1926 / 30 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 05 Feb 1926 18:00:01 GMT) scan diff

Deulscher Reichstag. 152. Sitzung vom 3. Februar 1926.

8 Nachtrag.

Die Rede, die der Reichswehrminister Dr. Geßler im Laufe der 2. Beratung des Gesetzentwurfs zur Vereinfachung des Militärstrafrechts gehalten hat, lautet nach dem vorliegen⸗ den Stenogramm folgendermaßen:

Meine Damen und Herren! Ich werde das hohe Haus bei der vorgeschrittenen Zeit nicht lange aufhalten, um so mehr als dieser Gesetzentwurf im ganzen, seine Tendenz, hier im Hause so ziemlich

ine allgemeine Billigung gefunden hat. Der Gesetzentwurf stellt icht die endgültige Regelung des Militärstrafrechts dar, sondern es ist bereits ein Zusammenarbeiten mit dem Justizministerium ein⸗ geleitet, um im Anschluß an die Reform des allgemeinen Strafrechts uch das Militärstrafrecht entsprechend abzuändern. Aber die eegenwärtige Novelle schien uns so dringlich zu sein, daß wir ge⸗ glaubt haben, sie nicht aufschieben zu können. Es wird eine ein⸗ fache Handhabung der Disziplinargewalt möglich sein, und es wird vor allem eine Entlastung für die Gerichte von Tatbeständen ein⸗ treten, deren Aburteilung nicht immer im Augenmaß der Gerichte liegen kann.

Im übrigen stehen wir auf dem Standpunkt, daß es vor allem darauf ankommt, den inneren Wert der Truppe zu heben und von

den Strasen möglichst wenig Gebrauch machen zu müssen. Für mich

nh die größte Genugtuung, daß wir doch im Laufe des letzen Jahres die Kriminalität in der Reichswehr um über 50 vH zurückgebracht haben. Wenn wir nach der Richtung hin weiterkommen, dann bin ich überzeugt, daß das für uns viel wirksamer und wichtiger ist. Es ist ja auch nicht möglich, mit harten und strengen Strafen ein Zusammenleben in dem engen Körper aufrechtzuerhalten, sondern für den, der sich in stärkerem Maße straffällig macht, kann ein Platz in der Reichswehr nicht sein. Wir können also mit der allgemeinen Annahme und mit den dankenswerten Verbesserungen, die im Aus⸗

schuß gefunden worden sind, durchaus zufrieden sein.

Beanstandung hat im Hause die Regelung des Duells gefunden. An sich waren auch im alten Militärstrafgesetzbuch Bestimmungen über das Duell enthalten, und insofevn enthalten diese Be⸗ stimmungen kein Novum. Es ist auch durchaus anzuerkennen, daß entsprechend den ursprünglichen Anträgen, die vom Herrn Kollegen Landsberg gestellt worden sind, durch den Gang der Verhandlungen, vor allem durch die Anträge, wie sie dann von dem Herrn Kollegen

Schulte ausgegangen sind, ein großer Teil der materiellen Bedenken weggefallen ist. Immerhin enthält die Regelung auch so, wie sie aus dem Ausschuß herwvorgegangen ist, eine ganze Fülle von juristischen Schwierigkeiten, die sich aus der Art des Duells, vor allem aus den Beziehungen zur Zivilbevölkerung, ergeben.

Eine Frage ist ja speziell auch schon hier zum Gegenstand der Erörterung gemacht worden. Es heißt hier im § 112 c:

Wer aus Anlaß einer Einstellung in den Militärdienst oder einer Beförderung den Einzustellenden oder zu Befördernden über seine grundsätzliche Stellung zum Zweikampf befragt, wird mit Freiheitsstrafe von zwei (2) Monaten bis zu einem (1) Jahre bestraft.

Meines Erachtens ist es selbstverständlich, daß nicht eine Frage im Kasino unter Gleichgestellten unter diesen Paragraphen fallen kann, fondern es kann sich nur um eine dienstliche Frage eines Vor⸗ gesetzten handeln. Das ergibt sich schon aus den Worten „aus

Anlaß einer Einstellung“. Es muß also eine dienstliche Ver⸗ bindung zu demjenigen, der für die Anstellung von entscheidendem Einfluß ist, bestehen. Ich möchte ausdrücklich feststellen, daß jeden⸗ falls meines Erachtens über diese Auslegung im Ausschuß kein Zweifel gewesen ist.

Aber abgesehen von den juristischen Bedenken muß ich doch von meinem Ressortstandpunkt aus die grundsätzlichen Bedenken hervorheben, die vor allem bezüglich des § 112 f bestehen, auch in der Abänderung, wie sie heute getroffen worden ist. Ich bin ein grundsätzlicher Gegner des Duells. Ich stehe auf diesem Stand⸗ punkt, weil ich das Duell für kein geeignetes Mittel halte, verletzte Ehre wiederherzustellen, und weil ich der Auffassung bin, daß auch ein Duell eine ehrenwidrige Handlung nicht entsfühnen kann. Es wird für uns immer darauf ankommen, die Tat im einzelnen zu beurteilen. Ich bann also nicht finden, daß jemand, der etwa in die Familienehrve eines Kameraden eingegriffen hat, dadurch wieder ein Ehrenmann wird, daß er den andern im Duell totschießt. (Sehr wahr! in der Mitte und links.) Sobald man sich mit dieser Frage an Hand der Gesetze der Logik beschäftigt, wird man in wenigen Minuten auf einem absolut toten Gleis sein. Ich bemerke also ausdrücklich, daß ich ein grundsätzlicher Gegner des Duells bin. Ich kann es auch durchaus verstehen, wenn man sich allgemein auf den Standpunkt stellt, daß das Dienstverhältnis von Leuten, die im öffentlichen Dienst stehen, gelöst wird, gelöst werden kann und gelöst werden muß, wenn wesentliche Bestimmungen des Straf⸗ gesetzbuchs übertreten werden. Ich muß mich aber dagegen wehren,

daß hier ein Ausnahmegesetz gegen das Heer geschaffen wird. (Ab⸗ geordneter Dr. Kahl: Sehr richtig!) Um ein solches Ausnahme⸗ gesetz handelt es sich hier. Ich werde dem Offizier nicht klar⸗ machen können, warum bei ihm der Dienst zu lösen ist, während bei Richtern, Staatsanwälten, Verwaltungsbeamten, Schupo⸗

offizieren, die gesellschaftlich dem Duell vielleicht in derselben Weise gegenüberstehen wie der Offizier, diese Bestimmung nicht Platz greifen soll. (Sehr wahr! rechts.)

