“
entwurf berührt worden wäre, weil ihre Befitungen auch von uns als Privateigentum stets anerkannt worden sfind. Bei der Karl⸗Linie hätten die Dinge anders gelegen. Die Meinung darüber, ob auf Grund des Kompromißentwurss Flatow⸗Krojanke an den Staat gefallen wäre, ist allerdings geteilt. Ich habe damals bei den Verhandlungen im Reichstage die Meinung ver⸗ treten, daß Flatow⸗Krojanke auf Grund des Kompromißentwurfs dem Staate hätte zufallen müssen. Aber ich darf nicht ver⸗ schweigen, daß andere Meinungen vertreten worden sind, und daß die Frage, ob auf Grund des Kompromißentwurfs der Staat Flatow⸗Krojanke hätte beanspruchen können, durchaus zweifelhaft ist, und daß unter allen Umständen das Reichssondergericht den Staat, wenn er Flatow⸗Krojanke bekommen hätte, doch dazu verurteilt haben würde, eine billige Entschädigung an die Karl⸗ Linie zu zahlen. Ich glaube, daß es auch bei dieser Sachlage dem Grundgedanken des Kompromißentwurfs entspricht, daß beide Linien durch den Vergleich verpflichtet werden, 47 000 Morgen unentgeltlich an den Staat abzutreten.
Fragt man, welche Verbesserungen der jetzt abgeschlossene Vergleich gegenüber dem Vergleich des Vorjahres enthält, so darf auf folgendes hingewiesen werden. Der Staat erhält mehr (lär⸗ mende und anhaltende Zurufe bei den Kommunisten) an wert⸗ vollen Schlössern und Gärten: Bellevue, Babelsherg, Königs⸗ wusterhausen. (Anhaltende Zurufe bei den Kommunisten — Glocke des Präsidenten.]
8 Dr. H öpker⸗ Aschoff, Finanzminister (fortfahrend): . . an Nutzgrundstücken Alexandrowka, Nikolskoe und eine Reihe wert⸗ voller Häuser in Berlin und Potsdam, an Gütern von der Haupt⸗ linie 88 000, von den Nebenlinien 47 000 Morgen; die Bar⸗ entschädigung ermäßigt sich von 30 auf 15 Millionen (Zuruf von den Kommunisten). Ich glaube, daß diese Bedingungen des Ver⸗ gleichs ganz außerordentlich erhebliche Verbesserungen gegenüber dem vorjährigen Vergleich darstellen. (Andauernde Zurufe und Lärmen bei den Kommunisten — Glocke des Präsidenten.) Dr. Höpker⸗Aschoff, Finanzminister sfortfahrend): Ich gehe dann auf einige Einwendungen ein, die erhoben werden könnte und zum Teil schon erhoben sind. Man öbönnte sagen: das, was der Staat jetzt erwirbt (andauernde Zurufe bei den Kommnunisten), z. B. Bellevue und Babelsberg, ist kein nutzbringender Besitz, sondern ein Besitz, der dem Staat Lasten bringt. Gewiß ist das eine richtig, der gewaltige Besitz, den nunmehr der Staat an Schlössern und Gärten als sein unbestreitbares Eigentum bezeichnen kann, wird dem Staat Lasten bringen. Aber auf der anderen Seite ist dieser Besitz ein Besitz, der an künstlerischer und historischer Bedeutung seinesgleichen nicht hat. (Stürmische Zurufe bei den Kommunisten.) Wenn nunmehr der Staat, um diesen gewaltigen wertvollen, künstlerischen Besitz dem deutschen Volke zugänglich zu machen und auszuwerten, gewisse Unterhaltungskosten über⸗ nimmt, so erfüllt er damit eine große Kulturanfgabe. (Erneute lärmende Zurufe bei den Kommnnisten.)
Es wird weiter Anstoß genommen, daß die Unterhaltung der Hosbeamten und eines Teils der Hofkammerbeamten dem Staate zufällt. (Dauernder Lärm bei den Kommunisten.)
Die Hofbeamten sind bereits durch die Hofbeamtenverordnung vom Jahre 1920 den übrigen Staatsbeamten gleichgestellt und werden diejelben Bezüge, die die Staatsbeamten beziehen, weiter⸗ beziehen. Das ist auch nicht unbillig, weil diese Hofbeamten früher aus der Kronfideikommißrente und den Krondotations⸗ renten, die entschädigungslos in Wegfall kommen, unterhalten worden sind. Bei den Hofkammerbeamten ist die Regelung so getroffen, daß diejenigen Hofkammerbeamten, welche ihre Tätig⸗ keit auf den dem Staate zufallenden Besitzungen ausüben, vom Staate, und diejenigen, die ihre Tätigkeit auf den dem vormaligen Königshaus zufallenden Besitzungen ausüben, von diesem über⸗ nommen werden. (Lebhafte Zurufe bei den Kommunisten.)
Nun noch ein dritter Punkt. Man nimmt in der Oeffent⸗ lichkeit Anstoß daran, daß dem letzten Könige und seiner Gemahlin ein Wohnungsrecht im Schloß Homburg (sürmische Zurufe bei den Kommunisten) eingeräumt ist. Ich möchte ausdrücklich be⸗ merken, daß Schloß Homburg v. d. Höhe Staatseigentum ge⸗ blieben ist, und daß es sich nur um ein Wohnungsrecht für den vormaligen König und seine Gemahlin auf Lebenszeit handelt. Schloß Homburg v. d. Höhe ist jetzt zum Teil an die Reichs⸗ sinanzverwaltung vermietet, zum Teil (erneute lärmende Zurufe bei den Kommunisten) als Museum eingerichtet. Die General⸗ verwaltung des vormaligen Königshauses hat mir noch heute erklären lassen, daß der vormalige König von seinem Wohnungs⸗
recht keinen Gebrauch machen würde. Das Wohnungsrecht würde also nur für seine Gemahlin praktisch werden können. Die Frage, ob der vormalige König einmal nach Deutschland zurückkehren wird, ist eine Frage, die außerhalb dieses Vergleichs steht und beim Reich entschieden werden wird. Ich glaube nicht, daß es sobald möglich sein wird, daß er nach Deutschland zurückkehren wird. Ich kann im Namen der Preußischen Staatsregierung erkläten, daß sie die Rückkehr des vormaligen Königs weder für moöglich noch für erwünscht hält. 8 Das Entscheidende aber bei dem Abschluß dieses Vergleichs ist folgendes. Es mußte ein Streit endlich zu Ende gebracht werden, der unser Volk in zwei Lager geteilt hat, der die Gegenfätze der Parteien verschärft hat und (lebhafte Zuruse bei den Kommunisten) oft eine Krise herbeizuführen gedroht hat. Das konnte selbst⸗ verständlich nur in einer Weise geschehen, bei der den Belangen des Staates vollauf Rechnung getragen war. Nach meinem Dafürhalten liegt die politische Bedentung darin, daß nunmehr die letzten Beziehungen zwischen der preußischen Republik und dem Königshause gelöst werden und daß damit die Mitglieder des vormaligen Königshauses in die Reihen der Staatsbürger mit allen Rechten und Pflichten eingereiht werden, und daß dieser Akt freiwillig vollzogen wird. (Beifall rechts und im Zentrum. — Stürmische Pfuirufe und großer Lärm bei den Kommuniste Sllocke des Präfidenten.) 8
207. Sitzung vom 12. Oktober 1926, mittags 12 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger.*) 1 Auf der Tagesordnung steht zunächst die zweite Be⸗ ratung der Hohenzollernvorlage. Der Hauptaus⸗ schuß empfiehlt die unveränderte Annahme. Mit Ausnahme der durch Sperrdruck hervorgehobenen Reden der Herren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben sind.
