Ihnen.
Sie haben bis 1923, insbesondere während der Zeit des Ruhreinbruchs, alle im besetzten Gebiet vorhandenen Strolche gesammelt und durch solche aus den umliegenden Dörfern noch vermehrt, um ihre sepa⸗ ristischen Gelüste durchzuführen. Sie sind elend gescheitert an dem Willen der rheinischen Bevölkerung, die allezeit bei Deutschland bleiben will. Eine endgültige Befriedung am Rhein kann sich gegen niemand richten, zumal da England und Italien ihre Garanten sind. Schon darum kann darin keine Spitze gegen die englische und italienische Politik liegen, obwohl die italienische Regierung seit Jahr und Tag einen Herd der Unruhen in Europa bildet. Mussolini studjert ja die Reden Wilhelm II. und gibt sie bruchstückweise von sich (Heiterkeit.) Ich glaube, daß die italienischen Arbeiter nicht die gerinaste Lust haben, sich für Mussolinis Politik auf die Schlachtbank führen zu lassen. Angesichts der schwebenden Schiedsgerichtsverhandlungen zwischen Deutschland und Italien möchte ich mit aller Deutlichkeit sagen, daß auch in Deutschland kein zurechnungsfähiger Mensch an eine deutsch⸗ italienische Verständiagung denkt, die ihre Svitze gegen Frankreich richtet Eine Verminderung der Truppen, so notwendig sie ist, ist nicht das Wesentliche, sondern die Rheinprovinz muß wieder voll unter die deutsche Souveränität kommen. Das jetzige Regime im Rhein⸗ land wird immer der Politik der Verständigung abträglich sein, immer wieder werden sich Zwischenfälle ereignen wie die von Germersheim. Aber ich bitte auch, daß die Befriedungsvolitik nicht durch eine Feierpolitik gestört wird, wie sie in der Pfalz beliebt wird, wo erst kürzlich das 50 jährige Jubiläum eines bayerischen Regiments gefeiert wurde, bei dem die Leute mit ihren alten Uniformen herumzogen und zum Schluß sogar sangen: Siegreich woll’'n wir Frankreich schlagen. Und auf der anderen Seite gegen⸗ über von Speyer wurde erst am 19. September ein sogenannter Deutscher Tag gefeiert. Das ist doch nur ein Tag zum randalieren und saufen, wie die alten Germanen taten, die am Ufer des Rheins lagen und immer noch einen tranken. Die unsinnigen Provo⸗ kationen der Besatzung, die sich im Anschluß an solche Feiern er⸗ eignen, müssen unterbleiben. Wenn wir von Rhein und Pfalz sprechen, denken wir natürlich auch an die Befreiung der Saar. Unzweideutig haben erst kürzlich wieder alle Parteien des Saar⸗ parlaments zusammen zum Ausdruck gebracht, daß unverzüglich das Saargebiet wieder zum Reich zurückkommen muß. Vielleicht kann man bei der Unbezweifelbarkeit des Ergebnisses sich darauf einigen, daß die Rückkehr des Saargebiets zu Deutschland ohne Abstimmung erfolgt. Wenn die französische Regierung einer solchen Abmachung zustimmt, so würde sie damit die Politik der Versöhnung aufs trefflichste fördern und die Revancheschreier auf beiden Seiten aufs beste zum Schweigen bringen. Selbstverständlich darf die Besatzung nicht abgelöst werden durch ein anderes Regime, das neue Schikanen ermöglicht. Für eine Sonderbehandlung des Rheinlandes nach der Aufhebung der Räumung gibt der Versailler Vertrag nicht die geringste Handhabe. Der Redner zitiert zum Beweise dafür den Brief Clemenceaus an Poincaré vom 28. April 1919, in welchem davon die Rede ist, daß Deutschland in einer neutralen Zone an der Grenze zwar keine Truppen und keine Festungen halten darf, daß aber auch keine Kontrolle der deutschen Rüstungen möglich sei. Ich bin überzeugt, so fährt der Redner fort, wenn man ernste französische Militärs fragt. so müßten sie sagen, daß eine solche Kontrolle auch absolut wertlos ist. Denn in der Zeit des Telegraphen, des Radio und der Eisenbahn ist es ganz unmöglich, heimlich Festungen aufzubauen und Truppen zu konzentrieren. Weshalb diskutiert man dann aber in Paris erst das ganze Problem? Die beste Kontrolle ist die rheinische Be⸗ völkerung selbst, die nicht im gerinasten daran denkt, ihre Heimat wieder zum Schauplatz für den nächsten Weltkrieg werden zu lassen. Auch Sinn und Geist der Locarno⸗Verträge setzt die Gleich⸗ berechtigung der Teilnehmer voraus. Wenn also der Rhein kontrolliert würde, müßte ebenso auch die Maaslinie kontrolliert werden. Wir erkennen nur an, daß das allgemeine Kontrollrecht besteht, wie es der Versailler Vertrag vorsieht. Die Lücke kann durch nichts anderes ausgefüllt werden als durch eine wirkliche Abrüstung, die der Völkerbund kontrolliert. Die allgemeine Ab⸗ rüstung ist noch nicht auf dem Marsch. Auf der letzten Sozialisten⸗ konferenz in Luxemburg haben wir mit aller Deutlichkeit