— ——
wünschen,
8b
partikularistisch engherzig handle,
8
gemein bewährt hat, zumeist durch eine Nichtachtung seiner berechtigten Forderungen und Wünsche belohnt wird. (Hört, hört!) Bei dieser Einstellung gegenüber Preußen ist es auch kein Wunder, wenn eine Reihe kleiner deutscher Länder ein angebliches Reichsinteresse, das sie Preußen gegenüber vertreten, vorschützen, wenn sie Forderungen an Preußen stellen. Wir haben bisher auf diesem Gebiete das weitgehendste Entgegenkommen an den Tag gelegt in der Ueberzeugung, daß letzten Endes auch den Ver⸗ waltungen dieser Länder zum Bewußtsein kommen wird, daß sie auf die Dauer nicht auf Kosten eines großen Nachbarn ihre Selb⸗ ständigkeit aufrechterhalten können, und daß es für sie rationeller ist, sich, der wirtschaftlichen Not nachgebend, dem Größeren an⸗ zuschließen.
Wir haben bei der Abstimmung in Lippe gesehen, daß wir uns darin getäuscht haben. Wir sehen aber insbesondere auch in Waldeck, das schon in einem festen Vertragsverhältnis zu Preußen steht, daß auch dort die Auffassung, daß es zweckmäßiger sei, sich Preußen anzuschlieen, doch immer noch auf sehr großen Widerstand stößt. Ich habe bei früheren Beratungen dieser Materie erklärt, daß Preußen auf diese Staaten keinerlei Druck ausüben wird, sondern daß es auf den Anschluß dieser Staaten nur Wert legt, wenn sie aus freier Entschließung und in der Ueberzeugung, daß es dem Wohle ihres Landes und Volkes entspricht, wenn sie sich Preußen anschließen, diesen Anschluß vollziehen. Aber diese Länder werden auf die Dauer nicht ver⸗ langen können, daß wir ihnen alle Oberinstanzen und sonstige Einrichtungen, die sie sich als kleines Land nicht schaffen können, zur Verfügung stellen, nur damit sie ihre Selbständigkeit aufrecht⸗ erhalten können. (Zustimmung.) Es soll in der Landes⸗ vertretung in Waldeck das Wort gefallen sein, man könne sich die Bevormundung durch Preußen nicht weiter gefallen lassen. Meine Damen und Herren, ich erkläre hier ganz offen: mir liegt nichts ferner, als irgendein kleines Land zu bevormunden. Ich stehe vielmehr auf dem Standpunkt — das preußische Staats⸗ ministerium hat sich mir darin kürzlich angeschlossen —, daß die kleinen Länder vollständig selbständig sein sollen, so selbständig, wie sie nur irgend wollen und wie sie es nach der Reichsverfassung sein können. Der Zustand, wie er jetzt mit Waldeck besteht, entspricht
längst nicht mehr den Bestimmungen der Reichsverfassung. Das Land wird von uns verwaltet; aber es macht sich dort auch das Bestreben geltend, ein eigenes Parlament zu haben, und man wollte kürzlich sogar einen Landespräsidenten wählen. (Heiterkeit.) Meine Damen und Herren, wir wollen diesen Ländern die weit⸗ gehendste Selbständigkeit einräumen, und ich habe mich stets auf den Standpunkt gestellt: sie sollen selbständiger werden als je zuvor; wir wollen ihnen nichts hineinreden; sie sollen ihre Referendare nicht mehr zur Prüfung vor unsere Prüfungs⸗
kommissionen bringen (Seiterkeit), sondern sie sollen eine eigene Prüfungskommission einsetzen und in Waldeck eigene Referendare und Assessoren haben.
Sie sollen ganz selbständig sein. Aber sie sollen von uns nicht verlangen, daß wir ihnen ihre Selbständig⸗ keit durch unsere Einrichtungen garantieren. (Allgemeine
Zustimmung.)
1 Wir sind auch zu dieser Stellungnahme gekommen, weil die
Entwicklung der Verhältnisse uns zwingt, auf allen diesen Gebieten eine gewisse Klarheit zu schaffen. Wir haben deshalb kürzlich auch beschlossen, den Akzessionsvertrag mit Waldeck zu kündigen, um auch da eine völlig klare Sachlage zu schaffen, um nach zwei Jahren den Waldeckern die Möglichkeit zu geben, sich eine ganz selbständige Landesverwaltung zu schaffen, wenn sie wollen, auch ihren Landespräsidenten, den sie kürzlich schon geschaffen hatten, wieder neu zu schaffen. Ich hoffe, daß man sich im Verlaufe der zwei Jahre bis zum Ablauf der Kündigungs⸗ frist in Waldeck, wie man es jetzt schon in Lippe tut, ruhig über⸗
legen wird, ob es im Hinblick auf die wirtschaftlche Not, die uns
ja leider in Deutschland noch viele Jahre belasten wird, zweck⸗ mäßig ist, diese Selbständigkeit in der Form, wie die Herren es weiter aufrechtzuerhalten. Aber wie gesagt, meine Herren, man erlebt bei der Erörterung dieser Frage so oft, daß alle diese kleinen Staaten glauben, im Reichsinteresse gegen das partikularistische Preußen, das nichts abgeben will, Stellung nehmen zu müssen.
