1925 / 183 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 07 Aug 1925 18:00:01 GMT) scan diff

liarden, gleich 1575 Millionen, machen zusammen 2,1 Milliarden aus. Das heißt: ein materieller Unterschied zwischen dem Vorschlag der Reichsregierung und dem Gegenvorschlag der Länder besteht nur dann, wenn das Aufkommen aus der Einkommensteuer und der Körper⸗ schaftssteuer 2,1 Milliarden übersteigt. Mit anderen Worten: die Länder verlangen nur das eine, daß sie an dem Mehraufkommen einer entwicklungsfähigen Steuer beteiligt werden, daß sie von dem Mehr⸗ einkommen der Einkommensteuer und Körperschaftssteuer, wenn dieses Mehreinkommen über 2,1 Milliarden hinauskommt, auch ihren Anteil bekommen. (Lebhafte Zurufe rechts.) Ich kann nur eins nach dem andern sagen; ich werde auch darauf noch kommen.

Die Sache liegt so, daß die Länder nur den Wunsch haben, an dem Mehraufkommen der Einkommensteuer und Körperschaftssteuer, wenn dieses Mehraufkommen über 2,1 Milliarden hinausgeht, auch beteiligt zu werden, und, meine Herren, diese Hoffnung, an diesem Mehraufkommen der Einkommensteuer beteiligt zu werden, dürfen Sie den Ländern und Gemeinden nicht nehmen; denn nur wenn wir auf eine Beteiligung an diesem Mehraufkommen rechnen können, werden wir in den Ländern und Gemeinden in der Lage sein, den Fehlbetrag der Haushaltspläne auszugleichen.

Es ist eine politische Notwendigkeit, einen Ausgleich herbei⸗ zuführen. Auch die Länder haben den Wunsch, zu einer Einigung mit dem Reiche zu kommen, und die Länder würden es außerordentlich bedauern, wenn diese Einigung nicht herbeigeführt würde.

Es gibt gewisse Länderregierungen, die politisch anders zu⸗ sammengesetzt sind als die Reichsregierung. Das gilt besonders für die preußische Staatsregierung. (Lebhafte Zurufe rechts: Darum machen Sie auch hier diese Schwierigkeiten!) Ich kann aber erklären, daß es der preußischen Staatsregierung, obwohl sie in ihrer Zu⸗ sammensetzung im Gegensatz zur Reichsregierung steht, durchaus fern liegt, der Reichsregierung auf dem Gebiete des Finanzausgleichs irgendwelche Schwierigkeiten zu machen. Wir wünschen, daß es zu einer Einigung zwischen Reich und Ländern kommen möge und daß die politischen Schwierigkeiten in der augenblicklichen Lage ver⸗ mieden werden möchten.

, Ich bitte aber nicht zu verkennen, daß die Länder mit dem jetzigen Vorschlag ein großes Opfer bringen.

Bedenken Sie eines, die Länder haben die gesamten direkten Steuem im Laufe der letzten Jahre aufgeben müssen. (Lebhafte Zu⸗ rufe rechts) Wir haben doch in Preußen früher die Vermögens⸗ steuer und die Einkommensteuer als das Rückgrat unserer Finanzen gohabt (andauernde lebhafte Zurufe rechts) und haben sie dem Reich übertragen. Wir haben aber noch anderes abgeben müssen. Wir haben früher die Eisenbahnen gehabt und daraus in Preußen einen Ueber⸗ schuß von 250 Millionen für den preußischen Staat herauswirtschaften können. Alle diese Steuerquellen hat man den Ländern genommen. Es bleiben den Ländern und Gemeinden nur noch die Realsteuern, und wenn die Länder und Gemeinden bei den direkten Steuern ver⸗ kürzt werden würden, so würden sie gezwungen sein, um die Fehl⸗ beträge ihrer Haushaltungen auszugleichen, die Realsteuern zu er⸗ höhen. (Stürmische Zurufe rechts: Sparen!) Das ist ganz selbst⸗ verständlich, der Fehlbetrag ist doch da; der muß in irgendeiner Form gedeckt werden, so sind die Länder und Gemeinden gezwungen (erneute lebhafte Zurufe rechts: Zu sparen!), ihre Realsteuern zu erhöhen, und eine Erhöhung der Realsteuern würde nach meinem Dafürhalten für die Wirtschaft geradezu verderblich sein. 28

q. enn werwengs vonmn Reich darauf hingewiesen, daß wir in der Hauszinssteuer ein ausreichendes Aequivalent hätten. Dazu

