1925 / 137 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 15 Jun 1925 18:00:01 GMT) scan diff

Sayern, Sachsen, Württencberg usw. jederzeit den Ausnahmezustand des Reiches durch eigene Maßnahmen durchkreuzen können? Darauf, den Namen „Länder“ in die Verfassung gebracht zu haben, sei ep, der Redner, stolz. Die Bayern wollten ja doch auch einen Landesherrn haben und nicht einen Gliedstaatenherrn! Es komme eben darauf an, jedem Lande die Möglichkeit eines reichen Eigenlebens zu geben. Dann geht der Redner auf die Flaggenfrage ein. Heilig seien den Herren der Rechten die Traditionen des Bismarckschen Reiches, heilig seien sie auch den Demokraten, aber heilig sei ihnen auch das Ringen um Einheit und Freiheit unter der schwarzrotgoldenen Fahne, heilig der großdeutsche Gedanke, heilig auch die furchtbare, fünf Jahre geleistete Arbeit, um den deutschen Staat wieder aufzubauen. Für einen Ver⸗ foffunssausschuß sei kein Raum. Die Verwaltungsreform müsse in er Form vorgenommen werden, daß mit dem geringeren Personal mehr geleistet werden könne. Die Steuerverwaltung müsse mehr de⸗ entralisiert werden; das gleiche gelte für die Iebksagtwsbagh und as Wohnungswesen. Auf diesen Gebieten herrsche eine Zuschußwirt⸗ schaft vom Reiche her, und wenn man Geld haben wolle, werde man von einer Instanz zur anderen geschickt. (Zwischenruf rechts: Warum haben Sie das als Minister nicht getan?) Redner erwidert, er habe als Minister Vorarbeiten dazu gemacht, habe aber dann sein Amt aus politischen Gründen niedergelegt. Auch im Schulwesen herrsche kein klares abgegrenztes Arbeitsprogramm. Es herrsche ein System zwischen Reich und Ländern, bei dem der im Vorteil sei, der die beste Rechnung schreibe. Man sollte nicht allerlei Vorarbeiten machen füt Aufgaben, von denen man von vornherein wisse, daß man sie nicht leisten könne; statt dessen sollte man dafür sorgen, daß die vorhandene Organisationen nicht allzu sehr duxrch den Personalabbau ausgehöhlk würden. Es sei nicht zu begreisen, daß dem Reichskunstwart nur ganze achttausend Mark zur Verfügung stünden. Warum habe Ge⸗ heimrat Nernst die Leitung der physikalisch⸗technischen Reichsanstalt niederlegen müssen? Die Beibehaltung des Sperrgesetzes für die Beamtenbesoldung habe für die Gemeinden täglich neue Gefahren zur Folge. Die Entpolitisierung des Beamtentums sei eine der wichtigsten Aufgaben. Einigkeit im Volke sei notwendig, aber solange die Rechts⸗ presse unsere Arbeit seit sechs Jahren herunterreiße, solange man die Republikaner gesellschaftlich bopkottiere und alle konfessionellen Gegen⸗ sätze verschärfe und eine abweichende Gesinnung als vaterlandslos be⸗ zeichne, sei eine Einigkeit nicht möglich. (Beifall bei den Demokraten.)

Abg. Petzold (Wirtschaftl. Vereinig.): Wir wollen eine Fort⸗ entwicklung der Reichsverfassung auf verfassungsmäßigem Wege. Wir kommen nicht zu einer Einigung, weil immer der eine dem anderen einen bösen Willen zutraut. Die Bestimmungen der Reichsverfassung über das Wahlalter müssen unbedingt geändert werden; das Wahl⸗ alter von zwanzig Jahren ist nicht mehr haltbar, es muß hinaufgesetzt werden auf das Alter, in dem man wirklich mitwirken kann am Dienst für das Vaterland. Zur Aenderung der Reichsfarben in Schwarzweiß⸗ rot ist jetzt die Zeit noch nicht gekommen. Zu bedauern ist es aber, in welcher aufpeitschenden Weise im Wahlkampf die alte Flagge schwarzweißrot beschimpft und besudelt worden ist. Dadurch ist dieser harte Kampf in das Volk hineingetragen worden, kleine Kinder von fünf und sechs Jahren führen schon Kämpfe um die Farben auf. Wir wünschen, daß diese Frage vorläufig von der Erörterung abgesetzt bleibt. Unter allen solchen Kämpfen leidet vor allem immer der Mittelstand. Das Volk soll ertüchtigt und zum Gehorsam erzogen werden, nachdem die Erziehung durch die allgemeine Wehrpflicht fort⸗ gefallen ist. Wir bedürfen deshalb der obligatorischen Turnstunde im ganzen Reiche. Eines Volkstrauertrages bedürfen wir als eines Tages der Besinnung und der Erinnerung an die Kriegsopfer, aber wir sind dagegen, daß er in die Nähe der Karnevalszeit gelegt wird; wir müssen dafür die Zeit, in der auch die Natur trauert, d. h. den Herbst wählen. Ebenso wünschen wir lebhaft die Einführung eines allgemeinen Nationalfeiertages, an dem alle Parteikämpfe schweigen müssen. Er⸗ freulich sind die Beschlüsse des Ausschusses für die Pflege der Kultur⸗ interessen; das Ministerium des Innern soll auch ein Kulturministe⸗ rium sein. Wir wünschen eine alsbaldige Lösung der Junglehrerfrage. Ueber Gesundheitspflege, Arzneimittelverordnung usw. werden wir noch beim Kapitel des Gesundheitsamtes sprechen. Die Polizei darf jihre Aufgabe nicht dahin auffassen, daß sie ein Organ sei, bestimmt und geeignet, dem Mittelstand täglich das Leben sauer zu machen. Die Polizei muß dazu erzogen werden, ihre Aufgaben in anderem Sinne aufzufassen.

Abg. Nolte, (Deutsch⸗Hann.): Wir weisen jeden Versuch, den Artikel 18 der Verfassung wieder aufzuheben, zurück. Wer diese Aufhebung verlangt, hat kein Verständnis für den aus politischen und wirtschaftlichen Gründen notwendigen Neubau des Deutschen Reiches. Bei der Vorabstimmung in Hannover auf Grund des Artikels 18 hat die Preußische Regierung, insbesondere Oberpräsident Noske, alles getan, um das Ergebnis der Abstimmung zu fälchen. Das Wahlprüfungsgericht hat gezeigt, daß es nicht der gegen solche Vergewaltigung erforderliche Schutz ist. Wir Deutsch⸗Hannoveraner werden demnach uns jedem Versuch der Aufhebung des Artikels 18 widersetzen. 8

