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richten
unrd Gemeindesteuern würden wir grundsätzli
Abg. Wiemer (D. Pp.) berichtet über die Verhandlungen des Hauptausschusses und hob u. a. hervor, daß eine Reform der Hauszinssteuer allgemein für erforderlich erachtet würde. In der allgemeinen Aussprache erhielt als erster das Wort der 8 Abg. Waenti (8999. um zunächst den Unterschied in der Verteilung der stenerl in Lasten beim Obrigkeitsstaat und beim wahren Volksstaat hervorzuheben. Die letzte Steuerreform nprsc. keineswegs dem Grundsatz, daß die Steuerlast sich zu abe nach der Leistungsfähigkeit. Freilich leide die Wirt⸗ chaft Not. Jeder wirtschaftliche Aufstieg sei undenkbar auf Grund der Auspowerung der ese. die die Kaufkraft bis auf ein Minimum schwäche. Dank gebühre dem Finanzminister Dr. Höpker⸗ Aschoff, daß er beim Finanzausgleich dem Reich gegenüber die Interessen der Länder so ausgezeichnet vertreten habe. Auch seine Ausführungen über die Entwicklung zum Einheitsstaat seien zu be⸗ grüßen. Eine kleinstaatliche Politik könne man heute nicht ver⸗ treten. Das System der Steuerüberweisungen müsse schleunigst abgebaut werden, um die steuerliche Verantwortung wieder zur Auswirkung kommen zu lassen. Bei der Beteiligung des Staates an den Siemenswerken habe der Finanzminister keine glückliche Faeg eingenommen. Dasselbe gelte für die Behandlung der Angelegenheit der Giesche⸗Gesellschaft. Der Redner wünscht zum 188 an Stelle einer Demokratie eine wirtschaftliche Demokratie, die sich bei der Steuerverteilung nach der wirklichen Leistungsfähigkeit der Steuerträger richtet.
Abg. Hecken (D. Nat.): Auch der Abgeordnete Waentig ist dabei verblieben, daß die Steuern in der Hauptsache von der arbeitenden hee getragen würden, daß der Beitrag der Wirtschaft und der Besitzenden unverhältnismäßig gering sei. Diese Auffassung verträgt sich nicht mit den Tatsachen; die irtschaft trägt ganz erheblich an den Lasten mit, die die Verbraucherschaft übernehmen
muß, und die Wirtschaft ist außerdem bedeutend vorbelastet, so mit Gemeindesteuern. Auf die Frage, ob denn heute die Wirtschaft be⸗ onders leistunesfähig ist, dürfte Herr Dr. Waentig die Antwort chuldig bleiben. Die Stillegungen, die Arbeiterentlassungen im
uhrgebiet, der Rückgang des Kohlenverbauchs, das Anwachsen der 8 1 alle diese Erscheinungen sprechen eine beredte Sprache. Das Bild, das der Weltmarkt darbietet, weist mit diesen trüben Zuständen im Ruhrrevier weitgehende Aehnlichkeit auf. Selbst die Kartellierung der Industrie, selbst das echshußzolsve wird den Aufstieg des Exports nicht in erwartetem Maße zur Folge haben. Das Heil ist überhaupt nicht zu suchen und zu finden in der ein⸗
eitigen Becünstigung des Exports; die Industrie wird nur dann wieder hochkommen, wenn es gelingt, den Inlandsmarkt kaufkräftig zu
machen und zu erhalten. Die von dem Abeeordneten Waentig zwischen
den Interessen der Landwirtschaft und denen von Barmat und Kutisker gezogenen Parallele muß aufs schärfste zurückgewiesen werden. (Zu⸗ stimmung rechts.) Die Notlage der Landwirtschaft hat sich in den letzten Wochen ganz bedenklich verschlechert; sie weiß nicht mehr, wohin mit ihren Vorräten, und die Kreditmöglichkeiten genügen nicht ent⸗ feint. Hier muß Hilfe gebracht werden, baldigste Hilfe. Die Aus⸗ landskredite können natürlich nur auf dem Wege des deutschen Waren⸗ exports abgetraoen werden; aber besteht denn dazu große Aussicht, wenn ausländische Staaten in immer stärkerem Maße dazu über⸗ gehen, die deutschen Fabrikate abzusperren? Die Finanzpolitik der Gemeinden hat Herr Waentig zu verteidigen versucht; aber tatsächlich sind die Gemeinden noch nicht soweit in der Erkenntnis vorgedrungen, a auch für sie Sparsamkeit das erste und Haupterfordernis ist. Uebricens ist ja die Verschwendunespolitik mancher Gemeinden kein Wunder, wenn man die politische Zusammensetzung ihrer Vertretungen unter die Lupe nimmt. (Aha! bei den Kommunisten und Sozial⸗ demokraten.) Wir fordern eine sczarss dhabung des Genehmiagungs⸗ rechts der Aufsichtsbehörde. Eine Reform der Gewerbesteuer ist not⸗ wendig. Eine Vereinfachung in der Erhebung von Reichs⸗, Staats⸗ r begrüßen. Die Ver⸗ längerung des Gesetzes wecen Erhebung einer Grundvermögenssteuer wird uns jetzt vorgeschlagen; in den Einzelheiten der Begründung ühlen wir eine Spitze gegen den Mittel⸗ und Großbesitz heraus, deren Berechtigung uns durchaus zweifelhaft erscheint. Bei der Pacht⸗ nssteuer ist eine Ausgestaltung notwendig.
