1926 / 236 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 09 Oct 1926 18:00:01 GMT) scan diff

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Uagbersicht 88

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der Prägungen von Reichssilber⸗ und Reichspfennigmü ü a gung unnigmünzen in den deutschen Münzstä

bis Ende September 1926. sch öülättan

Reichssilbermünzen

Ein⸗ Zwei⸗ Drei⸗ Fünf⸗ sind geprägt worden in: RM RM RM

markstücke markstücke markstücke markstücke pfennigstücke pfennigstücke pfennigstücke

Reichspfennigmünzen

Ein⸗ Zwei⸗ Fünf⸗ Zehn Fünfzig⸗ pfennigstücke pfennigstücke

RM V RM RM

7 248 657 860 2100% y710 762 ü . 500 000% ꝑ490 000 Stuttgart... 1 000 000 Karlsruhe.. 1 125 000 Hamburg.. 1 000 000

Summe 1 8 608 867] 4 325 762 2. Vorher waren geprägt *).

270 107 783 149871860 152 354 184 8421 570 2 795 476,68. 5 000 800,02 27 677 904,— 56 951 615,80 109 859 100,—

3. Gesamtprä⸗ „gung.. . 278 716 650 154197622 152 354 184 8 421 570 4. Hiervon sind wieder einge⸗

zogeen

336 694 2 494 51 915 245

2 795 476,68 5 000 800,02 27 682 960,80 56 958 835,10 109 859 100,—

433,89 635,32 931,45 2 893,80 14 705,50

Bleiben...

278 379 956 154195128 152 302 269 8 421 325† ꝑ2 795 042,79 5 000 164,70 27 682 029,35/ 56 955 941,30 /109 844 394,50

*) Vgl. den Reichsanzeiger vom 13. September 1926 Nr. 213.

Berlin, den 7. Oktober 1926.

Hauptbuchhalterei des Reichsfinanzministeriums. Dicke.

v11A11A1AAA“X“

Unter den im Deutschen Reichsanzeiger Nr. 297 vom 31. Dezember 1923 und Nr. 83 vom 7. April 1924 bekannt⸗ gegebenen Bedingungen und in Abänderung der Bekannt⸗ machungen im Deutschen Reichsanzeiger Nr. 204 vom 2. Sep⸗ tember 1926, Nr. 216 vom 16. September 1926 und Nr. 224 vom 25. September 1926 gelten mit Wirkung ab 1. Oktober d. J. die folgenden Preisänderungen:

I. Oberschlesisches Steinkohlensyndikat. Steinkohlenbriketis .. ... . Hnu me 19,00

II. Niederschlesisches Kohlensyndikat.

Steinkohlenbriketts (Fürstenstein, Wenceslaus, Viktor) kleinere Formate von etwa 1 kg... e roßes Format von etwa 3 kkg RM 28,80 Eiformbriketts . 1u“

Berlin, den 9. Oktober 1926.

Aktiengesellschaft Reichskohlenverband. Keil. r. Bonikowsky.

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Bekanntmachung.

Gemäß den Bedingungen der D ollarschatzanweisungen des Volksstaates Hessen vom 20. Oktober 1923, Reihe A und B, wird hiermit bekanntgegeben, daß die Ein⸗ lösung der am 18. Oktober 1926 zur Rückzahlung fälligen Stücke mit einem Aufgeld von 20 vH in Reichsmark nach Abzug der Kapitalertragsteuer erfolgt, wobei der Dollar zum Durchschnitt der Mittelkurse der amtlichen Berliner Notierun für Auszahlung New York im Monat September 1926, gleich

4,20 RM, gerechnet wird.

Darmstadt, den 7. Oktober 1926.

Hessische Staatsschuldenverwaltung 4 Neumann.

ekanntmachung.

Auf Grund des Absatzes 2 b, Seite 11 der in Nr. 4 des „Preußischen Besoldungsblattes“ vom 2. Februar 1926 ver⸗ 6s entlichten, am 10. Januar 1926 in Kraft getretenen

„Vorschriften für die Lieferung von Papier

an Preußische Staatsbehörden“ hat folgende Fabrik ihr Wasserzeichen bei dem unter⸗ zeichneten Amt angemeldet:

108 V Siegel & Haase in Grün⸗ Siegel & Haase, Grünh hainichen i. Sa. v..Normal Berlin⸗Dahlem, den 5. Oktober 1926. Staatliches Materialprüfungsamt. Herzberg.

V Wortlaut des Wasserzeichens

Bekanntmachung.

Die von heute ab zur Ausgabe gelangende Nummer 40 der Preußischen Gesetzsammlung enthält unter

Nr. 13 153 die Verordnung zur des Ausbaurechts der Ihna an die Ihna⸗Bodenverbesserungsgenossenschaft in Stargard, vom 17. September 1926, und unter I

Nr. 13 154 die Verordnung des Preußischen Justizministers, be⸗ treffend vorläufige Aenderung von Gerichtsbezirken anläßlich der Aus⸗ führung des Friedensvertrags, vom 30. September 1926.

Umfang ½ Bogen. Verkaufspreis 10 Reichspfennig. Berlin, den 8. Oktober 1926.

Gesetzsammlungsamt. Dr. Ka isenber

Preußischer Staatsrat. Sitzung vom 8. Oktober 192. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger.)

Der Staatsrat beschäftigte sich heute zunächst mit dem Entwurf eines Gesetzes über die Vermögens⸗

auseinandersetzung zwischen dem Preu⸗ ßischen Staat und den Mitgliedern des vor⸗ mals regierenden preußischen Königs⸗ hauses, in Verbindung mit dem Antrag Dr. Meyer (Komm.), betr. die Wiederaufnahme von Ver⸗ gleichsverhandlungen mit dem Vertreter des Hohenzollernhauses. 1

Staatsratsmitglied Dr. Rumpf (8⸗Ge) erstattete den Ausschußberi t und gab einen Abi er Vorgeschichte des Entwurfs. ie dem Gesetze beigefügten Verträge vom 12. Oktober 1925 und vom 6. Oktober 1926 über die Ver⸗ mögensauseinandersetzung zwischen dem Preußischen Staat und den Mitgliedern des vormals regierenden üenf chen Königshauses „werden geesmnigt Landesgesetzliche Vor⸗ schriften, die für einzelne Bestimmungen der Verträge noch eine besondere Genehmigung oder einen Familien eschluß erfordern, finden auf diese Verträge keine Anwendung. Der Fenanes nicer wird ermächtigt, die zur Erfüllung der in den

erträgen vom Staate übernommenen Verpfli tungen er⸗ ““ Mittel in Höhe des jeweils fälligen Betrages zur - zu stellen. Der Inhalt der Verträge ist bereits

unt.