1 Nun wird ausgeführt, diese Bedenken die an sich von vielen Mitgliedern des Ausschusses anerkannt worden sind würden

dadurch beseitigt, daß heute eine dahingehende Resolution an⸗ genommen werde. Ich muß zugeben, daß, wenn die Resolution in dieser allgemeinen Form zum Gesetz erhoben wird, dann in der

Tat für uns eine Ausnahmegesetzgebung nicht mehr besteht.

(Widerspruch rechts.) Nein, das kann ich nicht zugeben. Dann

wäre die Auffassung, ich sei ein grundsätzlicher Gegner des Duells, eine Erklärung, die nicht wahrhaftig wäxe (sehr richtig! in der

Mitte); dann müßte ich sagen: so wie ich es verstehe. Nein, ich

bin der Auffassung, daß der Staat durchaus das Recht hat und das

Recht haben muß, selbst die Fälle festzustellen, in denen jemand,

der die Staatsgesetze verletzt, aus dem Staatsdienst ⸗auszuscheiden hat. Wenn das allgemein beamtenpolitisches Prinzip ist, dann können wir uns und werden wir uns daxüber nicht beklagen. Da aber diese Resolution noch nicht Gesetz ist und da es auch sehr zweifelhaft ist, ob sie Gesetz wird, wird das Gesetz, wie Sie es heute verabschieden, so lange vom Offizierkorps und von den Sol⸗ daten als ein Ausnahmegesetz empfunden werden. (Zustimmung rechts.)

Das muß ich feststellen, und das bedauere ich. Ich bedauere es deshalb, weil ich das größte Gewicht darauf lege, daß der Soldat zu dem neuen Staat Vertrauen faßt und nicht die Empfindeng be⸗ kommt, differenziell behandelt zu werden. Die ganze Gesetzgebung ist doch in den letzten Jahren darauf hinausgegangen, den Sol⸗ daten in allen seinen Verhältnssen möglichst dem Staatsbürger gleichzustellen. Sie haben den Soldaten der Zivilgerichtsbarkeit unterstellt; Sie haben auch in zahlreichen anderen Fällen eine Gleichstellung vorgenommen. Zu einem Ausnahmegesetz als Ge⸗ legenheitsgefetz besteht deshalb kein Anlaß, weil man doch wahr⸗ haftig von einer Duellseuche im Heer nicht reden kann. Ich könnte auch ein Gelegenheitsgesetz verstehen, wenn wir dazu Anlaß ge⸗ geben hätten. Das trifft aber nicht zu. Ich hätte verstehen können, daß unter früheren Verhältnissen ein solches Gesetz gemacht worden wäre, und zwar deshalb, weil früher das Offizierkorps ein wesent⸗ licher gesellschaftlicher Faktor war, weil auch das Reserveoffizier⸗ korps, also ein großer Teil dessen, was man früher das gekbildete Deutschland genannt hat, dem Offizierkorps angegliedert war, und weil deshalb die gesellschaftliche Auffassung dieser Schichten für weite Kreise darüber hinaus maßgebend gewesen ist. Aber so ist es heute nicht. Das kleine Offizierkorps hat vielfach selbst die größten wirtschaftlichen und andere Schwierigkeiten, sich seine gesellschaft⸗ liche Position zu erhalten. Gerade aus anderen Gesellschaftskreisen wird jetzt wieder ein ungeheurer Druck auf das Offizierkorps aus⸗ zuüben versucht. Hier wird nun allein für den Offizier und Sol⸗ daten die Lösung des Dienstverhältnisses durch ein Gelegeaheits⸗ gesetz festgestellt. (Abgeordneter Müller [Franken]: Wir können das allgemeine Gesetz, das von uns eingebracht ist, ja morgen auf die Tagesordnung setzen!) Herr Kollege Müller, um so mehr könnte ich dann darum bitten, daß Sie die Ausnahmebestimmungen für den Soldaten heute aus meinem Gesetz herauslassen. (Wider⸗ spruch bei den Sozialdemokraten.) Ich wünsche nur nicht ein Ge⸗ legenheits⸗ und Ausnahmegesetz. Mein Standpunkt ist völlig klar: gerade wenn das richtig ist, was der Herr Abgeordnete Müller (Franken) hier ausführt, dann besteht für unser Gesetz kein Anlaß. (Abgeordneter Landsberg: Dann beschweren sich morgen wieder die Richter und Staatsanwälre über das gegen sie gerichtete Aus⸗ nahmerecht!) Die Richter und Staatsanwälte hätten aber nur dann recht, Herr Abgeordneter Landsberg, wenn Sie morgen ein Gesetz für Richter und Staatsanwälte erließen. Das tun Sie aber nicht, sondern Sie erlassen morgen ein Gesetz für alle öffentlichen Diener des Staates. Heute aber erlassen Sie ein Gesetz mit be⸗ sonderen Straswirkungen für die Soldaten. Dagegen muß ich mich pflichtgemäß wehren (sehr richtig! rechts); das bin ich dem Heere und dem Offizierkorps schuldig. Ich bedauere es also, daß in diesem Stadium diese Bestimmungen in das Gesetz gekommen sind, und muß Sie von meinem Standpunkt aus bitten, diesen Teil des Ge⸗ setzes zu streichen. (Beifall rechts.)

Im Anschluß an die Rede des Reichswehrministers hielt der Reichsjustizminister Dr. Marx eine Rede, deren Wort⸗ laut folgender ist:

Meine Damen und Herren! Ich muß vom Standpunkt des Reichsjustizministeriums aus einige Bemerkungen zu der Rede des Herrn Abgeordneten Loibl machen. Er hat die Entschließung wieder eingebracht, wonach die Reichsregierung ersucht wird, möglichst bald einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch den die in Frage stehende Bestimmung allgemein auf Reichs⸗, Staats⸗ und Gemeindebeamte ausgedehnt wird. Das Reichsjustizministerium hat Bedenken, ein solches Gesetz demnächst zur Vorlage zu bringen, und würde dieselben Bedenken auch gegen den Antrag Müller (Franken) hegen, weil damit wichtige Bestimmungen, deren Re⸗ gelung und endgültige Annahme dem allgemeinen Reichsstrafgesetz⸗ buch vorbehalten bleiben muß, schon jetzt festgelegt würden. Das Reichsjustizministerium steht auf dem Standpunkt, daß auch Be⸗ stimmungen des allgemeinen Teiles des Reichsstrafgesetzbuchs durch diese Vorwegnahme in Mitleidenschaft gezogen und berührt werden. Aus diesen Gründen hat das Reichsjustizministerium Bedenken gegen die Annahme der Entschließung und würde dieselben Be⸗ denken auch gegen den Antrag Müller geltend:

anderer Beziehung Widerspruch gefunden hat.

153. Sitzung vom 4. Februar 1926, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger“.)

Am Regierungstische: Reichsminister des Innern Dr. Külz. eee

Präsident Löbe eröffnet die Sitzung um 1 Uhr 20 Mi⸗ nuten.

