gehalten hat, gezwungen, dem Reichstag eine Vorlage zu unter⸗ breiten, die einerseits die Vorschläge der Regierung, andererseits diejenigen des Reichsrats enthielt
Es ist dann wiederholt gesprochen von der Belastung unserer Landwirtschaft mit Zinsen überhaupt. Vor dem Kriege hatte die preußische Landwirtschaft, wenn ich das gegenwärtige Staatsgebiet zugrunde lege, eine Verschuldung von 9 Milliarden, die nur mit 4 Prozenk zu verzinsen war, so daß eine Zinsenlast von 360 Mil⸗ Uonen Mark entstanden ist. Welches ist nun die gegenwärtige Verschuldung der preußischen Landwirtschaft? Zunächst ist von den Beschlüssen des Reichstags über die Hypotheken⸗ aufwertung auszugehen. Wenn ich diese zugrunde lege, dann ist mit einem Zinsbetrag von 87,5 Millionen Mark zu rechnen. Dazu kommt die Rentenbankbelastung von 1,2 Milliarden mit 5 Prozent gleich 60 Millionen Mark. Die neue Hypothekenverschuldung nehme ich auf eine Milliarde an, die mit 12 Prozent zu verzinsen ist, und dazu endlich die neue Personalverschuldung mit 1,5 Mil⸗ liarden, die mit 14 Prozent zu verzinsen ist, so daß sich im ganzen eine Zinsenbelastung von 477 Millionen Mark ergibt. Die Zinsen⸗ belastung vor dem Kriege war 360 Millionen Mark. Möge man nun sagen, die Rechnung wäre vielleicht um einige Millionen anders aufzumachen, so spielt das keine Rolle. Auf alle Fälle ist die Zinsen⸗ belastung der Landwirtschaft jetzt größer als vor dem Kriege. Diese Ueberlegungen führen uns zu der weiteren Belastung unserer Land⸗ wirtschaft mit Steuern, denn Zinsen und Steuern sind die beiden Momente, die zweifellos für die Belastung in der Landwirt⸗ schaft entscheidenden Einfluß ausüben.
Herr Dr. Rothkegel bei der Kur⸗ und Ritterschaftsdirektion in Berlin hat die Fragen der Rentabilität der Landwirtschaft untersucht und dabei auch diese Belastung ermittelt. Er hat 38 Güter, die der Ritterschaftsdirektion unterstehen, danach untersucht, welche Steuer⸗ last und öffentlich⸗rechtliche Last die Güter pro Hektar vor dem
riege hatten und wieviel sie jetzt haben. Da es sich hier um tat⸗ sächliche Zahlen aus der Praxis handelt, so haben sie eine besondere Bedeutung. Er hat errechnet, daß bei diesen 38 Gütern 1913 auf den Hektar 24,20 Mark entfallen sind und im Jahre 1925 nicht
eniger als 39,90 Mark. Sie sehen also schon hieraus, welche Be⸗ lastung die heimische Landwirtschaft hat. Nun unterliegt es aber keinem Zweifel, und es ist von den Herren Vorrednern verschiedent⸗ lich hervorgehoben worden, daß die ausländische Landwirt⸗ schaft mit sehr viel geringeren Lasten zu rechnen hat, das heißt, daß sie geringere Produktionskosten hat. Die Produktionskosten je Doppelzentmner betragen in Kanada 10,90 Mark, in den Vereinigten Staaten 19,15 Mark und in Deutschland gegenwärtig 27 Mark. Nun hat ja bereits der Herr Abgeordnete Dr. Hermes darauf hin⸗ gewiesen, daß die Vereinigten Staaten für ihr Verhältnis zu Kanada den Schluß aus dieser Diskrepanz gezogen haben, indem sie einfach einen Zoll von 6 Mar⸗ pro Doppelzentner einführten. (Zuruf bei
n Kommunisten: Da ist der Zoll noch viel zu gering!) — Viel⸗ eicht erhöhen sie ihn noch; die Amerikaner sind bekanntlich sehr asch von Entschluß. — Ich darf dann weiter darauf hinweisen daß
Ausdehnung des Getreidebaues in Argentinien und in Australien n den letzten Jahren nicht unerheblich war; das sind aber die beiden Länder, die noch viel geringere Produktionskosten haben. In Argen⸗ tinien ist der Weizenbau in den letzten beiden Jahren von 7,0 auf 7,2 Millionen Hektar gestiegen, in Australien von 3,9 auf 4,4 Mil⸗ lionen Hektar.
Aber, meine Damen und Herren, ganz besonders sind es unsere inneren Verhältnisse der Produktion, die uns zwingen, für die Land⸗ wirtschaft einen entsprechenden Zollschutz zu verlangen. Unser Getreide steht dem ausländischen in der Qualität nach. Unser Weizen ist weich, der ausländische ist hart. ländischen Weizens; freilich bedarf das Ausland auch in gewissem Maße unseres Weizens, weil durch die Zumischung die Ausländer auch ihr Brot verbessern. Dann kommt hinzu, daß heute in Deutsch⸗ land die Bahnfracht für Getreide gegenüber der Vorkriegszeit um 80 bis 90 Prozent gestiegen ist. Nun bedenken Sie, daß das Ge⸗
reide, das aus Deutschland zu den an den großen Wasserstraßen ge⸗ legenen Mühlen gelangt, mit dieser hohen Fracht vorbelastet ist, während das ausländische Getreide mit geringer Wasserfracht dort an⸗ kommt. Hier hat das cusländische Getreide ohne weiteres den Vorsprung.
Von der Umsatzsteuer ist wiederholt gesprochen worden; leider ist vergessen, auch darauf hinzuweisen, welche Umsatzsteuer⸗ belastung auf dem Wege vom Müller bis zum Bäcker entsteht. Man
rechnet, daß auf diesem Wege und bis das Brot zum Verbraucher gelangt, noch viermal Umsatzsteuer entsteht. (Hört, hört!)
Ich darf dann weiter darauf hinweisen — das haben ja einige der Herren Vorredner ganz richtig angeführt —, daß die Aus⸗ fuhrsperre ein Schaden für unsere heimische Landwirtschaft ist, denn sie schneidet das Getreide vom günstigen Markte ab. Dieses in das Ausland gebrachte Getreide ist auch eine Stütze für unser eigenes Geetreide, denn die dort erfolgte höhere Notierung kommt rückwärts auch unserem Getreide in gewissem Maße zugute.