Wie der Berichterstatter Dr. Rumpf mitteilte, hat sich der Ausschuß davon überzeugt, daß dieser Vergleich und g- vlchr⸗ e 8 den Preußischen Staat nicht nur nicht unvorteilhaft sind, ondern daß sie eine Notwendigkeit, insbesondere auch eine politische Notwendigkeit, sind und daß damit dieser Streit, der das preußische und deutsche Volk seit Jahren zerreißt, nunmehr end⸗

lttig beseitigt wird. Der Ausschuß schlägt daher in seiner Mehr⸗ eit vor, Einwendungen nicht zu erheben und den kommunistischen Uhetrag auf entschädigungslose .2ezn. abzulehnen.

Abg. Dr. Meerfeldt (Soz.) bedauert, daß die preußische Regierung auf eine so ungemein schnelle Erledigung der Vorlage dränge. Die Sozialdemokraten 8. trotzdem gewillt, der Pschäftsordnungsmäßigen Behandlung der Vorlage keine

wierigkeiten zu bereiten. Der Entwurf selbst befriedige 85 und gebe zu sehr schweren Bedenken Ankaß. Nach wie vor habe man es mit dieser Vorlage mit ganz maßlosen dieöchen der ö zu tun. Die Sozialdemokraten lehnten daher die

orlage ab.

Abg. Dr. Meyer⸗Berlin (Komm.) 18. der Ansicht, daß der Streit über die Angelegenheit durch die Vorlage nicht aus dem deutschen Volke beseitigt werde. r lehnt die Vorlage ab und empfiehlt Annahme des kommunistischen Antrags.

Freiherr von Gayl (A.⸗G.) gibt die Erklärung ab, daß seine Freunde der Vorlage zustimmen werden.

Die Vorlage wird darauf gegen die Stimmen der Sozial⸗ demokraten und der angenommen.

Ueber den vom Minister für Volkswohlfahrt vorgelegten Entwurf zu einem Städtebaugesetz berichtet so⸗ dann das

Staatsratsmitglied Häring (Soz.). Der Entwurf betrifft lächenaufteilungspläne, Fluchtlinienpläne, Bauvorschriften, Um⸗ legung und Grenzberichtigung von Grundstücken, Enteigungen, Entschädigungen, Anliegerbeiträge, allgemeine Vorschriften, Bu⸗ ständigkeiten und Verfahren und enthält schließlich Schluß⸗ und Der Ausschuß empfiehlt die Zu⸗ stimmung zu einem Gutachten, das eine Kompromißformel dar⸗ stelle, bei der alle Parteien Opfer gebracht hätten.

Der Redner der Kommunisten bezeichnet das Gutachten als noch weit reaktionärer als es der Entwurf selber sei.

Staatsratsmitglied Andrée Soß, ist von dem Gutachten des Ausschusses zwar auch nicht befriedigt, 1ghn. ihm aber zu, weil es immerhin einen Fortschritt gegenüber dem banden ge⸗ stande bedeute. Er wünscht, daß die Vorlage recht bald etz werden möge.

Ministerialdirektor Contze betont, daß die Staatsregierung nach wie vor davon 11& sei, daß der Gesetzentwurf gegen⸗ über dem Gutachten des Ausschusses, dem Kompromißantrag, doch das Bessere sei. Der Entwurf schränke die Selbständigkeit durchaus nicht allzu sehr ein. Der Vorschlag des Ausschusses lasse befürchten, daß mit der Entwicklung der Verhältnisse nicht schnell genug mit⸗ gegangen werden könne.

Dem Gutachten wird gegen die Stimmen der Kommu⸗ nisten zugestimmt.

Die Ausführungsbestimmungen zu dem Gesetz über den Verkehr mit unedlen Metallen wurden als durch Kenntnisnahme für erledigt erklärt. 8

Gegen den Gesetzentwurf zu dem Staatsvertrage

wischen Preußen und Anhalt vegen eines ein⸗ heitlichen Deichverbandes für die Dernburger Niederung owie gegen den Gesetzentwurf zur Aenderung des Gesetzes über die Regelung des Körwesens und des

1 erennwesens wurden Einwendungen nicht er⸗

oben. Die Zweite Verordnung zur Durchführung der Hauszinssteuerverordnung und die Rundver⸗ fügung, betreffend die Verwendung von Haus⸗ zinssteuermitteln für die Instandsetzung von Alt⸗ wohnungen, wurden durch Kenntnisnahme erledigt.

Der Staatsrat vertagte sich sodann auf Mittwoch, den 10. November. 8—

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1 Preußischer Landtag.

204. Sitzung vom 8. Oktober 1926, mittags 12 Uhr.

(Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger.) Vor Eintritt in die Tagesordnung gibt Abgeordneter

Baczewski (Pole) eine Erklärung ab, in der er eine

Veröffentlichung der Regierung in Allenstein über den

polnischen Unterricht in der Volksschule als unwahr bezeichnet;

sie sei nur angetan, die polnischen Minderheiten herabzusetzen.

Gang

Abg. Schwenk⸗Berlin (Komm.) legt Verwahrung ein

1 stgen den Ausschluß seines Fraktionsfreundes Sobottka

ür den Schluß der Donnerstagssitzung. Allerdings hab

gegen den Abg. Wiedemann (D. Nat.) den Vorwurf 922 9 8

Feigheit erhoben; der Vorwurf sei jedoch völli berechtigt. Wiede⸗

mann habe die Erwerbslosen in unerhörter Weise beschimpft und

dabei einen Artikel verlesen, der nicht, wie er sagte, einem

Fea. 2 Blatt entstamme, sondern einem in

Fnne. ö Hebblatt. Der Präsident abe kein Wort des Tadels

der r. nden,hübe geig. gegen die Beschimpfung

Abg. Otter (Soz.) empfiehlt den Antrag des uptaus⸗ schusses, nach dem be iederaufnahme der Thtigkeit 8 „Vereinigte Margarethe“ empfohlen wird.

