8 — 8— 1“ 98 8 Parlamentarische Nachrichten.
8 5 Der Haushaltsausschuß des Reichstags beg nn gestern unter dem Vorsitz des Abgeordneten AIMee. (D. Nat.) seine Aussprache über die Grundsätze, bezüglich der Fereditmaßnahmen des Reiches in Verbindung mit der Besprechung über die vom Reichsfinanzministerium vorgelegten Nachweisungen. Damit wurde die Erörterung der Anträge Müller⸗Franken (Soz.) und Genossen über die gleichen Fragen verbunden. Abg. Heimann (Soz.) begründete diese Anträge. Einleitend stellte er, dem Nachrichtenbüro des Vereins deutscher Zeitungsverleger zufolge, die Forderung, daß nur wirklich lebens⸗ fähige Unternehmen unterstützt werden dürften, daß aber dann auch das Reich sich eine gewisse Einwirkung und Beteiligung auf diese Unternehmungen sichern müsse. In den Vordergrund sei aber die setzen, die Reichsregierung zu ersuchen, in allen Fällen der Kreditgewährung oder der Uebernahme von Garantien durch das Reich dem Reichstag Vorlagen zu unter⸗ breiten, also nicht mehr mit dem Artikel 2 des Etatsgesetzes zu operieven, der solche Bewilligungen ohne das Plenum des Reichs⸗ tags allein durch den Ausschuß möglich mache. Redner erläuterte im einzelnen folgenden Antrag, der seine Forderungen formuliert: Der g. wolle beschließen: die Reichsregierung zu ersuchen, in allen Fällen der Kreditgewährung oder der Uebernahme von Garantien durch das Reich dem Reichstage Vorlagen zu unter⸗ breiten, bei denen die folgenden Richtlinien berücksichtigt sind: 1. Kredite dürfen nur gewährt, Garantien nur übernommen werden in solchen Fällen, in denen ohne das Eingreifen des Reichs wesentliche, für die Allgemeinheit notwendige Produktionsanlagen zum Erliegen kommen würden. 2. Reichshilfe irgendwelcher Art soll nur dann gewährt werden, wenn einwandfrei nachgewiesen wird, daß die unter 1 angegebenen Voraussetzungen erfüllt sind und daß damit gerechnet werden kann, daß die Hilfe des Reichs einen nur vorübergehenden Notstand beseitigen wird. 3. Wird Reichshilfe gewährt, 8 hat das Reich sich das Recht zu sichern: a) eine Kontrolle über die Verwendung der Reichsgelder aus⸗ zuüben. Die Reichsmittel sollen die Produktion fördern und be⸗ leben, aber nicht dazu dienen, privaten Gläubigern ihr Kreditrisiko abzunehmen, b) maßgeblich bei einer Reorganisation des subventio⸗ nierten Unternehmens mitzuwirken und in seiner Verwaltung ver⸗ treten zu sein, c) je nach der Höhe der gewährten Unterstützung angemessene Zinsen und Provision zu erhalten, und nach der Ge⸗ sundung an dem Unternehmen beteiligt zu werden. Eine ähnliche Kontrolle forderte Redner für jede Veräußerung und Verpfändung von Aktienbesitz des Reichs. Es soll die Reichsregierung ersucht werden: a) baldmöglichst eine Erweiterung des § 47 der Reichs⸗ haushaltsordnung nach der Richtung vorzuschlagen, daß jede Ver⸗ äußerung und Verpfändung von Aktienbesitz des Reichs der Zu⸗ stimmung des Reichsrats und des Reichstags bedarf, soweit nicht aus zwingenden wirtschaftlichen Gründen eine Abweichung hiervon geboten ist. In letzterem Falle ist dem Reichsrat und Reichstag von der Veräußerung oder Verpfändung alsbald durch eine Nach⸗ weisung Kenntnis zu geben, b) dafür Sorge zu tvagen, daß bis zum Erlaß einer solchen Bestimmung ohne Zustimmung des Reich haushaltsausschusses kein Aktienbesitz des Reichs veräußert oder verpfändet wird. Diese Bestimmungen seien unerläßlich. Er hoffe dafür auch auf die Zustimmung der Deutschnationalen nach den Aeußerungen des Abgeordneten Hergt hier in der Sitzung. Damit werde dem Reiche eine schnelle Verwertung des Aktien⸗ besibes nicht beschränkt, wie sie bei Gefahr im Verzuge, um das Reich vor Schaden zu bewahren, nötig werden könne. — Abge⸗ ordneter Schlack (Zentr.) sieht in dem Antrag das Bestreben, das Reich nur in durchaus nörigen Fällen zum Träger der Wirt⸗ schaft zu machen; diese Fälle aber möglichst einzuschränken. Das Reich könne und dürfe nicht Bankier der Wirtschoft werden. Der Weg der Anträge scheine ihm nicht ganz zur Erreichung des Ziels geeignet. Mit dem Gedanken des ersten Antrags sei er einver⸗ verstanden, aber im einzelnen müßten die Fraktionen sich erst über die Forderungen aussprechen und einigen. Richtiger scheine ihm, daß das Reich solche Darlehen in Verbindung mit den privaten Beonken unter