Abg. Leicht (Bayr. Vpr.): Das Ministerium des Innem ist vor allem ein Ministerium des geistigen Aufbaues und Ausbaues. Dies kann nur auf Grundlage christlicher Ideen und des verfassungs⸗ mäßigen Fortschreitens geschehen. Wir lehnen jede gewaltsame Ver⸗ fassungsänderung ab, und begrüßen darum die Anregung der Ein⸗ setzung eines Verfassungsausschusses. Dieser Ausschuß ist gerade darum notwendig, um Katastrophen zu verhüten. Selbst Herr Koch wird nicht behaupten, daß die Weimarer Verfassung für die Ewigkeit gegeben ist. Sie ist tatsächlich verbesserungsbedünftig, und ver⸗ besserungsfähig. Einen solchen Ausschuß zu empfehlen, bedeutet keines⸗ wegs, eine Brandfackel ins Volk zu schleudern: im Gegenteil, ein solcher Ausschuß ist ein Sicherbeitsventil, und gerade ein Minister des Aufbaues und Ausbaues ist besonders berechtigt, sich für die Einsetzung dieses Ausschusses zu erklären. Das Verhältnis von Reich und Ländern muß verbessert werden, es genügen nicht zum Festhalten des Reichsbaues die Klammern der Verfassung, sondern das Fundament muß untermauert werden. Wenn Herr Sollmann daran erinnerte, daß ein baverischer Prinz 1870 Preußen habe Be⸗ dingungen auferlegen wollen, so beione ich demgegenüber, daß auch Preußen damals Bavern Bedingungen auferleat hat. Hätte man gewußt, daß auf die Ereignisse von 1870 die Weimarer Verfassung folgen würde, so wäre, die Begeisterung sicher geringer gewesen. Mit Recht ringen die Länder um ihre Existenz. In der Beurteilung des Artikels 18 der Verfassung und des Antrags, betr. feine Aufhebung, stimme ich mit dem Aba. Dr. Schreiber überein. Gut wäre es, wenn auch der Flaggen⸗Antraa zurückgezogen würde. Eine Volksabstimmung im jetzigen Augenblick würde nur weitere Zwietracht und ein starkes Aufeinanderprallen der Gegensätze bewirken. Wir follten statt dessen eingedenk sein, daß wir ein bedrohtes, drangsaliertes Volk sind, und darum einig sein in der Abwehr dieser Drang⸗ alierungen. Herr Sollmann sollte doch nicht als Scharfmacher der Regierung gegen Bavern hier auftreten. Nicht, weil ich ein Geist⸗ licher, sondern ein Baver bin, habe ich den Ahbschluß des Concordats gebilligt. Der Abschluß dieses Vertrages mit dem Papst ist ein Ausfluß der Souveränität der Länder. Hoffentlich werden unsere weiteren Verhandlungen von dem Gedanken beherrscht: das Vater⸗ land über den Parteien“. (Beifall bei der Baverischen Volkspartei.)

Die Rede des Reichsministers des Innern Schiele, der hierauf das Wort ergreift, wird nach Eingang des Steno⸗ gramms veröffentlicht werden. 8 8

Abg. Kube (Völk,) stellt fest, daß seiner Partei der Minister bes Innern eine sympathische Persönlichkeit sei. (Hört! Hört! links.) Die deutschnationalen Mitglieder des Kabinetts hätten nach der Wahl des Reichspräsidenten v. Hindenburg den Staatssekretär des Reichs⸗ präsidenten Meißner in Pension schicken sollen. Man könne von dem Staatssekretär des Herrn Ebert nicht die erforderliche Objektivität erwarten. Auch in der politischen Beamtenschaft sollte eine Reini⸗ ung erfolgen. Denn Politik sei der Kampf um die Macht, und die Soaldemokraten hätten es doch genau so gemacht. Das Zentrum habe von den 12 Millionen katholischen Wählern keine 4 Millionen mehr hinter sich. Bei der Besetzung der Beamtenstellen solle man allerdings weniger nach konfessionellen, sondern nach rassisch⸗völkischen Grundsätzen handeln. Wir Deutsche, die wir oft leider zu human seien, hätten es nicht nötig, uns von Juden unsere Politik vorschreiben zu lassen. Im völkischen Steat, so fährt der Redner fort, wird für

der Außenpolitik eingeräumt werden.

Ihresgleichen, Herr Dr. Rosenfeld, kein Platz sein. (Lärm links.) Herr Severing hat sich die größte Mühe gegeben, dem Volk die Liebe zum Staat und zu Preußen nuszutreiben. Dank der großen Liebens⸗ würdigkeir der deutschnationalen Minister sitzen leider noch viel zu viel in den Bamtenstellen, die nicht auf Grund ihrer Leistungen, sendern auf Grund ihres Parteibuches hineingekommen sind. Der Redner fordert endliche Aufhebung des Verbots des Bundes der Aufrechten und des Nationalverbandes deutscher Offiziere. Aus dem Berliner Polizeipräsidium müßten endlich die beamteten Spitzel, die Beigeordneten, entfernt werden. Der Redner legt schärfste Ver⸗ wahrung gegen die verletzende Kritik des Abgeordneten Sollmann gegen ehrwürdige Lehrer der Geschichte an der Deutschen Hochschule, wie den greisen Dietrich Schäfer, ein, und fährt dann fort: Hurra⸗ F lehnen auch wir ab, aber Ihr (zmu den Sozialdemo⸗ raten) schwarz⸗rot⸗gelber Patriotismus ist deshalb so ekelhaft weil er sich mit der Maske der Heuchelei bekleidet. (Lärm und Zurufe links.) Das Sozialistengesetz war ein Gipfel von Freiheit gegenüber Ihrer Ausführung des Republikschutzgesetzes durch den Staatsgerichts⸗ hof, der nur ein Produkt Ihrer Anst ist. Was am 9. November 1918 zusammengebrochen ist, hat mit der Bismarckschen Verfassung nichts mehr zu kun gehabt. Bedauerlich war, daß man nicht schon im Juli 1917, als ein Mitglied dieses Hauses mit dem Hochverrat begann, dieses an den höchsten Mastbaum der deutschen Flotte rhängt hat. (Lärm links.) Der 18. Januar hat doch eine etwas öhere Bedeutung. Unter der stolzen schwarz⸗rot⸗goldenen Flagge der Vergangenheit haben nicht Sie (zu den Sozialdemokraten), nicht Ihre Anhänger gekämpft, sondern die deutschen Burschenschaften, die für den großdeutschen Kaisergedanken eintraten. Wir stehen zu Schwarz⸗weiß⸗rot! (Zuruf links: Mit dem Hakenkreuz!) Ein Haken⸗ kreuz ist immer noch besser als eine Hakennase. (Stürmische Heiter⸗ keit.) Wir schließen uns dem deutschnationalen Antrag auf Fest⸗ setzung des 18. Januar als nationalen Feiertag an, den demokratischen ntrag, betreffend den 11. August, lehnen wir ab. Wir werden uns auch gegen jeden Versuch wenden, Preußen durch irgendwelche Ab⸗ stimmungen zu verkleinern, zu schwächen. Wir fordern eine einheit⸗ liche Reichswehr. Wir halten die ganze Weimarer Verfassung für undeutsch und darum für überflüssig. War die Bismarcksche Ver⸗ fassung ein Küraß, so ist die Weimarer Verfassung ein Kaftan, aus dem man kein Gewand für die Germanig machen kann. „Alle Gewalt geht vom Volke aus“, heißt der erste Satz der Weimarer Verfassung. Um ihn dem deutschen Volke recht verständlich zu machen, muß es heißen: „Alle Gewalt geht vom Volke Israel aus“. Den Einzel⸗ ländern muß eine gewisse finanzielle Selbständigkeit wiedergegeben werden. Dem Reiche muß dagegen die ausschließliche Vertretung in Der Redner fordert größeren Schutz der Sicherheit auf den Landstraßen, insonderheit gegenüber den Ausschreitungen des Reichsbanners. Er fordert weiter den Schutz der deutschen Minderheiten, besonders in Polen und der Tschechoslowakei, schärfere Behandlung der Ostjudenfrage. Das parlamentarische 1] lehnt der Redner grundsätzlich ab, solange es aber besteht, verlangt er, daß auch die Rechte der Völkischen geachtet werden. Darin habe Bayern Hitler gegenüber verstoßen. (Zuruf links: Hitler ist kein Deutscher.) Dieser Zwischenruf charakterisiert die Sozial⸗ demokratie! So deutsch wie der von Oesterreich herübergewechselte Juͤde Hilferding ist Hitler schon lange. Den Antrag auf Einsetzung eines Verfassungsausschusses lehnt der Redner ab, ebenso die Wieder⸗ einführung des plutokratischen Dreiklassenwahlrechts. Zum Schluß legt der Redner einen Gesetzentwurf vor, wonach gegen ein Mitglied des Reichstags, das in gewinnsüchtiger Absicht S3,ss Einfluß als Abgeordneter in einer Weise mißbraucht, die gegen die guten Sitten verstößt und die Ehre und das Ansehen der Volksvertretung schädigt, der Staatsgerichtshof auf Verlust der Mitgliedschaft zum Reichstag u erkennen hat. Aehnliche Bestimmungen sollen für den Reichs⸗ vanzler und die Minister getroffen werden. .