Vor Eintritt in die Tagesordnung bringt Abg. Rädel (Komm.) einen Mißtrauensantrag gegen die Re⸗ gierung ein, weil sie die Erledigung der Erwerbslosen⸗ fürsorge verschleppt habe.

Abg. Hoch (Soz.) wirft den Kommunisten Schauspielerei vor. Erst heute habe der Arbeitsminister im Basschuß zugeslgt, daß eine Erwerbslosenvorlage morgen oder übermorgen vom Kabinett ver⸗ abschiedet werden solle.

Gegen die Behandlung des kommunistischen Antrags wird Widerspruch erhoben. 3 1 Auf der Tagesordnung steht dann die zweite Beratun des Sperrgesetzes zur ELee. Nach Artikel 1 des Gesetzes sind alle Rechtsstreitigkeiten, die zwischen den Ländern und den Mitgliedern der ehemals regierenden Fürstenhäuser sowie der übrigen in Betracht kommenden Familien über die vermögensrechtliche Auseinandersetzung an⸗ hängig sind, auf Antrag einer Partei bis zum Inkrafttreten einer reichsgesetzlichen Regelung (Gesetz oder Volksentscheid) auszusetzen. Arreste und einstweilige 9 sollen hier⸗ durch nicht berührt werden. Nach Artikel 2 tritt dieses Gesetz mit dem Tage der Verkündigung in Kraft und mit dem 30. Juni 1926 außer Kraft.

Abg. Dr. Pfleger (Bayer. Vp.) berichtet eingehend über die Verhandlungen des RKechtsausschusses und weist darauf hin, daß nach Meinung des Rechtsausschusses auch die Streitigkeiten vor den Seeenchten sowie die Ansprüche der Seitenlinien unter das Gesetz fallen.

Bei der Abstimmung wird das Gesetz ohne weitere Aus⸗ sprache in allen drei Lesungen angenommen. Das Gesetz wird dann in der Schlußabstimmung gegen die Deutschnationalen., und die Völkischen angenommen. Präsident Löbe stellt fest, daß zwei Drittel der Mitglieder des Hauses versammelt sind und zwei Drittel von diesen zugestimmt haben. Die Annahme sei also mit verfassungsmäßiger Mehrheit erfolgt.

*) Mit Ausnahme der durch Sperrdruck hervorgehobenen Reden

der Herren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben sind.

Es folgt die Militärgerichte Verfahren.

Abg. Dr. Hanemann (D. bericht.

Abg. Dr. Rosenfeld (Soz.) erklärt, daß seine Freunde be⸗ reits im Ausschuß Bedenken gegen die Vorlage geäußert hätten, die durch Erklärungen des Wehrministers noch verstärkt worden seien. Sie wären darum nicht in der Lage, der Vorlage zuzu⸗ stimmen.

Abg. Dr. Korsch (Komm.) erklärt, daß seine Partei gegen das Gesetz stimmen werde. Wiederum solle hier eine Errungen⸗ schaft der Revolution beseitigt werden.

Die Vorlage wird unverändert in zweiter und dritter Lesung und in der Gesamtabstimmung gegen Sozialdemokraten und Kommunisten angenommen.

Eine 88 EHe. der Sozialdemokraten, wonach nur rechtskräftig festgesetzte Disziplinarstrafen vollstreckt werden dürfen, wird abgelehnt.

Die Abstimmung über eine Entschließung Schulte (Zentr.), betr. Vorlegung eines Gesetzes, wonach für alle im öffentlichen Dienste stehende Personen eine Heraus⸗ forderung zum Zweikampf oder Annahme einer Herausforderung ein Grund zur Dienst⸗ entlassung ist, ist auf Antrag des Zentrums namentlich. Die Entschließum wird mit 216 gegen 125 Stimmen bei vier Stimmenthaltungen angenommen. Dagegen stimmten Deutschnationale Volkspartei und Völkische.

Der Antrag der Sozialdemokraten, betr. Abänderung des Strafgesetzbuchs in der Richtung, daß im öffent⸗ lichen Dienst stehende Personen wegen Duellvergehen aus dem Dienst zu entlassen sind, geht ohne Debatte an den Rechts⸗ ausschuß.

Nächste Sitzung Freitag, 2 Uhr: Anträge aus dem Hause, darunter auch der Antrag, betr. Einführung des Register pfandrechts. 1““

Schluß 2 24¾ Uhr.

des Gesetzentwurfs über

Beratung militärgerichtliches

und

Nat.) erstattet den Ausschuß⸗

Preußischer Landtag.

125. Sitzung vom 4. Februar 1926, Mittags 12 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüxos des Vereins deutscher Zeitungsverleger.)

Das Haus überwelneunächst ohne Aussprache den deutsch⸗ nationalen Antrag über die Förderung der Un i⸗ versitätsstädte Königsberg und Breslau der Ausschußberatung.

Als zweiter Punkt steht auf der Tagesordnung die noch⸗ malige Beschlußfassung über das Gesetz zur Aenderung der Bestimmungen über die Stellung von Mitgliedern des Reichsrats durch die Provinzialver⸗ waltungen, gegen das vom Staatsrat Einspruch ein⸗ gelegt ist.

Abg. Baecker (D. Nat.) beantragt, die Beratung so lange auszusetzen, bis die Staatsregierung im Plenum des Landtags sich geäußert habe. Ministerpräsident Braun solle dazu das Wort nehmen, da er nach der über die Richtlinien der Politik des Staatsministeriums zu bestimmen habe und da auch seine eigene Stellung durch die Neuregelung auf das stärkste betroffen 8 Es sei bekannt, daß das Staatsministerium durch den Staats⸗ ekretär Weismann außerordentliche Bedenken gegen das Gesetz zum Ausdruck gebracht habe. Wie schwer diese Bedenken seien, zeige auch die Tatsache, daß mit Ausnahme der Kommunisten alle Fraktionen dem Einspruch zugestimmt hätten. Wenn die Staatsregierung selbst o schwere Bedenken habe, dann könne man hier unmöglich die ent⸗ cheidende Abstimmung vornehmen, ohne vorher den Standpunkt eer Regierung kennengelernt zu haben. Die Staatsregierung dürfe nicht nur in vertraulicher Sitzung, sondern müsse offen vor dem Landtag ihre Stellung darlegen.

Abg. Falk (Dem.) beantragt, den Gegenstand von der Tages⸗

ordnung überhaupt abzusetzen, damit den Fraktionen noch einmal Gelegenheit gegeben sei, ihre Stellung nachzuprüfen. Abg. von Campe (D. Vp.) stimmt den Bedenken zu, er⸗ innert aber die Deutschnationale Volkspartei an die seiner Zeit vom Abgeordneten Kries eingenommene Haltung. Jedenfalls handle es sich um eine 2 wichtige Angelegenheit zur endgültigen Restau⸗ rierung und Rehabilitierung Preußens, daß er wünschen würde, daß auch die Dentschnationalen sich auf ihre früheren Traditionen besönnen.