Abg. Wende (Soz.) lehnt das Arbeitsdienstpflichtgesetz ab In Berlin kommen auf 1000 Einwohner ni g 89 a8 240 Arbeitslose. Wir haben im ganzen 2 ¼ Millionen Arbeitslofe und 1,7 Millionen Kurzarbeiter. Und da stellt sich Herr Wiede⸗ mann von den Deutschnationalen hin und hält hier eine Schimpf⸗ rede gegen die Erwerbslosen. Das Elend ist ungeheuer! Dazu kommt die 8es Wohnungsnot, so daß teilweise in einem Zimmer 9 bis 12 Personen zusammengepfercht sind. Wo Arbeit ist, da werden Löhne angeboten, daß der Arbeiter mit seiner Familie kaum das kümmerlichste Leben fristen könne; das geschieht besonders bei den Großagrariern. Und die große Zahl der Ausgesteuerten soll überhaupt keine Arbeit erhalten; sie werden geradezu zum Stehlen gezwungen. Wie sollen die Gemeinden die 50 vH für die Ausgesteuerten aufbringen, zumal viele Gemeinden schon so finanziell ruiniert sind. Preußen müßte hier mit dem Reiche viel kräftigere Worte reden; es ist ja sonst so rasch dabei, wenn es gilt, für die Landwirtschaft Mittel zu beschaffen. Unsere Nachkommen werden ein großes Lächeln darüber haben, daß die Behörden für die Erwerbslosenunterstützung Bedürftigkeit und sogar das Vor⸗ liegen von „Kriegsfolgen“ fordern. Noch schlimmer ist es, wenn ein Regierungspräsident unter Berufung auf den Minister die Arbeitsnachweise auffordert, bei „ungebührlichem Verhalten der Arbeiter“ die 1—““ zu versagen. Der Redner fordert ein unbeschränktes Recht auf Unterstützung als Folge der Beitrags⸗ pflicht und wendet sich gegen die vom Regierungspräsidenten in Köln unter dem Vorwand, die Bauarbeiter feien Fasonarbeiter, verfügte Verlängerung der Karenzzeit für diese Arbeiter. Be Notstandsarbeiten müßten die üblichen Tariflöhne gezahlt werden. Im Winter werde die Arbeitslosigkeit unermeßlich steigen. Leider merke man aber noch nichts von einer Wirkung des Arbeits⸗ beschaffungsprogramms. Der Redner verlangt weiter Verkürzung der Arbeitszeit unter acht Stunden, Erhöhung der Unterstützungs⸗ sätze und Verlängerung der Unterstützungsdauer.

Abg. Kloft⸗Essen (Zentr.) macht darauf aufmerksam, daß die Arbeitslosigkeit nicht gleichmäßig über das Reich verteilt sei. Am schlimmsten sei es im Regierungsbezirk Düsseldorf. Die beste Bekämpfung der Arbeitslosigkeit bilde die Arbeitsbeschaffung. Aber selbst wenn das Programm der Reichsregierung durchgeführt werde, sei zu befürchten, daß einzelne, besonders stark betroffene Bezirke wenig davon merken. Darum müsse die preußische Re⸗ ierung eine stärkere zusätzliche Initiative in ihren industriellen Proviachen ergreifen. ( nstiannag beim Zentrum und bei den Sozialdemokraten.) Das preußische Finanzministerium solle mit Se Liebe an die Sache herangehen. Das Zentrum beantrage des⸗

lb die S der Summe für die produktive Krer haester fürsorge von auf 100 Millionen Mark. Diese Mittel dürften füre aus laufenden Einnahmen, sondern müßten aus Anleihen genommen werden. Das Einfachste und Gerechteste zur Regelung der Ausgesteuertenfrage wäre eine v der Unter⸗ fergnnge er gewesen. Statt dessen wolle man die Ausgesteuerten er Be überweisen. s bringe zwei Härten mit sich: die behan ung der Erwerbslosen nach ganz anderen Grundsätzen der Bedürftigkeit und eine neue schwere Belastung der Gemeinden mit der Hälfte der Unterstützungsbeträge. Besonders bedenklich sei das Problem der jugendlichen Arbeitslosen. Arbeitsscheu und Verhetzung der Jugend seien die Folge der Erwerbslosigkeit. In gewissen Notstandsgebieten bestehe zwar die Möglichkeit, Sechzehn⸗

is Achtzehnjährige in Fürsorgeerziehung unterzubringen. Leider scheitere das meist an der Kosenrag⸗ weil die Gemeinden das nicht allein bezahlen wollen. Unterricht für erwerbslose Negeeeh liche, unter Umständen auch in den Volkshochschulen, sei Kapital, das fruchtbringend angelegt sein würde. müsse im Interesse der Jugendlichen großzügiger sein. Der Redner schlägt vor, sämtliche Anträge dem Hauptausschuß zu überweisen.

Abg. Dr. Pinkerneil (D. Vp.) betrachtet das Erwerbs⸗ losenproblem gleichfalls im wesentlichen als ein Arbeits⸗ beschaffungsproblem. Man müsse vor allem die Wirtschaft in

Wir sind der Auffassung, fährt Redner fort, daß eine vernünftige Fürsorge ausgebaut werden muß. Der Ausbau muß aber in der Richtung der Erwerbslosenversicherung Feschehen, und eine Verschärfung des Verantwortungsgefühls der Versicherungs⸗ träger muß erfolgen. Das Arbeitsbeschaffungsprogramm der Regierung ist zu eng. Es wäre besser gewesen, in größerem Maße Mittel in den Etat für wirklich produktive Arbeit einzustellen. (Sehr richtig! bei der Deutschen Volkspartei.) Der Finanzminister mag sich zum Beispiel überlegen, ob die Mittel für Neubanten, für Universitätskliniken usw. wieder so knapp bemessen werden dürfen, wie im vorigen Jahre. Das ist eine sehr unfruchtbare Sparsamkeitspolitik. (Sehr richtig! rechts.) Der Redner bespricht sodann eine Reihe dringlicher Bahnbauprojekte, die schon lan vorliegen und von der Reichsbahngesellschaft endlich in Angriff enommen werden sollten. Das Wesentliche zur Lösung des Krbeitslosenproblems sei und bleibe aber die Erholung der Wirt⸗ chaft im ganzen. Der Abgeordnete Otter habe bezüglich der 89- he „Margarethe“ eine Rentabilität beweisen wollen. Als Berichterstatter hätte er nicht vergessen Iee.; was der Regierungs⸗ vertreter im Ausschuß über diese Rentabilität gesagt habe. Es sei von ihm ein Verlust fun die Tonne Kohlen von 1,85 Mark fest⸗ gestellt worden. (Lebhaftes hört, hört! rechts. Zurufe bei den Kommunisten.) Wir gingen spötteg im Bergbau entgegen, die sehr ernst seien. Wenn der englische Streik so auslaufe, wie es aus⸗ lehe, werde der deutsche Bergbau mit dem Einsetzen einer sehr Srere,n englischen Konkurrenz zu vechnen haben. Die Sozial⸗ demokraten beantragten schon wieder Sozialisierung. Wenn Herr