Abg. Bartels⸗ Crefeld (Komm.) wendei sich vor Eintritt in die Tagesordnung dagesen, daß Präsident Bartels der kom⸗ munistischen Fraktion die Abgabe einer Erklärung außerhalb der Tagesordnung verweigert habe. (Lärm bei den Kommunisten.) Die verweigerte Erklärung sollte unwahre Darlegungen des Finanzministers und des Abg. Heilmann (Soz.) richtigstellen, als ob die Landesverweisung des vormaligen Kaisers durch die Vor⸗ lage aufrechterhalten werde. Tatfächlich werde im § 7 die Landes⸗ verweisung geradezu aufgehoben. (Glocke des Präsidenten.) Ich stelle qusbrüglich fest, daß der Präsident sogar die Beschwerde 88 seine Maßnahmen verweigern will. Ich sehe darin eine ortgesetzte Vergewaltigung unserer Fraktion. Bas mnah bei den Kommunisten.) Wir lassen uns eine derartige Vergewaltigung nicht mehr gefallen und werden zu den schärfsten Mitteln der arlamentarischen Opposition noch heute übergehen. (Zustimmung ei den Kommunisten. — Gelächter rechts.)
Präsident Bartels erklärt, es könne zugelassen werden, daß eine Erklärung außerhalb der Tagesordnung abgegeben werde. Der Abg. Bartels wollte aber eine Erklärung innerhalb der Tagesordnung abgeben.
Abg. Winterich (Komm.) begründet einen kommunistischen Antrag auf sofortige Behandlung der Erwerbslosenfrage. Als er dabei von einer „Verbrecherbande der Hohenzollern“ spricht, ertönen auf der Rechten laute und anhaltende Pfuirufe; die Kommunisten antworten lärmend mit Gegenkundgebungen. — Ein Kommunist
feift auf einer Trillerpfeife. Die Abgeordneten aller Parteien
ben sich erregt um die Rednertribüne geschart. — Am Regie⸗ rungstische hat Finanzminister Dr. Höpker⸗Aschoff Platz genommen.
Der Antrag Winterich scheitert am Widerspruch von Abgeordneten der Zentrums und der Rechten. (Lärm bei den Kommunisten und Drohungen gegen die Rechte. — Glocke des Präsidenten.)
Abg. Pieck (Komm.) beantragt die Aussetzung der Weiter⸗ beratung der Hohenzollernvorlage um vier Wochen, Famit erst der Reichstag eine Regelung herbeiführe. Der Landtag sei in seiner Mehrheik nur noch der Hund, der apportiert, was die Hohenzollern haben wollten. (Präsident Bartels weist diese Ansdeuckeweise zurück und ruft den Abg. Gohlke (Komm.) zur Ordnung, weil er Abgeordnete der Rechten bedroht habe.)
Der Antrag Pieck wird mit der Beratung der Vor⸗ lage verbunden.
Abg. Pieck (Komm.) stellt folgenden Dringlichkeitsantrag: „Der Landtag erklärt sich vom heutigen Tage ab als aufgelöst.“ (Gelächter rechts.) Man müsse nach dem Ergebnis des Volks⸗ entscheides dem Landtag das Recht absprechen, im Namen der Mehrheit der preußischen Wählerschaft zu sprechen. Mehr als zwei Drittel der jetzigen Mitglieder des Landtags würden nicht mehr auf ihre gepolsterten Sitze zurückkehren. (Gelächter rechts und Zurufe: Größenwahn!)
Der Antrag Pieck scheitert am Widerspruch der Rechten.
Abg. Kilian (Komm.) protestiert dagegen, daß er gestern vom Präsidenten zweimal zur Ordnung gerufen worden sei, ob⸗ wohl er gar nicht im Saale war. Das sei charakteristisch für die Lakaienrolle, die der Präsident hier spiele. See artels 88 diese Bemerkung als grobe Ungehörigkeit und weist sie zurück. — Abg. Müller⸗Frankfurt (Komm.), der den Prä⸗ sidenten durch Zurufe beleidigt, wird unter großem Lärm der Kommunisten von der heutigen Sitzung ausgeschlossen und verläßt den Saal.) Der Redner empfiehlt dem Präsidenten, sich eine bessere Brille anzuschaffen. (Gelächter.)
Präsident Bartels erklärt, daß ein Versehen in der Er⸗ teilung von Ordnungsrufen nur durch den großen Lärm der kom⸗ munistischen Fraktion möglich gewesen sei. (Zustimmung rechts und im Zentrum.)
Abg. Pieck (Komm.) beantragt unter Gelächter der Rechten die Absetzung der zweiten Beratung der Hohenzollernvorlage von der heutigen .vv die Vorlage so bedeutend sei, daß man nicht auf die in der Geschäftsordnung vorgesehene Frist zwischen den Beschlüssen des Hauptausschusses und der weiteren Plenarbehandlung verzichten könne.
Der Absetzungsantrag Pieck wird gegen die Kommunisten abgelehnt. (Lärm bei den Kommunisten.)
Der Abg. Pieck (Komm.) stellt fest, daß der sozial⸗ demokratische Abg. Müller Schluß der Geschäftsordnungs⸗ debatte beantragt habe, und beantragt, die Hohenzollernvorlage an den Schluß der heutigen Tagesordnung zu setzen. Auch dieser Antrag fällt gegen die Stimmen der Kommunisten.