Abg. Baecker (D. Nat.) begrüßt es, daß die Deutsche Volks⸗ partei eine Rehabilitierung Preußens vornehmen wolle. Das könne man aber nur mit der Reichsverfassung machen. (Widerspruch bei der Deutschen Volkspartei.) Wenn der Antrag auf Absetzung angenommen würde, dann sei das Gesetz gefallen. Es scheine ja so, als ob Verhandlungen schwebten, damit man vielleicht eine noch geistreichere Lösung fände.

Abg. Falk (Dem.) erinnert in Erwiderung auf die Be⸗ merkungen des Abgeordneten Baecker, daß das Gesetz gefallen sei, an das bekannte Sprichwort: Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt.

Nachdem auch Abg. Leinert (Soz.) sich dem Antrag an⸗ geschlossen hat, wird dieser Antrag gegen die Deutschnationalen und die Völkischen angenommen. Der Gegenstand ist also von der Tagesordnung abgesetzt.

Abg. Pieck (Komm.) verlangt hierauf zur Geschäftsordnung, daß die Regterung noch heute Auskunft gebe über den Widerspruch vas ihrer Behauptung über den Fememordprozeß und den Be⸗ hauptungen des Gerichts. Sie solle auch Auskunft geben über die Haltung des Staatsanwalts, der verhindert habe, daß Fememörder verurteilt würden. Ein Vertreter des Justizministeriums sei bei den Verhandlungen zugegen gewesen; die Regierung sei also in⸗ formiert. Ein Skandal sei die Ausschließung der Oeffentlichkeit, wo⸗ durch Fememörder gedeckt werden sollten. Unerhört sei jerner die Haltung des Staatsanwalts, der die Frau des zum Tode ver⸗ urteilten Stein ersucht habe, nicht noch weitere Leute zu be⸗ lasten. Offenbar sollten die beiden Urheber der Fememorde durch den Vertreter der Staatsanwaltschaft gedeckt werden. Die Richter müßten wegen bewußter Rechtsverletzung unter Anklage gestellt werden.

Präsident Bartels verweist darauf, daß es geschäfts⸗ ordnungsmäßig unmöglich sei, eine Große Anfrage, die nicht ge⸗ druckt vorliege und in die der kommunistische Redner seine Wünsche zusammengefaßt habe, sofort auf die Tagesordnung zu setzen. (Großer Lärm bei den Kommunisten.)

Abg. Leinert (Soz.) betont die Bereitwilligkeit der Sozial⸗ demokraten, die kommunistische Anfrage wegen der Fememorde und der Bedxelne des Falls Pannier jederzeit mit zu be⸗ andeln. Die Geschäftsordnung müsse aber innegehalten werden. Die Kommunisten hätten besser ihre Wünsche in Form eines Ur⸗ antrags dem Hause unterbreitet, der geschäftsordnungsmäßig ohne weiteres auf die Tagesordnung gesetzt werden könne, wenn niemand widerspreche. 8 3

Abg. Pieck (Komm.): Wir hätten erwartet, daß es auch der Regierung angenehm wäre, sich öffentlich über die Verleugnung ihres Standpunkts zu den Fememordverhandlungen durch das Moabiter Gericht zu äußern und daß man sich im 29 nicht hinter geschäftsordnungsmäßigen Bedenken zurückziehen würde. (Lebhafte Zustimmung bei den Kommunisten.) Wir wandeln aber nunmehr unsere Große Anfrage in einen Urantrag um, um das

geschäft ordnungsmäßige Bedenken zu beseitigen Der Redner trägt

kammersystem

dürften die linien arbeiten und nur gemeinnützige Ver über⸗

nehmen.

Gewerbebetrieb aufmache und den ansässigen Gewerben K

über Konkurrenz mache.

halb trete seine

folgung 1 mann wegen Gotteslästerung und Lademann wegen Be⸗

8 leidigung der

mann (Komm.

psett Redn Magistratsverfassung eintrete.

ganz einverstanden sei. 1 verwaltung, das allgemeine freie Wahlrecht, in der Versassuns ver⸗ ankert, sonst würde es um die Aussichten der gemeind

ständigkeit schlecht stehen.

