1926 / 293 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 16 Dec 1926 18:00:01 GMT) scan diff

werden.

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Sie stelle auch im Artikel 2 eine

Forderungen der Fürsten bringe. 8. 2. FSg Jahren hätten die Sonders⸗

Verbesserung dar. Schon vor zwei 1 häuser Silberdiebstähle großes Aufsehen erregt. Die Deebe behaup⸗ teten, im Auftrage der Hofverwaltung gehandelt zu haben. Diese unglaubliche Behauptung habe jetzt durch eine Erklärung der Thü⸗ rincer Regierung ein ganz anderes Gesicht bekommen. Durch eine einstweilige Verfügung hätte sich die Fürstin und vor allem der Hof⸗ marschall gar nicht hindern lassen, weitere Gilbersachen aus dem Schlosse zu entfernen und zu veräußern. Im Herzogtum Coburg⸗

Gotha müsse damit gerechnet werden, daß dem Volke gehörige

Grundstücke durch übermäßige Hypothekenbelastung ihm entzogen Der Hofmarschall von Halem sei geradezu habgierig vor⸗ gegangen.

Abg. Dr. Rosenberg (Komm.) bezeichnet die Fürstenfrage als noch lange nicht erledigt. Die Kommunisten würden der Vorlage ustimmen, aber nur in der vom Reichsrat gegebenen Fassung, ohne in Zusatzantrag der Regierungsparteien.

Abg. Schulte (Zentr.) begründet einen Abändervngsantrag vder Regierungsparteien, der es den Ländern überlassen will, die Ver⸗ eeneeee gesetzlich festzulegen. Danach soll eine etwaige

wfügungsbeschränkung nicht nur im Verbot der Veräußerung, sondern auch der Belastung bestehen.

Abg. Hampe (Wirtschaftl. Vag.) gibt schweren grundsätzlichen Bedenken gegen die Vorlage Ausdnuck, die nicht auf verfassungsrecht⸗ lichem Gebiete lägen. Es handle sich aber hier wieder einmal um ein Ausnahmegesetz.

Abg. Stoecker (Komm.) wirft den Regierungsparteien Ver⸗ schleppungstaktik vor, um die Empörung der Massen einzuschläfern.

eer Reichstag sollte anstatt am Freitag erst am Sonnabend in die Weihnachtsferien gehen und die Frage ausführlich behandeln.

Abg. Rönneburg (Dem.) weist den Vorwurf der Ver⸗ schleppung zurück. Durch eine Nichtannahme des Sperrgesebes würde

gevade die thüringische Regierung in große Verlegenheit kommen.

Die Vorlage wird dem Rechtsausschuß überwiesen.

Es folgt die zweite Beratung des Nachtrags⸗ haushalts für das Reichsfinanzministerium und für die Allgemeine Finanzverwaltung.

Bei den Landesfinanzämtern und deren nachgeordneten Behörden hat der Haushaltsausschuß eine ganze Reihe von Beamtenstellen gestrichen. Ein Antrag von Graefe Völk.), die beim Reichsentschädigungsamt und anderen Abbau⸗

eehörden entbehrlich werdenden Planbeamten unter 55 Jahren auf Antrag in andere Zweige der Reichsverwaltung zu über⸗ 18. wird vom Ausschuß zur Annahme empfohlen. Ebenso er Antrag, . die Unterbringung der dort gekündigten An⸗ gestellten zu sorgen.

Zur Beratung steht auch ein Initiativgesetz Allekotte (Zentr.), das Gesetz über Einstellung des Personalabbaues bis zum 31. Juli 1927 zu verlängern.

Die Völkischen beantragen, die 18 000 Mark, die das Reichsfinanzministerium für Beschaffung eines Dienstkraft⸗ wagens anfordert, zu streichen.

Im Hausshalt der allgemeinen Finanz⸗ verwaltung hat der Haushaltsausschuß den Mehrertrag aus Steuern, Zöllen und Abgaben mit 227 Millionen an⸗ hesetzt statt 90 Millionen in der Regierungsvorlage. Bei den

lusgaben hat er den Härtefonds für Notopferabfindungen von 20 auf 30 Millionen erhöht. Für die Weihnachtsbeihilfe für die Beamten usw. sind 41 ½ Millionen neu eingesetzt, für die Arbeiter der Reichsverwaltung 3 Millionen. Die zu diesem Etat vorliegenden Anträge Stoecker (Komm.) und von Graefe (Völk.), die eine Erhöhung der Zuschläge zum Grundgehalt bei den unteren und mittleren Besoldungs⸗ ruppen verlangen, ersucht der Ausschuß abzulehnen. Zu iesem Haushalt hat das Ministerium eine Denkschrift über die Umbildung des Reichsfinanzministeriums vorgelegt, die bereits durchgeführt ist.

Berichterstatter Abg. Keil (Soz.) erwähnt in seinem Bericht über die Ausschußverhandlungen, daß der Ausschuß im ganzen Mehrausgaben im Betrage von 117 Millionen über die Anforde⸗ rungen des Nachtragsetats hinaus beschlossen habe. Zur Deckung sei die Erhöhung der Zolleinnahmen um 90. Millionen vor⸗ Flchlagen worden, statt dessen habe der Ausschuß aber ein neues

apitel eingefügt als Mehrertrag aus Zöllen, Steuern und Ab⸗

iben ganz allgemein. Ueber die Höhe des einzustellenden Betrages ür diese Mehreinnahmen hätten Meinungsverschiedenheiten bestanden. er 1 habe nur 200 Millionen zugestehen wollen, der Ausschuß habe aber, um den ganzen Etat balancieren zu fönnen, diese Mehreinnahmen mit 227 Millionen angesetzt.

Reichsminister der Finanzen Dr. Reinhold: Meine Damen und Herren! Die Mehrbewilligungen, die sowohl die einzelnen Aus⸗ schüsse wie auch das Plenum dieses hohen Hauses in der zweiten Lesung gegenüber den Anforderungen der Regierung im Nachtrags⸗ etat vorgenommen haben, haben für die Reichsregierung eine außer⸗ ordentlich ernste Lage geschaffen. Ich muß deshalb im Namen der Reichsregierung folgende Erklärung abgeben:

Ich halte es für unmöglich, mehr als 200 Millionen Mehr⸗ einnahmen aus den Steuern und Zöllen zur Deckung des Nachtrags⸗ ebats für 1926 zur Verfügung zu stellen. Wenn der Haushalts⸗ ausschuß dem hohen Hause vorschlägt, 227 Millionen einzustellen, so ist das eine Schätzung, die künstlich zustande gekommen ist, weil man mit dieser Schätzung von 227 Millionen alle Mehrbewilligungen des Ausschusses decken wollte: In Wahrheit aber bedeutet es ein mehr oder minder verschleiertes Etatdefizit. Ich kann mich, solange ich an dieser Stelle stehe, nicht dazu herceben, ein Defizit im Reichs⸗ haushalt eintreten zu lassen, lediglich deshalb, weil die verschiedenen Ausschüsse dieses Hauses weit über die Anforderungen der Regierung hinaus zu Mehrbewilligungen geschritten sind. Die Dinge stehen so, daß nach den bisherigen Ergebnissen der bereits abgelaufenen acht Monate des Etatjahres man und das setzt schon eine günstige Entwicklung in den nächsten vier Monaten voraus vielleicht mit einem Mehrertrag von 200 Millionen für die Reichskasse rechnen kann. In den ersten acht Monaten ist ein Mehraufkommen von 416,8 Millionen entstanden. Davon aber gehen 251,2 Millionen zugunsten der Länder ab, weil gerade die Einkommen⸗ und Körper⸗ schaftssteuer einen besonders hohen Mehrertrag ergeben hat, und nur 165 Millionen zugunsten des Reichs, so daß die Schätzung von 200 Millionen Mehrertrag für die Reichskasse verhältnismäßig schon bis an die Grenze dessen geht, was finanzpolitisch noch verant⸗ wortet werden kann.

Die Dinge in den letzten Wochen haben sich nun so entwickelt, daß trotz der Kenntnis dieser Finanzlace, die sowohl ich wie meine Vertreter in den Ausschüssen immer wieder zum Vortrag gebracht haben, die Bewilligungsfreudigkeit des Reichstags in keiner Weise eingeschränkt worden ist. Während an den Forderungen der Re⸗ gierung des schon außerordentlich hohen Nachtragsetats, der nicht mit Unrecht von den Parteien dieses Hauses beanstandet worden ist, der Ausschuß im ganzen nicht ganz eine Million gestrichen hat, was für uns von der Regierung ja ein schöner Beweis dafür ist, daß wir eben mit unseren Forderungen uns nur in den Grenzen der äußersten Notwendigkeit gehalten haben, haben die Ausschüsse und das Plenum in zweiter Lesung bisher 138 Millionen zugesetzt, eine

Summe, die bei dem Nachtragsetat, wenn eine solide und ordentliche Finanzgebarung aufrechterhalten werden soll, gar nicht zu decken ist Wir würden durch diese Ausgabewirtschaft einfach in ein Defizit hineingleiten, was die Regierung unter gar keinen Bedengungen mit⸗ machen kann. Die Dinge liegen aber insofern noch weit schlemmer, als man sich in einem anderen Ausschuß dieses hohen Hauses heute morgen sehr ernsthaft trotz der dem Ausschuß bekannten Finanz⸗ lage mit der Frage beschäftigt hat, ob das Inkrafttreten der Bier⸗ steuererhöhung, das für den 1. Januar vorgesehen war, nicht weiter hinausgeschoben werden soll. Diese Hinausschiebung würde die Balancierung des Etats von 1927, der schon außerordentlich an⸗ gespannt ist, ganz unmöglich machen, ganz abgesehen davon, daß zu dieser Hinausschiebung der Biersteuererhöhung, die schon aus reinen Etatsgründen des Reichs unter gar keinen Bedingungen eintreten und zu der die Regierung unter keinen Umständen ihre Zustimmung geben kann, der Zustimmung des Kommissars bedarf. Während also auf der einen Seite die Ausschüsse die Regierung dauernd zu Mehr⸗ ausgaben zu drängen versuchen, auf der anderen Seite andere Aus⸗ schüsse die Steuern herabsetzen, wird eine Lage geschaffen, die kein Reichsfinanzminister, der bereit ist, die Verantwortung zu tragen, auf die Dauer mitmachen kann. Ich appelliere deshalb an das Ver⸗ antwortungsbewußtsein dieses hohen Hauses, die Regierung in dem Bestreben zu unterstützen, den Etat unbedingt im Gleichgewicht zu halten und sich infolgedessen mit den Ausgaben nach den vorhandenen Mitteln und vorhandenen Einnahmen zu richten. Wir müssen in⸗ folgedessen das hohe Haus bitten, das Ostprogramm wieder auf das Maß zu reduzieren, das die Regierung von vornherein in Ansatz gebracht hat, nämlich auf 32 Millionen, und nicht über diese Summe hinauszugehen. Ich führe dieses Ostprogramm an, weil es gerade ein typisches Beispiel dafür ist, wie jede Anforderung einen Be⸗ willigungshunger von allen Seiten zur Folge hat, einen Ansturm auf die Kassen des Reichs, dem die Reichskassen überhaupt nicht ge⸗ wachsen sein können. Man hat in diesem Sommer vor allem auch durch die Besichtigung des Reichsrats die Ueberzeugung er⸗ langt, daß eine Hilfsaktion für das doch wahrhaftig schwer bedrohte Ostpreußen unumgänglich nötig sei. Die Reichsregierung hatte ge⸗ glaubt, sich dem nicht entziehen zu können und Mittel für Ostpreußen und andere schwerbedrohte Ostgebiete zur Verfügung stellen zu müssen. Das geschah unter dem Titel „besondere Maßnahmen zur wirtschaft⸗ lichen und kulturellen Förderung der östlichen Grenzgebiete Preußens“. Dieser Etatstitel hat den Reichsrat passiert, und im Reichsrat wurde ein Antrag Bayerns und Schleswig⸗Holsteins gestellt, daß bei einer Fortsetzung dieser Aktion im Jahre 1927 in erster Linie auch Bayern und Schleswig⸗Holstein berücksichtigt werden sollten, eine Forderung, die von der Reichsregiernug zugestanden worden ist, da ja tatsächlich auch diese beiden Gebiete durch die Grenzziehung beziehungsweise politische Aenderung der Grenzverhältnisse in wirtschaftliche und kulturelle Not gekommen sind. Ich erkläre hier ausdrücklich, daß die Reichsregierung bereit ist, im Etat für 1927 einen solchen Titel ein⸗ zusetzen, und zwar unter Erweiterung des Titels dahin, daß eine ein⸗ malige Beihilfe für kulturell und wirtschaftlich besonders bedrängte Grenzgebiete geleistet werden soll, wo in erster Linie die Bedürfnisse der Länder, die diesmal nicht mitberücksichtigt werden konnten, be⸗ friedigt werden sollen.