Der Getreidebau ist und bleibt aber das Rückgrat unserer Land⸗ wirtschaft, alles andere resultiert aus ihm. Wenn er nicht rentabel ist, leidet die ganze Landwirtschaft Not,; rentabler Getreidebau ist der große und beste Regulator unferer Landwirtschaft.
Ueberlegt man das alles, dann wird man auch einräumen müssen, daß Getreidezölle sehr wohl berechtigt sind, wird das aber noch mehr einräumen müssen, wenn man sich die Wirkung der
Getreidezölle in der Zeit vor dem Kriege vergegenwärtigt, wenn man die Zunahme der Getreidefläche 1896 bis 1905 einerseits und von 1906 bis 1914 andererseits und ebenso die Erträge vergleicht. Ich gebe nur zwei Zahlen an. Die Roggen⸗ anbaufläche betrug bis 1905 5,9 Millionen Hektar, stieg danach auf 6,1. Die Roggenerträge betrugen bis 1905 durchschnittlich 13,3 und nach⸗ her 17,6, die Weizenerträge bis 1905 16,9 und nachber 20,8 Doppel⸗ zentner. Also wir sehen die Wirkung der Getreidezölle nicht bloß in der Zunahme der Anbaufläche, sondern auch der Erträge.
Nun ist nicht zu bestreiten, daß unsere Wissenschaft in der Agrarzollfrage gegenwärtig nicht einheitlich ist. Es gibt Vertreter der Wissenschaft, die auch heute noch den Getreidezoll aus denselben Gründen fordern wie vor dem Kriege und wie im Jahre 1902. Ich erinnere Sie an die Ausführungen von Professor Dr. Diebl, von Professor Dr. Fuchs, an Dr. Ritter und Dr. Albrecht, insbesondere aber an Diehl und Fuchs bei den Verhandlungen des Vereins für Sozialpolitik in Stuttgart im September des letzten Jahres. Dort führten diese beiden ausdrücklich aus, daß die Er⸗ zeugung in den Gegenden mit jungfräulichen Böden noch zunehme und daß wir mit einer Einfuhr aus Gegenden zu rechnen haben, die sehr viel geringere Produktionskosten verzeichnen. Andererseits haben
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Wir bedürfen also des aus-
sich im letzten Herbst die Professoren Sehring und Harms zunächst grundsätzlich gegen die Getreidezölle erklärt, aber sie haben gleich⸗ zeitig gesagt: dann auch keine Industriezölle. (Sehr richtig! im Zentrum.) Sie führten weiter aus: Wenn wir Industriezölle haben müssen, dann müssen wir eigentlich auch Getreidezölle haben. Und gerade Professor Harms war es, der vor acht Tagen im Reichs⸗ wirtschaftsrat sagte, daß Getreidezölle in Form von Bereitschafts⸗ zöllen, Ausgleichszöllen, geschaffen werden sollten. Vor kurzer Zeit haben sie in Oesterreich gesetzlich Anwendung gefunden. Sie sind im Grunde nichts anderes als gleitende Zölle. Nun, meine Damen und Herren, denken Sie sich einmal die Durchführung der Sache. Man geht von Gestehungskosten aus, die man für Deutschland errechnet hat, und sagt, wenn der Weltmarktpreis in gewissem Maße unter diese Gestehungskosten fällt, dann soll die Einführung dieser Aus⸗ gleichszölle erfolgen. Alsbald wird der Streit über die Gestehungs⸗ kosten entstehen. Denn die Bildung des Weltmarktpreises — das
ist ja ein Faktor, von dem wir wissen, daß wiederholt willkürlich und
absichtlich durch die Bildung von Konzernen ein Preis in der Welt gemacht worden ist. Davon soll man nun abhängig sein. Ich glaube, das kann man nicht verantworten. Außerdem: wird man immer rechtzeitig kommen? Aber wenn sich schon in früherer Zeit bei England und Belgien diese gleitenden Zölle nicht bewährt haben, so werden wir in der gegenwärtigen Zeit, wo wir eine viel größere Beweglichkeit in allem verzeichnen — damals gab es noch kein Telephon, jetzt gibt es sogar Radio —, damit rechnen müssen, daß alle die Ueberlegungen, die man auf Grund der früheren Er⸗ fahrungen anstellt, über den Haufen geworfen werden.
Ich will jedoch nicht bestreiten, daß in bezug auf die Mindest⸗ zölle ein Streit und eine ablehnende Meinung auch bei denen besteht, die sonst für Getreidezölle wären. Sie geht von der Auffassung aus, daß dann eben nicht so recht mit unseren Vertragsgegnern zu ver⸗ handeln wäre, weil sie gleich von vornherein sagen werden: Ihr Deutsche seid ja in bezug auf Getreide bereits auf den und den Satz fest⸗ gelegt. Das ist richtig; aber gerade weil wir wissen, daß die Position Deutschlands heute in der Welt so schwach ist, daß es eigentlich kaum mehr Widerstand leisten kann, sind jetzt diese Mindest⸗ zölle notwendig. Das ist ein ganz neues Moment, ein Moment, das 1902 bei jener Zolltarifgesetzgebung überhaupt nicht vorhanden war. Damals ließ man sich nur von der Erwägung leiten, durch Mindestzölle diesem wichtigen Teil der landwirtschaftlichen Erzeugung einen gesicherten Schutz zuteil werden zu lassen. Aber heute müssen wir einräumen, daß ein ganz anderes Moment in die ganzen Ver⸗ hältnisse hineinkommt. Die Erfahrung haben wir ja, ich brauche Sie nur an den deutsch⸗spanischen Handelsvertrag zu erinnern, der auch wiederholt genannt worden ist, brauche Sie nur auf die Ver⸗ handlungen aufmerksam zu machen, die mit Italien und Frankreich schweben, brauche die Verhandlungen mit Belgien gar nicht zu nennen. Deutschland ist eben leider außenpolitisch schwach und braucht deshalb eine Stütze, die es durch diese Mindestzölle erhalten soll. (Sehr richtig! im Zentrum und rechts.)
