Alufgabe sein, darüber näher zu sprechen. Ich wollte nur die Bitte aussprechen, daß nicht Festlegungen nach der einen oder andern Richtung vor Vorlegung des Gesetzentwurfs schon erfolgen.
Dann ein allgemeines Wort zur Eisenbahnfrage. Ich glaube, es hat nur dieser Debatte bedurft, um die Schwierigkeit der Situation des Verkehrsministers darzulegen. Ich bekomme von der einen Seite die allerschwersten Angriffe, und von der anderen Seite fühle ich durch, ob nicht doch vielleicht eine stärkere Deckung der Reichsbahn hätte stattfinden können. Welche Stellung ich zwischen diesen beiden Polen einnehmen soll, kann ich natürlich nur nach ganz rein sachlichen Gesichtspunkten entscheiden, und ich glaube, in den Ausführungen, die ich im Haushaltsausschuß und hier gemacht habe, mich auf diesen rein sachlichen Boden gestellt zu haben. Ich habe von dem, was ich im Haushaltsausschuß und hier ausgeführt habe, nicht das geringste auf Grund der Debatte, wie sie bisher gelaufen ist, einzuschränken.
Wenn ich dann zu den Ausführungen der einzelnen Herren Abgeordneten übergehen darf, so möchte ich dem Herrn Abgeord⸗ neten Schütz erwidern, daß er sich im Irrtum befindet, wenn er glaubt, daß ein Abbau im Reichsverkehrsministerium nicht statt⸗ gefunden habe. Der Abbau ist im Reichsverkehrsministerium unter dem Reichssparkommissar genau so vorgenommen worden wie bei anderen Ministerien auch und ist seit einem Jahr bereits beendet.
Dann hat der Herr Abgeordnete Schütz allerlei schwere Vorwürfe gegen mich gerichtet, bezüglich deren ich es aufgebe, ihn von ihrer Haltlosigkeit zu überzeugen. Aber vielleicht gelingt es mir doch mit einem Vorwurf. Er hat mir ganz sicher unrecht getan, wenn er behauptet, daß die reaktionäre Färbung meiner Person und meines Ministeriums auch dadurch zum Ausdruck komme, daß ich nicht ge⸗ nügend für Wasserstraßenbauten sorge. (Hört, hört! und Heiterkeit.) Meine Damen und Herren, ich stehe innerhalb der Reichsregierung und auch sonst viel eher in dem Rufe eines — ich will nicht gerade sagen wilden Kanalbauers, aber eines Mannes, der der Auf⸗ fassung ist, daß trotz der schwierigen Wirtschaftsverhältnisse auch im Stadium der Vorbereitung alles getan werden muß, um im richtigen Moment an die Wasserstraßenbauten heranzugehen, und ich glaube, behaupten zu dürfen, daß diese Vorbereitungen durchaus getroffen worden sind. Es handelt sich ja nicht darum, Herr Ab⸗ geordneter Schütz, mit einer großen Handbewegung einen Betrag von 145 000 Mark auf 13 Millionen an einer Stelle zu erhöhen, wo ich ihn überhaupt gar nicht verbauen kann, sondern es handelt sich darum, daß ich auf einem wirtschaftlich erträglichen und möglichen Weg zur gegebenen Zeit Mittel beschaffe, um ein enges Wasser⸗ straßenprogramm durchzuführen. Ich habe im Hauptausschuß er⸗ klärt, daß das durchaus mein Wille und meine Absicht sei, und ich habe die Zustimmung des gesamten Hauses gefunden, daß man der⸗ artige Bauten nur auf dem Anleihewege vornehmen dürfe, und die Frage ist eben: War bisher der Zeitpunkt für Anleihen — es kamen ja nur auswärtige Anleihen in Frage — gekommen oder nicht? Nach den nunmehr 2 ¼ Jahre laufenden Untersuchungen und Verhandlungen, die wir angestellt haben, muß ich allerdings sagen, daß dieser Augenblick bisher nicht gekommen war; denn die Bedingungen ließen davor zurückschrecken, weil wir mit 10, 11, 12 und 13 vH bei langfristigen Anleihen rechnen mußten. Jetzt ist vielleicht die Möglichkeit vorhanden, solche Anleihen zu finden, und ich werde der letzte sein, der etwa Kanalbauten hemmend in den Weg treten wird.
Zu den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Wieland möchte ich folgendes bemerken: Was die Eröffnungsbilanz anlangt, so liegt sie erst seit kurzem vor und wird von uns und dem Reichs⸗ finanzminister einer eingehenden Prüfung unterzogen. Dabei werden wir die Gesichtspunkte, die Herr Wieland aufgestellt hat, berücksichtigen. In einem kann ich ihm schon jetzt durchaus zu⸗ stimmen, daß wir unter allen Umständen eine Inventur verlangen müssen. Zu dieser Auffassung sind wir aber nicht jetzt erst ge⸗ kommen, sondern wir haben das ganze Jahr hindurch stets von der Reichsbahnverwaltung verlangt, daß eine Inventur aufgestellt werden müsse, und eine solche ist auch in Angriff genommen worden. Daß das eine sehr große Arbeit ist, ist klar und braucht nicht näher auseinandergesetzt zu werden.
Was dann die Tariffrage anlangt, so hat der Herr Abgeordnete Wieland grundsätzlich dem Gedanken zugestimmt, daß man der Reichsbahnverwaltung die Waffe des Durchfuhrtarifs nicht aus der Hand schlagen dürfe. Aber mit diesem Durchfuhrtarif hängt es natürlich zusammen, daß ausländisches Kupfer nach der Schweiz
billiger gefahren wird als nach Deutschland; denn wenn man das nicht täte, würde das Kupfer eben doch nach der Schweiz billig kommen, und zwar auf dem Umweg über Frankreich, und das will ja gerade die Eisenbahn verhindern.
Ich werde mir erlauben, dem Herrn Abgeordneten Wieland noch über die einzelnen Fragen, die er hinsichtlich der Tarife gestellt hat, schriftlich Auskunft geben zu lassen.