Aber diese Etateinsetzung für den Osten hat im Reichstage und im Reichsrat zur Folge gehabt, daß man nunmehr mit ganz uferlosen Forderungen an die Reichsregierung herangetreten ist und daß aus der einmaligen Hilfe für den Osten zunächst einmal eine Hilfe für alle Grenzgebiete Deutschlands wurde. Die letzten Forde⸗ rungen stammen von Baden, und nachdem die Grenzlande geglaubt haben, nunmehr berücksichtigt zu sein, ist man von den Grenzgebieten allmählich weiter ins Innere gerückt, so daß aus dieser einmaligen Aktion für Ostpreußen schließlich eine Hilfsaktion für Berlin heraus⸗ zukommen droht. (Zuruf von den Deutschnationalen: Es ging vom Zentrum aus) Diese ganze Aktion ging nicht von einer be⸗ sonderen Partei aus, sondern sie beweist nur, daß jede Bewilligung der Reichsregierung zur Folge hat, daß nunmehr von allen Seiten der Ansturm auf die Kassen des Reichs eröffnet worden ist (sehr richtig! bei den Deutschen Demokraten), ein Zustand, den die Regierung und das Reichsfinanzministerium unter gar keinen Bedingungen mitmachen kann.

Wir bitten Sie deshalb, das Ostprogramm wiederum auf den ursprünglichen Betrag von 32 Millionen zu reduzieren, und bitten Sie, auch den Betrag für die Notopferabfindung mit der genügenden Summe von 20 Millionen statt der geforderten 30 Millionen ein⸗ zusetzen. Dann ist es der Regierung möglich, diejenigen Summen, die sie zuzugeben hat, die 40 Millionen für die Erwerbslosen⸗ fürsorge, die 25 Millionen soziale Hilfe an die Kleinrentner, die Sozialrentner und die Erwerbslosen, die 41,5 Millionen ein malige Zulage an die Beamten und an die Kriegsbeschädigten und die kleineren Posten von Kinderspeisung usw. zu leisten, ohne daß dadurch die Summe von 200 Millionen, die mir die äußerste Grenze einer soliden Schätzung zu sein scheint, überschritten wird.

Ich bitte deshalb das hohe Haus dringend, daß es bei der dritten Lesung des Etats diesen Forderungen der Regierung Rechnung trägt und dadurch mithilft, die solide Finanzgebarung in Deutschland auf⸗ rechtzuerhalten. Ja, ich bleibe bei dem Wort, das ich im Sommer hier gesprochen habe, daß, wenn ich vom Reichstag nicht zu Aus⸗ gaben gedrängt werde, die die Reichskasse nicht leisten kann, ich den Reichsetat unbedingt im Gleichgewicht zu halten in der Lage bin⸗ Das ist bisher gelungen, und ich werde dafür sorgen, daß es auch weiter gelingt.