Das ist ja auch der Ton, auf den die Erörterungen der Groß⸗ Hamburg⸗Frage, auf die ich jetzt kurz eingehen will, abgestimmt war. Auch da wird erklärt, daß Hamburg lediglich im Reichs⸗ interesse seine Forderungen an Preußen stelle, und daß Preußen wenn es diese Forderungen nicht erfülle. Leider ist festzustellen, daß ein großer Teil der deutschen Presse sich von dieser Formel nicht hat freimachen
aeh und daß insbesondere auch Zeitungen von Parteien dieses
Hauses, die den Standpunkt, den die preußische Regierung in
dieser Frage eingenommen hat, durchaus billigen, den Standpunkt
Hamburgs gegenüber Preußen in ihren Spalten vertreten. Meine Herren, wie liegt es denn mit dem Reichsinteresse Hamburgs und dem engherzigen Partikularismus Preußens? Die Dinge liegen so, daß Hamburg als Stadtstaat allerdings eine sehr bevorzugte, bevorrechtete Stellung hat, nicht nur durch seine wirtschaftliche Struktur und durch die sich daraus ergebende höhere Steuerkraft. Hamburg hat nicht die Lasten eines Staates mit seinem flachen Lande, mit seinen Weg⸗ und Schullasten usw., sondern Hamburg ist Stadtstaat mit einer ausgesprochen wohl⸗ habenden Bevölkerung, mit einer vorteilhaften wirtschaftlichen Struktur. Hamburg zieht nicht nur die Gemeindesteuer von dieser steuerkräftigen Bevölkerung, sondern auch noch den ganzen Teil der Landessteuer, der auf diese Zensiten entfällt, und hat lediglich die Aufgaben einer Stadt zu erfüllen, hat nicht die großen Lasten zu tragen, die jedem Lande durch den Zubehör des flachen Landes, das ja viel weniger stenerkräftig ist, auferlegt sind. Meine
Herren, wenn man vom Reichsinteresse redet, dann kann man
2 ”
einmal die Erwägung anstellen: wie würde es mit dem Reiche stehen, wenn alle großen Städte des Reiches mit ihrer Steuer⸗ kraft isolierte Stadtstaaten wären und ihr Steueraufkommen selbst nur für Aufwendungen in ihrem Stadtbezirk verwenden würden? (Sehr richtig!) Wer würde denn die Lasten des flachen Landes mit seinen großen Verkehrslasten, Wegelasten, Flußregulierungen, Schullasten usw. tragen? Dann würden diese Städte in ihrer Isolierung auch bald wirtschaftlich vollständig verkümmern. Denn schließlich liegen doch die Wurzeln der wirtschaftlichen Kraft dieser Großstädte auch auf dem flachen Lande, aus dem sie ihre wirt⸗ schaftliche Kraft ziehen. Denn was ist Hamburg als Hafenstadt, wenn nicht das ganze große wirtschaftliche Hinterland da wäre, Waren zuführt, die Hamburg verfrachtet, und die Waren
abnimmt, die über Hamburg in unser Land eingeführt werden? Das gilt auch für alle anderen Großstädte. Nehmen Sie einmal an, Berlin würde Stadtstaat werden und die beiden Teile der Steuer, Staats⸗ und Stadtsteuer, für sich in Anspruch nehmen. Wie sollten dann die hohen Kosten des Ostens unseres Landes aus dem Gebiete der Staatslasten getragen werden? Nein, es liegt so, daß das Groß⸗Hamburg⸗Gebiet ein einheitliches Wirtschaftsgebiet ist, bei dem der Gewinn aus der Arbeit der in diesem ganzen Wirtschaftsgebiet tätigen Personen in der City von Hamburg zusammenfließt, wogegen die Lasten getragen werden von den um den Hamburger Kern herumliegenden preußischen Gemeinden, in denen die Arbeitskräfte ihr Domizil haben, die ihre Arbeitskraft in Hamburg verwerten und aus deren Arbeit der Gewinn nach Hamburg fließt. Das ist ein Zustand, der auf die Dauer nicht aufrechterhalten werden kann. Handelt es sich um nur preußische Gemeinden, so haben wir ja bereits die gesetzliche Handhabe, hier einen Lastenausgleich herbeizuführen. Weil hier Landesgrenzen dazwischen liegen, wird es nicht anders gehen, als daß — und das ist ein eminentes Reichsinteresse, das ich hier ins Feld führen will, konform den Hamburgern, die immer von Reichsinteressen reden — durch Reichsgesetz der Ausgleich zwischen der Betriebsgemeinde und der Einwohnergemeinde geschaffen wird. Es geht unmöglich auf die Dauer an, daß in Hamburg, in der City mit ihrer starken Steuerkraft, der Gewinn zusammenfließt, während die umliegenden preußischen Gemeinden die großen Lasten auf dem Schulgebiet und auf sonstigen Gebieten tragen müssen, die damit zusammen⸗ hängen, daß dort in der Peripherie die Arbeiter wohnen, die in Hamburg tätig sind. Wir werden also darauf hinwirken müssen, daß dieser Lastenausgleich durch Reichsgesetz durchgeführt wird, nachdem es nicht gelungen ist, durch Staatsvertrag mit Hamburg zu einem solchen befriedigenden Lastenausgleich zu kommen. Darin lag — das ist bei der Erörterung der Groß⸗Hamburg⸗Frage in der Oeffentlichkeit oft übersehen worden — das große preußische Interesse, diesen Lastenausgleich für die preußischen Gemeinden auf Kosten Hamburgs herbeizuführen; denn Hamburg ist ver⸗ pflichtet, auch die Kosten für die Arbeitskräfte, die bei ihm tätig sind, zu tragen. Da wir es durch Gesetz nicht herbeiführen konnten und wir ein Reichsgesetz bisher nicht hatten, so schien mir der Augenblick, in dem Hamburg von Preußen Gebiets⸗ abtretungen verlangte, geeignet, um als Kompensation zu ver⸗ langen, daß dann sich eben Hamburg im Wege des Staats⸗ vertrages auch zu diesem Lastenausgleich bereit erklärte. Ich möchte hier ganz ausdrücklich noch einmal erklären, daß Preußen, jedenfalls die preußische Staatsregierung vorbehaltlich der späteren Zustimmung des Landtages, bereit war, an Hamburg das Gebiet abzutreten, das es nachgewiesenermaßen für den Ausbau seines Welthafens brauchte. Ich habe jetzt kürzlich in einer Hamburger Zeitung gelesen, daß dieses Gebiet, das hauptstrittige Gebiet Wilhelmsburg, vielleicht erst später zum Hafenausbau gebraucht würde, womit bis zu einem gewissen Grade der preußischen Staatsregierung Recht gegeben wird, die mehrfach bezweifelt hat, ob jetzt schon das dringende Bedürfnis dieser Gebietsabtretung vorliege ob jetzt schon der Ausbau des Hafens vorgenommen werden soll. Aber gleichviel, jedenfalls haben wir uns bereit erklärt, das, was zum Ausbau notwendig ist, ab⸗ zugeben, natürlich gegen entsprechende Kompensationen. Nun ist nach Abbruch der Verhandlungen erklärt worden, daß die Forde⸗ rungen Preußens Wucherforderungen seien, daß Preußen einen Wucherpreis gefordert habe. Wir haben das gefordert, was wir zur nachhaltigen Regelung der kommunalpolitischen und kommunalwirtschaftlichen Verhältnisse dieses Unterelbegebiets für unbedingt erforderlich hielten. Es mußte einmal festgelegt werden, daß dieses einheitliche Wirtschaftsgebiet auch kommunal⸗ wirtschaftlich seine Lasten gemeinsam tragen sollte, daß sich Hamburg nicht einfach auf Kosten der umliegenden preußischen Gemeinden den Luxus ganz besonderer Leistungen auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens erlauben konnte. Deshalb haben wir einen völligen Lastenausgleich