bestimmungen

dann den Wortlaut dieses kommunistischen Urantrags vor, in dem es u. a. hertzi, daß im Fememorodfal Pannier die Urheber der Tat freigesprochen seien, insoesondere Freiherr von Senoen, auf desen Person die Angetlagien den Eid geleistet hatten. Dem Mitwisser des Mordes habe das Gericht sosort Hewahrungsfrist gewäyrt und verkundet, daß er aus vatertanoischen Morwen geyandelt habe, waghrend gevaoe uber die Morive der Tat öffentlich sonst nichts ver⸗ breitet worden sei. Die von der Regierung abgegebene Ertlarung, daß ihr eine öfsentliche Verhandtung erwunscht sei, habe das Gericht in Moabit verleugnet. Die Staatsregierung werde gefragt, was sie angesichts einer derartigen Rechtspflege zu tun gedenke und ob der Justizminister die Strasversolgungsbehörden an⸗ gewiesen habe, daß nicht nur der Hergang der Tal, sondern auch iyr Ursprung und die Hintermanner ermittelt wurden. Weiter wird getragt, ob die Zustände des Lagers Döberitz und bei der Schwarzen Reichsweyr als einer ungesetzlichen Formation von der Versolgung unbverüchsichtigt geblieven seien und ob das Staats⸗ ministerium es billige, daß dem Mitwisser der Mordtat an Pannier vaterlandische Morive vom Gericht zugebilligt würden. Die Re⸗ ierung solle sich schließlich dazu äußern, wie sie sich zur Verleug⸗ nung ihres eigenen zꝛwunsches nach öffentlicher Verhandlung des Fememordfalles Pannier durch das Gericht stelle. Der Redner ver⸗ langt, daß dieser Antrag sofort zur Besprechung auf die Tages⸗ ordnung gesetzt werde. Da der Abg. Lange⸗Windhof (D. Nat.) diesem Antrag widerspricht, kann ihm nicht stattgegeben werden. (Großer Larm bei den Kommunisten.) Das Haus setzt dann die Beratung der Städte⸗ ordnung fort. Abg. Greßler (Dem.) dankt zunächst für die Anerkennung, die mehrere Redner dem verstorbenen ehemaligen demotratischen Land⸗ tagsabgeordneten Dr. Preuß ausgesprochen haben. Dann Verweist ter Redner darauf, daß der Moment, eine neue Städteordnung einzu⸗ ringen, jetzt sehr ungünstig sei. In weiten Kreisen der Be⸗ vörterung bestünden über die Notwendigkeit einer Neuordnung der Gemeindestatuten Meinungsverschiedenherten, weil gerade die Städte⸗ ordnung jeweils in das Bewußtsein der lokalen Bevolkerung als etwas Feststehendes tief eingewurzelt sei. Eine Verwaltungsreform an sich 6 natürlich notwendig. Es gebe aber keine dringendere Aufgabe im Augenblick, als an die große Verwaltungsreform heranzugehen. Denn die überaus große Vermehrung des Beamtenapparates in den Ge⸗ meinden, die zum Teil mehrere hundert Prozent betrage, sei auf das Schuldkonto der Reichssteuergesetzgebung zum großen Teile zu verbuchen. Die Städteordnung müsse sich dem Geist der Reichs⸗ erfassung und den Länderverfassungen anpassen. Die neuen Gedanken müßten bis zu Ende gedacht werden. Daß das nicht der Fall sei, daran leide die neue Städteordnung. Die Schwierigkeit und der Wechsel in der Haltung der Fraktionen zeige auch die Flut der Ab⸗ nderungsanträge, die fortdauernd gestellt seien. Die Gemeinden müßten sich in den Rahmen der Gesamtheit stellen. Deshalb bedürfe es der Staatsaufsicht, die aber nicht wie im alten Preußen zu büro⸗ kratisch sein dürfe und sich nicht einmischen dürfe in Angelegenheiten, die reine Selbstverwaltung seien. Jedem Teile müsse seine eigene Verantwortlichkeit zugewiesen werden. Nicht die gewerblichen Auf⸗ gaben, sondern die öffentlich⸗rechtlichen Interessen müßten bei der Gemeinde im Vordergrund stehen. Soweit aber gewerbliche Kom⸗ munalbetriebe in Frage stünden, sei eine allzu große Einschränkung durch Staatsaufsicht von Uebel. Unannehmbar seien für seine Frak⸗ tion die neuen Bestimmungen über die Banken und bankenähnlichen Institute, durch die die Genehmigungspflicht festgelegt werde und er⸗ teilte Genehmigung widerrufen werden könnten. Ein Bürgerschafts⸗ begehren und ein Bürgerschaftsentscheid gehörten überhaupt nicht in die Vorlage; sie trügen nur Unruhe in die Gemeinde hinein. Bei Stimmengleichheit im Magistrat sollte der Bürgermeister die Ent⸗ I haben. Unnötig sei es, sechs Monate nach der Verab⸗ schiedung der Städteordnung Neuwahlen vorzunehmen. Man solle möglichst Wahlen vermeiden; die Wahlperiode könne man ruhig erst zu Ende gehen lassen. Seine Fraktion werde sich die Stellung zu Vorlage noch vorbehalten; ihr Grundsatz sei, den Wünschen der Bevölkerung nach Möglichkeit zur Verwirklichung zu verhelfen. 1 Abg. üller⸗Franken (Wirtschaftl. Vereinig.) erklärt, das Sprichwort „Was lange währt, wird gut“ scheine 28 nicht zuzu⸗ reffen. Beim Wahlrecht müsse man das 25. Lebensjahr festlegen. Man solle die Jugend nicht zu früh in den Strudel der politischen Betätigung hineinziehen. (Lebhafte Unterbrechungen bei den Kom⸗

munisten.) Die ganze häßliche Form des Antisemitismus wäre nicht

möglich, wenn nicht schon auf der Schüule mit der Hetzerei begonnen würde. Bezüglich des Wahlkörpers sei seiner Partei das Zwei⸗ lieber, weil es Stabilitätsmomente in sich trage. Den VIIö lehnt der Redner ab. Wirtschaftlich

emeinden nur nach ganz. präͤßise ausgearbeiteten Richt⸗

aat irgendeinen r Konkurrenz Stadt, Handel und Gewerbe seien Heute l

Vermieden müsse aber werden, daß der S

Partei stark für die Selbstverwaltung ein.

würde aber mit dem Begriff Selbstverwaltung ebensoviel Unfug

etrieben wie früher mit der Gewerbefreiheit. (Sehr richtig! rechts.) hie Selbstverwaltung der Gemeinden sei durch die Erzbergersche Steuerreform stark gefährdet worden.

Die Weiterberatung wird dann durch Abstimmungen

unterbrochen. Es handelt sich um die Anträge des Geschäfts⸗

Genehmigung zur Strafver⸗

ordnungsausschusses, die h en Abgg. Keller⸗

der kommunistis

Kirche zu erteilen. In namentlicher Ab⸗ stimmung wird mit 186 gegen 137 Stimmen bei drei Ent⸗ altungen beschlossen, die Strafverfolgung des Abg. Keller⸗

) wegen Gotteslästerung zu erteilen. (Lebhafte Kundgebungen links und Rufe nach rechts: Pfaffengesindel!

Fe eah usw.) Gegen die Genehmigung der Strafver⸗

olgung stimmten Kommunisten, Sozialdemokraten und De⸗

mokraten. Der Strafverfolgung des Abg. Lademann (Komm.)

wegen Beleidigung der Kirche wird gegen die Linke zugestimmt. In der hierauf fortgesetzten Debatte über die Stä dte⸗

ordnung nimmt der

Abg. Danicke (Pölk.) das Wort, wird aber durch die anhaltende

Feüesee der Linken üͤber den Ausgang der Abstimmungen, die sich in R

ufen nach rechts wie: Pfaffenvolk! und Gesindel! äußert, fort⸗ Redner betont, daß seine Partei 8 die Er verurteilt, daß wenig Rücksicht auf die Grenzen der Kreise und Provinzen genommen werde und lehnt die Vorlage ab. Abg. Brecour (Soz.) meint, aus der Debatte habe sich er⸗ geben, daß kaum eine Partei mit der Vorlage zur Städteordnung Wenigstens sei die Grundlage der Selbst⸗

unterbrochen.

lichen Selb⸗ Die Sozialdemokraten würden alle ver⸗ Anträge auf Aenderung der Wahl⸗ Dann fordert der Redner das Ein⸗ hammersystem, die Bürgermeistereiverfassung, die die Verant⸗ wortung der Stadtverordnetenversammlung eindeutig festlege. Demgegenüber sei der Magistrat ein anonymes Gremium, in dem der einzelne verantwortungslos arbeiten könne. Das Be⸗ stätigungsrecht des Staates sei überflüssig. Den schlimnisten Ein⸗ griff in die Selbstverwaltung erblickt der Redner in den Be⸗ stimmungen der Vorlage für die wirtschaftliche Betätigung der Ge⸗ meinden. Diese Bestimmungen seien einengend und e- und

erweckten den Eindruck, als ob man die private Ausbeutung wolle.