Teilung des Risikos gewähre, weil die Privaten ganz andere Kontrollmöglichkeiten besäßen. Auf Vorschlag des Ab⸗ geordneten Hergt (D. Nat.) wird auch der noch nicht be⸗ gründete dritte Antrag der Sozialdemokraten gleich. mitberaten. Er fordert, das Reichsfinanzministerium zu ersuchen: Die im Mai überreichte Nachweisung der vom Reich über⸗ nommenen Bürgschaften und gewährten Kredite zu vervoll⸗ ständigen durch Hinzufügung: 1. der von den Schuldnern zu zahlenden Zinssätze, 2. der öffentlichen und privaten Kredit⸗ institute, hinter denen das Reich mit seiner Bürgschaft steht, 3. aller Bürgschaften, die das Reich in Gemeinschaft mit einem Land über⸗ nommen hat, 4. der Subventionen an gewerbliche und kauf⸗ männische Unternehmungen oder Körperschaften, die in den Haus⸗ haltsplänen 1924, 1925 und 1926 bewilligt sind, 5. der Unter⸗ stützungen und Kredite, die von Reichsstellen an gewerbliche und kaufmännische Unternehmungen oder Körperschaften gewährt werden, 6. der Unterstützungen und Kredite, die an gewerbliche und kaufmännische Unternehmungen oder Körperschaften 8 Grund besonderer Reichsgesetze bewilligt werden. Die so ver⸗ vollständigte Nachweisung nicht chronologisch aufzu⸗ führen, sondern systematisch (Industrie, Landwirtschaft, kaufmännische Unternehmungen) zu gruppieren.“ — Abg. Schlack (Zentr.) dehnte seine Kritik nunmehr auch auf diesen Antrag aus und gab zu bedenken, daß solche Nachweisungen Geschäftsgeheimnisse des Reichs und Prwater verraten könnten. Er lehne sie deshalb in dieser Form ab. Abg. Heimann (Soz.) erwiderte, daß alle Interessenten meist längst und viel früher über die Verhältnisse unterrichtet seien, die in solchen Na ““ veröffentlicht werden könnten. Verrat könne gar nicht mehr be⸗ fürchtet werden. Redner besprach die 1“ Nachweisungen und bemerkte, daß sie nicht ganz so ausführlich ausgefallen seien, wie sie sich der Ausschuß gedacht habe, um ein klares Bild von den Verpflichtungen des Reiches zu gewinnen. Er persönlich halte Bürgschaften für gefährlicher als Darlehen. In der Liste fehlte auch eine Reihe von Subventionen, die durch den Etat liefen. Eine Stelle müsse doch im Reiche vorhanden sein, die über die Geld⸗ darlehen der einzelnen Stellen der Reichsregierung an die Wirt⸗ schaft Bescheid wisse und kontrolliere, ob nicht findige Darlehens⸗ nehmer zugleich mehrere Stellen in Anspruch nähmen. Er emp⸗ fehle auch die Annahme des dritten Antrags seiner Fraktion. Staatssekretär Dr. Fischer erklärte, er könne zu den Anträgen, die ihm heute morgen erst zugegangen seien, namens der Regie⸗ rung noch keine Stellung nehmen. Er wolle nur zu der Frage der Nachweisungen Ausführungen machen. Redner schilderte die Ent⸗ stehungsgeschichte dieser Nachweisungen; sie seien hier im Ausschuß nach und nach angefordert und vollständig, sorgfältig und nach den der Regierung bekannten Unterlagen gegeben worden. Nach weiterer Aussprache wurde beschlossen, die Anträge einem beson⸗ deren Unterausschuß zu überweisen, damit den Fraktionen zunächst Gelegenheit gegeben werde, zu den in den Anträgen enthaltenen prinzipiellen Gedanken Stellung nehmen zu können. Hierauf ver⸗ tagte sich der Ausschuß auf Freitag.
In der Sitzung des Unterausschusses des Haus⸗ ersgusschgjses des Reichstags für die Fer en der nleiheablösung berxichteten die Vertreter der Reichsregie⸗
rung und der Länder eingehend über die Ablösung der Länder⸗ und Gemeindeanleihen. Es wurde festgestellt, daß schon die Aufwertung von 12 ¼ vH große Zuschüsse erfordere. Auf Anfrage wurde andererseits erklärt, daß Fälle vorliegen, in denen eine Höherauf⸗ wertung von Gemeindeanleihen bis zu 25 vS stattfinden eigb. Die Regierung wurde vom Ausschuß aufgefordert, baldigst darüber nähere Nachweisungen zu erbringen. Eine allgemeine Anordnung für die Gemeinden, so wurde betont, nur 12 ½¼ vH aufzuwerten, sei nicht beabsichtigt. Der Ausschuß forderte die schleunigste Durch⸗ — der Länder⸗ und Gemeindeablösung. Sie soll rückwirkend as ganze Jahr 1926 umfassen, so daß die Gläubiger der Länder und Gemeinden nicht schlechter gestellt werden als die Reichsgläu⸗ e Seite wurde noch eine bevorzugte Be⸗ 8 ig der edürftigen gefordert. Auch für die P 3 8 8 8 1 1 8
fung dieser Frage sollen seitens der Regierung Unterlagen beigebracht werden.