verlagnt und haben uns nicht mit dem begnügt, was in dem Vorschlag Drews⸗Roedern vor⸗ gesehen war, nämlich nur einen bestimmten Steuerteil zu über⸗ weisen, die der verschiedenen Steuerkraft der beiden in ihrer wirt⸗ schaftlichen Struktur so verschiedenen Gebietsteile nicht hinreichend Rechnung trug. Wir haben weiter verlangt, damit ein für alle⸗ mal das Verlangen nach weiteren Gebietsabtretungen verstummte und damit wir auch auf territorialem Gebiet eine gewisse Kom⸗ pensation hatten, daß sämtliche hamburgischen Enklaven im preußischen Gebiet an Preußen abgetreten würden. Ich habe mich bei den Verhandlungen auf den Standpunkt gestellt: wenn Hamburg erklärt, die Abtretung Wilhemsburgs, d. h. des ganzen Geländes im Stromspaltungsgebiet der Elbe, sei für den Ham⸗ burger Hafen und für Hamburg eine Lebensnotwendigkeit, Hamburg könne sich nicht weiter entwickeln, wenn das nicht ab⸗ getreten würde, so läge kein Grund für Hamburg vor, der Forde⸗ rung Preußens, die Enklaven, die für die wirtschaftliche Ent⸗ wicklung des Hafens ganz unerheblich waren, an Preußen ab⸗ zutreten, abzulehnen. Gleichwohl hat Hamburg erklärt, nur eins der Walddörfer, eine der Enklaven, würde es, außer Moorburg, abtreten, darüber hinaus könne es nicht gehen. Das, was wir gefordert haben, ist letzten Endes ja auch — das habe ich erklärt — nicht das letzte Wort; in Einzelheiten könnten wir noch zu irgend⸗ welchen Konzessionen kommen. Aber es zeigte sich bei den letzten Verhandlungen mit den Vertretern des Hamburger Senats, daß Hamburg nicht geneigt war, über das, was in dem Drews⸗ Roederschen Vorschlag Hamburg an Lasten auferlegt werden sollte, hinauszugehen, so daß wir uns schließlich schlüssig wurden, daß weitere Verhandlungen, wenn Hamburg auf diesem Stand⸗ punkt verharrte, selbst in dem Falle, daß wir in einzelnen Punkten in unseren Forderungen etwas nachgeben würden, uns doch materiell nicht so weit nahebringen würden, daß eine Aussicht auf das Zustandekommen eines Staatsvertrages gegeben war. Diese Anschauungen waren beiderseitig, so daß die Verhandlungen ab⸗ gebrochen wurden. Allerdings waren wir uns klar darüber, daß die Verhältnisse in diesem Unterelbegebiete letzten Endes doch zu einer gemeinsamen Arbeit Preußens und Hamburgs zwingen würden. Ich erinnere Sie zum Beispiel daran, daß die Haupt⸗ verkehrsstraßen auf preußischem Gebiete — in Wandsbek, Altona üsw. — durch den immer steigenden Lastautoverkehr von Hamburg in Grund und Boden gefahren werden, ohne daß Hamburg einen Pfennig dafür beiträgt. Es sind eben preußische Gemeinde⸗, Kreis⸗ oder Provinzialstraßen. Es geht weiter nicht an, daß auf dem Gebiete der Siedlung die Arbeitskräfte, die in Groß⸗Hamburg tätig sind, ohne Berücksichtigung der kommunalwirtschaft⸗
lichen und kommunalpolitischen Interessen Ich habe den Hamburger Herren angeboten, daß wir uns auf diesem Gebiete über Maßnahmen in Zukunft ver⸗ ständigen wollen, daß wir uns auch verständigen wollen auf dem Gebiete des weiteren Hafenausbaus. Leider haben die Herren von Hamburg sich nicht dazu bereit erklärt. Sie wollten erst im Senat dazu Stellung nehmen. Bisher ist uns nicht bekannt geworden, ob der Senat bereit ist, auf dem Wege der Verständigung mit uns über alle Einzelfragen dieses Problem zu lösen. Jedenfalls bestand — ich schiebe das einem gewissen Gefühl der Enttäuschung und Verärgerung zu — keine Neigung, sich jetzt schon irgendwie durch eine Vereinbarung mit uns zu binden. Das ist erklärlich. Ich hoffe aber, daß, wenn erst einmal diese kleine Verstimmung, die sich aus dem Verlaufe der Ver⸗ handlungen ergeben hat, verschwunden sein wird, die Dinge, die dort auf dem Spiele stehen, so durchschlagend sein werden, daß auch Hamburg einsehen wird, daß es sie nur gemeinsam mit Preußen lösen kann. Nun, meine Damen und Herren, nur noch eins zum Schluß über die Groß⸗Hamburg⸗Frage. Nachdem es
mißlungen ist, auf Kosten Hamburgs einen gewissen Grad des
Lastenausgleichs für die preußischen Gemeinden herbeizuführen und deren unhaltbare Lage zu beheben, wird es Pflicht der preußischen Regierung und des Landtags sein, mit aller Be⸗ schleunigung die gesetzgeberischen Maßnahmen zu treffen, die es diesen umliegenden Gemeinden ermöglichen, einigermaßen in Konkurrenz mit Hamburg ihre gemeindliche Selbständigkeit wirt⸗ schaftlich und kommunalpolitisch aufrechtzuerhalten. Das wird eine der wichtigsten Fragen sein, die wir in Kürze zu lösen haben werden. Das wird nicht ohne erhebliche finanzielle Opfer er machen sein, aber ich glaube, wir werden diese Opfer bringen müssen; denn diese Gebiete dort behaupten und verkümmern lassen, das kann Preußen unter keinen Umständen auf sich nehmen. Wir haben jetzt, abgesehen von der wirtschaftlichen Einsicht, die mora⸗ lische Pflicht, politisch gesehen die Sache dort mit aller Be⸗ schleunigung aufzugreifen, und, meine Damen und Herren, wir sind auch dazu in der Lage. Die preußischen Finanzen sind durch⸗ aus gesund, obwohl wir jetzt naturgemäß Schwierigkeiten bei der Bilanzierung unseres Etats haben. fähigkeit des Staates in bezug auf die Deckung der laufenden Ausgaben kann — darüber müssen wir uns allerdings klar sein — nur durch eine durchgreifende Rationalisierung unserer gesamten Stats⸗ und Finanzwirtschaft durch⸗ geführt werden. Die schematischen Ersparnismaßnahmen, die wir ergriffen haben, führen uns, glaube ich, nicht zum Ziel. (Sehr richtig!) Es wird hier und da eine kleine Ersparnis gemacht; aber die Quelle der Mehrausgaben bleibt bestehen, die Quelle,
die, wie ich glaube, in der jetzt nicht mehr zeitgemäßen Organisa⸗
tion und Struktur unseres ganzen Verwaltungsapparates liegt. Wir werden daher von Staats wegen nicht nur alles tun müssen, soweit es in unserer Macht liegt, unsere Wirtschaft zu fördern, sondern wir werden, wie gesagt, auch mit allem Nachdruck an die Verwaltungsreform herangehen müssen, an eine Ver⸗ waltungsreform in der Richtung, zu einer größeren Verein⸗ fachung und Vereinheitlichung in der Verwaltung zu gelangen. Denn, meine Damen und Herren, der Abbau von Beamten und die Aufrechterhaltung des ganzen Apparates in seiner Struktur hat uns finanziell sehr wenig gebracht und kann der Natur der Sache nach auch nur sehr wenig bringen. Nur die Umorganisierung kann letzten Endes zu einem nachhaltigen Erfolge führen. Schließ⸗ lich kommt es ja auch sehr viel mehr darauf an und ist es für den Staat und auch für die beteiligte Beamtenschaft sehr viel wichtiger, einen kleinen, guten und ausreichend bezahlten Beamtenstab zu haben ssehr vichtig!), als einen überaus großen Beamtenstab, der im Hinblick auf die wirtschaftliche Lage unseres Volkes nicht ausreichend bezahlt werden kann. (Zustimmung.)