festgelegt, daß, wenn es nicht gelingt, die Abrüstung durch den Völkerbund zu lösen, das eine Krise im Völkerbund bedeute. Die allgemeine Abrüstung ist nicht nur Deutschland, sondern allen Völkern ver⸗ sprochen worden. (Sehr richtig! links.) Es ist aber nicht nötig, daß diese Angelegenheit in den Händen der Militärs bleibt. und ich erinnere nur an das Wort, das Briand zuletzt in Genf sprach: Weg mit den Kanonen und den Maschinengewehren. Was die Frage der interalliierten Militärkontrolle anlangt, so glauben auch wir, daß es Zeit ist, daß sie verschwindet. Bei der Lösung scheinen sich Schwierigkeiten bei der Regelung der Ein⸗ und Aus⸗ fuhr und der Herstellung von Kriegsmaterial zu ergeben. Ich bin der Ueberzeugung, daß bei gutem Willen auch in dieser Frage eine Verständigung erzielt werden kann. Wir können nicht dulden, vaß Deutschland dabei etwas zugemutet wird, was ihm im Versailler Vertrag nicht auferlegt worden ist. Wir denken dabei besonders an die Wahrung der Interessen der Arbeiter, die dabei in Frage kommen können. Angesichts der gestrigen neuen scharfen Er⸗ klärung des Reichswehrministers Dr. Geßler über die Wehrver⸗ bände werfen wir die Frage auf: Warum mußte es so lange gehen, und wie war es überhaupt möglich, daß es soweit gehen konnte. (Zuruf bei den Kommunisten: Mit eurer Unterstützung!) Das war nur deswegen möglich, weil der Reichswehrminister in den ver⸗ gangenen sechs Jahren das Programm nicht ausgeführt hat, das er im März 1920 aufgestellt hatte. Dort hat er gesagt, daß er ernstlich und unverzüglich daran gehen werde, die Reichswehr auf breitester demokratischer Grundlage aufzubauen, und daß er sich dafür ein⸗ setzen werde, daß den verfassungstreuen Mannschaften ihre Rechte gewahrt werden. Hätte der Minister das eingehalten, dann wären die außenpolitischen Schwierigkeiten der letzten Jahre nicht so groß gewesen. (Lebhaftes sehr wahr! links.) Wir erwarten, daß er jetzt endlich das durchführt, was er damals gesagt hat. Es wird dafür gesorgt werden müssen, daß die Befehle des Reichs⸗ wehrministers auch ausgeführt werden. Beim nächsten Rechswehr⸗ etat werden wir prüfen, wo die Beträge und Posten stecken, die für „Uebungen“ usw. gebraucht werden. Der Etat muß darauf hin besonders unter die Lupe genommen werden. Der Grundsatz, der für normale Zeiten galt, daß keine Behörde von privater Seite Geld nehmen darf, muß auch heute noch Geltung haben. (Lebhaftes sehr richtig! links.) Wenn das durchgeführt worden wäre, wäre es dem Reichswehrminister leicht gewesen, die Verbindung zwischen Reichswehr und industriellen Kreisen aufzudecken. Wir werden dem Minister das von ihm gestern verlangte Material in der nächsten Zeit zugehen 6 Wenn der Minister gestern sagte, er könne den Leuten nicht zumuten, sich selbst zur Anzeige zu bringen, dann müßte er doch dankbar dafür sein, daß er von anderer Seite darauf aufmerksam gemacht wird. (Sehr wahr! links.) In der Reichswehr wird immer von der Aufrechterhaltung von alten Traditionen gesprochen Man hört aber nie, daß die Disziplin aufrechterhalten werden soll. Der Reichswehrminister muß dafür sorgen, daß aktive Offiziere sowie sogenannte Sport⸗ lehrer nicht in die Reichswehr eingestellt werden. Wir werden den Minister in diesen Fragen unterstützen. Ich habe mich darüber gewundert, daß in der Aussprache kein Angriff gegen den Innen⸗ minister und gegen den Reichswehrminister wegen des Verbots der Verbände „Olympia“ und „Wiking“ erhoben worden sind. Das beweist mir, daß das Verbot zu Recht erfolgt ist. Als der Redner aus der Denkschrift des preußischen Innenministers Stellen verliest, wird er von der Rechten unterbrochen. Der Redner ruft der Rechten zu: Wenn Sie in die Regierung mit hinein wollen, dann müssen Sie solche Maßnahmen mitmachen. (Heiter⸗ keit!) Es handelt sich bei den Verbänden um ungesetzliche Waffen⸗ übungen, wie die Denkschrift beweist. (Abg. Baecker ruft: Der Staatsgerichtshof hat anders entschieden!) Die Richter schenke ich Beim Reichsbanner denkt niemand daran, irgendwie den ve Weltkrieg vorzubereiten. (Gelächter rechts.) Der Auf⸗ wand, den die vaterländischen Verbände treiben, ist übrigens ganz unnütz, wie das Herr von der Schulenburg ausführlich dargelegt hat. Vor allem hoffe ich, daß die Regierung fest bleibt und sch in ihrer Politik gegen die verfassungswidrigen Verbände nicht stören