Nun sagt man aber: die Landwirtschaft ist in einem großen Irrtum; diese Zölle helfen ihr ja gar nicht, denn die Folge ist ja bloß, daß sich die Grundrente hebt, und die gehobene Rente hat zur Folge, daß die Grundstückspreise steigen und dann wieder eine neue Verschuldung kommt. Ja, meine Damen und Herren, diese Ausführungen waren mir in lebhafter Erinnerung, denn ich habe sie einmal in Schmollers Jahrbüchern gelesen, und zwar von Dr. Walter Rothkegel, den ich bereits genannt habe. Ich habe sie damals ganz besonders studiert mit Rücksicht auf die Verhältnisse in der Provinz Hannover, und ich kam schon damals zu dem Ergebnis: diese Argumentation ist falsch, — denn es ergab sich, daß beim besten Boden in der Provinz Hannover, einem Boden, der auch in ganz Preußen an erster Stelle steht, in Hildesheim, die Güterpreise gar nicht erheblich gestiegen waren, obgleich dort der Schwerpunkt in der Getreideproduktion liegt. Aber sie waren außergewöhnlich gestiegen auf der Geest und in den Moorgegenden. Diese Steigerung hat gar nichts mit den Getreidezöllen zu tun. Die Leute verkaufen fast kein Getreide; sie verfüttern es. Der Grund ist ein anderer. Durch die Amwendung von Thomasschlacke, Kainit und Zwischenfrucht ist auch in diesen Gegenden der Ertrag des Landes ungemein gestiegen, und infolgedessen sind auch die Preise dieses Landes in die Höhe ge⸗ gangen. Es ist aber sehr interessant, daß jetzt auch dieser Sach⸗ verständige etwas anderes sagt. Im letzten Herbst hat Rothkegel eine Arbeit veröffentlicht in den Berichten des Reichsernährungs⸗ ministeriums. Sie heißt „Die Verminderung des Wertes land⸗ wirtschaftlicher Betriebe“. Hier modifiziert er seine Anschauungen sehr wesentlich. Während er früher die Getreidezölle als die Ur⸗ sache der Steigerung der Preise angegeben hat, sagt er jetzt, er sehe darin nur einen Anstoß für die Aufwärtsbewegung, — einen An⸗ stoß! — und die Tatsache, daß die Preise so gestiegen sind, entnimmt er der Steigerung des Vermögens der ganzen Nation. Ich glaube auch, daß man die Grundstückspreise nicht von unseren ganzen Ver⸗ hältnissen trennen kann, sondern daß man sie in unsere ganzen Ver⸗ hältnisse hineinstellen muß. Also ist der Einwand, daß die Land⸗ wirte mit den Getreidezöllen selbst auf dem Holzwege seien, wenn sie für Getreidezölle eintreten, irrtümlich. (Sehr richtig!) Aller⸗ dings ist auf der anderen Seite zuzugestehen, daß durch den Getreide⸗ zoll die Preise erhöht werden. Aber die Frage: in welchem Um⸗ fange? ist gänzlich offen. Es ist interessant, daß im Jahre 1902 bei der Begründung der Zolltarifvorlage die Regierung selbst der Mei⸗ nung war, daß der ganze Getreidezoll vom Inland getragen werde. Es hat sich aber herausgestellt, daß das ein Irrtum ist. (Zuruf: Einfuhrscheine!) Es hat sich gezeigt, daß das ein großer Irrtum ist. (Sehr richtig!) Ich möchte Ihnen das an einem Beispiel zeigen. Der Laplataweizen hat von 1906 bis 1913 in Hamburg an der Börse durchschnittlich 4,05 Mark weniger notiert, als der Weizen⸗ preis in Berlin war. Es hat also das Ausland die Differenz zwischen 4,05 und 5,50 Mark, den Zoll, getragen. Das sind 21 Pro⸗ zent des Zollbetrages. Im Jahre 1913 hatten wir eine sehr gute Ernte, hatten nicht mehr das große Bedürfnis nach so viel aus⸗ ländischem Getreide. Der Preis des Laplataweizens sank, die Differenz zwischen Hamburg und Berlin betrug nur 2,75 Mark, d. h., 50 Prozent des Zolls mußte das Ausland tragen. Also zu sagen: wer trägt den Zoll? das ist nicht möglich. Es ist aber natür⸗ lich, daß immer derjenige den Zoll trägt, der an dem betreffenden Geschäft das größere Interesse hat. Ob das der Käufer oder Ver⸗ käufer ist, kann man überhaupt vorher nicht sagen. Man kann nur das eine sagen: Wenn normale Ernten in der ganzen Welt sind, dann werden beide zu gleichen Teilen den Zollschutz tragen. Aber diese Voraussetzung trifft ja wahrscheinlich überhaupt nicht zu.
Es ist mir zu meiner Freude zugerufen worden: Einfuhrscheine! Ich war früher selbst Gegner des Einfuhrscheinwesens, weil diese
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Scheine früher verwandt werden konnten auch zur Begleichung der Zollverbindlichkeiten für Kaffee, Tee usm Daher ist dieses Ver⸗ fahren spekulativ ausgenutzt worden Nachdem aber die Einfuhr⸗ scheine für Getreide nur verwandt werden konnten zur Begleichung von Zollverbindlichkeiten für Getreide, sind Spekulationen aus⸗ geschlossen. Wenn Sie für den Freihandel sein wollen, müssen Sie einräumen, daß hier ein Ausgleich des Handels ist. Der eine bringt die Ware heraus aus dem Lande, und der andere herein; das ist auch im Interesse des Handels. Allerdings ist es vor allem eine Erleichte⸗ rung für die Landwirtschaft. Ostpreußen, das sonst seinen Weizen mit der teuren Getreidefracht ins Land versenden muß, kann bei der Einfuhrscheinmöglichkeit, die billige Wasserfracht benutzend, seinen Weizen nach den nordischen Staaten senden.
Nun frage ich: Warum sind Sie dagegen, daß die ostpreußische Landwirtschaft diese Möglichkeit hat? Sie schadet niemandem. Denn für diesen Teil, der beispielsweise in Berlin ausgefallen ist, kommt ein anderer Teil herein. Aber ebenso wie Ostpreußen hat unter Umständen auch die westliche Landwirtschaft das Bedürfnis, wenn sie zufällig eine gute Ernte hat, auf dem kürzesten Wege den besten Markt aufzusuchen. Also ich glaube, daß ich schon recht habe, wenn ich mich eines Besseren belehrt habe. Ich war früher Gegner der Einfuhrscheine, nach der Aenderung der Bestimmungen dieses Systems vertrete ich es und empfehle ich es, gleichzeitig mit den Zöllen das Einfuhrscheinwesen wieder einzuführen. (Zuruf bei den Kommunisten: Das ist eine Angelegenheit für sich!) Weiter ist darauf hinzuweisen, daß die Zollsätze für Vieh und Vieherzeugnisse von verschiedenen Seiten wegen ihrer Höhe bemängelt wurden. Jene Zollsätze zu bemängeln ist um so weniger Ursache, da sie nur wntonome Zölle sind. Was nachher bei den Verhandlungen herauskommt, weiß niemand.
