1926 / 53 p. 1 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 04 Mar 1926 18:00:01 GMT) scan diff

Mannern, die ihre Ideale in dem Kaiserstaate sähen, verlangen wollte, daß sie nun die Republik als die Staatsform priesen. Abg. Berndt (D. Nat.) wies auf den allgemeinen Un⸗ mut hin, der dem parlamentarisch⸗demokratischen System im deut schen Volke begegne. Die Alleinherrschaft des Reichstags und der Parteien sei in Deutschland nunmehr in höchstem Grade verhaßt. Die letzten endlosen Regierungskrisen hätten den Bankerott des Parlamentarismus erwiesen. Die Erklärung des Reichsinnen⸗ ministers über die Pflichten der Beamten stelle eine Kampfansage gegen alle Beamten dar, die nicht überzeugte Republikaner seien. Außerdem sei die Erklärung des Ministers verfassungswidrig, da die Verfassung die freie politische Ueberzeugung schütze. Redner fragte dann, welches Ergebnis die Verhandlungen mit der En⸗ tente wegen, der Polizeikasernierung, der lebenslänglichen An⸗ stellung der Polizeibeamten usw. gehabt hätten. Die Schupo habe in Uniform an den kommunistischen Versammlungen für die Fürstenenteignung teilgenommen. Das sei die unselige Folge der politischen Verhetzung, die in der Polizei betrieben werde. Abg. Koch⸗Weser (Dem.) hielt den im deutschnationalen Antrag. seinerzeit ausgesprochenen Gedanken, eine vom Reichstag unab⸗ hängige Reichsregierunge zu bilden, für unmöglich. Gerade Amerika, das seinen Präsidenten sehr große Unabhängigkeit gebe, habe gezeigt, daß der ganze politische Apparat fast ein Jahr lang still gelegen habe, als der amerikanische Senat mit dem Präsidenten Wilson nicht übereinstimmte. Solche schädigende Extratouren könne sich wohl das reiche Amerika leisten, aber Deutschland würde durch derartige Methoden einfach zugrunde gerichtet werden. Eine Heraufsetzung des Wahlalters 20r 21 Jahre hielt Redner für annehmbar, aber für nebenkächlich im großen Rahmen der Wahlreform. Dem Reich müsse eine gerossfe Köglichkeit gegeben sein, in den Ländern wichtige Fragen gebührend beeinflussen zu können; das sei Unitarismus. Auch müßten wir zu einer Reichsangehörigkeit kommen. Es sei zu begrüßen, daß der Gedanke des Beamtenausschusses mehr und mehr Wurzel fasse. Der Zustand, daß die Sicherheitspolizei Sache der Länder sei, habe sich durchaus bewährt und müsse beibehalten werden. Der Plan des Baues eines Hochhauses für die Zusammenfassung der Reichsministerien, der vom Reichstag zum Beschluß erhoben worden sei, sei endlich durchzuführen. Hätte man den Plan im Jahre 1920 ausgeführt, so hätte man mit Inflationsgeldern billig bauen können. Die republikanische Gesinnung müsse bei allen öffentlichen Amtshandlungen vorgus⸗ gesetzt werden. Abg. D. Dr. Schreiber (Zentr.); Die Erörte⸗ rungen über die Verwaltungsreform solle dem Reichsministerium des Innern seine zentrale Stellung wiedergeben. Das Reichsfinanz⸗ ministerium habe dieses Ministerium praktisch zurückgedrängt. Der Nachwuchs müsse in den Hilfsarbeitern verstärkt werden. In Sachen des Auslandsdeutschtums trage das Ministerium eine ernste Verantwortung. Die Beziehungen zum Auswärtigen Amt müßten schärfer abgegrenzt werden. Die Föderativstaaten sollten die Kulturpolitik behalten, aber in einem gegenseitigen Einver⸗ ständnis mit den Ländern habe das Reich im Auslanddeutschtum und in der Wissenschaftskultur eine bedeutsame Tätigkeit zu voll⸗ ziehen. Der Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft und anderen großen Kulturinstituten müsse die volle Entfaltungs⸗ möglichkeit gestattet werden. Abg. Bertz (Komm.) vermeinte, nicht an die Erklärungen des Ministers glauben zuskönnen, daß nun endlich einmal mit den republikfeindlichen Beamten auf⸗ geräumt werde. Gerade die jüngste Zeit beweise ja die reak⸗ tionären Umtriebe der Beamten, beispielsweise bei der Ver⸗ weigerung des Aushanges der Propaganda für das Volksbegehren bezüglich der Fürstenenteignung. Abg. Petzold (Wirtschaftl. Vereinig.) stimmte den Ausführungen des Reichsinnenministers bezüglich der Bramtenpftichten zu. Das Verhalten eines Potsdamer Hofpredigers, der sich in hetzerischen Verleumdungen gegen die Republik ergangen habe, hätte gezeigt, daß es Beamte und Geistliche ohne Takt gebe, denen man eben mit entsprechenden Mitteln entgegentreten müsse. Der Volkstrauertag müsse auch von der Reichsregierung in Zukunft protegiert werden. Redner hielt die Zustände im Arzneimittelhandel für unhaltbar. Hier müsse das Reichsinnenministerium die Initiative ergreifen. Abg. Stoecker (Komm.) forderte, daß die Regierung endlich den Wünschen des Reichstags bezüglich der Vorlage eines Alkohol⸗ verbots⸗Gesetzentwurfs Folge leiste. Hierauf vertagte sich der Ausschuß auf Dienstag.

