Reichstanzlers Dr. Stresemann wörtlich in dieser Denkschrift zitiert. Der Herr Abg. Sollmann hat Recht, daß nach dem Zusammenhang die Erklärung des damaligen Reichskanzlers Stresemann sich auf Frragen der Finanzhoheit der Länder bezieht und nur darauf. Aber er wird mir nicht bestreiten, daß eine grundlegende Aenderung des Verhältnisses von Reich und Ländern auf dem Gebiete der Finanz⸗ hoheit — und davon sprach Herr Dr. Stresemann — einer der bichtigsten Verfassungsgrundsätze im Verhältnis zwischen Reich und ändern darstellt. (Unruhe und Zurufe links.)
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75. Sitzung vom 16. Juni 1925, Nachmittags 2 Uhr. [Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger“). Präsident Löbe eröffnet die Sitzung um 2 Uhr M50 Minuten und übermittelt dem Vizepräsidenten Dr. Rießer, er heute sein 50 jähriges Doktorjubiläum feiert, die Glück⸗ wünsche des Reichstags. Abg. Dr. Rießer (D. Vp.) dankt für die herzlichen Worte
und verspricht unter der Heiterkeit des Hauses, man werde seiner Amtsführung nicht anmerken, daß er schon 50 Jahre Doktor sei.
Der Gesetzentwurf über Depot⸗ und Depositen⸗ geschäfte wird ohne Aussprache auf Grund des Ergebnisses der gestrigen Abstimmung, die bekanntlich Beschlußunfähigkeit ergeben hatte, dem Volkswirtschaftlichen Ausschuß zur noch⸗ maligen Beratung überwiesen.
Ddie zweite Beratung des Haushalts des Reichs⸗ innenministeriums wird dann mit der Besprechung der Kulturfragen fortgesetzt.
Abg. Dr. Runkel (D. Vp.) begrüßt die Förderung der Wissenschaft durch die Vermehrung der nüt, im Ftat⸗ ” all⸗ gemeine Volksbildung dürfe nicht vernachlässigt werden. Erfreulich ei das vermehrte Interesse für Turnen und Sport. Notwendig gei aber auch eine kräftige Förderung des Spielens, das für die allgemeine körperliche Ertüchtigung von weit größerer Bedeutung eei als Turnen und Sport. In der Verfassung sei zum ersten Male er Versuch einer großzügigen Ausgestaltung des gesamten Erziehungs⸗ wesens gemacht worden. Von der ganzen damaligen Begeisterung sei aber nichts übriggeblieben als eine stumpfe Resignation Mit den Ideen des Grundschulgesetzes stimmt der Redner überein, wenn er auch seine starre Amvendung nicht billigt. Man könne aus wirt⸗ schaftlichen Gründen in der Erfüllung der Kulturaufgaben nicht weiter. Da hätte man dies aber den Ländern überlassen sollen. Denkschriften man auch auf das kulturelle Gebiet übertragen wollen und habe sich damit an der Entwicklung versündigt. Eine Kultur werde nicht gemacht. In dem Reichsschulgesetz sei zu stark in die Befumisse der Länder eingegriffen worden. Aur diesem Gebiet seien die Länder höchst feinfühlig: sie wollten ihre eigene landschaftlich und volklich betonte Kultur. Auf dem gesamten Kultur⸗ gebiet müsse Bewegungsfreiheit, Gedankenfreiheit, geistige Freiheit herrschen. Auch griffen in das Reichsschulgesetz die großen Berufs⸗ organisationen zu stark ein. Dem sonst wegen seines geradlinigen Charakters sehr schätzenswerten Leiter der Kulturabteilung habe Initiative gefehlt. Der Redner bedauert die Behandlung, die dem Leiter der Kulturabteisung zuteil geworden, und daß ihm die Mög⸗ lichkeit weiterer Mitarbeit am Reichsschulgesetz genommen sei. Der Redner fordert das Haus für tatkräftiges Eintreten für die Aus⸗ bildung der taubstummen Kinder auf, die geistig ganz vollwextig 8 nur daß sie nicht hören und nicht sprechen könnten. Der Redner erbittet auch die besondere Unterstützung des Ministers für die wissenschaftlichen Institute und höheren Schulen der durch die dänische Propaganda bedrohten Nordmark. Das sei eine wertvolle Unterstützung der deutschen Kultur. Kulturförderung sei nur möglich auf lange Sicht. Wirtschaft sei wichtig, über ihr stehe aber die Kultur. Möge der Minister sich als der erste Reichskulturminister
erweisen!
Abg. Dr. Moses (Soz.): Ich habe schon im Ausschuß das Verschwinden von Akten gaus dem Archiv der Marineverwalkung zur Sprache gebracht. Der Reichswehrminister erklärte, das ginge das Reichsarchiv im Ministerium des Innern an. Ich fragte den Minister des Innern, er verwies mich an den Justizminister. Dieser wird wohl sagen, er könne in ein schwebendes Verfahren nicht eingreifen. Der Abgeordnete Mumm hat im Ausschuß erklärt, Admiral von Tirpitz habe aus dem Marinearchiv keine Akten entnommen. Warum hat nicht Herr von T irhi selbst eine solche Erklärung abgegeben? Der Präsident des Reichsarchivs hat dann auch im Ausschuß gesagt, Herr von Tirpitz habe keine Akten bekommen. Ich rage, ob er nicht vielleicht Dokumente bekommen hat, ehe sie in
8 Reichsarchiv gelangten. Wir werden diese Frage nicht ad calendas graecas verschieben lassen. Herr von Tiwitz hat jetzt das Wort.
Präsident Löbe: Zunächst hat jetzt Abgeordneter Hoernle (Komm.) das Wort. (Große Heiterkeit.)