Herr Abgeordneter von Winterfeld meinte gestern, ich sei gegen Gerstezölle. Er hat sich geirrt. Ich war derjenige, der vor dem Jahre 1902 den Gedanken zuerst aussprach, daß Futtergerste mit einem niederen Zoll zu belasten sei als Braugerste. Diese Stellung habe ich aus den Erfahrungen in der Umgegend von Bremen mit der Einfuhr von Futtergerste gewonnen. Auch der Reichstag hat sich auf jenen Boden gestellt, und unter der Differenzierung von Futter⸗ gerste und Braugerste hat in der Tat einmal der Qualitätsgersten⸗ bau sich entwickelt, andererseits die Schweinezucht und ⸗mast. Außer⸗ dem ist durch die massenhafte Einfuhr von Futtergerste gleichzeitig der Stallmist so verbessert worden, daß die Erträge vom Ackerland gestiegen sind. Ich hätte also nichts dagegen einzuwenden, wenn die Reichsregierung in die neue Zollvorlage die alte Trennung wieder au senommen hätte. Das hat sie nicht getan, sie hat einen ge⸗ ringeren einheitlichen Zollsatz eingebracht, mit dem ich übrigens ebenso einverstanden bin wie mit dem niedrigen Zollsatz für Mais, insbesondere auch mit der Zollfreiheit für Kleie und Kraftfutter⸗ mittel. Darin sehe ich den Kompromiß mit den Verbrauchern; denn je mehr die Futtermittel unbelastet durch Zölle eingeführt werden können, um so billiger können die Erzeugnisse der Viehhaltung auf den Markt gebracht werden.
Wenn man den neuen Zolltarif wahllos, wie ich es gemacht habe, aufschlägt, dann wird man immer sehen, daß die Spalte, die die Vorschläge der Reichsregierung enthält, bei den Industrieerzeug⸗ nissen ein Mehrfaches dessen vorsieht gegenüber dem, was im alten Zolltarif gestanden hat. Es ist das Zwei⸗, Drei⸗, Vierfache und noch mehr. (Zuruf bei den Sozialdemokraten.) — Natürlich sind das keine Mindestzölle, sondern es sind Verhandlungszölle, wie die anderen auch. — Offensichtlich hat man jetzt das Verhältnis, das im alten Zolltarif zwischen jandwirtschaftlichem und industriellem Schutz bestand, verlassen; man hat sich auf den Standpunkt gestellt, daß ein stärkerer Schutz der Industrie erfolgen soll. An⸗ gesichts dieser Sachlage wunderte es mich nicht, daß der Abgeordnete Hilferding im Reichstag gesagt hat, das führe bei der Zusammen⸗ fassung der Industrie in Kartellen dazu, der Industrie eine Kartell⸗ rente zu sichern. (Sehr wahr! im Zentrum und links.) Um das zu verhindern, müssen wir eben den Kartellen zu Leibe gehen.
Also ich bin der Meinung, daß der neue Zolltarif weniger zu⸗ gunsten der Landwirtschaft als vielmehr zugunsten der Industrie ist.
Einer der Herren Vorredner hat nun gefragt, welche Stel⸗ lung das Staatsministerium zu dem Zolltarif⸗ gesetz eingenommen habe. Ich darf mitteilen, daß das Staatsministe⸗ rium dazu noch keine Stellung genommen hat, und zwar deshalb nicht, weil es wünscht, daß zunächst der Reichswirtschaftsrat, der doch zu diesem Zwecke da ist, mit seinen Beratungen zum Abschluß kommt, und weil es erst dann, wenn der Reichswirtschaftsrat sein Votum ab⸗ gegeben hat, Stellung nehmen will. Das Staatsministerium hat hier also nicht, wie man es dargestellt hat, eine absichtliche Verschleppung herbeigeführt, sondern es ist so vorgegangen, daß man zunächst die im Reiche für solche gesetzliche Regelungen vorhandenen Organe sprechen lassen will. Was ich hier also zum Zolltarifgesetz ausgeführt habe, war nur meine persönliche Auffassung.
Verschiedene Redner haben dann auf die Notw endigkeit der Siedlung hingewiesen und besonders betont, daß sie gerade in der gegenwärtigen Zeit nicht unterbrochen werden darf. Sie wissen, meine Damen und Herren, daß die Siedlungsfrage in den letzten Jahren eine Landfrage war — es war schwer, das notwendige Land zu erhalten —, aber jetzt ist sie eine Geldfrage. (Sehr richtigl) Das Ministerium hat aus diesem Grunde im Haushaltsvoranschlag 10 Millionen für Zwischenkredite vorgesehen. Wir sind bemüht, aus dem Hauszins⸗ steueraufkommen 10 Millionen für landwirtschaftliche Siedlungen zu erlangen und in der Weise zu verwenden, daß zu der Bildung neuer Stellen, die jedoch keine fremden Arbeitskräfte in Anspruch nehmen dürfen — also kleinerer Stellen von einem halben bis höchstens 15 Hektar — eine Beihilfe gegeben werden soll. Hinsichtlich der Höhe hat der Haushaltsausschuß schon beschlossen, daß sie sich zwischen 3000 und 6000 Mark bewegen soll. Neusiedlungen sind im letzten Jahre geschaffen worden 2609, im Jahre 1923: 2700, im Jahre 1922: 2657. Man wird also einräumen müssen, daß trotz der Schwere der Zeiten die Siedlungstätigkeit mit allem Nachdruck weiterbetrieben worden ist. Allerdings muß ich zugeben, daß die An⸗ liegersiedlung von Jahr zu Jahr zurückgegangen ist und in diesem Jahre noch nicht einmal die Zahl von 1919 erreicht hat. Dagegen ist es um so erfreulicher, daß insbesondere in der kleinbäuerlichen Be⸗ völkerung der Wunsch nach Verkoppelung, nach Umlegung, immer mehr hervortritt, obgleich damit erhebliche Lasten verbunden sind.
Auch die Durchführung von Meliorationen nimmt einen sehr günstigen Fortgang, allerdings gefördert durch die vom Reiche, Reichs⸗ arbeitsministerium, Rentenbank bereitgestellten Mittel. Es ist be⸗ stimmt, daß alle drei Faktoren, Reichsarbeitsministerium, Renten⸗
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* zur Verfügung gestellt werden sollen.