Was die Wagengestellungsfrage anlangt, so stimmen, glaube ich, die Zahlen auch nicht ganz, die Herr Wieland angeführt hat. Er sagte, daß die Wagenstandsgelder jetzt für 24 Stunden 6 Mark betrügen. Die Sätze sind jetzt folgende: in den ersten 24 Stunden 2 Mark, in den zweiten 4 Mark und für jede weitere 24 Stunden 6 Mark, also für die weiteren, nicht für die ersten! während im Frieden die Einheitssätze 2, 3 und 4 Mark betrugen, statt jetzt 2, 4 und 6 Mark.
Was dann die allgemeine Finanzlage der Reichsbahn anlangt, so werden wir dem hohen Hause entweder im Verkehrsausschuß oder besser im Haushaltsausschuß, sowie uns der Abschluß vorliegt, eine eingehende Darlegung geben. So, wie die Sache jetzt liegt, werde ich mich wohl hüten, hier irgendwelche Angaben zu machen, bevor ich nicht ein vollständiges Bild aus dem vorgelegten Abschluß habe.
Dann hat der Herr Abgeordnete Wieland gefragt, wie es mit der Unterstützung des Reichs für Bestellungen durch die Reichsbahn sei. Die Sache liegt so, daß elwa 50 Millionen vom Reich zur Ver⸗ fügung gestellt werden gegen Ueberlassung von Vorzugsaktien und daß mit diesen 50 Millionen die Reichsbahn in der Lage ist, Be⸗ stellungen herauszugeben. Mein Wunsch kann nur der sein — und nach der Richtung drücke ich auch —, daß diese Bestellungen möglichst“ schnell hinausgegeben werden. Die Verhandlungen, die darüber mit der Reichsbahn geführt worden sind, stehen vor dem Abschluß.
Dann hat der Herr Abgeordnete Wieland den leisen Tadel ausgesprochen, daß ich über eine Reihe von Fragen, die er oder andere Mitglieder des Hauptausschusses gestellt hätten, nicht ge⸗ nügend Auskunft gegeben hätte Das waren Fragen, die auf technischem Gebiet lagen. Ich glaube, daß ich an der Nichtbeant⸗
wortung dieser Fragen nicht schuld bin; denn die Damen und
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Herren werden sich erinnern, daß der Haupbausschuß schließlich sehr schnell meinen Etat beendete (sehr richtig! in der Mitte) und daß der Hauptrahmen der Unterhaltungen sich dort eigentlich nur auf Klagen bezog, welche gegen die Reichsbahn in ihrer äußeren Ge⸗ barung erhoben wurden, und daß darunter die sachlichen Punkte, welche von dem Herrn Berichterstatter in seinem grundlegenden Bericht vorgetragen wurden, in ihrer weiteren Auswirkung etwas zu kurz kamen. Ich habe dann diese Punkte der Werkstätten, des Oberbaus, der Brückenverstärkung, der Elektrisierung am Sonn⸗ abend ganz kurz gestreift, weil ich glaubte, daß hier im Plenum vielleicht nicht der Ort wäre, auf diese Punkte näher einzugehen. Es wird aber, nachdem der Wunsch geäußert ist, unmittelabr nach mir mein Herr Mitarbeiter, der technische Ministerialdirektor, den Herren eingehende Auskunft über diese Punkte geben.
Meine Damen und Herren, was die Frage des Unglücks in dem Brandleithe⸗Tunnel angeht, so bin ich auch heute nicht in der Lage, ein abschließendes Urteil darüber abzugeben, wo die Schuld⸗ frage liegt. Ich werde auch darüber noch einige Auskunft, soweit sie mir seit Sonnabend zugegangen ist, Ihnen übermitteln.
Dann hat der Herr Abgeordnete Wieland über die Frage der Besetzung der Verwaltungsratsstelle gesprochen. Ich stimme ihm für meine Person grundsätzlich darin bei, daß es sich hier um Er⸗ setzung eines aus der Wirtschaft stammenden Herrn durch einen Herrn aus der Wirtschaft handeln muß. Grundsätzlich bin ich mit Ihnen vollständig einverstanden, Herr Abgeordneter Wieland. Ich bin aber nicht in der Lage, mehr zu sagen, weil hier zunächst ein Vorschlagsrecht von Preußen besteht und die preußische Staats⸗ regierung sich noch nicht abschließend dem Reich gegenüber ge⸗ äußert hat, wie sie es ausüben will.
Dann hat der Herr Abgeordnete Wieland von der Beteiligung der Reichsbahn an Gesellschaften gesprochen und hat hier ein Ver⸗ zeichnis vorgetragen. Ich weiß nicht, ob hier ein Irrtum vorliegt. Dieses Verzeichnis war vom Haushaltsausschuß angefordert worden und sollte die Beteiligung des Reichs an Gesellschaften dartun. (Sehr richtig! im Zentrum.) Es ist also nicht ein Verzeichnis für die Beteiligung der Reichsbahn an Gesellschaften. Unmittelbar be⸗ teiligt ist die Reichsbahn nur an einer Kraftverkehrsgefellschaft, und zwar an der Rheinischen Kraftverkehrsgesellschaft. Weitere Be⸗ teiligungen der Reichsbahn liegen nicht vor. Es besteht nur durch eine Dachgesellschaft eine Verbindung zwischen Reichsbahn und der
Kraftverkehrsgesellschaft Deutschland, um die Transporte gegen⸗
einander abzustimmen.
Was die Beteiligung des Reichs an den Luftverkehrsgesell⸗ schaften angeht, so wissen die Herren ja, daß aus technischen und aus wirtschaftlichen Gründen der Zusammenschluß der beiden großen bestehenden Gesellschaften unter Einbeziehung der Unter⸗ organisationen, die noch in den Ländern bestanden, vorgenommen worden ist. Ich kann auch hier dem Herrn Abgeordneten Wieland zustimmen, daß wir durchaus der Meinung sind, daß nicht eine Monopolisierung durch das Reich vorgenommen werden soll, im Gegenteil, wir werden uns, wenn sich das Reich beteiligt, zu⸗ sammen mit den Ländern auf eine ziemlich geringe Quote be⸗ schränken, so daß dem freien Wettbewerb vollständiger Auslauf ge⸗ stattet ist. Die nötige Einflußnahme des Reichs ist hier ja durch die Subventionen gesichert, weil ohne Subventionen ein Luftverkehr heutzutage noch nicht möglich ist.