Abg. Dr. Rosenfeld (Soz.) wundert sich über die Selbst⸗ beschränkung des Ministers Schiele, der nur eine Materialsammlung vorgelegt, selbst aber keine Stellung genommen habe. Der Ab⸗ geordnete Sollmann habe mit keinem einzigen Wort „eine Schimpf⸗ kanonade“ gehalten. Der Redner nimmt den abwesenden Abgeord⸗ neten Dr. Dittmann gegen die Worte des Abgeordneten Kube in

Schutz, wonach er am höchsten Mast hätte aufgehängt werden müssen.

Das Republikschutzgesetz hält der Redner noch für unentbehrlich, den Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik dagegen, der nicht mehr aus zuverlässigen Republikanern zusammengesetzt sei, für beseiti⸗ gungswert. Eine kommende Amnestie müsse alle politischen Ge⸗ angenen umfassen. Der Innenminister habe selbst erklärt, er erstrebe ein „deutschsoziales Kaisertum auf föderalistischer Grundlage“’. Wie könne man da erwarten, daß er die Weimarer Verfassung schützen werde? Unter Schwarzweißrot seien 2 Millionen zwecklos geopfert worden, unter Schwarzweißrot sei der Kapp⸗Putsch unternommen, sei Rathenau ermordet worden. Der Minister hat nicht gesagt, wie die Lösung der Farbenfrage erfolgen soll. Die Auslandsdeutschen können in dieser Angelegenheit nicht maßgebend sein. Mit dem Gemeindewahlrecht will Herr v. Kardorff anfangen, aber es liegt auch schon ein Antrag vor, das politische Wahlrechtsalter auf 25 Jahre heraufzusetzen. as allgemeine Wahlrecht will man auf diese Weise nach und nach beseitigen. Auch wir sind keineswegs Gegner jeder Verfassungsänderung, wir wollen aus der demokratisch⸗kapitalistischen Republik eine sozialistische Republik machen. In diesem Sinne arbeiten wir an der Menderung der Verfassung, aber wir wollen keinen besonderen Verfassungsausschuß. (Beifall bei den Sozial⸗ demokraten.) 1 8

Abg. Schlange⸗Schöningen (D. Nat.): Bei den Verhand⸗ lungen über diesen Etat dürfte es auch angezeigt sein, auf außen⸗ politische Fragen einzugehen. Unseren Nachbarn im Westen müssen wir sagen: Das heutige Deutschland bedroht niemand, es kann und will niemand bedrohen, es will nur Frieve und Wieder⸗ aufbau. Aber das Deutschland, das Ihr durch Euxre wirtschaft⸗ lichen Forderungen schafft, wird ein ganz anderes sein, es wird gegen seinen eigenen Willen zum Brandherd der Verzweiflung werden, was keine Regierung zu verhindern imstande sein wird. So sehr wir uns in unseren Forderungen zurückhalten, darauf können wir nicht verzichten, daß die Verfassung in dringenden Punkten geändert wird. Nicht rüchwärts zum Obrigkeitsstaat wollen wir, sondern vorwärts zu der dem Leben und Lebensbedürfnissen in Wirklichkeit entsprechenden Verfassungsart. Diejenige Staatsform wird siegen, die die größten Leistungen für das Volk erzielt. Herr Koch meinte, die Regierung habe uns zu⸗ rechtgestaucht. Das sagt der Führer einer Partei, die die Wähler auf ein Drittel zurückgestaucht (Beifall rechts.) Herrn Koch gegenüber betone ich auch, daß es wohl kaum eine Partei gibt, die uns an Loyalität gegenüber allen Konfessionen übertreffen könnte. Niemand von uns ist es auch eingefallen, politisch Anders⸗ denkenden die Vaterlandsliebe abzusprechen. Die Staatsgewalt jeht ja jetzt vom Volke aus, und wir wollen es der Zeit über⸗ assen, bis das Volk zu der Erkenntnis von der Nötwendigkeit einer Aenderung der Staatsform gelangt. Ich würde gegen jeden einzelnen meiner nächsten Freunde mich mit aller Macht zur Wehr fepen, wenn er in diesem Augenblick der höchsten Bedrückung Streitigkeiten über die Staatsform wollte. Was wir jetzt brauchen, ist die Zusammenfassung aller Gruppen und Stände zu einer großen Front der Deutschen. Man soll bei der Feier des 18. Januar nicht so sehr die Kaiser⸗Proklamation be⸗ tonen, sondern den Tag der Deutschen Einigung, den auch die Demokraten ersehnt haben. Den alten Offizieren und Beamten, die für Rettung des Staates ihr Bestes hergegeben haben, sollte man nicht sagen: „Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan“, sosagn sie möglichst im Dienste des Staates erhalten. Meiner Unsicht nach ist es höchste und heiligste Aufgabe des Ministeriums, die Propaganda gegen den Eintritt in die französische Fremden⸗ legion gerade im Westen vorwärts zu tragen, damit Deutsche vor dem ungeheuerlichen Schicksal bewahrt bleiben, für Frankreich ihr Blut zu vergießen. Herr Minister, führen Sie eine Kultur volitik, die das Volk den Glauben an ein größeres Deutschland nicht ver⸗ lieren läßt, führen Sie eine Politik der besonnenen Energie, auf⸗ bauend auf dem, was heute ist. Dann werden Sie in der Stunde der Gefahr alle e auf Ihrer Seite sehen. (Beifall rechts.)

Abg. von Kardorff * Vp.) verteidigt seine Stellung zum Gemeindewahlrecht und bedauert die Politisierung der Ge⸗

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meindekörperschaften. Der Abg. Koch habe noch 1918 zum Ge⸗ weie btsecht ungefähr die gleiche Stellung eingenommen wie er selbst.

Präsident Löbe schlägt dann Vertagung vor, wogegen Abg.

Schultz⸗Bromberg (D. Nat.) Einspruch erhebt. L a48 aek. 5) beeifelt Frrauf die Beschluß⸗ fähigkeit des Hauses. 8 Das Präsidium stellt die Beschlußunfähigkeit fest. Die Sitzung muß darauf abgebrochen werden. Montag 2 Uhr Weiterberatung. 6“ 8

Schluß 6 ½ Uhr.

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Preußischer Landtag.

Auf der Tagesordnung steht die Fortsetzung der all⸗ gemeinen Aussprache zum Landwirtschaftshaushalt.