gestatten Sie mir einige Bemerkungen! In der Begründung der

Reichsregierung zu der Vorlage über die Aenderung des Finanz⸗ ausgleichs wird ausgeführt, daß diese Hauszinssteuer für den all⸗ gemeinen Finanzbedarf der Länder und Gemeinden eine Milliarde auf⸗ bringen könne. Diese Rechnung wird damit begründet, daß die Ge⸗ samtmieten im Reich etwa 5 Milliarden betragen, daß also 20 Prozent der Friedensmieten eine Milliarde ausmachen würden. In dieser Rechnung ist zweierlei übersehen: einmal daß es eine Bruttorechnung ist und daß bei der Nettorechnung ein Drittel abgestrichen werden muß. (Zurufe rechts.) Wir müssen bei der Hauszinssteuer mit starken Ausfällen rechnen. Wenn wir ein Drittel abrechnen, kommen wir zu dem Nettoergebnis. Es ist weiter dabei übersehen, daß die 20 Prozent Friedensmiete doch nicht mehr von allen Mietern erhoben werden kann, sondern daß nach einem durchaus richtigen Gesichtspunkt dieser Satz in Zukunft nach Maßgabe der Belastung, die die Häuser haben, gestaffelt werden soll, daß also sehr viele Mieter nicht 20 Prozent, sondern nur 5 oder 10 oder 15 Prozent für den allgemeinen Finanzbedarf von den verschiedenen Kategorien der Mieter an Haus⸗ zinssteuer zahlen werden, und daß infolgedessen gar nicht damit zu rechnen ist, daß diese Hauszinssteuer einen Ertrag von einer Milliarde zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs der Länder erbringen kann. Dann aber, meine Damen und Herren, gestatten Sie mir, mit finigen Worten auf die Vorwürfe einzugehen, die gegen die Länder und Gemeinden in der Richtung erhoben werden, daß sie nicht sparsam genug wirtschaften. Es ist im Ausschuß des Reichstags gesagt worden, die Länder müßten zu einer Tat gezwungen werden, indem man ihnen ewisse Einnahmen nähme, und sie müßten dann in derselben Weise sparen lernen, wie das Reich gespart hat. Ich will durchaus nicht verkennen, daß die Reichsregierung um die Wende des Jahres 1923/24 mit starker Hand eingegriffen hat und daß die Reichsregierung sich damals ein von allen Seiten anerkanntes Verdienst um die Sanierung der Finanzen des Reichs erworben hat. Dieses Verdienst wird keiner der damaligen Reichsregierung und insbesondere dem damaligen Reichs⸗ finanzminister Dr. Luther bestreiten. Wenn damals manchmal recht hart oder gar brutal verfahren worden ist, dann war das vielleicht eine Notwendigkeit, der ich als preußischer Finanzminister mich durch⸗ aus nicht verschließe. Aber, meine Damen und Herren, zwischen der Möglichkeit, im Reiche zu sparen und in den Ländern zu sparen, ist ein gewaltiger Unterschied. Ich bitte Sie, sich einmal klarzu⸗ machen ich habe das schon im Ausschuß ausgeführt, darf es aber hier wiederholen —, was damals das Reich getan hat und tun mußte. Es hat vor allem die stark aufgeblähten Verwaltungen bei der Eisen⸗ bahn und der Post abgebaut, das Reich hat die Tarife bei der Eisen⸗ bahn und der Post erhöht und auf diese Weise das Gleichgewicht wieder hergestellt. Das Reich hat weiter eine andere Organisation der Erwerbslosenfürsorge eingeführt und sich auf diese Weise von den außerordentlich hohen Beiträgen zur Erwerbslosenfürsorge befreit. Das Reich hat endlich Aufgaben, die bisher vom Reiche finanziert werden mußten, nämlich die Aufgaben der Wohlfahrts⸗ pflege, der Polizei und der Schulpflege, durch § 42 der Dritten Steuernotverordnung auf die Länder abgeschoben. Alles gut und

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also nicht treffen noch mehr bezahlen müssen, wenn man den Anteil der Länder und Ge⸗ meinden an der Einkommensteuer und Körperschaftsteuer ermäßigt.

vorgehen und ihre großen Verwaltungen mit demselben Nachdruck ab⸗ bauen, wie es seinerzeit das Reich bei der Post und bei der Eisenbahn durchgeführt hat? Ich bitte Sie, zu beachten, daß wir in Preußen drei große Verwaltungen haben, bei denen ein Abbau zu Buche schlagen würde. Die erste ist das Innenministerium mit der Schupo, die zweite die Justizverwaltung und die dritte die Schulverwaltung. Bei der Schupo werden Sie nicht abbauen wollen. (Zurufe von den Kommunisten: Warum nicht?! Lachen rechts.) Wir sind heute in Preußen schon unter den Zahlen, die uns in dem Friedensvertrag und in den Abmachungen mit den Feindmächten zugestanden sind, glauben es aber auch mit Rücksicht auf die Sicherheit und öffentliche Ordnung nicht verantworten zu können, noch weiter abzubauen. In der Justiz⸗ verwaltung haben die Geschäfte zugenommen. Ich bitte, in der Be⸗ ziehung nur eine Zahl angeben zu dürfen. Wir hatten in Friedens⸗ zeiten in den Gefängnissen 40 000 Strafgefangene, jetzt haben wir ihrer 60 000. Dazu sehen wir die ungeheure Zunahme der Geschäfte in der Justizverwaltung. Aus diesem Grunde ist es unmöglich, auch hier weiter abzubauen, als es bisher geschehen ist.

Was nun die dritte große Verwaltung anlangt, die Schul⸗ verwaltung, so haben wir angeordnet, daß freiwerdende Stellen in der Schulverwaltung grundsätzlich nur wieder besetzt werden sollen, wenn in der Klasse 50 Schüler sind, und daß nur ausnahmsweise auf 45 Schüler herabgegangen werden darf. Ich glaube, die Frequenz in den Klassen noch weiter auf über 50 zu erhöhen, wäre ein Schritt, den man einfach nicht verantworten kann. Wie soll also in der Schul⸗ verwaltung über das Maß dessen hinaus, was schon abgebaut ist, noch weiter abgebaut werden, wenn nicht diese kulturellen Belange ge⸗ fährdet werden sollen? Wenn man sich das einmal vor Augen hält, so wird man anerkennen müssen, daß dem Abbau der großen Ver⸗ waltungen in Preußen viel engere Grenzen gezogen sind als dem Abbau der großen Verwaltungen, der damals im Reiche in an⸗ erkennenswerter Weise durchgeführt worden ist.

Nun wird uns in Preußen vorgeworfen, daß wir vielmehr brauchen als früher. Auch hier will ich Ihnen nur ein paar Zahlen sagen. Wir brauchen gewiß mehr als früher, aber wie erklärt sich das? Wir brauchen für den Personalbedarf 400 Millionen mehr. Das ist vor allem darauf zurückzuführen, daß der Personalbestand des Innenministeriums durch die Einrichtung der Schupo um etwa 60 000 Köpfe erhöht worden ist, dann aber auch dadurch, daß wir die Besoldungen der Besoldungsordnung im Reiche, die im Einvernehmen mit den Ländern erlassen ist, anpassen mußten. Wir können die Besoldung nicht nach andern Grundsätzen durchführen, als das im Reiche geschieht. (Sehr richtig!)

Die Mehrausgaben beruhen ferner darauf, daß wir den Ge⸗ meinden 250 Millionen Schullasten abgenommen haben. Das be⸗ deutet aber auf der anderen Seite keine Erleichterung für die Ge⸗ meinden, denn die Mehrausgaben der Schulverwaltung betragen eben 250 Millionen, weil die allerdings früher außerordentlich kümmer⸗ lichen Gehälter der Volksschullehrer außerordentlich erhöht worden sind. Wir haben für die Kirche 40 Millionen mehr aufzubringen

als früher. (Zuruf links: Die hätten Sie sparen können!) Schließ⸗ lich fehlt una nach der net.ced von 2 Werlltonen Marr, den wir

früher aus der Eisenbahn gehabt haben. Meine Damen und Herren, das ist das Rechenexempel für diesen Mehrbedarf des preußischen Staates. Wenn Sie sich dieses Rechenexempel einmal durchrechnen⸗ dann werden Sie mir zugeben, daß bei allen diesen Tatsachen große Ersparnisse nicht zu erzielen sind.