Wenn diese Aufgaben erfüllt werden sollen, brauchen wir selsstverständlich Ruhe und Stetigkeit in unserem ganzen politischen Leben. mehr bemühen, die störenden Momente unseres Lebens die sich aus dem Streit um die Staatsform, um die
Flagge und ähnliches mehr ergeben, was sich in der schlimmsten
Form nach außen auswirkt, beiseite zu schieben. Nur dann werden wir in der Lage sein, die großen Aufgaben zu erfüllen, die erfüllt werden müssen. Wir müssen unsere ganze Kraft mehr als bisher auf die Lebensnotwendigkeiten des Staates einstellen. Gelingt uns das unter zeitweiliger Zurückstellung der sonst aufrecht⸗ zuerhaltenden Parteigrundsätze, dann haben wir einige Aussicht, aus dieser trüben Gegenwart, die zweifellos noch einige Zeit anhalten wird, in ruhiger, stetiger Aufwärts⸗ entwicklung einer besseren Zukunft entgegenzugehen. (Bravo!)
Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungs⸗ maßregeln.
Der Ausbruch und das Erlöschen der Maul⸗ und Klauenseuche ist amtlich vom Zentralviehhofe in Berlin am 29. Juni 1926 gemeldet worden.
Verkehrswesen.
Vom 1. Juli an werden deutsche Luftpostsendungen — ge⸗ wöhnliche und eingeschriebene Briefsendungen aller Art — nach Jugo⸗ slawien, Rumänien und der Türkei sowie solche nach Durchgangsländern, die über diese Länder zu leiten sind, mit dem von der Compagnie internationale de Navigation aérienne, Paris, betriebenen Flugdienst Budapest — Belgrad, Bukarest — Konstantinopel befördert. Die Flüge verkehren werktäglich, wie folgt: ab 5,30 Buda⸗ pest, an 8,0 Belgrad, an 12,15 Bukarest, an 4,45 Konstantinopel. Anschluß an diese Flüge bietet der deutsche Flugdienst Berlin — Leipzig — Fürth /Nürnberg - München — Wien—Budapest, ab Berlin7,40.
(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)
Verantwortlicher Schriftleiter: J. V.: Weber in Berlin.
Verantwortlich für den Anzeigenteil: Rechnungsdirektor Mengering
in Berlin. Verlag der Geschäftsstelle (Mengering) in Berlin. Druck der Preußischen Druckerei⸗ und Verlags⸗Aktiengesellschaft. Berrlin. Wilhelmstr. 32. Sechs Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage) 8. and Erste und Zweite Zentral⸗Handelsregister⸗Beilage.
für sich vorgehen.
Deutschen Reichs
Staatsanzeiger
Die finanzielle Leistungs⸗
Vereinig.) Der Redner setzt sich eine L — beamtentums ein und bespricht dann ausführlich das Erwerbslosen⸗
gebieten zusammengedrängt und seien dort arbeitslos. auch aus moralischen Gründen ein nicht aufrechtzuerhaltender Zu⸗
kultivieren, und in der Landwirtschaft fehle es an Kräften.
Wir müssen uns mehr und öffentlichen
Nichtamtliches.
1 CFortsetzung aus dem Hauptbl 1 Preußischer Landtag. 8 192. Sitzung vom 1. Juli 1926, mittags 12 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger.ö)
Das Haus setzt die dritte Breatung des Gesetzentwurfs über die Feststellung des Haushaltsplanes in der allgemeinen Besprechung fort.
Schwenk⸗Oberhausen (Wirtschaftl. Vereinig.) begrüßt die 16 des Sozialdemokraten Püag daß 22 ün des Parlaments von den Abgeordneten in ihren Reden und Zwischen⸗ rufen mehr gewahrt werden müßte, und schließt sich dieser. Auffassung an, wobei er mit Genugtuung feststellt, daß bisher noch kein Mitglied der Wirtschaftlichen Vereinigung im Landzag vom Präsidenten einen Ordnungsruf erhalten hat. Vom Ministerpräsidenten trennte uns eine große Kluft, so fährt der Redner fort, weil er nicht den Willen hatte, den Mittelstand zu erhalten. Mit seiner ruhigen und ernsten Rede ist uns der Ministerpräsident gestern um vieles Näher ge⸗
kommen. Es ist bedauerlich, daß der Ministerpräsident die Flucht in
die Oeffentlichkeit mit seinen Klagen gegen das Reich antreten mußte. Es scheint noch immer nicht klar zu sein, daß der Weg zu einem großen Deutschland nur über ein großes starkes Preußen führt. Ganz gleich, wie man sonst zum Ministerpräsidenten steht, muß man sich hinter ihn stellen, wenn er dafür sorgt, daß Preußens Rechte im Reich gewahrt werden. Es geht nicht an, daß Preußen allein die Folgen des verlorenen Krieges in Deutschland trägt.