Abg. Hoernle (Komm.): Die statistischen Zahlen sprechen eine andere Sprache als die schönen Worte des Ministers. Die Technische Nothilfe ist eine Streikbrechergarde. Die Polizei leistet nicht gerade Kulturarbeit. Verschwindend sind die Ausgaben für die Kultur gegenüber den Au n für die Polizei. Die Kulturaufgaben sollen wesentlich Sache der Länder sein, aber auch die Polizei 9” wesentlich Sache der Länder, und doch gibt das Reich Hunderte Millionen für die 25 i aus. Die Verfassung sichert die Meinungsfreiheit, aber in Thüringen sind Lehrer entlassen worden mit der ausdrücklichen Begründung, daß sie sich kommunistisch betätigt und über die Welt⸗ anschauungsschule Aeußerungen gemacht hätten, die nicht zuͤgelassen werden könnten. Die Kommunistische Partei ist doch nicht verboten, nd deshalb darf kein kommunistischer Lehrer entlassen werden. 8 einem Fall hieß es, die kommunistische Betätigung sei mit dem
eamteneid des Lehrers nicht vereinbar. (Hört, hört! bei den Kom⸗ munisten.) Die Minister sind doch auf die Verfassung vereidigt — verpflichtet, dafür zu sorgen, daß guch die Landesregierungen die eimarer Verfassung beachten. Wir haben den Antrag eingebracht, die Entlassungen von Lehrern aus politischen Gründen rückgängig hu machen und die entlassenen Lehrer zu entschädigen. Reich, Länder und Gemeinden sollen nach der Verfassung an der Erhaltung der Schulen mitwirken. Der Reichsetat enthält aber keinerlei Fonds für diesen Zweck. So ist für Schulbauten kein Geld vorhanden, Ge⸗ meinden müssen für ihre Schulaufgaben betteln gehen. Wir be⸗ antragen die Einstellung eines Fonds für die Schulerhaltung in den Reichsetat. Das Schulwesen soll nach der Verfassung organisch entwickelt werden. ist bisher dafür geschehen? Nichts. Im Gegenteil, Arbeits⸗ und Gemeinschaftsschulen und Versuchsschulen sin öeFe. worden. Schulstreiks dagegen werden von der Regierung einfach niedergeknüppelt. Nach einer Auslegung es Oberlandesgerichts in Jena über die Bekenntnisschulen kann jede rsuchsschule geschlossen werden. Auch Kinderheime sind geschlossen worden. Die Prügelstrafe wird noch ausgeübt; es sind e Miß⸗ elanorn von Kindern vorgekommen. Die proletarischen Eltern sollten ich zum Kampfe gegen dieses Züchtigungsrecht zusammenschließen. In den Drillschulen mit übergroßer Klassenfrequenz glauben die Lehrer nicht ohne den Stock auskommen zu können. Wir haben ein Gesetz zur Abschaffung der Prügelstrafe beantragt. Aber auch für diese Frage schiebt man die Verantwortung auf die Länder ab. Wir aben einen Antrag auf Einbringung eines Reichsschulgesetzes auf olgenden Grundlagen beantragt; Erziehungspflicht des Staates gegen⸗ üͤber allen Kindern, völlige Einheitlichkeit des Schulwesens unter Ab⸗ schaffung aller Privilegien der Besitzenden, die Gesellschaftsarbeit als Grundlage des Unterrichts und der Erziehung, die volle Trennung von Schule und Kirche, also die weltliche Schule. Mit diesem An⸗
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*) Mit Ausnahme der durch Sperrdruck hervorgehobenen Reden der Herren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben sind.
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8.
bedeuteten keine Kulturtat. Die Revolution habe
der Regierung,
trag hat sich der Ausschuß nicht einmal beschäftigt. Der Kampf gegen
den angeblichen Schmutz und Schund zielt lediglich auf Ausnahme⸗ gesetze gegen die proletarischen Jugendorganisationen hin. Man sollte lieber die Quellen verstopfen, aus denen Schmutz und Schund fließen. Die Not der Wissenschaft ist da. aber sie konnte nur entstehen durch die kapitalistische Privatwirtschaft, deren Dienerinnen Kunst und Wissenschaft sind. Freiheit von Kunst und Wissenschaft im Dienste des arbeitenden Volkes! Durch den Sport soll die Jugend militari⸗ siert werden im Sinno der kapitalistischen Herrschaft und des Impe⸗ rialismus. Alle solche Versuche lehnen wir ab. Die Arbeitszeit muß verkürzt werden, damit die Jugend Zeit habe, sich in frischer Luft zu ertüchtigen.
Abg. Dr. Elsa Matz (D. Vp.) weist darauf hin, daß das
Schicksal des Volkes in der geistig⸗sittlichen Gesamteinstellung iege. Die sittliche Einstellung unserer Jugend sei stark gefährdet. Neue Gesetze müßten hier Abhilfe schaffen. Es gehe um das geistige Leben und Sterben unseres Volkes. Wir sähen heute vielfach eine Jugend, die von Arbeit nichts wissen wolle und die sich schrankenlos auslebe. Freiheit dürfe nicht mit Zuchtlosigkeit und Frechheit ver⸗ wechselt werden. Das Lichtspielgesetz biete heute nicht genügend Hand⸗ haben, um alles Minderwertige zu erfassen. Ihre Fraktion unterstütze den Antrag, daß zu den Prüfungen auch Beiräte aus der Provinz hin⸗ zugezogen würden. Alle Schund⸗ und Schmutzliteratur müsse ein⸗ gezogen werden. Das Gesetz müsse auch auf die Zeitschriften aus⸗ gedehnt werden. Die Behandlung aller dieser Fragen müsse getragen sein von dem Gefühl der Achtung und der Verantwortung. Achtung sei auch gerade vor der Würde der deutschen Frau zu fordern. Die Rednerin wendet sich dann den Fragen der körperlichen Ertüchtigung zu und setzt sich besonders für die Fahrpreisermaßigungen bei Jugend⸗ fahrten ein. Aus der Liebe zur engeren Heimat auelle am besten die Liebe zum deutschen Vaterland heraus. Dringender Einschränkung bedürfe der Alkohol⸗ und Nikotingenuß der Jugend. Die Pflege der deutschen Familie sei einer unserer wichtigsten Aufaaben. Sie stehe und falle mit der deutschen Frau, der Seele der Familie. Den Be⸗ strebungen auf hauswirtschaftliche und hausmütterliche Ertüchtigung der Mädchen müsse daher größeres Interesse entgegengebracht werden.
Hierauf nimmt der Reichsminister des Innern Schiele das Wort zu Ausführungen, die nach Eingang des Steno⸗ gramms veröffentlicht werden.
Abg. Dr. Schreiber Hent⸗. bedauert die schlechte “ des Reichstags bei diesen wichtigen Kulturdebatten. (Zustimmung. Die großen Ereignisse der letzten Wochen, die Feier des Deutschen 2 een in München, die Jahrhunderttagung des Börsenvereins der deutschen Buchhändler in Leipzig, der Tag für das in Stuttgart hätten im Reichstage leider nur ein - waches Echo ge⸗ funden. (Zurufe: Leider!) Die Wirtschaft könne sich nur durchsetzen, wenn sie suße auf dem gesicherten Unterbau der deutschen Geistes⸗ kultur. Die im Etat für die ö. Institute ausgesetzten Mittel seien zu gering. Der Redner 62 das im einzelnen näher dar und stellte im übrigen fest, daß die Länder gleichberechtigt neben der Kulturpolitik des 29 stehen sollen. 1 7 aller Kreise des Volkes, auch der wirtschaftlich Schwachen, um neuen Entwicklungen Raum und Licht und Luft zu Der Redner betonte die Notwendigkeit der Förderung des Kunstgewerbes, der Vertiefung der Kunstpflege und der Stärkung der Heimatkunst. Die großen Wissenschaftsinstitute des Reiches stünden in ernsten Krisen. Man dürfe sie nicht mechanisch durch den Etat schleppen. Die Inflation habe hier vieles zerschlagen, was neu auf⸗ gebaut werden müsse. Der Redner wendet sich gegen die Art, wie der kommunistische Redner von der Volksschule gesrochen hat. Die beh Lehrerschaft werde die Bezeichnung „Prügelschule“ ablehnen. Diese Karikatur gehöre in ein kommunistisches Museum. Die deutsche Pädagogik habe nicht umsonst ihr Wissen, ihr Können und 82 Gemüt in allem bereichert, was das Kind betreffe,, ..