Und nun noch ein paar Worte zu den Gemeinden. Meine Damen und Herren, die Gemeinden bekommen heute aus der Ein⸗ kommen⸗ und Körperschaftssteuer weniger, als sie früher bekommen haben. Die Gemeinden haben heute an Wegebaulasten ein Vielfaches von dem zu tragen, was sie früher zu tragen hatten, weil die Straßen kaputt gefahren sind und mit Rücksicht auf die Wirtschaft wieder⸗ hergestellt werden müssen. Die Gemeinden haben heute für Wohl⸗ fahrtsausgaben infolge des verlorenen Krieges und der Nachkriegs⸗ wirkungen das Drei⸗ bis Vierfache dessen aufzubringen, was sie früher aufbringen mußten. Diese Wohlfahrtsausgaben machen heute in dem Etat der Gemeinden 25 bis 30 Prozent der Gesamt⸗ ausgabe aus. Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, nicht aus der günstigen Lage weniger Gemeinden in Preußen falsche Schlüsse auf das Gros der preußischen Gemeinden ziehen zu wollen. Es wird immer auf einige reiche Gemeinden hingewiesen, die etwas mehr tun können als die anderen. Wir haben hier auch noch zu be⸗ achten, daß das, was diese Gemeinden heute tun, in der Hauptsache aus den Ueberschüssen des Vorjahres geleistet wird. Wir haben alle Ueberschüsse gehabt, die Gemeinden und Länder und auch das Reich. Es wird immer wohlhabende Gemeinden geben, aber das Gros der Gemeinden ist in bitterer Notlage. Die Klagen, die wir insbesondere von den Gemeinden des Industriegebiets bekommen, würde ich Ihnen gern vorlegen, um Ihr Urteil einmal zu berichtigen. Die Gemeinden haben die Gewerbesteuer in einer Weise anziehen müssen, die uner⸗ träglich ist. Wir haben überall die Steuern herabgesetzt, das hat aber auch seine Grenzen. Wenn man sie zu sehr herabsetzt, können sie ihre Aufgaben nicht erfüllen.

Ich möchte noch auf eins hinweisen. Das Reich hat im großen und ganzen die Richtigkeit der Bedarfsberechnung der Länder und Kommunen anerkannt. Der Streit über den Finanzausgleich dreht sich nicht so sehr um die Höhe des Bedarfs wie um die Einschätzung der Steuerquellen, die den Ländern und Gemeinden zur Verfügung stehen. Das Reich schätzt das, was die Gemeinden und die Länder aus den ihnen überlassenen Steuerquellen ziehen können, viel zu hoch ein. 1

Meine Damen und Herren, der Fehlbetrag des preußischen Staatshaushalts beläuft sich auf etwa 240 Millionen Mark in diesem Jahre. Ich weiß nicht, wie dieser Fehlbetrag gedeckt werden soll. Gewiß, es ist ein Ueberschuß des Vorjahrs vorhanden und dieser Ueberschuß beträgt rund 200 Millionen. (Zuruf: Na also!) Ja, meine Herren, ich könnte Ihnen dieses „also“ mit den Worten wider⸗ legen, die vorhin der Reichsfinanzminister gebraucht hat, (Lebhafte Zurufe: Sehr richtig! und Bravo!), daß dieser Ueberschuß Kassen⸗ bestand des Reichs wäre, und daß nach den Grundsätzen der Reichshaushaltsordnung das Reich diesen Ueberschuß nicht zur Deckuhng laufender Ausgaben dieses Jahres verwenden darf. Die Rechtslage in Preußen liegt ebenso. Die preußische Haushaltsordnung bestimmt, daß diese Ueberschüsse zur Tilgung

ichtig meine Damen und Herren. (Zurufe rechts.) Ich rede ja ha die Linder und Gemeinden insgesamt; dieser Vorwurf kann mich

nleihen in erster Linie zu verwenden sind, im übrig

Nun aber frage ich Sie: können denn die Länder in derselben Weise

aber auf Anleihen verrechnet werden sollen Affo, nach dem Geeseg⸗

das wir hier in Preußen haben, dürsen dien Ueberschüsse gleichfall nicht zur Deckung laufender Ausgaben verwendet werden. Außerde sind diese Ueberschüsse nicht greitbar. Wir haben diese neberschäst zu einem erheblichen Teil an die Landwirtschaft und den gewerblicha Mittelstand ausgetan (höoͤrt! hört! links) gelegentlich der großen Kreditaktion, die wir zugunsten des Mittelstands, sowohl des bäuen lichen wie des gewerblichen, durchgeführt haben (Hört! hört!) Dies Ueberschüsse, die wir haben, stecken nicht in unseren Kassen; sie sin auf der Staatsbank und werden von ihr auf unsere Anweisung bin an die Wirtschaft und gerade an diese mittelständischen Kreise der Wirtschaft weitergegeben, um ihnen in ihrer schweren Lage zu helfen (Sehr richtig!) Ob diese Beträge aber rechtzeitig zurückbezahlt werden und dann gebraucht werden können, um die Fehlbeträge dieses Jahres zu decken, ist mir sehr zweifelhaft. (Zuruf von den Konm⸗ munisten.)

Meine Damen und Herren! Die Reichsregierung hat gewise Rücklagen gemacht für den Fall, daß der Besoldungsbedarf sich e⸗, höhen sollte. Solche Rücklagen haben wir in Preußen nicht⸗ Auch wir in Preußen müssen doch, wenn die Reichsregierung zur vierter jährlichen Zahlung der Gehälter übergeht, diesem Beispiel folgen, wir müssen auch die vierteljährlichen Steuerzahlungen durchführn und dann einen erheblichen Betriebsfonds zur Verfügung haben. Also alles das, was vorhin der Herr Reichsfinanzminister mit beredten Worten ausgeführt hat, um sich dagegen zu wenden, daß der Ueber,⸗ schuß des Vorjahres zur Deckung des Fehlbetrages dieses Jahres ver⸗ wendet wird, brauche ich mir nur zu eigen zu machen (Sehr richtigh. und darf infolgedessen annehmen, daß ich mit diesen Ausführungen Ihren einhelligen Beifall finden werde. (Sehr gut! und Heiterket bei den Demokraten.)