läßt. In der deutschnationalen Interpellation zur Kriegsschuld⸗ frage hieß es zunächst, die Regierung werde ersucht, die Frage vor ein internationales Schiedsgericht zu bringen, später wurde das abgeändert dahin, die Regierung olle prüfen, ob man die Angelegenheit vor ein solches Schiedsgericht bringen kann. Das bedeutet eine Entgiftung der Interpellation. Aber was soll denn der Völkerbund fesistellen? Soll er Deutschlands Unschuld fest⸗ stellen oder, wie sich die Schuld auf die einzelnen Länder verteilt? 2 das Deutschtum dabei gänzlich freigesprochen wird, glaubt doch kein Mensch! (Zurufe bei den Deutschnationalen: Wir wollen nur Beseitigung der Alleinschuld! — Schämen Sie sich!) Deutsch⸗ land wird ja nur als Urheber der Kriegsschäden hingestelt (Zuruf bei den Deutschnationalen: Lesen Sie doch den Versailler Vertrag!) Der hat ja längst gar keine praktische Bedeutung mehr. Glauben Sie denn, wenn Deutschland würde, hätte es auch nur einen Pfennig weniger zu zahlen? Wir machen jedenfalls dieses Manöver zur Tanschun des Publikums nicht mit. Wir sind überzeugt, daß durch diese Interpellation die Klärung der Schuld⸗ frage nicht irgendwie gefördert wird. Wir haben aber schon wiederholt erklärt, daß wir damit einverstanden sind, wenn ein wirklich objektives Gremium in die Lage käme, auf Grund der Dokumente, die von Deutschland bereits veröffentlicht sind, aber noch nicht von der Entente, die Kriegsschuld zu prüfen. Aber die Interpellation bildet keine geeignete Grundlage zur Erreichung dieses Zieles. Gerade weil wir eine rasche Räumung des Rhein⸗ landes wollen, muß alles unterlassen werden, was die Zirkel dieser Politik stört. Gestern hat Dr. Hoetzsch für die Dentsch⸗ nationale Fraktion erklärt, für die Räumung des Rheingebiets müßten, wenn es nicht zn umgehen sei, weite Opfer gebracht werden. Damit hat er sich dem Standpunkt angenähert, den wir Saen schon vertreten haben. Wir sind im übrigen überzeugt, daß ie Politik, die wir diese ganzen Jahre getrieben haben, sich noch nicht voll ausgewirkt hat. Wir werden auf der bisherigen Bahn weiterarbeiten, bis die europäische Befriedung erreicht ist. Wir sind überzeugt. daß die Geschichte uns für die Vorarbeit und Mit⸗ arbeit einst Dank zollen wird. (Beifall bei den Sozialdemokraten.)
Abg. Graf zu Reventlow (Bölk.): Aus der bisherigen Debatte, auch aus den Reden der Abgeordneten Dr. Hoetzsch und Müller, habe ich den Eindruck bekommen, daß die innere Politik mehr im Vordergrund steht als die auswärtige. Auch Prof Bredt hat durchblicken lassen, daß seine Partei eventuell an der Regie⸗ rung teilnehmen wolle, indem sie sich auf den Boden der Tatsachen sesl Bei der Flaggenhissung in Washington ist von dem Bot⸗ chafter keine Rücksicht genommen worden auf die Gefühle des deutschen Volkes, das am 11. November aufs tiefste gedemütigt wurde. Der Minister des Auswärtigen hätte dem Botschafter vorher Instruktionen geben sollen. Zur selben Zeit lag im Kieler Hafen ein amerikanischer Kreuzer, auf dem man sich um die ganze Sache nicht gekümmert hat. In der Haltung der Linken liegt etwas vom bösen Gewissen in der Erinnerung an die Tage von 1918 und 1919 und die Rolle, die die Linksparteien damals gespielt haben. Zur Kriegsschuldfrage besteht keine praktische Möglichkeit ihrer Aufrollung, so lange keine Aenderung des Kurses der Außenpolitik eintritt, so lange die Dawes⸗Gesetze und die Abmachungen von Locarno bestehen. In der Marxschen Er⸗ klärung war nur gesagt, wir lehnten die moralische Schuld ab. Das Politische wurde beiseite gelassen. Kein Wunder, daß grobe englische und französische Gegenerklärungen kamen. Gerade die politische Seite der Schuldfrage ist ausschlaggebend, das weiß die Linke ganz genau, scheut sich aber, es auszusprechen. Man hat dort immer das alte Regime verantwortlich für den Krieg gemacht, man hat Kautsky auf die Archive gehetzt, aber der hat nichts efunden, und seitdem haben die Herren ihre Taktik geändert. Heute kann man nur von einer ‚Schuldlüge“ sprechen. Die amtlichen Veröffentlichungen haben darüber keinen Zweifel gelassen. Der Vorschlag, den Lord Grey zur Klarstellung der Schuldfrage gemacht hat, muß deutscherseits abgelehnt werden, denn sie wissen alle, daß Deutschland im Sinne einer 88 Schuld am Kriege unschuldig ist. Grey war ja auch einer der Hauptvorbereiter des Krieges. Die franbestsche Psyche vollends ist genau dieselbe geblieben wie vor sechs Jahren. Bei den Er⸗ scheinungen der letzten Jahre unterscheiden meine Freunde genau die Grundströmung und die Seerätas geersezungen. Die Auf⸗ machung von Genf war eine Art bombastischer “ Briand ist heute bei unserer Linken dasselbe wie Wilson vor dem Friedensschluß. Briand soll heute weiter Man wurde ordentlich gerührt, wenn man den „Vorwärts“ las. Briand sagte „‚fort mit Kanonen, Gewehren und Maschinengewehren!