Abg. von der Osten (D. Nat.) wird von den Kommunisten mit lärmenden Zurufen wie: „Hohenzollernknecht! Hohenzollern⸗ hure!“ empfangen. Präsident Bavtels ruft mehrere Kommu⸗ nisten zur Ordnung. Der Redner führt aus: Die Anträge der Kommunisten find ohne weiteres durchsichtig; auch der Zweck, den fie verfolgen. Ich habe das Wort lediglich zur Geschäftsordnung erbeten, um namens meiner politischen Partei unserem tiefsten Bedauern darüber Ausdruck zu geben, daß es möglich gewesen ist, in dem Preußischen Landtag eine derartige Flut niedriger Ge⸗ meinheiten über unser preußisches Königshans auszugießen. Die unvergleichlichen Taten der Hohenzollern, denen Preußen und Deutschland ihren Aufstieg verdanken, werden noch nach Jahr⸗ hunderten in der Geschichte fortleben. Wer noch einen Schimmer von Selbstachtung im deutschen Volke ng es kann, der muß, unbeschadet der politischen Meinung, doch der Vergangenheit Ehre geben. Das Niedrigste, was ich mir denken kann, ist, wenn Teile des Bolkes das eigene Volk und seine ruhmreiche Vergangenheit beschmutzen. Meine politischen Freunde lehnen es ab, auf ein so niedriges Niveau der Debatte herabzusteigen und werden deshalb für weitere Angriffe dieser Art gegen das preußische Königshaus nur das Schweigen der Verachtung haben.
Abg. Pieck (Komm.): Nach Mitteilung von Gutsarbeitern des Herrn von der Osten hat dieser Herr keine Berechtigung, über Reinlichkeit zu sprechen. (Pfuirufe rechts.) Herr von der Osten sollte sich mit dem ihm nahestehenden Herrn Maurenbrecher aus⸗ einandersetzen, der in einem Werk über die Hohenzollern eine schöne Verbrechergalerie aufgestellt habe. (Präsident Barbels mahnt den Redner, bei geschäftsordnungsmäßigen Bemerkungen zu bleiben. Während der Abg. Pieck weiterspricht, geht der Kommu⸗ nist Hoffmann hinter der Rednertribüne gegen die Deutsch⸗ nationalen vor. Nur durch das Dazwischentreten des Abg. Pieck wird eine Schlägerei vermieden. Präsident Bartels ersucht die Abgeordneten, ihre Plätze einzunehmen. Dieser Aufforderung kommt jedoch niemand nach. Bei den Kommunisten ertönen Rufe: Holt doch die Polizei!)
Der Abg. Pieck (Komm.) beantragt die Zurückverweisun der Vorlage an den Verfassungsausschuß, um zu prüfen, o es zulässig sei, Wilhelm von Hohenzollern einen Wohnfitz in Deutschland anzuweisen. Dieser Antrag wird gegen die Kom⸗ munisten abgelehnt. 1“ b
Abg. Pieck (Komm.) beantragt eine schriftliche Bericht⸗ erstattung aus dem Hauptausschuß, die bisher noch nicht vorliegt, und zu diesem Zwecke EE den Hauptausschuß und sagt, wenn man dem Exkaiser die Möglichkeit äbe, wieder nach Deutschland zu kommen, so könnte die Politik
es Säbelrasselns wieder beginnen. Deshalb müsse alles — werden, um diese Rückkehr zu verhindern. (Beisall bei den ⸗ munisten und auf den Publikumstribünen.)
Auch dieser Antrag wird gegen die Kommunisten ab⸗ gelehnt.
Das Haus tritt dann in die Tagesordnung ein. Der Be⸗ richterstatter des Hauptausschusses zur Hohenzollernvorlage,
Abg. Falck (Dem.) wird von den Kommunisten mit großem Lärm und Zurufen wie: „Patentrepublikaner! Fastnachtsredner!
schtsmann!“ usw. f Er führt aus: Die große
Mehrheit des Ausschusses sei dafür, die Vorlage zu verabschieden,
weil alle anderen Möglichkeiten, die Frage der 1“
mit den ehemaligen Fürsten, die das ganze Volk so u gewühlt habe, zu regeln, ussichcslog Fer “ schienen. Die Frage, ob dieser Entwurf abänderun sfähig sei wurde von der Staatsregierung verneint, die dem Enwng zu⸗ grunde liegenden Verträge unterschrieben seien. Der Ausschuß laubte, sich diesem Standpunkt anschließen zu müssen. Es frage ich nun, ob die Lasten aus diesen Verträgen für den Staat trag⸗ bar seien. Der Ausschuß war der Ansicht, daß die Abänderungen gegenüber dem früheren Vergleich für den Staat durchaus günstig ind. Die Angehörigen des ehemaligen Königshauses erhalten rund 250 000 Morgen Land, der Staat rund 200 000 Morgen. Der Berichterstatter gibt dann die entsprechende Erklärung der Staats⸗ regierung im Hauptausschuß wieder, wonach das ehemalige Königshaus nach dem früheren Vergleich insgesamt Werte von 181 Millionen Mark erhalten sollte, während diese Gesamtsumme nach dem neuen Vergleich nur 93 Millionen Mark beträgt. Während der Ausführungen des Berichterstatters lärmen die Kommunisten andauernd, so daß die Einzelheiten des Be⸗ richts meist unverständlich bleiben; alle Versuche des Prä⸗ sidenten, Ruhe herzustellen, haben immer nur vorübergehenden Erfolg. Die Angaben des Berichterstatters über die Ver⸗ sorgung der früheren Hofbeamten und Hofkammerbeamten gehen im immer erneuten tosenden Lärm der Kom⸗ munisten unter. Plötzlich wird von dem kommunistischen Abg. Kellermann ein schweres Drucksachenstück geworfen, das in die Reihen der Rechten fällt. Es entsteht ein un⸗ geheurer Tumult. Die Rufe: „Raus mit ihnen!“ wollen kein Ende nehmen. Die Tribüne greift ein und ruft: Hierbleiben! Hierbleiben! In großen Gruppen ballen sich die Abgeordneten zusammen, und es entsteht ein lebhafter Kontakt zwischen den Zuschauertribünen und der linken Seite des Hauses. Prä⸗ ident Bartels fordert den Abg. Kellermann zum Verlassen es Saales auf, verläßt dann n Präsidentenplatz, hebt damit die Sitzung auf und gibt Auftrag, die Tribünen zu räumen. Kommunisten, die zahlreich auf der Tribüne ver⸗ mmelt sind, halten laut schreiend eine Ansprache an das lenum. Die kommunistischen Abgeordneten im Hause fallen mit Händeklatschen ein und stimmen in ein dreimaliges Hoch auf die Internationale ein. Der Lärm auf den Tribünen steigert sch immer mehr. Es herrscht minutenlanger ohren⸗ betäubender Lärm. Abg. Kasper begibt sich auf die Rednertribüne, wirft ein Glas Wasser gegen die eord⸗ neten der Rechten und bemächtigt sich der Präsidentenglocke, die ihm aber von einigen Dienern wieder abgenommen wird. Er greift dann nach einem Tintenfaß, das ihm aber ebenfalls ent⸗ wunden wird. Vizepräsident Dr. Porsch redet vergeblich auf die kommunistischen Abgeordneten ein. Die Tribünen werden vpegamn geräumt, nachdem die kommunistischen Zuhörer noch⸗ mals ein Ruf auf die Weltrevolution ausgebracht hatten. Im Sitzungssaal bleiben die Abgeordneten aller Parteien noch versammelt, obwohl der Präsidentenstuhl leer ist. Die Kom⸗ munisten stoßen andauernd Drohrufe gegen einzelne Abgeord⸗ nete aus.
