Komm.) erhebt gegen die Beratung des Ministergehalts im Haushalt des Innenministeriums Widerspruch, weil dieser Haushalt noch nicht vollständig im Ausschuß erledigt sei. Nach der Geschäftsordnung könne ein Haushalt erst zwei Tage nach Erscheinen des Ausschußberichts im Plenum beraten werden. Beim Ministergehalt müßten auch die wichtigen Fragfs der Polizei usw. besprochen werden, die im Ausschuß noch nicht be⸗ raten seien. 3

Abg. Schultz⸗Bromberg (D. Nat.) beantragt, in Verbindung mit dem Ministergehalt den Gesetzentwurf über den Schutz der Feiertage zur Beratung zu stellen.

Abg. Höllein (Komm.) erhebt Widerspruch gegen die Be⸗ ratung des Verbrauchssteuergesetzes, weil diese Vorlage noch nicht einmal den Mitgliedern zugegangen sei.

Nach weiterer kurzer Geschäftsordnungsdebatte bemerkt

Präsident Löbe, daß der Ausschußbericht über den vor⸗ geschlagenen Teil des Innenhaushalts im Ausschuß noch heute verteilt werden würde. Außerdem dürfe der Reichstag nach der Geschäftsordnung auch die Fristen abkürzen. Der Präsident verzichtet aber auf seinen Vorschlag, auch das Ver⸗ brauchssteuergesetz auf die Tagesordnung zu setzen, weil diese Vor⸗ lage vorher längeres Studium erfordert.

Der Antrag Henning wird abgelehnt, der Antrag Schultz⸗Bromberg angenommen und demnach nach dem Vor⸗ chlag des Präsidenten das Gehalt des Innenministers in Verbindung mit dem Gesetz über den Schutz der Feiertage auf die Tagesordnung der Sitzung von Freitag, 2 Uhr, gesetzt.

Schluß 4 Uhr.

Preußischer Landtag. 4. Sitzung vom 10. Juni 1925, Mittags 12 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger“).) Präsident Bartels eröffnet die Sitzung nach 12 ¼ Uhr.

Nach Erledigung von Eingaben wird die zweite Novelle

zuum Gesetzentwurf, betr. Erhaltung des Baum⸗ estandes und Erhaltung und Freigas;⸗ von Uferwegen im Interesse der Volksgesund⸗ in erster und zweiter Beratung ohne Aussprache er⸗ edigt und unverändert angenommen.

Zur weiteren Förderung des Baues von Kleinbahnen wird ein Kredit von 2 Millionen Mark an⸗

efordert. Nach kurzer Erörterung wird die Vorlage dem Fauptausschuß überwiesen. Es folgt die dritte Beratung des aus der Initiative des Hauses hervorgegangenen Gesetz⸗ entwurfs über die Wahlzeit der Provinzialland⸗ tage und Kreistage und ihrer Mitglieder. In FEhes Beratung war die Verlängerung der Wahlzeit bis 1. November 1925 beschlossen worden.

Abg. Dr. von Kries (D. Nat.) beantragt unter Bezugnahme guf die bekannte Stellung bess Fraktion zur Frage der Inne⸗ be tung der vierjährigen Wahlperiode namentliche Abstimmung, eine qualifizierte Mehrheit für den Entwurf festgestellt

erde.

Abg. Schüling (Zentr.) will die Abstimmung auf Freita Heeeh wissen, zieht diesen Antrag aber auf den Widerspruch er Rechten zurück.

Die namentliche Abstimmung ergibt die Beschlußunfähig⸗ keit des Hauses, da nur 149 Stimmen abgegeben worden sind Die Sete wird geschlossen und vom Präsidenten eine neue Sitzung auf sofort einbevufen.

Schluß 12 ¾¼ Uhr.

45. Sitzung am 10. Juni 1925, Nachmittags 12 Uhr.

Das Haus wendet sich zu den Verordnungen und No⸗ vellen, betr. die Erhebung einer vorläufigen Steuervom Grundvermögen.