Otter mittels Sozialisierungen über so klarliegende Fälle der Unrentabilität hinwegkomme, wie bei der Zeche „Margarethe“, werde sein Name in der Geschichte der Nationalökonomie größer als der von Friedrich List werden. (Große Heiterkeit.) Seine Freunde verkennten nicht die Härte der Zechenstillegungen. Wenn es irgend gehe, müsse man aus kulturellen und wirtschaftlichen Gründen und um die Arbeiter ihrer Heimat zu erhalten, Stillegungen vermeiden. Aber mit reiner Agitation seien solche Fragen nicht zu lösen. Die Aufgabe der Wirtschaftsführung, im Interesse der Arbeiterschaft die Wirtschaft gesund zu erhalten, beanspruche eine objektive Würdigung. Man sollte ihr in so ernster Zeit nicht mit unsachlicher Opposition und Agitation ent⸗ gegentreten. (Lebhafter Beifall rechts.)

Abg. Gehrmann⸗Rathenow (Komm.) begründet einen kommunistischen Antrag, den Erwerbslosen für die im Winter zu erwartenden besonderen Schwierigkeiten eine einmalige Extra⸗ ubuße zu zahlen. Jetzt, wo es zum Winter gehe, seien alle schönen

eden über das Arbeitsbeschaffungsprogramm Lug und Prng.

Denn alle dort vorgesehenen Arbeiten müßten im Frost eingeste werden. Das ganze Programm sei Schwindel. Der deutz nationale Abgeordnete Wiedemann habe Then in gest gen Weise die Erwerbslosen beschimpft. Die Kommunisten würg frn nicht mehr dulden, daß im Landtage jemand von Arbeltsdeenf . pflicht spreche; sie würden jeden, der das tue, von der Tri 8 herunterholen. (Lachen rechts. Lärm bei den Kommunisten.) In kurzer Zeit seien fast drei Millionen Erwerbslose aus dem 989 8 stützungsprozeß heraus. Die Regierung solle sich rechtzeitig dff 8 Tatsache erinnern. In Breslau sei 888 Arbeiterblut. flosseg,

Schuldig daran sei der Wohlfahrtsminister. Eine Erhöhung der

tehenden Unterstützungssätze um mindestens 50 vH; sei erforder⸗

lich. Vor allem müßten sich aber die Erwerbslosen zusammen⸗ schließen und selber helfen. Abg. Hartmann (Dem.) meint, daß —h des Er⸗ werbslosenproblems heute doppelt schwer sei, weil die Lasten des verlorenen Krieges manches verhinderten. Staatsgesinnung sei aber vom Wohlbefinden des Volkes abhängig. Man müsse bedenken, daß gegenwärtig in Europa sieben Millionen Menschen arbeitslos ien. Zurückweisen müsse man den beleidigenden Vorwurf, daß 8 Arbeitslosen gar nicht arbeiten wollten. (Sehr richtig! bei den Demokraten.) Die Hauptursache für die Arbeitslosigkeit sei der verlorene Krieg, der Vevarmung nicht nur bei uns, sondern in ganz Europa gebracht habe, und dazu eine gesteigerte Selbst⸗ hertrgung derer, die früher für uns 2 Abnehmer gewesen seien. Die Zahl der Arbeitnehmenden sei aber nach dem Kriege und der Inflation in Deutschland um etwa drei illionen größer ge⸗ worden, weil verarmte Rentner und frühere Militärkreise heute im Berufsleben ständen. Die Fürsorgebestimmungen dürften nicht so demütigend für die doch an ihrem Schicksal unschuldigen Er⸗ en durchgeführt werden. sbee⸗ könne nur eine regelrechte Arbeitslosenversicherung Abhilfe schaffen, die dem Versicherten Rechtsansprüche gebe, wenn der Versicherungsfall eintrete. Das Reich müsse dieser Sache nun endlich eimmal nähertreten. Für die Ausgesteuerten müsse durch Verlängerung des Bezuges der Er⸗ werbglosenunterstützung gesorgt werden. Das Arbeitsbeschaffungs⸗ programm habe bisher die gehegten Hoffnungen nicht erfüllt. Vor allem sollte der Wohnungsbau, eventmnell mit Hilfe einer Anleihe, verstärkt werden. Die Auffassung des Wohlfahrtsministers, daß die Mieten um 30 vH erhöht werden müßten, sei scharf zurück⸗ zuweisen. Notwendig sei noch eine großzügige Siedlung, besonders im Osten Deutschlands. Beim Arbeitsbeschaffungsprogramm sei Oberschlesien befonders schlecht weggekommen. Dies müsse durch eine Reihe besonderer Maßnahmen ausgeglichen werden. Der Redner begründet einen Antrag auf Einsetzung eines aus 29 Mit⸗ Zliedern bestehenden Landtagsausschusses für die mit den Kanali⸗ serungsprojekten zusammenhängenden Fragen. (Beifall bei den Demokraten.)