Dann hat der Herr Abgeordnete Wieland seine Verwunderung darüber ausgesprochen, daß noch keine näheren Ergsbnisse aus der Studiengesellschaft herausgekommen wären, welche den Straßen⸗ oberbau für Kraftwagen untersucht. Der Grund liegt — ich bin nicht Techniker, aber soweit ich mich habe unterrichten lassen — darin, daß es sehr langewährende Versuche sein müssen. Die Automobile fahren jetzt seit einem halben Jahr dauernd auf der Straße, mit verschiedenen Geschwindigkeiten, verschiedener Be⸗ reifung uswwv., und man will erst über eine lange Fahrtdauer auf den einzelnen Bahnen mit den verschiedenen Wagen, Geschwindig⸗ keiten, Belastungen usw. verfügen, um zu einem Urteil zu kommen. Ich bin aber durchaus bereit, auf Grund der hier erfolgten An⸗ mahnung noch einmal nachzufragen, wie die letzten Ergebnisse sind, und kann das vielleicht im Verkehrsausschuß mitteilen.
Dann ist noch über die Steuer bei den Automobilen gesprochen und gefragt worden, ob es nicht richtiger sei, eine Reifenstener ein⸗ zuführen. Da muß ich, Herr Abgeordneter Wieland, zunächst ein⸗ mal, wenn ich so sagen darf, den Ball etwas zurückwerfen. Ich habe ja schon das letztemal gesagt, daß wir uns eifrig bemüht hätten, eine einwandfreie Steuerart herauszubekommen, und daß der von allen Seiten des Hauses gewünschte und begrüßte Beirat für das Kraft⸗ fahrwesen sich sehr, sehr eingehend mit dieser Frage beschäftigt, aber letzten Endes uns doch geraten hat, wir sollten es vorläufig bei der jetzt bestehenden Steuerform bewenden lassen, namentlich da auch die Fragen der Reifensteuer, der einfachen Belastung, des Gewichts des Wagens eine Rolle spielen.
Dann hat der Herr Abgeordnete Mollath mich gefragt, wie es eigentlich möglich sei, daß so große Abgaben an Beiträgen aus Ge⸗ wässern, speziell hier in der Mark, erhoben würden. Das ist eine alte Klage. Wir sind an der Sache nur ganz wenig beteiligt. Meist sind es die Länder — hier also Preußen — und die Gemeinden, die hier beteiligt sind. Ich wäre dankbar, wenn mir Einzelfälle auf diesem Gebiet mitgeteilt würden. Ich erinnere mich, daß wir vor Jahresfrist darüber verhandelt haben, von unserer Seite mit dem. Endziel, diese Beiträge herunterzudrücken, und daß wir dabei als Reich mit gutem Beispiel vorangegangen sind.
Wenn der Herr Abgeordnete Mollath weiter gebeten hat, bei der Vergebung der Bauten für die Schutzpolizei für kleine Lose zu sorgen, so werde ich das sehr gern bei der Reichsbauverwaltung veranlassen und hoffe dann, einen besseren Abgang beim Handwerk zu finden, als ich das neulich in anderer Gestalt gefunden habe.
Was die Bahnhofswirtschaften angeht, so ist vieles von dem,
was der Herr Abgeordnete Mollath vorgetragen hat, richtig. Ich
stehe auch auf dem Standpunkt, daß es nicht angeht, daß die Ver⸗ kaufszeiten, welche durch Gewerbepolizeiverordnung festgelegt sind, von Verkaufseinrichtungen auf üFöhöfen überschritten werden, welche nicht nur Reisebedürfnisse befriedigen. Ich glaube aber, Herr Abgeordneter Mollath, daß diese Sache schon auf gutem Wege ist. Wir haben durch Verhandlungen mit der Reichsbahnverwaltung erreicht, daß ein entsprechender Erlaß an die Direktionen ergangen ist, wonach die Verkaufsstellen von Waren, die über das reine Reise⸗ bedürfnis hinausgehen, den sonstigen Verkaufszeiten unterliegen und daß überall da, wo Streitigkeiten entstehen, die Reichsbahn⸗ direktionen, Verkehrsämter oder Betriebsämter sich mit den ört⸗ lichen Interessenvertretungen in Verbindung setzen, um auf diese Weise zu einer Verständigung zu gelangen.
Was die Kraftverkehrsgesellschaften angeht, so weiß ich nicht,
Herr Abgeordneter Mollath, ob wir uns hier im Plenum noch länger darüber unterhalten sollen. Sie wissen, daß ich, Ihrer An⸗ regung folgend, die beiden streitenden Parteien an den Verhand⸗ lungstisch gebracht habe, daß auf beiden Seiten alles besprochen ist, daß die Kraftverkehrsgesellschaften auf den Möbeltransport ver⸗ zichten, wie mir heute mitgeteilt worden ist — ich habe das ja immer verlangt, daß dieser Möbeltransport nicht von den Kraft⸗ verkehrsgesellschaften betrieben wird —, daß im übrigen aber nun⸗ mehr von beiden Seiten der Wunsch bestand, ohne meine Person weiter zu verhandeln. Ich habe den Herren gesagt, ich sei jederzeit wieder zur Mitwirkung bereit, wenn die Verhandlungen nun nicht so vorangingen, wie ich und die Beteiligten es wünschten. Bisher hat sich keine der Parteien wieder an mich gewendet, so daß ich im Augenblick eigentlich etwas überrascht bin, hier von dem Herrn Abgeordneten Mollath ein etwas dunkles Bild von dem Fortgang der Verhandlungen gezeichnet zu sehen.
Was die Kraftverkehrsgesellschaften an sich angeht, so glaube ich, Herr Abgeordneter Mollath, wir werden uns darüber nicht einigen. Ich bin doch der Auffassung, daß Kraftverkehrsgesellschaften aus allgemeinen verkehrswirtschaftlichen Gründen bestehen müssen und daß das Reich hier auch einen gewissen Einfluß als Verkehrs⸗ regler haben muß. Ich kann hier nur auf den Beschluß des hohen Hauses verweisen, der bei der dritten Lesung des Etats für 1925 in einem Ihnen allerdings nicht genehmen Sinne ausgefallen ist.
