1925 / 283 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 03 Dec 1925 18:00:01 GMT) scan diff

Banderhülse ist mit dünnem Schellack überzogen; die Glüh⸗ brücke ift durch einen Pyropapterstreifen isoliert.

B. Verwend ungebereich:

Gesamter Bergbau des Oberbergamtsbezirks Dortmund; das Zündmittel darf auch für schwach geladene und besetzte Spiengschüsse mit geringer Vongabe verwendet werden. denen durch Anwendung gewöhylicher Zünder eine Entzündung vorhandener Schlagwetter möglich sein würde.

Dortmund, den 27. November 1925. Preußisches Oberbergamt.

J. B.: Weise. = = ͤe7----——

Nichtamtliches.

Dentsches Reich. ͤ“ Zusatzvertrag zum deutsch⸗niederländischen Handels⸗ und Schiffahrtsvertrag vom 31. Dezember 1851. „Der Deutsche Reichspräsident und Ihre Majestät die Königin der Niederlande haben in der Erwägung, daß es an⸗ gemessen ist, im Hinblick auf die meistbegünstigte Behandlung. welche der deutichen Wareneinfuhr in den Niederlanden kraft des Handels⸗ und Schiffahrtsvertrags vom 31. Dezember 1851 gewährt wird, für die Erzeugnisse jeder Art des Bodens und des Gewerbefleißes der Niederlande, welche in Deutschland ein⸗ geführt werden, gleichfalls meistbegünstigte Behandlung zu ge⸗ währen, zu ihren Bevollmächtigten ernannt:

Der Deutsche Reichspräsident: den Wirklichen Legationsrat und Vortragenden Rat im Aus⸗ wärtigen Amt Dr. Hans Gerald Marckwald und Ihre Majestät die Königin der Niederlande:

en Ministerialdirektor, Leiter der Direktion für wirtschaftliche Angelegenheiten des Auswärtigen Amts

Dr. Johan Alexander Nederbragt,

die nach Prüfung ihrer in guter und gehöriger Form befundenen Vollmachten folgendes vereinbart habe: 8 8 Artikel I.

Artikel 28 des deutsch⸗niederländischen Handels⸗ und Schiffahrts⸗ vertrags vom 31. Dezember 1851 wird dahin abgeändert, daß die für die Produkte des niederländischen Fischfangs und die Erzeugnisse jeder Art der niederländischen Kolonien vorgesehene meistbegünstigte Be⸗ handlung unter den nämlichen Voraustetzungen und in dem gleichen Umfange zur Anwendung gelangen soll auf die Erzeugnisse jeder Art des Bodens und des Gewerbefleißes der Niederlande, welche in Deutschland eingeführt werden.

Artikel 2.

Soweit in dem deutsch⸗niederländischen Handels⸗ und Schiffahrts⸗ vertiag und in dem vorliegenden Vertrag die Regelung der beider⸗ seitigen wirtschaftlichen Beziehungen auf der Grundlage der Meist⸗ begünstigung vorgesehen ist, findet dieser Grundsatz keine Anwendung:

1. aurf die Begünstigungen, welche angrenzenden Staaten zur Er⸗

leichterung des örtlichen Verkehrs innerhalb der beiderseitigen Grenzbezirke, bis zur Ausdehnung von höchstens 15 km nach beiden Seiten, von der Grenze ab gerechnet, gewährt werden; auf die Begünstigungen, welche von einem der beiden vertrag⸗ schließenden Teile einem dritten Staate auf Grund einer be⸗ stehenden oder künftig vereinvarten Zollvereimigung zugestanden werden; 1 .auf diejenigen Begünstigungen, die einer der beiden vertrag⸗ schließenden Teile in Verträagen über den Ausschluß der Doppel⸗ besteuerung und die Gewährung von Rechtsschutz und Rechts⸗ hilfe in Steuersachen oder Steuerstrafsachen einem anderen Staate zugesteht; auf die Begünstigungen, die von Deutschland mittelbar oder unmittelbar auf Grund der den Weltkrieg beendigenden Friedensverträge zugestanden worden sind, es sei denn, daß die Begünstigungen auch einem Staate eingeräumt werden, der sie weder mittelbar noch unmittelbar auf Grund dieser Friedens⸗ verträge in Anspruch nimmt. Artikel 3. Dieser Vertrag soll ratifiziert werden und die Ratifikations⸗ urkunden sollen sobald wie möglich in Berlin ausgetauscht werden. Er tritt mit dem Austausch der Ratifikationsurkunden in Kraft. Er kann nur gleichzeitig mit dem deutsch⸗niederländischen Handels⸗ und Schiffahrtsvertrag vom 31. Dezember 1851., wie er durch den Abänderungsvertrag vom 3. Juni 1923 abgeändert worden ist, und ju den dort vorgesehenen Fristen gekändigt werden.

So geschehen in doppelter Ansfertigung in deutscher und niederländischer Sprache zu Berlin am 26. November eintausend⸗ neunhundertfünfundzwanzig.

(gez.) H. G. Marckwald. (gez.) Nederbragt.

Deutsch⸗niederländischer Zoll⸗ und Kreditvertrag. Der Deutsche Reichspräsident und Ihre Majestät die Königin der Niederlande haben in der Erwägung, daß es wünschenswert sst, Deutschland und den Niederlanden gegenseitig gewisse wirt⸗ schaftliche Vorteile zuzusichern und dadurch die wirtschaftlichen Beziehnngen zwischen diesen beiden Ländern zu fördern, zu hren Bevollmächtigten ernannt: Der Deutsche Reichspräsident: den Wirklichen Legationsrat und Vortragenden Rat im Aus⸗ värtigen Amt 8 . Dr. Hans Gerald Marckwald und Ihre Majestät die Königin der Niederlande: den Ministerialdirektor, Leiter der Direttion für wirtschaftliche Angelegenheiten des Auswärtigen Amts Dr. Johan Alexander Nederbragt, hie nach Prüfung ihrer in guter und gehöriger Form befundenen Vollmachten nachstehenden Vertrag vereinbart haben:

Artikel 1.

VVpon den in der Anlage bezeichneten niederländischen Boden⸗ un Gewerbeerzeugnissen sollen bei ihrer Einfuhr in das deutsche Zoll⸗ zebiel teine anderen oder höberen als die in der Anlage bestimmten Eingangszölle erhoben werden. Die Anlage bildet einen wesentlichen Bestandteil dieses Vertrages

Artikel 2.