Die Aufhebung der Sitzung ist einstweilen auf 15 Mi⸗ nuten seftgesetzt Langsam haben sich die Tribünen bis zum letzten un geleert. Zahlreiche Kommunisten und Erwerbs⸗ lose, die auf den Zuschauertribünen versammelt waren, halten sich noch längere Zeit auf dem Flur, in der Saen. vore auf und stoßen laute Verwünschungen gegen die Hohenzollern, gegen die Regierung und die einzelnen Parteien aus, indem sie laut auf die niedrigen Unterstützungssätze für die Erwerbs⸗ kosen hinweisen.
„Nach etwa einer halben Stunde wird die Sitzung wieder eröffnet.
Präsident Bartels: Mir ist von verschiedenen Seiten gesagt worden, daß der Abg. Gohlke deas die Tribüne gegangen sei und dort das Publikum aufgefordert habe, die Anordnungen des 5 deneen 5 zu beachten. Ich frage den Abg. Gohlke, ob das richtig ist.
888 Gohlke (Komm.) bestreitet die Richtigkeit dieser An⸗ gäaben. 8 Präsident Bartels: Der Abg. Gohlke bestreitet also diese Angaben. (Rufe auf der Rechten: Feigling! Lügner!) Wenn er sie zugegeben hätte, würde ich ihn ausgeschlossen haben.
Als dann der Ausschußberichterstatter Abg. Falk ”. dch Wort zur Fortsetzung seines Berichtes erhalten soll, lärmen die Kommunisten von neuem und rufen: Der Hohen⸗ zollernvertreter hat wieder das Wort! Wo ist die Oeffentlich⸗ keit? Wo sind die Tribünenbesucher! — Präsident Bartels: Sie wissen, daß nach der Geschäftsordnung bei Unruhe im Haufe, die Tribünen geräumt werden können. — (Anhaltender Lärm bei den Kommunisten.) Wenn die Unterbrechungen an⸗ dauern, muß ich dem Herrn Berichterstatter unbedingt Ruhe verschaffen.
Der Berichterstatter Abg. Falk hebt daun hervor, daß trotz der Zurverfügungstellung des Schlosses Homburg vor der Höhe nach der staatsrechtlichen Seite hin die Rückkehr des ehemaligen Königs gemäß den Bestimmungen des Republikschutzgesetzes un⸗ möglich sei. Da trotzdem in der Oeffentlichkeit eine grogß Beunruhigung in dieser Angelegenheit zu verzeichnen wäre, sei durch den Vertreter des ehemaligen Königshauses erklärt worden, daß der ehemalige König von seinem Wohnrecht niemals Gebrauch machen werde. Eine Einzelfrage wurde noch erörtert und in der Vorlage berücksichtigt; es handelt sich um die ehemaligen Hof⸗ beamten, deren Stellung in der Besoldungsordnung Uachgeprüft werden soll; eventuell wird eine besondere Besoldungsgruppe für diese Beamten eingeführt. (Lärm bei den Kommunisten.) Alle anderen Anträge, die auf Enteignung und Landesverweisung der Hohenzollern vorlagen, wurden abgelehnt, und mehrere Eingaben, die ebenfalls die entschädigungslose Enteignung des Hohenzollern⸗ vermögens forderten, für erledigt erklärt. (Lebhafte Protestrufe bei den Kommunisten.) Namens des Ausschusses empfiehlt der Berichterstatter dem Hause die Aunahme der Vorlage in der Aus⸗ schußfassung.
Es folgt hierauf die von den Kommunisten beantragte und mit ihren mehr als 30 Stimmen ermöglichte namentliche Abstimmung über den Antrag Pieck (Komm.), die weitere Beratung der Hohenzollernvorlage um vier Wochen auszu⸗
etzen. Zur Abstimmung ist u. a. auch Ministerpräsident raun im Saale erschienen. Während die Abstimmung im Gange ist, macht sich im Hause anhaltende Erregung be⸗ merkbar. Die Kommunisten rauchen und sitzen in lärmenden Gruppen beisammen. Vizepräsident Garnich, der inzwischen das Präsidium übernammen hat, teilt das Abstimmungs⸗ ergebnis mit. Der Antrag Pieck ist mit 262 gegen 35 Stim⸗ men abgelehnt. (Lärm bei den Kommunisten und Rufe: In den Wandelgängen verurteilen die sozialdemokratischen Lähler die Haltung der Landtagsfraktion!) .
Abg. Pieck (Komm.) beantragt erneut schriftliche Bericht⸗ erstattung des Hauptausschusses über die Vorlage und zu. diesem
Zweck Zurückverweisung des Entwurfs an den Hauptausschuß.
Vizepräsident Garnich: Ich kann eine Wiederholung eine einmal vom Landtag entschiedenen Antrags nicht zulassen. Eee Diskussion darüber erübrigt sich. Ich werde den Antrag nicht zu Abstimmung stellen lassen. 1 . ächst
Abg. Pieck (Komm.): Dann stellen wir den Antrag, zunage, den Ministerpräsidenten, der jetzt ja im Saale war (Zuruse den Kommunisten: Er ist schon wieder ausgerückt!), zu veran
Fragen, die wir zur Vor⸗
latz aus auf verschiedene einem Platz leichzeitig beantragen wir
1 s saülen werden, zu antworten. G Besprechung dieses Antrags. 1
Da der Antrag auf Besprechung von mehr als 15 (kom⸗ munistischen) Abgeordneten unterstützt wird, ist er an⸗ genommen. 3 —
Abg. Pieck (Komm.) formuliert seine Fragen an den Ministerpräsidenten, die insbesondere darauf abzielen, ob nicht eine Komplikation dadurch entstehe, daß die Vorlage dem Republik⸗ schutzgesetz zuwider die Rückkehr des ehemaligen Königs ermög⸗ liche. Er will wissen, ob die Reichsregierung vorher über diesen
ssus unterrichtet war, und fragt, wie die Regierung es ver⸗ antworten könne, ungezählte Millionen an die Hohenzollern aus⸗ zuliefern angesichts der kolossalen Not der Erwerbslosen, und wie die Regierung es verantworten könne, die privaten Hofbeamten einer Familie zu versorgen. Der Ministerpräsident müsse darüber Auskunft geben. (Zurufe bei den Kommunisten: Ins Zuchthaus gehören die Kerle!) 1 1
Der kommunistische Antrag wird gegen die Antragsteller
elehnt.