Abg. Dr. Hermes (Zentr.) stellt die weitgehende Ueber⸗ einstimmung des Hauptausschusses fest über die schwere Not der Land⸗ wirtschaft; Meinungsverschiedenheit bestehe nur über die Mittel, wie dieser Not zu steuern sei. Die Wertezerstörung durch den Weltkrieg sei katastrophal gewesen. Es werde Jahre angestrengter Arbeit be⸗ dürfen, um die alte Kraft zurückzugewinnen. Die Landwirtschaft sei Glied eines verarmten Volkes und müsse wie die anderen Berufs⸗ stände haushalten mit den zur Verfügung stehenden Mitteln. Was die Landwirtschaft brauche, müsse sie haben. Durch den Krieg sei das Handesvertragssystem der Welt zerrissen. Erst mit dem 11. Januar d. J. seinen wir wieder zur handelspolitischen Freiheit gelangt. Unsere Stellung im weltwirtschaftlichen Güteraustausch sei auf das tiefste beeinflußt durch Krieg und Kriegsfolgen. Durch die neuen Ver⸗ handlungen mit dem Auslande müsse eine völlige neue Ordnung der handelsvpolitischen Beziehungen hervorgehen. Auf dem Absatzmarkte be⸗ stehe eine Abneigung gegen deutsche Waren, wie das früher nicht der Fall gewesen wäre. Die Schwierigkeiten, einen neuen Absatzmarkt zu ge⸗ winnen müsse überwunden werden. Die Passivität der Handels bilanz laste schwer auf unserm Lande. Ein Teil der Einfuhr finde nur Deckung durch Vermehrung unserer Auslandsschulden. Der Dawes⸗Plan lege uns nach wenigen Jahren Verpflichtungen auf, die er (Redner) immer für unerfüllbar gehalten habe. (Sehr richtig! rechts.) Wir müssen aber alles tun, was wir vermögen, um den Plan zu erfüllen. Das Entscheidende sei, daß ein Ueberschuß an aus⸗ fuhrfähigen Güterv auch einen aufnahmefähigen Markt finde. (Sehr richtigl rechts). Erfüllungsproduktion Deutschlands und Rohstoffzölle des Auslandes seinen ein Unsinn. Nichts habe die Erfüllungs⸗ möglichkeit Deutschlands so zunichte gemacht als die deutschfeindliche Politik. Man errichte hohe Zollmauern gegen uns und verlange dam noch Sicherheiten. Die Kritik nach außen habe der Abg. Heilmann, als er den Zollschutz bekämpfte, vergessen. (Sehr wahr! rechts.) Landwirtschaft und Industrie hätten das größte Interesse daran, daß die Landwirtschaft wieder kaufkräftiger werde. Starsnng des Inlandes diene nicht nur der Landwirtschaft selbst, sondern auch der Industrie und dem gesamten Volk Die Landwirtschaft sei die wichtigste Quelle der physischen Erneuerung. Sie müsse leistungs⸗ fähig erhalten bleiben. Eine Wirtschaftspolitik sei von den jeweiligen Zuständen abhängig. Man könne nicht ein für allemal Schutzzoll oder Freihandel als allein richtig oder allein unrichtia bezeichnen. Führende Nationalökonomen erklärten, daß ein Abbau der Industriezölle einem Aufbau der Getreidezölle vorzuziehen sei. Professor Harms aus Kiel habe nachdrücklich darauf verwiesen, daß große Teile der Industrie Zölle genössen, die in normalen Verhältnissen als Prohibitivpzölle ge⸗ golten hätten. An der starken Disparität der Zölle zwischen Industrie und Landwirtschaft sei die Oeffentlichkeit beinahe eindruckslos vor⸗ übergegangen. (Sehr richtia! rechts.) Wenn die Industriezölle nicht abgebaut würden müsse auch die Landwirtschaft einen höheren Zoll schutz genießen. Wenn die Reichsregierung einen Satz nach dem anderen bei den Induftriezöllen steigere, wer wolle es da der Land⸗ wirtschaft verdenken, wenn sie ihrerseits ihre Forderungen stellte. Es müsse objektiv geprüft werden, ob die Industrie den Zollschutz ent⸗ behren könne. Virts könne jedenfalls durch Zölle nicht ausgeglichen werden, weil sie zu einer wechselseitigen Verteuerung der Erzeugnisse führten. L Endes könne im strengsten Sparsamkeitssinn stärkste Rationalisierung des Produktionsprozesses helfen. Bedauerlich sei, daß die Reichs⸗ regierung noch keine Enauete veranlaßt habe über die Wettbewerbs⸗ fähigkeit unserer Industrie und Landwirtschaft. Wir dürfen unseren Industrieschutzzoll jedenfalls nur insoweit abbauen. als auch das Ausland Entgegenkommen zeige. Wir sehen aber, das 3. B. England dabei sei, entgegen dem Geist einer hundertjährigen freihändlerischen Ueberlieferung die einheimische Industrie gegen das Ausland zu schützen. In Rußland werde einmal der Tag kommen, wo das System des Bolschewismus an seiner inneren Unwahrhaftigkeit zu⸗ grunde gehe (stürmische Zurufe bei den Kommunisten) und es wieder lebhafter in den Produktionsprozeß eingreise. Kanada habe seine Weizenanbaufläche ganz gewaltig gesteigert; sein Exvort werde immer mehr zunehmen. Das werde sich auf die deutschen Verhältnisse aus wirken. Als man in Amerika erklärte, daß die Etzeugungskosten in Kovode unverhältnismäßig niedrig seien, hätten die Vereinigten Staaten als praktische Nation sofort einen Schutzwall errichtet gegen Kanada. (Häürt, hört! bei den Deutschnationalen.) Dieses praktische Vorgehen sollte uns zu denken geben. Es sei nicht nur ein Recht, sondern eine Pflicht der deutschen Lorvdeirtshaft, hei den Handels⸗ vertragsverhandlungen ihr gewichtiges Wort in die Wagschale zu

werfen. Der deutsch⸗spanische Handelsvertrag wirke sich verhängnis⸗

voll aus. Der Winzerstand aber habe ein Recht, gegen das Ausland geschützt zu werden. (Zustimmung rechts.) Dazu komme die generelle Aufhebung des Einfuhrverbots für Pferde. Es müsse revidiert werden. Er erinnere auch an die schwere Konkurrenz des Gefrierfleisches, Gerade aus den bäuerlichen Kreisen komme der Ruf nach Schutz der deutschen Erzeugnisse der Viehzucht, der Gemüse, des Garten⸗ baues. Jedenfalls seien bei den bisherigen Verhandlungen mit dem Auslande starke Unzulänglichkeiten vorgekommen. Nicht 5 verkennen sei allerdings, daß die konzentrierte Betonung des Zo schutzes die Forderung nach anderen Maßnahmen völlig in den Hintergrund gedrängt habe. (Sehr richtig!) Solche Maßnahmen dürften aber nicht unberücksichtigt bleiben. In der d Umsatzsteuer 8 durch die Verordnung der Reichsregierung eine gewisse Erleichterung eingetreten, Der Steuerdruck laste aber noch immer zu schwer auf der Landwirtschaft. Das ganze Steuersystem bedürse einer grundsätzlichen Aenderung; die Steuer müsse gerechter verteilt werden. Notwendig seien Maßnahmen zur Beseitigung der allzugroßen Spannung zwischen den Erzeuger⸗ u id Verbraucher⸗ reisen. Und doch habe si der Abgeordnete Heilmann nicht ge⸗ gegen die deutsche Landwirtschaft den umgerechten Vorwurf zu erheben, sie wolle nur an den verkaufen, der die höchsten Preise zahle! Der Redner gedenkt zum Schluß der schweren Not, in der sich insbesondere die rein bäuerliche Bevölkerung in Oberschlesien infolge der Wetterschäden befinde, verlangt Förderung der Einrichtung einer gärtnerischen Versuchsstation in Dahlem und durchgreifendere Maßnahmen für einen ausreichenden Pflanzenschutz. 1““ Abg. Skjellerup (Komm.): Die Herren von der Land⸗ wirtsacst berufen sich für ihre Hochschutzzollpläne auch heute auf eine Reihe wissenschaftlicher Autorikäten; aber auffallend still sind sie gegenüber ihrem bisherigen obersten Gewährsmann Prof. Sering seworden, weil der die allgemeine Wirtschaftslage vorurteilslos genug nS um von Hochschutzzoll für Agrarprodukte nichts wissen zu wollen. (Redner verliest die bezüglichen Aeußerungen Serings im Wortlaut.) Der Landbund hat seinerzeit eine Denkschrift veröffent⸗ licht, die wieder einmal schlankweg behauptet, daß die deutsche Land⸗ wirtschaft von der eigenen nicht nur das Deutsche Volk ernähren, sondern darüber hinaus noch epportieren könne wenn sie den lückenlosen Hochschutztarif bekommt haben

Die Erfahrungen

*) Mit Ausnahme der durch Sperrdruck hervorgehobenen Reden der Herren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben sind. .