Im Rechtsausschuß des Reichstags wurde am 23. d. M. mit der Einzelberatung des Gesetzentwurfs über die ver⸗ mögensrechtliche Auseinandersetzung zwischen den deutschen Ländern und den vormals regierenden Fürstenhäusern begonnen. Aenderungsanträge lagen vor von den Deutschnationalen und von den Sozialdemokraten. Abg. Dr. Rosenfeld (Soz.) richtete, laut Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungs⸗ verleger an die Regierung die Frage, ob tatsächlich die Regierung heute im Gegensatz zu ihrem früheren Gutachten das Gesetz nicht mehr für verfassungsändernd hält, wenn eine entsprechende Präambel beschlossen wird. eeichskanzler Dr. Marx: Die Regierung steht nach wie vor auf dem Standpunkt, daß das vorliegende Gesetz eine Verfassungsänderung bedeutet, also zur Annahme einer Zweidrittelmehrheit bedarf. Ueber die Präambel hat die Regierung keine Anträge vorgelegt. Abg. Neubauer (Komm.): In der Presse war aber berichtet worden, b jetzt durch eine entsprechende Präambel das Gesetz für nicht verfassungsändernd erklären will. War diese Pressemeldung aus der Luft gegriffen? Reichskanzler Dr. Marx: In der Presse hat während der Ferien 88 viel gestanden, was unzutreffend ist, daß darüber gar kein Wort zu verlieren ist. Ich kann nur erklären, was die Regierung beschlossen hat. Auf Vorschlag des Vorsitzenden Abg D. Kahl dd. Vp.) beschloß der Ausschuß, die Frage des verfassungsändernden Charakters 18 nach Erledigung der sachlichen Beratung des Gesetzes zu erörtern. Hierauf wird sogleich der § 1 zur Beratung gestellt, der die Zu⸗ eö des Sondergerichts regelt. Nach der Vorlage führt en Vorsitz der Reichsgerichtspräsident. Der Reichspräsident er⸗ nennt auf Vorschlag der Reichsregierung den Stellvertreter des Präsidenten, die acht weiteren Mitglieder des Gerichts und die notwendigen Stellvertreter. Vier von den weiteren Mitgliedern und deren Stellvertreter müssen Mitglieder von ordentlichen Ge⸗ richten oder von Verwaltungsgerichten des Reichs oder der Länder sein Abg. Dr. Rosenfeld (Soz.) empfahl kurz einen sozlal⸗ emokratischen Antrag, der verlangt, daß der Reichstag die Mit⸗ glieder des Gerichts wählt. Ein Eventualantrag verlangt, daß vier Mitglieder die Fähigkeit zum Richteramt besitzen und die übrigen Laien sein müssen. Abg. Dr. Barth (D. Nat.) begründete Antröge seiner Partei, die in erster Linie verlangen, daß vier Mitglieder dem Reichsgericht, die übrigen ordentlichen obersten Gerichten oder obersten Verwaltungsgerichten oder dem Reichsfinanzhof oder dem Reichswirtschaftsgericht angehören müssen. In einem Eventualantrag wird verlangt, daß die Laienmitglieder nicht Abgeordnete des Reichstags oder der Landtage sein dürfen. — Die sozialdemokratischen Anträge wurden gegen die Antragsteller bei Stimmenthaltung der Kommunisten, die deutschnationalen gegen die Antragsteller und den völkischen Vertreter abgelehnt. § 1 wurde darauf mit elf gegen drei Stimmen bei zwölf Stimm⸗ enthaltungen angenommen Dagegen stimmten die Kommunisten, die Sozialdemokraten, Deutschnationalen und Völkischen enthielten sich der Stimme. § 2 behandelte die Zuständigkeit des Gerichts und sagt, 8 das Gericht tätig wird auf Antrag eines Landes oder eines Mitgliedes eines Fürstenhauses. — Abg. Dr. Rosenfeld (Soz.) beantragte die Streichung der Bestimmung, daß das Gericht nur auf Antrag tätig wird. Bei Annahme dieser Bestimmung würde das Gesetz praktische Bedeutung nur für Preußen und haben. Der Vorsitzende Abg. D. Kahl (D. Pp.) und die Abgeordneten v. Richthofen (Dem.), Schulte (Zentr.), Dr. Bell (Zentr.), Dr. Wunderlich (D. Vp.) und Brodauf (Dem.) erklärten demgegenüber, das Gesetz würde schon eine sehr begrüßenswerte Wirkung haben, wenn das in ihm geschaffene neue materielle Recht die C“ veranlaßt, mit den Ländern auf der Grundlage dieses neuen Rechts Ver⸗ bisherigen. Bei Annahme des sozialdemokratischen Antrags müßte das Sondergericht aber sämtliche Auseinandersetzungen nachprüfen, auch diejenigen, mit denen die Landesregierungen durchaus einver⸗ standen sind. Auf Fragen der Abgeordneten Dr. Rosenfeld (Soz.) und Brodauf (Dem.) erklärte der Vertreter der thüringischen Staatsregierung, Seeheher v. Klüchtzner, bei Annahme der Regierungsvorlage bestehe für Thüringen die Möglichkeit, das Sondergericht nicht nur im Falle Coburg⸗Gotha anzurufen, sondern auch in den Fällen, wo Fürstenhäuser gegen aügeschwssene Vergleiche den Nichtigkeitseinwand erhoben haben. — Der sozialdemokratische Antrag wurde gegen die Stimmen der Antragsteller bei “ der Kommunisten abgelehnt. Im zweiten Absatz des § 2 wird bestimmt, daß eine bereits abgeschlossene Gesamtauseinandersetzung vom Sondergericht nur noch einmal aufgerollt werden darf, wenn beide Parteien das beantragen. Abg. Landsberg (Soz.) begründete einen sozial⸗ demokratischen Antrag, wonach zux Wiederaufrolluag der Antrag des beteiligten Landes genügen soll. Darin liege keine Ungerechtig⸗ keit gegen die Fürstenhäuser, denn die bisherigen Gesamtaus⸗ einandersetzungen seien unter dem für die Länder ungünstigen Recht erfolgt, das jetzt durch das neue Gesetz geändert werden soll. Auch dieser Antrag wurde bei Stimmenhaltung der Kommu⸗ nisten gegen die Antragsteller abgelehnt. § 2 wurde mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie § 1 angenommen, ebenso ohne Aussprache § 3, der die Fristen für die Anträge