8 hrct zsident Garnich teilt mit, daß ein Antrag Schmiljan (Dem.) eingegangen sei, die beeazisches Mi⸗ nister des Innern, der Finanzen, für Landwirtschaft, Handel und Gewerbe und Kultus vor den Landtag zu zitieren.
Mit den Stimmen der Kommunisten (große Heiterkeit) wird die Besprechung dieses demokratischen Antrages be⸗ schlossen. 8
Abg. Pieck (Komm.) begründet in langen Ausführungen die Notwendigkeit, diese Minister über ihre Haltung zur Hohenzollern⸗ vorlage zu befragen. Die Minister seien die Angeklagten in diesem Falle. Im übrigen brauchten die Kommunisten nicht die Unter⸗ stützung der demokratischen Schlappschwänze. 1“
Hierauf wird mit allen gegen die kommunistischen Stimmen ein ee Antrag auf Schluß der Debatte angenommen, und der Antrag Schmiljan (Dem.) einstimmig abgelehnt. (Gelächter bei den Kommunisten.) Dann wird die Besprechung der Vorlage eröffugt. .
Der Abg. Pieck (Komm.) beantragt eine besondere Rede⸗
zeit von einer Stunde für den § 1 und verlangt, daß die Publikumtribünen wieder geöffnet werden. Beide Anträge
werden gegen die Antragsteller abgelehnt.
Vizepräsident Garnich erklärt: Die Tribünen sind geräumt worden, nicht weil die Oeffentlichkeit ausgeschlossen werden sollte (Zurufe bei den Kommunisten: Um Eure Schande zu verbergen!), sondern weil anhaltende Unruhe auf den Tribünen war. Es ist auch keine Gewähr gegeben, daß die Ruhe auf den Publikum⸗ tribünen jetzt gewahrt wird. Im übrigen ist es Sache des Präsidenten, der die Ordnungsgewalt hat, endgültig darüber zu befinden. (Großer Lärm bei den Kommunisten.)
Abg. Ladendorff (Wirtsch.⸗Partei) gibt die folgende Er⸗ klärung ab: Obwohl in einer Zeit, in der weite Schichten der Bevölkerung, in erster Linie des Mittelstands, sich in schwerer wirt⸗ schaftlicher Not und Bedrängnis befinden, die Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit dem Hohenzollernhause von diesen Kreisen als besonders hart empfunden wird, nehmen wir die Vorlage an, weil es sich für meine politischen Freunde um die Frage der Auf⸗ rechterhaltung des Eigentumsbegriffes, das heißt um die Frage des Rechts und des Rechtsbewußtseins, handelt, und weil wir auf dem Standpunkt stehen, daß eine weitere Verzögerung der An⸗ gelegenheit nicht im Interesse des Landes liegt. In objektiver Würdigung der Frage der Fürstenabfindung wollen wir an⸗ erkennen, daß der Finanzminister zur allgemeinen Befriedigung der Bevölkerung sich um das Zustandekommen des Vergleichs ein Verdienst erworben hat. Wir sehen uns indessen veranlaßt, hier⸗ bei zu erklären, daß der Finanzminister durch die Beantwortung der kleinen Anfrage, in der er zum Ausdruck bringt, von den will⸗ kürlichen, teilweise rigorosen Einschätzungen zur Gewerbesteuer nichts zu wissen und, soweit solche Ueberschreitungen vorlägen, diese im Charakter der Gewerbestener begründet seien, unser Ver⸗ trauen nicht besitzt.
Abg. Pieck (Komm.) beantragt Aussetzung der Peßem. lungen, bis der Präsident sich entschlossen hat, ob er die Oeffent⸗ lichkeit für die Wähler wieder herstellen will oder nicht.
Abg. Freiherr veon Wangenheim (Dt.⸗Hannov.) gibt namens seiner Partei folgende Erklärung ab: Nachdem durch die Volksabstimmung vom 20. Juni 1926 eine Antastung des Privat⸗ eigentums der bis 1918 regierenden Fürstenhäuser abgelehnt ist, gandelt es sich jetzt nur um die Genehmigung des Landtags zu einem zwecks Vermeidung eines Rechtsstreits über den Umfang dieses Eigentums zwischen dem Lande Preußen und seinem bis⸗ herigen Regentenhause abgeschlossenen Vergleich. Als Vertreter des annektierten hannoverschen Volkes stehen wir auf dem Stand⸗ punkt, daß es nicht unsere Aufgabe ist, in die Regelung dieser rein veußischen Angelegenheit einzugreifen. Wir werden uns deshalb
r Stimme enthalten. Wir protestieren jedoch gegen die Ein⸗ beziehung der in dem Vertrage dem Staate zugesprochenen, in Hannover belegenen Schlösser und Grundstücke in diesen Vertrag, da wir weder dem Hohenzollernhause noch dem preußischen Staate das Recht zugestehen, über hannoversches Eigentum zu verfügen. Wir verwahren uns dagegen, daß aus unserer Stimmenthaltung eine Anerkennung des Eigentums des preußischen Staates an diesen Gegenständen gefolgert werden könnte.
Abg. Schwenk⸗Berlin (Komm.) behauptet, die Vorlage sei zwischen den Parteien vorher vereinbart worden, daher man im Ausschuß völlig geschwiegen. Für Parteien, die sich als re⸗ publikanisch bezeichnen, sollte die Vorlage nicht annehmbar sein; noch viel weniger für Arbeitervertreter. Die Bindung der Sozial⸗ demokratie an die Große Koalition sei also schon sehr stark. Der Redner kritisiert dann die einzelnen Bestimmungen der Vorlage. Er fordert, die Hohenzollern den Erwerbslosen und den Wohnungs⸗ losen Thechenstetlen. „Der Abg. Heilmann sei viel eher für eine monarchistische als für eine proletarische Diktatur zu haben. Die Parteien, die der Vorlage zustimmten, seien zu seige, den Hohen⸗ zollern die Rückkehr jn verweigern.