Der Hauptausschuß hetecf die Genehmigung der Vor⸗ lage, nach welcher die Geltungsdauer des Gesetzes vom 26. Februar 1924 bis Ende März 1926 verlängert werden soll mit der Maßgabe, daß die Verlängerung nur bis zum 30. Juni 1925 ausgesprochen wird.

Abg. Dr. Wiemer (D. Pp.) erklärt im Namen seiner Partei, daß eine Reform notwendig sei. Es seien zahlreiche Härten und Ungerechtigkeiten vorhanden. Deshalb se seine Fraktion für einen möglichst kurzen Termin und schnelle Arbeit. Sie schlage den 80. September für die Geltungsdauer der jetzigen Steuer vor. Wiederholt habe seine Fraktion zum Ausdruck gebracht, daß sie dem eetzigen Kabinett Vertrauen nicht entgegenbringen könne, weil eine Zusammensetzung dem Spruch der Wählerschaft nicht gerecht werde. Er sei beauftragt, auch bei dieser Gelegendeit auszusprechen, daß seine Parteifreunde, weil diese Regierung deren Vertrauen nicht habe, nicht gewillt feien, in der Bewilligung von Mitteln wie

in andern gesetzgebenden Maßnahmen über das im Staatsinteresse

unbedingt Notwendige hinauszugehen.

4 Abg. Schulze⸗Stapen (D. Nat.): Daß diese Steuer 8 den ländlichen und auch für den städtischen Grundbesitz unerträglich ist, steht fest. Keine Steuer hat je die Landwirtschaft, zumal in threr jetzigen verschärften Notlage, härter bedrückt. Nichts hat die

egierung in der Zwischenzeit getan, um diesen Mißständen abzu⸗ hat nichts weiter verstanden, als

*) Mit Ausnahme der durch Sperrdruck hervorgehobenen Reden der Herren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben sind.

Verlängerungen zu beschließen. Wir lehnen die Vorlag ab und fordern die Regierung auf, sofort andere Vorschläge an den Land⸗ tag zu bringen, damit diese ungerechteste aller Steuern endlich ver⸗ schwindet (Beifall rechts.)

Finanzminister Dr. Höpker⸗Aschoff: Meine Damen und Herren, der Herr Abg. Schulze⸗Stapen hat eben davon gesprochen, daß es landwirtschaftsfeindlich sei, wenn die Regierung darum bitte, die Grundvevmögenssteuer zu verlängern. Ich möchte demgegenüber einmal mit allem Nachdruck darauf hinweisen ich habe es auch im Ausschuß getan —, daß von der Grundvermögenssteuer, die wir im vorigen Haushaltsplan mit 200 Millionen Mark eingestellt hatten und diesmal mit 270 Millionen Mark eingestellt haben, die Landwirtschaft allerhöchstens 50 Millionen Mark aufbringt (hört, hört! bei den Demokraten und Sozialdemokraten), daß das Uebrige von anderen Bevölkerungskreisen aufgebracht werden muß und daß darüber hinaus noch die städtische Bevölkerung mit der Hauszinssteuer in Höhe von 615 Millionen Mark belastet ist. (Hört, hört! bei den Demokraten und Sozialdemokraten.) Ich erkenne durchaus an, daß die Landwirtschaft mit Steuern schwer belastet ist, aber es ist doch nicht so, daß das eine Eigentümlichkeit der Landwirtschaft sei, sondern die Dinge liegen heute in Deutsch⸗ land so, daß alle Stände schwer mit Steuern belastet sind, ohne Ausnahme, und daß alle unter dieser Steuerlast zu leiden haben. Ich halte es darum für eine gewisse Ungerechtigkeit, immer hervorzu⸗ heben, daß nur die Landwirtschaft zu leiden hat und daß der Staat landwirtschaftsfeindlich sei, wenn er diese Grundvermögenssteuer weiter erhebe.