Zerr Riedel hat gemeint, der Widerstand des Reiches gehe von den
. . . ere. h. ̊ · . alten Geheimräten in den Reichsministerien aus. Das ist nicht richtig! Hierfür kommen wohl andere Stellen in Frage; auch vom Innenminister Külz würde in diesem Zusammenhange zu reden
sein. Die Regierung muß Auskunft darüber geben, ob es zutrifft,
daß sie die vom Reiche gewährten 30 Millionen, mit denen die ausbesitzer im besetzten Gebiet für ihre Besatzungsschäden ent⸗ schädigt werden sollten, zum größten Teil für andere (ür Siedlungen usw.) verwendet hat. (Hört, hört! bei der Wirtschaftl. — noch für eine Stärkung des Berufs⸗
problem, dessen eine Ursache auch darin liege, daß wir kein stehendes Heer mehr hätten. Es wiederaufzurichten sei ein für uns nicht gangbarer Weg. Große Massen hätten sich heute in den
as wäre
stand. Dagegen wären noch riesige Gebiete von huö“ Man müßte eben den Mut haben, auszusprechen, daß die Arbeitsdienst⸗ pflicht erforderlich sei. Zum Schluß tritt der Redner der Auffassung bei, daß jeder Beamte die bestehende Staatsverfassung zu respek⸗ tieren habe. Aber in einer gut geleiteten Republik muüͤsse auch der monarchistisch denkende Bürger Schutz finden.
Abg. Dr. von Brehmer (GBölk.) gibt im Namen seiner politischen Freunde folgende Erklärung ab: Die Regierung Braun⸗ Severing hat von den exsten Tagen ihres Bestehens an die Grund⸗ lagen des preußischen Staates verleugnet. Sie hat diese ihre Tätigkeit im vergangenen Etatjahr gekrönt durch eine Anzahl von Rechtsbrüchen, die dem preußischen Staat den Charakter als Rechts⸗ staat genommen haben, (Sehr wahrl rechts.) In ihrem Haß gegen
e völkische und vaterländische Bewegung hat sie sich nicht gescheut, ehrenwerte Männer, denen auch der politische Gegner die Aner⸗ kennung der Reinheit ihrer politischen Motive zugesseben nng. für vogelfrei fn erklären. Die Uebergriffe der Polizei, die Irreführung der öffentlichen Meinung in der Ku⸗Klux⸗Klan⸗Angelegenheit, dem ogenannten Rechtsputsch, in der Fememordbeschuldigun völkischer
bgeordneter und Vertreter (Zuruf des Abg. Riedel [Dem.]: Das hat doch die preußische Regierung nicht veranlaßt!), haben gerade in der letzten Zeit einen 88. angenommen, der den preußischen Staat auf das Schwerste bloßstellt. Die Behandlung des Falles Lessing⸗Lazarus schlägt jedem vaterländischen Fühlen und jeder staatspolitischen Auffassung ins Gesicht. (Sehr wahrv! rechts.) Die Knebelung der vaterländischen Verbände, die Förderung pazifi⸗ stischer, internationaler und revolutionär⸗sozialistischer Bestrebungen sind eine Herausforderung jedes preußischen Staatsbürgers, der in dem preußischen Staat, entsprechend seiner Vergangenheit, den Mittelpunkt und Führerstaat Deutschlands sieht. Die Behandlung des früheren preußischen Herrscherhauses durch die jetzige preußische Regierung empfinden wir als einen schweren Verstoß gegen Treu und Glauben. (Sehr wahr! rechts.) Das herrschende System und die derzeitige Regierung sind daher unseres Erachtens nicht be⸗ fähigt, die Fundamente eines neuen Deutschlands zu legen. Aus
diesen Gründen eee wir der jetzigen preußischen Regierung unser schärfstes Mißtrauen aus (Gelächter und Zurufe links: Schrecklich) und lehnen den Etat ab. (Beifall bei den Völkischen.)
Abg. Dr. Pinkerneil (D. Vp.) erklärt, daß die schlechte Be⸗ handlung Preußzens⸗ von der gestern der Ministerpräsident sesprochen habe, auch in der Presse wiederzufinden sei. Aber das liege doch daran, daß es nicht gelinge, dem Parlament die Stellung, die ihm gebühre, zu verschaffen. Wenn man hier von Preußen aus selbst nichts in dieser Beziehung tue und immer nur vom Reich rede, ohne die b8snes Fragen der Wahlrechtsreform, Parlamentsreform usw. anzuschneiden, dann könne man sich nicht wundern, daß der Parlamentarismus eine Rolle dritten Ranges spielt. Dazu trage bei, daß gestern der Ministerpräsident bei der Rede des Hauptredners unserer Fraktion zeitweilig nicht anwesend gewesen sei. Auch die Gepflogenheit, daß Ministerialdirektoren politische Fragen, die man an sie richte, nicht beantworten, schädigt das Ansehen des Parla⸗ ments. Kurzum, die Regierung habe sehr viel Schuld an der geringen Beachtung, die das Preußische Parlament finde. In wirtschaftlicher Beziehung habe die Regierung auf dem wichtigen Gebiet der Arbeitsbeschaffung immer wieder versagt. Schon vor drei Jahren habe der Landtag die Hafenbauten in Stettin be⸗ schlossen. Wochenlang lägen dann solche Sachen im Staats⸗
ministerium, wenn jetzt der Landtag die Vorlage erhalten habe, sei es ziemlich gewiß, daß er sie nicht mehr behandeln könne. So illustriere man das Problem der E Ein groß⸗ zügiges Bauprogramm sei nicht vorhanden. Statt dessen würden mit den vorhandenen Geldern Aktienpakete aufgekauft. (Zuruf des Abg. Nuschke: Die Stinnes, Giesche, Stumm haben nach dem Ankauf gerufen!) Es müsse energischer an die Arbeitsbeschaffung jedenfalls herangegangen werden, und die Mittel, die dafür vor⸗ handen seien, müßten aufgebraucht werden. Zum Problem der Arbeits⸗ beschaffung komme das Problem der gerechten Verteilung der Steuern. Auch hier riefen die Wirtschaftskreise nach Steuer⸗ reform. Die Reform der Verwaltungsgebühren sei dringend. olk alles seien einfache Tagesfragen, die nicht in die hohe
28 bineinschlügen, Das Handelsministerium, das praktische üü gs Fisen wolle, scheine sich nicht so durchsetzen zu können, Foaltticng s Die Hauptsache sei aber doch, daß mit der jetzigen ber Die Werhaupt keine gesunde Wirtschaftspolitik zu treiben
8 ie Anschauungen über Wirtschaftsfragen gingen in ihr
* ; 8 uüsnahme der gehobenen Reden der Herren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben sind.