Meine Damen und Herren! Ich bin mir aber vollkommen klar darüber, daß wir zum Teil auf diese Ueberschüsse des Vorjahrez zurückgreifen müssen. Auch wenn Sie nach den Wünschen der Länder handeln und den letzten Vorschlag, den wir gemacht haben, annehmen wollten, selbst dann würden wir nicht in der Lage sein, die Fehl⸗ beträge dieses Jahres zu decken. Es handelt sich bei uns, wenn wit diesen Gegenvorschlag gemacht haben, nicht allein um das Jahr 1925 sondern vor allem um das Jahr 1926. Wir hoffen auf eine Weiten entwicklung der Einkommen⸗ und Körperschaftsteuer und wollen um die Beteiligung an dieser Verbesserung nicht nehmen lassen.

üher den Reichsfinanzausgleich im Reichsrat ist eine neue Lage ein⸗ getreten. Damals konnten wir in den Ländern und Gemeinden nach den Angaben, die von der Reichsregierung gemacht wurden, damit rechnen, daß die Einkommen⸗ und Körperschaftsteuer 2,2 Milliarden, die Umsatzsteuer 1610 Millionen bringen würde. Diese Hoffnung haben wir heute kaum mehr. Wenigstens was die Umsatzsteuer bo⸗ trifft. Das war aber eigentlich die Basis für die Berechnungen, die

bei ist aber auch noch zu berücksichtigen, daß auch sonst noch manche Verschlechterungen eingetreten sind. Beispielsweise hat der Reichstag die Grunderwerbsteuer, die den Ländern und Gemeinden zufließt, von 4 auf 3 Prozent herabsetzt. Man hat das Zuschlagsrecht der Gemeinden zu dieser Steuer von 4 suf 9 Prozent hHerabgesegt. Man hat den Gemeinden die Wo⸗ herbergungssteuer genommen. keine Getränkesteuern haben, verboten, eine Getränkesteuer einzuführen, und man hat bei anderen Gemeinden bestimmt, daß sie zum 1. Aprll

deren Seite in dem Aufwertungsgesetz den Gemeinden über das Maß dessen hinaus, was Reich und Länder bei der Aufwertung tragen müssen, gewisse Lasten auferlegt, indem man den Gemeinden einme höhere Aufwertung vorgeschrieben hat, indem man endlich die Spar⸗ kassen verpflichtete, 12 Prozent an die Sparkassengläubiger auszu⸗ schütten. Das ist alles schön und gut; wer wollte es nicht billigen? Aber andererseits bedeutet es eine neue Belastung der Gemeindel und neue Verkürzung der Einnahmequellen der Gemeinden. (Sehr richtig! bei den Demokraten.)

Meine Damen und Herren! Hat das, was die Länder wünschen⸗ mit den Fragen des Unitarismus und Föderalismus etwas zu tund Davon kann gar nicht die Rede sein. Wenn die Länder darauf be⸗ stünden, daß eine reinliche Trennung der Steuerquellen herbeigefühnt würde, und wenn die Länder verlangen würden, daß ihnen die Gesetz⸗ gebung und Verwaltung über die Einkommen⸗ und Körperschaftsteuer zurückgegeben werden möchte, dann könnten Sie sagen, das entspreche den Prinzipien des Föderalismus. Wenn aber die Länder eine aus⸗ reichende Beteiligung an den großen Reichssteuern verlangen, dam hat das mit Föderalismus nichts zu tun. (Sehr richtig!) Denken Sie sich einmal das Reich anders aufgeteilt, derart, daß die preußischen Provinzen und die südlichen Länder Reichsprovinzen wären, so müßten auch diese Reichsprovinzen gewaltige Aufgaben der Selbst⸗ verwaltung haben, ebenso die Gemeinden (sehr richtig!), und das Reich, alsdann der einzige Staat müßte immer dafür sorgen, wenn die Grund⸗ sätze der Selbstverwaltung nicht aufgegeben werden sollen, diese Reichs⸗ provinzen und Gemeinden mit ausreichenden Mitteln zu versehen, damit sie ihre großen Aufgaben erfüllen. (Sehr richtig!) Also mit Unitarismus und Föderalismus hat das nichts zu tun, höchstens mit Zentralismus und Dezentralisatt'on. (Sehr gut! bei den Deutschen Demokraten.) Die Dezentralisation ist gesund; daß man wichtige Aufgaben auf die nachgeordneten Stellen abwälzt, mögen sie nun Länder, Reichsprovinzen oder Gemeinden sein, ist durchaus richtig⸗ Dann muß man aber auch den nachgeordneten Stellen die Mittel geben, damit sie ihre wichtigen Aufgaben erfüllen können.

Ich fasse mich noch einmal zusammen. Der Vorschlag, der jetzt von den Ländern gemacht worden ist, geht in der Garantieforderung kaum über den Antrag 1311 hinaus. Er will den Ländern nur eine Beteiligung an einem Mehraufkommen der Einkommen⸗ und Körper⸗ schaftsteuer sichern, wenn die Einkommen⸗ und Körperschaftsteuer, die wir für die entwicklungsfähigen Steuern halten, ein Aufkommen für sich allein von mehr als 2,1 Milliarden bringt. Außerdem bitte ich, doch zu beachten, daß das, was die Länder fordern, nur bis zum 1. April 1927 Geltung haben soll. Dann wird der endgültige Finanzausgleich mit dem Zuschlagsrecht für Länder und Gemeinden kommen. Dann werden wir auch klarer sehen können, dann wissen wir, was die Steuern bringen. Dann werden auch all die Unter⸗ lagen vorliegen, die das Reich jetzt von uns verlangt und die wir durchaus bereit sind zu geben.

Hierbei darf ich noch bemerken, daß wir zunächst durch die Forde⸗ rungen überrascht worden sind, die die Reichsregierung auf diesem

Gebiet an die Länder u

Gemeinden gestellt hat. Diese Forde⸗

Meine Damen und Herren! Seit der Beratung der Vorlag.

von den Finanzministern der Länder angestellt worden sind. Da⸗

Man hat den Gemeinden, die noh

1927 die Getränkesteuern beseitigen müssen. Man hat auf der au⸗

8 Ire sin

8 umgen aingen auch über das Maß des Erträglichen hinaus. Aber wir erkennen durchaus an daß die Reichsregierung ein gewisses Ent⸗ gegenkommen gezeigt hat, und wir sind bereit, uns damit abzufinden Wir sind auch durchaus bereit, die Bestimmungen der §§ 7 und 8 loval durchzuführen und dem Reiche alle Unterlagen zu geben. damit sowohl die Reichsregierung wie der Reichstag die finanzielle Lage der Linder und Gemeinden überschauen können. Diese Unterlagen liegen am 1. April 1927 und in der Sessionsperiode des Reichstags, die vor dem 1. April 1927 tagen wird, vor. Dann werden Sie auf Grund dieser Unterlagen ein gerechtes Urteil fällen können und werden dann den Streit zwischen der Reichsregierung und Ländern auf Grund ordentlicher Unterlagen entscheiden können. Ich glaube,

¹ Sie beute dazu nicht in der Lage sind. Sie haben diese Unter⸗

nagen nicht, kennen auch ich darf das wohl ruhig sagen die Etats der Länder und der Gemeinden nicht in dem Umfange wie den Etat des Reichs.