Abg. Dr. Heuß (Dem.) fordert ein CCöö“ k15 die höhere Schule. Notwendig sei ferner ein umfassendes Berufsschul⸗ gesetz Die Frage der Lehrerbildung müsse zu schneller Entscheidung 8 werden. Der Redner fragt, wann eigentlich der Reichsschul⸗ eirat für die großen kommenden Gesetzesarbeiten geschaffen werde. In der Junglehrerfrage könne nur etwas geschehen, wenn die Länder noch weit über die Reichsmittel hinausgehen. Der Redner empfiehlt, den Wohlfahrtsausschuß im wiederherzustellen, um dort die Gesetze zum “ der Jugend zu behandeln. Ein wirksamer Kampf gegen mutz und Schund könne nur durch die innere Regeneration
s Volkes erfolgen. Alle Gesetzesparagraphen seien nur ein Herum⸗ kurieren an Symptomen. Wir hätten heute im Reiche eine Gesetz⸗ gebung, die in der Wirkung kunstfeindlich sar Vor allem müsse die
uxussteuer fallen, ferner die Ugge ür Künstler und Dichter. Große Umwälzungen habe der Rundfunk geschaffen. Es gehe nicht an daß sich die 8. auf diesem Gebiet auf Kosten der Erchöpfer der Kultur durchsetzten. Notwendig sei eine Aenderung des Urheber⸗ schutzes und ein gesetzlicher Schutz der Künstlerschaft.
Abg. Thusnelda Lang⸗Brumann (Bayr. Pp.) erörtert die großen Schwierigkeiten, unter denen unser Buühnenwesen gelitten habe und noch leide. Das Bühnenwesen müsse aus der Gewerbeordnun herausgenommen werden. Kunst passe nicht unter den Beehkerri Der Film könne ein hervorragendes Erziehungsmittel sein. Das Kino stehe leider heute sehr wenig im Dienste der Volksbildung. Durch die Aufklärungsfilme werde gerade das erreicht, was verhindert werden soll. Man sage, München habe ja eine Filmprüfstelle. Neun⸗ ig Prozent aller Filme würden aber in Berlin geprüft. Für das
eutsche Museum in München müßten im Nachtragsetat größere Mittel zur Verfügung gestellt werden. Im Schulwe en dürfe man nicht vergessen, welche großen Aufgaben den Ländern auf diesem Ge⸗ biete zustünden. on der Ueberreichung des Auszugs aus dem Friedensvertrag an die Schulentlassenen sei nicht viel Erfolg zu er⸗ warten. Es sei eine alte Erfahrung, daß solche Sachen wenig be⸗ achtet würden, wenn man 6 nähht durchspreche. Welcher Fügrs nete
Er verlangte eine Zu⸗
lese wohl die vielen Reichstagsdrucksachen? (Heiterkeit.) Es wäre vielleicht ratsam, im staatskörperlichen Unterricht über den Versailler Vertrag zu sprechen. Herr Dr. Runkel wünsche die Einheitlichkeit der Lehrerbildung; man solle das Gesetz darüber abwarten und schauen, wie es aussehe. Eine tägliche Turnstunde in den bestehenden Lehr⸗ plan einzuschieben b nicht möglich und, da die Kinder häufig sehr weite Schulwege hätten, könne auch nicht eine Stunde noch angehangt werden. Zu einem Nationalfeiertag habe unsere Seeh im August keine Zeit. Die geltenden Feiertage mögen geschützt werden, aber neue Feiertage ein vtbren sei das Reich nicht zuständig. Der Reichsetat enthalte auch ein Mittel für Aufgaben, die den Ländern ufielen; das Reich könne ns nicht felbst übernehmen. sonden nur die Länder instandsetzen, diese Aufgaben zu erfüllen. Für ie Kultur seien alle Mittel noch zu knapp, aber wir wollten auf unfere Jugend hoffen. (Beifall.) 8
Abg. Künstler (Soz.): Im Ausschuß ist ein neuer bevor⸗ tehender Film „Bismarck“ empfohlen worden, der die deutsche Ge⸗ chichte darstellen soll. Der Film ist in Wahrheit alles andere als Geschichte, er ist ein nationalistischer Tendenzfilm, seine r ichte ist Geschichte übelster Art. Die Filmprüfungsstelle sollte sich diesen geschichtlichen Film genau ansehen. Er entstellt z. B. die Zeit von 1848 und veranschaulicht den Bruderkampf mit Oesterreich von 1866, während wir den Anschluß von Oesterreich erstreben. Dieser Film muß von der Reichsregierung verhindert werden. Der Film schließt mit Hindenburg und ist ein Kampfruf gegen die Deutsche Republik.
Damit schließt die Aussprache über Bildung und Schule.
In der Abstimmung werden zunächst der Gesetzentwurf 8 „ wonach das Notverordnungsrecht der Regierung erweitert werden soll, der Antrag der Sozialdemo⸗ kraten auf Erlaß eines Ausführungsgesetzes zu Artikel 48 der Verfassung (Anordnung des Ausnahmezustands durch den Reichs räsidenten) und der Ausschußantrag auf Immunitäts⸗ schutz der Mitglieder des Auswärtigen Ausschusses und des Ueberwachungsausschusses 9 die Zeit von der Beendigung der Wahlperiode oder der Auflösung des Reichstags bis zum Zusammentritt des neuen Reichstags, dem Rechtsausschuß überwiesen.
Bei der Abstimmung über den vom Ausschuß vorgelegten Gesetzentwurf, wonach der 18. Januar zum National⸗
feiertag des deutschen Volkes bestimmt wird, bleibt das Büro bei Probe und Gegenprobe zweifelhaft. Die Aus⸗ zählung ergibt die Ablehnung des Gesetzenrwurfs mit 193 gegen 138 Stimmen. Die Abstimmung wird von den Gegnern mit lebhaftem Beifall, von der Rechten mit Pfui⸗Rufen auf⸗ genommen. Für den Gesetzentwurf haben nur die Deutsch⸗ nationalen, die Deutsche Volkspartei und die Völkischen ge⸗ stimmt. Nachdem dieser Gesetzentwurf somit in zweiter Lesung abgelehnt ist, entfällt die dritte Lesung.
Abg. Dittmann (Soz.) macht zur Geschäftsordnung darauf aufmerksam, daß bei der Abstimmung, zumal bei der Gegenprobe, das Büro nicht hätte zweiselhaft sein können; der Schriftführer Dr. Philipp (D. Nat.) habe aber durch seinen Zweifel die Geschäfte des Hauses behindert, anstatt sie pflichtgemäß zu fördern. (Großer Lärm.) Redner behält sich vor, die Sache im Aeltestenrat vorzu⸗ bringen, damit das Haus eventuell die Konsequenzen ziehen könne.
Präsident Löbe bittet, auf diese Angelegenheit nicht so viel Zeit zu verschwenden. (Sehr richtig!) Irrtümer seien schon öfter vorgekommen. Die beiden Schriftführer der Rechten hätten sich nicht einigen können, da die Reihen größere Lücken aufwiesen.⸗ Man sollte diese kleine Angelegenheit im Aeltestenrat erledigen.
Abg. Höllein (Komm.) glaubt nicht an einen bösen Willen des Schriftführers Philipp, sagt aber, daß dieser zwar über eine Brille verfüge, diese aber nicht ausreiche, um klar zu sehen. (Großer Lärm und Heiterkeit.)
lIbg. Kube (Völk.) bedauert bei dieser Gelegenheit, daß seine Fraktion von 32 Mitgliedern vom Präsidium ausgeschaltet sei, will aber um der Gerechtigkeit willen feststellen, daß die Schrift⸗ führer objektiv verfahren seien, daß auch linksstehende Schriftführer sh 8— geirrt hätten und daß Herr Dittmann der letzte sei, der ich über Mangel an Objektivität beschweren könne.