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Kuhbestand beträgt nur noch 9,7 Millionen. daß diese auch nur 2000 Liter Milch geben, daß 10 % für Aufzucht
hank und Preußen, je dieselbe Beihilfe geben sollen; es ist weiter bestimmt, daß die entsprechnde Anzahl von Arbeitslosen Verwendung finden muß. Mit diesen Mitteln ist in der kurzen Zeit eine erhebliche Zahl von Meliorationen ausgeführt worden. nicht weniger als 20,5 Millionen Mark konnten verwendet werden. Aber Anträge lagen in solcher Zahl vor, daß 40 Millionen Mark gestrichen werden mußten. Wenn damit gerechnet werden kann, was nicht ausgeschlossen ist, daß das Reich höhere Mittel bereitstellt, dann werde ich mir erlauben, an das hohe Haus auch noch mit einer Nachtragsforderung heranzutreten.
Diese Ausführungen über die Meliorationen führen zu der Frage der Steigerung unserer Erträge überhaupt. Da muß nun zuͤgegeben werden, daß unsere Anbauflächen von Getreide und von Futterpflanzen zurück⸗ gegangen sind. Wir haben jetzt nur noch 85 % der Getreide⸗ fläche gegenüber der Fläche vor dem Kriege, und nur 97 % bei dem Futterbau. Bei den Hackfrüchten sind wir über der Fläche der Vor⸗ kriegszeit. Die Landwirtschaft bemüht sich um so mehr, das, was an Fläche sehlt, durch Anwendung von Kunstdünger im Ertrage zu steigern. Es ist bereits ausgeführt worden, daß wir für Stickstoff und Kali gegenüber der Friedenszeit eine wesentlich höhere Verwen⸗ dung aufzeigen können, während wir mit Phosphorsäure ganz erheb⸗ lich zurückgeblieben sind, und zwar einfach deshalb, weil diese zu teuer ist. Phosphorsäure steht um 35 *% höher im Preise als vor dem Kriege, dagegen kostet der Stickstoff 25 % weniger; Kali ist ungefähr gleich im Preise. So erklärt sich eigentlich ganz natürlich, auch wenn die Phosphorsäure zur Deckung des vollen Bedarfs vorhanden wäre, daß die Landwirte weniger davon brauchen. Im Kriege wurde außer⸗ ordentlich viel Kali angewendet. Das hatte die Versäuerung des Bodens zur Folge. Jetzt wendet man zur Abstumpfung der Säure Kalk in großen Mengen an. Es hat die Landwirtschaft den Anregun⸗ gen, die gegeben wurden, sogar in einem solchen Maße entsprochen, daß es in diesem Frühjahr nicht möglich war, die gesamten Be⸗ stellungen auf Kalk und Mergel auszuführen. Dagegen haben wir in diesem Jahre unter einem Umstande bei der Düngerlieferung nicht zu leiden gehabt, der früher allgemein Schwierigkeiten bereitete, nämlich unter dem Wagenmangel. Das hat ja einen einfachen Grund: die Industrie nimmt weniger Wagen in Anspruch.
Bei dem Viehstand ist eine Zunahme der Pferde, aber ein Rückgang des Rindviehs und der Schweine zu verzeichnen. Bei dieser Gelegenheit darf ich die Anfrage Nr. 49, die sich mit der Einfuhr von polnischen Schweinen beschäftigt, beantworten und darauf hinweisen, daß die Einfuhr von Schweinen nur in geschlachtetem Zustande gestattet ist, daß sie nur in der Weise gestattet ist, daß die inneren Organe sich noch im natürlichen Zu⸗ sammenhange mit den Fleischteilen befinden, so daß es also möglich ist, eine genaue Untersuchung vorzunehmen. Angesichts dessen. daß wir allein 26 % weniger Schweine haben als vor dem Kriege, ist immerhin noch ein Bedarf für die Einfuhr von Schweinen vor⸗
anden; aber ich glaube, wenn sie so gehandhabt wird, wie ich eben mitgeteilt habe, braucht man wegen der Einschleppung von Vieh⸗ seuchen keine Bedenken zu haben.
Herr Wachhorst de Wente hat noch darauf hingewiesen, daß zur Förderung der Viehzucht mehr Prämien Was jetzt geschähe, wäre lächer⸗ lich wenig. Er hat ganz recht. Was jetzt bereit gestellt werden kann, ist so wenig, daß man die Zahl nicht gern nennt. Es kommt daher, daß in unserem Haushaltsvoranschlag leider nicht mehr die Mittel der Vorkriegszeit enthalten sind. Ich würde besonders dank⸗ bar sein, wenn in dieser Beziehung eine Erhöhung stattfände.
Ich habe Ihnen gesagt, daß die Anzahl des Rindviehes noch nicht erreicht ist, ja, wir haben 2,8 % weniger als vor dem Kriege. Da spielt der Kuhbestand eine große Rolle, weil die Milch⸗ und Butterversorgung damit im Zusammenhange steht. Wir hatten am 1. Dezember 1913 im Reich 11,3 Millionen Kühe. An⸗ genommen, daß jede Kuh durchschnittlich 2000 Liter Milch gibt, daß 38 % als Frischmilch verkauft werden, daß 10 % zur Kälberaufzucht und zur Käsebereitung verbraucht werden, der Rest zur Butter⸗ erzeugung gelangt, dann ergibt sich, daß wir vor dem Kriege pro
Kopf und Tag der Bevölkerung 4½ Liter Frischmilch zur Verfügung stellen konnten,
Blutter erzeugt wurden. haben aber noch eine erhebliche Milchausfuhr gehabt, besonders in
und daß für den Kopf der Bevölkerung 5,75 kg Die Einfuhr betrug 1 kg pro Kopf. Wir
der Form von eingedickter oder Kondensmilch. Nach dem Kriege haben sich die Verhältnisse verschoben. Der Nimmt man wieder an,
von Kälbern und Käsefabrikation abgehen, dann stellt sich die Sache
so, daß immer noch % Liter Frischmilch, wie vor dem Kriege, zur
Verfügung steht, aber nicht mehr 5,75 kg Butter, sondern nur noch 5,22 kg. Wenn wir nun dieses Manko ausgleichen wollen, den
Unterschied zwischen 5,75 und 5,22 kg, und das Kilogramm Butter,
das vor dem Kriege eingeführt wurde, dann brauchen wir pro Kuh 280 Liter Milch. Es entsteht die Frage: Ist es möglich, den Milch⸗
ertrag im Reich um so viel zu erhöhen? Ich beantworte diese Frage
mit ja, und zwar auf Grund der Ergebnisse der Milchkontroll⸗ vereine, wie sie in allen Teilen Deutschlands, besonders aber in Ostpreußen und Hannover sind. In Ostpreußen sind allein 33 000 Kühe unter Kontrolle, und der Durchschnittsertrag pro Kuh beträgt 3112 kg. Ich kann Ihnen ferner sagen, daß in den drei letzten Jahren die Kontrollvereine in Angeln, Schleswig⸗Holstein, den Milchertrag von 2128 auf 2789 Liter gebracht haben. Wenn Sie diese Steigerung hören, werden Sie einräumen, daß es sehr wohl möglich ist, das Manko zu decken. Sie haben daher mit Recht im Haushaltsausschuß beschlossen, daß die Milchkontrollvereine weiter gefördert werden sollen. Weiter haben wir die Möglichkeit einer Steigerung der Erträge durch die Landgewinnungsarbeiten und durch die Oed⸗ landkultur. Das hohe Haus hat am 9. Februar vorigen Jahres ein Gesetz beschlossen, durch das 2,6 Millionen Mark bereitgestellt worden sind zur Urbarmachung großer Flächen. Sie wissen, daß das Reichsarbeitsministerium denselben Betrag bereitgestellt hat, aller⸗ dings unter der Bedingung, daß Erwerbslose bei der Urbarmachung verwendet werden. Ich will mich nicht über das eingeschlagene Ver⸗ fahren verbreiten, sondern nur das eine hervorheben: es ist nicht das Ziel, die Sache mit Zwang zu machen, sondern durch freie Verein⸗ barung mit den Besitzern. Man ist so vorgegangen, daß jeder Besitzer zunächst das kultivierte Land bekommen soll, was er für seinen Betrieb wirtschaftlich und geldlich verdauen kann. Er soll für das Urbar⸗ machen für den Hektar im Höchstfalle 500 Mark bezahlen. Wenn es sich um Moorgrundstücke handelt, wo große Aufwendungen zu wässerungen und Wegeanlagen muß der Betras
erhöbt weiden.