beim Sonder⸗ gericht festsetzt. § 4 besagt: Der Umfang der Auseinandersetzungs⸗ masse wird durch die Anträge der Parteien bestimmt. In die Aus⸗ einandersetzungsmasse können jedoch Vermögensstücke insoweit nicht einbezogen werden, als sie in einem anderen Lande liegen und durch eine Gesamtauseinandersetzung zwischen diesem anderen Lande und dem E1““ das dort regiert hat, unter den Parteien aufgeteilt sind. Die Sozialdemokraten hatten Streichung des ganzen Paragraphen beantragt und äußerten besonders Bedenken gegen den zweiten Satz, der nach ihrer Meinung bei der Auseinandersetzung mit Coburg⸗Gotha bedenkliche Wirkungen haben würde. Der Vertreter Thüringens bestätigte, daß die thüringische Regierung aus diesem Absatz Schwierigkeiten bei der Auseinandersetzung mit dem Herzog von Coburg befürchtete. Die Frage der Schmalkaldener Forsten werde aber davon nicht berührt. Der Vertreter Bayerns hielt den Absatz für notwendig, um zu verhindern, daß die für das Coburger, jetzt zu Bayern gehörige Gebiet abgeschlossene Auseinandersetzung wieder aufgerollt wird. Auch dieser Redner betonte, daß die Schmal⸗ kaldener Forsten nicht unter die Bestimmung des Absatzes fallen könnten. — Der sozialdemokratische Streichungsantrag wurde ab⸗ gelehnt und § 4 mit der gleichen Mehrheit wie die vorherigen angenommen. § 5 stellt folgende Richtlinien dafür auf, was als Staatseigentum und was als Privateigentum der Fürstenhäuser zu gelten hat: „Als Staatseigentum gilt, was das Fürsten⸗ haus oder seine Mitglieder erworben haben: a) auf Grund von Handlungen, die das Fürstenhaus oder eines seiner Mitglieder nur kraft ihrer staatsrechtlichen Stellung vornehmen konnten, oder auf Grund des Völker⸗, Staats⸗ oder übrigen öffentlichen Rechtes, mit Ausnahme der unter Fefettsan einer Volksvertretung ver⸗ fassungsmäßig zustande gekommenen Gesetze, b) gegen Leistungen, die sie nur kraft ihrer staatsrechtlichen Stellung bewirken konnten. Als Privateigentum des Fürstenhauses oder seiner Mitglieder gilt, was sie auf Grund eines Privatrechtstitels erworben haben: a) mit privaten Mitteln, b) unentgeltlich (im Erbgang, als Mitgift, auf Grund privater Schenkung oder aus ähnlichen Gründen) und auch nicht gegen Leistungen, die sie nur kraft ihrer staatsrechtlichen Stellung bewirken konnten. Als Privat⸗ rechtstitel gilt nicht die Ersitzung, wenn festgestellt wird, daß der Besitz, auf dem sie beruht, auf eine der oben bezeichneten Erwerbs⸗ arten erlangt ist.“ Abg. v. Lindeiner⸗Wildau (D. Nat.) be⸗ antragte die Streichung dieser Richtlinien, so daß der § 5 nur lauten würde: „In dem Verfahren auf Gesamtauseinandersetzung stellt das Reichssondergericht, soweit darüber unter den Parteien Streit besteht, auf Grund von Reichs⸗ und Landesrecht fest, was von den zur Auseinandersetzungsmasse gehörigen Vermögensstücken Staatseigentum und Privateigentum ist.“ Für den Fall der Ab⸗ lehnung dieses Antrages beantragen die Deutschnationalen die
Aufstellung folgender Richtlinien: “ .
Für die Festsetzung der Rechts⸗
die erforderlichen
8 —
und Eigentumsverhältnisse gelten — vorbehaltlich des Gegen⸗ beweises — folgende Vermutungen: 1. Staatseigentum ist, was das Fürstenhaus oder seine Mitglieder auf Grund eines völker⸗ rechtlichen, staatsrechtlichen oder sonstigen öffentlich⸗rechtlichen Erwerbsgrundes erworben haben; 2. Privateigentum ist, was das Fürstenhaus oder seine Mitglieder auf Grund eines Privatrechts⸗ titels, insbesondere durch Kauf, Tausch, Schenkung, Mitgift, Erb⸗ schaft, erworben haben.“ Abg. Dr. Rosenfeld (Soz.) be⸗ kämpfte die deutschnationalen Anträge und beantragte die Ein⸗ fügung des Satzes: „In Zweifelsfällen spricht die Vermutung für Staatseigentum.“ Er beantragte weiter eine Ergänzung dahin, daß als Ausnahme von der Begriffsbestimmung des Eichseigen⸗ tums nur der Erwerb auf Grund solcher Gesetze gelten soll, die nach der Staatsumwälzung von 1918 beschlossen worden sind. — Reichskanzler Dr. Marx bezeichnete den letzten sozialdemokratischen Antrag als unannehmbar. Ueber ein mit Zustimmung einer Volks⸗ vertretung verfassungsmäßig zustande gekommenes Gesetz könne man unmöglich einfa e Auf eine Frage des deutschnationalen Redners über die Behandlung des Kronlehens Oels erklärte der Reichskanzler: Nach der Auffassung der Reichsregierung kommt es darauf an, wie ein bestimmtes Vermögensobjekt in den Besitz des Fürstenhauses gekommen ist. Dabei ist von Bedeutung, welcher Art der Erwerbsakt war, und woher die Mittel für den Erwerb stammten. Liegt ein öffentlich⸗rechtlicher Erwerbsakt vor, so gilt das Objekt als Staatseigentum. Liegt ein privatrechtlicher Er⸗ werbsakt vor und ist der Erwerb aus privaten Mitteln erfolgt, dann wird an der Tatsache des Privateigentums au dadurch nichts geändert, daß durch einen staalsrechtlichen Akt, beispielsweise eine Kabinettsorder, später darüber verfügt worden ist. Von den Abgg. Dr. Pfleger (Bayr. Vp.), v. Richt⸗ hofen (Dem Schulte (Zentr.) und Dr. Wunderlich (D. Vp.) wurde die Regierungsvorlage gegen die Aenderungs⸗ anträge verteidigt. Mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie bisher wurden die Aenderungsanträge abgelehnt und § 5 angenommen. Sehr umstritten wurde der folgende § 6, er besagt: Eine Auseinandersetzung, die nach der Staatsumwälzung des Jahres 1918 zwischen dem Lande und einzelnen Mitgliedern des vormals regierenden