“ Er meinte aber nur die deutschen, die französischen sind noch alle da. (Zuruf bei den Völkischen: noch vermehrt!) Briand hat ausdrücklich erklärt, er habe sich nicht festgelegt. Das französische Kabinett hat denn auch danach gehandelt. Ganz anders Herr Stresemann! Wenn sich der deutsche Außenminister mit Briand und Chamberlain zusammen photographieren läßt, so sollte er doch nicht ein so selbst⸗ “ Gesicht machen. Herr “ hat in der Loge eine so beispiellose Karriere gemacht, daß weereptis ce Logenbrüder sich darüber aufhalten. Wie kann sich ein Außenminister in dieser Weise einem internationalen anonymen Komitee unterstellen? Ich habe Herrn Stresemann gefragt, ob im Völkerbund frei⸗ mauerische jüdische Einflüsse vorhanden sind. Er ist mir darauf die Antwort schuldig geblieben. Ich halte es für einen verhängnis⸗ vollen Irrtum, wenn Graf Lerchenfeld auf dem Katholikentag den Völkerbund eine katholische Idee nannte. Das „Israelitische Volks⸗ blatt“ hat es als Hauptaufgabe des Völkerbundes bezeichnet, gegen den überhandnehmenden Antisemitismus Front zu machen. Tat⸗ hiche ist, daß die antisemitische Bewegung zunimmt, auch in den
eihen der Linken, diese Bewegung ist gesellschaftlich geworden. Wir sind keineswegs gegen einen Völkerbund, aber wir sind von Anfang an Gegner dieses Völkerbundes gewesen, der auf dem Versailler Friedensvertrag beruht. Herr Stresemann ist bei seiner Rückkehr aus Genf von der Linkspresse sehr gefeiert worden. Was ist aber bei seiner Politik herausgekommen? Der kreisende Berg von Genf hat nicht einmal das bekannte lächerliche Mäuschen ge⸗ boren. Die ganze Politik von Genf und Thoiry war eine ungeheure Blamage. Hilferding hofft, daß die Vertrustung selbst den Weg um Sozialismus ebnet. Wie will man sozialisieren unter der Herrschaft des Geldes. Hilferding glaubt, es bleibe sonst nur der Weg des Bolschewismus. Nein, die Ueberwindung des inter⸗ nationalen Kapitalismus, auf den die Regierung durch Annahme des Dawes⸗Planes ihren Stempel gesetzt hat, ist auch möglich durch die völkische Bewegung von innen her. Die Be⸗ Seenuc der Rheinlande würde nur eine Oberflächenbewegung sein. estehen bleiben würde die Fessel, die uns das internationale Kapital anlegt. Die deutschen „Industriekapitäne“ führen ihr Schiff nur nach dem Kurse, der ihnen von London und New York vorgeschrieben wird. Dieselbe Bedeutung hat auch der internationale Eisenpakt. Wir haben nichts übrig für den sogenannten euro⸗ päischen Gedanken. Wir haben nur das Ziel: ein freies Deutsch⸗ land, das aus sich selbst frei wird.
Abg. Freiherr von Freytagh⸗Loringhoven (D. Nat.): Im Namen meiner sämtlichen politischen Freunde — ich betone Pneg — habe ich die Erklärung abzugeben, daß die gestrigen Ausführungen des Herrn Ministers des Auswärtigen nicht geeignet gewesen sind, uns in dem von Dr. Hoetzsch ausgesprochenen Urteil über die Erfolglosigkeit der mit den Namen Thoiry und Locarno bezeichneten Politik irgendwie zu erschüttern. Es steht fest, daß im Anschluß an die Besprechungen von Thoiry Hoffnungen und Er⸗ wartungen geweckt worden sind, die keine ee gefunden haben, und die Enttäuschung darüber im deutschen Volke ist sehr viel tiefer und allgemeiner, als die parteipolitisch gebundene erkennen läßt. Wir können den Minister selbst von einer Schuld daran nicht freisprechen, insbesondere auch nicht von dem Vorwurf, daß er erst am 2. Oktober einen Versuch gemacht hat, diese Hoffnungen abzuschwächen. Wenn er von vornherein voraussah, daß die Ver⸗ handlungen von Thoiry sich über Monate, oder vielleicht gar über einige Jahre hinziehen würden, weshalb hat er es dann unter⸗ lassen, wenigstens inzwischen für die besetzten Gebiete diejenigen Erleichterungen auszuwirken, die nach wiederholten offiziösen Stimmen damals in Genf zu haben waren? Im Ausschuß für die