Abg. Schultz⸗Bromberg (D. Nat.) bemerkt, daß, solange nach der Zahl der augenblicklich Anwesenden entschieden werde, immer Zweifel bestehen könnten. Im früheren preußischen Ab⸗ geordnetenhause habe der Präsident v. Kröcher die Praxis gehabt, wenn er nur einen Zentrumsmann und einen Konservativen stehen sah, zu sagen: Das ist die Mehrheit. (Heiterkeit und großer Lürna.)
Abg. Dittmann wünscht, daß der Reichstagspräsident si nicht die Mogelmanieren des Herrn v. Kröcher aneigne. (Stürmischer Lärm rechts.)
Der Antrag Mumm (D. Nat.) auf Schutz der in den Ländern anerkannten Feiertage, der Antrag Dr. Bergsträsser (Dem.), den 11. August zum Nationalfeiertag zu bestimmen, und der Antrag Berndt (D. Nat.), den 1 8. Ja⸗ nuar zum Nationalfeiertag zu bestimmen, werden dem Rechtsausschuß überwiesen.
Auf Antrag der Rechtsparteien des Zentrums und der Demokraten wird ein neuer Titel von einer Million Reichs⸗ mark fürkulturelle Zwebcke in den Etat eingestellt. Nach dem dazu beantragten Dispositiv soll das Reich von dieser Summe zehn Prozent zur freien Verfügung erhalten und den Rest dem Evangelischen Kirchenbund, den Zentralen der katholischen Kirche und den Vereinigten Synagogenverbänden überweisen, nachdem ein Antrag der Sozialdemokraten, auch die freireligiösen Verbände und den Bund religiöser Sozialisten daran zu beteiligen, abgelehnt ist, wird das Dispositiv in der beantragten Fassung angenommen.
Den Etattitel von 150 000 Mark zur Förderung von Bestrebungen auf dem Gebiete des Schul⸗, Erziehungs⸗ und Volksbildungsschulwesen hat der Ausschuß auf 230 000 Mark erhöht. Der Titel wird mit dieser Summe bewilligt, nachdem ein Antrag der Sozial⸗ demokraten, ihn auf eine Million Mark zu erhöhen, abgelehnt ist. Auch im übrigen wird der kulturelle Teil des Haushalts entsprechend den Ausschußbeschlüssen genehmigt.
Es folgt die Besprechung des Abschnitts, der den Kommissar für zfsentliche Ordnung, die
olizeifragen und die Technische Nothilfe
tvifft.
Ift. Schmidt⸗Cöpenick (Soz.) beantragt die Streichung der Mittel für die Technische Nothilfe, die c nur als Instrument für den Kapitalismus gegen die Arbeiterschaft erwiesen habe. Wenn
espart werden solle, dann könne es hier geschehen. Die Technische
othilfe solle nur aufrechterhalten werden, um die Lohnkämpfe der Arbeiterschaft zu unterdrücken. Auch die Gewerkschaften hielten die Technische Nothil e für überflüssig; 18 hätten heute wieder die Macht, um die Notstandsarbeiten selbst durchzuführen.
Um 7,15 Uhr vertagt das Haus die weitere Beratung auf Mittwoch 2,30 Uhr; außerdem Hinausschiebung der Ver⸗ mögenssteuervorauszahlung und der sozialdemokratischen Interpellation über das Konkordat.
Preußischer Landtag. 49. Sitzung vom 16. Juni 1925, Mittags 12 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger“).)
Auf der Tagesordnung steht die fortgesetzte Aussprache zum Lundwirtschaftshaushalt.
Abg. Diel Tentr. betonte, daß die Zentrumsfraktion von der Notwendigkeit der eee een Zölle durchdrungen sei. Graf Kaͤnitz habe sich zu einseitig für Getreidezölle wobei er noch bedauerlicherweise an dem Schutz der Braugerste vorbei⸗ egangen wäre. Am bedauerlichsten 5 der geringe Schutz für den Sbst⸗ Gemüse⸗ und Weinbau. r Redner segts sich nachdrücklich ür die Interessen des Weinbaues ein. Notwendig sei ein Schutz, er die Produktionskosten zwischen inländischem und ausländischem Konsum ausgleiche. Es sollte dem Weinbau jedoch nur ein Viertel bezw. ein Drittel von dem Schutz zuteil werden, den er als unbedingt notwendig bezeichnet habe, um nicht ruiniert zu werden. Der Redner forderte Erlei in der Gewerbesteuer und in der Weinsteuer in besonderen Fällen. Die müsse von allen Mitteln Gebrauch machen; ihrer gebe es sehr viele. Der be⸗ gonnene Abbau der Pachischusfdnung müsse fortgesetzt werden.
Abg. Schwecht (D. Nat.) empfiehlt die deutschnat onalen Anträge zum Schutze des Weinbaues, die insbesondere fordern, da die Weinbaugebiete steuerlich als Notstandsgebiete behandelt würden. Die Schutzzölle müßten 9 gestaltet werden, daß sie eine brauchbare Grundlage abgeben könnten für günstige Handels⸗ verträge. . g. Stendel (D. Pp.) bittet die Staatsregierung, dafür zu orgen, daß die Entwässerungsverhältnisse in weiten Teilen gedatens erheblich gebessert und grundlegend geregelt würden.
o notwendig die S fung von Neuland durch Kultivierung sei, noch wichtiger sei, daß das in Kultur b Fmnriche Land stärker vor Wasserschaden bewahrt werde. Zum Schluß fordert der Redner, da “ man Siedler ansetze, man die Siedler auch lebensfähig erhalte. 3 8
Abg. Müller⸗Frankfurt Fonmr⸗ bekämpfte die Zollpolitik. Die Landarbeiter würden sich für diese Politik nicht einfangen lassen. Ihre Deputate seien heute so gering, daß sie eine Familie nicht ernähren könnten. (Lebhafter Widerspruch rechts.) Außer⸗ dem gebe es eine große Zahl von Besitzern, die ihre Arbeiter um die Deputate betrögen. (Lachen und erneuter I bei den Deutschnationalen.) onders human gehe es auf den Gütern des Abgeordneten v. d. Osten zu, dieses ZEEEE11“ er habe da einen Säugling gesehen, der anstatt in Windeln in Zeitungspapier gewickelt worden sei. (Lachen rechts; Pfui⸗Rufe bei
*) Mit Ausnahme der durch Sperrdruck hervorgehobenen Reden der Herren Minister, die im Wortlauta wiedergegehen ünd.
Len Kommunrsren; ein Kommunist wird zur Ordnung gerufen.) ö in Ostpreußen fänden 45 % der Geburien ohne Hilfe von Hebammen statt. Die Tuberkulose wüte jetzt nicht nur⸗ in den Industriegebieten, sondern auch bei den Landarbeitern infolge der schlechten Wohnungs⸗ und Ernährungsverhältnisse. Der Landarbeiter sei zudem rechtlos; er müsse unter das Gewerbe⸗ recht gestellt werden. Der Redner trug weitere ““ e Forderungen vor, 8 restlose Beseitigung der Technischen Nothilfe. Abg. Meinke (Dem.) empfiehlt, in der Zollfrage das Ergebnis des Gutachtens des Reichswirtschaftsrats zu beachten. IWenfohls dürften Zölle auf Futtermittel nicht erhoben werden. benso seien Minimalzölle abzulehnen. Bei den Getreidezöllen werde der Großbesitz zu sehr hervorgehoben. Die wirtschaftliche Bedeutung des Mittel⸗ und Kleinbesitzes werde auch in der Zoll⸗ fense zu sehr verkannt. Gerade die kleinbäuerliche Bevölkerung sei unendlich wichtig für die gesamte Volksernährung; ihre Interessen müßten deshalb besonders geschützt werden. Die steuer⸗ liche Belastung müsse herabgemindert werden, die Pachtpreife raßgesett werden. Die Pachtschutzordnung habe ihre große edeutung. Das Pachtrecht des B. G.⸗B. müsse grundsätzlich
seiner Fraktion, das Staatsministerium zu ersuchen, im Reichsrat dafür einzutreten, daß die veeeane der Pachtschutzordnung auf⸗ gehoben, die Möglichkeit der Vertragsverlängerung von zwei auf fünf Jahre erhöht und die Bestimmungen der Verordnung auf die ö“ 1. März 1924 abgeschlossenen Pachtverträge ausgedehnt verden.