Die beiden vertragschließenden Teile werden hinsichtlich der Ein⸗ fuhr von Kohle aller Art keine Verschlechterung des bestehenden Zu⸗ standes eintreten lassen. Die Deutsche Regierung wird die Einführ niederländischer Steinkohlen aller Art woblwollend behandeln.

Die Deutsche Regierung wird die Ausruhr entfetteter Knochen nach den Niederlanden weder verbieten noch beschränken; sie sichert der Ansruhr nicht entfetteter Knochen nach den Niederlanden woh wollende Behandlung zu.

Artikel 3.

Der Vertrag zwischen der Deutschen und der Niederländischen Regierung über Kredit und Steinkohlen vom 11. Mai 1920 wird im nachfolgenden Sinne geändert:

J. Die in der Anlage A jenes Vertrags genannte Eröffnung eines

Keeredits von 140 Millionen Gulden an Deutschland zum An⸗

kauf von Rohstoffen (Rechnung B) wird um sieben Jahre ver⸗ längert und demgemäß auf siebzehn Jahre erstreckt: der Zinsfuß für diese 140 Millionen Gulden wird ab 1. Ja⸗ nuar 1927 auf 5 ½ vH berabgesetzt; spätestens am 31. Dezember 1936 werden 70 Millionen Gulden von Deutschland abgedeckt; im Laufe des Jahres 1937 findet die Abdeckung des Rest⸗ betrags völlig statt; der Zinssatz und die Fälligkeit der Reichezchatzscheine gemäß Absatz 4 Anlage A des Vertrages zwischen der Deutschen unnd der Niederländischen Regierung über Kredit und Stein⸗ fkoblen vom 11. Mai 1920 ändern sich entsprechend den vor⸗ stehenden Vereinbarungen; 6. abgesehben von den durch die vorstehenden Vereinbarungen bedingten Aenderungen bleiben die Bestimmungen des Ver⸗ trages vom 11. Mai 1920 in Kraft.

1 Artikel 4

Dieser Vertrag unterliegt der Ratifikation. Die Ratifikations⸗ urkunden sollen sobald als möglich in Berlin ausgetauscht werden. Der Vertrag tritt eine Woche nach Austausch der Ratifikations⸗ urkunden in Kraft mit Ausnahme des Artikel 1, der rückwirkend vom 2. Dezember 1925 in Geltung gesetzt wird.

Die Bestimmungen des Artikel 1 und seiner Anlage und des Artikel 2 bleiben bis zum 31. Dezember 1932 in Geltung; die Be⸗ stimmungen des Artikel 1 und seiner Anlage können jedoch deutscher⸗ seits bereits nach Ablauf von 2 ½ Jahten nach Inkrafttreten des Ver⸗ trags jederzeit mit einer Frist von sechs Monaten gekündigt werden. Bevor die Deutsche Regierung jedoch wegen der Gestaltung etwaiger in der Anlage verzeichneter Zollpositionen zur Kündigung schreitet, wird sie rechtzeitig mit der Niederländischen Regierung in Verbhand⸗ lungen eintreten, um die Zollpositionen, deren Geftaltung Anlaß zur Kündigung geben würde, durch andere Zolltartfvergünstigungen m er⸗ jeten Kommt es zu keiner Einigung hierüber und muß die Deutsche Regierung intolgedessen die Kündigung ausprechen, so kann die Niederländische Regierung die Erfüllung der Bestimmungen der 988 1 des Artikel 3 über die Verlängerung des Kredits autf die

eidauer beschränken, in der die Tartabreden des Artikel 1 in Kraft waren. Die Bestimmungen der Ziffern 3 und 4 schließen sich an die hiernach bemessene Geltungsdauer der Kreditverlängerung ent⸗ sprechend an.

„So geschehen in doppelter Ausfertigung in deutscher und niederländischer Sprache zu Berlin am 26. November ein⸗ tausendneunhundertfünfundzwanzig.

G. Marckwald. (gez.) Nederbragt.

Anlage zu Artikel 1

Tarif⸗

be se 1 Dopvel⸗

zentner RM

Benennung der Gegenstände

““

Kartoffeln, frisch, vor dem 1. Dezem ber des Vorjahres geerntet in der Zeit vom 15. Februar bis 15. April Anmerkung: Um den ermäßigten Zollsatz zu ge⸗ nießen, müssen die Einbringer für jede Sendung ein Zeugnis einer utederländischen Behörde bei⸗ bringen, aus dem erhellt, daß die Kartoffeln in den Niederlanden vor dem 1. Dezember des Vor⸗ jahres geerntet worden sind. Die Regierungen der vertragschließenden Teile werden sich über die Bezeichnung der mit der Ausfertigung der Zeug⸗ nisse betrauten Behörden und über das bei der Ausferti ung zu beachtende Berfahren verständigen. In Zweffelsfällen bleibt den deutschen Behörden das Recht gewahrt, nachzuprütfen, ob die ein⸗ geführten Kartoffeln in den Niederlanden vor dem 1. Dezember des Vorjahres geerntet worden üind.

Küchengewächse, frisch: Weißkohl. Rotkohl und Wirsingkohl: in der Zeit vom 1. Januar bis 31. Mai in der Zeit vom 1. Juni bis 31. De⸗ 1 Tomaten: in der Zeit vom 1. Mai bis 30. Sep⸗ tember. 8 8 in der Zeit vom 1. Oktober bis 30. April 144e4*““ Rosenkohl: in der Zeit vom 1. Dezember bis Z1ö“ 8 in der Zeit vom 1. April bis 30. No⸗ Gurken: in der Zeit vom 16. April bis 15. Sep⸗ v4“*“ be“] Bäume, Reben, Stauden, Sträucher, Schößlinge zum Verpflanzen und sonstige lebende Ge⸗ wächse, ohne oder mit Erdballen auch in Töpfen oder Kübeln; Pfropfreiler: Pflanzen in Töpfen: Pelagonien, Fuchsien, Resedas aen ohne Erdhallen . . . ....