Ich glaube, wenn Sie heute schon über den Vermittlungsvorschlag der Länder, der eigentlich die letzte Grenze des Möglichen ist die Länder gehen ja so weit zurück, daß sie es kaum noch verantworten fönnen —, hinweggehen, würden Sie Ihrer verantwortungsvollen Aufgabe, zwischen dem Reich und den Ländern zu entscheiden, nicht gerecht werden. Die endgültige Entscheidung wird dann zum 1. April 1927 getroffen werden müssen.

Meine Damen und Herren, ich habe hier nicht nur für die preußische Staatsregierung sprechen dürfen. Wir hatten am vorigen Montag eine Konferenz der Landesfinanzminister, und die preußischen Vor⸗ schläge sind dort einmütig von allen Ländern gebilligt worden (hört, hört! links) und nahezu einmütig standen alle Länder auf dem Stand⸗ punkt, daß, wenn der Vorschlag der Länder nicht angenommen und damit eine Einigung zwischen Reich und Ländern nicht herbeigeführt werden würde, die Länder zu ihrem Bedauern in der Notwendigkeit sein würden, Einspruch gegen die Beschlüsse des Reichstags zu erheben. Ich glaube, es wäre das erste Mal, daß der Einspruch gegen eine so be⸗ deutsame Vorlage erhoben würde. Ich würde es außerordentlich be⸗ dauern, wenn es nicht doch noch möglich sein sollte, eine Einigung wwischen Reich und Ländern herbeizuführen. Geben Sie uns die Möglichkeit, diesen Weg zu finden, und ersparen Sie uns, das, was wir sonst, wenn wir unserer Verantwortung vor den Ländern gerecht werden sollen, tun müßten, ersparen Sie uns, Einspruch zu erheben.

(cebhafter Beifall links und bei der Bayerischen Volkspartei.)

113. Sitzung vom 6. August 1925, Nachmittags 3 Uhr. Wericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger“).) Am Regierungstische: Reichsminister des Aeußeren Dr. Stresemann. Präsident Löbe eröffnet die Sitzung um 3 Uhr 20 Mi⸗ nuten.

Auf der esordnung stehen die Anträge und Inter⸗ 2.hl.; ver he Ausweisung derdeutschen Op⸗ antenin Polen und über die Füens⸗ im Durch⸗

Abg. von Keudel!l (D. Nat.) begründet die deutschnationale 8“” Es ist eine Ehrenpflicht, daß im Reichstag der ein⸗ Wille zum Ausdruck kommt, die Ursachen der Vorgänge in Schneidemühl zu untersuchen und ihre Wiederholung in Zukunft zu erhindern. Die schmachvollen Erfahrungen, denen unsere Lands⸗ s ausgesetzt waren, müssen unter Hintansetzung aller Partei⸗

tütige

hangslager in Schneidemühl.

nterschiede hier dargelegt werden. Unsere Landsleute müssen naerscha⸗ Ace.n vnd Existenzmöglichteit erhalten. Der Redner agt, was die Reichsregierung zum Schutz gegen solche Zwangs⸗

11 Vergeltungsmaßnahmen, zu tun die Ueberzeugung zu ge⸗ der Verpflichtung aus dem

nahmen, vielleicht auch dur sedenke. Ob aus den bekzanten Zälen innen sei, die polni jierung 1 .- Be-2er. büe sei, den anten den Uebertritt Fe erleichtern, oder ob nicht vielmehr der Uebertritt in mittelalter⸗ chen Formen des Ver ens von der Scholle sich vologen habe. ei dem berüchtigten Beamtenvertrag hat 1920 die polnische Re⸗ jerung die rügergekommenen Beamten ausgeplündert; Rechts⸗ lten gg. Natür 9 zußenminister bekannt gibt, welche Re⸗ 8 8 Wir hoffen aber, daß der

nicht inn 9i dnt 8 2 ten sollen Fressalien eventuell eintreten daß 8 sehe⸗ alle Mittel ergreifen wird, besonders auch mit Rück icht zuf diejenigen unsever Landsleute, die sich noch in Polen befinden. Frt. 118 der Verfassung spricht vom Schutz der Mindetheiten. Von Iner Gegenseitigkeit von seiten Polens kann nicht die Rede sein. Pagegen muß die Regierung vorgehen. Es ist auch recht eigenartig, ß der Gesandte in Urlaub gegangen ist. 8 einem olchen klugenblick durfte das nicht geschehen. r richtig! ir er⸗ hof ins die Gewißheit wird, daß nichts offen von der Aussprache, daß u ncversacht bleibt, die Wiederbehr der beklagenswerten Vorkommnisse usg ½ n. Was hat wan die

Regierung getan um die Not Le ir fragen, wie war es nügsch 8 die Behörden nicht auf den 8 August zu erwartenden

ustrom Ler. Mere e nihg. den ageser Jesenag hei tjuden der preußi nnenminister S 1 8 8 Lerser 28 (en⸗ wmnfni rechts.) Wir soffen, daß der Minister .88 88 Srragten Heraaß vort 1 wird. nfa n 1

1 „ö ein. . wwischt wird. (Sehr

ständigkeit ndwie vern chtig! rechts.) Ss nihte Ie⸗ Reichsminister des Innern die rage, ob und aus welche re