Abg. Kleinmeyer (Soz.): Die Deutschnationalen und zum Teil auch das Zentrum stellen sich hier in Gegensatz zur Haltung ihrer Fraktionen im Reichstag beim spanischen Handelsvertrag. Im Wabhl⸗ kampf waren sie dessen schärfste Gegner: im Reichstaa sind sie nach der Bearbeitung durch den Reichskanzler umgefallen, die Deutschnatio⸗ nalen etwas schneller, das Zentrum langsamer. Was hat es nun mit ihrer Opposition im Landtage eigentlich auf sich?
Abg. Dr. Hoffmann⸗Münster (D. Nat.): In Oldenburg und Ostfriesland sind fruchtbare Landstrecken zu Oedländereien ge⸗ worden. Die alte Entwässerungsordnung für Ostfriesland genügt den heutigen Anforderungen, die großzügige Anlagen verlangen, längst nicht mehr. Die Pachtschutzordnung engt das freie Verfügungsrecht des Besitzers unerträglich ein, sie muß beseitigt werden; wenn wir sie noch für zwei Jahre weiter bestehen lassen wollen, so machen wir damit eine sehr bedeutsame Konzession
Abg. Jacoby⸗Raffauf (Zentr.) schließt sich hinsichtlich des heimischen Weinbaues und des Schutzes der Winzer dem Abg. Diel an. Mit der Pachtschutzordnung müsse doch endlich Schluß ge⸗ macht werden.
Abg. Graf Stolberg (D. Vv.) bleibt dabei stehen, daß auch die Landarbeiter ein großes Interesse an wirksamen Agrarzöllen haben. Außerdem empfiehlt er den Antrag seiner Fraktion, das Staats⸗ ministerium zu ersuchen, dahin zu wirken, daß in bezug auf die Termine zur Zurückzahlung der der Landwirtschaft zur Verfügung ge⸗ stellten Saatgutkredite auf die schwierige Lage der Landwirtschaft Rücksicht genommen wird. Man könne nicht auf die heutigen Ge⸗ treidepreise einseitig die Wirtschaftspolitik für einen längeren Zeit⸗ raum basieren. Auf Sering und Aereboe sollten sich doch die Gegner des Zollschutzes lieber nicht berufen. 8
Abg. Skjellerup (Komm.): Wir wollen die Mittel⸗ und
Kleinbauern keineswegs en teignen; unsere Anträge besagen das Gegen⸗
teil. Die Zweragbetriebe sollen so abgerundet werden, daß sie wirt⸗
fäiereh werden. Der Redner empfiehlt zum Schluß den Antrag
schaftsfähig sind. Die Löhne in der Landwirtschaft sind in den Ver⸗
einigten Staaten sechsmal so hoch wie bei uns (Widerspruch und Lachen rechts); bei Ihrer anerkannten Dummheit haben Sie au davon keine Ahnung. (Große Unruhe rechts: Vizepräsident Garni ruft den Redner zur Ordnung.) Unsere Anträge stellen wir, trotzdem wir wissen, daß sie in dieser schlimmsten aller Schieberrepubliken keine Aussicht haben. 1 1
Abg. Krischick (D. Nat.): Die Kommunisten glauben offen⸗ bar, mit den Sozialdemokraten im Reichstage ein Wettrennen ver⸗ anstalten zu müssen, und darum fangen sie an, hier über ostpreußische Landarbeiterverhältnisse zu reden. Sie kennen diese Verhältnisse, die gewiß noch verbesserungsfähig sind, nicht: was sie vorbringen, ist teils unwahr, teils unverantwortlich übertrieben. Das gilt, wie gestern für Herrn Möricke, so heute für Herrn Müller⸗Frankfurt. (Lärm bei den Kommunisten.) .
„ Abg. Dermietzel (D. Nat.): Die Pachtschutzordnung hat tat⸗ sächlich die Verpachtung fast ganz verhindert: sie kann in ihrer eutigen Form unmöalich bestehen bleiben. Sie hat Treu und lauben geradezu vermnchtet. Der deutsche Tabakbau liegt wie der deutsche Weinbau in den letzten Zügen; er geht zuarunde, wenn ihm nicht geholfen wird. An einem Zollsatz von 130 ℳ ist unbedingt festzuhalten. 8 8
Aba Haake (Deutschvölk. Fw.): Der Notlage der Landwirt⸗ schaft muß Hilfe gebracht werden. Daß Schutzzolltgrif aber die Lebenshaltung der großen Masse der Arbeiter, Angestellten und Be⸗ amten verteuern muß, steht fest, ebenso, daß diese Verteuerung für weite Kreise der Minderbemittelten katastrophal sein wird. Man darf doch nicht die Notlage eines Teiles des Volkes damit aus der Welt schaffen, daß man einen andern Teil in eine Notlage versetzt. Wir können daher für die Zollvorlagen nicht eintreten, solange nicht Ausgleichsmaßnahmen getroffen sind, um diese Volksteile vor Schaden zu bewahren. — 1
Damit schließt die allgemeine Aussprache. Das Minister⸗ gehalt wird bewilligt. 8
Es folgt die E des Haushalts der landwirt⸗ chaftlichen Verwaltung; Redezeit für jeden Redner fünf inuten.
Die Einnahmen werden genehmigt. Der größte Teil der einzelnen Positionen der dauernden Ausgaben wird ohne Aussprache bewilligt.
Von den Abagg. Schulze⸗Stavpen (D. Nat.) und Peters⸗
donn (Soz.) wird nochmals dem Minister die Förderung des andwirtschaftlichen Unterrichtswesens und die höhere Dotierung der bezüalichen Haushaltsartikel dringend empfohlen.
Von mehreren Rednern, u. a. vom Abg. Schmiljan 8 wird die weitere Förderung des landwirtschaftlichen Fortbildungsschul⸗ wesens lebhaft befürwortet.
Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten Steiger: Es ist immerhin festzustellen, daß mit Hilfe jener Bestimmungen, die
ecben angegriffen worden sind, sich die Zahl der Fortbildungs⸗
schulen so vermehrt hat, daß sie in diesem Jahre 1924/25 die drei⸗ fache Zahl vorhanden sein wird als vorher. Also nach dieser Richtung hin muß man doch einräumen, daß dieser Erlaß gewissen Bedürfnissen ntsprochen hat. Ich will aber gern zugeben, daß in den Bestim⸗ mungen, die im Benehmen mit dem Herrn Finanzminister — denn . es sich um Geldangelegenheiten handelt, ist jeder Ressortminister niemals allein zuständig — aufgestellt worden sind. doch Einzelheiten enthalten sind, die einer Aenderung bedürfen. Wir haben daher im Landwirtschaftsministerium bereits festgestellt, daß eine Auflockerung
ener Bestimmungen erfolgen soll. (Bravo!) vom Abg.