Kirschlorbeer mit

Cinerarias,

Magnolien und Erdballen b Ilex. Aucuba, Rhododendron und Azaleen mit Erdballen . 8 Taxus und Buxus mit Erdballen. Blautanne und Changecyparis mit Erdballen .. Hvacinthen⸗, Tulpen⸗ und Narzissen⸗Zwiebeln Weintrauben, frisch (Tasemauben) in Post⸗ sendungen von einem Gewicht: bis 5 Kilogram m emschließlich eingehend von mehr als e e e 8. 15 Kilo⸗ gramm einschließlich eingehend . . . Anderes Obst, frisch: Kirschen ee*“ ;00 8“ 15,00 Fische, lebende und nicht lebende, frisch, auch gefroren: Schleie . 8 aus 119 Seemuscheln, lebend oder bloß abgekocht oder eingesalzen, auch von der Schale befreit: öö“

aus 40 aus 45

aus 47

aus 115 20,00

I rh. 250,00 aus 135 Käse: I Anderer: 8 8 Edamer⸗ und Goudakäse Anmerkungen: 1 Falls Deutschland einem dritten Lande für irgend⸗ eine andere vesondere Sorte von Hartkäfe emen niedrigeren Zoll zugestehen soute als für die ge⸗ nannten niederländischen Küsesorten, so wird auf diese der gleiche Zollsatz angewendet werden. . Bei der Zollnachschau soll für die Feststellung der Käsesorten Form und äußeres Anse nich: allein maßgebend sein.

Oele in Fässern: Rapeöl und Rübsl’.

20,00

Zollsatz für 1 Dopvpel⸗

zentner

Benennung der Gegenstände

.an Bucheckernöl, Erdnußöl, Mohnöl, Niger⸗ öl, Sesamöl und Sonnenblumenöl vom I. August 1926 ab . Baumweollsamenöl 1““ Anderes im Zolltarif nicht besonders ge⸗ eeage hth. el 28 ... Gehärtete tette Oele Milch emgedickt (Sirupmilch), auch mit Zusatz von Zucker. ““ Bleiweiß und Zinkweikß

Der griechische Gesandte Canellopoulos hat Berlin verlassen. Während seiner Abwesenheit führt Legationssekretär Saltaferra die Geschäfte der Gesandtschaft. 111“

Breußen. Am 29. November 1925 ist der Wirkliche Geheime Ober⸗

regierungsrat a. D. Dr. Eduard Maubach im 87. Lebensjahre

verstorben. Maubach wurde am 9. Dezember 1838 in Königs⸗ winter geboren. Im Jahre 1863 trat er als Auskultator bei dem Landgerichte zu Bonn in den Staatsdienst, 1865 wurde er als Regierungsreferendar in die allgemeine Verwaltung über⸗ nommen und 1873 zum Regierungsassessor befördert. Im Jahre 1874 wurde er zum Landrat des Kreises Johannisburg, 1888 zum Oberregierungsrat, 1890 zum Oberpräsidialrat ernannt. Als solcher war er bei dem Oberpräsidium in Königsberg tätig, bis er im Jahre 1898 ins Preußische Ministerium des Innern berufen und zum Vortragenden Rat ernannt wurde. Diesem Ministerium hat er bis zu seinem Ausscheiden aus dem Staatsdienst am 1. April 1919 als Referent für die staatlichen Polizei⸗ verwaltungen und zugleich als Mitglied der Prüfungs⸗ kommission für die höheren Verwaltungsbeamten angehört. Während seiner langen Beamtenlaufbahn hat er sich stets als ein Beamter von großer praktischer Erfahrung, unermüd⸗ lichem Fleiß und hervorragender Leistungsfähigkeit be⸗ währt. Während seiner Tätigkeit im Ministerium wurden die staatlichen Polizeiverwaltungen in Bochum, Gelsen⸗ kirchen, Essen, Hindenburg und Kattowitz eingerichtet, wurde die Beitragsleistung der Gemeinden zu den staatlichen Polizei⸗ kosten durch das Polizeikostengesetz vom 3. Juni 1908 neu ge⸗ regelt. Die meisten staatlichen Polizeiverwaltungen danken seiner unermüdlichen Tatkraft ihre neuen Dienstgebäude. Tausende von Potizeibeamten haben die väterliche Fürsorge dieses schlichten, vorbildlichen preußischen Beamten genossen. Sie werden bei der Nachricht von seinem Hinscheiden voll Dankbarkeit seiner gedenken und mit den Beamten des Mini⸗ sterinms ihm auch ferner ein treues Gedenken bewahren. 8

Deutscher Reichstag. 129. Sitzung vom 2 Dezember 1925, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger.]

Präsident Löbe eröffnet die Sitzung um 1 Uhr 20 Minuten.

Vor Eintritt in die Tagesordnung kommt Abg. Henning (Völk.) in einer Erklärung auf seinen gestrigen Zusammenstoß mit dem Abg. Dr. Wirth zurück. Dr. Wirth hat sich, so erklärt der Redner, erdreistet, mir zuzurufen, an meinen Händen klebe noch das Blut vom Rathenau⸗Morde. (Zurufe links: Sehr richtig!) Er bezog sich dabei auf einen Artikel, den ich im Jahre 1922, mehrere Wochen vor dem Rathenau⸗Morde, geschrieben habe. (Abg. Müller⸗ Franken [Soz.]: Der ist geradezu schamlos! Der Präsident rügt diese Ausdrucksweise.) Es ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen Dr. Wirth diese Bemerkungen jetzt wieder vorgebracht hat. Man kann nur glauben, daß ihm jetzt gerade wieder an einer üblen Mord⸗ hetze gelegen ist. (Großer anhaltender Lärm links.) Ich stelle fest: Alle damals von Wirth und den ihm nahestehenden Kreisen ver⸗ breiteten Behauptungen, als ob ich irgendwie mit dem Morde an Rathenau oder den Kreisen, die ihn veranlaßt haben, in Beziehung stände, haben sich als Unwahrheit herausgestellt. (Zustimmung bei den Völkischen, anhaltender großer Lärm links.) In den Gerichts⸗ akten ist mein Name überhaupt nicht genannt worden. Bei der damals von Dr. Wirth veranlaßten Hetze hat ein von der deutsch⸗ nationalen Volkspartei eingesetzter Untersuchungsausschuß sich mit der Angelegenheit beschäftigt. Der Ausschuß war nicht etwa vor⸗ eingenommen für mich, da damals die Zeit der Spannung war, in der die drei völkischen Abgeordneten aus der Deutschnationalen Volks⸗ partei ausschieden. Er hat damals entschieden, daß die von Wirth zitierten Worte ein ganz anderes Angesicht bekämen, wenn sie nicht aus dem Zusammenhang herausgerissen würden. (In dem Artikel war gesagt worden, man habe die Ehre und Würde des deutschen Vaterlandes diesem Manne (Rathenau) anvertraut, und da sei auch schon Deutschlands Ehre und Würde verraten gewesen.) Ich würde diesen Artikel genau so wieder schreiben. (Großer Lärm links und Pfuirufe.) Ich würde allerdings den Zusatz machen, daß die Ehre des deutschen Volkes in den Händen des Nichtjuden Wirth ebenso schlecht aufgehoben war, wie in denen des Juden Rathenau. (Zu⸗ seeumeg bei den Völkischen. Stürmische Pfuirufe links und in