Fürstenhauses oder über einzelne Ver⸗ mögensstücke erfolgt ist (Teilauseinandersetzung), bindet das Reichssondergericht nicht. Ist zwischen dem Lande und dem Fürstenhaus oder einzelnen seiner Mitglieder über das Eigentum oder ein sonstiges Recht an einzelnen Vermögensstücken ein rechts⸗ kräftiges Uͤrteil ergangen, so bleibt es maßgebend, auch wenn es mit einer Teilauseinandersetzung zusammenhängt. Das Reichs⸗ sondergericht kann jedoch auf Antrag einer Partei von einem nach der Staatsumwälzung des Jahres 1918 ergangenen rechtskräftigen Urteil abweichen, wenn es feststellt, daß das Urteil auf Gründen beruht, die mit den Vorschriften der 8§ 5 und 8 dieses Gesetzes unvereinbar sind. Verträge und Vergleiche, die nach der Staats⸗ umwälzung des Jahres 1918, aber vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes über eine Auseinandersetzung geschlossen sind, sind gültig, auch wenn sie der in den §§ 313 und 518 des Bürgerlichen Besese buches vorgeschriebenen Form nicht genügen. — Die Abgg. Dr. Rosenfeld (Soß.) und Landsberg (Soz.) beantragten eine Aenderung dahin, daß auch dieienigen rechtskräftigen Urteile aufgehoben werden können, die vor der Revolution von 1918 ergangen sind. Für diese Notwendigkeit spreche vor allem das Urteil, durch das Schwedt⸗Vierraden⸗Wildenbruch dem Fohen⸗ zollernhaus gegen den Widerspruch der damaligen preußischen egierung zugesprochen wurde. Friedrich Wilhelm IV. hatte ein⸗ fach durch Kabinettsorder den Streitfall dem dafür gar nicht ft eben geheimen Justizrat überwiesen, und der fällte zugunsten er Krone ein Urteil, das sich in einzelnen Punkten auf kurfürst⸗ liche Verordnungen von 1385 beruft. Wenn man berechtigterweise die mit modernen Rechtsbegriffen unvereinbaren Urteile aufhebt, dann dürfe man nicht beim November 1918 haltmachen. Für die Sozialdemokraten sei die Stellung des Ausschusses zu dieser Frage von entscheidender Bedeutung. Abg. Brodauf (Dem.) erklärte die sozialdemokratische Kritik an dem Urteil über Vierraden für berechtigt. Aber es handelt sich nicht nur um dieses eine Urteil, und die allgemeine Anfechtung aller früheren Urteile würde doch bedenklich sein. Da nach einer weiteren Bestimmung des Gesetzes das Sondergericht nach Billigkeit entscheidet, könne es bei der Auseinandersetzung mit Preußen auch das zugunsten der Hohen⸗ zollern gefällte unbillige Urteil ausgleichend berücksichtigen. Abg. Dr. Wunderlich (D. Vp.) erklärte, ihm als Juristen sei es sehr schwer gefallen, in diesem Punkte der Regierungsvorlage zuzustimmen. Es wäre ihm lieber gewesen, wenn an rechts⸗ kräftigen Urteilen überhaupt nicht gerüttelt wird. Nach der Revolutionszeit sei es aber unterlassen worden, für die Aus⸗ einandersetzung mit den Fürstenhäusern an Stelle der dazu ganz unbrauchbaren bisherigen Rechtsgrundsätze neues Recht zu schaßfene Diese Versäumnis werde jetzt daurch nachgeholt, daß dem Gesetz bis zur Revolutionszeit gewissermaßen rückwirkende Kraft gegeben werde. Nur unter diesem Gesichtspunkt sei die Aufhebung rechts⸗ kräftiger Urteile erträglich, auf die Zeit vor der Staatsumwälzung dürfe sich aber diese Rückwirkung unter keinen Umständen erstrecken. Abg. v. Lindeiner⸗Wildau (D. Nat.) betonte demgegen⸗ über, nach der Revolution hätten die sozialdemokratischen Macht⸗ haber keineswegs, wie die Regierungsparteien anzunehmen scheinen, die Aufstellung neuer Rechtsgrundsätze für die Aus⸗ einandersetzung versäumt; sie hätten vielmehr ganz bewußt erklärt, daß für die Auseinandersetzung die bisher geltenden Zivilrechts⸗ grundsätze maßgebend sein sollten. Das habe beispielsweise der damalige Volksbeauftragte Ebert im Namen aller Volksbeauf⸗ tragten gegenüber dem Lande Lippe ausdrücklich durch einen Erlaß vom 3. Dezember 1918, ausgesprochen. Bei dieser Sach⸗ lage könne man nicht die Fiktion einer Rückwirkung des Gesetzes bis zur Revolution aufrechterhalten. Die Aufhebung der später rechtskräftig ergangenen Urteile bedeute dann einfach die in Widerspruch zum ordentlichen Recht vorgenommene ent⸗ schädigungslose Enteignung von Flatow⸗Krojanke und anderen Throngütern. Das würde ein Mißbrauch der Gesetzgebung sein. Der Redner beantragte, dem Absatz 2 folgende Fassung e „Rechtskräftige Urteile, rechtsgültige Schiedssprüche, Verträge, Vergleiche, Anerkenntnisse bleiben maßsebend. Abg. v. Richt⸗ hofen (Dem.) wandte sich gegen den deutschnationalen Antrag. Es sei kein Mißbrauch der Gesetzgebung, wenn man Fehlurteile beseitigt, die nur möglich waren, weil die Gerichte noch an ein Recht gebunden waren, dessen Unhaltbarkeit die Einbringung des neuen Gesetzentwurfs notwendig gemacht hat. — Der Antrag der Deutschnationalen wurde gegen die Antragsteller und die Stimmen des Abg. Alpers elfe) und Frick (Völk.) ab⸗ gelehnt, die sozialdemokratischen Anträge gegen die Stimmen der Antragsteller bei Stimmenthaltung der Kommunisten. — § 6 der Regierungsvorlage wurde dann bei Stimmenthaltung der Deutsch⸗ nationalen und Sozialdemokraten gegen die Stimmen der Kommunisten angenommen, ebenso ohne Aussprache der § 7, der besagt, daß das Reichssondergericht diejenigen Vermögensstücke zu einer Teilungsmasse zusammenzufassen hat, bei denen die Rechts⸗ und Eigentumsverhältnisse nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten festzustellen sind. Die Weiterberatung wurde dann auf Donnerstag vormittag vertagt.