Abg. Schwenk⸗Oberhausen (Wirtschaft. Vereinig.) be⸗ eichnet die Stillegung der Zeche „Margarethe“ als bitter für die eeischaftskreise Herr von Waldthausen hat schon im Ausschuß darauf hingewiesen, daß auf weitere Stillegungen zu rechnen sei. Man sollte also bei den Einwohnern von Sölde nicht falsche Hoff⸗ nungen erwecken. Die Frage ist ja auch, ob die gesetzlichen Be⸗ stimmungen einen Zwang auf den Konzern Stumm zulassen. Die Frage der Stillegung der „Margarethe“ berührt besonders ernst den gesamten Mittelstand, der auf Gedeih und Verderb mit dem Arbeiter verbunden ist: hat der Arbeiter kein Geld, so kann der Mittelstand nicht verdienen. Daß eine Zeche bei einem großen Konzern bleibt, liegt im Interesse auch der Haus⸗ und Grund⸗ besitzer, da wirtschaftliche Schwierigkeiten durch einen großen Kon⸗ zern leichter überstanden werden können als zum Beispiel von einer vnzigen So ließt zum Beispiel die „Gute Hoffnungshütte“ ihre älteste Zeche nicht, trotzdem sie nicht rentabel ist, weil sie Rücksicht nimmt auf die Bevölkerung. Besitz verpflichtet! Die Unternehmer haben die moralische Pflicht, so weit es irgend geht, ihre Arbeitnehmer in Brot und Lohn zu halten. (Zuruf links: Tun sie aber nicht!) Das ist doch bei her vielen der Fall! Andererseits hat der Minister recht, wenn er den Standpunkt vertritt, daß rationell gewirtschaftet werden muß, um auf dem Weltmarkt konkurrieren zu können. Wir Mittelständler wissen sehr wohl, daß große Zusammenfassungen von Werken viele mittelständlerische Interessenten zugrunde richten: Wirtschafts⸗ gesetze sind hart! Sicher haben aber die Syndikate auch ihr gutes gehabt. Ohne sie wäre die Zeche „Margarethe“ schon längst im wilden Konkurrenzkampf zugrunde gegangen, ebenso viele andere. Aufgabe der Staatsregierung muß es sein, durch bessere Verkehrs⸗ mittel die Leute leichter und schnellen zur Arbeitsstätte zu bringen, so daß sie auch in entfernteren Arbeit nehmen können. Wenn gleichartige Arbeit angeboten wird, muß der Arbeiter sie auch an⸗ nehmen. Das Wort des Pnee chen Ministers, es seien 20 Mil⸗ lionen Arbeiter zuviel da, machen wir uns nicht zu eigen. Wir müssen Arbeit schaffen für die, die beine haben. Die Beschäftigung muß aber eine produktive sein. Nicht selten ist zum Beispiel da gebaut worden, wo nicht gebaut werden durfte. Der Redner empfiehlt eine für unsere Jugend unter Auf⸗ sicht und Leitung des Staates. e jungen Leute müßten auf dem Lande kaserniert werden, gute Kost erhalten und Gelegenheit haben, sich weiter auszubilden. Sie müßten selbst ihre Häuser und ihre Wege bauen und große Flächen kultivieren, um uns vom Auslande unabhängig zu machen. 7 Absolvierung der vor⸗ geschriebenen Dienstzeit müßte es ihnen freistehen, noch länger zu bleiben, um schließlich ein Anrecht zu erhalten, eine Siedlung zu eigen zu bekommen. Die Siedlungen müßten an Ortschaften an⸗ geschlossen werden. Auf diese Weise würde es für Hunderttausende möglich werden, daß sie ihre Arbeit in den Industriegebieten mit der Arbeit auf dem Lande vertauschen können. So könnten die Industriestädte entvölkert werden. Es würde auch die Freizügigkeit wieder möglich sein, die durch die unselige Wohnungszwangs⸗ wirtschaft verloren gegangen ist. Meine Partei wird alles tun, um ein Programm zur Durchführung zu bringen, unsere Jugend für eine Arbeit zu gewinnen, die letzten Endes nicht nur ihr, sondern auch der Allgemeinheit zugute kommt.

Abg. Stock (Völk.) fordert die Arbeitsdienstpflicht und er⸗ klärt sich gegen eine künstliche Arbeitsbeschaffung, die nicht pro⸗ duktiv ist. Trotz Locarno und Genf würden sich die Verhältnisse immer schlimmer gestalten. Vor allem sei es notwendig, den Innenmarkt zu beleben. Dank der Politik der Sozialdemokraten werde es der Börse gut gehen, der deutsche Arbelter aber immer mehr versklavt werden.

Abg. Gertrud Hanna (Soz.) verlangt, daß die Erwerbs⸗ losen mit dem Arbeitsnachweis in engster Fühlung bleiben, und daß daher auch die Ausgesteuerten nicht aus der Erwerbslosen⸗ fürsorge heraus⸗ und in die Wohlfahrtspflege hineingeführt werden. Die Erwerbslosen hätten ein moralisches Recht auf Unterstützung. Die Sozialdemokraten träten für Verabschiedung der Erwerbs⸗ losenversicherung ein, um dadurch bisher bestehende Mißstände, wie die sogenannte Bedürftigkeitsprüfung, zu beseitige en, und eine einheitliche Regelung an Stelle der bisher vorhandenen über 80 verschiedenen Erwerbslosenunterstützungsarten herbeizuführen.

Abg. Frhr. von Waldthausen (D. Nat.) beschäftigt sich mit der Frage der Stillegung der Zeche „Vereinigte Margarethe“. Wenn in einem solchen bedauerlichen Falle alle Beteiligten prüften, ob es nicht ein Mittel gäbe, durch das sich die Stillegung vermeiden lasse, wie dies geschehen sei, dann müßte das Ergebnis als objektiv anzusehen sein, und es wäre wirtschaftlich bedenklich, wenn nun das

arlament durch Besprechung der Sache den Ausgang des Ver⸗ fahrens verzögere. Für solche Sachen sei doch der Demobil⸗ machungskommissar da, der ja sein Urteil auf Stillegung bereits gesprochen habe; ebenso der Regierungspräsident von Arnsberg. Zwar sei der Beauftragte des Handelsministeriums zu dem Er⸗ gebnis gekommen, daß die Zeche noch rentabel wäre. Er habe aber nur die Vergangenheit berüchsichtigt und sei in einem zweiten Gutachten zu der richtigen Auffassung gekommen, daß die Zeche nicht rentabel wäre. Die Rationalisierung der deutschen Wirtschaft sei bei der heutigen Wirtschaftslage als notwendig von fast allen

zarteien anerkannt. Dann dürfe man aber nicht Unternehmungen nur aus rein menschlichen Gefühlen bestehen lassen. Die Quint⸗ ssenz der Rationalisierung sei, nur erstklassige Werke mit größter Billigkeit zu bester Qualitätzarbeit zu führen. Eine Entwicklung in e Sinne, die die schlechten Unternehmen abstoße, müßte vom Parlament unterstützt werden. Das wäre auch für die Er⸗ werbslosen besser, die an schlechten Werken, wo sie keine Aussicht auf dauernde Beschäftigung hätten, gar nicht interefsiert seien. Der ozialdemokratische Antrag auf Sozialisierung der Zeche „Mar⸗ garethe“ sei abzulehnen, weil der Staat kein Geld für Gaperi⸗ mente habe. 2 „Abg. Haysch (Zentr.) betont, daß die wichtige Frage der Stillegung nicht schlagwortartig, fondern mit gründlicher Sachlich⸗

““ Parlamentarische Nachrichten.

keit geprüft werden müsse. Das müsse auch für die Zeche „Mar⸗ arethe“ gelten. Der Sachverständige des Haadelsministeriums sebe festgestellt, daß der Zustand der Zeche ein guter sei. Eine elebung der Zeche wäre zu erwarten und eine foreierte Stillegung unnötig. Das Zentvum sei keineswegs gegen die Rationalisierung; es verlange nur, daß der Mensch nicht nur Objekt, sondern anch Subjekt sei. Gerade menschliche Fragen müßten eine große Rolle pielen, weil der L-ben Staatsgedanke auf einem gesunden amiliengedanken beruhe. Das Zentrum wünsche, daß bei der heche „Margarethe“ nochmals die Rentabilität geprüft werde, würde aber nicht einer Verschleuderung von Staatsgeldern zur Er⸗ haltung eines unrentabelen Betriebes zustimmen, und auch dem Stumm⸗Konzern hierfür keine Mittel bewilligen.