Abg. Schmedding (Gentr.) geht zunächst auf die größten
Schwierigkeiten näher ein, unker denen unter den heutigen mißlichen
Finanz⸗ und Kreditverhältnissen auch die Kreis⸗ und Provinzial⸗ verwaltungen bei der Erfüllung der ihnen obliegenden wichtigen Auf⸗ gaben zu leiden haben, und knüvpft dabei im einzelnen insbesondere an die Provinz Westfalen an. Zumal der Anleiheweg sei so gut wie gänzlich versperrt. Der Durchführung einer tunlichst einheitlichen Steuerverwaltung im Reich, Staat und Gemeinden, wie sie der Finanzminister vor kurzem befürwortet habe, stimme auch das Zentrum n Grundsatz bei; im einzelnen beständen natürlich Differenzen, deren Klärung von der weiteren Durcharbeitung der Idee zu erwarken sei. Aba. Dr. von Richter (D. Vp.): Das Verhältnis der Länder zum Reich hinsichtlich der Finanzgebarung hat, das ist die feste Ueberzeugung meiner Partei, durch die Weimarer Verfassung nicht eine Erleichterung, sondern eine Erschwerung erfahren. Die Aus⸗ führungen, die der Finanzminister unlängst mit Bezug hierauf gegen⸗ über dem Abgeordneten Dr. Rose gegeben hat, haben uns nicht be⸗ friediat; durch das Vorgeben des Finanzministers ist die Stellung Preußenz gegenüber dem Reich entsch’eden geschwächt worden. Die Richtlinien der Politik hat der Ministerpräsident, nicht der Finanz⸗ minister, zu bestimmen; aber auch die Mehrheit des Landtaags hat der Minister nicht hinter sich. Für die Beseitigung der Selbständigkeit der Länder werden z. B. Zentrum und Bayerische Volkspartei nie zu haben sein. Jeder andere Finanzminister eines deutschen Einzelstaats hätte diesen Gedanken lancieren können: der preußische Finanzminister durfte es nicht. Der Redner erläutert hierauf an der Hand ver⸗ gleichenden Materials über den Stand des Volksvermögens den großen Ernst der wirtschaftlichen Lage. Die Durchschnittssteuerbelastung des Einkommens belaufe sich gegen 1913 auf nicht weniger als das Vierfache: auf die Dauer sei es aber doch unmöglich Steuern aus dem Kapital anstatt aus dem Einkommen zu bezahlen. Als es sich um die Erhaltung der Währung gehandelt habe, hätte er als Finanzminister hohe Steuern nehmen müssen, aber er sei sich klar gewesen, daß sie aus dem Kapital hätten genommen werden müssen; was damals für eine Uebergangszeit eine sehr unerwünschte Notwendigkeit gewesen wäre, führe auf die Dauer zu unbaltbaren, zu ruinösen Zustenden. Im Ausschuß habe sich der Finanzminister beschwert über das Zuviel der von den Ressort⸗ ministern zum nächsten Staatshaushalt angemeldeten Forde⸗ rungen: es sei bedauerlich, daß hier der Ressortminister über den Staatsminister gesiegt habe. Den Mut. unpopulär zu sein, den Herr Waentig von jedem Finanzminister verlangte, habe er (Redner) stets bewiesen; aber diesen Mut müßten alle Verantwort⸗ lichen haben und nicht zuletzt der preußische Landtag. (Zu⸗ 1“ Im Landtagshaushalt sei Sparsamkeit auch ganz be onders angezeigt; sie könne herbeigeführt werden durch kürzere Sessionen und durch Verringerung der Abaeordnetenzahl. Es be⸗ stehe doch der Ständige Ausschuß: das Mißtrauen, aus welchem man die Novvendigkeit des permanenten Tagens des Landtags herleite, sei also unberechtigt. Fedenfalls sei es unabweislich, das politische und das finanzielle Interesse auf diesem Gebiete in ein vernünftiges Verhältnis zu bringen. — Auslandsanleihen be⸗ deuteten unter allen Umständen eine Verschuldung an das Aus⸗ land: darum sei hier äußerste Zurückhaltung geboten. Die Ver⸗ antwortung für die preußischen Finanzen könne kein Staats⸗ ministexialbeschluß dem Finanzminister abnehmen; darum müsse seine Stellung gestärkt werden. Die Gesundung der preußischen Finanzen sei nicht bloß Aufgabe des Finanzministers, sondern vor allem auch der Regierungsparteien! (Hört, hört! und lebhafter Beifall.)
Finanzminister Dr. RKöpker⸗Aschoff: Meine Damen und Herren! Der Herr Abg. Dr von Richter ist soeben noch einmal auf Aeußerungen zurückgekommen, die ich anläßlich eines Vortrags in der Handelsbochschule gemacht habe. Ich möͤchte hier mit
allem Nachdruck hervorheben, daß ich diese Aeußerungen durchaus
als Privatmaun, nicht etwa im Auftrage der Staatsregierung!
getan habe. — Herr Kollege von Richler, Sie schütteln dabel den Kopt, aber ich glaube, der Unterschied sollte doch klar sein Es ist ganz selbstverständlich, daß ich, wenn ich von der Industrie⸗ und Handelskammer gebeten werde, einen theoretiscken Vortrag über Steuerfragen zu halten, dann unmöglich als Minister und im Auf⸗ trage der Staatsregierung sprechen kann. Infolgedessen sind, glaube ich, die Bemerkungen darüber, daß diese Ausführungen hochvolitisch gewesen seien, und daß doch der Herr Ministerpräsident die Richt⸗ linien der Politik bestimme, abwegig Was ich dort gesagt habe, habe ich im Verlauf eines theoretischen Vortrags gesagt, als Staats⸗ minister habe ich dort nicht gesprochen und habe auch dort keine Er⸗ klärung der preußischen Staatsregierung abgegeben. (Unruhe und Zurufe rechts.) Ich will nicht boshast sein, aber ich könnte sonst daran erinnern, daß es Minister gibt, beispielsweise aus den Reihen der Deutschen Volkspartei, die sich auf Parteitagen oder bei andeiten Gelegenheiten zur monarchischen Verfassung bekannt haben, entsprechend dem Parteiprogramm der Deutschen Volkepartei. Unmöglich hätte doch ein solcher Minister in einem solchen Fall im Namen der Reichsregierung sprechen können; denn die Reichsregierung ist die Regierung der Deutschen Republik. (Zurufe und Unruhe rechts.) Richter. Herr Dr Stresemann hat als Minister des Reichs von diesen Dingen nicht nur auf Parteitagen, sondern auch in Versamm⸗ lungen gesprochen. Und Sie wären niemals auf den Geranken ge⸗ kommen, zu sagen: Du bist der Minister der Republik, Du darfst Dich infolgedessen nicht zur monarchischen Verfassung bekennen⸗ Ebensewenig dürfen Sie mir sagen: ich sei preußischer Finanzminister und dürfe mich daher nicht zu einer Auffassung bekennen, die ein anderes staatsrechtliches Verhältnis zwischen Reich und Preußen voraussetze. Also ich bin, glaube ich, durchans berechtigt, meine Anschauung zur Verfassung und zu einer künftigen Ausgestaltung oder Abänderung der Verfassung darzulegen. (Sehr richtig! links) Wenn man sich auf den Standpunkt stellen wollte, daß ein preußischer Minister über diese Dinge gar nicht reden dürfte, ja, wenn man die Dinge auf die Spitze treiben will, dann hätte Bismarck nie darangehen dürfen, das Reich zu gründen. Denn indem er das Reich gründete, baute er in Preußen eine Instanz auf, welche einen großen Teil der Machtvollkommenheiten und der Souveränitätsrechte nunmehr dem preußischen Staat abnahm und auf das Reich übertrug. (Sehr richtig! links — Zurufe und Unruhe rechts) Was ich ausgeführt habe, liegt durchaus im Zuge dieser Entwicklung. Wie man damals die Staaten zu einem Bundes⸗ staat zusammengefaßt und dadurch die Machtvollkommen⸗ heiten der Staaten zugunsten des Reichs entscheidend be⸗ schränkt hat, so wollen die Anhänger des unitarischen Gedankens heute die Machtvollkommenheiten der Länder noch weiter beschränken und die Machtvollkommenheiten des Reiches noch weiter ausdehnen. Und ich glaube, das kann niemand einem preußischen Minister verwehren. (Sehr richtig! links. Unruhe und Zurufe rechts.) — Ja, Herr Abg. Dr. von Nichter, es hat doch auch schon früher preußische Minister gegeben, die über eine andere Ge⸗ staltung der Verfassung nachgedacht haben und nachdenken mußten und eine andere Ausgestaltung des Verhältnisses der Länder zum Reich mit allen Kräften gefordert haben.