üindern

n Gründen von der Einrichtung eines be⸗ n —ö Abstand genommen worden ist. Ein Icher Reichskommissar wäre hier am Platze be ge war z möglich, daß bei der Konzentration, mit der zu rechnen ar, nur eine Krankenschwester, nur eine Feldbu ckur rfügmeg stand? Wie war es mölich, daß die brben

vicht gerade auf den ungünstigsten eingerichtet haben Geldmittel rechtzeitig zur Verfügung gestellt, ist? Man erklärt, datz die Bean wortung be⸗

gmit man gerüstet NRan 2 immter Fragebogen nicht richtig und 8- Fechtzeitig erfolgt sst. Me⸗

f Sminister muß Auskunft geben, der b dercsch. denvwertsch ändig 88 18 rbes. if jetzt zu tun! Keine telle darf erlahmen in dem Bestreben, für die Vertriebenen zu

wetteifern in der Bereitstellung geeeigneter Wohnungen. weitens föe die Siedlungs age in Perracht. Es muß unser Bestreben

d die genügenden

ein, diese Frage der Parteipolitik zu entrücken. (Zurufe links. Im Landtag 8,9 ein Antrag der Deutschen Volkspartei Dr. von 8 mpe vor, der Reichsmittel verlangt für die Siedlung. For 188 ist stattzugeben und die bewilligten Mittel müssen da verwen 8 werden, wo sie am nötigsten sind. Die Siedlungsgesellschaften sin durch Mangel an Mitteln lahm gelegt!. (Hört! ört!) Das Reich muß an Preußen ausreichende Miktel geben, und reußen muß 68 an die Träger der, Siedlung weitergeben damit die in Betra Kommenden die ent echenden Kredite erlan n. Wir fordern, diß virklich praktische 88 758 Füind., 2 2 ute, hicz ne 8 bei der Wiederke rchcho dazu dient, daß Nümnenan Jhn wenen 1. Juli 1926 als mit u rechnen! Vor⸗ t wiederholen, daß sehen

eut zus Polen wir haben mit dem 1. der ber ete polenngen und ferner mit dem Feisse Terminen für ein solches 1eea ommnisse, wie sie sich hier ereignet haben, vhehmaüg e Püsprecingen wirklich Taten folgen, so wir den Irech der Interpellation als erreicht an!

* Mit Ausnahme der durch Sperrdruck hervorgehobenen der —bn Minister, die im Wortlaute wiedergegeben sind.

Abg. Rädel (Komm.) begründet die Interpellation seiner Partei und bemerkt zunächst daß eigentlich der Abgeordnete Jadasch die Interpellation begründen sollte, daß er aber durch seinen Hinaus⸗ wurf daran gehindert ist. Vielleicht war das Absicht, da er auch das . Elend dabei hätte hesprechen können. (Lachen rechts.) er Geschichte sind ähnliche Fälle von Ausweisungen unbekannt.

diese möglich war im Zeitalter der „Humanität“ unter dem Völkerbund, diesem Instrument der Humanität, das sagt allerhand. Alle die großen und gelehrten en von Genf schweigen jetzt. Deutschland war es vorbehalten, zuerst die Deportationen wieder einzuführen. (Zuruf rechts: Das war im Kriege!) Ja, es war im Krieg, aber Sie (nach rechts) haben jetzt kein Recht, sich über Ausweisungen zu beschweren! (Stürmische Erregung rechts. uruf: Hinaus mit ihm! Die Deutschnationalen verlassen den

gal.) Die Reichsregierung hat die Vereinbarungen mit Polen getroffen, sie ist also für die Ausweisungen verantwortlich. nn auch Preußen etwas versäumt hat, warum hat denn die höhere In⸗ stanz, das Reichsministerium des Innern, nüch eingegriffen? Auch in Oberschlesien haben sich Tausende von Polen im Elend be⸗ funden, ohne Wohnung, ohne Nahrung. Die Parteien die hinter der Regierung stehen, haben kein Recht, sich über die Zustände in Schneidemühl zu entrüsten. Die Auswanderung der Polen aus Deutschland ist in jeder Weise vorbereitet und organisiert worden, für die deutschen Ausgewiesenen hat man nichts 8, so mußten Tausende in Schneidemühl ganz elend untergebracht werden. (Die Mitglieder der Deutschen Volkspartei haben inzwischen auch den Saal verlassen.) Die bürgerlichen Fenmmgen dagegen berichten, daß die deutschen Optanten sogar das Deutschlandlied e haben. (Heiterkeit links.) An Luͤdendorff haben sie ein Telegramm ge⸗ richtet, daß sie für die Rache an Polen auf ihn rechneten. Und wer hat denn das Königreich Polen schaffen wollen? Ludendorff. Das Telegramm war von Wilhelm Köhler unterzeichnet, einem Mann, der wegen Sittlichkeitsverbrechen zu sechs Monaten Gefängnis be⸗ straft ist. Die Hilfsaktion der Internationalen Arbeiterhilfe, die den Optanten wirklich Hilfe bringen wollte, ist von den Behörden systematisch abgelehnt worden. Wie sieht denn die Hilfsaktion der

hörden aus? Mit Sport und Schupo und Kino will man den Optanten helfen; vielleicht spielt man ihnen den Friderieus Rex vor. (Heiterkeit links.) Ein Landwirt, der aus Polen schon früher ausgewiesen war, wurde in Großkamin angesiedelt, neben dem Besitz des Grafen von Schwerin. Dieser haute vlöglich rücksichtslos durch das Grundstück des Ansiedlers einen Weg, 4 Meter breit, 100 Meter lang, und da rührt sich keine Hand, um dem rechtlos gemachten An⸗ siedler zu helfen. Schamlos werden die Flüchtlinge in Schneide⸗ mühl ausgebeutet, sie nur polnisches Geld mit und werden beim Umwechseln von den Banken be Die Filiale der Deut⸗ schen Bank hat ihnen für 10 Zloty nur 4,80 Mark, für einen Dollar nur 3,50 Mark bezahlt. Warum hat man de Wohnungen und sonstige Räume für die Optanten beschlagnahmt? Was hätten wohl die Herrschaften rechts gesagt, wenn man das getan hätte!