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bggeseen Gebiete haben gestern die Regierungsvertreter nichts auf die schweren Anklagen erwidern können, die aus der Mitte des Ausschusses erhoben wurden. Soll das Rheinland warten, bis das Phantasiegebilde von Thorry Wirklichkeit wird? Durch die Bezeichnung Phantasiegebilde wird, wie Dr. Stresemann glaubt, Pia Politik erschwert. Ja, liest er denn nicht die französische Presse, die ganz andere Hoffnungen an Thoiry knüpft als er? Ebensowenig haben uns die Ausführungen des Außenministers über die Militärkontrolle und die Investigation befriedigt. Wir bedauern, daß er sich nicht zu den klaren Forderungen bekannt at, wie sie unser Fraktionsredner Dr. Hoetzsch gestern formuliert 8 Nach unserer Ueberzeugung handelt es sich bei der Investigation nicht um Einzelfälle, wie der Minister behauptete, sondern der Völkerbund hat ein ganzes System von Investigationen aufgebaut, das weit über die Bestimmungen des Versailler Vertrages hinaus⸗ geht. Artikel 213 dieses Vertrages sieht nur Untersuchungen in Einzelfällen vor, wenn Anlaß zur Beschwerde vorzuliegen scheint. Der Investigationsbeschluß des Völkerbundes baut da⸗ gegen eine ganze Ordnung auf, an deren Spitze der Rat steht, an der der Militärausschuß des Völkerbundes beteiligt ist und an der eine Reihe von Unterausschüssen mitarbeiten. Für jedes Jahr soll ein Investigationsprogramm ausgearbeitet werden, das je nach den Bedürfnissen noch weiter ausgebaut werden kann. Es bleibt die Tatsache, daß heute über uns das Damoklesschwert der Investigationsordnung schwebt. Hier sind keine Verhand⸗ lungen über Einzelheiten angebracht, sondern die Investigations⸗ ordnung muß als solche aufgehoben werden. Ich kann mir nicht denken, wie der Minister des Auswärtigen an der Genfer Tagung teilnehmen kann, auf deren Tagesordnung die Wahl des Vor⸗ sitzenden dieser Investigationskommission steht. Der Redner wendet sich gegen die Erklärung des Ministers über das Ver⸗ halten des deutschen Botschafters in Washington in der Flaggen⸗ frage. Es geht nicht an, daß der Waffenstillstandstag als etwas Getrenntes angesehen wird in Warschau, London und Washington. Der Hinweis auf den amerikanischen Unabhängigkeitstag kann nicht zugunsten des Botschafters von Maltzahn herangezogen werden. Der deutsche Botschafter hätte vielmehr auf das deutsche Nationalgefühl Rücksicht nehmen müssen. (Sehr richtig!) Uns liegen auch Nachrichten vor, daß der deutsche Gesandte in Warschau sich an einem Teil der Waffenstillstandsfeierlichkeiten beteiligt hat. Wir bitten den Minister, dazu Stellung zu nehmen. Wir stellen fest, daß Verständigungsgespräche mit Frankreich nur unter voller Anerkennung der Gleichberechtigung und voller Wahrung der Lebensinteressen Deutschlands möglich sind. Wir müssen vom Minister des Auswärtigen verlangen, daß er bei seinen Verhandlungen dessen eingedenk ist, daß Deutschland ein am Boden liegendes, aus tausend Wunden blutendes und bis auf das Mark ausgesogenes Volk ist. Ueber die Völkerbunds⸗ politik als solche wird die deutschnationale Fraktion bei gegebener Gelegenheit, voraussichtlich bei der Beratung des letzten Nach⸗ tragsetats, Stellung nehmen. Ich stelle fest, daß wir den Eintritt Deutschlands in den Völkerbund bekämpft haben auch noch, als der Beitritt vollzogen ist. Aber wir können uns als Politiker nicht den Luxus erlauben, an Tatsachen vorüberzugehen, besonders wenn sie auf außenpolitischem Gebiet liegen. Wir sind deshalb entschlossen, aus unserer Mitgliedschaft zum Völkerbund alles herauszuholen, was zugunsten Deutschlands herausgeholt werden kann. Uns scheint gerade, daß auf dem Gebiet der Kriegsschuldfrage zugunsten Deutschlands etwas erreicht werden kann, nachdem sich gezeigt hat, daß auf diplomatischem Wege bei den bisherigen viermaligen Versuchen der deutschen Regierung in dieser Frage nichts zu erreichen war. Wir sind der Ueber⸗ zeugung, daß ein weiteres Vorgehen der Regierung auf diesem Wege keinen Erfolg haben kann. Für die Erörterung der schwierigen juristischen Frage der Kriegsschuld, die wir in unserer Interpellation fordern, ist allerdings das Plenum des Völker⸗ bundes nicht der geeignete Boden. Dagegen erscheint uns der internationale Gerichtshof des Völkerbundes dafür geeignet, der in den fünf Jahren seines Bestehens keinen 1ns zu Bean⸗ gegeben hat. (Zuruf bei den Sozialdemokraten:
nd Mossul?) In der Mossul⸗Frage hat er nur ein übrigens ein⸗ wandfreies Gutachten erstattet, die Entscheidung hat der Völker⸗ bundsrat gefällt. Die Anrufung des Gerichtshofes ist in diesem Fall möglich, da mindestens vier unserer ehemaligen Kriegsgegner die Verpflichtung zur Inanspruchnahme des “ schon unterzeichnet haben. Vielleicht kann man auf Grund der Locarno⸗ Verträge den E“ anrufen. Er kann übrigens nur eine Rechtsfrage entscheiden. Um eine solche handelt es sich aber hier, denn auf die deutsche Kriegsschuld gründet man die finanziellen Forderungen gegen uns. (Zustimmung bei den Deutschnationalen.)
Reichswehrminister Dr. Geßler nimmt hierauf das Wort. Seine Rede wird nach Eingang des Stenogramms veröffentlicht werden.