Im Rechtsausschuß des Reichstags gelangte gestern laut Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger ein sozialdemokratischer Antrag zur Annahme, der an Stelle des alten Abtreibungsparagraphen 21 den im neuen Strafgesetz ö Abtreibungsparagraphen 228 schon jetzt in Wirksamkeit bringen will. Danach wird eine Frau,

ie ihre Frucht im Mutterleibe oder durch Abtreibung tötet oder die Tötung durch einen anderen zuläßt, mit Gefängnis bestraft (früher Zuchthaus). Ebenso wird ein anderer bestraft, der eine Frucht im Mutterleibe oder durch Abtreibung tötet. Der Versuch ist strafbar. In besonders leichten Fällen kann das Gericht von Strafe absehen. Wer die Tat ohne Einwilligung der Schwangeren oder gewerbsmäßig begeht, wird mit Zuchthaus bestraft. Ebenso wird bestraft, wer einer Schwangeren ein Mittel oder Werkzeug zur Abtreibung der Frucht gewerbsmäßig verschafft. 8 In der gestrigen Sitzung des Reichstagsausschusses für die Entschädigungsgesetze wurde, nach dem Bericht 18” Nachrichtenbüxos des Vereins deutscher Zeitungsverleger, folgender 1 den Deutschnationalen und der Deutschen Volksparkei ein⸗ gebrachter Antrog gegen die Kommunisten angenommen: „Der Reichs⸗ kag wolle beschließen, die Reichsregierung zu ersuchen, die vom Reichs⸗ enkschädigungsamt für Kriegsschäden Darlehnsverträge dahin abzuändern und neue Darlehnsverträge mit der Maßgabe ab⸗ zuschließen, daß in den Jahren 1926 und 1927 eine Verzinsung nicht zu erfolgen hat.“ Ferner wurde folgender Beschluß einstimmig ge⸗ faßt: „Die Reichsregierung zu ersuchen, den über 65 Jahre alten Ge⸗ 1

schädigten die einen Schaden der in der Kriegsschädenverordnung be⸗

handelten Art erlitten haben, erwerbsunfähig, vermögenslos und ohne

laufendes, zum notwendigen Lebensunterhalt für sich und ihre Familie

ausreichendes Einkommen sind, entsprechende Zuwendungen aus dem

Härtefonds zu chen und die erforderlichen Mittel besonders bereit⸗ zustellen. b .“ 8

Der Reichstagsuntersuchungsausschuß für die Ruhrkredite trat gestern nach mehrmonatiger Pause zu einer Sitzung zusammen. Vorsitzender Abg. von Lindeiner⸗ Wildau (D. Nat.) teilte dem Nachrichtenbüro des Vereins deutscher Zeitungsverleger zufolge mit, daß in der Zwischenzeit das Material gesammelt und gesichtet worden ist. Das Ergebnis dieser Arbeit ist ein dicker Band, von dessen Vervielfältigung wegen der hohen Kosten zunächst abgesehen worden ist. Rückständig aus der ersten Periode der Ausschußtätigkeit ist noch eine Beweiserhebung, die Vernehmung des Abgeordneten Sollmann, der seinerzeit verreist war. Der Unterausschuß hat das Zahlenmaterial tabellen⸗ mäßig zusammengestellt. Der dritte Fragenkomplex war, wie es mit der etats⸗ und verfassungsrechtlichen Seite der damals zu⸗ ständigen Stellen stand und wie es möglich war, daß ohne An⸗ hörung des Reichstags oder eines Ausschusses die Ausschüttung der Gelder erfolgt ist. Im 16. Ausschuß, dem Wirtschaftsausschuß für die besetzten Gebiete, auf den die Arbeiten dann zeitweilig über⸗ gingen, hat man bereits geglaubt, Unebenheiten feststellen zu önnen, die aber inzwischen ausgeglichen worden sind. Der Vor⸗ sitzende verlas dann für den verhinderten Abg. Esser dessen Bericht über die Tätigkeit des Unterausschusses, der zu prüfen hatte, wann, was und wieviel gezahlt worden ist. Dem Ruhrbergbau sind da nach Zinsvergütungen in Höhe von 26 Millionen gezahlt worden. Der Unterausschuß stellte fest, daß damit der Ruhrbergbau eine wesentliche Bevorzugung gegenüber den mittleren und kleineren Betrieben erfahren habe. Außerdem seien die Arbeitnehmer im Bergbau nach dem Inkafttreten der Micum⸗Verträge durch Lohn⸗ herabsetzung geschädigt worden. Auf Anregung des Unteraus⸗