allzustark auseinander. genn der Abgeordnete Osterroth von einem Aufstieg in der Wirtschaft gesprochen habe, so berechtigte ihn das nicht zu Lobsprüchen an die Regierung. Die Wirtschaft habe sich selbst geholfen. (Lebhafter Beifall.) Unsere Lage sei noch sehr ernst. Was im englischen Streik etwa gewonnen sei, das sei mit einem Schlage durch die Deichbrüche verloren⸗ egangen. Die Art und Weise des Regierens in diesem Hause bieie immer wieder das Bild einer ganz einseitigen Parteiwirt⸗ schaft. Diese Auffassung sei auch in weitem Maße im Volk zum Durchbruch gekommen. Die Republik gehe an ihrer Prätorianer⸗ garde zugrunde. (Lebhaftes Sehr richtig! rechts.) Vor dieser Prätorianergarde habe sich auch Herr Severing einmal gefürchtet. Er sei gezwungen worden, sie anzuerkennen. Jetzt beweise fast jeder Tag, daß der Mann, der an der Spitze dieser Prätorianer⸗ garde stehe, Herr Hörsing, stärker sei als die Regierung. Angesichts dieses Shstems könne man sich nicht wundern, daß die Kreise, die im Gegensatz zur Regierung stünden, das stärkste Mißtrauen haben müßten. Einst hieß es: Nicht Roß nicht Reisige schützen die steile Höh', heute läßt sich der Staat von seinen Prätorianern schützen. Den Staat aber, der höher sei als die Partei, würden die schützen, die zum Staat die größere Liebe hätten. (Beifall bei der Deutschen Volkspartei.)
Nach kurzen Ausführungen des Abg. Biester (D. Hannov.), der darauf hinweist, daß 1866 ein häßlicher schwarzer Vogel auf Hannover niedergefallen sei und daß die Hannoveraner zur preu⸗ Bischen Regierung erst Vertrauen haben könnten, wenn das damals begangene Unrecht verschwunden wäre, schließt die allgemeine Besprechung.
Das Haus beginnt die ministerium.
Abg. Dr. Maretzky (D. Nat.): Die Linke zeigt das Be⸗ streben, die mit so ungeheuerlichem Aufwand und unter so schweren Rechtsverletzungen durchgeführte Polizeiaktion gegen den angeb⸗ lichen Rechtsputsch möglichst schnell in Vergessenheit geraten zu lassen, weil schon jetzt erwiesen ist, daß es sich bei der ganzen An⸗ gelegenheit um ein frivoles politisches Manöver gehandelt hat. Das Hauptstück der ganzen Aktion, die „Notverfassung“, ist über⸗ haupt nicht gefunden worden. (Zuruf rechts: Da liegt System drin!) Auch die Hineinziehung Dr. Stresemanns beweist die völlige Ratlosigkeit der Regierung. (Sehr richtig! rechts.) Die Regierung hat sich nicht geäußert dazu; das ist bezeichnend. Die meisten von der Polizei beschuldigten Personen sind überhaupt nicht zur Untersuchung gezogen worden, weil sich die Beschuldi⸗ gungen auf den ersten Blick als falsch eneus Kene haben. Gegen die schweren Rechtsverletzungen der für die Polizeiaktion verant⸗ wortlichen Beamten hat die Regierung nichts getan. Wie korrekt und gewissenhaft hat dagegen die alte Regierung die Vorschriften beachtet, die die Freiheit des Staatsbürgers sichern! In der „demokratischen“ Republik aber kann davon keine Rede sein. (An⸗ haltende Zwischenrufe links.) Sie mißachtet die elementaren Grundsätze der Freiheit. (Lachen links.) Diese Demokratie ist eben eine Formaldemokratie; für wahre Freiheit nimmt sie den äußern Schein! (Sehr richtig! rechts.) Wir fragen an, was die Regierung zu tun gedenkt, um die offenbar schweren Rechts⸗ verletzungen zu sühnen! Zwax erkennen wir die Pflichttreue und die Leistungen eines großen Teiles der Schutzpolizei an, können aber nicht daran vorbeigehen, daß sich infolge der Personalpolitik des Ministers Severing in anderen Teilen schwerste Zersetzungs⸗ erscheinungen geltend machen. Wir fordern, daß die Freiheit der politischen Stellung der Polizeibeamten sichergestellt wird. 2 zahllosen Fällen, so bei der Reichsbannerfeier in Weißensee, so bei den kommunistischen Ausschreitungen in Ammendorf, bei den Ge⸗ walttätigkeiten der Linksradikalen in Fürstenwalde, Landsberg, Frankfurt a. O, Kiel und vor allem in Berlin, zeigt sich immer wieder, daß einzelne Formationen und einzelne Beamte der Polizei den bürgerlichen Rechtskreisen den pflichtmäßigen polizeilichen Schutz versagen. (Zuruf links: Wenn Provokation vorliegt!) Sie Each links) nennen schon die Aeußerung einer anderen politischen
esinnung eine Provokation. Mit diesem Wort wird ein uner⸗ träglicher Unfug und Mißbrauch getrieben, um jeden Terror von links zu rechtfertigen. Man sieht ja schon das Zeigen der schwarz⸗ weiß⸗roten Farben in Versammlungen als Provokation an! (Sehr richtig! und stürmische Zustimmung bei den Kommunisten.) Der voten Farbe gegenüber ist man nicht so empfindlich. Vielleicht kommt doch noch einmal der Tag, wo die Dinge anders aussehen. (Aha! und stürmische Kundgebungen bei den Sozialdemokraten und Kommunisten.) Das Siockverbot gegenüber den Verbänden ist eine Maßnahme zur Wehrlosmachung der Rechtsorganisationen und zur E der nationalen Bewegung, um im Bürgertum den Eindruck hervorzurufen, daß die Uebermacht der proletarischen Linken unübevwindlich ist. Das Reichsbanner maßt sich geradezu obrigkeitliche Funktionen an. Auch der Rote Front⸗ kämpferbund wird begünstigt, soweit er gegen das rechtsgerichtete Bürgertum vorgeht. Welche Aufregung würde sich der Linken be⸗ mächtigen, wenn ein politischer Führer der Rechtsparteien der⸗ artige Drohungen gegen die Staatsordnung