Sehr richtig! links.) Der Redner 85* schließlich ie Einwände gegen das vorgesehene Bürgerschaftsbegehren ab. Der Bürgerschaftsentscheid solle der Gemeindebevölkerung die Mög⸗ Uichkeit der politischen Kontrolle und Korrektur ihrer Verwaltung

ben und sei die einzige Bestimmung, die in der Vorlage über die isherigen Zustände in bezug auf Demokratie hinaustvage. Die eebee würden sich ihre Stellungnahme zur Vorlage in

offenen

kappten und ablehnen.

8 1¹““ 11“

Abg. Dörr (Komm.,) sieht in der Vorlage den Versuch, glaub⸗ haft zu machen, daß ohne Finanzhoheit bei den Gemeinden über⸗ haupt von Selbstverwaltung gesprochen werden könne. Die Ein⸗ gemeindungsbestimmungen seien auch in der neuen Städteordnung dügehalen daß der Wille der Minderheit der Unternehmer allein

timmend sich durchsetzen könne. Dagegen fehle in der Städte⸗ ordnung die wichtige Bestimmung, daß die Gemeinden das Recht aben, Unternehmen, die ein wirtschaftliches Bedürfnis der Mehr⸗ eit der Einwohnerschaft zu befriedigen haben, zu kommunalisieren. Sehr richtig! bei den Kommunisten.) Die Kommunisten würden die gegenwärtige mangelhafte Städteordnung, die eine Bevor⸗ rechtung der Besitzenden enthalte und den Arbeitern die letzte Mit⸗ bestimmung über die Verwaltung nehme, ablehnen.

Abg. Houxtz (Dem.) bemerkt, es gelte die Methode der wirt⸗ chaftlichen Betätigung der Gemeinde zu finden, die am besten gegen Sozialisierung und Kommunalisierung und zu⸗ gleich fördernd für die Interessen des Mittelstandes sei; der demo⸗ ratische Antrag zu dieser Frage erfülle diese Bedingungen mit seiner Berufung auf die einschlägigen Bestimmungen der Reichs⸗ verfassung. Verlangt müsse werden, daß in der Vorlage be⸗ stimmtere Vorschriften über Veröffentlichungen über den Stand der wirtschaftlichen Unternehmen der Gemeinden enthalten sind, die doch privatwirtschaftlich geführt werden sollen.

Damit schließt die allgemeine Aussprache; die Ab⸗ stimmungen über die angefochtenen Paragraphen sollen Mon⸗ tag oder Dienstag erfolgen.

In der Einzelberatungfindet der nicht angefochtene § 1 Annahme. Er bestimmt, 80 die Städte öffentlich⸗recht⸗ liche Körperschaften sind und unter eigener Verantwortung die ihnen obliegenden oder freiwillig übernommenen Au gaben (Selbstverwaltungsangelegenheiten) und die ihnen auftrags⸗ weise übergebenen Angelegenheiten verwalten. 3 ist nicht r“ und wird daher angenommen. Er besagt: „Zum Gebiete einer Stadt gehören alle Grundstücke, die ihm bisher angehört haben.“

Dagegen entwickelt sich eine größere Debatte über den § 4 der Vorlage, der die Frage der Eingemeindung regelt. Danach kann eine Stadt mit einer anderen Gemeinde oder mit Teilen einer anderen Gemeinde nach Anhörung der Vertretung der beteiligten Gemeinden usw. vereinigt werden. Veränderungen der Grenzen des Stadtgebiets bedürfen nach dem Ausschußbeschluß über § 4 eines Gesetzes, wenn hier⸗ durch die Grenzen eines Stadt⸗ oder Landkreises verändert werden; sie bedürfen eines Beschlusses des Staatsministeriums, wenn eine Gemeinde ganz aufgelöst oder eine neue Gemeinde eschaffen wird und sie bedürfen in allen übrigen eines Beschlusses der Beschlußbehörden. Außerdem sollen die zu⸗ ständigen Körperschaften der Gemeinden vor Grenzänderungen gehört werden.

Die Abgg. Maretzky CSD. Nat.) und v. Eynern (D. Vp.) begründeten hierzu Aenderungsanträge, die von Ministerialdirektor Mulert als Verschlechterungen bezeichnet und für die Regierung abgelehnt wurden. Dagegen sprach sich der Regierungsvertreter für einen sozialdemokratischen Aenderungsantrag aus, der vom Abg. Haas begründet wurde und verhüten will, daß für jede kleinste Grenzänderung ein Gesetz erfovderlich ist. Der Abg. Schmiljan (Dem.) sprach sich für die Ausschußfassung aus.

§ 4 gehört zu den angefochtenen Paragraphen, wird also erst später durch Abstimmung erledigt werden.

In der weiteren Aussprache fordert

Abg. v. Eynern (D. Vp.), da bei Eingemeindungen die Ausführung des Auseinandersetzungs eschlusses von der e zu überwachen sei und daß ein Beschwerderecht gegen Nicht⸗ erfüllung des Beschlusses gegeben werde, wenn es durch Volks⸗ begehren gewünscht wird.

Abg. Leid (Soz.) verlangt, daß das Recht der Benennun von Straßen und Plätzen nicht durch Ortsstatut, sondern dur einen Gemeindebeschluß ausgeübt werde, und daß die Bestimmung auch für die Stadt Berlin gelten folle, daß also nicht das Staats⸗ ministerium, wie früher der König, hier mitzusprechen habe.

Die Kommunisten wollen die Stadtverordnetenversammlung allein zuständig sein lassen.

Abg. v. Eynern (D. Vp.) macht aufmerksam darauf, daß hier nicht nur Gemeindeinteressen, sondern auch politische und Ver⸗ kehrsinteressen in Frage stünden. Doppelbenennungen müßten vermieden werden. Auch habe es Bedenken, wenn man die Straßen nach politischen Einstellungen benenne, das könne dazu führen, daß alle vier Jahre 7 traßen umgetauft würden.

Abg. Dr. Maretzky (D. Nat.) wendet sich insbesondere gegen die Einbeziehung von Berlin; dem Staat sei auf jeden Fall eine Mitwirkung zu sichern.

Hierauf vertagt der Landtag bei § 17 die weitere Einzel⸗ beratung auf Freitag, 12 Uhr. Außerdem kleine Vorlagen und Anträge.

Schluß nach 5 Uhr.

Parlamentarische Nachrichten.