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schusses sind später die Härfen ausgeglichen worden, unter denen die im Sonderverfahren Entschädigten und die Arbeitnehmer zu leiden hatten. Dafür sind etwa 15 Millionen aufgewandt worden. Für mittlere und kleine Betriebe sind besondere Härtefonds zur Ver⸗ fügung gestellt worden. Zum Ausgleich der besonders schweren Schädigungen in der Pfalz und Hessen * besondere Hilfefonds von 5 und 2 Millionen zur Verfügung gestellt worden. Abg. Holz⸗ amer (Wirtschaftl. Vereinig.) führte in der Aussprache Beschwerde über die Art, wie die Entschädigungsansprüche der kleineren und mittleren Betriebe behandelt würden. Von den Behörden würden diese Angelegenheiten verschleppt und auch wohlbegründete An⸗ sprüche zurückgewiesen. Abg. R ippel. (D. Nat.) brachte Klagen vor. Den Geschädigten seien die Termine für die 8. nmel⸗ dung ihrer Forderungen nicht bekanntgegeben worden. Ihre An⸗ sppiiche würden aber auch wenn sie noch so berechtigt seien, zuꝛickgewiesen mit der Begründung, daß die Termine und Fristen verstrichen seien. Abg. Paeth (D. Nat.) wünschte eine bessere Information der Handwerkskammern über die Fristen und die Bedingungen für die Inanspruchnahme der Härtefonds. Ministe⸗ rialdirektor Brand wies darauf hin, daß die erweiterten Be⸗ stimmungen seinerzeit den Handwerkskammern und den Beteiligten mitgeteilt worden seien. Aus der Kenntnisnahme einer Reihe von Anträgen und Beschwerden habe er die Auffassung gewonnen, daß unter dem Eindruck der jetzigen Wirtschaftskrise die damals ge⸗ schädigten Kreise geneigt seien, den ihnen durch den Feind zu⸗ gefügten Schaden in viel größerem Umfange zu sehen. Es sei die schwere Aufgabe der Regierung, diese Ansprüche entsprechend zu reduzieren. Es sei auch ein Kredit von 12 Millionen aus Postscheck⸗ geldern für kleinere und mittlere Betriebe, besonders aus dem kauf⸗ männischen Mittelstande zur Verfügung gestellt worden. Ein Vertreter des Reichsfinanzministeriums erklärte, die Fristen seien rechtzeitig und ausreichend bekanntgemacht worden. Eine außerordentlich große Zahl von Entschädigungsanträgen sei eingegangen. Die meisten Ansprüche seien weit übertrieben ge⸗ wesen. In einigen Fällen seien die Geschädigten be⸗ trügerisch vorgegangen Wund dem Staatsanwalt angezeigt worden. Zur Befriedigung aller Ansprüche wären fast 70 Millionen erforderlich. Darum sei eine genaue Prüfung der ein⸗ zelnen Anträge notwendig, die längere Zeit in Anspruch nehme. Daraus erklare sich, daß noch jetzt viele Anträge zu prüfen seien, während der Termin schon am 15. Oktober 1925 abgelaufen wäre. Nach der Meinung des Ministeriums hätten die Geschädigken den Termin wohl gekannt, aber sie seien mit ihren Anträgen erst ge⸗ kommen, als sie jetzt unter der Wirtschaftskrise zu leiden hätten und sich auf dem Weg der Ruhrentschädigung helfen wollten. Abg. Dr. Kalle (D. Vp.) meinte, die Geschädigten im preußischen Ge⸗ biet fühlten sich benachteiligt gegenüber den bevorzugt behandelten Geschädigten in Hessen und ver Pfalz. Abg. Rippel (D. Nat.) wünschte die Berücksichtigung auch der zu spät eingereichten An⸗ träge, wenn die Ansprüche an sich begründet seien. Ein Vertreter des Reichsfinanzministeriums erwiderte, daß unver⸗ schuldete Fristversäumnis anerkannt worden sei. Wenn aoer die Sache offiziell und durch Handels⸗ und Handwerkskammern be⸗ kanntgemacht worden sei, so sei es als unverschuldete Versäumnis nur dann anzusehen, wenn jemand krank oder verreist gewesen sei. Andernfalls sei es unmöglich festzustellen, ob ein Antrag un⸗ verschuldet versäumt worden sei. In der Praxis führe das dazu, daß sämtliche G“ die in diesen Monaten noch Anträge ein⸗ gereicht hätten, behandelt und entschädigt werden müßten. Denn alle würden sagen: Wir haben die Bekanntmachung überlesen. Die Mittel seien nun durch die Verteilung auf diejenigen, die recht⸗ zeitig angemeldet hätten, erschöpft. Abg. Husemann (Soz.) bemerkte, die Entschädigung der Arbeiter und Angestellten habe keine volle Befriedigung geschaffen. Die dafür aufgewandten 15 Millionen ständen im Mißverhältnis zu den 700 Millionen, die die Industrie erhalten hätte. Der Vorsitzende empfahl, die Weiterverfolgung der Entschädigungsfragen dem Ausschuß für die besetzten Gebiete zu überlassen. Der Untersuchungsausschuß be⸗ schäftigte sich dann mit der Frage, in welcher Weise er seine Arbeiten fortführen könnte. Es wurde beschlossen, von je einem Arbeitgeber⸗ und Arbeitnehmervertreter des Ruhrbergbaues Gut⸗ achten einzufordern über die Höhe und die Begründung der an die Industrie gezahlten Entschädigungen. Die nächste Sitzung des Ausschusses, in der die beiden Sachverständigen nach Eingang ihrer Gutachten vernommen werden sollen, könnte frühestens im April stattfinden. 8— 1 1

Der Unterrichtsausschuß des Preußischen Landtags verhandelte gestern über eine Eingabe des Städte⸗ tages, die sich gegen die übermäßige Belastung derjenigen Städte wendet, die für die Einrichtung von pädagogischen Aka⸗ demien in Betracht kommen. Von Vertretern aller Parteien wurde dem Nachrichtenbüro des Vereins deutscher Zeitungsverleger zufolge das Verhalten der Regierung verurteilt, das den Anschein erweckt, als ob die Akademien an die meistbietenden unter den in Betracht kommenden Städten verhandelt werden sollten. Von seilen der Regierung wurde darauf hingewiesen, daß in Elbing, Kiel und Bonn die Einrichtung von pädagogischen Akademien zum 1. Mai erfolgen solle, und daß mit der Stadt Frankfurt am Main, in der bekanntlich eine Simultan⸗Akademie errichtet werden soll, die Verhandlungen voraussichtlich bald zu einem befriedigenden Ab⸗ schluß führen werden. In den vom Ausschuß gefaßten Beschlüssen kam zum Ausdruck, daß die Einrichtung der pädagogischen Aka⸗ demien grundsätzlich Aufgabe des Staates sei, daß deshalb ihre Einrichtung für die betreffenden Städte keine übermäßige wirt⸗ schaftliche Helastung bringen dürfe, und daß der Staat den Städten bei der Aufnahme von Darlehen für pädagogische Akademien Ent⸗ gegenkommen gewähren solle. Von seiten des Zentrums und der Deutschnationalen Volkspartei wurden Erklärungen abgegeben, daß durch diese Beschlüsse ihre grundsätzliche Einstellung zu der Frage simultaner Akademien nicht berührt werde.