r Mitte. Einige soz'aldemokratische Abgeordnete werden zur Ordnung gerufen.) Dr. Wirth hat wohl am wenigsten Grund, sich über Mordhetze zu beklagen, da er das Wort gesprochen hat: Der Feind steht rechts! In der nachfolgenden Zeit sind daher Dutzende von vaterländischen, rechtsstehenden Männern in gemeinster Weise überfallen und ermordet worden. (Zustimmung rechts, tobender Lärm und Widerspruch links.) Die von Wirth entfesselte Hetze hat hierbei sicherlich mitgewirkt. Ich könnte dem Dr. Wirth also mit demselben Recht zurufen: An Ihren Händen klebt Blut! (Zustimmung hei den Völkischen, anhaltender großer Lärm links.) Der gestrige Vorstoß Dr. Wirths ist wieder der Anfang einer solchen demagogischen Hetze. Im übrigen steht die Auffassung Dr. Wirths so tief, daß ich mich weiter nicht damit beschäftigen will. Ich habe für das Vorgehen Dr. Wirths nur die eine Erklärung, daß er als vollständig Kranker hemmungslos ist. (Stürmische Empörungsrufe links. Man hört die Schimpfworte: Elender Kerl! Lump! Die sozialdemokratischen Abgg. Dr. Breitscheid, Sollmann und Müller⸗Franken werden zur Ordnung gerufen. Zuruf rechts: Das sind die sozial⸗ demokratischen Intelligenzen!) 8

Die zweite Beratung des Handelsvertrages mit Italien wird fortgesetzt. Hierzu liegen Anträge der Deutschnationalen, der Deutschen Volkspartei, des Zentrums und der Bayerischen Volkspartei vor, die besseren Schutz des Wein⸗, Obst⸗ und Gartenbaues fordern. 1 1

Abg. Erkelenz (Dem.) bedauert die schwere Belastung, die die deutsche Werkzeug⸗ und Kleineisenindustrie durch den Vertrag erfahre. Die Behandlung des deutschen Eigentums in Italien habe leider keine Lösung gefunden. 8

Abg. Rauch⸗München (Bayer. Vp.) stimmt notgedrungen dem Vertrage zu. Der Redner führt statistische Ziffern über den deutsch⸗italienischen Warenverkehr an. In den drei ersten Quartalen 1925 haben wir an Industrieartikeln nur so viel nach

Italien ausgeführt, als allein die italienische Seideneinfuhr betrug. Es war hööchste Zeit, daß wir einen neuen Zolltarif bekamen und daß wie Italien ein anderes Abkommen trafen. Freudigen Herzens konnen wir diesen Vertrag freilich nicht begrüßen. Der deutsche Weinbau war bedroht, die Einfuhr italienischer Weine war —2, ohne daß wir auf anderen Gebieten Konzessionecn erhalten. i den Verhandlungen mit Spanen darf uns die Re⸗ terung nicht wieder mit einem fait accompli überraschen. Wenn bie Einfuhr italienischer Südfrüchte von 105 auf 175 Millionen und von frischem Gemüse und dergleichen von 62 auf 165 Mil⸗ lionen gestiegen ist, so liegt hier eine Unvernunft des Konsums vor, die die Herabsetzung unserer autonomen Zollsätze keineswegs rechtfertigt. Man mag hinblicken, wo man will: was erreicht ist in Vertrag, wenn man überhaupt von Erreichen sprechen kann, ist unzulänglich. Wenn meine Freunde auch dem Vertrage zu⸗ stimmen, so möchte ich doch nachdrücklichst betonen, daß wir damit nur die verfassungsmäßige formelle Verantwortung übernehmen; die materielle Verantwortung liegt und bleibt bei den Stellen, die die Verhandlungen geführt haben. Für die Handelsverträge der nächsten Zeit ist die Aufstellung eines systematischen Planes not⸗ wendig, damit die Sachverständigen rechtzeitig eingreifen können. Wünschenswert wäre es, daß wir endlich einmal aus der heutigen Eeengen Lage herauskommen und das Gesetz des Handelns kelber wieder in die Hand bekommen.

Abg. Graf zu Reventlow l(deutschvölk. A.⸗G.): Ich weise auf die unerhörte Art und Weise hin, wie unsere Volksgenossen in Tirol behandelt werden. Gerade jetzt vollzieht sich der brutale und kulturwidrige Akt in Bozen, daß das Denkmal von Walther von der Vogelweide beseitigt wird. Wir lehnen den Vertrag ab, weil wir uns von ihm keinerlei Nutzen versprechen. Wenn wir alles unbesehen annehmen, was uns das Ausland bietet, wird uns immer weiter von diesem das Handeln vorgeschrieben werden. Abg. Dr. Freiherr von Freytagh⸗Loringhoven (D. Nat.) weist gleichfalls auf die unwürdige Behandlung der Deutschen in Tirol hin. Der Reichsaußenminister verläßt sich darauf, daß im Völkerbund für die nationalen Minderheiten ge⸗ sorgt werden wird. Es wäre uns eine Auskunft erwünscht, in welcher Weise das geschehen soll. Der Völkerbund hat ja einen Beschluß gefaßt, der die dentsche Vertretung von der Beratung der Min erheitsfrage ausschaltet. Auch Graf Bernstorff hat in einem Artikel darauf hingewiesen; der Außenminister ist von seinem be⸗ kannten liebenswürdigen Optimismus beeinflußt. Um so mehr muß sich der Reichstag der Minderheiten annehmen. b

Abg. Dr. Hilferding (Soz.): Es ist unmöglich, der Re⸗ gierung eine gebundene Marschroute für die weiteren Handels⸗ vertragsverhandlungen vorzuschreiben. Wir erkennen die Notlage unseres Winzerstandes an, aber es dürfen ihm nicht Ver⸗ ee. gemacht werden, die sich nicht erfüllen lassen. Die Rot der Winzer ist keine neue Erscheinung, die Anbaufläche des Weinbaues ist ständig zurückgegangen, sie ist von 79 000 Hektar vor dem Kriege auf 68 000 Hektar während des Krieges und danach noch weiter zurückgegangen. Der Weinbau steht unter einem dauernden Verhängnis, und deshalb ist den Winzern mit der Zoll⸗ politik nicht zu helfen, das kann nur im Rahmen einer ver⸗ nünftigen Wirtschaftspolitik geschehen. Wir sind auch daurchaus bereit, die Winzer aus öffentlichen Mitteln zu unterstützen. Die Ziffern über den Betrag des Weinbaues auf den Hektar, die ich in der ersten Lesung angegeben habe, halte ich auch gegen die gestrigen irrtümlichen Berechnungen des Abgeordneten Kerp auf⸗ recht. Alle Anträge, die die künftige Handelspolitik festlegen wollen, beantrage ich, zunächst dem Ausschuß zu überweisen.