Nun hat Herr Abg. Dr. von Richter noch gemeint, ich käme durch solche Ausführungen in eine schwierige Lage, wenn ich wieder einmal mit dem Reich zu verhandeln hätte. Er hat die Frage aufgeworfen: ja, was will der preußische Finanzminister seinem Kollegen im Reiche sagen, wenn dieser ihm sagt: nun, im Grunde genommen müssen Sie mit mir einer Meinung sein, denn wir schwächen gemeinsam Preußen, und das entspricht Ibrer politischen Einstellung. Ich glaube, die Antwort, die ich diesem Kollegen im Reich zu geben hätte, wäre nicht schwer. Ich würde ihm sagen: sehr verehrter Herr Kollege, ich verhandle mit Ihnen auf der Grundlage der gegenwärtigen Verfassung; nach der gegenwärtigen Verfassung sind die Länder noch da und haben große und wichtige Aufgaben zu erfüllen; Sie dürsen sich dem nicht entziehen, daß Sie, solange die Länder diese großen und wichtigen Aufgaben haben, den Ländern auch die Mittel zur Verfügung stellen, um diese Aufgaben zu erfüllen. Von diesem Gesichtspunkt aus habe ich auch den ganzen Finanzausgleich im Reichstag verteidigt. (Sehr richtig!) Ich habe mit keinem Wort davon gesprochen, daß es mir darauf ankommt, die Selbständigkeit und Souveränität der Länder zu stärken. Ich habe
dort ausdrücklich betont, daß ich ein Anhänger des Einbeitestaates sei,
daß ich den Föderalismus verwerfe, daß die Fragen des Finanz⸗ ausgleichs aber mit dieser Frage nichts zu tun haben, daß man viel⸗ mehr, solange die Länder und Gemeinden da seien und wichtige Auf⸗ gaben haben, ihnen auch die erforderlichen Mittel zur Ver⸗ fügung stellen müsse. (Sehr richtig!t) Also ich glaube⸗ es lassen sich diese beiden Dinge wohl vereinen. Man kann dem Preußischen Staat dienen; — letzten Endes dient man dem Reich —, und kann gleichwohl die Auffassung vertreten, daß das verfassungsrechtliche Verhältnis des Reiches zu den Ländern, G 89 es heute haben, nicht das glücklichste ist und einer Aenderung edarf.
Nun zum Etat selber. Der preußische Finanzminister ist in keiner angenehmen Lage, wenn er die Finanzen des Preußischen Staates verwalten soll, da er bis heute ohne Etat ist. Es ist bieher noch nicht gelungen, obwohl wir bereits im neunten Monat des Jahres sind, den Etat zum Abschluß zu bringen. Wir arbeiten also eigentlich ohne die verfassungsrechtliche Grundlage. Auch die gesetzlichen Fundamente, auf denen die Einnahmen beruhen, waren bisher umstritten. Es ist bekannt, daß die Ein⸗ nahmen des Preußischen Staates sich im wesentlichen auf Not⸗ verordnungen gründen. Wir haben im Frühjahr dieses Jahres auf dem Gebiete der Grundvermögenssteuer, der Gewerbe⸗ steuer, der Haueszinssteuer Notverordnungen erlassen müssen, Diese Notverordnungen waren bisher bestritten. Eine Partei diefes Hauses, die Deutschnationale Volkspartei, hatte sogar eine Klage gegen den Preußischen Staat eingereicht. Diese Klage der Deutschnationalen Volkspartei ist durch Beschluß des Staatsgerichtshofs vom 21. November d. J abgewiesen worden. (Hört, hört!) Es sind inzwischen auch die meisten dieser Notverordnungen, aus⸗ genommen die Notverordnung über die Novelle zur Gewerbesteuer und die Novelle zur Hauszinssteuer, von dem Landtag genehmigt worden, und da auch bei diesen beiden Notverordnungen der sachliche Inhalt von teiner Seite bestritten wurde, sondern nur die Form der Not⸗ verordnung selbst und das Vorgehen des Staatsministeriums beim Erlaß dieser Nowverordnungen. kann wohl damit gerechnet werden,
daß auch diese Notverordnungen noch die Genehmigung dieses Hohen
Ja, solche Dinge sind vorgekommen, Herr Abg. Dr. von
Hauses finden werden. Also insofern kommen wir hier allmählich wieder in die Reihe. Aber der mißliche Zustand, daß wir im neunten Monat des Jahres noch ohne Etat sind. bleibt bestehen.
Ich habe heute nicht die Aufgabe, eine Etaterede zu halten. Diese Aufgabe wud der preußische Finanzminister Anfang Januar haben, denn die Arbeiten des Etats für das Jahr 1926 kommen in dieser Woche zum Abschluß. Ich hoffe, daß der Staatserat noch vor Weihnachten den Etat verabschieden und daß die Finanz⸗ verwaltung in der Lage sein wird, dem Landtag bei seinem Zusammen⸗ tritt am 12 Januar den Etat für 1926 vorzulegen (Bravo!) Meine Aufgabe kann also heute im wesentlichen nur die sein, zu dem Haus⸗ haltsplan insosern Stellung zu nehmen, als ich hier die Frage unter⸗ suche, wie die Entwicklung in den hinter uns liegenden Monaten dieses Jahres gewesen ist Der Herr Abgeordnete Dr. Waentig hat vorhin gemeint: ich habe im Hauptausschuß eine ewas pessimistische Auffassung geäußert. Ich will den Versuch machen, hier nachzuweisen, daß meine Auffassung durchaus nicht pessimistisch ist, sondern daß die bisherigen Steuereingänge im großen und ganzen dem Voranschlage entiprechen, und daß durchaus kein Anlaß dazu vorliegt, die Dinge günstiger zu betrachten, als sie in Wahrheit sind.