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Der Femeuntersuchungsausschußdes Preußischen Landtags setzte gestern abend nach der Plenarsitzung des Landtags unter dem Vorsitz des Abg. Brandenburg (Soz.) seine Ver⸗ handlungen fort. Mit beratender Stimme nahm Abg. Körner (Völk.) an den Verhandlungen teil. Der Vorsitzende gab, dem Nach⸗ richtenbüro des Vereins deutscher Zeitungsverleger zufolge, zunächst den Inhalt einiger Schreiben an den Untersuchungsausschuß bekannt. So teilte ein Herr Ernst Nikisch in einem Briefe mit, daß er für seine Schriften keine finanziellen Zuwendungen von Zengen oder der Arbeitgebervereinigung erhalten habe. Wenn Zengen von einer Verbindung mit ihm, Nikisch, unter Eid gesprochen hätte, so habe er einen Meineid geleistet. Der Zeuge Abg. Meyer (D. Nat.) hat folgendes Schreiben an den Ausschuß gerichtet: „Die Bericht⸗ erstattung der Linkspresse über die Verhandlungen des Untersuchungs⸗ ausschusses hat Formen angenommen, die als objektiv nicht an⸗ esehen werden können und mit der Wahrheit unvereinbar sind. Der Untersuchungsausschuß ist von seinen, den Links⸗ parteien angehörigen Mitgliedern zu einem Agitationsausschuß übelster Art herabgewürdigt. Aus der Fragestellung konstruiert die Linkspresse mit Unterstützung von Ausschußmitgliedern Feststellungen; an das eigentliche Beweisthema halten sich die Ausschußmitglieder der Linksparteien nicht. Beschnüffelungen rechtsstehender Organisationen und agitatorische, wahrheitswidrige Ausnutzung des erzwungenen Materials scheinen Zweck und Ziel dieses Ausschusses zu sein. Durch das Verhalten der den Linksparteien an⸗ gehörenden Mitglieder dieses Ausschusses kann ich den Untersuchungs⸗ ausschuß als die Recht suchende und feststellende Einrichtung nicht mehr anerkennen. Ich lehne daher ein weiteres Erscheinen vor dem Untersuchungsausschuß und damit eine mündliche Beantwortung weiterer Fragen ab. Ich bin jedoch bereit, schriftlich formulierte, mir zugeleitete Fragen schriftlich zu beantworten. (Hört, hört! linksg.) Der Zeuge Abg. Meyer (D. Nat.) hat dem Ausschuß auch ein Schreiben des Schulz aus dem Gerichtsgefängnis Landsberg

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vom 1. April 1925 überreicht, in dem Schulz um 200 für Be⸗

köstigung und Stellung eines Verteidigers bittet. Aus einem Ver⸗

nehmungsprotokoll ergibt sich, daß ein Krimmalbeamter festgestellt

hat, daß Schulz bei der Landvolkgenossenschaft zwei Zimmer gemietet

hat. Dann verlangte Abg. Körner (Völk.) Auskunft darüber,

wer das in nichtöffentlicher Sitzung vom 22. Februar verlesene Schreiben des Grütte⸗Lehder aus den Akten abgeschrieben und allein der Linkspresse zugängig gemacht bhat Abg Riedel (Dem.) schlug vor, diese Angeleg enheit in nichtöffentlicher Sitzung zu erörtern Dem schloß sich der Ausschluß an.

Darauf wurde die ebemalige Stenotypistin Zengens, Frl Stübe,

vernommen. Sie bekundete, daß sie nur wisse, daß einmal ein Darlehen an den Zentrallandarbeiter⸗Verband gegeben worden sei.

Weiter wisse sie nichts. Daber blieb die Zeugin auch auf verschiedene Vorhalte aus ihren weitergehenden früheren Aussagen. Sie wurde dann entlassen. Oberiustizrat Wirt vom Justizministerium teilte

dann aus den Akten mit, daß zu folgenden Zeiten die Vorunter⸗ suchung gegen Schulz in folgenden Fällen eingeleitet worden sei:

16. März 1925 von der Staatsanwaltschaft Landsberg wegen An⸗

stiftung zum Morde im Falle Gröschke (am 30. März erfolgte die Fest⸗ nahme des Schulz in Landsberg); 15. Oktober 1925 von der Staats⸗ anwaltschaft I11 Berlin wegen Anstiftung zum Morde im Falle Wilms; 17. Dezember 1925 desgleichen im Falle Sand; 3. No⸗

vember 1925 desgleichen im Falle Brauer; II. Januar 1926 des⸗

gleichen im Falle Legner; 21. Januar desgleichen im Falle Gaedicke und dann eines noch unbekannten Zeitfreiwilligen; 25. Februar 1926

desgleichen im Falle Janke. Der Vertreter des Jussizministeriums teilte aus den Akten noch die Einzahlungen für Schulz in die Gefängniskasse Landsberg mit. Dorthin wurden für Beköstigung usw.

für Schulz insgesamt 1371 von Rechtsanwalt Sack und Herrn, von Opvpen eingezahlt. In die Berliner Gefängnistasse zahlten für Schulz nach und nach 164,75 ein die Herren Hellius,

Kommerzienrat Bloch und Buchrucker. Mit Erlaubnis des Untersuchungsrichters liest der Untersuchungsgefangene Schulz die „Weltbühne“, das „Berliner Tageblatt“, die „Deutsche Zeitung“ und die „Berliner Illustrierten. Abg. Heilmann (Soz.): In der „Weltbühne“ steht die Artikelserie über die Fememorde. Nehmen Sie an, daß der Untersuchungsrichter das bei Erteilung der Lese⸗ erlaubnis wußte? Oberiustizrat Wirt: Diese Frage kann ich nicht beantworten. Darüber habe ich keinen Bericht. Es folgte dann die Vernehmung des Zeugen Schumacher, der bis Ende Februar 1925 im Zentralverband der Landarbeiter und zu⸗