Abg. Dr. Lejeune⸗Jung (D. Nat.): Wir verlangen eine Deutschrift der Regierung über die Dumping⸗Politik des Aus⸗ landes, die überaus nachteilig für die deutsche Wirtschaft ist. Eng⸗ land treibt bewußt Dumpeeng gegen Deutschland. Wir werden bei der Besprechung der Bergbaukrise weiter darüber sprechen, und wir fordern von der Regierung einen Gesetzentwurf, der die Ge⸗ fahren des Dumping beseitigt. Wir wünschen auch Auskunft von der Regierung über ihre Absichten beim spanischen Handelsvertrag, da der bisberige Vertrag unseren Wein⸗ und Obstbau schwer ge⸗ schädigt hat. Dr. Ritter: Ueber die spanischen Ver⸗

mdiungen läßt sich zurzeit noch nichts Bestimmtes sagen. Es sich nicht empfehlen, die Verhandlungen über die Zölle für in und Obst schon jetzt festzulegen, es könnte sonst so kommen, ß auch andere Interessentenkreise ebensolche Forderungen stellen.

Der Vertrag und das Abkommen mit IFtalien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Regelung anderer Fragen auf dem Ge⸗

re biete der direkten Steuern

Lesung angenommen, ebenso in der sich sofort anschließenden

werden in zweiter dritten Lesung die einzelnen Teile der Vorlagen. Vor der Schlußabstimmung über den Handelsvertrag im ganzen bezweifelt Abgeordneter von Graefe (deutschvölk. A.⸗G.) die Beschlußfähig eit des Hanses; das Büro erklärt nach kurzer

Vartezeit, während der sich der Saal füllt, daß das Haus beschlußfähig ist. Ein Antrag der Deutschnationalen auf namentliche Abstimmung findet nicht genügende Unterstützung. Beide Vorlagen werden in der Schlußabstimmung gegen die Stimmen der Deutschvölkischen, der Kommnunisten und eines Teils der Deutschnationalen angenommen.

Zwei Entschließungen des Ausschusses: 1. die Regierung zu ersuchen, dem Reichstag eine Denkschrift vorzulegen, aus welcher ersichtlich ist, durch welche Maßnahmen andere Staaten ich gegen Dumpinggefahren, besonders Valutadumping, zu ichern suchen, 2. die Regierung zu ersuchen, unverzüglich eine Uebersicht vorzulegen, die gegenüber der Ausfuhrentwicklung die Einfuhr unter der Wirkung des Valutadumpings der anderen Länder zahlenmäßig erkennen läßt, werden an⸗ genommen. Ein Zusatzantrag der Deutschnationalen, zu der erstgenannten Entschließung auch einen Gesetzentwurf vorzu⸗ legen, der die deutsche Wirtschaft gegen Dumpinggefahren schützt, wird gegen die Stimmen der sämtlichen Rechtsparteien abgelehnt.

Die von verschiedenen Parteien beantragten Ent⸗

chließungen zum Schutze des Obst⸗ und

Weinbaues bei künftigen Vertragsverhandlungen werden auf Antrag Hilferding unter Auszählung mit 175 gegen 166 Stimmen dem Handelspolitischen Ausschuß überwiesen. „Es folgt die zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das vorläufige Zollabkommen zwischen dem Deutschen Reiche und der Schweiz vom 6. November 1925.

Abg. Krätzig (Soz.) weist daxrauf hin, daß für eine Reihe von Warem . B. für Textilien, Zollsätze eingesetzt worden sind, die in einem Widerspruch zu den in der ersten Lesung gegebenen Ver⸗ prechungen stehen. Da es handele, werde die Sozialdemokratische Fraktion zurückstellen und dem Entwurf zustimmen.

Abg. Giese (D. Nat.) erklärt, ein Teil seiner Parteifreunde werde für den Vertrag stimmen, während der andere Teil dagegen stimmen müsse.

Abg. von Graefe (völk.) betont die Oberflächlichkeit der Beratung des Entwurfs und erhebt Einspruch gegen diese Methode. Wir haben uns noch genügend persönliche Würde gewahrt, um uns ein derartiges Verhalten der Regierung gefallen zu lassen, wie es die Demokraten tun. Sie (nach links) werden noch ihre schwere Not haben infolge der schweren Folgen des Vertrages für die hinter Ihnen N. Kreise. Wir richten die dringende Bitte an die Regierung, sich diese Methode der Behandlung abzu⸗ gewöhnen.

Der Entwurf wird sodann in zweiter und dritter Be⸗ 1AAAA6A“ʒ

sich aber nur um ein Provisorium ihre Bedenken

Es folgt die zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Uebvereinkommen zwischen dem Deutschen Reich und der Republit Oesterreich zur Regelung einzelner Zollfragen. Der Gesetzentwurf wird ohne Aussprache in zweiter und dritter Beratung an⸗ genommen.

Es folgt die erste Beratung des von den Demokraten ein⸗ gebrachten Gesetzentwurss über die vermögensrecht⸗ liche Auseinandersetzung mit den früher regierenden Fürstenhäusern. Danach werden die Länder ermächtigt, diese Auseinandersetzung, soweit sie noch nicht stattgefunden hat, durch Landesgesetz unter Ausschluß des Rechtsweges zu regeln. Ein kommunistischer Gesetzentwurf fordert die entschädegungslose Enteignung der Fürstenhäuser.