Sodann ist der Antrag 879 von dem Herrn Abgeordneten Frei⸗ herrn von Rheinbaben hier begründet und vertreten worden. Ich brauche wohl nicht auszuführen, daß nicht nur Preußen, sondern auch das Reich, und zwar das Wirtschafts⸗ und das Verkehrsressort, durchaus durchdrungen sind von der Notwendigkeit, daß für Nieder⸗ schlesien etwas geschehen muß, zumal die Verhältnisse dort, auch was die Lebenshaltung der Arbeiterschaft angeht, äußerst bedenklich sind. (Sehr richtig! bei der Deutschen Volkspartei und im Zentrum.) Ueber die Behebungsmöglichkeiten, die dort bestehen, haben Verhandlungen stattgefunden, auch bei dem preußischen Ministerpräsidenten, an denen ich beteiligt gewesen bin. Soweit mein Ressort in Frage kam, handelte es sich um die Möglichkeiten, von denen der Herr Abgeordnete Freiherr von Rheinbaben ge⸗ sprochen hat, nämlich einmal darum, daß wir Dienstkohle von dort abnehmen, und dann darum, daß auf tarifarischem Gebiet etwas geschieht: der Königshütter Einheitstarif und der Nahzonentarif von 50 Kilometer; und schließlich, was noch nicht erwähnt worden ist, darum, stärkere Rabattsätze seitens der Reichsbahn für Dienst⸗ kohle zu gewähren. Es ist mir leider nicht gelungen, obwohl ich sehr eingehend mit der Reichsbahn verhandelt habe, in den Tarif⸗ punkten etwas zu erreichen. Ich möchte bitten, gerade gegenwärtig etwas vorsichtig mit der Tariffrage, soweit Kohle im Spiele steht, zu sein. Die Herren wissen ja, daß wir im Friedensvertrag be⸗ stimmte Bindungen dahin haben, daß die Reparationskohle zu dem billigsten Kohlentarif gefahren werden kann. Darüber schweben jetzt Verhandlungen. Wir hoffen, daß diese zu einer Verstänodigung mit der Gegenseite führen werden. Dann wird es vielleicht möglich sein, die Bedenken, die hauptsächlich aus diesem Gesichtspunkt bei der Reichsbahn resultieren, auch für Niederschlesien zu überwinden. Den Dienstkohlenbezug haben wir von täglich 1080 auf 1600 Tonnen gesteigert. Außerdem haben die Rabattsätze eine solche Regelung gefunden, daß monatlich 36 000 Mark mehr für die Syndikate her⸗ anskommen. Endlich hat sich die Reichsbahn bereit gefunden, ein kurzfristiges Darlehen von einer Million Mark zu niedrigem Zins⸗ satz an die niederschlesische Industrie zu geben.
Was diese Ausführungen des Herrn Abgeordneten Groß an⸗ geht, so brauche ich zum Neckarkanal nicht zu sprechen. Ich habe mich dahin festgelegt, daß ich unbedingt der Auffassung bin, daß der Neckarkanal ausgeführt werden muß. Sodann ist hier über einen erstaunlichen Vorgang gesprochen worden, wie gegen den Neckarkanal Stimmung gemacht wird. Darüber werde ich mich mit meinem Herrn Kollegen im Auswärtigen Amt ins Benehmen setzen. Ich darf aber vielleicht bemerken, daß ich es überhaupt für sehr erwünscht halten würde, wenn das hohe Haus und die Re⸗ gierungsbank in ihren unmittelbaren Beziehungen nicht gestört würden. Das bezieht sich nicht nur auf diesen Teil; ich kenne auch andere Fälle, wo ich manchmal den Eindruck habe, daß durch das Haus gewandelt wird und andere Auffassungen verbreitet werden, als sie gerade vom Regierungstisch gekommen sind. Ich habe als Minister für die Wasserstraßenfragen nach der Richtung hin einige
Eindrücke bekommen.
Was den Reichswasserschutz angeht, so möchte ich mich auf das beziehen, was ich im Hauptausschuß gesagt habe. Man kann in der Sache verschiedener Meinung sein. Man kann der Meinung sein, daß der ganze Reichswasserschutz in der Schiffahrtspolizei auf⸗ geht. Ich glaube aber, daß die Zeit dazu noch nicht gekommen ist, sondern daß wir den Reichswasserschutz noch behalten müssen. Ich habe auch das Mißverhältnis zwischen den Chargen und den Mannschaften, von dem der Herr Abgeordnete Groß gesprochen hat, dahin sachlich aufgeklärt, daß der Reichswasserschutz an den Strom⸗ läufen zersplittert ist, und daß diese kleinen Kommandos eine Auf⸗ sicht haben müssen, wenn nicht der Reichswasserschutz wirkungslos bleiben und die Disziplin leiden soll. 8
Ich glaube, der Herr Abgeordnete Groß wird mir zutrauen, daß die Reichsverkehrsvewvaltung keinem internationalen Luft⸗ verkehrs⸗, überhaupt keinem Abkommen mit einem Staat näher⸗ treten wird, in dem nicht die unbedingte Gegenseitigkeit verbürgt wird. Wer über uns fliegt, über den wollen wir auch fliegen, und über den wollen wir auch hinausfliegen können. In der Richtung kann gar kein Zweifel bestehen.
(Fortsetzung in der Ersten Beilage.)
Verantwortlicher Schriftleiter: Direktor Dr Tvrol Charlottenburg.
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Verlag der Geschäftsstelle (Mengering) in Berlin Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagsanstalt.
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Ich bin durchaus bereit, die Schlüsselfrage bei den Ver⸗ gebungen noch einmal zu prüfen. Bis jetzt lag eine Notwendigkeit in den letzten Monaten insofern nicht vor, als Vergebungen in größerem Maße nicht erfolgt sind. Wir hatten sehr viel zu run, um die andere Seite der Vergebungen, die Differenzen, die mit den Landesauftragsstellen vorlagen, aus der Welt zu schaffen. Das ist letzthin durch eine Verhandlung, die mit der Reichsbahn unter unserer Leitung stattgefunden hat, gelungen.