Abg. Sobottka (Komm.) beantragt, dem Finanzminister das Vertrauen zu entziehen. Eigentlich müsse auch dem Präsi⸗ denten des Haufes das Vertrauen entzogen werden, weil er die Oeffentlichkeit ausgeschlossen habe. (Als der Redner behauptet, das Hohenzollernhaus sei aus Spitzbuben und Räubern Hesetzt, ertönen auf der Rechten laute Pfuirufe.)
Abg. Rehbein (Komm.) beantragt, auch dem Landwirt⸗ schaftsminister das Vertrauen zu entzichen.
Abg. Gehrmann (Komm.) beantragt, dem Wohlfahrts⸗ minister das Vertrauen zu entziehen.
88 Abg. Obuch (Komm.) beantragt, dem Justizminister das Vertrauen zu entziehen.
Abg. Kerff (Komm.) beantragt, dem Kultusminister das Vertrauen zu entziehen.
Abg. Pieck (Kommm.) beantragt, bei der Abstimmung über die einzelnen Absätze des grundlegenden § 1 sowie bei einer Reihe weiterer Paragraphen getreunte Abstimmung.
Abg. Bartels⸗ Crefeld (Komm.) zieht sich einen Ordnungs⸗ zuf des Präsidenten Bartels zu, als er von einem „politischen Gaukelspiel der Parteien“ spricht. Er bezeichnet es als skandalös, daß unter Ausschluß der Oeffentlichkeit verhandelt wird, und be⸗ antragt Wiedereröffnung der Tribünen. (Lebhafter Beifall bei den Kommnnisten.) Die Schließung der Tribünen bedente einen Ver⸗ fassungsbruch.
h. Präsident Bartels: Die Oeffentlichkeit ist durch die an⸗ wesenden Pressevertreter hergestellt. (Ruf bei den Kommunisten: Demagogie! Regisseur Garnich! Oberschieber! Puppe von Garnich! w. Gocke des Präsidenten.) Warum die Tribünen geräumt verden mußten, ist auch dem Abg. Bartels⸗Crefeld bekannt. Es esteht kein Grund, die Räumungsanordnung aufzuheben. Abg. Obuch (Konun.) eine Aenderung des § 1 er Vorlage dahin, daß landesgesetzliche Bestimmungen, die evtl.
über einzelne Bestimmungen der Berträge vorliegen, zur An⸗
wendung gelangen. Nachdem dem Abg. Menzel⸗Halle (Komm.), der versucht
hatte, einen kommunistischen Antrag wegen der 27 politischen Ge⸗ fangenen in Cottbus sofort zur Besprechung zu bringen, das Wort entzogen worden ist, wird die Besprechung über § 1 geschlossen.
Die Abstimmung über den ersten Teil des § 1 er⸗ olgt namentlich. (Während das Ergebnis der Abstimmung fösceser- wird, geraten S und sozialdemokratische Abgeordnete in Streit. Plötzlich schlägt der Kommunist Abel mit der Faust nach dem Sozialdemokraten Osterrotl. Eine weitere Schlägerei wird durch das Dazwischentreten der Abgg. Heilmann (Soz.) und Pieck (Komm.) verhindert. Präsident Bartels: Ich schließe den Abg. Abel von der Sitzung aus und fordere ihn auf, den Saal zu verlassen. (Große Heiter⸗ keit. — Lärm bei den Kommunisten und Rufe: Und der Lump 1 Unter anhaltendem Lärm und Zurufen verläßt Abg. Abel (Komm.) den Saal. Das Ergebnis der Abstimmung ist die Annahme des ersten Teiles des § 1 der Vorlage mit 207 gegen 38 Stimmen. (Beifall rechts.) Dann wird der Aenderungsantrag Obuch (Komm.) zum § 1 auf genügend unterstützten Antrag der Kommunisten zur nament⸗ lichen Abstimmung gestellt; er wird mit 251 gegen 33 Stimmen bei 4 Stimmenthaltungen abgelehnt. In weiterer nament⸗ licher Abstimmung wird unter Ablehnung kommunistischer Aenderungsanträge der Rest des § 1 mit 214 gegen 37 Stimmen bei 36 Stimmenthaltungen der Sozialdemokraten angenommen. Damit ist die Genehmigung der Ver⸗ gleichsverträge in zweiter Lesung ausgesprochen, da die weiteren Paragraphen nur noch technische Bestimmungen ent⸗ halten. b Beim § 2, der Steuer⸗ und Gebührenfreiheit für alle mit dem Vergleichsvertrage zusammenhängenden öffentlichen Ur⸗ kunden usw. ausspricht, stellt der Abg. Bartels⸗Crefeld (Komm.) einen Aenderungsantrag dahin, daß die Hohenzollern zehnfache Steuern⸗ und Gebührensätze zahlen sollen.
88 Obuch (Komm.) beantragt getrennte Abstimmung über Steuer⸗ und Gebührenfreiheit der mit dem Vergleichsvertrag zu⸗ sammenhängenden Transaktionen. “
Abg. Dr. Schmedding (Zentr.) bezweifelt die Zulässigkei dieser Teilbehandlung von Paragraphen.
Das Haus schließt sich ihm gegen die Kommunisten an in der Erklärung, daß über die einzelnen Paragraphen nur ins⸗ gesamt entschieden werden könne.
Es folgt eine namentliche Abstimmung über den kom⸗ munistischen Antrag auf Verzehnfachung der Steuern und Ge⸗ bühren, die sich aus dem Hohenzollernvertrage ergeben. Der Antrag wird mit 245 gegen 33 Stimmen bei 8 Enthaltungen abgelehnt.
Der § 2 wird in der Ausschußfassung mit 210 gegen 41 Stimmen bei 13 Enthaltungen angenommen.
Beim § 3, der den Finanzminister ermächtigt, den staat⸗ lichen Verpflichtungen aus dem Vergleich durch jeweilige Be⸗ reitstellung der erforderlichen Mittel nachzukommen, beantragt der Abg. Obuch (Komm.) einzufügen, daß die zur Ausfüͤh⸗ rung des Vergleichs erforderlichen Staatsmittel durch eine besondere Steuer, die vom Großgrundbesitz über 1000 Hektar zu erheben ist, hereingebracht werden sollen.
Abg. Kerff (Komm.) richtet scharfe Angriffe gegen das Zentrum und die Sozialdemokraten und beantragt, den im Hause anwesenden Vertretern der Arbeitslosen hier das Wort zu geben. (Stürmische Heiterkeit.)