ausspräche, wie das die Kommunisten jeden Tag tun. Die Regierung ist nicht gewillt, ja nicht mehr in der Lage, gegen die proletarische Einheitsfront vorzugehen. Möchten doch die bürgerlichen Parteien, die in der Regierung vertreten sind, einsehen, wie gefährlich es ist, das Ministerium des Innern in der Hand eines Sozialdemokraten zu belassen. (Zuruf des Abgeordneten Riedel [Dem.]: Sie halten wohl eine Kandidatenrede?) Die Entwicklung treibt einer prole⸗ tarischen Revolution zu. Die Kommunisten wollen sie gewaltsam durchführen, die Sozialdemokraten ohne Blut mit dem Ziel, eine radikale Linksregierung unter unbedingter Vorherrschaft der Sozialdemokratie auch in Reiche einzusetzen. (Andauernde Unter⸗ brechungen links.) Dazu die Begünstigung des Terrors der Straße, dazu die wilde Agitation für die Fürstenenteignung, die revolutio⸗ näre Filmpropaganda, die Verächtlichungmachung der alten Armee, der geheime Kampf gegen die Reichswehr und die Niederdrückung des Bürgertums und der nationalen Bewequng. (Zuruf rechts: Wir werden schon die Bude ausräumen! — Stürmische Gegen⸗ kundgebungen links.) Vor allem hat die preußische Putschaktion der Polizei den sozialdemokratischen Machtplänen den Weg zu be⸗ reiten. Man wollte den Reichspräsidenten verhindern, jemals die Rechte des Ausnahmezustandes nach Artikel 48 einer Rechts⸗ regierung zu übertragen. Das war der Zweck der Uebung! So ist die Linke entschlossen, die allgemeine Notlage zu einem erneuten Vortreiben der Revolution auszunützen. (Uhu⸗Rufe links.) Es ist kein Zweifel, daß auch die leitenden Männer der preußischen Regie⸗ rung diese Pläne unterstützen. Die Rechte will den Kampf nicht. Wird er uns aufgezwungen, werden wir ihn durchführen, um den Bestand von Volk und Staat zu erhalten. (Lebhafter Beifall bei den Deutschnationalen. — Stürmische Gegenkundgebungen auf der Linken des Hauses. Große Unruhe im ganzen Hause.)
Abg. Eberlein (Komm.) empfiehlt die kommunistischen An⸗ träge 2 Entmilitarisierung der Schutzpolizei und Besserstellung der Polizeibeamten. Die Polizei sollte ein Schutz der Bevölkerung, keine seligel Gefahr für die arbeitende Bevölkerung sein. Was solle der sinnlos überflüssige Offiziersapparat? Viele Offiziere gebe es, die überhaupt keine Punkiion hätten; sie seien Reserven ür den Zweck, bei einem Bürgerkrieg aus der utzpolizei ein Militär⸗ instrument zu machen. u dem Zweck habe man auch die neue
Aussprache zum Innen⸗
Landjägereiorganisation geschaffen und suche überall an die Stelle
Die Umwandlungen der Polizei in Suhl und Düsseldorf hab gewaltige Unkosten mit sich gebracht. Bei der schlechten Be andlung der Polizeibeamten sei es kein Wunder, wenn sie immer mehr den Kommunisten zuströmten. Der Vorredner Herr Maretzky sei der Typ des preußischen Polizeioffiziers. Die Kommunisten verlangten, daß endlich Schluß gemacht werde mit der Militarisierung der Polizei. Mit einem wahren Fanatismus beeile sich die preu ische H 1 den Wünschen der bayerischen Justiz nachzukommen. Die würdige sich so zum Werkzeug „faschistischer Lümmels“ herab. Abg. von Eynern (D. Vp.) erklärt, die persönliche Freiheit sei in den letzten Jahren des vergangenen Staates höher gestellt als letzt, obschon man sich gerade im demokratischen Staat ganz streng nach gesetzlichen stimmungen richten müßte. Ueber diese Be. stimmungen gehe man zurzeit mit sehr leichtem Herzen hinweg. Auf unsere über die Fttezen auch über die bei Stollwerck
der kommunalen Polizei die staatliche Pelineior Isäte zu se
in Köln, die auf kommunistische Denunziation erfolgt sei, habe die Regierung noch immer keine Antwort gegeben. Dies Kapitel könne nicht geschlossen werden. Die Rechtskunde im Ministerium de Innern müsse doch sehr nachgelassen haben. Das beweise auch der Reinfall des Ministers vor dem Oberverwaltungsgericht in seinem prche eegen den Potsdamer Magistrat. (Sehr wahr! rechts.) Es ei doch . merkwürdig, daß der Minister sich jetzt soger an einzelne Beamte wende mit der Frage, ob sie auch seinen Erlaß über die Beflaggung der Dienstgebäude beachteten. (Hört, hört! rechts. Zurufe und Unruhe links.) Wenn nun ein Beamter 1b friedigende Antwort gebe, werde er wahrscheinlich ein Kreuz in seinen Personalakten erhalten. (Hört, hört! rechts. Zuruf des Abg. Buch⸗ horn: Gesinnungsschnüffelei.) Man wolle jetzt noch weiter gehen und auch die Beamten in 8” Hand bekommen, die in fiskalischen Ge⸗ bäuden wohnten, ohne Dienstwohnung zu haben. Was würden die Arbeiter sagen, die in Zechengebäuden wohnen, wenn man ihnen mit solchen Zumutungen käme. (Sehr wahr! rechts.) Das erinnere an sehr patriarchalische Polizeiübungen. (Heiterkeit rechts.) Der Redner kommt auf die Demonstrationen zu sprechen und sagt: Das Recht zu Demonstrationen ist von der Linken begründet worden. Es gilt aber für alle Bürger. (Lebhafte Zustimmung rechts.) Der Ober⸗ präsident von Brandenburg war darum nicht berechtigt, dem Land⸗ bund, wie er das getan hat, wegen Demonstrationen und Kund⸗ gebungen über die Not der Landwirtschaft ein scharfes Vorgehen an⸗ zudrohen. (Rufe rechts: Unerhört!) Diese Behinderung einer wirt⸗ schaftlichen Organisation, ihre wirtschaftlichen Aufgaben im Interesse ihrer Mitglieder wahrzunehmen, kann man nicht