Ich bin durchaus bereit, die Frage der Jugendfahrten weiter wohlwollend zu behandeln. Sie müssen aber zugeben, daß man es der Reichsbahn nicht verdenken kann, wenn sie sich finanziell sehr geschädigt fühlt, solange nicht auf der Seite der Jugendorgani⸗ fationen erst einmal Ordnung hinsichtlich der Zahl und der Be⸗ rechtigung geschaffen wird. Diese Sache ist ja bereits im Gange.
D
Rede:
Der Herr Vorredner hat eingangs seiner Ausführungen gesagt, daß der Herr Generaldirektor der Dentschen Reichsbahngesellschaft ein Gehalt von 250 000 Mark beziehe. Ich darf zu dieser Erklärung die Beantwortung der Anfrage Nr. 3, Dr. Quaatz und Fraktion, bezüglich des Absatz 3 derselben vom 3. Februar 1925 wiederholen. Dort habe ich auf Grund der Ermittelungen, die bei der Reichsbahn⸗ gesellschaft angestellt sind, folgendes ausgeführt:
Die leitenden Beamten beziehen ein pensionsfähiges Grund⸗ gehalt, welches den zurzeit für die gleichartigen Reichsbeamten
festgesetzten Dienstbezügen entspricht. Daneben erhalten sie eine
je nach der Bedeutung ihrer Stellung bemessene nichtpensions⸗
fähige Sonderzulage.
Nun wird das für die einzelnen Beamten ansgeführt, und dann
heißt es bezüglich des Generaldirektors:
Die Bezüge des Generaldirektors sind nach denselben Grundsätzen aufgebant und erreichen bei weitem nicht die Sätze, die für Leiter von Unternehmungen gleichen Umfangs üblich sind. Sie er⸗ reichen nach dem erwähnten Beschlusse des Verwaltungsrats ein⸗
schließlich der Dienstaufwandsentschädigung die Summe von 100 000 Mark nicht.
(Lebhafte Rufe in der Mitte: Hört, hört! —
Völkischen.)
Zurufe von den
162. Sitzung vom 16. Februar 1926, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger.*)
Am Regierungstische: Verkehrsminister Dr. Krohne.
Präsident Löhe eröffnet die Sitzung um 1 Uhr 20 Mi⸗ nuten. — 1 b
Die zweite Lesung des Reichshaushaltsplans wird beim „Reichsverkehrsministerium“ fortgesetzt.
Reichsverkehrsminister Dr. Krohne.**)
Abg. Dr. Gildemeister (D. Vp.) fordert eine Nachprüfung der Tarifpolitik der Reichsbahn und die Sicherung des Rechtes des Reichs b die Vorzugsaktien. Der Reichstag ist, so führt Redner aus nicht in der Lage, durch seine Beschlüsse die Tarife abzuändern. Woh aber können wir auf das Verkehrsministerium in gewissem Sinne ein⸗ wirken. Die Reichsbahnverwaltung geht bei ihrer Tarifpolitik von banz falschen Voraussetzungen aus, sie will alles, was ihr fehlt, aus
er deutschen Wirtschaft herausholen. Es wird viel von der kauf⸗ männischen Verwaltung bei der Reichsbahn gesprochen. Nun is aber sehr die Frage, ob bei der Reichsbahn die kaufmännische Grundlage des Dawes⸗Plans zutrifft. Der Bilanzwert wurde auf 26 Milliarden angesetzt, wovon vier Prozent herausgewirtschaftet werden sollen. Wir wissen, daß der Oberbau stark zurückgegangen ist, und daß viele Erneuerungen wegen Mangels von Mitteln nicht vorgenommen werden können. Zu alledem sind zwei Milliarden nötig. Erst, wenn diese angesetzt werden, ist die Reichsbahn wieder auf der Höhe. Anleihen aufzunehmen, ist unmögilch. Einen An⸗ leihebedarf der Reichsbahn hat man bei dem Dawes⸗Plan nicht in Rechnung gezogen. Wenn die Reichsbahn nicht ihren ganzen Be⸗ trieb herunterwirtschaften will, muß sie Kapital bekommen, das sie in den Betrieb hineinstecken kann, um auf der Höhe zu bleiben. Den Rest von Einfluß auf die Reichsbahn, der uns geblieben ist muß dazu verwendet werden, um den vollkommenen Niederbruch unserer Verkehrsmittel zu verhindern. In dieser Frage sollten Reichstag, Regierung und Reichsbahn einmütig zusammenhalten. (Beifall.)
Abg. Schmidt⸗Hannover 8. Nat.) ist mit dem Antrag Alpers, betr. Maßnahmen zur Verhütung des Uferabbruches an der Unterelbe einverstanden. Schnelle Hilfe täte not, damit die Land⸗ wirtschaft nicht schwer geschädigt würde. Der Schutz des Qualitäts⸗ laͤndes an der Unterelbe sei wichtiger als verfehlte Siedlungs⸗ experimente in der Hannoverschen Heide. 1
Abg. Wallraf (D. Nat.): Nach der Verfassung hat dos Reich auch für den Schutz der Landschaft und der Naturdenkmäler zu sorgen. Die deutsche Landschaft darf nicht durch Verkehrs⸗ anlagen geschädigt werden. Wenn man in Heidelberg eine Schäde⸗ gung des Landschaftsbildes durch den Neckarkanal befürchtet, so muß das ernst geprüft werden. Darum bitte ich, die betr. Position an den Ausschuß zurückzuverweisen. (Beifall rechts)
Reichsverkehrsminister Dr. Krohne.*)
Damit schließt die allgemeine Aussprache.