Im Haushaltsausschuß des Reichstags wurde am 2. Februar die Beratung des Etats des Auswärtigen Amts fortgesetzt. Reichsminister des Auswärtigen Dr. Strese⸗ mann nahm dem Nachrichtenbüro des Vereins deutscher Zei⸗ tungsverleger zufolge das Wort zu Ausführungen die nach Durch⸗ sicht des Berichts veröffentlicht werden. Auf eine Anfrage es kom⸗ munistischen Abgeordneten Stoecker, ob irgendwelche amtlichen Schritte von dem Minister des Auswärtigen unternommen worden jeien, um die Oeffentlichkeit bei dem Fememordprozeß auszu⸗ schließen, gab Reichsminister Dr. Stresemann eine Erklärung ab, die ebenfalls nach Durchsicht des Berichts veröffentlicht werden wird. e von Schubert beantwortete die gestrigen Fragen bezüglich der französischen eAA. on in vertraulichen Ausführungen und erklärte, daß selbstverständlich die deutschen Behörden, wo e eine Werbetätigkeit der Fremdenlegion feststellen, derselben mit allen gesetzlichen Mitteln entgegentreten. In der Einzelberatung wurde die im Etat beantragte Erhöhung der Zahl der Dirigenten von fünf auf acht auf Veranlassung des Abgeordneten D. Dr. Schreiber (Zentr.), mit der Begründung abgelehnt, daß jede abschwächende Stellung der Vor⸗ tragenden Räte als abwegig bezeichnet werden müsse. Eine a Aussprache entspann sich dann über die Reichs⸗ zentra efür Heimatdienst, von deren Etatsposition auf Antrag der Deutschnationalen 500 000 Reichsmark gestrichen werden sollten. Abg. Dr. Schreiber (Zentr.) wünschte, daß die Reichszentrale für Heimatdienst erhalten bleibe. Durch den parla⸗ mentarischen Beirat würde die Reichszentrale stets kontrolliert. Die Abgg. Stoecker (Komm.) und v. Graefe (Deutschvölk. behaupteten, daß die Reichszentrale für Heimatdienst ledigli parteipolitisch arbeite und deshalb von der Bildfläche verschwinden müsse. Auch Abg. Dr. Spahn (D. Nat.) äußerte Bedenken gegen die Tätigkeit der Reichszentrale für Heimatdienst. Durch Be⸗ willigung so großer Mittel würde jede der Regierung oppositionelle

olitische Richtung von vornherein zur Unterdrückung verurteilt sein. Abg. Freiherr v. Rhein baben (D. Vp.) machte darauf aufmerksam, daß von den Mehrforderungen für das Eer;⸗ richtenwesen im Inland die Reichszentrale für Heimatdienst nicht alles profitiere, sondern, daß ein Teil der Summe auch anderen Zwecken zugute komme. Auch sei im parlamentarischen Beirat der Reichszentrale stets ein deutschnationaler Abgeordneter gewesen, der doch die Maßnahmen der Reichszentrale bisher gebilligt habe. Deshalb sei die deutschnationale Kritik nicht zu ver⸗ stehen. In der Abstimmung wurde von der Mehrheit des Ausschusses der auf Streichung von 500 000. eichsmark

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hinzielende Antrag abgelehnt. Abgelehnt wurde ein kommunistischer Amrag, die Kosten für den deutschen Botschafter beim- Vatikan in Rom zu streichen. Auf die gestrige Anfrage, wie viele de utsche Kriegsgefangene noch in Frankreich und Rußland zurückgehalten werden, erwiderte Staatssekretär v. Schubert: In franzöjischen Händen befinde sich nach sorgfältigen Ermittlungen nur noch ein deutscher Kriegsgefangener namens Hoppe, der vor Friedensschluß von einem 5 Kriegsgericht wegen Raubmordes an zwei Ziyilisten zum Tode verurteilt worden G Gegen das Urteil seien offenbar edenken nicht zu erheben. oppe sei zu lebenslänglicher Zwangs⸗ arbeit begnadigt worden auf dringende Vorstellungen der Deutschen Regierung und verbüße seine Strafe in Cayenne. Ein soeben ein⸗ Gnadengesuch der Mutter Hoppe's werde der franzosischen Regierung befürwortend weitergegeben. Die Meinung, als befänden sich noch zahlreiche Kriegsgefangene in französischen Händen gehe darauf zuruͤck, daß die Zahl der Vermißten sehr hoch sei und häufig von Betrügern deren Angehörigen vorgespiegelt werde, daß sie mit der Uebermittlung von 2 eiesten eines heimlich zurückgehaltenen Verwandten beauftragt seien. Bisher habe sich noch stets ergeben, daß es sich dabei um Betrügereien handele. Wie viele deutsche Kriegsgefangene sich noch in Rußland befänden, darüber sei die Er⸗ mittlungstätigkeit anserer Vertretungen, insbesondere der Konsulate in Nowo⸗Nikolajewsk und Wladiwostok, noch nicht abgeschlossen. Der Konsul in Nowo⸗Nikolajewfk berichte, daß von den Autonomen Re⸗ ubliken der Kiꝛgisen. Jakuten und Burjätmongolen und aus dem ralgebiet die über die dort befindlichen Deutschen eingeforderten Listen von den Sowietbehörden noch nicht eingegangen seien. Seitens der Botschaft in Moskau und aller Konfulate seien die umfassendsten Maßnahmen getroffen, um die Kriegsgefangenen. zu ermitteln und heimzuschaffen, wobei die Sowjetbehörden bereitwilligst Unterstützung ewährten. Man könne sagen, daß die Möglichkeit, auf Reichskosten eimgeschafft zu werden, jetzt jedem Kriegsgefangenen bekannt sei, und daß diejenigen, die sich noch in Rußland aufhielten, dort bleiben wollten. Unter diesen seien Leute, die trotz aller Bitten ihrer An. sebörige (Frauen und Kinder von der Heimschaffungsmöglichkeit Leinen Gebrauch machen wollten. In einzelnen ällen hätten Ge⸗ fangene sogar jeden Schriftwechsel mit dem Konsulat abgelehnt. Hier· nach halte sich unfreiwillig kaum noch ein Kriegsgefangener in aß⸗ land auf. Die Zahl der Kriegsgefangenen, die freiwillig in Rußland geblieben seien, asse sich nicht. angeben.ü Bei dem Etatstitel, der die deutschen Sachverständigen im Rahmen des Auswärtigen hehandelt, wurde eine Ent⸗ schließung des Abg. Hoch (Soz.) angenommen, worin die Regie⸗ rung ersucht wird, die Zahl der Sachverständigen zur Förderung der Sozialpolitik zu vermehren. Abg. D. Dr. Schreiber (Zentr. wünschte Verständnis für die internationale Kulturpolitik. Deutscher Einfluß im Ausland könne nicht militärisch gemacht, sondern müsse wirtschaftlich und kulturell gefördert werden. Die Kulturpolitik deutscher Gelehrten solle lich dem Ausland nicht 128 drängen, dürfe aber auch keine Möglichkeit der Einflußnahme sich entgehen lassen. Abg. Dr. Spahn (D. Nat.) war nicht der Mei⸗ nung, daß die Vertreter der deutschen Geisteswissenschaft einen internationalen Zusammenschluß durchaus nötig hätten. Es würde seines Erachtens den deutschen Geisteswissenschaften nicht schaden, wenn sie einmal 20 30 Jahre auf eigenem Boden wüchsen. Abg. Dr. Breitscheid (ESoz.) wandte sich hiergegen. Es sei nicht einzusehen, daß eine neheran der Wissenschaft dienlich sein könne. Wir sollten uns zu ausländischen Kongressen nicht drängen, wenn wir nicht gern 8 würden, aber wir hätten keinen Grund, uns abzuschließen. Fm weiteren Verlauf der Sitzung beantragten die Vertreter der deutschvölkischen und der kommunistischen Partei die Streichung der Beihilse für die deutsche Liga für den Völterbn nd. Der Streichungsantrag wurde abgelehnt. An⸗ nommen wurden folgende Anträge D. Dr. Schreibe r 8 Zentr): Die Reichsregierung wird ersucht 1. dem Reichstage all⸗ jährlich einen Geschäftsverteilungsplan des Auswärtigen Amts mit sämtlichen Reseraten und Dienststellen sowie mit sämflichen darin eren Beamten und Angestellten vorzulegen; 2. daß in der Abter ung VI des Auswärtigen Amts die internationalen Be⸗ iehungen auf dem wissenschaftlichen und sozialen Gebiet eine um⸗ sassende Beacbeitung finden; 3. eine Den chrift über den Stand der Auslandskrankenhäuser vorzulegen und 4. die besoldungsrecht⸗ liche Stellung der mittleren Beamten des Auswärtigen Amts dar⸗ auf nachzuprüfen, daß ein leistungsfähiger Nachwuchs gesichert bleibt. Damit war der Etat des Auswärtigen Amts erledigt, und der Ausschuß vertagte sich auf Mittwoch.