(Fortsetzung in der Ersten Beilage.)
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Fünf Beilagen seinschließlich Börsen⸗Beilage) und Erste und Zweite Zentral⸗Handelsregister⸗Beilage
In einem Teil der gestrigen Auflage (Nr. 144) muß es statt Fünf“ richtig heißen: „Vier Beilagen“.
Ginzelne
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2
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Inhalt des amtlichen Teiles: Deutsches Reich.
Mitteilung über den Empfang des neuernannten p
Gesandten.
8
Verordnung über die Auflösung von Außenhandelsstellen.
Bekanntmachung, betreffend die I. b Schwerinsche Roggenwertanleihe von 1923
Amtliches.
Deutsches Reich.
ersis bhen
Be
Sonnabend, de
Poftscheckkonto: Berlin 41821.
rlin,
8
und III. Mecklenburg⸗
Der Herr Reichspräsident hat gestern den neuernannten Kaiserlich persischen außerordentlichen Gesandten und bevoll⸗ mächtigten Minister Mirza Mohamed Ali Khan Farzine zur Entgegennahme seines Beglaubigungsschreibens sowie des
Abberufungsschreibens des bisherigen
Kaiserlich
persischen
außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Ministers An dem
Empfang nahm außer den Herren der Umgebung des Herrn Reichspräsidenten der Reichsminister des Auswärtigen Dr.
Abdol⸗Ali Khan Sadigh Sadri empfangen.
Stresemann teil. “ “
“
über die Auflösung von Außenhandelsstellen.
Vom 25. Juni 1926.
Auf Grund des § 1 Abs. 3 der Ausführungsbestimmungen vom 8. April 1920 zu der Verordnung über die Außenhandels⸗ kontrolle vom 20. Dezember 1919 (NGBl. 1920 S. 500)
wird hiermit verordnet:
Die Außenhandelsstelle der Elektrotechnik und die Außen⸗
handelsstelle Filme werden aufgelöst. 8 Berlin, den 25. Juni 1926. Der Reichswirtschaftsminister. J. A.: Flach.
— —
düb.
Unh iel Mecklenburg⸗Schwerinsche Roggenwert⸗
anleihe von 1923.
Infolge Feststellung des Durchschnittspreises für märkischen Roggen auf 8,85 RM für den Zentner sind nach bereits erfolgtem Abzug der Kapitalertragsteuer zu zahlen
für den am 1. Juli 1926 fälligen Zinsschein, der I. Roggenwertanleihe: 0,40 RM, Lit. C 0,20 RM, Lit.
der III. Roggenwertanleihe: 4 RM, Lit. C 2 RNM, Lit. D 1 RM.
Schwerin, den 24. Juni 1926.
Lit. A 1 RM, D 0,10 RM, 8 Lit. A 10 RM, Lit. B
Mecklenburg⸗Schwerinsches Finanzministerium.
A.: Dr. Grohmann.
Lit. B
M. “ Preußen “
Ministerium des Innern.
Das Preußische Staatsministerium hat an Stelle ver⸗
storbener oder zurückgetretener gierungsrat, Professor Dr.
Mitglieder den Geheimen Re⸗ Schiemenz in Berlin⸗Friedrichs⸗
hagen, den Wasserbaurat i. R., Oberbaurat Lindner in Pots⸗
dam, den Oberregierungs⸗
und Baurat i. R. Roeßler in
Potsdam und den Rittergutsbesitzer und Landrat a. D. von Engelmann in Waldheim, Kreis Steinau a. O., zu Laien⸗ mitgliedern des wasserwirtschaftlichen Senats beim Preußischen
Oberverwaltungsgericht ernannt.
Nichtamtliches. Deuntsches Reich.
Der Königlich norwegische Gesandte Scheel verlassen. Während seiner Abwesenheit führt Bull die Geschäfte der Gesandtschaft..
hat Berlin
Fegation
srat
einschließlich des Portos abgegeben.
Die wissenschaftlichen Arbeiten für die Neuausgabe des Deutschen Arzneibuches, 6. Ausgabe 1926, sind jest im Reichsgesundheitsamt zum Abschluß gekommen. Nach Ge⸗ nehmigung durch den Reichsrat wird das Arzneibuch sofort im Druck fertiggestellt werden. Die Ausgabe des Arzneibuchs er⸗ folgt Anfang August.