Die steuerliche Belastung der deutschen Wirtschaft

I“

Frage der

Versailler Vertrag nebst Anghängseln abgeschüttelt

langst das Gegenteil erwiesen.

1 wie Selbst die Landarbeiter seien, so meint der Landbund auf einen f

8 1 solchen Tarif mit ihren eigensten Lebensinteressen angewiesen, weil sie dann höhere Löhne erhalten würden. Weder die Landarbeiter noch die Kleinbauern werden auf diese Sirenenklänge hereinfallen. Wie man in Wirklichkeit in Preußen mit dem Kleinbauernstand umspringt, dafür legt die Bedrückung und der Kleinpächter durch die Großbesitzer, aber auch durch viele sogenannte Gemeinnützige Siedlungsunternehmungen wie die Schleswig⸗Holsteinische Höfebank in Kiel, Zeugnis ab. Herr Heilmann war bei seiner gestrigen Rede offenbar von dem Wunsche beseelt, seiner Partei den Verbleib in der Preußischen Regierung zu ermöglichen bzw. ihr die Chance des Wiedereintritts offen zu halten. Tritt der neue Zolltarif in Wirkung, dann wird der deutsche Verwal⸗ tungsapparat noch viel kostspieliger sein als heute, wo er bereits den Wert des ganzen deutschen Exports auffrißt. Auf alle Fälle kommt der Agrarzoll nicht dem deutschen Volke, sondern nur den Groß⸗ agrariern zugute. Der Landbund bedroht ja schon heute jeden Klein⸗ bauern, der ihm nicht beitritt, mit dem Interdikt. Würden die Sozialdemokraten und die Gewerkschaften in Verbindung mit uns die ganze Macht, die sie heute vielleicht noch besitzen, gegen die agrarische Unersättlichkeit aufbieten, die Agrarier bekämen ihren Zoll⸗ tarif nicht aber davon sind die Sozialdemokraten weit entfernt, und nachher wird es zu spät sein. Ueber Sowjetrußland und den Bolschewismus sind heute von Herrn Hermes wieder Auffassungen vertreten worden, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun haben. Der russische Wirtschaftskörper wird auf gesunder Grundlage wieder auf⸗ gebaut; die Einheitsfront der russischen und englischen Gewerkschaften ist hergestellt. Der Tag kommt mit Naturnotwendigkeit, wo Deutsch⸗ land mit dem Hut in der Hand vor Sowjetrußland stehen und betteln wird: Gebt uns Brot! Gebt uns Naphtha! Dieser Tag wird um so näher sein, je schneller Amerika zur Erkenntnis kommt, daß es von Deutschland trotz Dawes⸗Plan usw. nichts zu erwarten hat. Der Landbund will Deutschland auf seine Weise erretten: Die Produktionskosten sind zu hoch, also Herabsetzung der Löhne! Das ist sein „Patriotismus“. Die verrückte kapitalistische Wirtschafts⸗ ordnung, in der eine Million Deutscher auffrißt, was 60 Millionen erarbeitet haben, ist mit dem Augenblick zu Ende, wo die Macht in unsere Hände fällt. Dann, aber erst dann, wird auch eine wirkliche und eine für die Gesamtheit fruchtbare Steigerung der Produktion zur Tatsache werden. (Beifall bei den Kommunisten.)

Abg. Wachhorst de Wente (Dem.): Meine Fraktion steht dem neuen Zolltarifentwurf keineswegs doktrinär ablehnend gegen⸗ über. Die Reichsregierung hat sich dabei die Sache recht leicht gemacht, sie hät den alten Zolltarif zum guten Teil abgeschrieben und den veränderten Verhältnissen nicht genügend Rechnung getragen. Wir erkennen aber an, daß die Landwirtschaft sich in einer kritischen Lage befindet. Bei den Maßnahmen zur Abhilfe steht durchaus im Vordergrunde die Durchführung einer intensiven Wirtschaftsweise, wie sie leider in der deutschen Landwirtschaft noch in aroßem Umfange vermißt wird. Ich bin an und für sich ein Anhänger eines mäßigen Schutzzolls, würde aber bei den heutigen hohen Getreidepreisen dafür nicht zu haben sein. Es besteht indessen keige Sicherheit, daß diese stabil bleiben, namentlich, wenn Rußlands Kornkammer sich o bald wieder öffnet, wie es der Vorredner ankündigte. Trotzdem aber lehnen wir die Getreidezölle als Mindestzölle ebenso ein⸗ mütig ab, wie wir den Abschluß von Handelsverträgen für cine deutsche Lebensnotwendigkeit betrachten. Dazu gehört, daß Opfer von allen, auch von der Landwirtschaft, gebracht werden. Ebenso werden wir die Industriezölle in einer Höhe, die einem Einfuhr⸗ verbot gleichkommt, nicht genehmigen. Zölle auf Futtermittel dürfen unter keinen Umständen eingeführt werden, denn damit würde dem kleinen und mittleren Viehzüchter die Produktion bis zur Konkurrenz⸗ unfähigkeit verteuert werden. Hier sollte der Landwirtschaftsminister den Bestrebungen der preußischen Viehzüchter auch durch höhere Geld⸗ preise für hervorragende Leistungen mehr als bisher entgegenkommen; auch den Bemühungen der um die wissenschaftliche Erforschung der Düngungsmethoden verdienten Agronomieprofessoren wie Aerebö u. a. sollte er größere Mittel für ihre Versuche zur Verfügung stellen. Gegen ‚einen Kartoffelzoll müssen wir uns erklären. Mit einem allgemeinen Einfuhrscheinsystem sind wir auch nicht einverstanden; höchstens könnten wir es zulassen, bei der Getreideeinfuhr für die gleiche Masse ausgeführten Getreides. Die Einfuhr von 2 kehl in irgendwie erheblichem Maße muß verhindert werden.

Die Zwangswirtschaft auf diesem Gebiet muß jetzt ein Ende haben, nachdem nun auch die Reichsgetreidestelle ihre Liquidation be⸗ schlossen hat. Die Kreditnot der kleinen und mittleren Landwirte v hreit zum Himmel, während der Großgrundbesitz von der Renten⸗ bank 85 % der Kredite bekommen hat, während er zu ihren Lasten höchstens 15 % beiträgt. Totes Kapital, das keine Zinsen trägt, sollte in der Landwirtschaft überhaupt nicht angelegt werden. Auch die Bauernbünde und Bauernveveine sollten in dem Auf⸗ sichtsrat der Rentenbank paritätisch vertreten sein (Unruhe und Zurufe rechts); bisher hat der Großgrundbesitz, namentlich der in den Händen Adliger befindliche, es ausgezeichnet verstanden, hier unter sich zu bleiben. Eine einseitige Interessenpolitik der Groß⸗ agrarier und Großindustriellen zu betreiben oder zu unterstützen, dafür ist die Deutsche Demokratische Partei nicht zu haben. (Beifall bei den Demokraten.)

Abg. Biester (Dt. Hann.) verweist auf die ungünstigen Ernteaussichten infolge des mangelnden Regens und bezeichnet Kredite für die Landwirtschaft als erforderlich, insbesondere zur Beschaffung von Kunstdünger und von Saatgut. Die Verteilung der Kredite benachteilige die mittleren und kleineren Betriebe des Westens allzusehr dem Grundbesitz des Ostens gegenüber. In Hannover mache sich darüber immer größere Entrüstung geltend. Noch kräftiger als bisher sei die Siedlung zu fördern. Man dürfe aber nur Siedler einsetzen, die wirklich ihre Existenz finden können. Bei der Oedlandkultivierung sollte man nicht nur Getreideboden schaffen, sondern auch an eine neue Aufforstung denken. Zur

ebung der Viehzucht müsse alles geschehen. In der Prage des

8 sei ein Gleichgewicht herzustellen zwischen Industrie

u andwirtschaft. Deutschland müsse sich vom Auslande mög⸗

Mlichst unabhängig machen. Die Grenzen seien gegen Seuchenein⸗ chleppung zu Hatzen

Die Rede des Ministers für Landwirtschaft, Domänen und Forsten Steiger, der hierauf das Wort ergreift, wird nach Eingang des Stenogramms veröffentlicht werden.