Dann möchte ich noch auf etwas anderes hinweisen. Der Herr Abg. Schulge⸗Stapen hat davon gesprochen, daß es bedauerlich sei, daß die preußische Staatsregierung die Bonitierung nicht tatkräftiger in die Wege geleitet habe. Es nimmt mich Wunder, daß gerade der Herr Abg. Schulze⸗Stapen darauf himweist; denn vor mir liegt ein Antrag der Herren Abg. Dr. Winkler und Genossen von der deutsch⸗ nationalen Volkspartei auf Drucks. 24:

Der Landtag wolle beschließen, das Staatsministerium zu ersuchen, bis zur Verabschiedung eines Reichsgesetzes über die ein⸗ heitliche Bewertung des ländlichen Grundbesitzes in Reich, Ländern und Gemeinden, alle Vorarbeiten und Erhebungen hinsichtlich besonderer Bonitierungs⸗ und Bewertungsvorschriften in Preußen einzustellen

schört, hört! bei den Demokraten) und alle Bestrebungen des Reichs zu unterstützen, die eine gleichmäßige, gerechte und richtige Bemessung des Wertes der landwirtschaftlichen Grundstücke auf der Grundlage der tatsächlichen Reinertragsverhältnisse herbeizuführen geeignet sind. Ich darf aber dem Herrn Abg. Schulze⸗Stapen sagen, daß wir alles in die Wege geleitet haben, um diese Bonitierung in Angriff zu nehmen. Aber es darf doch nicht vergessen werden, daß das Reichs⸗ bewertungsgesetz noch nicht einmal beim Ausschuß verabschiedet ist, und daß, wenn es gut geht, es im Herbst verabschiedet werden wird. Auf diesem Reichsbewertungsgesetz müssen wir doch aufbauen, wenn wir die preußische Grundvermögenssteuer neu gestalten wollen. Wir müssen allerdings schon jetzt die Vorbereitungen für die Durchführung des Bewertungsgesetzes treffen, und ich darf auch darauf hinweisen, daß wir im Einvernehmen mit dem Herrn Reichsfinanzminister unsere Katasterämter angewiesen haben, zusammen mit den Finanz⸗ ämtern die Vergleichsbetriebe auszusuchen, die Reinertragsberech⸗ nungen zu machen und andere Vorbereitungen zu machen. Wir sind auch dabei, alle Vorbereitungen zu treffen, daß, wenn das Reichsbewer⸗ tungsgesetz da ist und zum 1. April 1926 in Kraft treten soll, auch die preußische Staatsregierung in der Lage sein wird, ein neues Grundvermögenssteuergesetz zu machen. Darüber sind wir uns voll⸗ ständig klar, daß wir diese Vorarbeiten rechtzeitig in Angriff nehmen müssen. Aber so, wie die Dinge heute liegen, glauben wir, das unsrige getan zu haben.

Nun möchte ich noch auf das eingehen, was der Herr Abg. Dr. Wiemer gesagt hat. Er hat gesagt, seine Partei müsse aner⸗ kennen, daß das Grundvermögenssteuergesetz verlängert werden müsse, da man dem preußischen Staate die Einnahmequelle nicht nehmen dürfe. Seine Partei sei aber der Auffassung, daß man die Steuer nur um drei Monate verlängern solle, und er meinte, daß dann die Staatsregierung eine rechtzeitige Reform der Grundvermögenssteuer in Angriff nehmen sollte. Diese Worte berühren sich mit unserer Anschauung. Auch wir halten eine Reform der Grundvermögens⸗ steuer für notwendig. Aber es ist doch die Frage: foll die Reform jetzt für ein Viertel⸗ oder ein halbes Jahr in Angriff genommen werden oder soll die preußische Steuer in Zusammenhang mit dem Reichsbewertungsgesetz reformiert werden? (Sehr richtig! bei den Demokraten und Sozialdemokraten.) Wir werden doch am 1. April von den Bestimmungen des Reichsgesetzes über die Reichs⸗ bewertung auch bei unserem Grundvevmögenssteuergesetz ausgehen müssen, und das wird eine starke Abänderung umnseres Gesetzes zur Folge haben. Wenn das aber der Fall ist, dann fragt man sich doch: soll in einer Zwischenzeit von 3 bis 6 Monaten ohne Rücksicht auf das Reichsbewertungsgesetz nun noch einmal das preußische Grund⸗ vermögenssteuergesetz abgeändert werden? Ich glaube meine Damen und Herren, wer diese Dinge mit Unbefangenheit und Sachlichkeit betrachtet (sehr richtig!t bei den Demokraten), wird sagen müssen, daß es einfach ein Ding der Unmöglichkeit ist. (Sehr wahr!) Wir müssen warten bis zum 1. April 1926. Dann müssen wir auf der neuen Grundlage aufbauen, die das Reich gibt. Aber vorher noch für einige Wochen oder Monate ein neues Gesetz zu erlassen, das ist ein Ding der Unmöglichkeit.