Abg. Pieck (Komm.) beantragt erneut Verlängerung der Redezeit um mindestens eine Stunde. Die Forderung sei durchaus berechtigt, da hier Vertreter der Arbeiterdelegationen zuhörten.
Abg. Schwenk (Komm.) stellt zum § 3 einen Abänderungs⸗ antrag, wonach „die zur Erfüllung der in den Verträgen vom Staate übernommenen Verpflichtungen erforderlichen Mittel in Höhe des jeweils fälligen Betrages jedesmal durch besondere Vor⸗ lage anzufordern sind“.
Abg. Sobottka (Komm.) verlangt Herbeiholung des Finanzministers und bis zu seinem Erscheinen Aussetzung der Verhandlungen.
Abg. Kilian (Komm.) bemerkt, die Mitglieder der kommu⸗ nistischen Fraktion hätten schon auf das Mittagessen und das Kaffeetrinken verzichtet; sie würden auch auf das Abendessen ver⸗ ichten und so lange zusammenbleiben, bis der Finanzminister mit seinem Austernessen fertig sei. (Andauernde Heiterkeit.) Der Redner beantragt, der Landtag möge beschließen, daß der Finanz⸗ minister während der Verhandlungen den Saal nicht zu verlassen hat. (Erneute Heiterkeit.)
Abg. Obuch (Komm.) beantragt Abstimmung über den An⸗ trag, betr. die Verlängerung der Redezeit.
Der Finanzminister erscheint im Saale.
Abg. Herold Gentr.) beantragt, bei allen Abstimmungen immer zuerft die Vorlage zur Abstimmung zu stellen. (Stürmischer Widerspruch und Pfuitufe bei den Kommunisten.)
Abg. Pieck (Komm.) betont, es sei ständiger parlamen⸗ tarischer Brauch, zunächst Abänderungsanträge zur Abstimmung zu stellen. Es würde das Zentrum charakterisieren, wenn es ge⸗ rade die Hohenzollernvorlage zum Anlaß nähme, um einen Bruch der Geschäftsordnung herbeizuführen und die Kommunisten mund⸗ tot zu machen. Welchen Sinn habe da überhaupt noch eine zweite Lesung? solle man doch ehrlich genug sein, die Vorlage gleich in Bausch und Bogen anzunehmen.
Abg. Obuch (Komm.) wendet sich gleichfalls scharf gegen den Antrag Herold. Der Abg. Herold solle erklären, ob sein Antrag auch für alle übrigen Paragraphen gelten solle. (Abg. Herold: Jawohl!)
Ein Schlußantrag wird angenommen.
Der Abg. Pieck (Komm.) beantragt namentliche Ab⸗ stimmung über den Antrag Herold. Der Antrag wird mit großer Mehrheit angenommen. Stürmische Pfui⸗ rufe und tosender Lärm bei den Kommunisten. Die Kom⸗ munisten rufen in wüstem Durcheinander den bürgerlichen Parteien Schimpfworte zu. Der Lärm wird so stark, daß sich der Präsident erneut veranlaßt sieht, die Sitzung um 6,35 Uhr auf 10 Minuten zu unterbrechen.
Niach etwa 10 Minuten eröffnet Vizepräsident Garnich die Sitzung wieder. Er wird von den Kommunisten mit wüsten Zurufen, wie: „Neuer Hampelmann! Schieber, ab⸗ treten!“ und mit Hausschlüsselpfiffen und Schlußrufen emp⸗ In dichten Gruppen sind die Kommunisten um das
ednerpult geschart. Das Geschrei wird zum Orkan. Der Vizepräsident weist einen Kommunisten nach dem anderen, soweit er sich durch Zeichensprache und Vorschicken der Diener überhaupt verständlich machen kann, aus dem Saal. Sieben Kommunisten wurden der Reihe nach ausgeschlossen, darunter die Abgg. Gehrmann, Rathenow, Golke, Heym, Möricke und Johanna Ludewig. Insbesondere haben es die Kommunisten auf den Beisitzer, den deutsch⸗volks⸗ parteilichen Abg. Metzenthin abgesehen, der dem Vize⸗ präsidenten Garnich immer neue kommunistische Lärmmacher namhaft macht. Die Erregung errreicht ihren Höhepunkt, als mehrere Kommunisten gegen das Präsidentenpult vorstürmen und alle Gegenstände, die sie dort ereichen können: Tintenfaß, Aktenbünden, Lineale, schwere Holztafeln usw. dem Abg.
Metzenthin und dem Vizepräsidenten Garnich sowie dem Bei⸗
gibt schließlich durch Verlassen des Präsidentenstuhles um 6,45 Uhr das Zeichen dafür, daß die Sitzung unterbrochen ist.
Der Aeltestenrat trat sofort zusammen, um über die Art der Weiterführung der Verhandlungen und der zu er⸗ greifenden Maßnahmen Beschluß zu fassen. „Wie wir hören, werden die angegriffenen Mitglieder des Präsidiums gegen die betreffenden Kommunisten Strafanzeige wegen Körper⸗ verletzung stellen. Auch wird das Präsidium für den weiteren
Verlauf der Sitzung polizeilichen Schutz erbitten.
Gegen 8 Uhr wird die Sitzung vom Vizepräsidenten Garnich wieder eröffnet, der ausführt: Das unerhörte und unwürdige Vorgehen in diesem Saale muß bei jedem Menschen ein Gefühl größter Empörung „erf.2 (Leb⸗ hafte Zustimmung rechts und in der Mitte. — Lärm und Zurufe bei den Kommunisten, in denen die Ausführungen des Präsidenten zum Teil verlorengehen.) Was die persön⸗ lichen Angriffe auf die Mitglieder des Präsidiums angeht, so werden uns diese Angriffe nicht davon abhalten, unsere Pflicht zu tun. Wir werden auf dem Platze bleiben so lange, wie wir irgend physisch dazu imstande sind. (Beifall rechts und in der Mitte; anhaltender Lärm bei den Kommunisten.) Ich habe weiter dem Hause den Beschluß des Aeltestenrats mit⸗ zuteilen, daß für die persönlichen Angriffe auf das Präsidium die Abgeordneten Skjellerup, Eppstein und Jen⸗ drosch (Komm.) die härteste Strafe, den Ausschluß für 20 Sitzungstage, erhalten sollen. (Stürmischer Beifall rechts und in der Mitte. — Protestkundgebungen und beleidigende Zurufe bei den Kommunisten.) Ich fordere die genannten Abgeordneten auf, den Saal zu verlassen. (Zurufe bei den Kommunisten: Die werden Dir was. — der Abgeordnete Eppstein bleibt pfeiferauchend auf seinem Platz, — Rufe rechts: Geht doch, das bezahlt ja alles Moskau!) Da die Abgeordneten sich nicht aus dem Saale entfernt haben, werde ich jetzt die Sitzung unterbrechen und dafür sorgen, daß sie bei der Wiedererö Fess⸗ nicht mehr anwesend sind. (Lärm bei den Kommunisten und Rufe: Jetzt holt er die Polizei!