Die Neuausgabe des Arzneibuchs ist nach dem gegen⸗ wärtigen Stand der wissenschaftlichen Forschung unter Berück⸗ sichtigung aller technischen Verbesserungen von dem zuständigen Ausschuß des Reichsgesundheitsrals und einer Anzahl berufener Sachverständiger grundlegend neu bearbeitet. Die Höhe des PEses. der von dem Reichsrat festgesetzt wird, ist von der Höhe der Auflage abhängig. Es liegt also im Interesse der Bezieher, Bestellungen auf die Neuausgabe zahlreich bei den Buchhandlungen oder bei dem Verlag (R. v. Decker's Verlag, G. Schenck, Berlin SW. 19) schon jetzt aufzugeben, weil dann der Stückpreis sich ermäßigen wird. In der gleichen Weise wird der Stückpreis zum Nachteil der Bezieher sich erhöhen müssen, wenn die Vorbestellungen unterbleiben, da dann vor⸗ aussichtlich nur eine geringere Auflage gedruckt werden kann. Reichs⸗, Staats⸗ und Kommunalbehörden, behördliche wissen⸗ schaftliche Anstalten und Institute, deren Beamte und amtierende Aerzte treten unter der Bedingung unmittelbarer Be⸗ stellung an die Bücherei des Reichsgesundheitsamts, Berlin NW. 87, Klopstockstr. 18, in den Genuß eines ermäßigten, bis zum 15. August 1926 befristeten Behördenpreises, der 20 vH unter dem von dem Reichsrat festzusetzenden Laden⸗ preise liegt.
Deutscher Reichstag. 8
217. Sitzung vom 25. Juni 1926, nachmittags 2 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger.*)
Am Regierungstische: Reichsminister des Innern Dr. Külz.
Präsident Löbe eröffnet die Sitzung um 2 Uhr 20. Min. und verliest ein Schreiben des Reichsministers des Innern, wonach das zweite Gesetz über den Volksentscheid, das einen Volksentscheid in Aufwertungssachen für unzulässig erklärt hatte, von der Reichsregierung zurückgezogen wird. (Hört, hört.)
Die Genehmigung zur Strafvollstreckung gegen den kom⸗ munistischen Abg. Urbahns wird nicht erteilt.
Auf der Tagesordnung steht dann das zweite Gesetz über den Volksentscheid.
Der Präsident stellt fest, daß diese Angelegenheit durch die Zurückziehung der Vorlage erledigt ist.
Abg. Dr. Best (Völk.) fragt den Reichsminister des Innern, in welchem Sinne die Zurückziehung erfolgt sei, ob nun der Weg für den Volksentscheid frei sei, oder ob die Regierung glaube, daß schon das geltende Recht bestimme, daß ein Volksentscheid in Auf⸗ wertungssachen nicht zulässig sei.
Als der Präsident den Reichsminister Dr. Külz fragt, ob er eine Antwort erteilen wolle, schüttelte dieser verneinend mit dem Kopf. Damit ist diese Angelegenheit erledigt.
Es folgt die zweite Beratung des Gesetzentwurfs zur Durchführung der Artikel 177, 178 und 198 des Vertrags von Versailles. (Luftfahrt⸗ abkommen.)
Abg. Dr. Schnee (D. Vp.) schlägt im Namen des Auswär⸗ tigen Ausschusses Annahme des Abkommens vor.
Abg. v. Freyta 89 ⸗Loringhoven 8 Nat.) stimmt dem Abkommen zu. Im Gegensatz zu der französischen Anschauung stehe man in England auf dem Standpunkt, daß die Jagdflieger keinen militärischen, josner sportlichen Charakter haben. ie deutsche Regierung habe durch ihren Widerstand gegen die Nicht⸗ beachtung der deutschen Lufthoheit Zugeständnisse erreicht. Der Redner spricht die Foffnung aus, daß der Geist von Versailles und Locarno allmählich überwunden werde.
Abg. Schütz (Komm.) sieht in dem Gesetz eine Steigerung des Militarismus und lehnt es ab.
Das Gesetz wird in zweiter und dritter Lesung gegen die Stimmen der Kommunisten angenommen.
In erster Beratung wird der von den Abgeordneten Dr. Most (D. Vp.) und Genossen eingebrachte Gesetzentwurf, betreffend den Verkehr mit unedlen Metallen, an einen Ausschuß überwiesen.
In zweiter Beratung wird der vom Reichshaushalts⸗ ausschuß beantragte Gesetzentwurf über die Aufhebung der Preistreibereiverordnung und damit zu⸗ sammenhängender Verordnungen gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und Kommunisten angenommen. Bei der dritten Beratung muß, da die Abstimmung in dem lückenhaft
*) Mit Ausnahme der durch Sperrdruck hervorgehobenen Reden
der Herren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben sind. “
dung des Betrages
besetzten Hause zweifelhaft ist, zur 1 7 gesein werden. Für den Gesetzentwurf stimmen 174, dagegen 111 Mitglieder. Der Entwurf ist also endgültig angenommen.
Die zweite Beratung der Novelle zum Mieter⸗ schutzg ches wird in der allgemeinen Anssprache fortgesetzt.
Ministerialdirektor des Reichsjustizministeriums Oegg. 73 ist noch nicht angängig, die Wohnungszwangswirtschaft ganz zu be⸗ seitigen, es kann sich sett nur um die Milderung einzelner Härten handeln. Daß die Vorlage einen einseitigen Standpunkt zu⸗ gunsten eines Interessenkreises einnimmt, kann man ihr nicht vor⸗ werfen. Der Mieterschutz soll bestehen bleiben, aber daneben müssen die IE“ des geltenden Gesetzes angenommen werden, die zur Schonung des Hausbesitzes unter Berücksichtigung der sozialen Interessen der Mieber notwendig und erträglich sind. Das Kündigungsrecht muß erleichtert werden gegenüber solchen Mietern, die schuldhafter Weise mit ihren Zahlungen im Rückstand bleiben. Der Ausschuß hat mit Recht die Strafbestimmung gegen den Mietwucher in die Vorlage eingefügt. Die Anträge, welche die gewerblichen Räume aus dem Mieterschutz herausnehmen wollen, gehen weit über die Vorschläge der Regierungsvorlage hinaus und sind nur geeignet, die Beunruhigung in den Gewerbekreisen zu steigern. In dem Einspruchsrecht des Mieters eines Gewerbe⸗ raumes gegen eine mißbräuchliche Kündigung gemäß dem Antrag Winnefeld liegt keine genügende Sicherheit des Mieters, da dieser den Mißbrauch nachweisen muß. Schon die Beschränkung des Schutzes der gewerblichen Räume in der Vorlage hat bei den Ge⸗ werbetreibenden große Bedenken hervorgerufen, darum kann man nicht noch weiter gehen als die Vorlage. Der Redner spricht zum Schluß die W ans, daß die Vorlage sowohl den all⸗ gemeinen wohmbirtschaftlichen wie den sozialen Interessen dienen möge.