In der weiteren Aussprache wird insbesondere Mebzenthin (D. W..) der Bau einer Talsperre in Schlesien zur Verbesserung des Oderwasserstandes gefordert. ““
Staatssekretär Ramm betonte in der Aussprache über diese An⸗ regung. an der sich eine Reihe von Abgeordneten beteiligte, daß man zurzeit nicht die Mittel babe. 8 1
Abg. Metzenthin (D. Wo.) wies demgegenüber darauf hin, haß der einstimmige Beschluß des Schlesischen Provinziallandtages sich für den Bau der Talsperre in Ottmachau ausgesprochen habe.
Nach Bewilligung einer Reihe weiterer Titel wurde die Aussprache abgebrochen.
Mittwoch 10 Uhr: Fortsetzung der Beratung des Land⸗ wirtschaftshaushalts.
Schluß 5 Uhr.
Stimmen wurde eine Entschließung Dittmann (Soz.) angenommen,
ordentlich klein der Auss
Parlamentarische Nachrichten. 8
Der Haushaltsausschuß des Reichsta 18 setzte gestern die „‚Beratung des Haushaltsplans des 9. * ministeriums des Innern fort beim Kapitel „Zur Unter⸗ und Durchführung der Technischen No (se 3 687 000 ℳ“. Ein kommunistischer und ein sozialdemokratischer Antrag Schmidt⸗ Cöpenick (Soz.) forderten Streichung der Summe. Abg. Ersing Zentr.) beantragte dem Nachrichtenbüro des Vereins deutscher itunc proer zufolge eine Herabsetzung der Summe auf 3 Mil⸗ konen Mark, um einen b. des Abbaus zu machen, und empfahl eine Entschließung: Um die Techni eel möglichst bald be⸗ seitigen zu können, neue Wege zur Sicherung der Notstandsversorgung vorzuschlagen. As solche werden empfohlen ein wirksames Schlichtungs⸗ und Schiedsgerichtsverfahren wie auch der nbeine von
otarbeitsverträagen. Diesen Maßnahmen müsse eine besondere Sicherstellung der Arbeits⸗ und Existenzbedingungen der mit lebens⸗ wichtigen Arbeiten Beschäftigten folgen. 1— Ueberwachung der Tätigkeit der T. chnischen Nothilfe und deren Abbau sei vom Reichstag ein parlamentarischer Ausschu einzusetzen, in den jede Fraktion einen Vertreter entsenden kann. 1 Standpunkt verträten die drei Foßen Arbeiterverbände im wesentlichen. Abg. Dr Schreiber Zentr.): Die Technische Nothilfe hat bedeutsame “ erfüllt, aber wenn sie durch den Geist verfeinerten Sozialempfindens, durch 8 E’ L swesen Pest. maren Fönnte so wäre es
ünschen Abg. D. Mumm (D. Nat.) sprach sich in ähnlichem Sinne aus; leider 2 die Arbeiterschaft bisher nicht immer hercher daß das Staatsinteresse über dem wirtschaftlichen Interesse des einzelnen stehe. Abg. Lemmer (Dem.) beantragte, um den Be⸗ zinm des Abbaues zu markieren, hunderttausend Mark abzusetzen; der Antrag Ersing gehe zu weit. Abg. von Kardorff (D. Vp.) trat für die Aufrechterhaltung der Nothilfe ein; noch sei die Zeit des Abbaues nicht gekommen. Ob die gegenwärtige Arbeitsruhe andauere, wisse niemand “ des Innern Schiele: Die Technische Nothilfe ist eine Arbeitsgemeinschaft zur Sicherung der inneren Ruhe und Ordnung und des Wiederaufbaues des wirtschaft⸗ lichen Lebens. Sie ist keine Behörde, sondern eine private Organi⸗ ation, die zwar vom Reich und bei deren chäftsführung ich das Reich durch die vorliegenden Richtlinien eine Einwirkung ichert, eine Einrichtung, die aber nicht unmittelbar der Organisation des Reichs eingegliedert ist. Gedacht S wie ich ausdrücklich be⸗ tone, als vorübergehender Notbehelf. ie ist und darf kein Organ der Arbeitgeber sein, dafür sorgen wir. Gelingt denn den Gewerk⸗
aften bisher, die Funktionen der Technischen Nothilfe zu ersetzen?
s nützen Schiedssprüche, an die man sich nachher nicht hält? Ist es den Gewerkschaften z. B. in Berlin beim Bollestreik gelungen? Es ist ihnen nicht gelungeni Und 8 ist die Milch lebenswichtig für eine Stadt wie Berlin. Wir dürfen wichtige Mittel zur Auf⸗ rechterhaltung der Wirtschaft nicht vorzeitig aus der Hand geben. Abg. Berndt (D. Nat.) hedauerte den Worftoß der Gewerkschaften
n die Nothilfe. Allein das stetige Wiederaufflammen des wilden
Ftreiks zwingt zur Beibehaltung der Nothilfe. Diese greift auch nicht selbständig ein, sondern auf Anfordern der Regierung, und unter⸗ nimmt zunächst Einigungsverhandlungen. Ministerialrat Wagner begründete eingehend den Etatansatz von 3 687 000 ℳ Die Zahl der angestellten Köpfe der Nothilfe ist von 446 im Jahre 1924 auf jetzt
1 gegangen. Abg. Groß (Zentr.) nannte in Württemngerg vor teumere ahe wo nach seiner Auffassung die Technische Not⸗
lfe in ungesunder Weise gegen die Arbeiter eingesetzt sei; die Arbeiter betrachteten die othilfe als Schutztruppe des Arbeitgeber⸗ tums. Freilich werde auch im Arbeiterlager gesündigt. Abg. Ersing (Segt.). Die Nothilfe handelt nicht immer aeö ren⸗ Arbeiter und Arbeitnehmer. Es frage sich was Lebensnotwen 8 seien. Wir sollten diese Fragen nicht ein Objekt offenen Kampfes mit
Arbeitern werden lassen. Reichsinnenminister Schiele: Ob⸗ wohl die Technische methilfe kein amtliches Organ des Reiches ist, o hat sich doch das Rei einen Einfluß auf ihr Wirken vorbehalten.
sch bedauere, daß ein es Mißtrauen gegen die Tendenzen der Arbeitgeber in den Gewerkschaften eingewurzelt ist. Gegen die erste Hüft des Antrags eng sei Ernsthaftes kaum einzuwenden. Ver⸗ assungsrechtlich unmöglich sei aber die Einsetzung eines parla⸗ mentarischen Beirats zur Ueberwachung der Technischen Nothilfe, schon weil diese Landessache sei. Wir begrüßen jede Verbesserung des Schiedsgerichtsverfahrens. Wir werden uns auch gern an den Ver⸗ handlungstisch mit den Gewerkschaften setzen, dafür muß aber auch eine andere Form gefunden werden. Abg. Leicht (Bayer. Vp.) er⸗ kannte die Macht der Gewerkschaften zwar an, etwaige wilde Streiks zu bekämpfen, glaubte aber nicht, daß es immer möglich sein werde, ser und an jedem Ort diese Streiks zu beenden. Dann aber würden
eben und Eigentum der Staatsbürger bedroht. Reich und Länder hätten die Pflicht, ihre Bürger zu schützen. Den Absatz des Antrags Ersing, der einen parlamentarischen Ausschuß zur Ueberwachung der Fechnischen Nothilfe einsetzen will, lehnte der Redner ab. Abg. Eichhorn (Komm.) C. grundsätzlich ngen die Technische Nothilfe,
nur eine amtliche eikbrecherorganisation bedeute und e g.