gleich in der „Vermögensverwaltung“ beschäftigt war. Er soll über die Wohnungsangelegenheit des Schulz Auskunft geben. Er bekundete, daß Schulz vom Landarbeiterverband gerne Wohngelegen⸗ heit im Hause Luisenstraße 38 gegeben wurde, weil man zugleich jemanden zur Bewachung des Hauses hatte. Ueber Schulz lagen guch die besten Auskünfte vor. (Zuruf des Abg. Obuch (Komm): Schulz war neun Zehntel der ganzen Zeit verreist!). Bei dem Einkommen des Schulz wunderte sich der Zeuge, daß er mit dem bescheidenen Zimmer in der Luisenstraße 38 zufrieden war. Auf Vorhalte ver⸗ neinte der Zeuge die Frage, ob er wisse, daß Schulz außer in der Luisenstraße 38 noch im Stadtteil Moabit, in Fentschen a O. und als Dr Schneider in Berlin⸗Dahlem wohnte Er wurde dann entlassen. Darauf erschien nochmals Herr von Zengen, früherer Mit⸗ arbeiter der Arbeitgeber⸗Vereinigung, als Zeuge. Er erklärte zunächst: Ich bitte als Zeuge um eine Rechtsbelehrung darüber, welche Zwangs⸗

maßnahmen nach der Verfassung der Ausschuß mir gegenüber er⸗ greifen kann, wenn ich eine Frage beanstande und daher nicht be⸗ antworte. Vors. Abg. Brandenburg (Soz.): Das angeforderte Gutachten vom Justizministerium bezw. dem Innen⸗ ministertum in dieser Angelegenheit liegt dem Ausschuß noch nicht vor. Aber Sie sind ja bereits vom Ausschuß als Zeuge vernommen und darüber belehrt worden daß hier die Bestimmungen der Strafprozeßordnung sinngemäß zur Anwendung kommen. Zeuge von Zengen: Welche Bestimmungen sind das? (Erregung links.) Abg Riedel (Dem): Wenn ich gewußt hätte, daß Zeugen es mit der Würde ihres Erscheinens vor dem Untersuchungsausschuß für vereinbar halten, derartige Fragen zu stellen, hätte ich dem Antrag auf Erstattung eines Gutachtens nicht zugestimmt; denn ich halte die Frage für absolut geklärt, ob der Aus⸗ schuß das Fragerecht hat oder nicht. Zu klären ist nur die Frage, wie ein Zeuge zu behandeln ist, der sich vor dem Ausschuß ungebührlich benimmt, und ich hahe es ein für allemal satt, mich hier von Zeugen ungebührlich behandeln zu lassen. (Zustimmung links.) Abg Kuttner (Soz.): Wenn auch der Ausschuß zur Klärung von Rechtsfragen ein Gat⸗ achten angefordert hat, so hängt davon nicht etwa die gegenwärtige Rechtslage des Ausschusses ab. Zwangsmaßnahmen können wir ohne weiteres beschließen, und wenn der Zeuge die Aussage ver⸗ weigert, muß er sich die Folgen selbst zuschreiben (Sehr richtig! links.) Abg. Dallmer (D. Nat.): Ich verstehe nicht, wozu die große Geschäftsordnungsdebatte dienen soll. Der Zeuge hat das gute Recht, sich zu erkundigen, was ihm passiert, wenn er seine Aussage hier verweigert. Vor⸗ sitzender: Daurüber ist der Zeuge schon früher belehrt worden, und ich frage ihn nun, ob er aussagen will oder nicht. Zeuge: Selbstverständlich will ich aussagen, aber ich möchte unbedingt eine klare Auskunft vom Vorsitzenden darüber haben, welche Zwangs⸗ maßnahmen dem Ausschuß verfassungsmäßig zustehen, wenn ich bei bei einer Frage, die ich beanstande, die Aussage verweigere. (Erregung links.) Vorsitzender: Sie haben keine Fragen zu beanstanden, sondern haben nur bas Recht, die Antwort zu verweigern wenn Sie fürchten, sich einer strafrechtlichen Versolgung auszusetzen. Zeuge: Trotz⸗ dem möchte ich eine klare Antwort haben.. (Lebh. Entrüstungsrufe links.) Vorsitzender: Wir haben uns hier heute mit Ihnen darüber nicht zu unterhalten. (Sehr richtig! links.) Der Zeuge bestätigte dann auf Befragen durch den Abg. Kuttner (Soz.) daß er dem Abg. Meyer ausdrücklich erklärt habe, daß zum Zwecke der Unter⸗ stützung des Schulz Gelder der Arbeitgebervereinigung nicht ver⸗ wendet werden dürften. Dann ist seine Befragung beendet. Abg. Kuttner (Soz.) erklärte zu dem Briefe des Zeugen Abg. Meyer, in dem Meyer sein nochmaliges Erscheinen vor dem Untersuchungsausschuß verweigert, er wolle dem Zeugen Meyer Gelegenheit geben, sich zu einer in nichtöffentlicher Sitzung des Ausschusses aufgetretenen Vermutung zu äußern, die ungünstig für Meyer ausgelegt werden könne. Wenn der Zeuge Meyer die Gelegeaheit einer Klarstellung dieser Angelegenheit nicht benutze, so müsse er im Interesse des Abg. Meyer das bedauern. Die Beschlußfassung über die Beweisanträge und über den weiteren Be⸗ ratungsplan soll am Freitag erfolgen. Es soll dann auch die Frage geklärt werden, wie die Erklärung des Abg. Meyer prozessual zu werten sei, dem Ausschuß nur schriftlich Auskunft zu geben. Hierauf erstattete Abg. Kuttner (Soz,) noch den öffentlichen Bericht in dem gegen Malettke angestrengten Begünstigungsverfahren. Dann vertagte sich der Ausschuß. 3

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

Verantwortlicher Schriftleiter: Direktor Dr. Tyrol. Charlottenburg. Verantwortlich für den Anzeigenteil: Rechnungsdirektor Mengering in Berlin.