In der vom Haushaltsausschuß des Reichstags am 9. Februar fortgesetzten Beratung des Haushalts des Reichsverkehrsministeriums wurde zu den Personal⸗ titeln auf Antrag des Unterausschusses die Entschließung ange⸗ nommen, die Reichsre ierung zu ersuchen, den Bedarf an plan⸗ mäßigen und außerp. anmäßigen Beamten für das Vertehrs⸗ ministerium nachzuprüfen und dem Ausschuß vom Ergebnis vor der dritten Etatsberatung Mitteilung zu machen. Zu den Be⸗ soldungen des Reichswasserschutzes wurde eine Entschließung an⸗ genommen, wonach die Zahl des Personals des? eichswasserschutzes nochmals geprüft werden soll. Abg. Torgle (Komm.) für⸗ wortete einen Antrag seiner Partei, den eichswa serschutz ganz aufzuheben. Es seien nicht mehr solche ncheren Zustände auf den Wasserstraßen vorhanden daß diese Institution aufrechterhalten werden müsse. Man könnte sie höchstens als Abwehr gegen den inneren Feind ansehen „Zur Aufrechterhaltung der ordnung auf den Wasserstraßen und zur Vermeidung von Unglücksfällen seien keine schweren Maschinengewehre nötig. Reichsverkehrsminister Dr. Krohne erwiderte, daß die Aufrechterhaltung des Wasser⸗ schutzes dringend notwendig und namentlich von den Hafenstädten Hamburg usw. durchaus gewünscht werde. Gegen die Arbeiter sei der Reichswasserschutz niemals eingesetzt worden. Die Entente habe keinerlei Einwendungen gegen den Reichswasserschutz erhoben. In die Schupo könne der Reichswasserschutz nicht über eführt werden. Abg. Ersing (Zentr.) meinte unter Hinweis darauf, daß in Süddeutschland der Reichswasserschutz nicht bestehe, auch in Nord⸗ deutschland könne er zu vier Fünfteln abgebaut und durch reine ersetzt werden. Er werde heute den Antrag

orgler ablehnen, bitte aber die Regierung um eine neue Vorkage über den Abbau des Reichswasserschutzes. Reichsverkehrsminister Dr. Krohne konnte einen solchen Abban erst in Aussicht stellen, wenn die Organisation der Reichswasserstraßenverwaltung ge⸗ schaffen sei, dann könnte der Wasserschutz mit dieser Verwaltung in Verbindung gebracht werden. Abg. Dr. Cremer (D. Vp.) warf die Frage auf, wie der Wasserschutz in anderen Staaten geregelt sei, und meinte, daß Personal erfpart werden könne. Abg. Torgler (Komm.) bezeichnete den Reichswasserschutz als eine reaktionäre Einrichtung zur Versorgung von Offizieren. Reichs⸗ verkehrsminister Dr. Krohne bemerkte, daß, 88472 von Holland auch in England eine Strompolizei bestehe. Die be oße Ein⸗ richtung der Strommeister genüge z. B. nicht auf der Elbe zur Be⸗ kämpfung des Schmuggels. Der Antrag Torgler wurde abgelehnt. Auch ein Antrag Ersing (Zentr.), die Dispostitionen für den Reichswasserschutz als „künftig wegfallend“ zu bezeichnen, wurde gegen die Stimmen des Zentrums, der Demokraten und Kommu⸗ nen abgelehnt. Beim Kapitel Reichsbahn betonte der Bericht⸗ erstatter Abg. Dr. Quaatz (D. Nat.) die Notwendigkeit, den Ein⸗ fluß des Reiches in der Reichsbahnverwaltung genügend zu sichern. Sehr wichtig sei die Bilanzprüfung durch die Reichsstellen. Die Reichsbahnverwaltung habe sich auf den merkwürdigen Standpunkt gestellt, daß sie nur die Abschlußbilanz vorzulegen brauche, aus der natürlich nichts Wesentliches zu ersehen sei. Das Reich müsse aber sein Recht der Ueberwachung der Substanzerhaltung bei der Reichs⸗ bahn betonen und zu diesem Zweck die nötigen Auskünfte einholen. Das leichtsinnige Verhalten der deutschen Dawes⸗Unterhändler räche sich aber jetzt noch dadurch, daß das Reich die 1I Aus⸗ kunftserteilung seitens der Reichsbahngesellschaft selbst tragen müsse. Die Finanz⸗ und Personalpolitik der Reichsbahngesell⸗ schaft bedürfe schärfster Kritik. Sie zahle den leitenden Direktoren das Doppelte der bei der Reichsverwaltung üblichen Gehälter. Dabei würden Repräsentationsausgaben in unerhörter Höhe sür

macht. Da würden in Hinterpommern Bierabende gegeben 3600 Mark. Waschtische für leitende Beamte zum Preise von 8000