Abg. Dr. Wirth (Zentr.) bedauert, daß die Debatten im Auswärtigen Ausschuß nicht in vollster Oeffentlichkeit geführt werden können. IFch widerspreche, so führt er weiter aus, gar nicht der Art und Weise, wie Abg. Dr. Hoetzsch diese Dinge hier be⸗ handelt hat. Wir schätzen in ihm den fleißigen Bearbeiter der Außenpolitik. Wir sollten endlich dazu übergehen. klar, mitunter auch leidenschaftlich die außenpolitischen Dinge so zu sehen, wie sie vom Kollegen Hoetzsch gesehen werden, aber einen Begrif müssen dann die Herren von rechts aus der Debatte ausscheiden: den Be⸗ griff der „nationalen Opposition“, nicht den Begriff der Opposition überhaupt: Opposition ist immer nötig. Den Begriff der natio⸗ nalen Opposition gibt es im parlamentarischen System nicht. Das Wort „national“ wird ja nie so oft gebraucht und mißbraucht wie gerade in Deutschland. (Lebhaftes Sehr richtig! in der Mitte und links.) Für uns dreht es sich um die Herausarbeitung einer wirk⸗ lichen Opposition. Meine theoretischen Ausführungen richten sich sowohl nach links wie auch nach rechts; und ich hätte gewünscht, daß auch die Mitte einmal eine Opposition getrieben hätte. Wenn nun die Opposition dann aber in die Regierung will, so muß sie ihre Politik dort auch durchsetzen. Der Appell, das Wort „natio⸗ nale Opposition“ nicht zu gebrauchen, scheint mir deshalb ange⸗ bracht zu sein. Aus der Rede des Vorredners ergibt sich auch, daß das Wort von der „nationalen Opposition“ gar nicht angebracht ist. Das gilt besonders bezüglich des deutschnationalen Antrags in der Kriegsschuldfrage. Diese Frage ins Rollen zu bringen, ist die Aufgabe des ganzen deutschen Volkes. (Lebhafte Zustimmung in der Mitte und links.) Aber kein Augenblick ist ungünstiger für diesen Vorstoß als der jetzige. Der Vorredner hat felb zugegeben, daß in England jetzt geplant wird, die Dokumente Sea e gcber die den Beginn des Krieges und die damalige Haltung Englands beleuchten sollen. Wenn man über diese Frage nachdenkt, dann kommt man zu dem Schluß, daß es besser Febeles wäre, mit einem solchen Antrage jetzt zurückzuhalten. (Widerspruch rechts.) Wenn die Sozialisten diesen Antrag nicht mitgemacht haben, dann erweisen sie damit vielleicht der Nation einen größeren Dienst, als wenn sie den Antrag miteingebracht hätten. Es ist deshalb ge⸗ rechtfertigt, den Begriff der nationalen Opposition nicht auf⸗ kommen zu lassen. Der Hoetzsch hat einige Bemerkungen über eine politische und Kulturbewegung gemacht, die mich eigenartig berührt haben. Er hat mit gewisser Geringschätzung von Pan⸗ europa und anderen Bewegungen gesprochen. Ich bin der
(Fortsetzung in der Ersten Beilage.)
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Deutsches Reich. 8
der Kurzarbeiter⸗
Exequaturerteilung.
Anordnung über weitere Verlängerung fursorge.
Bekanntgabe der amtlichen 24. November 1926.
Bekanntmachung, betreffend unternehmen.
Bekanntmachung, betreffend Barablösung von Markanleihe⸗ kleinbeträgen alten Besitzes des Landes Anhalt.
Großhandelsindexziffer vom
ein privates Versicherungs⸗
Preußen. Ernennungen und sonstige Personalveränderungen.
Deutsches Reich.
Dem Konsul der Dominikanischen Republik in München Dr. Theodor Omeis ist namens des Reichs das Exequatur erteilt worden. “
Anordnun über weitere Verlängerung der Kurzarbeiterfürsorge.
Vom 25. November 1926.
Auf Grund der §8§ 10 Abs. 1 und 43 der Verordnung über Erwerbslosenfürsorge vom 16. Februar 1924 (RSBl. I. S. 127) ordne ich mit Zustimmung des Reichsrats und nach Benehmen mit dem Verwaltungsrat des Reichsamts für Arbeitsvermittlung an:
Artikel I.
Die Geltungsdauer der Anordnung über Kurzarbeiterfürsorge vom 20. Februar 1926 (7GBl. I S. 105) wird bis zum 31. März 1927 verlängert.
Artikel 2.
Diese Anordnung tritt am 27. November 1926 in Kraft. Berlin, den 25. November 1926. Der Reichsarbeitsminister. Dr. Brauns.
““
Die amtliche Großhandelsinderziffer vom 24. November 1926.
Die auf den Stichtag des 24. November berechnete Groß⸗
handelsindexziffer des Statistischen Reichsamts ist gegenüber dem
16 November um 0,9 vH auf 130,6 zurückgegangen. Von den
Hauptgruppen haben die Agrarerzeugnisse auf 134,6 nachgegeben,
während die Industriestoffe leicht auf 123,1 angezogen haben.
Berlin, den 25. November 1926. 6
Statistisches Reichsamt. J. V.: Dr. Platzer.
1
Bekanntmachung.
Die Palatine Insurance Company, Limited in London hat an Stelle ihres verstorbenen Hauptbevollmächtigten Herrn Adolf Mengers in Hamburg Herrn Otto Friedrich Christoph Bertram in Hamburg, Mönckebergstraße Nr. 13, zu ihrem Hauptbevollmächtigten für das Deutsche Reich bestellt (vgl. die Bekanntmachung vom 17. Februar 1908 im Reichs⸗ anzeiger Nr. 46 vom 22. Februar 1908). 88
Berlin, den 22. November 1926.
blösung von Markanleihekleinbeträgen alten Besitzes des Landes Anhalt.
Auf Grund des § 42 der Verordnung über die Durch⸗ führung des Anleiheablösungsgesetzes vom 7. Auli 1926 (Gesetzsamml. S. 45) wird nachstehendes Angebot veröffentlicht:
1.