Ich beginne mit den Reichssteuerüberweisungen. Meine Damen und Herren, wir haben das Gesamtaufkommen der Einkommen⸗ und Körperschaftssteuer bei der Beiechnung des be⸗ richtigten Haushaltsanschlages auf 2250 Millionen geschätzt, im ersten Halbjahr 1200 Millionen, im zweiten Halbjahr 1050 Millionen⸗ Das Ist im Reiche hat im ersten halben Jahre 1279 Millionen be⸗ tragen, also 79 Millionen mehr, als wir bei unserer Rechnung an⸗ genommen hatten. Von diesen 79 Millionen entfallen auf das preußische Staatsgebiet 42 66 und auf den Staat allein 22 Mil⸗ lionen, bei dieser Position also im ersten Halbjahr eine Verbesserung
von 22 Millionen. . v b Wenn man weiter die Frage aufwirft: wie wird die Entwicklung
der Einkommen⸗ und Körperschaftssteuer im zweiten Halbjahr des laufenden Rechnungsjahres sein?, so wird man mit einiger Zu⸗ verlässigkeit etwa folgende Rechnung aufmachen können. Wir können rechnen, daß die Lohnsteuer, die Oktober 121 Millionen gebracht hat, in den Monaten Oktober, November, Dezember se 120 Millionen bringen wird, macht 360 Mrillionen. Wir müssen dann aber vom Januar ab mit einer Senkung der Lohnsteuer rechnen, weil eine Vor⸗ lage der Reichsregierung, die den steuerfreien Abzug beraufsetzt, bereits den Reicherat passiert hat und dem Reichstag vorliegt. Dadurch soll die Lohnsteuer auf 100 Millionen im Monat gesenkt werden. Wir können also für Januar, Februar, März rechnen mit einem Auf⸗ kommen an Lohnsteuer von 300 Milionen.
Die veranlagte Einkommensteuer hat im Oktober 138,9 Mil⸗ lionen gebracht. Ich rechne damit, daß im Januar dasselbe eingehen wird. 2 139 Millionen macht 278 Millionen. Für November, Dezember, Februar, März lege ich bei der veranlagten Einkommen⸗ steuer das Aufkommen des Monats September zugrunde mit 21 Mil⸗ lionen, 4 %✕ 21 sind = 84 Millionen.
Bei dem Steuerabzug vom Kavpitalertrag gehe ich aus von dem Aufkommen in den Monaten August, September, Oktober — daruner ist ein Quartalsmonat — und lege das Doppelte dieses Aufkommens zugrunde, das sind 24 Millionen. Ebenso versahre ich bei der Körper⸗ schaftssteuer. Ich nehme das doppelte Ergebnis der Monate August, September, Oktober und hekomme 2 %✕ 47 = 94. Rechne ich die Beträge zusammen — die Rechnung ist nicht zu vor⸗ sichtig, sondern geht von den Tatsachen, wie sie heute beurteilt werden müssen, aus, ist also. wenn die Entwicklung bleibt, annähernd richtig —, so würde das Gesamtergebnis 1140 Millionen be⸗ tragen. Da wir bei der Berechnung des zweiten Halbjahres von einem Gesamtaufkommen von 1050 Millionen ausgegangen sind, würde sich hier eine Verbesserung von 90 Millionen ergeben. Für das preußische Staatsgebiet macht das ein Mehr von 40,5 Millionen und für die Staatskasse allein 20 Millionen. Also „as Ergebnis wäre, daß wir bei den Ueberweisungen aus Einkommen⸗ und Körperschaftssteuer im ersten Halbjahr ein Mehr von 22 Millionen, im zweiten, wenn die Entwicklung sich nicht verschlechtert, was aber leider zu befürchten ist⸗ ein Mehr von 20 Millionen haben werden. G
Wie liegt es bei der Umsatzsteuer? Das Aufkommen hat hier im ersten halben Jahr 1925 den Voranschlag etwas überstiegen und wird wegen der Senkung der Sätze der Umsatzsteuer im zweiten Halbjahr hinter dem Aufkommeen zurückbleiben. Für Preußen ist dies mit Rücksicht auf die Garantie, die wir bei der Umsatzstener haben, gleichgültig. Mehrerträge können nicht erwartet werden.
Bei der Rennwettsteuer entspricht das Aufkommen des ersien Halbjahrs dem Voranschlag. Da wir bei der Rennwettsteuer im zweiten Halbjahr mit einem geringeren Aufkommen zu rechnen haben, wird hier ein mäßiger Ausfall eintreten, der für die Staatsfinanzen nicht von allzu hoher Bedeutung sein wird.
Bei der Kraftfahrzeugsteuer sind wir ausgegangen von einem Aufkommen von 50 Millionen, das Reich geht aus von 60 Millionen, das wirtliche Aufkommen im ersten halben Jahr ist 37 Millionen gewesen. Es werden also die Provinzen nicht nur mit dem Betrag von 28,8 Millionen, der dem Gesamtaufkommen von 50 Millionen entspricht, rechnen können, sondern mit einem Aufkommen von wahr⸗ scheinlich über 40 Millionen. Auch dieser Mehrertrag ist für die Staatskasse bedeutungslos, da die Erträgnisse der Kraftfahrzeugsteuer restlos den Provinzialverbänden überwiesen werden.
Ich komme dann zur Grundvermögenssteuer. Das Soll an Grund⸗ vermögenssteuer beträgt nach dem Etatsvoranschlag 200 Millionen Das erste halbe Jahr hat 99,87 — Millionen gebracht, also eine Fehlbetrag von 130 000 ℳ. Der Monat Oktober hat 17,7 Millionen gebracht, d. i. ein Mehr von 1,03 Millionen. Die Berechnungen entsprechen also ziemlich genau dem Voranschlag. Mehrerträgnisse sind auch hier nicht zu erwarten. G 8
Verantwortlicher Schriftleiter: Direktor Dr. Tyrol,. Charlottenburg. Verantwortlich für den Anzeigenteil: Rechnungsdirektor Mengering
in Berlin. 1
Verlag der Geschäftsstelle (Mengering) in Berlin. Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagsanstalt, Berlin. Wilhelmstr. 32. Vier Beilagen (einschließlich Börsenbeilage.) und Erste bis Dritte Zentrat⸗Handelsregister
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zum Deutschen Reichs
auzeiger und Preutzischen Staatsanzeiger
Werlin, Mittwoch, den 2. Dezember
Nr. 282.