Mittellosen zum utz des Besitzes eingesetzt werde. Bicterlösen. 1ae, seh,) lehnte sgesgn 22 parlamentarischen Beirat ab, behielt sich aber sane Stellungnahme zu dem Teil des Antrags vor, der die Technische Nothilfe möglichsf bald beseitigen und an ihre Stelle andere Notstandsmaßnahmen setzen will. Lur Technischen 6 könne man kein Vertrauen haben, weil sie nur sum Schutz der Unternehmerinteressen wirke. Die Gewerkschaften eien jetzt so gefestigt, daß sie selbst die wirklichen Notstandsarbeiten unternehmen lassen könnten. Abg. Ersing Irn, legte eine neue assung seines Beiratsantrags vor. Nunmehr soll ein parla⸗ mentarischer Beirat eingesetzt werden „zur Ueberwachung der Einsatz⸗ vichtlinien und der Einsatztätigkeit der Technischen .. und deren bbaus“. Der Redner wies darauf hin, daß es vorgekommen sei daß Arbeitgeberverbände die Arbeitnehmer ausgesperrt hätten und daß in diesem reinen Kampf die Arbeitnehmer die Technische Not⸗ hilfe eingesetzt worden sei. Das sei eine offene Parteinahme sücgunsten Unternehmer. Abg, Berndt (D. Nat.) begründete seinen An⸗ trag, einen parlamentarischen Beirat nur zur Durchprüfune der Grund⸗ sätze für den Einsatz der Nothilfe einzuberufen. In der Abstimmu wurde der Antrag Ersing abgelehnt, der Antrag Berndt (D. Nat. angenommen. Je ein kommunistischer und sozialdemokratischer Antrag auf Streichung sämtlicher Ersatzmittel für die Technis⸗ Nothilfe wurden abgelehnt, dagegen fand ein Antrag Ersing Sn mit drei⸗ ehn gegen zwölf Stimmen Annahme, der die im Etat für die Not⸗ fe eingesetzten Mittel um 687 000 ℳauf drei Millionen kürzen will. Annahme fand sodann eine Entschließung Schuldt⸗Fischbeck (Dem.), die die Reichsregierung ersucht, die Beamten im besetzten Gebiet beim Abbau schonender als bisher zu behandeln. Mit dreizehn gegen elf
gusreichende Mittel bereitzustellen, um unbemittelten lkindern die
sulassung zu mittleren und höheren Schulen wirtschaftlich zu ermög⸗
lichen. Nach Erledigung eimger Petitionen wurde die Beratung des
FPt des Innern beendet. — Der Ausschuß vertagte sich auf heute. atung des Etats des Reichsfinanzministeriums.
— Im Aufwertungsausschuß des Reichstags beantwortete gestern laut Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger Reichsbankpräsident Dr. Schacht die an ihn durch den Abgeordneten Dr. Quessel (Soz.) Ferichtet⸗ Anfrage, ob die Reichsbank eine Außwerthae der in der Inflationszeit gewährten kurzfristigen. Darlehen für möglich halte. Reichsbank⸗ präsident Schacht verneinte dies. Was zunächst den Umfang der In⸗ anspruchnahme von Krediten durch die Heür wF chae betreffe, so habe es sich 1 daß die von der Privatwirtschaft beanspruchten Kredite bis Mitte 1922 nicht erheblich und daß sie selbst bei ihrem höchsten Stande nur gerinofüg, gewesen seien gegenüber den
trediten, die das Reich durch die Ausgabe kurzfristiger Schatzwechsel aufgenommen habe. Das veranschauliche deutlich, wie sehr das Rei das durch die außerordentliche Vermehrung seiner schwebenden Se
die Hauptquelle der Inflation geschaffen, zugleich daraus den größten Nutzen gezogen habe, und zwar in einem Maße, daß die von der Pribatwerfschaft etwa auf Kosten der Allgemeinheit erggectcn Gewinne demgegenüber als unbedeutend r Diese Feststellung sei von der größten Bedeutung; denn sie lasse klar erkennen, wie außer⸗
dieser Art
der Franzosen in das Ruhrgebiet geschaffenen Lage zur gestellt worden seien. er Fällen dringende allgemeine m
88 des Aufwertun einlagen sowie die Rückwirkung bei Vergleichen und ähnliches be⸗ festern den
deutsche Steuersystem mit dem englis⸗ schiedene Vorschläge.
deutschen Steueranträge, wie es der sozialdemokratische
Staatssekretär
Steueraufkommen aber 25 % des Volkseinkommens. also deutlich, um wieviel schwerer Deutschland steuerlich belastet sei
8 **8 8 8 S *
von den Vermögensverschiebungen innerhalb der Pribatwirt⸗ chaft überhaupt zu erfassen vermöge. Nun seien namentlich im Jahre 1923 von der Reichsbank Kredite an Kommunen und andere öffentlichen Stellen gewährt worden, insbesondere zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln oder zur Be⸗ schaffung von Rohstoffen zwecks Fortführung lebenswichtiger Be⸗ triebe, wie z. B. von Kohlen für die Gas⸗, Elektrizitäts⸗- und Wasserwerke usw. In diesen Fällen wäre überhaupt das Kredit⸗ bedürfnis baufig nur dadurch entstanden, 8* die Geldentwertung sn rechtzeitigen Anschaffungen gezwungen habe für welche die Deckung, oweit nicht “ ttel verfügbar gewesen, vorschußweise im Kreditwege entnommen werden müssen. Soweit bei Krediten überhaupt Vorteile aus der Geldentwertung gezogen worden seien, dürften sie in der Hauptsache der Bevölkerung un⸗ mittelbar zugute gekommen sein. Ein kentlicher Anteil an den im
Jahre 1923 gewahrten Krediten entfalle ferner auf Fvn die I
im Interesse der besetzten Gebiete anläßlich der durch den nbruch 1 Verfügun Aber auch im bersea 11% n 2 teressen für die itgewährung bend e Der Ausschuß behandelte dann noch die 2 — 15 des ufwertungsgesetzes, die die Ansprüche aus Bank⸗ handeln. Hierauf vertagte sich der Ausschuß auf heute. — Der J des Reichstags behandelte EE“ der Vermögens⸗ und Erb⸗ aftssteuer. Abg tröbel (Scz.) verglich eingehend das n und schöpfte daraus ver⸗ Er verkangte Einschränkung der Steuer⸗ erbung des Ehegatten und eine andere 8 Smar
eiheit bei 2 daß die Staffelung von 100 000 Rei
r Erbschaftssteuer,
an eine steigende Erhöhung der im Entwurf vorgesehenen Sätze bewirkt. geschont, der die Vermögenszuwachssteuer vorläufig Abg. Dr. Brüning (ZBentr.) betonte, daß es in haupt keine Vermögenssteuer gebe. Vermögenszuwachssteuer. regierung die bei uns bestehende Körperschaftssteuer in England wieder abgeschafft. tarifmäßige hohe Belastung, die man in England nicht kenne. Im übrigen könne man do 8 nicht miteinander vergleichen, da Deutschland den größten z. 1u“ verloren habe und seine Wirtschaft und sein Kapital⸗ markt haben.