Abg. Gieseler (D. Vp.): Die Deutschvölkische Freiheits⸗ partei sieht die Landwirtschaft als letztes Bollwerk unserer Volks⸗

irtschaft an und wird ihr helfen, soweit es in dem gegebenen Rahmen möglich ist. Als Maßnahmen fordern wir: 1. Abbau der vernichtenden Steuergesetzgebung. Künftig dürfen Steuern nur vom Einkommen erhoben werden. Jeder Eingriff in die Sub⸗ stanz ist zu vermeiden, weil dadurch eine gesunde Wirtschaft zur Unmöglichkeit wird. 2. Ausreichende, billige langfristige Kredite, Ausbau der Rentenbank zur landwirtschaftlichen Kreditanstalt. 3. Schutz gegen das Ausland. 4. Hebung der Produktion durch Senkung der Preise für Kunstdünger und durch Herabsetzung des Frachttarifs für künstlichen Dünger, landwirtschaftliche Produkte und landwirtschaftliche Maschinen. Das gilt lüsbssondere für Ostpreußen. 5. Förd berung einer vernünftigen Siedlungspolitik. 6. Verbot des spekulativen Güterhandels. Die Landeskulturämter dürfen nicht den Landräten unterstellt werden. Die starke Propa⸗ ganda der Kommunisten unter dem Landvolk ist lächerlich. Jeder Bauer weiß, daß der schlimmste Feind seiner heimatlichen Scholle der Kommunist ist. Die von der Haffkrankheit befallenen Land⸗ virte sind ebenso schadlos zu halten wie die Fischer. Eine Besse⸗ ung unserer verzweifelten Lage kann erst eintreten, wenn wir den aben werden. Alle unsere aeI von heute halten den endgültigen Zu⸗ ammenbruch unseres Wirtschaftslebens nur auf, b ihn schließ⸗ lich verhindern zu können. Ganz entschieden verlangen wir die zeneralreinigung des östentr cher Lebens. Es ist unbedingt not⸗ endig, daß in dieser schrecklichen Zeit das Volk Vertrauen zu seiner Regierung hat, damit wir geschlossen den Gefahren der Zu⸗ kunft begegnen können; aber wo soll das Vertrauen herkommen in unseren höchsten Verwaltungsstellen zum großen Teil keine Fachmänner, sondern Parteibonzen sitzen, die natürlich von

der Verwaltung keine Ahnung haben können, und solange das Volk das Gefühl hat, daß mit seinen öffentlichen Geldern keine saubere Wirtschaft getrieben wird. Was wir heute brauchen ist Ehrlichkeit, Suachkenntnis, fester Wille und Entschlossenheit. (Bei⸗ fall bei den Deutschvölkischen.)

Hierauf vertagt das Haus die Fortsetzung der Beratung auf heute, 12 Uhr. Außerdem Anträge der Wirtschaftlichen Vereinigung wegen Aufhebung der Preistreibereiverord⸗ nungen. 2

Schluß 4 ¼ Uhr.

Parlamentarische Nachrichten.

Der Haushaltsausschuß des Reichstages geneh⸗ migte vorgestern nach dem Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger zunächst eine Reihe von Anträgen des Sparausschusses, die im wesentlichen Erhöhungen der Summen für Bildung und Schule enthalten und genaue Verwendungszwecke dafür

angeben, so u. a. für handwerkliche Kunst, ferner für die Akademie der Arbeit in Frankfurt a. Main und für die staatliche Fachschulen für Wirtschaft und Verwaltung in Düsseldorf, für die Notgemeinschaft der Wisserschaft, für die Deutsche Büche ö draa Museum in Nürnberg.

rei in Leipzig und für das ger⸗ 500 000 Mark wurden bestimmt 8 örderung der auf die gesundheitliche Hebung des Volkes, ins⸗ esondere der Jugend gerichteten Bestrebungen von allgemeiner Be⸗ deutung, namentlich auch der gesundheitlichen Säuglings⸗, Klein⸗ kinder⸗ und EC sowie der hygienischen Volksbelehrung. Angenommen wurden Anträge, die Fahrpreisermäßigungen für die Jugendfahrten wieder, wie früher, zu gewähren; ferner die Ent⸗ schließungen, mit den Ländern in Fühlung zu treten, um zu erreichen daß in allen Ländern 6 WPochenstonden sür Leibesübungen eingefuhrt werden, sowie in geeigneter Weise darauf hinzuwirken, daß in den oberen Klassen der Volks⸗, Mittel⸗ und höheren Schulen Gesund⸗ heitsunterricht als Pflichtfach eingeführt werde, sowie Mittel für unbemittelte Volks⸗ und Mittelschüler bereitzustellen, ihnen eine höhere Bildung zu ermöglichen, ferner auf einheitliche Regelung der eleha ang und Fortbildung der taubstummen Kinder, auf ein⸗ heitliche Lehrervorbildung und auf Vorlegung einer Denkschrift über die hauswirtschaftliche und hausmütterliche Ausbildung der Mädchen. Die Reichsregierung wurde weiter um die Prüfung ersucht, ob nicht alle wissenschaftlichen Institute des Reiches dem Reichsministerium des Innern zu unterstellen sind. Weiter genehmigt wurde die Ent⸗ schliehung, die im Ausland im Schuldienst tätig gewesenen und noch ätigen deutschen Lehrkräfte bei der Rückkehr in die Heimat in keiner 2 benachteiligt werden, und daß insbesondere die im Auslands⸗ schuldienst dienstunfähig gewordenen Lehrkräfte die gleiche Versor⸗ sung wie die heimischen erhalten. Den Verfassungs⸗ rucken soll bei ihrer Uebergabe an die Schulentlassenen ein Auszug aus dem Versailler Vertrag angefügt werden. Ersucht wurde weiter, das vom Reichstag schon am 18. Februar verlangte Schutzgesetz gegen den Alkoholismus unter Einbeziehung eines brauchbaren Gemeinde⸗ bestimmungsrechts nunmehr beschleunigt vorzulegen. Angenommen wurden ferner Entschließungen der Sozialdemokraten, das Reichsgesetz für Jugendwohlfahrt in vollem Umfange in Wirksamkeit zu scFen, ämtlicher Parteien mit Ausnahme der Kommunisten, wonach die Ver⸗ anstaltung von Leibesübungen auch bei Erhebung von Eintrittsgeld Hurfrei sein soll, weiter —5 een der Deutschnationalen auf