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und Erste bis Vierte Zentral⸗Handelsregister⸗Beilage.

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handelt.

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Donnerstag,

den 4. März, abends.

Poftschecktonto: Berlin 41821. 1926

einschließlich des Portos abgegeben.

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Inhalt des amtlichen Teiles: Deutsches Reich. Anzeige, betreffend die Ausgabe der Nummer 12 des Reichs⸗ gesetzblatts Teil I. Preußen. Ernennungen und sonstige Personalveränderungen.

Bekanntmachung.

Die von heute ab zur Ausgabe gelangende Nummer 12 des Reichsgesetzblatts Teil ] enthält das nachstehend auf⸗ geführte Gesetz:

Die Verordnung über Finanzstatistik, vom 9. Februar 1926. Umfang 5. Bogen. Verkaufspreis 50 Reichspfennig.

Berlin, den 3. März 1926.

Gesetzsammlungsamt. Dr. Kaisenberg.

Preußen. 1 Finan zministe rium. 89

Die Rentmeisterstelle bei der staatlichen Kreiskasse in Freystadt, Regierungsbezirk Liegnitz, ist zum 1. Mai 1926 zu besetzen.

Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten.

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Die Oberförsterstelle Bieber im Regierungsbezirk Cassel ist zum 1. April 1926 zu besetzen. Bewerbungen müssen bis zum 25. März 1926 eingehen. 1“

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Nichtamtliches. Deutsches Reich.

8 Der Reichsrat hielt gestern nachmittag eine öffentliche Vollsitzung ab. Der Vorsitzende, Staatssekretär Zweigert, widmete vor Eintritt in die Tagesordnung dem verstorbenen Vertreter der Provinz Brandenburg, Landrat Joachim von Bredow, der seit Juni 1921 dem Reichsrat angehört hat, folgenden Nachruf, den die Mitglieder des Reichsrats stehend anhörten: 8 b Wir alle haben oft Gelegenheit gehabt, die rei Erfahr 1 Verstorbenen als und, seinen staatsmännischen Takt zu bewundern. Was aber jeder, der ihm näher stand besonders empfunden hat, war seine vornehme, ritterliche Persönlichkeit, die es verstand, alle Herzen zu gewinnen. Ich weiß ich spreche in Ihrer aller Sinne, wenn ich sage, daß er uns mehr war als ein Mitarbeiter; er war uns ein vornehmer, gütiger Freund. Der Reichsrat erklärte sich laut Bericht des Nachrichten⸗ büros des Vereins deutscher Zeitungsverleger einverstanden mit einem Beschluß des Reichstags, betreffend Abänderungen der Bestimmungen des Gesetzes über Erhöhung der Bier⸗ und DTaba ksteuer, soweit sie die Unterstützung von Tabakarbeitern betreffen, die durch die Steuererhöhung erwerbslos geworden sind.

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Den Hauptgegenstand der Tagesordnung bildete der Gesetz⸗ entwurf über Steuermilderungen zur Erleichterung der Wirtschaftslage. 1

Artikel I der Vorlage bringt eine Senkung der sg . vom 1. April d. J an auf c6 vH. Die 8 öö völlig wegfallen. Artikel II bringt steuerliche Erleichte⸗ rungen für wirtschaftlich notwendige Betriebs⸗ zu sam menschlüsse. (Die Paragraphen der gesamten Vorlage sind fortlaufend durchnumeriert.) § 4 bestimmt, daß bei Ver⸗ schmelzungen von Kavpitalgesellschaften im Sinne des § 12 des Kapitalverfehrssteuergesetzes und bei Sanierungen im Sinne des § 13 zu b, e des Kapitalverkehrssteuergesetzes die Gesellschaftssteuer auf 1 vom Hundert ermäßigt wird. Werden in den Fällen des Absatz 1 Grundstücke eingebracht, so ermäßigt sich die Grunderwerbs⸗ steuer auf 1 ½ vH. Die Zuschläge zur Grunderwerbssteuer und die Wertzuwachesteuer dürfen nicht erhoben werden.

§ 5 lautet: Auf Antrag kann die Vorschrift des § 4 bei Erhöhung des Gesellschaftskapitals einer Kapütalgesellschatt de der Errichtung einer neuen Kapitalgesellschaft für anwendbar erklärt werden, wenn es sich um die Zusammenfassung von gleichartigen oder wirtschaftlich zusammengehörigen Betrieben mehrerer Unternehmungen

gebrachte Betrieb einer der beteiligten Kapitalgesellschaften für die Zwecke der Gesellschaftssteuer als aufnehmende Gesellschaft gilt, 2. daß bei besonderen Schwierigkeiten in der Durchführung der Bewertung, die sich insbesondere aus der Beteiligung mehrerer Länder oder Gemeinden an der Grunderwerbssteuer ergeben, eine Pauschbesteuerung nicht nur für die Gesellschaftssteuer, sondern auch für die Grunderwerbssteuer eintritt.

§ 6 lautet: Die Vorschriften der §§ 4 und 5 finden auf Rechts⸗ vorgänge Anwendung, für die die Steuerschuld in der Zeit vom 1. September 1925 bis zum 31. März 1927 entstanden ist. Hier haben die Reichsratsausschüsse die Bestimmung eingefügt, daß eine

Rückzahlung bereits an Länder und Gemeinden gezahlter Steuern nicht stattfinden soll.