Dr. Stresemann, Reichsminister des Auswärtigen: Meine Damen und Herven! Im Namen der Reichsregierung und im Ein⸗ verständnis mit dem preußischen Ministerium des Innern habe ich auf die von den Herren Vorrednern begründeten Interpellationen folgendes zu erklären. Der Reichsregierung ist durch den Schieds⸗ spruch des Präsidenten Kaekenbeek die Pflicht aufgezwungen worden, die Abschiebung der deutschen Optanten aus Polen zu dulden. Trotz⸗ dem dieser Schiedsspruch auch für die deutsche Regierung verbindliche Kraft hatte, hat die deutsche Delegation in Wien durch direkte Ver⸗ handlungen mit der polnischen Delegation versucht, eine Milderung dieses Schiedsspruchs herbeizuführen. Diese Bemühungen scheiterten an dem polnischen Widerstand. Es ist nur möglich gewesen, in den Wiener Verhandlungen eine Erleichterung in den Abwanderungs⸗ bedingungen zu erreichen. Es wurde vereinbort, daß Polen zu ver⸗

lassen hätten: 1. am 1. August 1925 diejenigen Personen, die kein Grundeigentum besitzen; 2. am 1. November dieses Jahres dieijenigen Personen, deren Grundbesitz im Rayon einer Festung oder der 10 Kilometer breiten Grenzzone gelegen ist; 3. am 1. Juli 1926 alle anderen Personen mit Grundbesitz. 1

Nachdem auf der Grundlage des Kaekenbeekschen Schiedsspruchs das Wiener Abkommen am 30. August vorigen Jahres, das im Reich und in Polen Gesetz wurde, unterzeichnet war, hat das Aus⸗ wärtige Amt die deutsche Gesandtschaft in Warschau beauftragt, in dringlicher Form bei der polnischen Regierung auf einen Verzicht der Auswanderungsbefugnis bezw. auf eine Einschränkung des Kreises der abwanderungspflichtigen Optanten hinzuwirken. Diese Ver⸗ handlungen, die im Januar, Juni und sogar noch im Juli dieses Jahres stattfanden, hatten jedoch infolge des Widerstandes der polnischen Regierung keinen irgendwie nennenswerten Erfolg. (Hört, hört!) Lediglich das Verbleiben der zu den Konsulatsangehörigen gehörenden Optanten wurde zugestanden. Es ist aber nicht einmal der Wunsch der deutschen Regierung, von der Abwanderungspflicht Greise, Schwerkriegsbeschädigte, Witwen und Waisen auszunehmen, berück⸗ sichtigt worden. (Lebhafte Rufe: Hört, hört!) Das Bestreben der Reichsregierung, das Los der beiderseitigen abwanderungspflichtigen Optanten zu mildern oder diesen Kreis einzuschränken, ist also an der starren Haltung der polnischen Regierung gescheitert.

Unmittelbar nach dem Abschluß der Wiener Verhandlungen unterrichtete das Auswärtige Amt das Reichsministerium des Innern in einer Besprechung vom 25. Oktober 1924, in welcher die Frage der Uebernahme und Unterbringung der Optanten 88 nicht abschließend geklärt werden konnte. Die Behand ung dieser Frage wurde vom Reichsministerium des Innern über⸗ nommen, und dieses berief für den 1. und 8. Dezember 1924 kom⸗ missarische Besprechungen mit den beteiligten Stellen des Reichs und Preußens ein, um die zur Durchführung des Abkommens not⸗ wendigen Maßnahmen sicherzustellen. Dabei wurde auf Grund der angestellten Ermittlungen die Zahl der aus Polen Abwande⸗ rungspflichtigen auf rund 27 000 angegeben. Mit dem Abtransport der Optanten aus Polen an die deutsche Grenze wurden die deut⸗ schen Konfulate in Posen und Thorn beauftragt, die mit den organisatovischen Maßnahmen bereits im Februar begannen. (Zuruf von den Völkischen: Sie gingen auf Urlaub!) Nein, es war niemand auf Urlaub von denen, die mit diesen Dingen zu tun gehabt haben. Ich weise diesen Vorwurf ganz entschieden zurück. (Zuruf von den Völkischen: Auch Herr Rauscher nicht?) Ss Herr Rauscher ist auf Urlaub gegangen, nachdem das, was er in dieser Sache politisch mit der polnischen Regierung zu verhandeln hatte, vollkommen ergebnislos verlaufen war, und infolgedessen von uns auch jedes weitere Verhandeln mit der polnischen Regierung über diese Frage als nicht mehr mit der Würde der deutschen Regierung übereinstimmend angesehen wurde. (Lebhafter Beifall. Zuruf von den Völkischen: Die Deutschen waren doch noch da!) Die Abreise des Gesandten aus Warschau ist mit der deutschen ds. be⸗ sprochen und von dieser gebilligt worden. (Kört! Hört! Zuruf von den Völkischen: Das werden wir nachprüfen!) Bitte sehr,

te nen ja frei. 8 Herren, ich wiederhole, daß die deutschen Konfulate in Posen und Thorn mit dem Abtransport der Optanten aus Polen an die deutsche Grenze beauftragt wurden und daß sie mit den organisatorischen Maßnahmen im Februar begannen. Ab⸗

wandevungsstellen wurden in Bromberg, Thorn und Dirschau ein⸗ gerichtet. Jeder einzelne Optant erhielt gedruckte Verhaltungs⸗ maßregeln. Die Abwanderungspapiere wurden ebenfalls jedem einzelen Optanten ausgefertigt, und in Notfällen wurde eine Geldbeihilfe gewährt. Tausende von Optanten erbaten und er⸗ hielten von den deutschen Konsulaten Rat und Hilfe, und dank dieser umfangreichen Vorbereitungen konnte ein großer Teil der Optanten etwa 8000 im Juli die Rückwanderung antreten, ohne das Durchgangslager in Schneidemühl zu berühren (Hört, hört! bei der Deutschen Volkspartei.)

Nach Abschluß der im Dezember 1924 genau festgelegten Vor⸗ arbeiten beraumte das Reichsministerium des Innern eine erneute allgemeine Aussprache über die Optantenfroge auf den 30. März 1925 an, an welcher das Auswärtige Amt, das Generolkonsulat Posen, das Reichsfinanzmimisterium, das Preußische Ministerium des Innern, das Preußische Ministerium für Volkswohlfahrt, das Preußische Finanzministerium, das Preußische Ministerium für Landwirtschaft und die Reichsarbeitsverwaltung teilnahmen. In dieser Besprechung teilte der Vertreter des Preußischen Ministeriums des Innern mit, daß der Oberpräsident in Schneidemühl zum preußischen Staats⸗ kommissar für die Uebernahme der Optanten aufgestellt sei. Es wurde eine Arbeitsteilung vereinbart, wonach der preußische Staats⸗ kommissar und die Reichsarbeitsverwaltung gemeinsam für den Empfang der Flüchtlinge an der Grenze und ihre Verteilung auf die Abwanderungsstellen zu sorgen hatten.