Aus diesen Erwägungen heraus möchte ich doch darum bitten, nicht nur um drei Monate zu verlängern, sondern bis zum 31. März 1926. Ich darf auch noch auf folgendes hinweisen. Der ursprüngliche Gesetzentwurf sah diese Verlängerung auf ein Jahr vor. Dies deckte sich mit einem Antrag der Deutschnationalen Volkspartei (hört, hört!), der auch die Verlängerung bis zum 31. März 1926 forderte. Die Regierungsvorlage und dieser Antrag der Deutschnationalen Volks⸗ partei waren wortwörtlich gleich. (Hört, hört!) Es muß also damals doch wohl die Deutschnationale Volkspartei auf dem Standpunkt ge⸗ standen haben, daß die Verlängerung auf ein Jahr notwendig sei. Ich darf ferner darauf hinweisen, daß auch der Staatsrat die Verlängerung um ein Jahr nach der Regierungsvorlage bewilligt hat. (Hört, hört!) Aus allen diesen Gründen möchte ich bitten, daß auch der Landtag die Verlängerung auf ein Jahr aussprechen möge.

Wenn wir wiederum nur um drei Monate verlängern: bis zum 1. Oktober, so werden wir in große Verlegenheit kommen. Der Land⸗ tag will im Juli oder August in die Ferien gehen. Worauf würde

das hinauslaufen? Es würde wiederum verlängert werden müssen, Also die große Reform ist-nicht möglich und wegen der Zusammenhänge mit dem Reich garnicht einmal zweckmäßig. Aus allen diesen Gründen möchte ich den Landtag bitten, mit Rücksicht auf die Staats⸗ notwendigkeiten, der Verlängerung bis zum 31. März 1926 zuzu⸗ stimmen.

Im Zusammenhange damit haben die entsprechenden Beschlüsse des Hauptausschusses nunmehr noch eine Veränderung vorgesehen: die Vierteljahrszahlung. Ich darf dabei auf folgendes hinweisen. Wir hatten Monatszahlung bei der Grundvermögenssteuer, bei der Haus⸗ zinssteuer und auch bei der Gewerbesteuer. Nachdem das Reich durch das Steuerüberleitungsgesetz dazu übergegangen ist, bei der Einkommen⸗ steuer und Körperschaftssteuer die Vierteljahrszahlung einzuführen wollen auch wir bei der Gewerbesteuer dazu übergehen, die Viertel⸗ jahrszahlung einzuführen. Bei der Gewerbesteuer haben wir auf Grund der Notverordnung die gesetzliche Ermächtigung. Es wird also wahrscheinlich morgen in der Gesetzsammlung eine Notverordnung ver⸗ öffentlicht werden, durch welche die Vierteljahrszahlung bei der Ge⸗ werbesteuer eingeführt wird. Diese Sache würde also in Ordnung sein. Bei der Grundvermögenssteuer haben wir eine solche Er⸗ mächtigung nicht. Wir haben uns damals im Hauptausschusse, dem Wunsche aller Parteien Rechnung tragend, bereit erklärt, auch bei der Grundvermögenssteuer für die Landwirtschaft die vierteljährliche Zahlung einzuführen. Der Hauptausschuß hat damals in einer Resolution gefordert, daß die Staatsregierung das im Verwaltungs⸗ wege machen möge. Wir sind aber der Meinung, wenn nun doch ein⸗ mal am Gesetz etwas geändert werden soll, so ist es zweckmäßig, auch für diese vierteljährliche Zahlung die gesetzliche Grundlage zu schaffen Wir glauben, daß wir damit der Landwirtschaft einen Dienst tun wenn, wie bei der Gewerbesteuer, auch hier bei der Grundvermögens⸗ steuer die vierteljährliche Zahlung festgesetzt wird. Aus allen diesen Gründen würde ich dringend bitten, daß der Landtag diesen Antrag Nr. 620 annehmen möge. (Bravo!)