§ 7: Ist eine inländische Gesellschaft der in § 26 Abs. II Nr. 1 des Reichsbewertungsgesetzes bezeichneten Art als Muttergesellschaft an dem Vermögen einer unter die gleiche Vorschrift fallenden in⸗ ländischen Tochtergesellschaft zu weniger als einem Viertel be⸗ teiligt, und ist der Tochtergesellschaft die in § 5 Abs. I vorge⸗ sehene Vergünstigung gewährt worden, so ist auf Antrag der Muttergesellschaft der Wert ihrer Beteiligung bei der Feststellung des Einheitswerts ihres Vermögens außer Ansatz zu lassen, wenn zur Zeit der Einbringung der nach den Vorschriften des Reichs⸗ bewertungsgesetzes berechnete Wert des von ihr in die Tochtergesell⸗ schaft eingebrachten Vermögens mindestens 35 vH des nach den gleichen Vorschriften berechneten Werts ihres Gesamtvermögens be⸗ tragen hat; die auf Grund des § 27 letzter Halbsatz des Reichs⸗ bewertungsgesetzes getroffenen Bestimmungen finden entsprechende An⸗ wendung. Die Vergünstigung des Absatz 1 findet zum ersten Male Anwendung bei der Feststellung des Einheitswertes für das Ver⸗

mögen der Muttergesellschaft nach dem Stand an dem Hauptsest⸗ stellungszeitpunkt, der der Einbringung des Vermögens in die Tochtergesellschaft unmittelbar folgt; die Vergünstigung wird zum letzten Male bei der Feststellung des Einheitswertes nach dem Stand vom Beginn des 1. Jannar 1928 gewährt.

§ 8: Unter den Voraussetzungen des § 7 Abs. I findet auf Antrag die Vorschrift des § 11 Nr. III des Körperschaftssteuergesetzes auch auf eine Erwerbsgesellschaft 4 Abs. I des Körperschaftssteuer⸗ gesetzes) Anwendung, die als Muttergesellschaft an einer inländischen Erwerbsgesellschaft zu weniger als einem Viertel beteiligt ist. Die Vergünstigung des Abs. I gilt frühestens bei der Veranlagung von Erwerbsgesellschaften für einen Steuerabschnitt, der am 31. August 1926 endet. Die Vergünstigung wird bei Erwerbs⸗ gesellschaften, deren Steuerabschnitt in der ersten Hälfte des Kalenderjahrs endet, letztmals für den Steuerabschnitt 1927/28 und bei Erwerbsgesellschaften, deren Stenuerabschnitt in der zweiten Hälfte des Kalenderfahres endet, letztmals für den Steuerabschnitt 1926/27 oder 1927 gewährt. § 9: Ueber einen gemäß § 5 gestellten Antrag entscheidet das Landesfinanzamt, in dessen Bezirk sich der Ort der Leitung der aufnehmenden oder neuerrichteten Kapitalgesellschaft befindet. Ueber einen gemäß §§ 7, 8 gestellten Antrag entscheidet das Landesfinanzamt, in dessen Bezirk sich der Ort der Leitung der Muttergesellschaft befindet. Gegen den Bescheid des Landesfinanzamts ist Beschwerde an den Reichsminister der Finanzen gegeben; dieser entscheidet endgültig.

Artikel III enthält Bestimmungen über Verlegung der Zahlungstage für die Einkommensteuer⸗, und Körperschaftssteuervorauszahlungen. Danach erhält der § 95 des Einkommensteuergesetzes vom 10. August 1925 folgende Fassung: Bis zum Empfang eines Steuerbescheides 64) für einen Steuerabschnitt hat der Steuerpflichtige auf die Steuerschuld dieses Abschnitts am 10. April, 10. Juli, 10. Oktober und 10. Januar Vorauszahlungen in Höhe von je einem Viertel der zuletzt fest⸗ gestellten Steuerschuld zu entrichten. Steuerpflichtige, die hauptsäch⸗ lich Einkünfte aus Landwirtschaft beziehen, haben die Vorauszahlungen am 15. November in Höhe der Hälfte, am 15. Februar und 15. Mai in Höhe von je einem Viertel der zuletzt festgestellten Steuerschuld zu entrichten. Der Reichsminister der Finanzen ist ermächtigt, für Betriebe bestimmter Art, insbesondere Gartenbau, andere Voraus⸗ zahlungstermine zu bestimmen. Eine Vorauszahlung gilt als Vor⸗ auszahlung für den Steuerabschnitt, in den a) im Falle des Satzes I der Schluß des vergangenen Monats, b) im Falle des Satzes II der

maßgebende Zahlungstag fällt.

Artikel IV enthält in vier Paragraphen eine vereinfachte Erhebung der Vermögenssteuer 1926. 11 lautet: Die Vermögenssteuer für das Kalenderjahr 1926 wird nicht besonders veranlagt. Sie wird in Höhe von drei Vierteln des Jahressteuer⸗ betrags für das Kalenderfahr 1925 erhoben; die am 15. Mai 1926 vorgesehene Zahlung auf die Vermögenssteuer 1926 ist nicht zu ent⸗ richten § 12 lautet: Der mit dem 1. Januar 1925 beginnende Haupt⸗ feststellungszeitraum für die Feststellung der Einheitswerte nach dem Reichsbewertungsgesetz vom 10. August 1925 wird auf das Kalender⸗ jahr 1926 ausgedehnt. „§ 13 lautet: Neu⸗ oder Nachfeststellungen gemäß §§ 75, 76 des Reichsbewertungsgesetzes finden mit der Maß⸗ gabe statt, daß für Art und Menge des Vermögens zwar der Stand am Feststellungszeitpunkt maßgebend ist, die Bewertung jedoch auf den Hauptfeststellungszeitpunkt vom Beginn des 1. Januar 1925 abgestellt wird Auf Grund von Neu⸗ oder Nachfeststellungen sind Neu⸗ oder Nachveranlagungen gemäß § 12 des Vermögenssteuergesetzes vom 10 August 1925 in der Weise vorzunehmen, daß die Vermögens⸗ steuer für das Kalenderjahr 1926 in Höhe von Dreivierteln des Betrags erhoben wird, der unter Anwendung der §§ 12. 13 Satz I und der Vorschriften des Vermögenssteuergesetzes für das Kalenderjahr 1926 zu entrichten sein würde. § 14 lautet: Die §§ 11, 12 treten

Auf Antrag kann ferner bestimmt werden, 1. daß der ein⸗

mit Wirkung vom 1. Januar 1926, § 13 tritt mit Wirku om 1. Janua in Kraft. . 88

Bei den Ausschußberatungen erklärte der Reichsfinanz⸗ minister, daß durch die Senkung der Umfatzsteuer die Freilisten und die Begünstigungen aus § 7 des Umsatzsteuergesetzes nicht berührt würden. Namens der bayerischen Regierung erklärte der Gesandte v. Preger in der Vollsitzuug daß die bayerische Regierung die Bedenken gegen die Senkung der Umsatzsteuer für so bedeutend halte, daß sie der Vorlage nicht zustimmen könne.