Abg. Dietrich⸗Baden (Dem.) begründet den demokratischen Entwurf. Es handelt sich um eine Frage, die merkwürdigerweise in der Verfassung in keiner Weise geregelt worden ist. Aufmerksam geworden sind wir auf diese Dinge durch die Vorgänge anlaßlich der Abfindung der thüringischen Fürstenhäuser. In Gotha handelt es sich nicht nur um das privatrechtliche Vermögen, sondern um das gesamte angesammelte kulturelle Besitztum. Der Fall Weimar scheint mir der harmloseste zu sein: Dem ehemaligen Großyerzog ist eine Rente von 100 000 Mark bewilligt worden. Dagegen 22 ich nichts. Aber im Falle Meiningen sind 480 000 Mark

willigt worden. Die Lage des preußischen Staates gegenüber den Hohenzollern ist damit natürlich nicht zu vergleichen. Hier handelt es sich namentlich um das privatrechtliche Eigentum. Die Trennung in privatrechtliches und staatsrechtliches Eigentum e. sich die Fürsten früher sicherlich entschieden verbeten. Es handelt sich nach unserer Meinung überhaupt nicht um privat⸗ rechtliche, sondern lediglich um staatsrechtliche Fragen. Der Redner zieht zum Vergleich den vom König von Hannover mit Preußen abgeschlossenen Vertrag heran. Fürst Bismarck habe im Herren⸗ hause erklärt, König Georg habe einen privatrechtlichen Anspruch überhaupt nicht gehabt, es handle sich um eine rein politische Frage. Schuldig sei man dem König Georg nichts gewesen, man habe ihm lediglich aus Billigkeitsgründen etwas zugebilligt. Wir haben es jetzt mit ganz ähnlichen Verhältnissen zu tun. Es ist ja ganz gleichgültig, ob es sich dabei um Krieg oder Revolution handelt. (Lebhafter Widerspruch rechts.) Unser Antrag ist durch⸗ aus begründet, da niemals festzustellen ist, was für eine rechtliche Struktur dieses Fürstenvermögen gehabt hat. Das Staats⸗ empfinden ist ausschlaggebend. Außerdem kann man dem Volke nicht noch länger die Nutzung dieser Ländereien usw. entziehen. Es besteht hier die Möglichkeit, den Rechtsweg auszuschließen, sowohl bezüglich der grundsätzlichen Frage als auch bezüglich der Höhe der Entschädigung. Das badische Herrscherhaus war klug genng, einzusehen, daß man in einer Revolution sich nicht anf Gesetzes⸗ paragraphen berufen kann, sondern daß man sich verständigen muß. Dem unnötigen Prozessieren wollen wir ein Ende bereiten.

Abg. Neubauer (Komm.) begründet den kommunistischen Antrag. Weder in Moskau noch zur Zeit der großen französischen Revolution in Frankreich hätte eine solche Entschädigung der ehe⸗ maligen Fürsten gefordert werden dürfen. Das deutsche Volk verfahre mit seinen Fürsten, wie kein anderes Volk das bisher getan hat. Dabei habe aber gerade Bismarck die Enteignung der Stuarts in England als Vorbild hingestellt. Bismarck habe diese Frage der Entschädigung der Fürsten immer als eine rein politische, als eine Staatsfrage betrachtet. Rupprecht von Bayern könne jetzt einen monarchistischen Putsch vorbereiten, und der Reichs⸗ wehrminister Dr. Geßler erklärt, er könne den Bayern ihren König nicht vorenthalten. Die Gesamtentschädigung an die Fürsten, fährt Redner fort, wird sich auf 2 ¼ bis 3 Milliarden belaufen. Dagegen erhält ein Kriegsverletzter, der im Krieg ein Bein ver⸗ loren hat, mit Frau und Kind monatlich nur 24,50 ℳ. Die all⸗ gemeine Not und die Erwerbslosigkeit nehmen täglich zu. Den Hohenzollern will man 290 000 Hektar Grundbesitz zusprechen, an⸗ statt dieses Land den notleidenden Kleinbauern zur Verfügung zu stellen. (Vizepräsident Gräf⸗Thüringen ersucht den Redner, mit seinen Ausführungen nicht die Gefühle eines Teiles des Hauses zu verletzen. Widerspruch bei den Kommunisten.) Bei der Ansammlung des Grundbesitzes haben die Fürsten nicht einmal das Mittel des Bauernlegens verschmäht. Während die Sparer ihre Guthaben so gut wie verloren haben, werden die Fürsten in Weimar und Meiningen mit 33 Prozent bzw. 100 und 140 Pro⸗ 82 aufgewertet. Eine große Steuerlast ist die Folge solcher hohen Entschädigungen. Wir verteten den auch von Bismarck an⸗ gewandten Grundsatz: Alles, was Thron⸗ und Fürstengut war, gehört dem Volke. Die Revolution schafft aber neues Recht. Die Volksbeauftragten haben 1918 aus Angst nicht nach dem russischen Vorbild die Fürsten enteignet, sondern das Sondervermögen un⸗ berührt gelassen. Die sozialdemokratischen Finanzminister Süde⸗ kum und Lüdemann haben bei ihrem Vergleichsvorschlag sogar Staatseigentum als Eigentum der Hohenzollern betrachtet, auch der jetzige Vorschlag des preußischen Finanzministers ist völlig unhaltbar. Als Reichsminister des Innern hat der Demokrat Koch die Enteignung zwar für formell zulässig, aber dem Rechts⸗ empfinden widersprechend bezeichnet, und jetzt beantragen die Demokraten selbst dieses Gesetz. Damals unterstützte auch der Reichskanzler Müller den Standpunkt Kochs. Der Herzog von Gotha ist durch den demokratischen Minister Liebetraut entschädigt worden. Die monarchistischen Richter in Preußen begehen die dümmsten Rechtsbeugungen, um den Fürsten den Besitz zuzu⸗ schanzen. Die einzige Möglichkeit ist jetzt, die Angelegenheit zu einer politischen zu machen. Der demokratische Antrag richtet sich nur gegen Auswüchse, er plädiert geradezu für die Entschädigung der Fürsten, indem er die Abfindung der Landesgesetzgebung über⸗ tragen will. Der demokratische Antrag verschiebt die Sache wieder auf den formellen Rechtsboden. Wir meinen, daß die zusammen⸗ geraubten Güter der Fürften dem Volke zurückgegeben werden müssen. Hier gibt es nur eins: die völlige entschädigungslose Enteignung. Wir beantragen aber zugleich die Verwendung der enteigneten Güter und Werte für die armen Bauern, für die Kriegsbeschädigten, die Verwendung der Schlösser für Genesungs⸗ heime, Kinderheime usw., diese Frage ist eine Frage der politischen Macht; die demokratische Regierung hat noch nichts getan zur Ab⸗ wehr der fürstlichen Schmarotzer und Parasiten. Das Volk in seinem Elend will nicht, daß den Fürsten Hunderte von Millionen gegeben werden, die die zu Staatsstreichzwecken verwenden könnten. Wir appellieren an die Massen; denn nur der Druck der Massen kann hier ein Unrecht beseit’gen. (Beifall und Hände⸗

klatschen bei den Kommunisten.)

Damit schließt die erste Beratung.