(Fortsetzung aus dem Hauptblatt.)
Das Soll an Hauszinssteuer, soweit es für die Finanz⸗ bedürnisse des Staagtes in Anspruch genommen werden kann, beträgt 261 Millionen. Das Ist beträgt für die erste Hälfte des Jahres 1925: 133 34 Millionen, also ein Mehr von 2,84 Millioen. Das Oktoberergebnis beträgt 24,9 Millionen, also mehr gegenüber dem Voranschlag 3,2 Millionen. Meine Damen und Herren, wenn Sie davon ausgehen, daß der Mehrertrag in einem halben Jahre 2,84 Millionen bei einem Jahressoll von 261 Millionen gewesen ist, dann entspricht das Aufkommen eben dem Soll und es würde leicht⸗ sinnig sein, etwa einen Mehrertrag des zweiten halben Jahres be⸗ rechnen zu wollen.
Mit anderen Worten: die großen Steuereinnahmen, die dem preußischen Staat zur Verfügung stehen enthalten keine Reserven. abgesehen von der Emnkommen⸗ und Körperschaftssteuer. Bei thr würde nach den heutigen Berechnungen eine gewisse Reserve vor⸗ handen sein Im ersten halben Jahr hat der Mehrertrag 22 Mil⸗ lionen betragen. für das zweite halbe Jahr kann er vielleicht auf 20 Millionen berechnet werden. Im übrigen haben wir nach der bis⸗ herigen Entwicklung unter keinen Umständen mit Mehrerträgen zu rechnen. 1
Nun kann man die Rechnung auch noch von einer anderen Seite aufmachen, nämlich von der kassenmäßigen Seite, und kann fragen: was hat der preußische Staat bisher eingenommen und aus⸗ gegeben, mit welchem Fehlbetrage hat er gewirtschaftet? Wir gaben darüber ja auch monatliche Nachrichten heraus. Aus diesen werden Sie ersehen haben, daß wir im ersten Halbjahr des Rechnungsjahrs 1925 mit einem Fehlbetrag von 40 Millionen ge⸗
bestochene Betrüger können in das Lob von Locarno einstimmen. Immer geringer wird der Steuerbeitrag der Besitzenden; fast die anze Steuerlast ist den Besitzlojen aufgebürdet; ja, man holt aus 25 auch no underte von Millionen heraus, um sie den Be⸗ sitzenden in den Rachen zu wersen. Bei den Besitzlosen wird die Lohnsteuer von zehn Prozent durchgehalten; bei einem Vermögen von 500 000 ℳ beträgt der Steuersatz nur noch 0,5 Prozent! Und angesichts dieser himmelschreienden Ungerechtigkeit wagt man dem Volke noch das Opfer der Abfindung der „notleidenden“ Hohen⸗ zollern zuzumuten.
Die Beratung wird abgebrochen. 1
Morgen, Mittwoch, 12 Uhr: Weiterberatung und Ab⸗
stimmungen. Schluß 5 Uhr.
Parlamentarische Nachrichten.
Der Rechtsausschuß des Reichstags behandelte gestern den Gesetzentwurf zur Entlastung des Reichsgerichts. Der Vorsitzende Abg. Dr. Kahl (2. Bp.) erstattete eingehend Bericht über den Inhalt der Vorlage und die dazu ergangenen Wünsche und Abänderungsanträge der Anwaltskammern beim Reichsgericht, des Deutschen Anwaltsvereins und der Juristischen Arbeitsgemeinschaft für Gesetzgebungsfragen. Von seiten der Reichsregierung wurde dem des Vereins deutscher Zeitungsverleger zufolge die Notwendi teit einer Ent⸗ lastung des eich ger ts damit begründet, daß de Zahl der in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten eingelegten Revisionen in der Nachkriegszeit gegenüber den früheren Jahren eine außerordentlich tarke Vermehrung erfahren habe. Von dem Zuwachs entfalle ein esonders großer Teil auf die Revisionen in Ehesachen, die im Jahre 1923 E“ fast ein Viertel der Gesamtbelastung des Reichsgerichts in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten ausmachten und
arbeitet haben und daß der Monat Oktober mit einem Fehlbetrag von 27,2 Millionen abschließt. Man sieht sofort, daß vom Oktober ab der Fehlbetrag stark wächst, weil ja die Ueberweisungen aus der Einkommen⸗ und Körperschaftssteuer zurückgehen müssen. Während das ganze erste Halbjahr nur einen Fehlbetrag von 40 Millionen aufweist, hat der Monat Oktober allein einen solchen von 27,2 Mil⸗ lionen. Wenn ich nun den Fehlbetrag des Monats Oktober für die noch ausstehenden fünf Monate des Rechnungsjahrs zugrunde lege, so käme ich für diese fünf Monate auf einen Fehlbetrag von 136 Mil⸗ lionen. Rechnen wir das zusammen: 40,2 Millionen, 27,2 und 136, so kommen wir auf einen Gesamtfehlbetrag von 203,4 Millionen. Dieser Fehlbetrag bleibt zwar hinter dem rechnungsmäßigen zurück, ist aber immer noch erschreckend hoch. Wenn die bisherige Entwicklung anhält, wird der Fehlbetrag vielleicht noch etwas herabgehen, weil die Ausgaben des zweiten Halbjahrs im allgemeinen nicht so hoch sind wie die des ersten. Wenn sich aber die wirtschaftliche Entwicklung weiter so verschärft, wie wir es heute beinahe befürchten müssen, dann müssen wir im zweiten Halbjahr wahrscheinlich mit größeren Ausgaben und mit geringeren Einnahmen als im ersten Halbjahr technen — und durch diese Erwartung gestaltet sich das Bild so aüßerordentlich ernst. 1 Ich bin daher sehr dankbar dafür, daß hier verschiedene Redner darauf hingewiesen haben, daß die äußerste Sparsamkeit geübt werden muß. Von verschiedenen Rednern ist auch gesagt worden, das könne nicht die Aufgabe des preußischen Finanzministers allein sein, er müsse dazu die Unterstützung der anderen Ressort⸗ minister haben. Das ist ganz richtig. Der Finanzminister bedarf, wenn er sparsam sein will, der Unterstützung der anderen Ressortminister; er bedarf aber auch der Unterstützung des Landtags. Wenn im Landtag immer wieder neue Forde⸗ rungen an die Finanzverwaltung gestellt werden, dann ist es nahezu unmöglich, sparfam zu sein. (Sehr richtig!) Die anderen Ressorts müssen zuerst darauf sehen, in ihrem Auf⸗ gabenkreis möglichst viel zu leisten, sie müssen daher an den Finanz⸗ minister mit der, Bitte uUm Geld herantreten. Die Aufgabe, zu sparen, wird daher immer mit vollem Nachdruck auf dem Finanz⸗
minister liegen, wenn er natürlich auch versuchen muß, die anderen
Ressortminister davon zu überzeugen, daß sie den finanziellen Be⸗ dürfnissen des Staates Rechnung tragen müssen. Aber die Stellung wird dem Finanzminister sehr erschwert, wenn die anderen Ressort⸗ minister sich stets darauf berufen können, daß die Forderungen mit denen sie an den Finanzminister herantreten, irgendwelchen Be⸗ schlüssen entsprechen, die der Landtag oder einer seiner Ausschüsse gfaßt hat. So gehen die Dinge regelmäßig: wenn ein anderes Ressort an den Finanzminister herantritt, kann es sich regelmäßig auf einen Beschluß des Landtags oder eines seiner Ausschüsse berufen. Dadurch wird es dem Finanzminister so schwer, Sparfam⸗ keit zu üben. Also wenn ich eine Bitte aussprechen darf, dann ist es die, daß der Landtag und alle seine Parteien sich der Verpflich⸗ tung, die äußerste Sparsamkeit zu üben, mehr als bisher bewußt sein möchten.