Das von Preußen in Schneidemühl eingerichtete Durchgangs⸗ lager bot für etwa 5000 Optanten ein vorläufiges Unterkommen. Dieses Lager war lediglich für die erste Aufnahme der Optanten bestimmt, und die rasche Weiterleitung war gewährleistet durch die preußischen Vorschriften über die wohnliche Unterbringung der Optanten gemäß dem Runderlaß vom 7. Februar 1925 und die sich darauf aufbauenden ministeriellen Anweisungen an die Regierungs⸗ präsidenten, durch welche diese vewflichtet wurden, Wohnräume für die ihnen zugewiesenen Optanten zu beschaffen. (Abgeordneter Dr. Feder: Wo sind denn die?) Sie werden gleich davon hören!

Gleichzeitig mit dem Wohnungsproblem war die Frage der Ar⸗ beitsbeschaffung zu lösen, da ein längeres Lagerleben aus fanitären, politischen und sozialen Gründen nicht geduldet werden könnte. Zu diesem Zweck hatte die Reichsarbeitsverwaltung Mitte April eine Optantenvermittlungsstelle eingerichtet und ihre Leitung einem her⸗ vorragenden Sachkenner übertragen, während dem Generalkonsulat in Posen ebenfalls ein Bearbeiter für die einschlägigen Fragen bei⸗ . gegeben wurde. Auf diese Weise gelang es, bis zum 5. August dieses Jahres einschließlich der Familienangehörigen 6103 Personen in Arbeitsstellen unterzubringen, davon in der Landwirtschaft 217 Ledige und 414 Familien, letztere 1600 Köpfe. Von diesen Personen b entfallen allein 3352 auf die Zeit seit dem 28. Juli dieses Jahres.

An Mitteln sind für die Unterbringung von Reich und Preußen G insgesamt 6,5 Millionen Mark bereitgestellt und weitere 5 Mil⸗ lionen Mark für die Unterbringung der zu erwartenden Optanten ausgeworfen, die auch für die erst im November dieses Jahres und im nächsten Jahr zu erwartenden Optanten bestimmt waren. Da aber damit gerechnet werden konnte, daß von den etwa 20 000 Optanten, die Polen bis zum 1. August dieses Fahres verlassen mußten, der Hauptteil innerhalb der weiten Juͤlihälfte die Grenzen überschreiten würde und änfolgedessen allmählich in Wohnungen und Arbeitsstellungen hätte übergeführt werden können, hätten die in Schneidemühl getroffenen Einrichtungen den Erfordernissen ent⸗ sprochen. Wider Erwarten jedoch ist der Hauptteil der Optanten erst in den letzten vier Julitagen in Schneidemühl eingetroffen. Die hat im wesentlichen seinen Grund darin, daß in den Kreisen de Optanten bis zum letzten Augenblick naturgemäß darauf gehofft wurde, 1 Polen würde von der Durchführung des Abkommens allgemein oder in besonderen Fällen Krankheit, Schwangerschaft usw. Abstand nehmen. So kam es, daß sich der Hauptstrom der Flüchtlinge au wenige Tage zusammendrängte und dadurch unvermeidliche Stauunge und Unzuträglichkeiten bei der vorläufigen Unterbringung und Weiter beförderung der Optanten herbeigeführt wurden. Diese Schwierig- keiten konnten dank der Zusammenarbeit aller beteiligten Stellen behoben werden. Die höchste Belegungsziffer des Lagers betrug etwa 7000 Personen und ist auf weniger als 5000 herabgefunken. Hundert von Lagerinsassen wergen täglich durch Arbeitsvermittlung oder ander⸗ weitige Unterbringung aus dem Lager entfernt, während der Zustrom in das Lager tagtäglich abnimmt und am 4. August nur noch 170 Per⸗ sonen betragen hat. 8

Um die Optanten endgültig unterzubringen, wurden 1000 Land arbeiterwohnungen bereitgestellt. Ferner sollen 500 Optantenfamilie in Wohnungen eingewiesen werden, die durch den Abzug polnischer Optanten aus Deutschland frei werden. Endlich werden für weitere 1000 Optantenfamilien neue Wohnungen vorzugsweise in den Ost⸗ provinzen hergestellt, deren Vollendung binnen kurzem zu erwarten i Auch sind die preußischen Regierungspräsidenten angewiesen worden, zum 8. d. M. 800 Personen aus dem Lager in Wohnungen unterzubringen. Die bisherige Rüͤckwanderung der deutschen Optanten in Polen erfolgt unter dem Druck des im Wiener Abkommen festgesetzten Ab⸗ wanderungstermins, aber ohne direkten polizeilichen Zwang. Caochen bei den Völkischen.) Es muß jedoch damit gerechnet werden, doß die polnische Regierung gegen diejenigen deutschen Optanten, die noch nicht abgewandert sind, mit polizeilichen Zwangsmaßnahmen vor⸗ gehen wird. Die Reichsregierung hat es sich in der Frage der ent⸗ sprechenden Maßnahmen gegen die polnischen Optanten in Deutsch⸗ land, die denselben Bestimmungen des Wiener Abkommens unter⸗ liegen, zur Richtschnur gemacht, ihmen dieselbe Behandlung zuteil werden zu lassen, der die deutschen Optanten in Polen durch die polnische Regierung ausgesetzt werden. (Sehr richtig!) Es ist dabei selbstverständlich, daß die Reichsregierung, um das Los der deutschen Optanten nicht unnötig zu erschweren, ihre Maßnahmen gegen die polnischen Optanten in Deutschland dann vornehmen wird, wenn Polen hiermit vorgegangen ist. (Zuruf von den Völkischen: It es denn nicht schon vorgegangen?) Wir haben außenpolitisch und immen⸗ politisch das größte Interesse daran, festzustellen, daß wir zu diesen Repressivmaßnahmen erst greifen, nachdem Polen entgegen allen

Grundsätzen der Zivilisation (Abg. von Graefe [Mecklenburgl: Ja, ist denn Polen noch nicht vorgegangen?) Ach, Herr von Graefe, warten Sie bei einer Erklärung doch das Ende ab: et respice finem. (Erneuter Zuruf des Abg. von Greefe [Mecklenburg.) Ich habe nicht geschlafon, aber Sie scheinen der Meinung zu sein, daß Sie mich in dieser Weise unterbrechen können. (Sehr gutl wechts. Erneute Zurufe von den Völkischen) Es wäre gut, Sie gingen auf Ihre

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Plätze.