Es ist dann weiter vorgesehen, daß die Landwirte Land zur Ansiedlung von zweiten und dritten Söhnen bekommen, daß Land ausgeschieden werden kann zur Anlage von Jungviehweiden und daß weiteres Land zur Bildung neuer Stellen überhaupt zur Verfügung gestellt werden soll. Sie werden einräumen, daß in der Tat hier auf breitester Grundlage vorgegangen wird. Das Reich ist geneigt, weitere 5 Millionen Mark für diese Zwecke bereitzustellen, und ich möchte das hohe Haus nur dringend bitten, zu beschließen, dasselbe zu tun, damit wir von den Mitteln Gebrauch machen können.
Außer dieser Urbarmachung habe ich Sie noch hinzuweisen auf die Urbarmachung vom Hofe aus, auf die ja auch der Haupt⸗ ausschuß in mehreren Beschlüssen Bezug genommen hat. Bis zum Jahre 1911 hat z. B. in Hannover, was das meiste Oedland hat niemand anders urbar gemacht, als nur die Bauern vom Hofe aus. Diese Urbarmachung ging zwar langsam, aber sicher vor sich; denn es ist klar, es macht der Landwirt nichts, von dem er nicht weiß, daß es sich in der Tat lohnt. Immerhin unterliegt es keinem Zweifel, daß auf diesem Gebiete noch viel zu leisten ist. Wieviel in den letzten Jahren geschehen ist, dafür nwei amtliche Zahlen. Die Regierungs⸗ präsidenten von Stade und Lüneburg haben Erhebungen angestellt und ermittelt, daß vom Jahre 1919 bis zum Jahre 1924 in Stade 8537 Hektar, in Lüneburg 8772 Hektar, also im ganzen 16 000 Hektar, urbar gemacht worden sind, für die kein Landwirt aus öffentlichen Mitteln etwas erhalten hat. Das haben die Landwirte ganz aus sich selbst gemacht. Sie müssen dazu noch die Regierungsbezirke Aurich, Osnabrück und Hannover rechnen. Dann haben Sie eine Urbar⸗ machung vom Hofe aus, die davon Zeugnis gibt, daß die Landwirte ernstlich gewillt sind, ihr Oedland in Kulturland umzuwandeln. Aber es ist jetzt so, daß der Landwirtschaft das Geld fehlt und sie daher in dieser Tätigkeit gehemmt ist. Deshalb ist auch im Hauptausschuß zum Ausdruck gekommen, daß Mittel bereit gestellt werden sollen, Dar⸗ lehen gegen geringe Verzinsung. eer Landeshauptmann der Provinz Hannover hat bereits im letzten Herbst zum Ausdruck gebracht, daß die Provinz Hannover bereit sei, für diese Mittel die Haftung zu übernehmen, so daß keinerlei Gefahr vorhanden ist, daß dem Staate hier ein Verlust entstehen könnte.
Ich habe hier noch eine andere Sache zu erledigen, das ist die Große Anfrage wegen der Moosbruchbauern. Die Moosbruchbauern sind, wie schon der Name sagt, auf einem Bruche in einer Moorgegend angesiedelt. Denken Sie sich einen Halbkreis, das wäre der Weg, und da würde nun ein Gehöft neben dem anderen liegen, dahinter handtuchartig das Moorland, innerhalb dieses Halb⸗ kreises das unkultivierte Moor, und weiter entfernt Niederungsmoor, das als Wiesen benutzt wird. Die Leute haben auf fiskalischem Land ihre Gehöfte angelegt. Sie können auf diesem Lande nur Kartoffeln bauen, und das geschieht nach einem eigenen, von ihnen ersonnenen Verfahren. Die Kartoffeln sind von vorzüglicher Qualität. Aber zu diesem Kartoffelbau brauchen die Leute Stallmist, und da sie kein Getreide bauen können, ist die Erzeugung von Stallmist sehr erschwert. Sie bedürfen dazu der Waldstreu, die in dem erforderlichen Maße zur Verfügung gestellt wird. Es ist nun beabsichtigt, zunächst einmal das Land, das innerhalb dieser Linie liegt, urbar zu machen. Es ist ferner beabsichtigt, in den anschließenden Poldern neue Siedlungen zu bilden. Auf diesem Wege wird es möglich, erstens mehr Gras für die Leute zu schaffen, damit sie eine bessere Viehhaltung einrichten können, und zweitens in den Poldern Getreidebau zu treiben; drittens ist daran gedacht, daß die zweiten und dritten Söhne später einmal auf diesen innerhalb dieser Linie liegenden großen Flächen und außerdem in den Poldern neue Stellen bilden sollen.