gene; der eg eee sollten die kleinen Vermögen er die großen Vermögen viel härter herangenommen
ließlich verlangte er Streichung des § 25 des Entwurfs, außer Hebung setzen will. . England über⸗ Ebenso hätte England auch keine Ferner habe die englische Arbeiter⸗
Durch alle diese drei Steuern ergebe sich eine besondere englische und deutsche finanzielle Verhältnisse Krieg der
durch die vernichtende Inflation außerordentlich gelitten Dazu komme, daß Deutschland auch früher niemals reich gewesen sei wie das britische Weltreich. Die g. Dr. Kulenkam 7 (D. Vp) und Dr. Fischer⸗ Köln (Dem.) erklärten s die Vergleichung der englischen und edner getan habe, für völlig abwegig, da man solche Vergleiche nur mit prozen⸗ tualen Werten, nicht aber mit absoluten Werten vornehmen könne. Die bv möge durch Heranschaffung genügenden vergleichbaren Materials Gelegenheit geben, richtige zu ziehen. Abg. Dr. Hertz (Soz.) schätzte das weuishe Volkseinkommen des Jahres 1924 mindestens auf 40 Milliarden Goldmark, so daß ein Steuerauf⸗ kommen von 25 % rund 10 Milliarden betragen würde. Dabei sei aber zu berücksichtigen, daß gerade die Hauptlasten dieses Steuerauf⸗ kommens die er und Vermögenslosen getragen hätten. 1 Popitz Reichsfinanzministerium) wies darauf in, wie überaus schwer Vergleiche zwischen zwei Nationen zu ziehen eien, die unter so verschiedenen wirtschaftlichen Bedingungen leben
wie England und Deutschland. Im günstigsten Falle könne man für dee Fesc
tellung der Volkseinkommen doch nur Annäherungszahlen Nach englischen Berechnungen betrage das Steueraufkommen in Enaland 18 % des Volkseinkommens. In Deutschland hetrage 8 an ersehe
Reichtümer sich in England aufgehäuft hätten. Nach englischen Statistiken hätten im letzten Jahre in England 85 000 Personen Einkommen von insgesamt 541 Millionen englischen Pfund gehabt. Das sei für deutsche Begriffe märchenhaft. Aber es sei auch bei den ungeheueren und unbeschränkten Verdienstmöglichkeiten, die das britische Weltreich mit seinem umfassenden Kolonialreich, seinen spri
als England. Dabei müsse man 89 vergegenwärtigen, welche enormen
wörtlichen indischen Feee en. seinem weltumspannenden Handel und 4
seiner Schiffahrt den englischen Staatsangehörigen biete, nicht weiter verwunderlich. Es sei doch aber unmöglich, bei solchen Verschieden een der Lebenslage mit absoluten Ziffern einen Vergleich zu ziehen. r Staatssekretär scloß mit der Erklärung, daß die deutschen Steuern ohne Rücksicht auf alle Vergleiche so geftaltet werden müßten daß sie die Wirtschaft in gerechter und tragbarer Weise belasten Hierbei müsse guch auf die Bedürfnisse des Wiederaufbaues der deutschen Wirtschaft Rücksicht genommen werden. ““ (Komm.) verlangte Erhöhung der Erbschaftssteuer und der Vermögens⸗ steuer, dagegen Schonung der sehr kleinen 85 Der Ausschu trot dann in die Einzelberatung zum v; euergesetz ein. Be⸗ E wurde mit § 22 des Gesetzentwurfs sich mit Bestimmung ver Termine für die diesjährigen Vorauszal lungsraten der Vermögens⸗ befaßt. Nach dem jetzt geltenden Gesetze wäre eine Vermögens⸗ teuerrate am 15. Mai zu zahlen gewesen. Der § 22 des Entwurfs will aber die Rate am 15. Mai fallen lassen. Da am 15. Mai das Vermögenssteuergesetz noch nicht bevaten war, wurde der Termin durch Initiativgesetz zunächst um einen Monat, also bis zum 15. Juni 1925, ausgesetzt. Da der Vermögenssteuerentwurf guch jetzt noch nicht ver⸗ abschiedet ist, beschloß der Ausschuß, dem Reichstag die abermalige Verlängerung der Vorauszahlungsfrist der Vermögenssteuer bis zum 15. August dieses Jahres durch ein neues Initiativgesetz vorzuschlagen. Der Entwurf soll heute auf die Tagesordnung des Plenums gesetzt
werden.
— Im volkswirtschaftlichen Reichstagsaus⸗ schuß wurde gestern die allgemeine Aussprache über den Gesetzen twurf zur Errichtunag der Rentenbankkreditanstalt fort⸗ gesetzt. Beschlüsse wurden nicht gefaßt. In der heutigen Sitzung wird Reichsbankpräsident Dr. Schacht als Sachverständiger sich zu
dem Gesetzentwurf äußern.
— Der Ausschuß für die besetzten Gebiete ver⸗ delte gestern über die Art des Entschädigungsver⸗ ahrens. Die Abag. von Wallraf und Dryander (D. Nat. beanstandeten nach dem Bericht des Nachrichtenbüros des Verein deutscher Zeitungsverleger stark, daß dieses Entschädigun 8 bürokratisch gehandhabt werde, und wiesen darauf hin, daß alles vg. ankäme, die Stimmung und Widerstandskraft ijm besetzten Gebiet aufrecht zu erhalten. Sie gaben der bestimmten Erwartung Ausdruck, daß die von den Deutschnationalen beantragte Novelle zum Okku⸗ pationsleistunasgesetz wätestens im Frühberbst dem Reichstag zugehe. i Verbindung damit ergab sich eine Fisache über die sogenann ariser Verhandlungen, in der die Abgg. von uérar (Zentr.) und Hofmann⸗Ludwiashafen (Zentr.) und Dr. Kalle (D. Wy.) sich beteiliaten. Es wurde festgestellt, daß diese Pariser Verhandlungen keine wesentliche Verbesserung in den Ents gegh. verhältnissen in den besetzten Gebieten berbeigeführt haben. Inzwischen war ein Vertreter des Reichsfinanzministeriums erschienen, der bin⸗ sichtlich der für die besetzten Gebiete bereitgestellten Mittel folgende Auskunft gab: Der Reichsfinanzminister ist bereit, 3 Millionen für diese Zwecke und weitere 3 Millionen als sogenannten Härtefonds zur rfügung zu stellen. Die Verwaltung dieser Fonds liegt beim Reichsministerium für die besetzten Gebiete. Der Härtefonds gibt dem Ministerium die Möglichkeit, in solchen Fällen helfend und er⸗ gänzend einzutreten, bei denen eine staatliche Entschädigung nach den sonst geltenden Bestimmungen nicht in Betracht kommen würde. Zur⸗ zeit finden ferner Verhandlungen mit dem Reichsfinanzminister und der zuständigen Stelle über die Bereitstellung erbeblicher Mittel zur Bekämpfung der Tuberkulose und der Geschlechtskrankheiten im be⸗ seßten Gebiet statt. Die Tuberkulose hat im besetzten Gebiete in Verbindung mit der Wohnunasnot und der Arbeitslosiakeit einen
itt wäre, den eine etwaige Inflations⸗
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gewaltigen Umfang angenommen. Die betreffenden Mittel