Bei den Etatspositionen für den Reichswasserschutz befürwortet
Abg. Torgler (Komm.), den Antrag seiner Partei, den Reichswasserschutz aufzuheben. Der Reichswasserschutz sei 1919 gebildet worden, um dem Schmuggel auf den Wasserstraßen ent⸗ gegenzutreten, er habe aber heute keine Bedeutung mehr, es ge⸗ nüge, wie in Süddeutschland, die Wasserpolizei. Geschmuggelt werde auch trotz des Reichswasserschutzes. Der große Apparat des Reichswasserschutzes mit Karabinern und Maschinengewehren sei nicht erforderlich, um etwa unberechtigtes Angeln zu und zur Hilfeleistung bei Unglücksfällen solle man Rettungs⸗ “ errichten. Beim Bergarbeiterstreik sei der Reichswasser⸗ schutz gegen die Arbeiter eingesetzt worden. Wasserpolizei sei er⸗
) Mit Ausnahme der durch Sperrdruck hervorgehobenen Reden der Herren Minister die im Wortlaute wiedergegeben sind **) Die Ausführungen des Reichsverkehrsmmisters
Dr. Krohne werden nach Eingang der Stenogramme mitggeteilt 5 8 5 8 1n 8 8 “ * 2*
werden.
Die zweite am Schluß der Verhandlungen gehaltene
vijq—¹]; Zeilage X“ zum Deutschen Reichsanzeiger und Preußischen Staatsanze
8 Berlin, Mittwoch, den 17. Februar
forderlich, aber für den Reichswasserschutz solle man keinen Pfennig verwenden.
Reichsverkehrsminister Dr. Krohne.*v)
Abg. Ersing (Zentr.) meint, daß der Reichswa serschutz nicht mehr nötig sei. Man sei vor dem Kriege ohne diesen Apparat ausgekommen, und es sei jetzt auf den Wasserstraßen die Ordnung wieder hergestellt. Wie Süddeutschland könne auch Norddeutsch⸗ land ohne den Reichswasserschutz auskommen. Bis zur dritten Lesung des Etats möge der Reichsverkehrsminister mit den Ländern verhandeln und eine Vorlage zur Aufhebung des Reichswasser⸗ schutzes machen.
Die Abstimmung wird vorläufig ausgesetzt.
Bei den Positionen für den Luftverkehr bemängelt
Abg. Rosenbaum (Komm.), die Art und Weise, wie das Reich mit seinen Mitteln die privaten Luftverkehrsgesellschaften unterstützt. Die Gesellschaften benutzen diese Mittel zum Tell nicht für den Luftverkehr, sondern für Sportzwecke und für Errichtung von Fabriken. Man sagt, die Reichsmittel würden gegeben, weig die Entente Schwierigkeiten mache. Herr Stresemann komme sie vor wie ein Mussolini, nur in kleinerem Format. (Heiterkeit. Eine Fabrik in Riesa versorge die italienische Armee mt Flug⸗ zeugen, mit denen Mussolini über den Brenner fliegen könnte. Die Dornier⸗Werke versorgten die spanische Armee. Im Hinter⸗ grund stehe der Wunsch, wieder die Erlaubnis zu erhalten, Militär⸗ flugzeuge zu bauen.
Reichsverkehrsminister Dr. Krohne.“**)
In den Abstimmungen wird zunächst das Ministergehalt bewilligt. Die verschiedenen Anträge zur Personalpolitik der Reichsbahn werden dem Rechtsausschuß überwiesen.
Die Anträge der Sozialdemokraten wegen Bezug größerer Kohlenmengen aus dem niederschlesischen Revier und Tarif⸗ ermäßigung für die niederschlesische Kohle sowie wegen Er⸗ hößung der Leistungen aus der Arbeiterpensionskasse der Reichsbahn werden angenommen.
Der Antrag Hemeter (D. Nat.) auf Aufhebung der Differenzierung in den Frachten zwischen Fabrikkartoffeln und sonstigen Kartoffeln wird durch Auszählung mit 128 gegen 126 Stimmen bei 11 Stimmenthaltungen angenommen Der Antrag Hemeter, veeee, 8 die 1“ frische Milch für die Reisenden bereithalten sollen, wird mit großer Mehrheit angenommen.
Angenommen werden ferner Anträge der Deutsch⸗ nationalen, der Deutschen Volkspartei, des Zentrums und der Demokraten, Ausnahmetarife für das Bergbaugebiet an Sieg, Lahn, Dill, Oberhessen und Nachbargebiet mindestens auf den Vorkriegssatz zu ermäßigen, der wirtsch gftlichen Ver⸗ einigung auf Ermäßigung der Tanife für Gemüse⸗ und Früh⸗ obst, der Sozialdemokraten auf Aufrechterhaltung der Fahrt⸗ vergünstigungen für Schwerkriegsbeschädigte, der Deutschen Vollsparkei auf Aufrechterhaltung der billigen Tarife für Jugendfahrten, der Bayerischen Volkspartei * schleunige Elektrisierung der Eisenbahnstrecken München —Regensburg, München— Holzkirchen und München —-Augsburg — Ulm — Stuttgart, des Zentrums sowie der Demokraten auf
Elektrifizierung der badischen und württembergischen Eisen⸗
bahnstrecken.
Die kommunistische Fraktion beantragt, daß den bei der Eisenbahnkatastrophe im polnischen Kor⸗ ridor am 30. April 1925 Geschädigten eine sofortige einmalige finanzielle Unterstützung durch das Reich bezahlt und ferner eine vorläufige laufende Rente bis zur Klärung der Schaden⸗ ersatzfrage gewährt wird.
Reichsverkehrsminister Dr. Krohne.“**)
Abg. Schütz (Komm.) erwidert, der Antrag wolle ja keine endgültige Regelung, die polnische Regierung scheine aber die Sache auf die lange Bank schieben zu wollen. Das schiedsgerichtliche Ver⸗ fahren solle schon bis zum Juli verschleppt werden.
Abg. St Bher (Völk.) stimmt dem Antrag zu, da es sich ja nur um eine vorläufige Regelung handele.
Abg. Müller⸗Franken (Soz.) erkennt vom rechtlichen Standpunkt die Argumente des an, verweist aber darauf, daß viele Geschädigte in ärgster Not seien, und bittet, den Minister um eine Erklärung, daß bei dieser Notlage eingegriffen werden solle.
Reichsverkehrsminister Dr. Krohne.“**) “
Der Antvag der Kommunisten wird darauf abgelehnt. Damit ist die Interpellation des Abg. Freiherrn von Rhein⸗ baben (D. Vp.) über diese Angelegenheit erledigt.