Meine Damen und Herren, in verschiedenen Anträgen sind die Beschwerden, die die Moosbruchbauern zu haben glauben, verlautbart. Die mit den Moosbruchbauern abgeschlossenen Verträge sind durch Verhandlungen an Ort und Stelle entstanden. Bei diesen Verhand⸗ lungen hat man zuͤgezogen je einen Vertreter der Kolonien, die stell⸗ vertretenden Gutsvorsteher, die auch Kolonisten sind, und die Vor⸗ sitzenden der Moosbruchbauernvereine. Mit diesen Vertretern sind die Verträge besprochen worden, ihre Wünsche sind durch die Regierung nach dem Ministerium gelangt. Sie sind zu einem Teile berücksichtigt; in einzelnen Fällen war das nicht möglich. Insbesondere sind sie berücksichtigt, was geldliche Festsetzungen anlangt.
Es wird nun besonders dagegen Widerspruch erhoben, daß in den Verträgen die Bestimmung enthalten ist, daß, wenn eine fremde Person in einer solchen Stelle Aufenthalt nimmt, sie innerhalb 8 Tagen angemeldet werden muß, sonst wird derjenige, der die Person in Woh⸗ nung genommen hat, mit 20 Mark bestraft. Man kann fragen, aus welchem Grunde diese Sonderbestimmung getroffen ist. Wenn man'’s so hört, dann versteht man’'s nicht. Ich darf Ihnen aber sagen, daß diese Bestimmung wohlbegründet ist. Es ist nämlich vorgekommen, daß sich da Leute aufgehalten haben, die arbeitslos waren und nach einem Jahre dem Fiskus zur Last fielen, und es ist bezeichnend, daß man in jener Gegend diese Leute als „Königliche Forstarme“ bezeichnet. (Heiterkeit.) Das ist also nicht etwa eine seltene Erscheinung gewesen, sondern es ist öfter vorgekommen, und es ist daher zu verstehen, daß man sich diese Armenlast vom Halse hält, soweit es möglich ist.
Ferner ist Einspruch erhoben worden gegen die Bestimmung, daß ein Zuschlag von 30 % zur Pachtsumme erhoben werden soll als Ab⸗ geltung für die Lasten, einschließlich der Grundwertsteuer. Ja, meine Damen und Herren, das ist noch zu wenig. Diese Lasten sind mit den 30 % kaum zu 75 %, zu drei Vierteln, gedeckt. Es ist also gar kein Grund vorhanden, sich nach der Richtung zu beschweren. Ich habe aber bereits darauf hingewiesen, daß die Urbarmachung des Moores nach Genehmigung der Mittel erfolgen soll, daß die Eindeichungs⸗ arbeiten in den anschließenden Poldern vorwärts gehen, so daß die Hoffnung berechtigt ist, die Moosbruchbauern bald in freie Eigen⸗ tümer überzuführen (Bravo!) und die Kolonistengemeinden in freie Gemeinden umzuwandeln.
Nun haben einzelne Herren Vorredner mit Recht darauf hin⸗ gewiesen, daß es sich jetzt darum handelt, alles das, was Wissenschaft und Praxis festgestellt haben, in der breitesten Weise in die Landwirtschaft zu bringen. Ich glaube, es war der Herr Abgeordnete Heilmann, der gesagt hat, es wäre eine Rationalisierung der Landwirt⸗ schaft notwendig. Da gebe ich ihm vollkommen recht. Darauf ist ja auch die ganze landwirtschaftliche Verwaltung eingestellt, den Land⸗ wirt mit all dem Rüstzeug, das wissenschaftliche Forschung und prak⸗ tische Erfahrung im Laufe der Jahre ergeben haben, zu versehen. Nehmen wir zunächst die Fortbildung sschulen! Es ist hier festzustellen, daß die Bemühungen des Landwirtschaftsministeriums auf Vermehrung der Fortbildungsschulen durchaus von Erfolg sind. Wir hatten vor dem Kriege rund 7000 Fortbildungsschulen, sind nach dem Kriege auf 1300 herabgesunken, hoffen aber, daß die Zahl der
Fortbildungsschulen sich in diesem Jahre verdreifachen wird. Bekannt⸗
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lich sind die landwirtschaftlichen Schulen nicht nur Schulen, sondery pflegen auch die Beratung, durch die gerade all die Erfahrungen, die gesammelt worden sind. auf das Land hinausgetragen werden sollen. Wir sind auch darauf bedacht, die weibliche Bevölkerung entsprechend heranzubilden, und legen ohne Unterlaß besonderes Gewicht auf die Errichtung von Wanderhaushaltungsschulen, die genau wie die Fortbildungsschulen in großem Umfange eingegangen sind. Vorläufig kann doch schon wieder eine Zunahme festgestellt werden. Zu diesen Wanderhaushaltungsschulen treten die Schulen mit ständigem Sitz, die Internate, die sogenannten Haushal⸗ tungsschulen. Dazu kommt eine neue Einrichtung, die Mäd⸗ chenschulen an landwirtschaftlichen Schulen. Aus diesen Mit⸗ teilungen ist zu entnehmen, daß die Verwaltung bemüht ist, das ganze Gut, das auf dem Gebiete der wissenschaftlichen Forschung und der praktischen Erfahrung vorhanden ist, auf das Land hinauszubringen. (Bravo!)
Im besonderen ist weiterhin über Versuchsringe ee⸗ sprochen worden. Auch der Haushaltsausschuß hat sich damit be⸗ schäftigt. Ich möchte die Versuchsringe mit den Rindviehkontroll⸗ vereinen vergleichen, denn das, was diese Kontrollvereine in bezug auf das Rindvieh darstellen, sind die Versuchsringe für das Ackerland; sie wollen durch den Zusammenschluß von Landwirten ermitteln, welche Methode auf dem Ackerland möglichst billig zu einem möglichst großen Ertrage führt. Dieses Verfahren ist natürlich da, wo es sich um Großgrundbesitz handelt, leicht ein⸗ und durchzuführen, aber bei bäuerlichem Besitz begegnet es erheblichen Schwierigkeiten, so daß die Gewahrung einer Unterstützung wohl berechtigt ist. Ich möchte aber auch noch auf etwas anderes hinweisen. Es ist mit Recht der Wunsch laut geworden, daß diese Versuchsringe nicht für sich allein in den einzelnen Gegenden bestehen, sondern daß sie die Spitze für ihre Arbeit in den Landwirtschaftskammern suchen sollen, nicht etwa, um sich von ihnen bevormunden zu lassen, sondern vielmehr deshalb, da⸗ mit sie ihre Erfahrungen austauschen und nicht unter Umständen zwei, drei oder mehrmals ohne Grund dasselbe gemacht wird.