In der zweiten Beratung erhält das Wort der

Abg. Scheidemann Soz.), der von den Kommu⸗ nisten mit ironischen. Zurufen empfangen wird. Er führt aus: Es ist keine Uebertreibung, wenn ich sage, daß jetzt Millionen unserer Volksgenossen hungern, daß Hunderttausende keine richtige Wohnung, Kleidung und Schuhwerk haben; es ist eine Tatsache, daß die Zahl der Erwerbslosen innechalb eines Monats um fünfzig Prozent zugenommen hat. Von den besten Kennern des Arbeitsmarktes wird die Zahl der Erwerbslosen bereits auf eine Million geschätzt und die Zahl, der Kurzarbeite; auf mehrere Millionen. Die Zahl der Bankrotte nimmt ständig zu. Immer mehr Personen wandern aus. Auch die Zahl der Selbstmorde mehrt sich; sie betrug nach den letzten Angaben 30 auf Hunderttausend. Geben wir uns keinen Täuschungen darüber hin, daß das Elend leider im Steigen ist; denn die Industrie ist nicht in der Lage, in ch⸗ sehbarer Zeit neue Arbeit aufnehmen zu können, im Gegenteil sie nimmt aas Mangel an Krediten fortgesetzt neue Entlassungen vor. Dieses notleidende huncernde Volk soll nun für wenige Menschen zahllose Schlösser und Häuser, großen Grundbesitz viele Millionen hingeben an einioe wenige, von denen man mit Recht sagen kann, soweit man Menschen die Schuld beimessen kann, daß sie am unserem Elend mit am meisten die Schuld tragen (Zustimmung links). Nach⸗ dem Rupprecht von Bavern der erste gewesen war, der die Ver⸗ mutung aussprach, daß die Hobenzollern sich nicht würden halten können, fielen umer den zahlreichen Kundgebungen besonders die des