Auf Antrag der Sozialdemokraten, der Deutschnationalen, der Deutschen Volkspartei, des Zentrums und der Demo⸗ kraten wird die Etatsforderung von rund einer Million Reichs⸗ mark für Unterhaltung und Betrieb der Werft Saatsee bei Rendsburg gestrichen.
Der Antrag der Kommunisten auf Beseitigung des Reichsw 18 rschutzes wird gegen die Stimmen der An⸗ tragsteller abgelehnt.
Damit ist die zweite Lesung des Haushalts des Reichs⸗ verkehrsministeriums beendet. Ueber die Entschließungen wird in dritter Lesung abgestimmt.
Darauf foigt die zweite Beratung des Haushalts des Reichsjustizministeriums.
Abg. Hanemann (D. Nat.) erklärt, die grundlegenden Aende⸗ rungen, die die Emminger⸗Verordnung im Straf⸗ und Zivilrecht brachten, hätten sich bewährt. Man sollte aber eine einheitliche Reform vornehmen. Den Gerichten müsse Gelegenheit gegeben werden, sich mit den neuen Bestimmungen vertraut zu machen. Die beschlossene Aufhebung des Staatsgerichtshofes müsse bald durch⸗ geführt werden. Der Redner empfiehlt, möglichst bald die Ent⸗ lastung des Reichsgerichts vorzunehmen, äußert sich dann zu einzelnen Bestimmungen des neuen Strafgesetzentwurfes und tritt auch hier für eine einheitliche Reform ein. Mit einer Teilreform die Ehe⸗ scheidungsbestimmungen umzuändern, lehnt er ab. Mahn⸗ und Güte⸗ verfahren haben sich nicht bewährt. Die Gerichts⸗ und Rechts⸗ anwaltsgebühren müßten herabgesetzt werden. Die Witwen⸗ und Waisenkasse für Rechtsamvälte sei dringend notwendig. Die Be⸗ hauptung der Klassenjustiz und der Weltfremdheit der Richter sei, von einzelnen Fällen abgesehen, oft nur eine skrupellose Kritik, und es werde oft vergessen, daß die Urteile unter Mitwirkung von Laien⸗ richtern zustande gekommen seien. Die Kritiker an der Justiz be⸗ kannten sich oft selbst als Klassenvertreter und könnten dem Empfinden anderer nicht gerecht werden. Die Berufsrichter seien meistens aus kleinen Kreisen hervorgegangen und könnten dadurch sehr wohl dem allgemeinen Rechtsempfinden B Es gebe nur ein allgemeines Recht, kein Klassenrecht. Eine Staats⸗ umwälzung schaffe kein neues bürgerliches Recht. Die Forderung
nach republikanischen Richtern bedeute eine Politisierung der Justiz,
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und das Recht werde durch eine Politisierung verschandelt. De⸗ Richter sei Diener des Stoaates; die geforderten Reformen würd die Justiz der Politik überantworten und das Ende der Ract. sprechung bedeuten. Die ewigen Angriffe von links überzeugten nich daß in den Linkskreisen die Ekkehards der Gerechtigkeit sitten. Der Redner fordert bei der Emenmung der Richter das Kollegialitäts⸗ prinzip. Der Richterstand müsse den Sorgen des Alltags enthoben werden. Die Richter dürften nicht ewig in der Gruppe XII stecke bleiben. Auch auf den Nachwuchs der Richter müsse acht gegeben werden. Die Rechtspflege bedürfe des allgemeinen Vertrauens. Dis Preffe habe die Pflicht, wirkliche Mißstände aufzudecken, und sis önne dadurch der Oefsentlichkeit dienen. Presse und Oeffentlichkeit müßten Zurückhaltung üben. In der letzten Zeit sei aber manche unsachliche Pressekritik erschienen. Der Parteigeist müsse bei der Kritik völlig verschwinden. Jeder Angriff auf die Justiz enthalte in sich einen Angriff auf die Staatsautorität. Das Recht könne sich nur orgemisch entwickeln. Für uns bleibe der Grundsatz bestehen Jedem das Seime! (Beifall bei den Deutschnationalen.) Abg. Dr. Levi (Soz.): In anderen Staaten sind solche Justiz⸗ debatten wie bei uns unmöglich; wir leiden eben unter den Ueber⸗ bleibseln einer kulturlosen Vergangenheit, und wir müssen alljährlich immer wieder gegen die Rechtlosigkeit protestieren. Die Einführung des Güteverfahrens im Zivilprozeß könnte das Prozeßverfahren nur verzögern. In bezug auf das Strafverfahren klagen wir seit sieben Jahren über die Durchführung der Untersuchungshaft, die oft schwerer empfunden wird als die schließliche Verurteilung. Der in Unter⸗ suchungshaft sict bekommt keine genügende Gelegenheit, sich auf die Hauptverhandlung vorzubereiten, und die Länge der Untersuchungs⸗- haft, die oft leichtfertig verhängt wird, kaun den Ruin der Existenz bedeuten, weil der Untersuchungsgefangene seine Angelegenheiten nicht ordnen kann. Dieser Zustand ist umnenschlich, ich weise auf den Fall Höfle hin. Er mag schuldig gewesen sein, aber nicht so schuldig, daß er diese Untersuchungshaft verdient hätte, die ihn geütsn hat. Unsere Beschwerden richten sich ferner wiederum gegen die Einzel⸗ richter. Ein Parteigenosse hat durch einen Bericht über den sächsische Landtag den sächsischen Justizminister beleidigt, er bekommt einen richterlichen Strofbefehl über drei Monate Gefängnis, ohne Verhör, ohne Verfahren, ohne Verteidigung. Ein anderer Parkei⸗ genosse bekam wegen der Besprechung der Selbstmorde in der Reichs⸗ wehr auf dieselbe Weise zwei Monate Gefänmis. Ein Arbeiter Arnold erhielt von dem Einzelrichter wegen Diebstahls im Rück⸗ fall — es war sein dritter Diebstahl — von Kartoffeln im Werte von 57 Mark 1 Jahr 3 Monate Zuchthaus, 10 Jahre Ehrverlust und Stellung unter Aee ein anderer bekam desselben Falles wegen 2 Monate Gefängnis. Allerdings trat “ ein, aber der Einzelrichter ist doch Richter, der solche Urteile sprechen kann in