Es wurde auch darauf hingewiesen, daß man sich werde be⸗ mühen müssen, mit weniger Saatgut auszu⸗ kommen. Das ist sehr wohl möglich. Gerade die landwirtschaft⸗ liche Verwaltung hat sich dieser Bestrebungen angenommen, aber nicht so, daß sie nun bestimmt, dieser oder jener solle in der Richtung Versuche machen, sondern die Bestrebungen der landwirtschaftlichen Verwaltung gehen dahin, daß mit Mitteln des Reiches, Preußens und der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft die Versuche planmäßig gemacht werden, wobei besonderes Gewicht nicht nur auf die Dünn⸗ saat, sondern auch auf die Bearbeitung des Bodens und auf die Düngung gelegt wird. Ich hoffe, daß man bei diesem Zusammen⸗ wirken weiterkommt, als wenn man die Sache sich selbst überläßt, und bin gern bereit, auf diesem Gebiete der Deutschen Landwirts chafts⸗ gesellschaft die Führung zu überlassen, weil es sich hier um eine ganz besonders praktische Frage handelt. 1
Meine Damen und Herren, Sie dürfen vertrauen, daß das Land⸗ wirtschaftsministerium bemüht ist, den Produktionswillen der Land⸗ wirtschaft in jeder Weise zu fördern, soweit die Verhältnisse
48. Sitzung vom 15. Juni 1925, Mittags 12 Uhr.
(Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger.)
Präsident Bartels eröffnet die Sitzung um 12 Uhr 20 Minuten.
Vor Eintritt in die Tagesordnung gibt das Haus einem sozialdemokratischen Antrage statt, den Urantrag der Sozial⸗ demokraten, eine einmalige außergewöhnliche Wirtschaftsbeihilfe von 100 Mark an die Beamten der Besoldungspruppen 1 bis 6 bis zum 1. Juli 1925 zu gewähren, an den Beamtenausschuß u verweisen. Ferner wird nachträglich ein kommunistischer Antrag, der sich auf die Vorgänge in Halle bezieht, bei denen es während einer Rede des Präsidentscha skandidaten Thälmann zu blutigen Unruhen kam, auf die Tagevordnung gesetzt.
Abg. Kilian (Komm) erklärte in der Begründung zu dem Antrag, die Justizbehörden hätten in Holle völlig ihre ihnen ob⸗ liegenden Pflichten verletzt. Mit Vorbedacht wolle man den Mord in Halle totschweigen. Von den Zeugenvernehmungen. die jetzt begonnen hätten, sei ein kommunistischer Berichterstatter ausgeschlossen worden. Der Untersuchungsrichter beeinflusse die Zeugen, ihre Aus⸗ sagen würden völlig verdreht ein das Protokoll aufgenommen. Hier habe der Landtag ein Wort mitzureden. Die beteiligten Minister . des Innern und der Justiz müßten zur Beschleunigung der Unter⸗ fuchung sofort einige Beamte nach Halle schicken.
Der Antrag wird darauf auf Antrag der Sozialdemokraten dem Rechtsausschuß überwiesen.
Es wird nun die allgemeine Aussprache zur zweiten Beratung des Landwirtscha tshaushaltes fortgesetzt.
Abg. Brandenburg (Soz.) wies die Behauptung der Freunde des Zollschutzes zurück, durch Schutzzölle solle die Volks⸗ ernährung sichergestellt werden. Vielmehr sei die Absicht der Agrarier, lediglich ihre eigensten Interessen sicherzustellen. Brotverteuerung müsse die Folge sein, und diese werde erbeblich höher ausfallen, als der Minister es im Ausschuß in Aussicht gestellt have. Die ärmeren Schichten würden durch die Föll noch mehr in ihrer Lebensbaltung verelendet werden. Die Sozialdemokratie erkenne die Kreditnot sehr wohl an; Schutzzölle seien aber kein geeignetes Ausbilfsmittel. Gewaltige Wirtschaftskämpfe auf der ganzen Linie würde die Ein⸗ führung der Lebensmittelzölle zur Fünge haben. Vertreter der Wissenschaft wie Professor Sehring hätten nachdrücklich sich gegen eine kurzsichtige Verfolgung einseitiger Privat⸗ interessen eingesetzt. Auch tinnes habe sich kurz vor seinem Tode gegen einen Schutzzoll erklärt und gesagt, die deutsche Wirt⸗ schaft habe den frischen Wind völliger Freibeit gerade in ihrer jetzigen Lage nötig. Deutschland sei dabei, die höchsten Zollsätze in der ganzen Welt einzuführen; deshalb sei die Bemerkung des Zentrumsredners Dr. Hermes, das Ausland sollte bei Abbau der Zoll⸗ mauern vorangehen, nicht recht ernst zu nehmen. Ganz anders habe sich der Gewerkschaftsführer Imbusch, der gleichfalls dem Zentrum angehöre, ausgelassen, als er auf die schlimmen Folgen eines Schutz⸗ zolles verwiesen habe. Wie die Lohnpolitik, die auf der Rechten so hervorgehoben werde, aussehe, zeige, daß z. B in Ostpreußen der Landarbeiter neben seinem Deputat ganze 7 ℳ im Monat er⸗ halte, wovon noch Beträge für Invalidenversicherung usw. abgezogen würden, so 98. er mitunter im ganzen 4 ℳ monatlich nach Hause bringe. Bezeichnend sei, daß der Landwirtschaftliche Verband in Ostpreußen sich gerühmt habe, innerhalb kurzer Zeit 1760. Landarbeiter aus der Landwirtschaft entfernt zu haben. Das räche sich; jetzt klage man wieder über Landflucht. Unerhört seien die Wohnungsverhältnisse der deutschen Landarbéiter. Besonders schlimm sehe es damit in Schleswig⸗Holstein aus; kein Wunder, wenn die Dänenpropaganda auf fruchtbaren Boden falle. Auch in Schlesien auf den Gütern des Fürsten Carolatb würden die Arbeiter und Arbeiterinnen auf das unerhörteste zusammengepfercht. Wenn der Redner der Deutschen Volkspartei, Graf Stolberg, erkläre, von Schutzzöllen habe auch der Landarbeiter einen Vorteil, so werde er damit bei diesen wenig Glauben finden Die Landwirtschaft solle vernünftige Arbeiterpolitik
treiben, ihre Betriebe modernisieren und den Ratschlägen anerkannter