Auf eine Reihe von anderen Fragen, die noch an mich gestellt worden sind, will ich in einem anderen Zusammenhange eingehen; nur eine Frage möchte ich hier nur erörtern. Ich bin gefragt worden, wie die preußische Staatsregierung sich zu der Senkung der Lohnsteuer gestellt habe. Die preußische Staatsregierung hat der Vorlage der Reichsregierung zugestimmt. Ich habe in meiner Berechnung schon vorweggenommen, daß die Lohnsteuer in den drei Monaten vom 1. Januar ab nur noch je 100 Millionen bringen wird. Diese Rechnung entspricht der Vorlage der Reichs⸗ regierung.
Es liegen aber im Reichstag bereits weitergehende Anträge vor, deren Annahme Rückwirkungen auf den preußischen Haushalt haben würde. Ich glaube aber, daß auch der Reichstag sich davon überzeugen muß, daß er den Forderungen der Länder und Ge⸗ meinden Rechnung tragen muß und daß er daher über die Anträge der Reichsregierung und des Reichsrats nicht hinausgehen kann, ohne die Finanzen der Länder und Gemeinden zu gefährden.
Abg. Müller⸗Hessen (Komm.): Die preußische Finanzmisere wird nie heseitigt werden, wenn nicht der Besitz diejenigen Steuern hr die Allgemeinheit leistet, die er zu tragen verpflichtet wäre.
eutschland ist dem, internationalen Finanzkapital ausgeliefert, dafür haben Paves und⸗Loearno gesorgt, und nur Narren oder
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der Arbeitsaufgabe von nahezu ein und einem halben Zivilsenat entsprächen. Der die Leistuagsfähigkeit des Reichsgerichts erheblich übersteigende Zufluß an neuen Sachen wirke sich in einer ständig zunehmenden, für alle Kreise der Rechtsuchenden auf die Dauer unerträglichen Hinauszögerung der Termine aus. Staatssekretär Joel Neichsjustizministerium) ging dann in ausführlichen mate⸗ riellen Darlegungen auf die durch den Vorsitzenden vorgetragenen Einwände und Abänderungsanträge der Anwaltskammer beim Reichsgericht, des Deutschen Anwaltsvereins und der Juristischen Arbeitsgemeinschaft ein. Unter den zahlreichen, zum großen Teil bereits anläßlich der früheren Entlastungsgesetze eingehend er⸗ wogenen Vorschläge dürfte die einzige Erfolg versprechende und ohne eine tiefer greifende Umgestaltung des Rechtsmittels durch⸗ führbare Maßnahme der Verzicht auf die mündliche Verhandlung in denjenigen Sachen sein, in denen die Revision von vornherein offensichtlich unbegründet erscheint. Deshalb sehe nach dem Vor⸗ bilde der im § 349 der Strafprozeßordnung getroffenen Regelung der § 2 des Entwurfs vor, daß in den dort bezeichneten Ehesachen die Revision ohne vorherige mündliche Verhandlung durch Beschluß zurückgewiesen werden kann, wenn der Senat des Reichsgerichts si einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet. Gegen die übrigen Vorschläge beständen teilweise erhebliche Bedenken, die der Staatssekretär eingehend auseinandersetzte. Abg. Dr. Pfleger (Bayr. Vp.) schlug vor, das Reichsgericht dadurch zu entlasten, daß man dem Reichsgericht die Aufgaben des Staatsgerichts zum Schutze der Republik abnehme, indem man den Staatsgerichtshof
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entscheiden müsse, damit nicht planlos vorgegangen werde. Die porno⸗ raphische Literatur sei strafgesetzlich bereits verboten. Sie etwa auf iese Listen zu setzen, würde heeßen, unnütz für sie Propaganda machen;
zwei Listen, eine für die Jugend und eine für die Erwachsenen au zustellen, gehe schwerlich an. Abg. Dr. Lowenstein (Soz.) hält die Abschreckungsmethode für nicht so wirksam, als den Versuch. deer noch immer hochgestimmten Jugend Aufgaben und Vor⸗ bilder zuzuweisen. Er exemplifizierte auf Goethes „Werthers Leiden“, ein Buch, das nach der Begriffsbestimmung von Schund und Schmutz weil es zu Selbstmorden führen könne, jetzt auch auf die Liste gesetzt werden könnte. Nach Meinung seiner Freunde gehe es nur an, eine Reichsliste für Schund⸗ und öF aufzustellen, aber nicht, auf die Liste einzelner Länder auch alle anderen zu verpflichten. Er begreife nicht, weshalb Länderstellen statt einer Reichszentrale zu schaffen seien. Am nötigsten sei eine soziale Besserstellung der Jugend⸗ lichen, die nicht mehr als sechs Stunden zu beschäftigen seien. Abg. Petzold (Wirtschaftl. Vereinig.) führte emen Teil der jetzigen Zu⸗ stände auf das Zurückgehen des religiösen Sinnes zurück. Dee Kinder⸗ stube müsse wieder mehr helfen, die Kinder zu erziehen. 8;. 