bayerischen Ministecpräsidenten und Kriegsministers auf, die ver⸗ langen, doß der Kacher so schneu aus mogeich zuruageeten souce. Dier sehr wechage Sreagnisse J.een auf ecnen einzupen Tag, den 28. Düowoer 1v18: der Lesehl des udmeralts Scheer zum Ausrausen der Pochseelonie, weil er noch in den zeszen funf Minuten sochnell Engranod venegen wolle, die weigecung der Manosen, einem sorchen Besenhl Fonge zu leisien, und die Zusage Witheems I1., daß er de vom Reichstag beschtossenen Verfassungsanderuggen arzepueren woue. Am 9. Novemver trat der Karser dann zuruck und fioh nach Holland; die Repuolik wurde eraotiert als einzige Rertungsmoglichteit für das Reich aus dem Zerfall. Am 13. November har oie preußejche Regee⸗ rung die Beschragnahme des sämtlichen Kronfidetomm Bvermogens ausgesprochen und ne am 30. Novemver erweutert. Ich verstehe necht die Art und Weise des Vorredners, ich verstehe es nicht, w.e man in einem Augenblick, wo man für einen für das Volk bis in die tiefften Tiefen aufwühlenden Antrag eine Mehrheit schaffen will, nichts Besseres zu tun weiß, als diejemgen anzurempein, die man doch mn allererster Lime für diese Mehrheit braucht, namlich die Sozialdemo⸗ kraten und die Demotraten. (Larm und Zurufe bei den Kommu⸗ nisten.) Von kommunistischer Seite wird uns das Beispiel Ruß⸗ lands empfohlen, Allerdings em Beispiel hatten wir, aber em abschreckendes Beispiel. (Larm und Zurufe bei den Kommunisten.) Nun, der Abgeordnete Dr. Rosenberg hat einmal eine Resolution vorgeschlagen: „Die Kommunistische Partei hat praktisch überhaupt nicht gegen die herrschende Partei der Kapitanisten gekampft, sondern sich auf mehr oder weniger geschickte Zänkereien int der Sozialdemo⸗ kratischen Partei Deutschlands beschränkt.“ Das haben Sie (zu den Kommunisten) in der Tat getan, anstatt mit uns die Reaktion zu bekämpfen. (Lärmende Zurufe hei den Kommunisten.) Uebrigens Herr Neubauer, wann haben Sie zum letzten Male Kaisers Geburtstag gefeiert? (Großer Lärm bei den Kommunisten. Menutenlang an⸗ dauernde Zurufe, ironischer Zuruf rechts: Proletarier aller Länder vereinigt euch!) Die Fürsten haben für die milde Art, wie das Volk mit ihnen 1918 umgegangen ist, leider gar kein Verständnis gehabt. In 8 deren Ländern, wie seinerzeit in Frankreich und England, hat man ihnen einfach die Köpfe vor die Füße gelegt. Dazu ist es in Deutschland, der „frommen Kinderstube mie gekommen. Die Volks⸗ eauftragten, diese wirklich sehr ruhigen Herren, dachten gar nicht daran, irgend jemandem den Kopf abzuschneiden. (Zuruf bei den Kom⸗ munisten: Nur Arbeiter haben sie erschossen.) Auch der Abgeordnete Ludendorff hätte damals ruhig in Deutschland bleiben können. Da das Volk gegenüber den Fürsten so anständig war, sind diese offenbar zu der Meinung gekommen, sie könnten nunmehr dem Volke gegenüber unanständig sein. Der Vorschlag des Generals Gröner, der Kaiser solle in den Schützengraben gehen, wo ihn vielleicht eine mitlerdige Kugel dahinraffen würde, ist entscheden abgelehnt worden. In solchen Dingen war die Parole der Herrscher immer „nur nicht drängeln“. Jetzt aber ist der Mut grenzenlos mit dem geradezu ungeheuerl’ che Forderungen aufgestellt werden. Die maßlosen Uebertreihbungen über die Entscheidungen sind zwecklos; wenn erst von einer Milliarde ge⸗ prochen wird und dann vielleicht nur der fünfte Teil herauskommnt, so sagen sich viele Leute, daß es ja gar nicht so schlimm sei. Ich lege aber den größten Wert darauf, wie die deutschen Sachverständigen und die Juristen die Frage behandeln; dem Cumberlander hat das Obergericht in Braunschweig in einem Vergleich ohrlich 00 000 Mark Rente sowie Domänen und Forsten mit einer jährlichen Reineinnahme von 250 000 Goldmark und außerdem jährlich 100 000 Mark in vierteljährlichen Raten von 25 000 Mark zugesprochen. Besonders schlimm sind die Dinge aber in Thüringen. Dort ist der tollste Fall, der des englischen Fürsten, der thüringischer Landesvater war, des Fürsten Carl Eduard, Herzogs von Albany, Fürsten von Groß⸗ britannien und Irland. (Ruf bei den Soziäldemokraten: Aus⸗ gesprochener Deutscher!) Der Fürst fand sich vor dem Etlaß der Reichsverfassung mit einer Abfindung ab, nach der Reichsverfassung bemühte sich aber der Reichsminister Jarres dem Reichsgericht plau⸗ sibel zu machen, daß der damalige Vergleich nicht gültig sei, and das Reichsgericht gab dem statt, der Herzog erhielt die ganzen Besitz⸗ tümer wieder, z. B. sieben Oberförstereien mit einer Gesamtfläche von 80 000 Morgen Land, Schlösser und andere Häuser, 994 einzelne Grundstücke, auch das Landesmuseum und die Sternwarte. Herzog von Meiningen wollte eine Abfindung von zehn Millionen haben, das Reichsgericht entschied, daß diese Papiermarksumme mib 100 Prozent aufzuwerten sei. (Hört, hört!) Jährlich müssen dem Herzog 480 000 Goldmark gezahlt werden. In Sachsen⸗Weimar erhält der frühere Großherzog durch Schiedsgericht 300 000 Papier⸗ mark, die auf 100 000 Goldmark aufgewertet sind, außerdem die Großherzogin Witwe eine Reihe von Rittergütern. Wenn dem Lande Thüringen derartige Verpflichtungen nicht abgenommen werden, muß es rettungslos zugrunde gehen. (Ruf bei den Deutschvölkischen: Wie steht es mit Ihrer Pension? Heiterkeit!) Ich will Ihnen etwas abgeben, damit Sie sich ein Glas Bier kaufen können. (He zerdeit0 Der Rufer antwortet: Dafür sind wir nicht käuflich. (Heiterkeit! Man sagt, es dürfe nicht gegen die guten Sitten verstoßen werden; nach dem neuen Vergleich mit den Hohenzollern soll aber die Aus⸗ plünderung fortgesetzt werden, die seit Jahrhunderten in Deutschland durch die Fürsten üblich gewesen ist. Verstößt es denn nicht gegen die guten Sitten, daß man den ärmsten Leuten bei der Kriegsanleihe den letzten Pfennig genommen hat? Sogar Deutschnationale nehmen dagegen Stelluna. Nach der Denkschrift des preußischen Finanz⸗ ministers von Richter, des Parteifreundes des Herrn Kahl, um⸗ faßt das Vermögen der Hcohenzollern 700 000 Moroen, 103 Nutzgrundstücke und 80 Schlösser: seit 1. Januar 1924, werden den Hohenzollem monatlich 50 000 gegeben, abgesehen von der Herrschaft Oels mit 40 000 Morgen Land, die dem Kron⸗ prinzen schon vorher zugesprochen ist. Auf die Denkschrift des Herrn von Richter antwortete der Generalvertreter der Hohenzollern von Berg mit der Forderung, die er bescheiden nannte: 100 Mil⸗ lionen Goldmark Abfindung, außerdem eine jährliche Rente von 1 ¼ Millionen Goldmark, Einverständnis mit einem Schiedsgericht, wenn vorher ein Landbesitz von 400 000 Morpen garantiert werde der mit 5,7 Millionen Goldmark Reinertrag anzusetzen ist. Das ist ein Betrag, den 34 000 Erwerbsunfähige im Jahr beziehen. Dem Staate verbleiben als Eigentum eine Anzahl von Schlössern urd Grundstücken, darunter eine ganze Anzahl von Besitzungen, über die man eioentlich überhaupt nicht verhandeln sollte, wie z. B. die Pachtz des Schlosses Wilhelmshöhe. (Abg. Hemina [Dt Völkisch] ruf dem Abg. Scheidemann die Sache mit den Schloßmöbeln in Er⸗ innerung.) Darauf will ich Ihnen sagen, daß ich vor zwei Jahren dem preußischen Staatsministerium eine Eingabe gemacht weil ich wegen der Möbel angegriffen wurde, und worin ich nachwies, daß ich an dieser Sache ganz unschuldig war. Ich dachte, daß jetzt wirklich der letzte Idiot, der diese Behauptung aufstellt, aus estorben sei. (Ruf bei den Sozialdemokralen: Nur nicht Herr Henning. Heiter⸗ keit.) Ueber derartige Dinge, die ganz zweifelsstei Staatseigentum sind, kann man doch überhaupt nicht verhandeln. Der Redner kritisiert weiter den Staatsvertrag mit den Hohenzollern. Es sei geradezu schändlich, überhaupt derartige Vorschläce zu machen, und es sei genz unverständlich, daß sich bisher wirklich keine Möglichkeit ergeben habe, die Herrschaften ganz anders abzuführen. Einer der Sachverständinen, der für die Ansprüche der Hohenzollern eintritt, ist unser Kollege Dr. Bredt. Er geht zurück um ein halb Jahrtausend, auf das Jahr 1411, und führt an, es sei richtig, daß vor 1411 die Hobenzollern keinen Grundbesitz in der Mark gehabt haben. Aber da habe deeser Landerwerb statt⸗efunden, und zwar durch Verträge mit dem Kaiser. Der kaserliche Grundbesitz, das Erbe der Väter, sei damals sebr verschuldet gewesen. Die Hohenzollern dagegen hatten Vermözen enug, um diesen Grundbesit zu kaufen. Der Redner zitiert weiter se Bredtsche Denkschrift, der zufolce sich die ganzen Erfolge der Hohenzollern aus der aroßen Sparsamkeit dieses Hauses erklärten. Ferner werden die sittlichen Vorzüge der Angehörfren des Hoben⸗ zollernhauses hervorcehoben. Allerdinas, so föhrt Ahbg. Scheitemanm fort, sind nicht alle Historiker der aleichen Meinung Ein der Rechten sehr nahestehender Historiker hat den die Hohenzollern verherrlichenden Geschichtsunterricht in der Schule scharf kritisiert: sie seien ganz ewissenlose Prasser und Verschwender gewesen. Das bat 8 lang⸗ sährige Chefredakteur der Deutschen Zeitung, Dr. Max Mauren⸗ brecher, geschrieben. (Heiterkeit links.) Nach den Urteilen der Sach⸗ verständ'cen ist der Herrscher bald ein König, bald ein Privatmam, und bald ist der Privatmann wieder ein König. Noch orotesker freilich ist das Spiel mit den verschiedenen Eigentumsbezeichnungen: