für den Vorwurf gegen nationale und völkische So haben Sie auch in einem Falle Dr Dietz herangezogen, einen Mann, der wegen schweren Landesverrats hinter Kerkermauern schmachte. (Abgeordneter Peters⸗Hochdonn Soz.] ruft: Sie gehören hinter Kerkermauern! und erhalt dafür einen Ordnungsruf — Abgeordneter Riedel [Tem.]: Wulle sagt trotzdem die Unwahrheit!) Sie, Herr Riedel, wirken, nachdem Sie neulich eine moralische Ohrfeige bekommen haben, nur noch lächerlich⸗
Abg. Kuttner (Soß.) polemisiert gegen den Abg. Wulle, dem bekannt sei, daß Dr. Dietz nicht „wegen schweren Hochverrats hinter Kerkermauern“, sondern wegen des Verdachts des Landes⸗ verrates in Untersuchungshaft sitze (hört, hört! links). Dabei sei 81, bis heute nach nichts nachgewiesen worden. Obwohl die
jache schon monatelang schwebte, habe erst im September der Oberreichsanwalt ganz plötzlich Fluchtverdacht für vorliegend er⸗ achtet und Dr. Dietz verhaftet. Das sei derselbe Ober⸗ reichsanwalt, dem offenbar Herr Wulle sein Material verdanke. (Zurufe bei den Völkischen. — Abgeordneter Meier⸗Berlin [Soz.] erhält einen Ordnungsruf wegen be⸗ leidigender Zurufe gegen die Völkischen). Eine zuverlässig völkische Gesinnung sei nach der nensche des Herrn von Lu⸗ weiffellos notwendig für die Einstellung in die Reichswehr. Herr zieck habe geglaubt, die Angelegenheit über die Waffenlieferung ans Rußland ins Lächerliche zu ziehen. Der Redner verliest einen Brief der Kommerz⸗ und Industriebank in Moskan, der offiziellen russischen Staatsbank, aus dem hervorgeht, daß eine Gesellschaft zur Förderung der gewerblichen Unternehmungen in Moskau ersucht wird, der Dresdner und Darmstädter und Nationalbank in Berlin beauftragen zu wollen, alle Dollarbeträge, welche an die genannten Banken auf laufende Rechnung der Gesellschaft ein⸗ gezahlt werden, künftig über die Equitable Trust Company in New NYork leiten zu wollen zwecks Zinsenersparnis. Daraus gehe hervor, daß die Gesellschaft zur Förderung gewerblicher Unternehmungen dauernd Zahlungen an die russische Staatsbank leiste, und daß diese Zahlungen sehr erheblich sein müßten, da der Zinsenverlust eine Rolle spiele. Die Gesellschaft zur För⸗ derung gewerblicher Unternehmungen (Gefu) hat in der Tat ein Konto bei der Dresdner und bei der Darmstädter und National⸗ bank. Verfügungsberechtigter ist Oberst Dr. Buchholz, Leiter der Pionierabteilung und des Munitionslagers der Reichswehr, zweitens Major Spangenberg, Ministerialamtmann der Waffen⸗ und Munitionsabteilung der Reichswehr. (Lebhaftes Hört, hört! bei den Sozialisten — Unruhe und Zwischenrufe bei den Kommunisten.)
Abg. Maretzky (D. Nat.) erklärt, der Minister habe sich entschuldigen müssen. Von dem großen Belastungsmaterial, von dem immer gesprochen werde, könne also wirklich keine Rede sein. Nicht der Oberreichsanwalt, auch der Staatsgerichtshof der Re⸗ bublik habe das Material nicht als stichhaltig ansehen können. Das Material richte sich nicht gegen Verbände. Es beruhe nur auf gelegentlichen Aeußerungen, die sofort desavouiert worden seien. Der Minister fordere Loyalität. Wie vereinigt er es mit Loyalität, wenn Verstöße der Linksverbände als harmlos bezeichnet werden. Der Staatsgerichtshof habe ja auch sein Erstaunen ausgesprochen, daß gegen Geländeübungen, die bei den Linksradikalen vorkommen, nicht in gleicher Weise vorgegangen werde. Es sei nur zu wünschen, daß der Hieb des Staatsgerichtshofes sitze und beim Minister des Innern die rechte Beachtung finde. Der Minister stütze sein Berbot auf das Gesetz zur Ausführung des Friedens⸗ verkrages, trotzdem die Verbände, wie ihre Satzungen zeigen, lediglich eine geistige Vorbereitung pflegen. Man vergesse doch auch nicht, daß dieser Friedensvertrag in der schamlosesten Weise uns abgepreßt ist. Leider wurde der Minister unterstützt von der gesamten Linken. Unerhört sei die Erklärung des Ministers, im gleichen Falle werde er die gleichen Maßnahmen ergreifen!