Abg. Abel (Komm.) begründet einen Antrag auf Ver⸗ staatlichung der Zeche „Margarethe“.

Die Debatte wird dann unterbrochen. Abg. Kollwitz (Komm.) beantragt, am Sonnabend zuerst einen Antrag zu besprechen, der das Staatsministerium ersucht, dem Os 2 ausschuß sofort Auskunft über die Verwendung der für die östlichen Grenzgebiete bestimmten 32 Millionen zu geben.

Zur Begründung des Antrags führt Abg. Kollwitz aus, man müsse daraus, daß die Staatsregierung verlangt habe, diese Aufklärung solle so streng vertraulich behandelt werden, daß nicht einmal die Fraktionen hiervon verständigt werden könnten, schließen, daß die Mittel nicht für wirtschaftliche, sondern für militärische wecke im Osten ausgegeben worden seien. Der Abgeordnete Riedel habe als Vorsitzender des Ostausschusses sich als Stiefellecker der Regierung erwiesen. (Präsident Bartels erteilt dem Redner einen Ordnungsruf.)

Der kommunistische Antrag wird abgelehnt; ebenso ein anderer kommunistischer Antrag, am Sonnabend den Antrag auf Einstellung der Ausbesserungsarbeiten an der Siegesallee in Berlin zu besprechen.

Nach 6 Uhr vertagt das Haus die Weiterberatung auf Sonnabend 11 Uhr; außerdem Fustizvorgänge in Magde⸗ burg. Für Montag ist die Beratung der Hohenzollern⸗

abfindung vorgesehen.

8 Jin Auswärtigen Ausschuß des Reichtags wurden Festecs unter dem Vorsitz des Abgeordneten Hergt (D. Nat.) die Fälle Germersheim im Zusammenhhang mit den übrigen EE1113 der e. Zeit in den besetzten ebieten behandelt. Reichsminister für die besetzten Gebiete Dr. Bell gab dem Nachrichtenbüro des Vereins Deutscher Zeitungs⸗ verleger zufolge eine ausführliche Darstellung der Vorgeschichte und des Tatbestandes der Fälle Germersheim. Nach längerer Aus⸗ sprache, an der sich die Vertreter der anwesenden 18 tionen be⸗ teiligten stellte der Vorsitzende fest, daß mit Ausnahme der kom⸗ mumistischen Mitglieden der Ausschuß in Uebereinstimmung mit dem Reichsminister für die besetzten Gebiete Dr. Bell der Auffassung sei, daß die vorliegenden tief bedauerlichen Einzelfälle von deutscher Seite mit aller chleunigung und unter nachdrücklichster Wahrung deut⸗ r eeressen geklärt und weiter verfolgt werden müssen und daß iese sich immer mehr häufenden Fälle in ihrer Gesamtheit nur als drastischer Beweis für die Unmöglichkeit h

weiteren Fort⸗ dauer der Besatzung zu werten sind. 8

n der gestrigen Shcates des Feme⸗Untersuchungs⸗ ausschusses des Reichtags wurde als ““ rat von Merz von der Münchener Polizeidirektion vernommen Er bestätigte laut Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins Deut⸗ üe Zeitungsverleger seine ihm vorgehaltenen früheren Aussagen vor m Untersuchungsrichter. Merz ist als Leiter der für Mordsachen bestehenden Abteilung I mit dem Fall 89-h; betraut worden. Er erklärte, nach der Vernehmung des Brandl habe kaum mehr ein Zweifel an der Täterschaft der Berchtold, Beurer und Genossen be⸗ standen. Auf seinen Rat hin habe Staatsanwalt Krieck die Haft⸗ befehle erlassen. Einen ungünstigen Eindruck habe Ober⸗ leutnant Braun gemacht. Ueber die 98 hebung P1““ te der Zeuge: Staatsamwalt Krieck kam zu mir und sagte in mgber