orlegung eines Reichsirrenge etzes und eines Gesetzes zur Bekämp⸗ ung der Tuberkulose, der Sozialdemokraten auf alljährliche Vor⸗ egung einer Denkschrift über die Gesundheitsverhältnisse im deutschen Volke, des Zentrums auf Vorlegung einer Denkschrift über die Ge⸗ ahren für Deutschlands Zukunft, aus dem so bedrohlich zunehmenden Geburtenrückgang sowie auf wirksame Bekämpfung des Mißbrauchs von Betäubungsmitteln (Morphinismus und Kokainismus) seitens der Reichs⸗ und Landesbehörden. Zur Unterstützung der Junglehrer wurde ein Antrag Dr. Schreiber Gen. angenommen, der zur Behebung der Not der Junglehrer sechs Millionen Mark fordert. Angenommen wurde auch ein interfraktioneller Antrag, für den Er⸗ weiterungsbau des Deutschen Stadions eine Million Mark einzu⸗ etzen. Beim Titel „Unterstützung an die Länder für die Erhaltung ver Kriegergräber“ fragte 2 Abg. Dr. Schreiber Zentr.) die Regierung, ob der im Etat für diese Zwecke fiehssse eetrag von zweihundertachtzehntausend Mark ausreichend sei. in Regierungsvertreter verneinte diese Frage. Die Regierung habe im Ergänzungshaushalt eine höhere Summe für die Krieger⸗ gräbererhaltung fordern müssen. Zum Kapitel „Auswanderungs⸗ wesen“ richtete Berichterstatter Abg. Schreiber (Zentr.) an die Regierung die Frage nach den Richtlinien ihrer Auswanderungs⸗ Frbe und empfahl die Aufstellung eines eigenen Reichskommissars. Von der Regierung wurde darauf hingewiesen, daß der Leitgedanke ihrer Auswanderungspolitik der sei, entsprechend dem Auswanderungs⸗ eesetz die Auswanderung nach solchen Ländern zu lenken, die für die deutsche Auswanderung vorteilhaft und erfreulich seien. Den Ge⸗ danken eines Reichskommi ars werde die Regierung aufnehmen, ob⸗ wohl sie fürchte, in dieser Frage mit den Landesbehörden Schwierig⸗ keiten zu bekommen. Auf eine Frage der Abg. (D. Vp.), was 8 Beratung der auswandernden jungen Mädchen geschehe, erging die Regierungsantwort dahin, daß zum Schutze der jungen Mädchen be⸗ sondere Bestimmungen getroffen seien. Die Paßstellen seien ange⸗ wiesen, die Behörden bei Paßbegehren junger Mädchen zu Auswande⸗ rungszwecken zu verständigen, damit die Auswanderungsbehören von sich aus mit ihrem guten Rat an diese Auswanderungswilligen heran⸗ reten können. Grundsätzlich sollten sich alle Personen, die auswandern wollten, an die zahlreich vorhandenen amtlichen Auswanderungsstellen oder auch an die Beratungsstellen der konfessionellen Vereinigungen wenden. Bei den Etattiteln über die Filmangelegenheiten wünschte Berichterstatter Abg. Dr. Schreiber (Zentr.), daß zu Beisitzern der Filmprüfstelle in Zukunft nicht nur, wie das bisher der Fall ge⸗ wesen ist, Berliner herangezogen werden, damit eine Einseitigkeit in der Beurteilung der Filme vermieden werde. Vielmehr müßten die

Beisitzer aus ganz Deutschland genommen und in den Etat dafür ent⸗

sprechende Reisekosten eingestellt werden. Mitberichterstatter Abg. b. Mumm (D. Nat.) wies darauf hin, daß eine Etatbelastung durch Hinzuziehung von Beisitzern aus dem Reiche gar nicht eintreten werde, Fere Etat bei diesem Kapitel Einnahmen verzeichnet seien, die sogar einen Ueberschuß über die Ausgaben ergeben. Andererseits lägen viele Klagen über unterschiedliche Behandlung in den einzelnen Kammern der Filmprüfstellen vor. Staatssekretär Schultz sagte Berücksichtigung des Wunsches auf Heranziehung von Beisitzern aus dem Lande zu, soweit etatsmäßige Möglichkeiten vorlägen. Er wies auf die schwierige Lage der deutschen gegenüber der ausländischen Konkurrenz hin. an dürfe die deutsche Produktion nicht über ein erträgliches Maß hinaus belasten. Abg. Matz (D. Vp.) betonte, daß die Frnegehen nicht um der Gesellschaften willen da seien, sondern zu einer objektiven Prüfung der Produktion im Interesse der Kultur. Deshalb müßten unbedingt Bei⸗ sitzer aus dem Lande hinzugezogen werden. Nachdem der Ausschuß noch ohne Debatte den Etatstitel „Institut für Erdbebenforschung in Jena“ erledigt hatte, wurde die Weiterberatung auf heute vertagt.

Im Steuerausschuß des Reichstages wurde vor⸗ estern der Gesetzentwurf zur Aenderung der Verkechrs⸗ S und des b beraten. Zunächst wurde die im Rahmen dieses Gesetzentwurfes enthaltene Aenderung der Kapite l⸗ verkehrssteuer behandelt. Hierme wurde von seiten der Regierung, dem Nachrichtenbüro des Vereins deutscher Zeitungsverleger zufolge, ausgeführt, daß der Normalsatz, der insbesondere bei Gründung und Kapitalerhöhungen von Heheezelten fällig werdenden Gesellschafts⸗ teuer nach dem Kapitalverkehrsteuergesetz bisher siebeneinhalb vom Hundert betrug. Dieser sei durch die inzwischen erlassenen

teuermilderungsverordnungen au fün vom Hundert herabgesetzt worden. Der vorliegende Gesetzentwurf schlage eine weitere Senkung der Gesellschaftssteuer vor. Die Sozialdemokraten erklärten sich mit dieser Senkung nicht einverstanden und beantragten den Steuersatz bei fünf Prozent zu belassen. Der Antrag wurde abgelehnt. Den Demokraten erschien die Senkung auf vier als nicht genügend. Sie verlangten einen niedrigeren Satz. Trotzdem entschied sich der