Abg. Dr. Schwering (Zentr.) erklärt, das Entscheidende sei, daß doch ein Hochverratsverfahren gegen Justizrat Claß heraus⸗ gekommen sei, daß man also doch einen gefaßt habe. Unter dem alten System würde man ganz anders zugegriffen haben. In der Zeit des Kulturkampfes seien Hunderte von Haussuchungen bei Katholiken veranstaltet worden. (Sehr wahr! im Zentrum.) Sehr loyal sei es gewesen, daß der Minister die Nennung des Namens des Staatssekretärs Meister vermieden habe, der sich der Veranwortung entzogen habe. Wenn man in die Mentalität der Wehrverbände eindringen wolle, müsse man die Denkschrift über Wiking und Olympia genau studieren. Wenn man in den Geist der Denkschrift eindringe, dann müsse sich die Staatsregierung sagen: Hier müsse etwas geschehen! Das Programm des Herrn Ehrhardt sei doch klar: Er wolle das Parlament durch das Parlament besiegen, d. h. er wolle die Verfassung umstürzen! Herr Borck hätte angesichts der Beratungen in Genf sich seine Angriffe sparen sollen: diese ganze Debatte sei gerade jetzt wenig angebracht. Ein „Krümpersystem“ habe man wohl in der Zeit der Postkutsche, nicht aber in der Zeit des Radio durchführen können. Was hätten die Sabotageakte nicht für Unglück über das Rheinland gebracht. Herr Stresemann habe jedenfalls den Nobel⸗ preis erhalten für Bestrebungen, die Zentrum, Demokraten und Sozialdemokraten längst propagiert hätten.
Abg. Beuermann (D. Vp.) warnt, hier vor dem Hause schwerwiegende Vorwürfe gegen die Reichsbehörden zu erheben, die sich nicht zu verantworten in der Lage seien. Leider sei eine Zurückweisung dieser Angriffe durch die Staatsregierung, wie es ihre Pflicht gewesen sei, nicht geschehen. Herr Schwering habe kein Recht, dem Kapitän Ehrhardt die politische Vergangenheit vorzuwerfen; Dr. Schwering, der noch 1920 für die Monarchie gesprochen habe, sei der letzte, der das tun dürfte. Herr Schwering sollte auch vorsichtiger in Angriffen gegen Staatssekretär Meister sein. Dieser habe nicht die Verantwortung für die Gesamt⸗ aktion zu übernehmey. Bisher habe in der Debatte der Innen⸗ minister keine glückliche Hand gehabt. Er habe mehrfach gewarnt, in schwebende Verfahren einzugreifen, dann habe er das durch die Denkschrift selbst getan. Er habe auch gewarnt, Geheimnisse des Staates preiszugeben und habe es dann selber durch die Mitteilung des für ihn merkwürdig ausgefallenen Schriftwechsels mit dem Oberreichsanwalt und dem Reichsjustizministerium getan. Der Redner wünscht in Sachen der verbotenen Organisa⸗ tionen, daß die preußische Regierung im Interesse der Staats⸗ autorität sich nicht in Gegensatz zum Spruch des Obersten Gerichtshofes setzen möge. Wenn der Staatsgerichtshof auch in der Berufung freispreche, müsse im Interesse der Würde des Staates die Regierung den Mut haben, die Folgen zu ziehen.
Abg. Obuch (Komm.) betont, der Hochverrat der Rechten 1923, Ludendorffs, der Schwarzen Reichswehr usw. sei heute nicht mehr abzuleugnen. Trotzdem habe der Oberreichsanwalt nichts dagegen unternommen. Er hätte auch gegen Claß nichts getan, wenn ihm nicht vom Landsberger Schwurgericht die Akten, aus denen der dringende Verdacht sich ergab, zugeschickt worden wären. So charakterisiere sich der Oberreichsanwalt mit seinen Beamten, die vielfach noch aus der wilhelminischen Zeit in Leipzig thronten, als zuverlässiges Bollwerk der Hochverräter von rechts (Zu⸗ stimmung bei den Kommunisten). Man müsse die Frage auf⸗ werfen, wieweit im Mai 1926 der Hochverrat der Rechten unter Einbeziehung der Person des Reichspräsidenten gediehen sei. Claß habe in Briefen an den Kaiser den Namen Hindenburgs mehrmals erwähnt und einmal davon gesprochen, daß Hindenburg der Wiederaufrichtung der Monarchie noch nicht das nötige Ver⸗ ständnis entgegenbringe (lebhaftes Hört, hört! bei den Kom⸗ munisten). Claß selbst soll an den Major von Hindenburg ge⸗ chrieben haben. Der Vorsitzende des Rechtsausschusses habe die Mitteilung erhalten, daß der Brief, den Major von Hindenburg
walten habe, tatsächlich nicht von Claß, sondern von Major
Sodenstern geschrieben worden sei. Auf diese Weise sei die Be⸗ einflussung Hindenburgs versucht worden. Im März 1926 habe Mahraun erklärt, Hindenburg habe nach Ansicht nationaler Kreise sich nur erst auf dem glatten parlamentarischen Boden einge⸗ wöhnen wollen und sich im übrigen bereit erklärt, die Hochverräter von rechts zu unterstützen. Dies sei wahr. (Leb⸗ haftes hört, hört! bei den Kommunisten.) Das Büro des Reichs⸗ präsidenten habe sich mit Wissen des Reichspräsidenten dazu
Schwurzeugen Männer bedient.