st, er habe eine Besprechung im Ministerium gehabt. Er über⸗ gab mir dann die Enthaftungsverfügung. Ich habe Krieck und Krauß egenüber nicht zurückgehalten mit meinen iken gegen die Ent⸗ zaftung in diesem Augenblick, wo das Verfahren fast bis zur vollen Aufdeckung der Täter gediehen war. Ich habe dem Polizeidirektor Ramer ein Schriftstück überreicht, in dem ich meine Bedenken kurz schriftlich dargelegt hatte. Daraufhin 81 mir Erster Staats⸗ anwalt Krauß in rt des Direktors Ramer klar, daß ich nur Hilfsorgan der Staatsanwaltschaft sei und deren Anordnungen aus⸗ zuführen habe. Der Zeuge betonte weiter, der Fall Ferbeng ei trotz seiner politischen Bedeutung der unpolitischen Abteilung I übergeben worden, um eine ganz objektive politisch unbeeinflußte Bearbeitung des Verfahrens zu sichern. Auf Fragen des Vorsitzenden erklärte der Zeuge v. Merz, Staatsanwalt Krieck sei anfangs ganz einig mit ihm in der Ueberzeugung von der Notwendigkeit der Verhaftung gewesen. Als er am 14. März nachmittags von Augsburg wieder zurückkehrte war er in großer Hast und schrieb die Enthaftungverfügungen. Auf die Frage nach dem Grund seines plötzlichen Meinungsumschwungs gab Krieck keine klare Antwort. Während vorher Krieck mit mir in voller Harmonie arbeitete, zeigte er jetzt ein achselzuckerisches Ver⸗ halten. Ich fühlte mich durch diese Entwicklung der Dinge sehr bedrückt, weil alle Beamten aus dem Saustall der Verdächtigungen herauswollten. Er sei auch heute noch der Ueberzeugung, daß die Ver⸗ haftung der Beschuldigten durchaus notwendig war. Der ö Justizminister Dr. Gürtner wurde dann als Zeuge über die Unter⸗ redung vernommen, die er als Landgerichtsrat im IJustiz⸗ ministerium am 14. März 1921 mit den Staatsanwälten Krauß und Krieck geführt hatte. Er sagte aus: Ich wurde vom Vorzimmer des Ministers angerufen. Man sagte mir, die Staatsanwälte wollten Bericht über den Fall Hartung erstatten, und ich sollte an Stelle des Ministers den Bericht entegegennehmen. Staatsanwalt Krieck berichtete objektiv über den Fall. Dann nahm Staatsanwalt Krauß das Wort und sagte, er wolle die Haftbefehle nicht aufheben, aber sie auch nicht vollziehen, wenn nicht neue Verdachtsmomente hinzukämen. Es handelte sich nicht etwa um eine Beratung über die Frage der Haftbefehle, zu der man meinen Segen haben wollte. Ich hatte vielmehr den Ein⸗ druck, daß Staatsanwalt Krauß schon zu mir ins Zimmer mit der festen Entschließung kam, die er dann mir vortrug. Ich habe mich darauf beschränkt, den Bericht entgegenzunehmen und dann dem Justizminister selbst darüber zu berichten. Nach dem Weg⸗ gang Kriecks habe ich mit Krauß dann noch über eine andere Sache gesprochen, die mit dem Fall Hartung nichts zu tun hatte. Als ich später Justizmnister wurde, drängte ich zunächst auf Er⸗ ledigung der Fälle, ließ mich aber vom Staatsanwalt Tröltsch überzeugen, daß es bedenklich wäre, ohne ganz entscheidendes Be⸗ weismaterial die Sachen vor das Volksgericht zu bringen. 1924 wurde uns bekannt, daß Braun und Tillessen sich in Ungarn befanden. Wir stellten an Ungarn das Auslieferungsbegehren, aber die ungarische Regierung lehnte ohne Begründung nicht nur die Auslieferung der Personen ab, sondern auch die Mitteilung des Protokolls über die Vernehmung des Braun. Zurzeit schwebt wieder eine Auslieferungssache mit einem anderen Lande, über die ich hier nicht sprechen will, weil eine Entscheidung noch nicht ergangen ist. Diese Sache betrifft einen der genanten beiden Beschuldigten. Auf Befragen des Vorsitzenden erklärte der Minister, Dr. Gademann habe ihn einmal aufgesucht und die Befürchtung geäußert, daß bei den polizeilichen Fahndungen in der Hartung⸗ hache auch Dinge an die Oeffentlichkeit kommen könnten, die dem . abträglich seien. Bei der Berichterstattung der

Staatsanwälte habe sic aber gezeigt, daß bei der Aufklärung der Mordsache die mit Waffentransporten iarremrenhongenden Dinge