Die Sitzung ist damit unterbrochen. Die Polizei ist bereits im Hause erschienen.
Nach etwa einer Viertelstunde betreten, von einem Land⸗ tagsbeamten geführt, drei Polizeibeamte in Zivil den Saal durch die dem kommunistischen Sektor nächstgelegene Tür. Sie werden von den Kommunisten mit Gejohle und Zurufen wie: „Ehrengarde! Spitzel! Achtgroschenjungens!“, und: „Die sehen ja aus, als wenn sie von der Polizeiausstellung kämen!“ empfangen. Um die drei Auszuschließenden haben sich andere kommunistische Abgeordnete geschart. Die Beamten versuchen, durch Umgehung des Sektors von der anderen Seite an die drei Bezeichneten heranzukommen. Während sie noch herum⸗ gehen, verlassen aber die Abgg. Skjellerup, Eppstein und Jendrosch freiwillig den Saal. (Großes Gelächter und Hände⸗ klatschen bei den Kommunisten. Rufe: Ihr dummen Schweine, schert Euch raus! — ZJetzt geht die SesensenG weiter.) Da es noch einige Zeit dauert, bis Vizepräsident Garnich zur Wiedereröffnung der Sitzung erscheint, verkürzen sich die Kommunisten die Zeit mit ironischen Rufen: Hoch die Hohenzollern! Weitermachen! Habt Ihr (zur Rechten) Auf⸗ trag von Wilhelm in Doorn?
Um 8 Uhr 10 Minuten erscheint Vizepräsident Garnich wieder und eröffnet die Sitzung. Die drei ausgeschlossenen Abgeordneten befinden sich nicht mehr im Saale. Der Aeltestenrat hat beschlossen, daß der Abg. Kollwitz (Komm.), weil er meine Aufforderung zum Verlassen des Saales nicht n hat, auch acht Tage ausgeschlossen wird. Ich fordere den Abg. Kollwitz auf, den Saal zu verlassen. (Abg. Kollwitz ver⸗ läßt den Saal unter der Heiterkeit “ Genossen.) Damit kein Zweifel entsteht, bemerke ich ausdrücklich, daß ich alle Ab⸗ geordneten ausweisen werde, die sich meinen Anordnungen widersetzen. (Lärm bei den Kommunisten.)
Abg. Pieck (Komm.) — zur Geschäftsordnung —: Die Kommunistische Fraktion erhebt schärfsten Protest gegen die Be⸗ schlüsse des Aeltestenrats rechts), weil dafür nicht der ge⸗ ringste Grund vorliegt. G achen rechts.) Im Aeltestenrat ist fest⸗ Fecle worden, daß der Antrag Herold ein Bruch der Geschäfts⸗ ordnung gewesen ist, daß er uns bewußt rechtlos macht und daß er nicht anderes bezweckte als eine Provokation der Kommunisten (Stürmische Zustimmung bei den Kommunisten), die von dem Recht der Obstruktion Gebrauch Fmnacht haben. Da das Präsidium sich in unerhörter Weise zum Werkzeug der Mehrheit gemacht hat, so war der Protest der Kommunisten gegen das Präsidium durchaus berechtigt. Wir befanden uns also in der Notwehr gegenüber der Vergewaltigung. Den Ausschluß von dreien meiner Freunde auf 20 Tage werden wir draußen zur Auspeitschung der Massen be⸗ nutzen. Der Ausschluß ist nur ein Gewaltakt der Mehrheit gegen die Kommunisten. (Andauernder großer Lärm.) Die Meheheit will in wenigen Stunden dieses Schandgesetz durchpeitschen, und das Präsidium macht sich an dieser Durchpeitschung mitschuldi da es den Antrag Herold Fegelassen hat. Wir erheben deshalb gegen das Präsidium den Vorwurf der Einseitigkeit, daß es sich zum Werkzeug dieses Eöe S hat.
Vizepräsident Garnich erklärt dem Redner, c sein⸗ Redezeit abgelaufen ist, und fragt das Haus, ob es ihn noch weiter hören will. (Stürmische Zurufe: Nein, nein! — Ungeheurer Lärm.)
Ein Schlußantrag über die Geschäftsordnungsdebatte wird angenommen. Zum Wort war noch der Abg. Grube (Komm.) gemeldet. (Ruf bei den Kommunisten: Die Affenkomödie!) . Da die Kommunisten, als der den § 3 zur Ab⸗ stimmung bringen will, von neuem ohrenbetäubenden Lärm beginnen, schließt der Präsident die Abgg. Hedwig Krüger⸗ Halle und Eberlein (Komm.) von der Sitzung aus. Die Ausgeschlossenen verlassen den Saal.
In namentlicher Abstimmung wird § 3 des Gesetzes mit 227 gegen 24 Stimmen der Kommunisten bei 60 Stimm⸗ der Sozialdemokraten angenommen.
Abg. Pieck (Komm.) erklärt, nachdem durch die Annahme
des Antrags Herold den Kommunisten die Möglichkeit genommen sei, Abänderungsanträge und Anträge auf namentliche Ab⸗ stimmung zu stellen, nachdem ferner die Mehrheit des Hauses durch die Obstruktion der Kommunisten gezwungen worden sei, ihre Absichten zu enthüllen, daß ihnen jedes Mittel und jede Schandtat recht sei um den Hohenzollern Geschenke zuzuschanzen (Vizepräsident Garnich rügt den Ausdruck Schandtaten), hätten die Kommunisten keine Lust mehr, sich noch an diesen pür Farce herabgesunkenen Verhandlungen mitschuldig zu machen. Die Kom⸗ munistische Fraktion werde sich deshalb an den weiteren Verhand⸗ lungen bei diesem Punkt der Tagesordnung nicht mehr beteiligen. (Beifall bei den Kommunisten. — Ironischer Beifall bei den übrigen Parteien. — Unter lärmenden Zurufen verlassen die Kommunisten den Saal.) „Gleich darauf stimmt das Haus en bloc den übrigen neun Paragraphen der Vorlage zu und verabschiedet sie somit endgültig in der zweiten Lesung. (Beifall rechts.)
Nach 8 ¼ Uhr vertagt sich der Landtag auf Mittwoch 12 Uhr: Kleine Vorlagen; Foktlsetzung der Magdeburger Aus⸗ sprache. 8
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