am 9. d. M. die Beratung des
gegeben, die Post der Hochverräter ge chützt an englische Stellen zu befördern. (Hört! hört! bei den Kommunisten.) iese Post sei auch der Severing⸗Polizei bekannt geworden. Ministerpräsident Braun, der sich zu dieser Angelegenheit äußern müsse, sei mit einem solchen Dokument bei Hindenburg gewesen; erst dann habe der Reichspräsident sich entschlossen, das Vorgehen gegen die Hoch⸗ verräter zu gestatten. So erkläre sich auch, daß Oberst Friedrichs 48 Stunden vor der Polizeiaktion die bedrohten Leute habe warnen können. Die Durchsuchungen, die dann kamen, seien nicht als ein abgekartetes Spiel, ein Lug und Trug vor dem deutschen Volke gewesen. Aehnlich sei es beim Falle Seeckt ge⸗ wesen. Der Hohenzollernprinz sei zwar mit Wissen Seeckts ein⸗ gestellt worden, aber nur nach vorheriger Verabredung. Die Hintergründe waren die, daß Briand den liefern konnte, daß die Reichswehr um ein Vielfaches die vorgeschriebenen Waffenbestände überschritten habe. Briand verlangte von Strese⸗ mann Beweise dafür, daß er nun endlich im Geiste von Thoiry arbeiten wolle. Deshalb fiel Seeckt. Gegenüber der Behauptung des Reichswehrministers, daß keine Verbindung der Reichswehr mit Verbänden bestehe, verliest der Redner einen vom 10. Juli 1926 datierenden Brief der Abteilung A des Reichswehr⸗ ministeriums (Heeresleitung), den Herr v. Oertzen unterzeichnet hat. Der Brief ist „geheim“ und gerichtet an den Stahlhelm⸗ führer Major Düsterberg⸗Magdeburg und fordert diesen auf, zahlreiche Führer von Rechtsverbänden zur Teilnahme an strategi⸗ schen Kursen in das Reichswehrministerium zu schicken. (Hört, ört! bei den Kommunisten. — Zurufe rechts.) Ich weiß, daß der djutant des Kapitäns Ehrhardt auf der Publikumstribüne itzt und den Verhandlungen folgt. Er wird ebenso wie wir wissen, daß Ihre (nach rechts) Beschwerder nur parlamentarisches Theater sind. (Beifall bei den Kommunisten.)
Abg. Schön (Wirtschaftl. Vereinig.) glaubt, daß der Minister⸗ präsident Braun, als er über die Haussuchungsaktion vor dem gandtag gesprochen habe, von einem unteren Beamten falsch in⸗ formiert worden sei. Der Ministerpräsident müsse aber auch den Mut haben, dies jetzt zuzugeben und sich zu entschuldigen. Von den Sozialdemokraten sei behauptet worden, der Angeber Dr. Dietz käme von rechts. Ein Mann, der bisher in einer Bewegung tätig gewesen sei und dann bei der entgegengesetzten Be⸗ wegung denunziere, sei ein Lump. (Beifall rechts.) Im Femeaus⸗ schuß hätte sich herausgestellt, daß der frühere Sozialdemokrat Erd⸗ mann von Arbeitgeberverbänden Geld genommen habe. Diesen Mann hätten die Sozialdemokraten mit Recht abgeschüttelt. Man könne es niemandem von den Rechtsparteien verargen, wenn sie Herrn Dietz auch abschüttelten. Warum beständen denn diese natio⸗ nalen Verbände? Er erinnere an die Räuberbanden, die nach der Revolution durch die Lande gezogen sind. Deshalb eien die Bürgerwehren gegründet! Als sie ihre Schuldigkeit getan — da hieß es: Der Mohr kann gehen! Von der grundsätz⸗ lichen staatsrechtlichen Einstellung werde man niemand abbringen. Es gebe aber Parasiten; das seien Schädlinge am Volk! Das Vorgehen des Herrn Kuttner, als er darlegte, daß das Reichs⸗ wehrministerium Einzahlungen an die Sowjetrepublik gemacht habe, sei der reine Landesverrat (Sehr richtig! rechts. — Der Kedner wird zur Ordnung gerufen). Alles müsse bekämpft werden, das geeignet sei, den Staat zu ruinieren. Die bisherige Regierungspolitik habe den größten Stand, den Mittelstand, aufs äußerste geschädigt.
Abg. Dr. Körner (Völk.) erklärt, die monarchistischen Offiziere, die sich beim Kapp⸗Putsch der Regierung zur Verfügung stellten, hätten den 1e Undank der Regierung geerntet. Von Staatsfeindlichkeit könne bei den Völkischen nicht die Rede sein. Staatsfeindlich seien die, die Preußen zerschlagen wollten, diejenigen, die als Separatisten sich hervorgetan hätten, ferner die, die die Finanzhoheit Preußens und andere Hoheitsrechte preis⸗ gegeben haben. Seine Partei wolle ein starkes Preußen. Die Staatsform zu ändern, sei nach der versasfugg durchaus möglich. Die Völkischen würden jedoch eine völkische Republik einer jüdi⸗ schen Monaxchie vorziehen. Die Staatsform stehe jetzt nicht zur Diskussion. Bekämpft werden müsse nur, daß, wie bei Wicking und Olympia, die derzeitigen Machthaber Gesetz und Recht aus parteipolitischen Gründen brechen. Unter lebhasten Protesttund⸗ gebungen der Rechten schildert der Redner Fälle, in denen die Polizei bei Offizieren und bei Reichtagsabgeordneten das Post⸗ geheimnis verletzt habe.
Abg Milberg (D. Nat.) berichtet, daß auch seine Post kontrolliert worden sei. Z. B. habe in einem Bexricht an den Polizeipräsidenten von Berlin gestanden, ein Telegramm an Milberg habe nur eine Mitteilung der Fraktion enthalten. Der Redner verlangt Auskunft, mit welchem Recht die Polizei ihn beobachte. (Ein Regierungsvertreter erklärt, daß ihm der er⸗ wähnte Fall nicht bekannt sei.) Bei der ganzen Haussuchungs⸗ aktion sei nichts herausgekommen, weil gerade die besten Freunde des Staates, wenn auch vielleicht nicht der Staatsform, bei den Rechtsparteien wären. (Beifall rechts.) —
Abg. Pieck (Komm.) weist die Behauptung des Abg. Körner als unrichtig zurück, daß deutsche Generale nicht auf deutsche Arbeiter geschossen hätten. Er verweist auf die Erschießung der Matrosen im Marstall beim mitteldeutschen Aufstand und auf Vorgänge im Ruhrgebiet. Als er dabei herabsetzende Bemer⸗ kungen gegen General Ludendorff macht, machen die Völkischen erregte Zwischenrufe. Der Redner verlangt noch Zurückverweisung der Ankräge zur Haussuchungs⸗Angelegenheit an den Haupt⸗ ausschuß.
Darauf schließt die Aussprache.
In einer Reihe persönlicher Bemerkungen fübrs u. a. Abg. Heilm ann (Soz.) gegenüber dem Abg. Obuch (Komm.) aus, daß seiner Partei bis heute nichts über die Dinge bekannt ge⸗ wesen sei, die Obuch bezüglich des Reichspräsidenten ausgeführt hat. Nach Insormationen der Sozialdemokraten seien die kom⸗ Ausführungen tatsächlich auch ssch 3
Der kommunistische Antrag auf Rückverweisung der Materie an den Hauptausschuß wird gegen Antragsteller, Deutschnationale und Völkische abgelehnt. Gegen die gleichen Parteien und Deutsch⸗Volksparteiler findet der Ausschuß⸗ antrag Annahme, der die deutschnationale Große Anfrage wegen der Haussuchungen für erledigt erklärt. Die vor⸗ gesehene Beratung des Berichtes des Hauptausschusses ü ber die Typhusepidemie in Hannover und die Hilfsmaßnahmen für Hannover wird abgesetzt, weil dazu Wortmeldungen vorliegen.
Gegen 6 ¼ Uhr vertagt sich der Landtag auf Sonnabend 11 Uhr: Gewerbesteuer und Kleine Vorlagen.
Parlamentarische Nachrichten.
Der Haushaltsausschuß des Reichstags setzte zweiten Nachtragsetats für 1926 fort. Zunächst erstattete Abg. Dr. Schetter (Zentr.) den Bericht des Unterausschusses für A nleiheablösungs⸗ fragen. Im Eingang wurde zunächst festgestellt, daß die Be⸗ ratung der für die Anleiheablösungsfrage vorliegenden Anträge erst in einer späteren Sitzung des Haushaltsausschusses stattfinden soll. Redner gab dann dem Nachrichtenbüro des Vereins deutscher Zeitungsverleger zufolge eine Ueberlicht über die noch schwebenden Ablösungsanträge der verschiedenen Kategorien. Bis zum 30. Ok⸗ tober 1926 hätten 266 463 Personen zum ersten Male und rund 87 000 Personen zum zweiten Male Vorzugsrenten empfangen, das seien etwa 91 vH aller Berechtigten. Der Unterausschuß habe über Milderungen noch bestehender Härten beraten, eine Beratung, die sich zu bestimmten Anträgen verdichtet habe. Das Verfahren bei Erteilung von Vorzugsrenten sei insbesondere zu bürokratisch. Die Anerkennung der Bedürftigkeit müsse milder gehandhabt werden. Der Hauptpunkt sei die Frage gewesen, ob es möglich sei, durch Rückkauf oder Ablösung die Anleihe der mindestens 65 jährigen Leute auf das Reich zu übernehmen. Dem habe das Reichsfinansministeri
bei denen entsprochen die nicht mehr als
3000 Mark Jahreseinkommen und 10 000 Mark Vermögen hätten. Bisher sei aber nur in 1350 Fällen von dieser Verordnung Ge⸗ brauch gemacht worden. Der Ausschuß rege deshalb eine Ver⸗ besserung der Verordnung in der Richtung an, daß diesen alten Personen ihr e. zum Einlösungsbetrag des Auslösungsrechts abgekauft werde. Redner schilderte weiter, was die Regierung sonst bereits getan habe, um den Wünschen der Anleihealtbesitzer möglichst entgegenzukommen, u. a. . auf dem Gebiete der Rentenfürsorge. Er empfehle die Annahme der vom Unteraus⸗ schusse gestellten Anträge. — Die Beratung dieser Anträge wurde zurückgestellt. — Nunmehr erstattete Abg. Dr. Oberfohren D. Nat.) den Bericht über die Denkschriften, die vom
eichsfinanzministerium vorgelegt worden sind, wie über die Unterkunft der Reichsbehörden in Berlin, über die Tätigkeit des ET für Kriegsschäden, die Erläuterung der durch den Nachtrag eintretenden Ausgabeerhöhungen bzw. neuen Ausgaben und die Nachträge selbst sowie die dazu vorliegenden Anträge betreffs Unterbringung der zum 31. Dezember 1926 ge⸗ kündigten Angestellten des Reichsentschädigungsams und der anderen Abbaubehörden und betreffs Erhöhung der Zuschläge zum Grundgehalt bei den unteren und mittleren Besoldungsgruppen. Die Angelegenheit des Kaiserhofs sei inzwischen durch Fristablauf vorläufig erledigt. Die Nachtragsetats würden hoffentlich künftig nur auf die allkerwichtigsten und notwendigsten Dinge beschränkt werden. — In der Erörterung bemerkte Abg. Hergt (D. Nat.), aus der allgemeinen Finanzaussprache müßten eine Reihe von Fragen jetzt ausscheiden, z. B. der Finanzausgleich und der Dawes⸗Plan, über dessen Wirkung der neueste Bericht des Reparationsagenten erschienen sei. Dieser Bericht spreche zum ersten Male von einer Revisionsbedürftigkeit des Dawes⸗Plans. Die außerordentlich wichtige Frage müsse einmal gesondert in besonderer Sitzung behandelt werden. Die Weihnachts⸗ gratifikationen der Beamten machten vielleicht noch einen dritten Nachtragsetat für 1926 notwendig. Bei Beurteilung der über und wider Erwarten günstigen Entwicklung unserer Finanzen dürfe die Wirkung des englischen Beeag gesäeast a auf die Beschleuni⸗ gung der Ankurbelung unserer Wirtschaft nicht vergessen werden. Das Zurückbleiben der Umsatzsteuer und der Beförderungssteuer beweise, daß die Ankurbelung der Wirtschaft doch noch nicht alle Teile des Wirtschaftslebens ergriffen habe. Die gegenwärtigen Schwächen unserer Wirtschaft dürfe man nicht P 626 Millionen Reichsmark seien in diesem Etat 1926 lediglich aus einmaligen Quellen geflossen, die vermutlich nicht wiederkehrten. Dem Finanzminister sei sicher die Balancierung des Etats nicht leicht Das Anwachsen des Anleiheetats