dulden. (Lebhafte zustimmung rechts.) Eher sollte die Regierung das Reklame edürfnis des Vizepolizeipräsidenten Friedensburg etwas hemmer (Heiterkeit) Zum Beweis des Terrors von links, den der Herr Abgeordnete Eberlein bestritt, braucht man nur die Ausführungen des „Hannoverschen Volksboten“ zu lesen. Hier werden den Arbeitern, die nicht zum Volksentscheid gehen wollten, offen Gewaltakte angedroht. (Hört, hört! rechts. — Unruhe und Zurufe links.) Das ist Terror. (Wiederholte Zurufe links.) Nun, meine Ffren. wie ist denn der ganze Volksentscheid zustandegekkommen? Ein inneres Verhältni b Kommunisten und Sozialdemokraten ist doch noch nicht dagewesen. Der „Vorwärts“ ist seinen kommunistischen Freunden soweit entgegengekommen, daß er für den Volksentscheid sogar zum Flaggen mit roten Fahnen an erster Stelle neben den schwarz⸗rot⸗ goldenen aufgefordert hat. (Lebhaftes hört, hört! rechts. — Unruhe links, Zurufe: Wir sind darin unbelehrbar!) Der „Vorwärts“ hat auch geschrieben, man möge rote und schwarz⸗rot⸗goldene Fahnen herausstecken, um zugleich dem Sozialismus und der Republik zu huldigen. Das weist hin nicht auf den Staat von Weimar, sondern auf den Staat von Moskau. (Lebhafte Zustimmung rechts.) Der Redner wirft der Regierung vor, daß sie positive gesetzgeberische Arbeit überhaupt nicht geleistet habe. Vor dreiviertel Jahren hieß es, die Städteordnung solle schnell, sogar im Handumdrehen, erledigt werden. Was ist geschehen? Wir haben die Städteordnung in weiter Lesung beraten und die Landgemeindeordnung angefangen; da sind die Regierungsparteien mit einem Male wieder zu der Er⸗ kenntnis gekommen, daß sie über die wichtigsten Fragen ja völlig uneinig seien. (Heiterkeit rechts.) ifatzebaen hat man das ganze Werk wieder bcFeitegesteile (Zurufe links.) So wird es auch mit den Ankündigungen kommen, die jetzt seitens eines Regierungs⸗ vertreters auf dem Städtetag über eine in Aussicht genommene schleunige Verwaltungsreform gemacht worden sind Sie haben keine große, ja, nicht einmal eine ganz kleine Verwaltungsreform fertig Fesmnee. (Sehr richtig! rechts.) Die Regierung faßt sich eben von rein parteipolitischen Augenblicksstimmungen, nicht aber von staat pogztischen Gesichtspunkten lenken. So lange das so ist, brauchen ich die Regierungsparteien nicht zu wundern, daß wir in der Oppo⸗ sition stehen und stehen bleiben. (Lebhafter Beifall rechts.) Staatssekretär Meister: Der Vorredner hat es als Aufgabe des Innenministeriums bezeichnet, die persönliche Freiheit des einzelnen zu schützen. Das Ministerium hat aber auch die Aufgabe, die öffentliche Ruhe und Ordnung aufrechtzuerhalten. (Sehr gutt links.) Diese beiden Aufgaben mäüsen miteinander kombiniert werden. Die vom Herrn Abgeordneten von Eynern erwähnten Demonstrationen ind doch nicht so harmloser Art gewesen, wie er es hinstellte. Der Flaggenerlaß ist vom Ministerium an die Regierungspräsidenten er- assen worden. Den Regierungspräsidenten stand die Art seiner Durchführung frei. Auch der Oberpräsident von Brandenburg hat dabei im Sinne des Erlasses sicherlich gehandelt. Di Meinungsfreiheit wird dabei keineswegs beeinträchtigt. (Zu rufe rechts;: Wird immer gegen rechts beeinträchtigt! Es ist hier der Vorwurf erhoben worden, der Herr Ministerial direktor Abegg habe das Schreiben eines Deutschnationalen an di Polizei nicht richtig wiedergegeben. Das Schreiben ist tatsächlich hier richtig und im vollen Wortlaut vorgelesen worden. Es ist von einem deutschnationalen Stadtverordneten an den Kommandeur der Berliner Polizeinspektion III gerichtet, vom 17. Mai 1926 datiert und hat folgenden Wortlaut: „Sehr verehrter Herr Kom⸗ mandeur! Als Leiter der gestrigen Demonstration im Bezirk III gestatte ich mir, der Polizeiinspektion im Bezirk III unseren besten Dank für den mustergültigen Schutz unserer Demonstration aus zusprechen. (Hört, hört! links.) Ich kann wohl sagen, daß ich selten eine so vorzügliche Organisation gesehen habe. Mit vor⸗ züglicher Hochachtung ...“ (Zurufe rechts.) Zu den Vorfällen im Landtag am 24. Juni erkläre ich: Der Herr Abgeordnete Dr. Leidig hat in Bezugnahme auf die Ausführungen seitens des Herrn Ministerialdirektors Abegg eine Bemerkung gemacht über die Befugnisse der Regierungskommissare, die dahin ging die Regierungsvertreter hätten nicht das Recht, sich in politische Diskussisionen oder persönliche Auseinandersetzungen mit Mit⸗ gliedern des Landtags einzulassen. (Sehr richtig! rechts.) Sehr unrichtig; denn der Herr Ministerialdirektor Abegg dat in Ad⸗ wesenheit des Herrn Innenministers das Innenministerium die vertreten. Ich habe namens der Staatsregierung zu erklären. daß sie für ihre Vertreter nicht nur das Recht in Anspruch nimnnat. Auskunft zu erteilen, sondern auch sich in Diskusstonen dimnsen lassen. (Sehr richtig! links; Gegenkundgebungen rechts) Ant Vorwürfe des Abgeordneten Eberlein erklärt der Redner, er 8gs ein ganzes Buch auf den Tisch des Hauses, aus dem ershebhed sein werde, was das Staatsministerium gegen Terrerahde deim Volksentscheid unternommen habe. Abg. Nuschke (Dem.) bedauert, daß der Minister Sereriag durch Krankheit verhindert ist, den Verhandlungen der und gibt der Hoffnung Ausdruck, daß der Mind I 8