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Ausschuß für den in der Regierungsvorlage enthaltenen Steuersatz von vier Prozent. Es soll also § 11 des Kapitalverkehrsteuergesetzes dahin abgeändert werden, daß die Steuer vier vom Hundert des Wert des Gegenstandes beträgt. Diese Herabsetzung des Normalsatzes der Gesellschaftssteuer führte in der Regierungs⸗ vorlage auch zu einer Herabsetzung der Fusionsteuer auf zwei Prozent. Bisher betrug die Fusionsteuer die Hälfte des Normalsatzes, also zweieinhalb vom Hundert. Die Sozial⸗ demokraten beantragten, den diesbezüglichen Paragraphen überhaupt zu streichen. Sie bezweckten damit, einen besonderen Steuersatz für die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften überhaupt auszuschalten, ein Zustand, wie er früher im Reichssteuergesetz vorhanden war. Sie führten dazu aus, daß auch im Kapitalverkehrsteuergesetz in seiner urs eltenden Fassung eine Steuerermäßigung für Fusionen nicht vorgesehen war. Der sozialdemokratische Antrag wurde jedoch abgelehnt und damit die Frfüörsseue auf 2 Prozent festgesetzt. Betreffs der Börsenumsatzsteuer führte ein Vertreter der Reichsregierung aus, daß diese Steuersätze nach Rück⸗ kehr zu fester Währung abgebaut worden seien. Gegenwärtig sei für Kundengeschäfte ein Steuersatz von 6 v. Tausend und für Hlnbler⸗ geschäfte von 2 v. Tausend in Geltung. Der Entwurf schlage eine weitere Herabsetzung der Steuer für die . von Aktien vor, und zwar beim Kundengeschäft 0,3 vH und beim Händlergeschäft 0,1 vH. Abg. Dr. Fischer⸗Köln (Dem.) erklärte, die vorgeschlagenen Säße betrügen immer noch das Zehnfache der Steuer in der Vorkriegszeit, was bei der jetzigen Schwäche des Börsenlebens unerträglich sei. Von seiten der Regierung wure darauf erwidert, daß angesich⸗ des Geldbedarfs des Reiches und der schweren Lasten, die auf anderen Steuergebieten von der Bevölkerung getragen werden müssen, eine Rückkehr zu den Friedenssätzen von vornherein aus dem Kreise der Erwägungen auszuscheiden habe. Auch das Ausland, z. B. Frank⸗ reich, Belgien, Oesterreich, habe sich genwungen gesehen, über die Friedenssäte hinauszugehen. Es müsse daher auch in Zukunft mit einer starken Belastung der Effektenumsätze gerechnet werden. Der Ausschuß beschloß, den in der Regierungsvorlage enthaltenen Steuer⸗ ätzen zuzustimmen, nahm aber gleichzeitig einen Antrag des Abg. Dr. I1I111““ Vp.) an, der eine Ermächtigung der Reichsregierung zur änderung (Ermäßigung und Aufhebung) von Sätzen der Ber enuncsabitener vorsieht. Fieranf wandte sich der Ausschluß den Aenderungen der Grunderwerbssteuer zu. Ein Vertreter der Reichsregierung führte hierzu aus, daß nach dem bisher geltenden Recht die Grunderwerbsteuer vier vom Hundert des gemeinen Wertes des Grundstücks betrage. Die Steuer, die ursprünglich zur Hälfte dem Reich und zur anderen Hirfte den Ländern 85 fließe seit Neuregelung des Finanzausgleichs zwischen Reich und Ländern im April 1923 ausschließlich den Ländern zu, die verpflichtet seien, die Gemeinden an der Steuer mit mindestens der Häffte zu beteiligen. Als zur Grunderwerbsteuer könnten nach dem Finanzausgleichgesetz, wenn eine Wertzuwachssteuer nicht erhoben werde, bis vier vom Hundert erhoben werden. Die Erhebung einer teuer von vier und vier gleich acht vom Hundert bilde die Regel. Nun solle im Rahmen der Neuregelung des Steuerwesens eine allgemeine Herabsetzung der Grunderwerbsteuer um eins vom Hundert, also eine Senkung auf drei Prozent erfolgen. Demgegenüber erklärte Staatsrat von Wolf von der Bavperischen Gesandtschaft als Vertreter des Reichsrats daß der Reichsrat nicht in der Lage sei, den Vorschlägen der Reichsregierung zu folgen. Der Reichsrat sei wohl damit einverstanden, 5 im Falle der Einbringung von Grundstücken in eine E“ die Grunderwerbsteuer von vier vom Hundert auf drei vom Hundert ermäßigt werde und daneben die Zuschläge erhoben würden. Dagegen glaube der Reichs⸗ rat, die Steuerermäßigung auf diese Fälle beschränken und für alle anderen Fälle der Uebertragung von Grundstücken die Grunderwerb⸗ steuer nebst Zuschlägen in dem bisherigen Umfange beibehalten zu müssen. Vom Standpunkt der Finanzwirtschaft der Länder erscheine dem Reichsrat sonst der Verlust aus einer allgemeinen Senkung der Steuer nicht tragbar. Der Ausschuß trat den Vorschlägen der Reichs⸗ regierung bei, die im Regelfalle eine Belastung von drei Prozent Reichssteuer nebst zwei bis vier Prozent Zuschlägen, 22 eine Gesamt⸗ belastung von fünf bis sieben Prozent ergeben. Auf Antrag der Re⸗ wurde alsdann noch im § 8 Abs. 1 Ziffer 7 des Grunderwerbsteuergesetzes folgende abgeändert Fassung beschlossen:

„Die Steuer wird nicht erhoben beim Auslaufh von im Inland gelegenen Grundstücken zum Zwecke der Zusammenlegung (Flur⸗ bereinigung), der Ermöglichung einer besseren landwirtschaftlichen Ausnutzung von Grundstücken im Gemengelage, der Grenzregelung oder der besseren Gestaltung von Baufläaͤchen (Umlegung) sowie bei Ablösung von Rechten an Forsten, wenn diese Maßnahmen auf der Anordnung einer Behörde beruhen oder von einer gesetzlich hierfür zuständigen oder durch die oberste Landesfinanzbehörde bezeichneten Behörde als zweckdienlich anerkannt werden.“

Zum Schluß legte Abg. Dr. Fischer⸗Köln (Dem.) Verwah⸗ rung dagegen ein, daß manche Länder und Gemeinden bei Grundstücks⸗ übertragungen für den Akt der Genehntigung Gebühren berechnen, die sich in einer Höhe bis zu einem Prozent des gemeinen Grund⸗ stückswerts bewegen. Der Ausschuß schloß sich dieser Kritik an. Bei der zweiten Lesung der Grunderwerbsteuer soll eine Resolution ein⸗ gebracht werden, worin die Reichsregierung aufgefordert wird, auf die Länder und Gemeinden dahin einzuwirken, daß diese ungerechtfertigte Belastung des Grundstücksverkehrs abgestellt wird. Damit war die erste Lesung des Gesetzentwurfes zur Aenderung der Verkehrssteuern beendigt und der Ausschuß vertagte sich.

Nach den Abstimmungen, die nach mehrtägigen Beratungen vorgestem im Aufwertungsausschuß des Reichstages stattgefunden haben, enthält der § 11 laut Bericht des Nachrichten⸗ vüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger über die Rückwirkung folgende Fassung:

.Abs. (1) In den Fällen des § 1 Abs. 2 Ziffer 1-4; findet trotz Be⸗ wirkung der Leistungen eine Aufwertung nach den Vorschriften dieser statt, sofern der Gläubiger sich bei der Annahme der Leistungen seine Rechte vorbehalten hat. Liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 für die persönlichen Forderungen vor, so wird neben dieser auch die Hypothek aufgewertet; dies gilt nicht, wenn der Gläubiger sich seiner Rechte auf Aufwertung der Hvypothek ausdrücklich begeben hat. Liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 für die persönliche Forderung nicht vor, so findet auch eine Aufwertung der Hypothek nicht statt. Entsprechendes ailt für die Aufwertung der Schiffs⸗ und Bahnpfandrechte und der durch sie gesicherten persönlichen Forderung. 1 8

Abs. (2) Hat der Gläubiger die Leistung nach dem 15. Juni 1922 angenommen, so findet in den Fällen des § 1 Abs. 2 Ziffer 1—4 eine Aufwertung nach den Vorschriften dieser Verordnung auch dann statt, wenn der Gläubiger sich bei der Annahme der Leistung seine Rechte nicht vorbehalten hat (Rückwirkung). Die Rüchwirkung findet, auch wenn diese Voraussetzungen vorliegen. nicht statt.

1. soweit sie für den Eigentümer oder für den persönlichen

Schuldner mit Rücksicht auf seine wirtschaftliche Lage, ins⸗ besondere auch auf erhebliche auf den Währungsverfall zurück⸗ zuführende Vermögensverluste,, 8 1

2. für den persönlichen Schuldner mit Rücksicht auf die Höhe des

nach der Veräußerung des belasteten Gegenstandes erzielten

Erlöses eine unbillige Härte bedeuten würde. 8*

Abs. (22) Die Aufwertung auf Grund der Vorschriften der Absätze (1). (2) findet nur statt, wenn der Gläubiger seinen Anspruch

bis zum 1. Januar 1926 bei der Aufwertungsstelle anmeldet. Die Anmeldung ist dem Eigentümer und dem persönlichen Schuldner mitzuteilen. Innerhalb einer Frist von drei Monaten seit der Mit⸗ teilung der Anmeldung kann der Eigentümer und der persönliche Fetener bei der Aufwertungsstelle gegen die Aufwertung Einspruch erheben. 8

Abs. (2b) Die Vorschriften der Absätze (1), (2) und 2a finden auch dann Anwendung, wenn der Gläubiger das Recht an einen andern abgetreten hat, es sei denn, daß es sich um einen Rechts⸗ übergang der im § 2 Abs. 2 Ziffer 2—10 bezeichneten Art handelt.

Abf. (3) Soweit nach diesen Vorschriften eine Aufwertung stattfindet, sind Zahlungen in Höhe des Goldmarkbetrages auf den Betraag der Aufwertung anzurechnen. Das gilt nicht für eemneen die vor einen in Absatz (2) bestimmten Zeitpunkt ohne Borhehal angenommen worden sind. Solche Zahlungen sind zum Nennbetrag auf den Nennbetrag anzurechnen. v .“