mache gleich⸗ he bedenklich. Der Redner beleuchtete die einzelnen Zwecke ieser Anleihen auf ihre etwaige Produktivität. Beanstanden wolle indessen seine Partei diese Ausgaben nicht. Die Denkschrift über die Grundsätze der Anleihe sei noch nicht vorgelegt. Der Optimismus des Finanzministers realisiere ssich hoffentlich für 1927. Der Reichsfinanzminister habe im Jahre 1926 mit seinem Etat gerade noch Glück gehabt. Reichsfinanzminister Dr. Reinhold erwiderte: Er stelle mit Freude fest, daß die Deutschnationalen zugeben, daß sie sich bei ihrer Kritik der Finanzpolitik des Ministers getäuscht haben und daß der Minister in allen wesentlichen Punkten gegenüber den Prophezeiungen der Deutschnationalen recht behalten habe, wobei er gern bereit sei, sich mit dem deutschnationalen Vorredner auf die Formel zu einigen, daß er Glück gehabt habe. Er erinnere aber den Vorredner daran, daß ja Friedrich der Große, der den Deutsch⸗ nationalen doch nehestehe, einmal gesagt habe, Generäle müssen „fortuna“ haben. Zur Ausübung eines verantwortungsvollen Amts sei eben unbedingt Verantwortungsfreudigkeit notwendig. Man müsse in einer richtigen Stunde den Mut haben, einer günstigen Entwicklung die Hand zu bieten. Der Minister wisse wohl, daß, wenn die Sache dann schlecht ausschlage, dem verant⸗ wortungsfreudig Handelnden vorgeworfen werde, er sei leicht⸗ sinnig gewesen, und wenn sie gut ausschlage, daß dann gesagt werde, der verantwortungsfreudig Handelnde habe nur Glück gehabt. Jedenfalls sei es dem Minister willkommen, daß er sich nunmehr mit den Deutschnationalen auf die Formel geeinigt habe, er habe Glück gehabt. Ueber die Finanzgebarung des letzten Etatsjahres äußerte sich der Minister dahrn, daß es ihm gelungen sei, zum Zwecke der Wiederankurbelung der deutschen Wirtschaft die öffentlichen Lasten hevabzusetzen. Auch der Bericht des Gene⸗ ralagenten für Reparationen sage über diese Maßnahme aus, daß die Steuersenkung des Frühjahrs für die deutsche Wirtschaft sehr produktiv gewesen sei. Darüber hinaus habe aber der Minister dafür gesorgt, daß die Mittel, die sich regelmäßig in den öffentlichen Kassen anzusammeln pflegten, und sonst lediglich dazu dienten, um als Tagesgelder ausgeliehen zu werden, was zur Folge hätte, daß diese Mittel in beträchtlicher Höhe zur Börse flössen — daß diese Mittel nunmehr in produktive Arbeit verwandelt würden. Abdaßthen von der Finanzierung vieler anderer Arbeitsgelegen⸗ heiten sei dadurch auch in wesentlichem Maße der Arbeitslosigkeit gesteuert worden. Schließlich sei mit diesen Mitteln auf dem Wege über die Exportkreditversicherung die Ausfuhrmöglichkeit Deutsch⸗ lands nicht unbeträchtlich gehoben worden. Zur Etatslage des Jahres 1927 und 1928 äußerte sich der Minister dahin, daß die Lage außerordentlich angespannt sei. Auf die Dauer könne die deutsche Wirtschaft eine derartige Ueberbürdung mit Lasten nicht vertragen. Wir werden damit rechnen müssen, fuhr der Minister fort, daß in Deutsch⸗ land für die nächsten Jahre ein außerordentlich starker Steuer⸗ druck bleiben wird. Die Möglichkeit, zeitweise Steuererleichte⸗ rungen für die Wirtschaft zu schaffen, war ja nur gegeben durch die Unterscheidung zwischen Ordinarium und Extraordinarium. Die vom Abgeordneten Hergt geforderte Denkschrift über die Grundsätze der Anleihen des Reichs wird vermutlich noch vor Weihnachten dem Reichstag zugehen Mit dem Abg. Dr. Ober⸗ fohren stimmt der Minister darin überein, daß die Ausgaben in den Nachtragsetats zukünftig ganz geringen Umfang haben müssen. Was aber den gegenwärtigen Nachtragsetat betrifft, so muß man sich doch klarmachen, daß darin im Sese und ganzen nichts an⸗ steht als eine Zusammenstellung der vom Rcichstag be⸗ willigten Ausgaben. Der Anleihebedarf von 1000 Millionen Reichsmark für das Reicht steht, praktisch genommen, ja nur au dem Papier. Tatsächlich sind die Ausgaben bisher do nicht durch Anleihen gedeckt worden, sondern kassen⸗ mäßig aus den ordentlichen Einnahmen und den Be⸗ ständen beglichen worden. Formell mußte allerdings aus etats⸗ rechtlichen Gründen der Anleihebedarf in den Etat gestellt werden. Der Minister könne versichern, daß die Aufnahme einer solchen Anleihe weder in diesem Jahre noch überhaupt in diesem Etats⸗ jahre notwendig sein werde, sofern nicht außerordentliche unvorher⸗ gesehene Ereignisse eintreten. Rein etatsmäßig gesehen er betonen, daß der Reichstag nicht, wie man sonst oft namentlich in der kleinen Presse lese, sich im Jahre 1926 stark verschuldet habe, sondern im Gegenteil, daß Reich habe sich durch Rückzahlung verschiedener Schulden im Jahre 1926 nicht un⸗ wesentlich entschuldet. Allerdings sei die Finanzlage im Jahre 1927 außerordentlich angespannt, weil die einmaligen Einnahmen für 1926 dann nicht mehr zur Verfügung ständen. Aber es sei gelungen, auch für 1927 das Ordinarium zu balancieren. — Hier⸗ auf vertagte sich der Ausschuß. Am Freitag werden die Beamten⸗ fragen im Haushaltsausschuß behandelt werden.
(Fortsetzung in der Ersten Beilage.)
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Inhalt des amtlichen Teiles:
8 Deutsches Reich. Exequaturerteilungen.
Bekanntmachung über die Zulassung von Börsentermingeschäften in Aktien von Bergwerks⸗ und Fabrikunternehmungen. Bekanntmachung, betreffend Zulassung von Kreditinstituten.
Preußen.
Bekanntmachung, betreffend Auflösung der Kreisgruppe Grottkau des „Stahlhelm, Bund der Frontsoldaten“ und des „Jung⸗ Stahlhelm“
2. Januar 1927 fälligen
Bekanmmachung, betreffend die am Zinsen der preußischen 5 vH Kali⸗ und Roggenwertanleihen.
Deutsches Reich.
Dem Königlich belgischen Konsul in Stuttgart Hans Holz und dem Vizekonful von Uruguay in Pforzheim Otto Schofer ist namens des Reichs das Exequatur erteilt worden.
Bekanntmachung Sher die Zulassung von Börsentermingeschäften in Aktien von Bergwerks⸗ und Fabrikunternehmungen.
Vom 11. Dezember 1926.
Auf Grund des § 63 Abs. 1 des Börsengesetzes (RG 1— 8 00 Anl. 1. 39 ö. 9v GBl. 1908 S. 215) hat der Reichsrat beschlossen: Börsentermin⸗ geschäfte in Aktien der . Tb. Goldschmidt Aktiengesellschaft in Essen, Rheinzschen Elektrizitäts⸗Aktiengesellschaft in Mannheim, Elektrizitäts⸗ und Gas⸗Actien⸗Gesellschaft in Preslau, Nene Steinkohlenbergwerke Aktiengesellschaft in Essen Ruhr), . Vereinigten Glanzstoff⸗Fabriken, Akti . F jengesellschaft in sind zulässig. Berlin, den 11. Dezember 1926. Der Reichswirtschaftsminister. J. A.: Dr. Reichardt.
v́́́nftmachung— 3 betreffend Zulassung von Kreditinstituten.
Der Pachtkredit⸗Ausschuß hat beschlossen, gemäß § 17 des Gesetzes, betreffend die Ermöglichung der Kapitalkreditbeschaffung für landwirtschaftliche Pächter, vom 9. Juli 1926 (RGBl. I S. 399, 412) folgende Kreditinstitute zuzulassen:
Deutsche Bauernbank A. G., Berlin W. 10, Königin⸗An ⸗ S. Königin⸗Augusta Deutsche Domänenbank, Berlin W. 8, Zimmerstr. 7/8, Heimbank A. G., Berlin N. 24, Monbifouplatz 5, Kugel & Messinger, Berlin W. 15, Kurfürstendamm 204, 8 Provinzial Genossenschaftsbank für Brandenburg e. G. m. b. H. Berlin N. 4, Chausseestr. 106, b 4 Zentralkasse Deutscher Bauernvereinsorganisationen e. G. m. b. H. Berlin W. 10, Königin⸗Augusta⸗Str. 34, G Provinzial⸗Genossenschaffs⸗Bank für Schlesien e. G. m. b. H. Breslau, Grünstr. 46, 1 Hessische An⸗ und Verkaufs⸗Genossenschaft, Cassel, Provinzialbank für den Landesteil Lübeck, Eutin, Badische Bauernbank, Freiburg i. Br., Hannoversche Landeskreditanstalt, Hannover, Am Schiffgraben 2 C1“ xe. G. m. b. H., Hannover, Rathenau⸗ Badische Landwirtschafts⸗Bank, Karlsruhe (Baden), Laute Landschaftliche Bank der Provinz She Bsdens eis sestgstr 3 Landesbank der Provinz Ostpreußen, Königsberg i. Pr., Grenzmarkbank A. G., Landsberg (Warthe), Mecklenburgische Genossenschaftsbank e. G. m. b. H., Rostock, E“ Landesgenossenschaftskasse, Rostock⸗ Friedrich⸗Fr. nz⸗ Mecklenburgische Depositen⸗ und Wechselbank, Schwerin i. M. Pommersche Landesgenossenschafts⸗Kasse e G. m. b. H., Stettin Landwirtschaftliche Genossenschafts⸗Zentralkasse e. G. m. b. H. Stuttgart, Johannesstr. 86, Württembergische Landwirtschafts⸗Bank G. m. b. H., Stuttgart, Genossenschaftsbank für Hessen⸗Nassau, Wiesbaden, Moritzstr. 6 Nassauische Landesbank (Nassauische Sparkasse), Wiesbaden. 8
Berlin, den 10. Dezember 1926. Vorsitzende des Pachtkredit⸗Ausschusses.