seinem Amtszimmer, ohne daß die Oeffentlichkeit etwas davon erfährt. Einzelrichter kann leicht sich von politischen Gründen leiten lassen. Vor den Einzelrichter gehören nur die Bagatell sachen, aber selbst dazu gehören Richter mit Herz und Gefühl. Dieses Svstem der Einzelrichter ist Vivisektion am Volkskörper, die den Assessoren Gelegenheit geben soll, ihre Eignung als Richter zu zeigen. (Vizepräsident Dr. Bell bittet, diese Ausdrucksweise zu mildern.) Die Untersuchungsrichter sehen in dem Verteidiger oft einen Begünstiger; in den letzten Wochen haben zwei, Untersuchungsrichter in Essen und Breslau die Akien der Verteidigung beschlagnahmt, Die Auslegung des Landesverrats durch das Reichsgericht ist sonder⸗ bar. Wem zwanzig junge Leute sich zu Uebungen zusammentun aus vaterländischen Grunden und daraue gufmerksam gemacht wird, so soll der Anzeiger Landesverrat verübt haben. Dabei handelt gs sich immer um Verstöße solcher jungen Leute gegen die Gesetze. In solcher Landesverratssachen sind 940 Jahre Zuchthaus verhängt worden, Der Fall Wandt kann noch nicht als erledigt gelten, denn dieser Mann ist nach seiner Begnadigung doch noch öffentlich infamier worden. Der Unteroffizier Wiese steckte in einem italienischen Ge⸗ fangenenlager einem von den Italienern verurteilten Kameraden bei der Abführung einige Zigaretten zu, Wiese wurde deswegen von deutschen Offizieren denunziert. Er sagte, die deutschen Offiziere wollten aus der Gefangenschaft fliehen. Wegen dieser Bemerkung ist Wiese im Jahre 1925 zu 12 Jahren Zuchthaus verurteilt worden. Auch in dem Fall Bullerjan ist eine Bestrafung zu fünfzehn Jahren erfolgt. Bullerjan leugnete, die Indizien reichten zur Verurteilung wegen Landesverrats nicht aus, aber drei Zeugen beriefen sich auf die Erzählung eines ungenannten Mannes, daß Bullerjan der Täter sei. Diesen Zeugen verbot die vorgesetzte Behörde die Aus⸗ sage über die Persönlichkeit dieses unbekannten Mannes; sie duͤrften nur über die Tatsache der Erzählung aussagenn; Bullerjan stand also einem Unbekannten gegenüber und wurde zu fünfzehn Jahren Zuchthaus verurteilt. In solchen Fällen, auch im Falle Panje, wurden politische Tendenzen bewußt verfolgt. Es prasseln auf un⸗ schuldige, mindestens verführte Arbeiter solche Verurteilungen her⸗ nieder. Der Staatsgerichtsbof wird kein Ruhmesblatt hinterlassen sondern den dauernden Vorwurf der parteilichen und willkürlichen
Leute der Rechten verschont. Was hat der Reichsjustizminister gegen die parteiliche Rechtsprechung getan? Das Ministerium bat das Recht und die Pflicht der Nachprüfung, ob die Vorschriften der Strafprozeßordnung erfüllt werden. Sehen Sie andere Staaten an, mit denen wir auf gleicher Kulturhöhe zu stehen glauben! Selbst im kleinen Oesterreich wären solche Fälle der Justis nicht möglich, weil die Presse nicht ruhen würde, bis dafür Remedur geschaffen würde. Die deutsche Presse sollte ihre große Macht gegen diese Ar Justiz einsetzen. (Beifall bei den Sozialdemokraten.) Reichsjustizminister Dr. Marx.*)
Abg. Schulte⸗Breslau (Zentr.): Der Justizetat hätte in diesem Jahre ohne Aussprache durch das Plenum gehen können, d im Ausschuß eine ganz ausfuhrliche Aussprache stattgefunden hat. Die hier vorgetragenen Beschwerden bewegen sich in der Hauptsach
politischen Hintergrund. Man geht aber dabei ganz über die wer volle Arbeit des Justizministeriums auf dem Gebiete der Zivi rechtspflege hinweg. Selbstverständlich kommen auch bei der Rechtsprechung Fehler vor; man kann nicht verlangen, daß jed Urteil ein, salomonisches ist. Wenn aber die Herren Dr. Korsch und Gen. in politischen Prozessen Recht zu sprechen hätten, dann würde sicher von anderer Seite ebenfalls der Vorwurf einseitiger Rechtsprechung erhoben werden. Im November 1918 ist verabsfäum worden, alle s Machtspruch zu erledigen. Man gebe dem Richter eine Gesetz⸗ gebung, auf deren Basis eine e Rechtsprechung gewährleistet werden kann. Wir werden schon morgen im Rechtsausschuß die Frage der Reform des Untersuchungshaftverfahrens in Angriff nehmen. Die von dem deutschnationalen Abgeordneten Dr. Ever⸗ ling beantragte Simultanzulassung der Rechtsanwälte ist einseitig vorgebracht. Auf diesem Wege können wir die Frage nicht lösen. Die Rechtsanwälte müssen unter sich die Lösung dieser Frage finden. (Widerspruch bei den Deutschnationalen.) Abg. D. Dr. Kahl (D. Vp.) bedauert, daß die d1heg gegen die Rechtspflege wie eine ewige Krankheit sich erheben. Mißstände sind nicht zu leugnen, und auch die Justiz muß sich der öffentlichen Kritik preisgeben. Aber die Art der Kritik, die Verallgemeinerung einzelner Fälle erschüttern die Unabhängigkeit der Justiz. Redne macht die Presse zu einem Teil für die Ausartungen der Kritik an der Justiz verantwortlich. Dem Richter wird vorgeworfen, daß e weltfremd sei, und der Abg. Dr. Levi hat gewagt, dem Richtertun
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werden nach Eingang des Stenogramms veröffentlicht werden,
Rechtsprechung nach einer Richtung, nach links, während man die
8 dem Gebiete der Strafrechtspflege und haben meist einen
ragen, die uns heute so viel Arbeit machen, durch
*) Die Ausführungen des Reichsjustizministers Dr. Marx
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