2 Elsa Matz (D. Vp.), die zur Berichterstatterin des Ausschusses be⸗ stimmt worden ist, betonte, daß neben der hochgestimmten Juͤgend eine große Schicht entarteter Jugend stehe und daß die hochgestimmte Jugend selbst einen solchen Schutz verlange, wie ihn das Gesetz bringen solle. Auch der Ausschuß deutscher Jugendverbände fordere ein solches Gese. In der gegemvärtigen Vorlage befriedige aller⸗ dings die Definition nicht und es sei eine ben⸗ Herausbildung von Grundsätzen fir die Prüfstellen sowie eine Einbeziehung von Bild⸗ werken, Ansichtspostkarten und Prospekten zu wünschen. Was die Frage, ob Landesstelle oder Reichsstelle anbelange, so hätten sich beim Lichtspielaefetz zwei Prüfstellen als durchaus genügend bewährt. Abg. Kube (Völk.) sprach sich für eine Zentralisierung der Zensur beim Reiche aus, da die Verschiedenheit der politischen Einstellung der Länderregierungen eine Ungleichmäßigkeit in der Durchführung be⸗ fürchten lasse. Außerdem müßten Jugendverbände aller Richtungen und auch die Lehrerverbände neben den Verlegern und Künstlern in diesem Reichsausschuß vertreten sein. Abg. Dr. ge u ß wandte sich gegen die Einbeziehung von Postkarten, Prospekten un Bildwerken in die Vorlage. Die darauf zielenden Anträge seien auch nur als Geste aufzusassen, weil Jugendliche für gewöhnlich gar kein Geld dazu hätten, Bildwerke zu kaufen und auch für Prospekte gar nicht in Frage kämen. Gegen die Einrichtung von Lan derprüfstellen sprächen starke sachliche Bedenken. Aus dem Gesetze müsse die Be⸗ stimmung herausgenommen werden, daß auch die unentgeltliche Ab⸗ gabe von Schriften an die Jugend unter Strafe gestellt werde. Diese Bestimmung würde zu einem Schnüffelsystem selbst innerhalb der amilien führen, wo kein Onkel mehr davor sicher wäre, daß er ins Gefängnis komme, weil sein Neffe auf Art eine Schrift aus dem Besitz des Onkels in die Hand bekommen habe Von Regierungsseite wurde darauf hingewiesen, daß mit dem Begriff „unenkgeltliche Abgabe“ in der “ namentlich verhindert werden soll, daß in Form von Zulagen in kleineren Schreibwaren⸗ geschäften Schund⸗ und Schmutzschriften in die Hände der 2 hend⸗ ichen kämen. Die Länder wollten, wie im Reichsrat zum Ausdruck kam, unbedingt bei den kulturellen Aufgaben mitwirken. In der Praxis aber würden doch kaum mehr als drei Landesstellen u errichten sein. Auch der Regierungsvertreter 8 der Auf⸗ fasang. daß Postkarten und Prospekte aus dem Gesetz heraus⸗ elassen werden sollten, weil eine Belastung der Vorlage mit all iesen kleinen Papierstücken das Gesetz undurchführbar machen würde. Abg. Mathilde Wurm (Soz.) lehnte in längeren Ausführungen den Enbwurf in seiner gegenwärtigen Form ab, weil er absolut unüber⸗ ehbar und unklar in, seinen “ und Wirkungen wäre. Ab at
beseitigt. Abg. Dr. Landsberg (Soz.) betonte, baß seine Parteifreunde kein Interesse an dem Forthestehen dieses Stqats⸗ gerichtshofes zum Schutze der Republik hätten. Selbstverständlich müßten aber die materiellen Bestimmungen, die den Schutz der Republik garantierten, erhalten bleiben. Es entstehe die Frage, welcher Stelle diese Aufgaben von neuem übertragen werden sollen. Das sei aber nicht Gegenstand der gegenwärtigen Aussprache. Der Ueberlastung des Reichsgerichts sei nur abzuhelfen durch eine Ver⸗ mehrung der Senate. Er (Redner) stimme den Bedenken durchaus zu, daß eine allzu große Vermehrung der Senate in Revisions⸗ sachen allerdings die Einnheitlichkeit der höchsten Rechtsprechung, die maßgebend für die Rechtsprechung der unteren Instanzen sei, ungünstig beeinflussen könne. Es sei aber offenkundig., daß die Ueberlastung der Reichsgerichte durch die sogenannten Nebenauf⸗
würde der Einheitlichkeit der höchsten Rechtsprechung nicht schaden, wenn für diese erstinstanzlichen Aufgaben neue Senate gebildet würden. Abg. Hampe (Wirtschaftl. Vereinig.) hielt die Ver⸗ mehrung der Zahl der Senate trotz den vom Vorredner angeführten Gründen für die Einheitlichkeit der Rechtsvrechung des Reichs⸗ zerichts gefährdend. Die Vermehrung der Senate lasse sich nicht erart organisieren, daß die neuen Senate sich ausschließlich mit erstinstanzlichen Fragen beschäftigen könnten. Abg. Dr. Heintze (D. Vp.) schloß sich den Ausführungen des Abg. Hampe (Wirtschaftl. Vereinig.) an. Eine Vermehrung der Senate des Reichsgerichts erscheine im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung als sehr bedenklich. Es sei notwendig, daß die Reichsgerichtsräte weiter in der Lage blieben, miteinander zu verkehren, sich gegenseitig auszusprechen, ihre Erfahrungen und Gedanken aus⸗ zutauschen. Je größer die Zahl der Reichsgerichtsräte sei, desto schwieriger werde der notwendige persönliche Konnex sein. desto größer die Gefahr des Auseinanderfallens in der sachlichen Stellungnahme zu den Rechtsproblemen. Abg. Barth (D. Nat.) stimmte dem § 1 der Vorlage zu, wonach auch weiterhin allgemein Revisionen insoweit ausgeschlossen sein sollen, als sie nur auf die Verletzung derjenigen Verfahrensvorschriften gestützt werden, die die Ausübung des richterlichen Fragerechts und die Beweis⸗ würdigung betreffen. Dagegen äußerte Redner Bedenken gegen⸗ über dem § 2 der Vorlage, der vorsieht, daß in den dort bezeichneten Ehesachen die Revision ohne vorherige mündliche Verhandlung zurückgewiesen werden kann, wenn der Senat des Reichsgerichts sie für unbegründet erachtet. Abg. Hannemann (D. Nat.) stand ebenfalls einer Vermehrung der Senate bedenklich geoenüber. — Hierauf vertraate der Ausschuß, ohne Beschlüsse zu fassen, die Weiterberatung auf Donnerstag. — Der Reichstagsausschuß für Bildungswesen sebte gestern die Beratung eines Gesetzentwurfs zur Bewahrung er Jugend vor Schund und Schmutz unter dem Vorsitz des Abheordneten D. Mumm fort. Ueberreicht wurde der „Versuch einer Begriffsbestimmung für Schund⸗ und Schmubschriften“ zum Referententwurf eines Gesetes zum Schutz der Jupend voc schädlichen Schriften. Danach fallen unter das Gesetz: „Für Massenverbreitung bestimmte Schriften ohne künstlerischen oder wissenschaftlichen Wert, die nach Form und Inbalt vecrobend oder entsittlichend wirken oder von denen eine schädliche Eimwirkuna auf die sittliche, ceistige oder cesundbeitliche Entwicklung oder Ueberreiꝛung der, Pbantasie der Jugendlichen zu besorgen ist.