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Preußen. Ministerium des Innern.
„Auf Grund des § 1 des Gesetzes vom 22. März 1921 — RGBl. S. 235 — wird die Kreisgruppe Grottkas, Regie⸗ rungsbezirk Oppeln, des „Stahlhelm, Bund der Front⸗ soldaten“ und des „Jung⸗Stahlhelm“ einschließlich sämt⸗ licher Ortsgruppen dieser Vereine im Kreise Grottkau mit Zu⸗ stimmung der Reichsregierung aufgelöst.
8 Alle Militärwaffen der Vereinigung sowie alle Gegen⸗ stände der Vereinigung oder ihrer Mitglieder, welche den un⸗ zulässigen Zwecken unmittelbar gedient haben, werden zugunsten des Reiches beschlagnahmt und eingezogen. 8
‚Die Durchführung dieser Maßnahme obliegt den örtlichen Polizeiverwaltungen. 8
Berlin, den 9. Dezember 1926. “ Der Preußische Minister des Innern. rzesinski. 8
Preußische Staatsschuldenverwaltung.
Für die am 2. Januar 1927 fälligen halbjährlichen Zinsen der preußischen 5zinsigen Kali⸗ und Roggen⸗ we rtanleihen von 1923 ist der amtliche Durchschnittspreis für Kali und Roggen in der Zeit vom 1. Oktober bis 30. November d. J. maßgebend. Dieser Durchschnittspreis beträgt
6,67 Reichsmark für 100 kg Kali und 11,20 Reichsmark für den Zentner Roggen. 1
Demgemäß werden eingelöst die Zinsscheine über den Geldwert von
250 kg Kali mit 16,675 Reichsmark
25 „ 8 1,6675 18 8 0,83375 8 22b 8 0,16675 1 88 25 Pfd. Roggen mit 1⁄ 3Neichsmark 8
25 3 “ JM 1 8 3 „ 0,28 8 Fh e Einlösung der Zinsscheine erfolgt vom 3. Januar 1927 an unter Abzug von 10 vH Steuer Frde vom Kapitalertrage) kostenfrei durch die Preußische Staatsschulden⸗ kasse, die preußischen Regierungshauptkassen, die staatlichen preußischen Kreiskassen, die Preußische Staatsbank (Seehand⸗ lung), die Preußische Zentralgenossenschaftskasse in Berlin, deren Zweigstelle in Frankfurt a. M. und die Reichsbankanstalten. Der einem Einlieferer von Zinsscheinen auszuzahlende Gesamtbetrag wird nach Abzug der Steuer vom Kapitalertrage auf einen Reichspfennig nach unten abgerundet.
Berlin, den 10. Dezember 1926.
Nichtamtliches.
Deutscher Reichstag. 248. Sitzung vom 11. Dezember 1926, mittags 12 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger.*)
Präsident Löbe eröffnet die Sitzung um 12 Uhr.
8 Eine Vorlage zur Verlängerung der Geltungsdauer der Verordnung über Lohnpfändung und ein von den Deutschnationalen eingebrachter Gesetzentwurf über die Kleinrentnerfürsorge werden den zuständigen Aus⸗ schüssen überwiesen.
Eine ausgedehnte, heftige Geschäftsordnungs⸗ debatte entspinnt sich bc⸗ der 8 welchen Ausschuß vüntzsche Anträge über die Umwertung von Hypotheken und die Ablösung öffentlicher Anleihen verwiesen werden. Die Völkischen und Kommunisten verlangen, daß die Aufwertungsfrage erneut aufgerollt werden soll, und daß der Aufwertungsausschuß sich daher mit diesen Anträgen b.eitgen müsse. Dem wird von dem Abg. Dr. Scholz (D. Vp.) widersprochen, der die Anträge dem Rechtsausschuß überweisen wollte. Die Sozialdemokraten unter⸗ stützen die völkische Forderung auf Behandlung im Aufwertungs⸗ ausschuß, während von anderer Seite erwidert wird, daß dieser Ausschuß nach Erfüllung seiner Aufgaben nicht mehr bestehe. Auf Verlangen der Linken stellt Abg. Dr. Kahl (D. Vp.) unter großer Heiterkeit fest, daß der Rechtsausschuß „verstopft“ sen daß also die Anträge in absehbarer Zeit nicht zur Erledigung ommen würden. Das Haus beschließt aber mit den Stimmen
*ℳ.
Graf von Baudissin.
) Mit Ausnahme der durch Sperrdruck versegegoh gen
us. der Reden der Herren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben sind.