Abg. Stolt (Komm.): Von uns verlangt man jetzt, daß wirn sofort zu dem Antrag Wiemer Stellung nehmen, der uns vor kaumg 20 Minuten zur Kenntnis gekommen ist! ist, daß auch die Sozialdemokvaten die Verlängerung bis zum 31. März 1926 jetz schlucken wollen, nachdem ihr Wortführer Dr. Wäntig noch vot kurzem die Unhaltbarkeit dieser Steuer schlagend nachgewiesen hat

Abg. Dr. Wäntig (Soz.): Wir halten die Grundsteuer auch eute noch für unhaltbar; gber eine grundlegende Reform inn

weußen jetzt vorzunehmen, scheint uns unmöglich. Darum muß diß rlängerung bis 31. März 1926 erfolgen. Daß die Reformarbeit nach aller Möglichkeit beschleunigt werden muß, fordern auch wir,

Abg. von Wangenhein (Dt. Hann.) erklärte, die Landwirke Uaft wehre sich mit Recht gegen eine ungerechte Steuerverteilung.

das Grundsteuergsetz 2 nicht nur die Landwirtschaft, sondem auch ein großer Teil anderer wichtiger Wirtschaftszweige, da die Bewertung des Grund und Bodens ungerecht sei. Eine gerechte Grundsteuer könne man erst schaffen, wenn man einen richti Bewertungsmaßstab zugrundelege. Seine Partei wünsche, daß dir Regierung in absehbarer Zeit mit einer neuen Vorlage komme

. Falk (Dem.) beklagte gleichfalls den Steuerdruck; es treffe aber nicht zu, S. die Landwirtschaft durch die Realsteuern stärker belastet werde als der städtische Grundbesitz. Das zeige ja auch, daß die Hauszinssteuer das Land nicht belaste. Da man in Preußen weiterleben müsse, sei eine Verlängerung der Grundsteuer über 30. Juni hinaus unumgänglich. Eine grundlegende Reform demm⸗ N.ehe erst erfolgen, wenn das Reichsbewertungsgesetz ver⸗

iedet sei.

Abg. Schulze⸗Stapen (D. Nat.) weist die Behauptun des Ministers zurück, die deutschnationale Fraktion sei inkonsequen. Erst müsse die Bodenqualität festgestellt werden. Seine Fraktion wolle die Regierung zwingen, schleunigst brauchbare Abändevungs⸗ vorschläge zu machen. Daran ändere auch das Reichsbewertungs⸗ gesetz nichts.

Abg. Blank (Zentr.) erklärte, seine Partei verlange schon sesl Jahrzehnten die Abäanderung der Bewertung, durch die der Osten Ungunsten des Westens bevorzugt sei. In Wirklichkeit wolle Deutschnationale Parlei überhaupt keine Neuregelung; man gebe ss nur den Anschein mit Rücksicht auf die Wähler. Das Zentrum ei nach wie vor Gegner der Hauszinssteuer, die sich unsozial und ungerecht auswirke.