Abg. Lucke (Wirtschaftl. Vereinig.) bezeichnet das Mieterschutz⸗ gesetz als ein Unglück für das deutsche Volk. Die Zwangs⸗ wirtschaft werde schließlich in den frund führen. Das Mieter⸗ schutzgesetz habe seine Erwartungen nicht im seim ssten erfüllt. Es habe nur Schaden angerichtet Die Freizügigkeit sei vernichtet, das ganze wirtschaftliche Leben gehemmt. tenn es nicht gelinge, die Zwangswirkschaft baldigst zu beseitigen, sei zu befürchten, daß die 25 prozentige Aufwertung nicht durchzuführen sei. Die Häuser gerieten mehr und mehr in Verfall. Wiederholt sei in Regierungserklärungen die Beseitigung der Zwangswirtschaft angekündigt worden. Die Er⸗ kenntnis sei da, aber wenn es auszuführen gelte, dann fehle der Mut * Tat. Entschieden müsse der Vorwurf zurückgewiesen werden, als kämpfe der deutsche Hausbesitz aus einseitigen egoistischen Interessen Abg. Höllein [Komm.]: Sie werden schamrot!) Der vorliegende Entwurf beinge keinerlei wirksame Erleichterungen und bedeute keinen Abbau der Zwangswirtschaft. Der Hauseigentümer müsse wieder das Kündigungsrecht erhalten. (Abg. Höllein [Komm.]: Das sieht Ihnen ähnlich, Sie umgekehrter Napoleon!) Seine See, . dem Mieter gern ein Einspruchsrecht zu; das Amtsgericht hätte vann die endgültige Entscheidung zu treifen. In zahlreichen Orten koönne nach der letzten Volkszählung gar keine Rede von Wohnungsnot sein. Der Wohnraum sei viel schwächer belegt, als vor dem Kriege. Seine Fraktion beantrage einen Zusatz, daß eine W“ miete um 50 bis 100 vH nicht als Wucher anzusehen sei. Auch nach Verabschiedung der Vorlagen würden die Mietstreitigkeiten fortdauern. Der Hausbesitzer müsse sich gegen eine derartige unerhörte Ausnahme⸗ gesetzgebung wehren. (Abg. Lipinski [Soz.]: Armer Hauseesiber) Und Sie verhungerter Kaufhausbesitzer! (Heiterkeit) Der Redner spricht die Erwartung aus, daß, wenn nicht in diesem Jahr, so doch im nächsten Jahr es bestimmt gelingen müsse, im Sinne seiner Anträge die Zwangswirtschaft zu lockern und zu beseitigen.
Abg, Bartschat (Dem.) stellt fest, daß der Ausschuß sich die größte Mühe gegeben habe, den beiderseitigen Interessen gerecht zu werden. Die eine Seite verlange eine Verschärfung der Wohnungs⸗ srangepits aaft, die andere wünsche merkbaren Abbau. Wenn auch eine Bevölkerungszunahme erfolge, so nehme doch der Wohnungs⸗ bedarf durch die Eheschließungen zu. Der Ausschuß habe da die richtige Mitte gefunden. Wenn der Abgeordnete Lucke hier seine im Ausschuß abgelehnten Anträge unverändert wieder einbringe, so bedeute das eine erhebliche Hartleibigkeit und Dickköpfigkeit. (Heiterkeit.) Das Ge⸗ setz bringe erhebliche Verbesserungen und Erleichterungen für die Mieter. Der Redner führt diese im einzelnen auf. Von der Heraus⸗ lassung einer durch Wohnungsteilung erstellten neuen Wohnung aus der Zwangswirtschaft sollten recht viele Hausbesitzer Gebrauch machen. Gerade in Preußen erlebe man es, daß man Erleichterungen nicht ein⸗ treten lasse. Das liege vielleicht an dem scharfen Gegensatz zwischen Herrn Ladendorff und den Vertretern der Mieter. ie Forderung der einseitigen. Aufhebung der Zwangswirtschaft für gewerbliche Räume sei zurückgewiesen. Der Redner kündigt einen Antrag an, wonach auch ohne Zustimmung des Reichsarbeitsminsteriums die Zwangswirtschaft der kleinen gewerblichen Räume in den Ländern zu lockern seien, wenn die Verhältnisse dies erforderten.
Abg. Schirmer⸗Franken (Bayr Volksp.) steht gleichfalls auf dem Standpunkt, daß im Augenblick an eine völlige Aufhebung der Wohnungszwangswirtschaft nicht zu denken sei. Das Gesetz bringe Verbesserungen; den Mietern werde allerdings sehr viel aufgeladen. (Abg. Höllein [Komm.]: Hört, hört!) Deshalb bringe das Gesetz Schutzbestimmungen für die ordentlichen Mieter. Die Wohnungs⸗ frage sei in Würzburg durchaus nicht so rosig geregelt, wie Abge⸗ ordneter Lucke das behaupte. Nicht einmal die vertriebenen Flücht⸗ linge hätten alle eine Wohnung finden können. Ueber die Regelung der Frage der gewerblichen Näume lasse sich reden, aber die Berliner Verhältnisse dürften dabei nicht maßgebend sein, die Regelung müsse den einzelnen Ländern überlassen bleiben. Im Interesse des Mittel⸗
standes sei eindriglich zu warner mallgemeinen Aufhebung des