Die Vorlage wurde nach den Ausschußbeschlüssen der Vollversammlung gegen die Stimmen von Bayern Mecklenburg⸗Schwerin bei Stimmenthaltung von Baden und Thüringen angenommen. Angenommen wurde auch eine von den Ausschüssen vorgeschlagene Resolution, die der Er⸗ wartung Ausdruck gibt, daß Länder und Gemeinden für die aus der Senkung der Umsatzsteuer ihnen evtl. entstehenden Aus⸗ fälle anderweit entschädigt werden würden. 1

von und

Deutscher Reichstag. 168. Sitzung vom 2. März 1926. Nachtrag.

Die Rede, die der Reichsarbeitsminister Dr. Brauns im Laufe der Bevatung des Etats des Reichsarbeitsmini steriums bei dem Titel „Sozialpolitik“ gehalten hat, lautet nach dem vorliegenden Stenogramm, wie folgt:

Meine Damen und Herren! Die Reichsregierung schenkt en gegen den eben gemachten Darlegungen dem Schutz der Iugend⸗ lichen doch ihre volle Aufmerksamkeit. (Zuruf von den Kom⸗ munisten: Wo denn2) Das werden Sie bald hören, Herr Rädel! Ich möchte darauf hinweisen, daß in dem Arbeiterschutzgesetz, das bereits in diesen Tagen im Arbeitsrechtsausschuß behandelt wird, und über das ich in meiner Rede vor etwa zehn Tagen ausfuhrlich gesprochen habe, der Schutz der Ingendlichen auf eine völlig neue Grundlage gestellt wird. Diese Lösung bringt wesentliche Fort⸗ schritte gegenüber dem heutigen Zustand. Insbesondere wird der Schutz der Jugendlichen bis zum 18. Lebensjahre ausgedehnt, worauf auch eben besonderer Wert gelegt worden ist.

Wir beachten insbesondere die Frage der jugendlichen Arbeite im Bergbau. Ich darf feststellen, daß im allgemeinen Jugendliche unter 16 Jahren unter Tage nicht mehr beschäftigt werden. Der Mansfelder Bergban, das Beispiel, das eben vorgetragen worden ist, bildet eine Ausnahme, die in den besonderen Verhältnissen des Mansfelder Kupferbergbaues wenn nicht begründet, so doch aus ihnen wenigstens erklärlich ist. Hier liegen ganz schwierige wirt⸗ schaftliche Verhältnisse vor, die auch zu unserem Bedauern die Arbeit der Jugendlichen unter Tage bisher noch aufrechterhalten haben. Die Rentabilität des Mansfelder Bergbaues hängt ganz und gar vom Weltmarkt in Kupfer ab. Vier Fünftel unseres Kupferbedarfs werden vom Ausland befriedigt. Der ganze Vergbau in Mansfeld ist in der letzten Zeit stark gefährdet gewesen, hat sich überhaupt nur mit Hilfe des Reichs aufrechterhalten köonnen. (Zuruf von den Sozialdemokraten: Mit Hilfe der Ausbeutung der Jugendlichen!) Nein, nicht mit Hilfe der Ausbeutung der Jugendlichen, Herr Kollege Hoch. Wenn solch schwierige Ver⸗ hältnisse vorliegen, dann ist es natürlich nicht gut möglich, mit einem Schlag alle wünschenswerten Reformen durchzusetzen Wir wollen aber hoffen, daß das doch geändert werden kann, und werden das Mögliche dazu tun.

Das Berufsausbildungsgesetz hat allerdings, wie ich zugebe, eine bedauerliche Verzögerug erfahren. Das kommt daher, daß an der Abfassung dieses Gesetzes eine ganze Reihe von Ministerien beteiligt gewesen ist und nach Lage der Dinge auch beteiligt sein mußte. Wir sind im Wirtschaftsministerium und im Arbeitsmini⸗ heute über die Vorlage im klaren, und ich hoffe, daß wir die Vor⸗ lage noch in allernachster Zeit an das Kabinett bringen können. (Zuruf von den Kommunisten.) Ja, das kann ich nicht ändern. Ich bin nicht schuld daran, daß die Aufgaben der Regierung und der elf oder zwölf Ministerien geteilt sind. Das hat ja die ver⸗ schiedensten Gründe. (Heiterkeit.) Wenn es aber einmal so ist, muß ich mich mit dieser Tatsache abfinden. Ich darf in diesem Zu⸗ sammenhang auch einmal darauf hinweisen, daß neben den Ver⸗ wltungsarbeiten an das Ministerium ungeheuer große Anforde⸗ rungen bezüglich der gesetzgebenden Arbeiten gestellt werden, so daß es wirklich unmöglich ist, all diesen Anforderungen schnell zu genügen. Wenn ich hier der Oeffentlichkeit mitteile, daß der Reichs⸗ tag im Jahre 1925 144 Anträge eingebracht hat, die alle auf die

Verabschiedung neuer Gesetze und die Einbringung neuer Vorlagen durch das Arbeitsministerium hinauslaufen, dann wird jeder ver⸗ stehen, daß es unmöglich ist, derartigen Anforderungen nachzu⸗

kommen

Ich glaube, auch der Reichstag wird Verständnis dafür