gar nicht berührt zu werden brauchten. Der Minister sagte weiter, nach seiner Ueberzeugung lei der Besuch der Augsburger Staats⸗ anwälte mit Wissen und Willen des Ministers Roth ersolgt. Roth habe sich für die Frage interefsiert, ob bei dem Verfahren An⸗ der Entwaffnung erörtert werden müßten. Abg⸗ Dr. Levi (Soz.): Es handelt sich bei allen diesen Prozessen, Sandmeier, Dobner, Hartung, Gareis, um einen fast identischen Personenkreis und um die gleiche Form der Ausführung. Warum ist nicht der Gesamtkomplex einheitlich bearbeitet worden in einem Referat, möglichst auch in einem Verfahren? Minister Dr. Gürtner⸗ Anfangs stand die Ientität des Personenkreises in den 8 58 Sandmeier und Hartung noch nicht fest. Später konnten ide nicht gemeinsam behandelt werden, weil der Sandmeier schon eingestellt war. Drei der genannten Fälle stehen sicherlich in engem Zusammenhang. Abg. Dr. Schaeffer (D. Nat.): Aus den Akten läßt sich feststellen, daß seit 1924 in der Behandlung der verschiedenen Fälle eine enge Zusammenarbeit stattgefunden hat. Abg. Dr. Levi: Aus den Akten ergibt sich nur, daß eine bestimmte Anzahl Vernehmungsprotokolle ausgetauscht worden sind. Das ist noch nicht der Beweis einer engen Zu⸗ sammenarbeit. Der Minister Gürtner teilte weiter mit, daß in einem jetzt noch schwebenden Verfahren Dr. Gademann über seinen Besuch im Justizministerium Aussagen gemacht hat. Abg. Dr. Schaeffer (D. Nat.): Dem Ausschuß gegenüber hat Gade⸗ mann schriftlich die Aussage verweigert. Ich beantrage die Zeugen⸗ ladung des Untersuchungsrichters, vor dem Gademann seine Aus⸗ sagen gemacht hat. Abg. Landsberg (Soz.) fragte, ob Justiz⸗ minister Roth bei der Entgegennahme des Berichts über den Vor⸗ trag der Augsburger Staatsanwälte sich zustimmend oder ab⸗ lehnend zur Suspendierung der Haftbefehle geäußert hat. Minister Gürtner: Er hat wedev das eine noch das andere getan. Der Gedanke, in eine Strafsache einzugreifen, lag dem aus dem Ver⸗ waltungsdienst hervorgegangenen Justizminister Roth meilenfern. Ich glaube nicht, daß er während seiner Amtstätigkeit in irgend⸗ einer Haftsache, Prozeßsache oder gar in einer Mordsache jemals irgendwelche Direktiven gegeben hat. Was damals den Referenten immer wieder eingeschärft wurde, hieß: Prozesse werden nicht im Justizministerium geführt, vom grünen Tisch aus kann man gar keine Direktiven geben. Minister Roth hat den Bericht lediglich zur Kenntnis genommen. In unserem weiteren Gespräch konzen⸗ trierte sich alles auf die Frage, ob bei der Sache vielleicht An⸗ der Waffentransporte berührt werden können. Abg. andsberg (Soz.): War vielleicht davon die Rede, das Ver⸗ fahren versanden zu lassen, damit solche Dinge nicht an die Oeffent⸗ lichkeit kämen? Minister Gürtner: Nein, Minister Roth war damals übrigens auf die Einwohnerwehr nicht gut zu sprechen. Er stimmte mir vollständig darin bei, daß 82 gesagt hatte, zunächst ist gar nicht festgestellt, daß da Vorbringen der Beschuldigten über die Waffensache richtig ist. Wenn es aber richtig ist, dann kann in der Voruntersuchung darauf keine Rücksicht genommen werden. Es bliebe dann nur der eine Weg, in der Hauptverhandlung die Oeffentlichkeit aus⸗ uschließen. Hierauf wurde Ministerialrat a. D. Roth, der früchere Justizminister, selbst als Zeuge rernommen. Er gab an, daß er jetzt nach Prüfung seiner Erinnerungen die Angabe des Oberstleutnants Kriepel für richtig halte, daß Kriepel zusammen mit Dr. Gademann ihm am 14. März im Landtag aufgesucht und mit ihm darüber gesprochen habe, daß im Falle Hartung mög⸗ licherweise Waffensachen an die Oeffentlichkeit kommen könnten. An diesem 14. März sei er, der Minister, besonders stark von einer anderen Sache erfüllt gewesen, über die an . Tage im Landta die Entscheidung kommen sollte, nämlich über den Amtsberei des neuen Landgerichts Coburg. In dieser Frage habe ein Konflikt zwischen ihm und dem Landtagsausschuß bestanden. Ich habe, so führte der Zeuge fort, als Minister den Grundsatz gehabt, alle Verhandlungen über Prozeßsachen entweder in Gegenwart des Referenten zu führen oder nur durch den Referenten führen zu lassen. Darum habe ich auch den L Kriepel und Gademann gesagt, sie möchten mit meinem Referenten sprechen. Es ist mög⸗ lich, aber ich weiß es nicht. Daß Gademann daraufhin mit meinem Sekretär Stauffer gesprochen und dessen Zustimmung dazu er⸗ halten hat, daß er die beiden Augsburger Staatsanwälte gleich im Auto abholen könnte. Wenn ich nachher, als die Herren kamen, sie an den Referenten Dr. Gürtner verwies, so geschah das in Verfolgung des schon von mir erwähnten Grundsatzes. Ich wollte mich damit keineswegs vor der Verantwortung drücken. Außer⸗ dem hatte ich aber auch an diesem Tage im Landtag mit der Coburger Angelegenheit zu tun. Mit Staatsanwalt Tröltsch habe 82 beche seiner nach Augsburg gesprochen. Ich e au das Verfahren ausgeübt. Dr. Levi (Soz.): Ist Ihnen nicht gesagt worden, wieso der Mord mit der Waffensache der Ein⸗ wohnerwehr überhaupt in Zusammenhang stehe. Zeuge Roth Sie fragen nach Details. Die kann ich heute nicht mehr be⸗ antworten. Dr. Levi: Minister Gürtner hat scheinbar ein besseres Gedächtnis für die Einzelheiten gehabt. Zeuge Roth: Ich 5 mich dagegen, daß Sie mir Gedächtnisschwäche vor⸗ werfen. Minister Gürtner hatte Gelegenheit, die Akten ein u⸗ sehen, während ich dazu nie in der Lage war. Dr. Levi: Habzen Sie sich nicht darüber gewundert, daß der bea Gürtner schon an viesem age in der Lage war, über die Berichterstattung der Staatsanwaltschaft zu berichten. euge Roth: Das war gar nichts Auffälliges. Dr. Levi: Ist es im bayerischen Mini⸗ sterium üblich gewesen, daß ein Bericht von Staatsanwälten einer auswärtigen Staatsanwaltschaft auf die Weise eingefordert wurde, daß sofort binnen einer Stunde die Staatsanwälte aufmarschierten? Feitge Roth: Das ist eine Frage, die nicht hierher gehör Natürlich hat 8 der Referent für verpflichtet gehalten, mi noch am selben Tage Bericht zu erstatten. Dr. Levi: ach rede nicht davon, daß Gürtner am selben Tage Bericht erstatted hat, sondern, ob Sie sich nicht darüber gewundert haben, daß am selben Tage noch Ihnen der Referent berichten konnt Zeuge Roth: Wenn Gademann sagte, er bringe die Staats⸗ anwälte selbst, so wird man das als ein Entgegenkommen hin⸗ genommen haben. Dr. Levi: Das muß ich Iöhgen schon sagen,

ich noch niemals zwei Staatsanwälte in Bewegung setzen konnte. Zeuge Dr. Roth (erregt und laut): Sie sind auch noch

nie Minister gewesen! Dr. Levi: Ich habe keine weiteren Fragen mehr an den Zeugen, da ich denselben zu ee. + Aussagen 8 nicht veranlassen kann. Zeuge Roth (in großer Fefregüng. inen solchen Vorwurf kann ich mir nicht gefallen lassen. eenn ich hier als früherer Chef der bayerischen Justiz⸗ verwaltung unter Eidesaussagen stehe, kann ich wohl verlangen, daß man mir glaubt. (Zuruf: Das können Sie von dem nicht verlangen. Jüdische Frechheit! Der Vorsitzende ersucht, die Verhandlung sachlich weiterzuführen. Auch der Zwischenruf

bei dieser Unterredung nicht den mindesten Einfluß auf

Jüdische Frechheit“ wird vom Vorsitzenden gerügt und als

burchaus ungehörig zurückgewiesen.) Abg. Mittelmann [(D. Vp.) stellt auf weitere Fragen an den Zeugen schließlich sest daß nunmehr klargesteltt sei, daß Gademann nicht als rbeliebiger Zeitgenosse in der Lage gewesen sein konnte, zwe

Staatsanwälte von Augsburg nach München kommen zu lassen, sondern daß das nur auf eine Anordnung Stauffers möglich war. Damit ist die Vernehmung des Zeugen Dr. Roth ab⸗ eschlossen, der vereidigt wird. Als nächster Zenge wird der Ministerpräsident a. D. Dr. von Kahr vernommen. Vor⸗ itzender: Im Laufe der Verhandlungen ist auch eine Zu⸗ t berüht worden, die am 14. März 1921 unmittelbar nach dem Zusamer Mord mit Oberforstrat Escherich, Staatsrat Dr. Schweyer, Oberstleutnant a. D. Kriebel und noch einer Reihe anderer Persönlichkeiten mit Ihnen stattgefunden haben oll. Wissen Sie etwas von dieser Zusammenkunft und worüber sen die Besprechung drehte? Dr. von Kahr: Ich kann mich an eine solche Zusammenkunft im Landtag mit den eben genannten Herren in gar keiner Weise erinnern. Ich weiß von dem Zusamer Mord nicht mehr als das, was damals in den Zeitungen gestanden hat. Ich kann nur erklären, daß ich nach 88 Erforschung meines Gedächtnisses nicht den geringsten

Anhaltspunkt dafür habe, daß die bayerische Instiz, sei es einer