Damit ist die Aussprache beenderer. 1 „Das Haus nimmt die namentliche Abstimmung vor über die Notverordnung, die die Geltungsdauer der Grundsteuer bis zum 30. Juni festlegt. Funäͤchst wird mit 176 gegen 104 Stimmen der Notverordnung die Genehmigung erteilt. Von der Deutschen Volkspartei ist zu dem Gesetz, das gleich⸗ falls zur Entscheidung steht, beantragt worden, den Geltungs⸗ termin für die Verlängerung der Grundsteuer auf den 30. September 1925 festzulegen. Schließlich ist vom Zentrum ein Kompromißantrag eingebracht worden, dem die anderen Regierungsparteien beitraten, und der das Grundsteuergesetz bis zum 31. Dezember 1925 verlängern will. Ueber diesen Antrag wird wiederum namentlich abgestimmt. Er wird mit 182 pegen 109 Stimnmen angenommen. Die übrigen Anträge sind dadurch erledigt. Die Entschließung über die Zula ng der Zahlung der Steuer in Vierteljahrsraten wird gleichfall angenommen. Damit ist das Grundsteuergesetz endgültig erledigt.

Es folgt die Beratung der Anträge über die Kreditnot des Mittelstandes, der Landwirtschaft usw.

Abg. Dr. Leidig (D. Vp.) berichtet über die Ausschuß⸗ beratungen. Der Ausschuß hat die Bereitstellung eines Betrages von 50 Millionen Mark für Handwerk, Einzelhandel und Konsum⸗ Phoslegschafen empfohlen und schlägt außerdem eine Reihe von Maßnahmen als Programm für die Hebung Kreditnot vor, u. a. Herabsetzung der Zinssätze der Rentenbank und der Reichsbans, unmittelbare Nutzbarmachung der Gelder der Reichspost und der Reichsbahn und ähnliche Maßnahmen.

Abg. von Rohr (D. Nat.): Auch die Konsumenten haben ein unmittelbares Interesse an der Behebung der Kreditnot der Produ⸗ zenten, des Handwerks und Detailhandels; es geht bier also nicht um die einseitige Wahrnehmung der Interessen einzelner Wirtschafts⸗ kreise. Die Landwirtschaft ist mit tiefster Besorgnis über ihre neuerliche ungeheure Verschuldung erfüllt, und die furchtbare Dürre stellt zudem bereits die Ernte des Sommerkorns in Frage. Unerträg⸗ lich ist für sie auch die große Zinsspanne, die zu Ungunsten der mitt⸗ leren und kleinen Betriebe besteht. Die Ausschußanträge haben ja erfreulicherweise zum großen Teil unseren Anregungen Rechnung getragen. Die Zinssätze der Reichsbank müssen auf ein für die Wirtschaft tvagbares Maß herabgesetzt werden; inzwischen ist ja auch der Reichsbankdiskont um 1 vH ermäßigt worden, und da tägliches Geld jetzt schon für 10 vH zu haben ist, während es vorher 12 Prozent kostete, ist vielleicht eine weitere Ermäßigung bald su erwarten. Die Postscheckeinnahmen sollten der Wirtschaft, aus der sie stammen, zu einem Betrage von mehreren hundert Millionen lang⸗ fristig unter billigen Zinssätzen wieder zur Verfügung gestellt werden. Wir vpeden auch dem Auslandskredit unter den heutigen Ausnabme⸗ verhältnissen das Wort. Leider ist die uns so notwendige Renten⸗ bankkreditanstalt noch immer nicht da; hätte die preußische Regie⸗ rung nicht einen uns unverständlichen Widerstand geleistet, so hätten wir sie längst. Die Wirtschaft braucht langfristige Kredite. Eine andere kleine Kreditquelle wären die 100 Millionen der Reichs⸗ getreidestelle; man sollte diesen Betrag der Wirtschaft belassen. Den Sparkassen ist der Ankauf von Pfandbriefen besonders nahe zu legen,