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der Regierungs ien und r s 2 rwei d. Rhespe ungspefdehen und der Deutschnationalen Verweisung Es folgt dann die zweite Beratung des Arbeits⸗ gerichtsgesetzes. Danach liegt die Gerichtsbarkeit in Arbeitssachen den Arbeitsgerichtsbehörden ob. Sie sind unter Ausschluß der ordentlichen Gerichte ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstands für alle Rechtsstreitigkeiten in Arbeitssachen zuständig. G
Abg. Dr. Radema r (D. .) berichtet über die Ver⸗
bonslunten des Aasschasche 1.D eth. ö orlage vorgenommen hat. . 1
Reichsarbeitsminister Dr. Brauns: Meine Damen und Herren! Zum Inhalt des Gesetzes im einzelnen brauche ich meinerseits nichts mehr zu sagen. Das ist in der ersten Lesung hinlänglich geschehen. Ich möchte mich lediglich zu einigen grund⸗ sätzlichen Fragen kurz äußern, die in den letzten Tagen in der öffentlichen Debatte eine Rolle gespielt haben. Ich freue mich feststellen zu können, daß der Ausschuß den Grundzügen der Regierungsvorlage im allgemeinen zugestimmt hat. Ich begrüße es auch, daß die Vorlage in den Beratungen des Ausschusses in einer Reihe von Punkten wertvolle Verbesserungen erfahren hat. Daß die Vorlage nicht allen Wünschen entspricht, die dazu ge⸗ äußert worden sind, ist bei der tiefen Gegensätzlichkeit der Mei⸗ nungen und der Schwierigkeit, diese Gegensätze zu überbrücken wohl verständlich. Auch der Ausschuß hat sich in seiner Mehrheit dem Standpunkt der Reichsregierung angeschlossen, daß unter diesen Umständen ein mittlerer Weg eingeschlagen werden müsse, ein Weg, der sowohl die Belange einer geordneten Rechtspflege als vnch die sozialen Belange berücksichtigt. Aus der Notwendigkeit, beiden Erfordernissen gerecht zu werden, ergeben sich meines Erachtens zwangsläufig gewisse Besonderheiten der Arbeitsrechtspflege gegen⸗ über der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Hierbei mußte an die be währten Einrichtungen der bestehenden Gewerbe⸗ und Kauf⸗ mannsgerichte angeknüpft werden. Diesen Notwendigkeiten, meine Damen und Herren, tragen meines Erachtens die Verfechter der völligen Eingliederung der Arbeitsgerichte in die ordentlichen Ge⸗ richte und der unbeschränkten Zulassung der Rechtsanwälte vor den Arbeitsgerichten nicht genügend Rechnung. (Sehr richtig! im Zentrun.) Es ist nicht zutreffend, was seitens des Deutschen Richterbundes und des Deutschen Anwaltsvereins in ihrer neuer⸗ lichen Protesterklärung behauptet wird, daß nämlich „des rechts⸗ gelehrte Richterelement mehr oder minder aus der Arbeits⸗ gerichtsbarkeit hinausgedröngt werde“ und daß sogar „das Recht selbst in diesen Gerichten kaum mehr eine Stätte habe“. (Hört hört und unerhört! bei den Deutschen Demokraten und im Zen⸗ trum.) Ich habe wörtlich zitiert: Ich kann nicht glauben, daß unsere Richter und Anwälte in ihrer Mehrheit sich mit dieser Stellungnahme identifizieren. (Sehr richtig! im Zentrum.) Solche Vorwürfe würden meines Erachtens letzten Endes auf die Juristen wieder zurückfallen. (Zustimmung in der Mitte.) Denn auch in erster Instanz ist nach dem Entwurf der Vorsitzende stets ein rechtsgelehrter Richter. Ich betone das Wort „stets“. Ich weiß nicht, ob ich genau gehört habe, aber ich meine, der Herr Bericht⸗ erstatter hätte in diesem Zusammenhang von einem „in der Regel“ gesprochen. (Abgeordneter Dr. Rademacher: Befähigung zum Richter muß er immer haben; aber in der Regel ist es ein Richter!) — Gut! Ich lege nur Wert darauf, daß hier kein Miß⸗ verständnis entsteht.
Andererseits dürfen auch die Juristen nicht verlangen, in der Arbeitsgerichtsbarkeit das allein maßgebende Element zu sein (Sehr wahr! in der Mitte.) Bisher jedenfalls hat sich noch nie⸗ mand dagegen gewandt, daß in der Arbeitsrechtfprechung auch das Laienelement mitwirkt. Gegenüber den jetzt bei den Gewerbe⸗ gerichten bestehenden Zuständen bringt die Vorlage sogar eine stärkere Berücksichtigung des rechtsgelehrten Richters.
Meine Damen und Herren! Auch in der nicht minder schwie⸗ rigen Frage der Zulassung der Rechtsanwälte vor den Arbeits⸗ gerichten freue ich mich, feststellen zu können, daß der Sozial⸗ politische Ausschuß der Regierungsvorlage beigetreten ist. Auch er teilt danach die Auffassung, daß jede andere Lösung die An⸗ sprüche des sozial schwächeren Teils auf gleiches Recht wohl ver⸗ letzen würde. (Sehr richtig! im Zentrum und bei den Deutschen Demokraten.) Darin liegt keinerlei Diskreditierung der Anwälte; es handelt sich hier lediglich um eine Zweckmäßigkeitsfrage an⸗ gesichts der besonderen Eigenart der Streitgegenstände und des Verfahrens vor den Arbeitsgerichten. Das schließt nicht aus, daß in den anders liegenden Fragen der zweiten und dritten Instanz der Anwaltstand zur vollen Geltung kommt und Wertvolles zur
Weiterentwicklung des Rechts leisten kann und, wie ich hoffe, auch leisten wird. (Sehr gutl im Zentrum.) ““ 2 1I“