“ Aba. Ulrike Scheidel (D. Not.) kündigte laut Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitunasverleger einen Antrag ihrer Fraktzon an, daß weoen eiver politischen Tendenz als solcher nicht eine Schrift auf die Schundliste gesetzt werden dürfe. Die Feaoe sei zu erwäven. ob die Geltung des Gesetzes über Druckschriften binaus auf Postkarfen und Bildwerke sowie auf cewisse Alben usw. aus'undehnen sei Gebeimrat Gürich legte dar, daß für Anrecunden aus dem Publikum zur Frgänzuna der Schmutzliste natürlich eine Stelfe vorhanden sein müsse, die darüber
gaben entstanden sei, die erstinstanzlich zu behandeln seien. Es I
auf dem Gebiete der Auslandsliteratur außerordentlich feis
r. Schreiber (Zentr.) glaubt, 2 man den Ländern einme
sagen müsse, daß sie zwar Kulturtraͤger seien, aber in der letzten Feit 1 ndig hätten. Er weist darauf hin, daß Schmutzschriften namentlich von kleinen Papierhändlern verteilt würden, während die Buchhändler an sich gar nichts damit zu tun hätten. Da wirksam “ und Vorschläge zur Abhilfe zu machen, wäre Aufgabe der Länder. Abg. Dr. Anna Stegmann (Soz.) hebt hervor, daß Kitsch, der do
durch die Vorlage bekämpft werden solle, auch da vorliegen würde, wo man den Geist der Prüderie in das Gesetz hineinbringen wolle. Man fände Kitsch auch noch viel in den Schulbüchern, die daraufhin durch⸗ zusehen wären. Nach weiterer Debatte vertagte sich der Ausschuß ohne Beschlußfossung auf Mittwoch, den 9. Dezember.
— Der Reichstagsausschuß für soziale An⸗ elegenheiten trat gestern in die Beratung über die zug frwerbslosenfürsorge vorliegenden Anträge ein. Nach
einem Bericht der Regierung über die Besprechungen mit den Länder⸗ vertretern wurde beschlossen, die Beratung der folgenden , vorzunehmen: 1. Erhöhung der Unterstützungssätze; 2. Wieder⸗ einführung der Kurzarbeiterunterstützung; 3. Bestimmungen über die Dauer der Unterstützung; 4. Einbeziehung der Angestellten in die Fürsorge. Im Laufe der dann folgenden Debatte über die Erhöhung der Sätze beantragten die Kommunisten eine Erhöhung um 100 %,
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die Sozialdemokraten eine solche um 50 % der jetzigen Sätze. Ein demokratischer Antrag verlangt 33 ¼½ %, während in dem Antrage des Zentrums und der Bavyerischen Volkspartei 30 % Erhöhung für die Haupfunterstützungsempfänger verlangt wurde. Mit Rücksicht darauf, daß einige Fraktionen über das Ausmaß der Erhöhungen noch keinen Beschluß gefaßt hatten, wurde die Abstimmung auf heute vertagt.
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Der Aeltestenrat des Preußischen Landtags segie gestern vor der Vollsitzung den Geschäftsplan für Dozember fest. Heute nachmittag will man die rückständigen Abstimmungen zu den Etats, u. a. auch die Abstimmung zu der Barmat⸗Angelegenheit, vornehmen. Zu erledigen ist noch der Rest des Haushalts der Allgemeinen Finanzverwaltung, außerdem eine Reihe von kleinen Vorlagen, so die Novelle zum Feld⸗ und Forstpolizeigeset und die Verwaltungs⸗ rechtsanwaltsordnung. Außerdem werden eine Reihe von Anträgen über Erwerbslosigkeit usw, vom Plenum noch einmal dem Haupt⸗ ausschuß überwiesen werden. Die dritte Beratung des Haushalts beginnt, wie bereits beschlossen war, am 9. Dezember und wird sich auf drei Tage erstrecken. 2
Der Unterrichtsausschuß des Preußischen Land⸗ tags beschäftigte sich in seiner letzten Sitzung mit der Vorlage dec Unterbrinaung der Seminarlehrer, die durch Um⸗
staltung des Lehrerbildungswesens frei geworden sind. Unter Ab⸗ ehnung der vom Staatsrat vorgeschlagenen Aenderungen wurde die Vorlage, laut Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins Deutschoc Zeitungsverleger, im wesentlichen in der don der Regierung vor⸗ eschlagenen Fassung angenommen. Zugumsten der Städte wurde eine Bestimmung eingefügt, nach der den Städten solche Stellen vor⸗ behalten bleiben, die sie mit Lehrkräften besetzen wollen, die bereits in einem Anstellungsverböstnis zu der Stadt stehen, ader in ihrer bisbericen Stellung cntdedrlich gcworden sind. Ferner wurde auf Anrenung der Rechesvarteirn eine Bestimmung aufgenommen, die das Gesetz auch auf der in den Kirchendienst übertretenden Lebrer⸗ bildner ausdehnt Des vweitzes wurden Eneschlicßungsanträge an⸗ genommen, wonech füs dime die Hwöhioe Heranziehung aller staat⸗ lichen und nichtaatbe Umterbeststräger zu sorgen ist umnd wo⸗ nach be’ Unkerbrigenne Ledrerdildner guch die Aufbamschulen in beschrinRem Woße dewanzmiehen sind. Von den 422 Akgdemikern sind bisher 188 und den den 748 weiteren Lehrkräften 230 unter⸗