„Stücke der 4 % igen Anhaltischen Staatsanleihe von 1919 alten Besitzes im Gesamtwerte von weniger als 500 GM. (entsprechend einem Gesamtnennbetrage von höchstens 1200 ℳ) werden auf Antrag mit je 2 RM’ für je 100 ℳ Nennwert abgelöst. Soweit derartige Stücke als Spitzenbeträge der zum Umtausch eingereichten und als
“
auslosungsberechtigt anerkannten Staatsanleihe alten Besitzes ver⸗ bleiben, wird ihre Barablöfung auch ohne besonderen Antrag von der Anhaltischen Staatsschuldenverwaltung vorgenommen, sofern nicht der Anleihegläubiger einen gegenteiligen Wunsch der Staatsschuldenver⸗ waltung gegenüber ausspricht. Dabei werden für je 50 ℳ Nennwert je 1 RM gezahlt. 8
Im Inland wohnende Anleihegläubiger deutscher Reichs⸗ angehörigkeit, die 4 % ige Anhaltische Staatsanleihe von 1919 alten Besitzes im Gesamtwerte von weniger als 500 GM haben, erhalten auf Antrag
a) bei Bedürftigkeit eine Barablösung in Höhe von 6 RM für je 100 ℳ Nennwert, sofern ihr Einkommen im Jahre 1925 den Betrag von 800 RM nicht überstiegen hat,
b) eine Barablösung in Höhe von 3,20 RM für je 100 ℳ Nennwert, sosern ihr Einkommen im Jahre 1925 den Betrag von 1500 RM nicht überstiegen hat
Hat ein Anleihegläubiger der im Absatz 1 gedachten Art von
der genannten Anleihe Altbesitz im Gesamtwerte von mehr als 500,
p
aber weniger als 1000 GM, so finden auf den 500 GM über⸗ steigenden Betrag die Vorschriften des vorstehenden Absatzes An⸗ wendung, während der Teilbetrag von 500 GM zum Umtausch in Ablösungsanleihe bet einer Vermittlungestelle anzumelden ist. (Ver⸗ ordnung über die Durchführung des Anleiheablösungsgesetzes vom 7. Jult 1926.)
Für die Entscheidung- üͤber die Bedürftigkeit und für die Be⸗ rechnung des Einkommens gilt § 19 des Gesetzes über die Ablösung öffentlicher Anleihen vom 10. Juli 1925 (-RGBl. 1, Seite 137).
III.
Die Anträge auf Barablösung können nur innerhalb einer Aus⸗ schlußfrist vom 1. Dezember 1926 bis einschließlich 31. März 1927 bei der Anhaltischen Staatsschuldenverwaltung, Altbesitz⸗Prüfstelle in Dessau, geltend gemacht werden.
Gläubiger
Antragsberechtigt ist der Anleihen.
Der Antragsteller hat im Antrage seinen Wohnort, den Nenn⸗ betrag der abzulötenden Anleihe und, soweit eine Barablösung nach Ziff. II begehrt wird, auch seine Staatsangehörigkeit, sowie die Höhe seines Einkommens anzugeben. Soweit die Einkünfte den Betrag von 800 RM übersteigen und eine Barablösung von 6 RM für je 100 ℳ Nennbetrag beantragt wird, ist zu begründen, weshalb einzelne Teile des Einkommens außer Ansatz zu bleiben haben (§ 19 Abs. 2 des Anleihe⸗Ablösungsgesetzes).
Den Anträgen sind die Stücke (Mäntel und Zinsscheinbogen nebst Zinserneuerungsscheinen), eine Altbesitzbescheinigung und bei Anträgen gemäß Ziff. II auch eine Bescheinigung über die Höhe des Ein⸗ kommens im Kalenderfahr 1925 beizufügen. Soweit für Stücke, die zur Geltendmachung der Rechte des Anleihebesitzes an anderer Stelle eingereicht sind, die Barablöfung gemäß Ziff. I1 begehrt wird, ist die Stelle genau zu bezeichnen.
IV.
Dem Anleihegläubiger steht gegen den ablehnenden Bescheid der Staatsschuldenverwaltung innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Bescheids die bei der Staatsschuldenverwaltung einzulegende Be⸗ chwerde an das Staatsministerium zu, das ordentlichen Rechtswegs endgültig entscheidet.
Dessau den 20. November 1926. 88—
Anhaltisches Staatsministerium. Dr. Weber.
der bar abzulösenden
Preußen.
Die Rentm eisterstelle bei der staatlichen Kreiskasse in
Hünfeld, Regierungsbezirk Cassel, ist sofort zu besetzen.
Nichtamtliches. Deutsches Reich. 8
Der Reichsrat genehmigte in seiner gestrigen öffentlichen Vollsitzung die Satzung sänderung der Bayerischen Handels⸗ bank in München (Kapitalserhöhung) und nahm nach dem Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger einen Gesetzentwurf an über das zwischen der deutschen und der französischen Regierung und der Regierungskommission des Saargebiets vereinbarte Protokoll vom 14. September 1926 über die Regelung des Arbeiterverkehrs an der deutsch⸗saarländischen Grenze. Der Reichsrat erklärte sch sodann mit einer Verlängerung der Kurzarbeiter⸗ ürsorge bis zum 31. März 1927 einverstanden und genehmigte die Gesetzentwürfe zur Aenderung des Be⸗ satzungspersonenschädengesetzes sowie betreffend die Vergütung der Besatzungsleistungen und Vermögens⸗ schäden (Besatzungsleistungsgesetz). Der erste Gesetzentwurn regelt die Personenschäden in einer für die Betroffenen vieltach günstigeren Weise, als es bisber der Fall war. Der zweite Gesetzentwurf regelt die Sachschäden. Einem Wunsche des Reichstags entsprechend hat die Regierung “ 6 v
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unter Ausschluß des
den zweiten
Entwurf aufgestellt, der alle jetzt geltenden Vorschriften in ein Gesetz zusammenfaßt und so die Rechtslage übersichtlicher gestaltet. Der Entwurf hat also in erster Linie kodifikatorische Bedeutung, ins⸗ berondere verwertet er die Ergebnisse der bisherigen Rechtssprechung. Daneben ändert der Entwurf das geltende Recht in einzelnen Be⸗ stimmungen ab. §1 enthält den Grundgedanken des Gesetzes. Ver⸗ gütet wird jeder Vermögensnachteil, der einem Geschädigten durch eine unmittelbar gegen ihn gerichtetete Anforderung oder Beschlagnahme sertens der Besatzung für Zwecke der Besatzung entsteht. Ver⸗ gütet wird weiter jeder sonstige, also nicht in einer An⸗ forderung oder Beschlagnahme bestehende, unmittelbar gegen den Geschädigten gerichtete Eingriff der Besatzung. Ver⸗ gütet wird endlich jede Aufwendung zur Minderung eines zu vergütenden Vermögensnachteils. Die weiteren Bestimmungen regeln zunächst das materielle Entschädigungsrecht. Die Reichsrats⸗ ausschüsse haben diesen materiellen Vorschriften im allgemeinen zuge⸗ stimmt. Nur zwei sachliche Aenderungen wurden vorgenommen. Einmal erschien es den Ausschüssen nicht angezeigt, auch der Vor⸗ schrift des Entwurfs zuzustimmen, die im Gegensatz zu der Recht⸗ sprechung des Reichswirtschaftsgerichts einen Schadensersatzanspruch dann ausschließt, wenn die Inanspruchnahme eines Grundstücks durch die Besatzung den Eigentümer am Verkauf des Grundstücks ver⸗ hindert und er dadurch Schaden erleidet. Ferner führt § 16 des Ent⸗ wurfs eine allgemeine Härtebestimmung neu ein, die dem Reichs⸗ minister für die besetzten Gebiete die Möglichkeit gibt, auch da Ver⸗ gütung zu gewähren, wo die Vorschriften des Entwurfs versagen und dieses Versagen zu einer besonderen Härte für den Betroffenen führt. Diese Härtebestimmung hat die Zustimmung der Ausschüsse gefunden, sie haben es aber für erforderlich erachtet, der Befugnis des Reichsministers für die besetzten Gebiete einen weiteren Rahmen zu geben, als der Entwurf vorsah.
Der Entwurf wurde in der Ausschußfassung angenommen.
Der Reichsrat stimmte einem Gesetzentwurf zur Ab⸗ än derung der Wechselordnung zu.
Nach der Wechtelordnung müssen Wechtelproteste erhoben werden entweder von einem Notar oder einem Gerichtsbeamten oder einem Postbeamten. Die Post muß nun für diesen Zweck Hilfskräfte ver⸗ wenden, und es joll jetzt ausdrücklich bestimmt werden, baß der Post⸗ protest auch durch Hilfsbeamte erfolgen kann. Die Haftung der Post wird dadurch nicht geändert. Dem § 87 der Wechselordnung wird folgender Satz hinzugefügt: „den Postbeamten stehen solche Personen gleich, denen von der Postverwalkung die Aufnahme von Protesten übertragen wird“.
Die deutsch⸗französische Vereinbarung über den Austausch von Erzeugnissen einiger deutscher und saarlän⸗ discher Industrien, der deutsch⸗polnische Vertrag zur Regelung der Grenzverhältnisse und das Abkommen über den gegenseitigen Eisenbahnverkehr zwischen Deutschland einerseits, Polen und Danzig andererseits wurden nach ihrer Annahme durch den Reichstag nunmehr vom Reichsrat endgültig mit der Formel „Kenntnisnahme ohne Einspruch“ verabschiedet.
Deutscher Reichstag. 237. Sitzung vom 24. November 1926. Nachtrag.
Die Rede, die der Reichswehrminister Dr. Geßler im Laufe der fortgesetzten Aussprache über die auswärtige Politi
gehalten hat, lautet nach olgt:
Meine Damen und Herren! Ich habe auf Wunsch vor allem des Herrn Reichsaußenministers mir das Wort erbeten, und zwar zu der Erklärung, die heute der Vorstand des Jungdeutschen Ordens abgegeben hat: „Die Kriegsdesperados oder was Mahraun Geßler mitgeteilt hat“. Ich habe dieses Elaborat sorgfältig durch
dem vorliegenden Stenogramm, wie
gelesen. Zunächst stehen darin Vorgänge ans dem Jahre 1923,
und zwar heißt es:
Bereits 1923 wurde auf ganz ähnlichem Wege versucht, die
aktivistischen Kräfte der nationalen Bewegung zu einem Ueber⸗
fall auf die französischen Besatzungstruppen zu veranlassen. Weiter heißt es:
Im Mittelpunkt dieser Aktion stand damals ein auch in der
nachrevolutionären Nachkriegszeit viel genannter General. Herr Mahraun meint, das habe er uns mitteilen müssen. Der General, auf den dort angespielt wird, ist der General von Watter. Er gehört zu denjenigen, vor dem ich hier im Reichstage im Jahre 1922 gewarnt habe, indem ich auf die Verrückten hingewiesen habe, die wir in Deutschland in dieser Zeit in so zahlreichem Maße ge⸗ habt haben. (Zuruf links: Er war schon 1920 verrückt! — Heiter⸗ keit.) — Richtig, jedenfalls war er schon im Jahre 1920 so. Das war der Grund, warum wir ihn dortmals gleich nach dem Kapp⸗ Putsch vom Kommando abgelöst und verabschiedet haben. (Leb- hafte Zurufe von der äußersten Linken.) Verzeihen Sie, wir haben ihn auch ö Zuru e: Na s
“