Sollte aber der Reichstag aus Parteikonstellationen heraus dazu kommen, daß er diesen dringenden Appell der Regierung nicht befolgt, dann muß ich leider hier die Erklärung abgeben, daß ich als Reichs⸗ minister der Finanzen trotzdem nicht in der Lage bin, diese Bewilli⸗ gungen des Reichstags in der vollen Höhe zur Auszahlung zu bringen. (Unruhe.) Der Reichstag legt dann praktisch einfach die Verteilung in die Hand der Regierung, und der Reichstag verzichtet dann wenigstens praktisch auf das Recht, von sich aus die Ausgabe zu bestimmen, da er der Regierung ja nur eine Ausgabeermächti⸗ gung gibt und keine Ausgabeverpflichtung auferlegt (Rufe: Nanul), und ich fürchte, daß dann die Aktionen, zu denen die Regierung aus sozialen Gründen bereit ist und bereit sein kann, meiner Meinung nach der Mehrertrag an Zöllen besonders für diese sozialen Zwecke zur Verfügung gestellt werden kann, ich sage: ich fürchte, daß dann diese Aktionen außerordentlich erschwert werden, zumal wir ja auch auf den Reichsrat und auf die Rück⸗ wirkungen Rücksicht nehmen müssen, die für die

meinden aus verschiedenen Bewilligungen dieses hohen Hauses entstehen.

Ich schließe, indem ich bitte, daß das Haus bei der dritten Lesung die dringende Forderung der Regierung berücksichtigt, das Gleichgewicht des Etats nicht zu stören und die Regierung nicht in die außerordentlich schwierige Lage zu bringen, ihrerseits be⸗ stimmen zu müssen, welche Summen von der Regierung wirklich zur Auszahlung gebracht werden können. (Bravoy! bei den Deutschen Demokraten. Zuruf: Hoch die Verfassung!)

Abg. Dr. von Dryander (D. Nat.) weist auf die Be⸗ unruhigung in weiten Kreisen der Beamten über die Umbildung des Reichsfinanzministeriums hin. Jeder Beamte könne allerdings bei Umbildung von Behörden in den einstweiligen Ruhestand ver⸗ etzt werden. Aber habe man diese Leute denn nicht in andere

ehörden versetzen können? Oder solle diese Umbildung etwa das Signal für ähnliche Vorgänge bei anderen Behörden sein? Nament⸗ lich für die Interessen des höheren Beamtentums scheine bei der Regierung wie bei den Parteien recht geringes Verständnis zu herrschen, denn man habe darauf hingewiesen, daß kein Beamter von Gruppe VIII abwärts easgeh worden sei. Ferner sollten die Beamten auch bei der Weihnachtsbeihilfe leer ausgehen. ie Deutschnationalen hätten die Befürchtung, daß heute nicht eenug Wert auf die Entwicklung eines tüchtigen höheren Berufs⸗ eamtentums gelegt werde. Der neue Staat brauche dieses aber noch mehr als der frühere, da das Beamtenum den ruhenden Pol in der politischen Erscheinungen Flucht bilden müsse. Statt dessen abe man das Verussbeamtentum schwer erschüttert durch den bbau, der obendrein finanziell ein Schlag ins Wasser gewesen sei. Dieser Abbau sei ferner gegen den Willen des Parlaments ge⸗ schehen, er sei im Anschluß des neuzeitlichen Absolutismus demo⸗ kratischer Minister gewesen. Die Umbildungsdenkschrift sei außer⸗ ordentlich dürftig. Das hätten alle Parteien im Ausschuß be⸗ stätigt. Der Reichspräsident könne keine verbindlichen Gesetze er⸗ lassen, und es sei bedauerlich, daß die Umbildungsverordnung dem Reichspräsidenten zur Unterschrift vorgelegt worden sei. Der Redner bezieht sich dafür, daß der Abbau der betroffenen Beamten nicht rechtmäßig erfolgt sei, auf die Kommentare zum Reichs⸗ beamtengesetz. b

Abg. Höllein (Komm.) beschwert si darüber, daß die Steuererleichterungen für die Besitzenden durch Steuer⸗ und Miet⸗ teigerungen aus den Taschen der Besitzlosen herausgeholt worden eien. Jetzt berufe sich Dr. Reinhold auf seine Solidität gegenüber der Ausgabefreiheit des Reichstages. Auf dem Wege des „billigen Jacobs“ scheine er also nicht mehr weiterzukommen. Aber der Minister habe ja schon öfter gesagt: „Jetzt werde ich energisch!“ Es habe sich leider immer gezeigt, daß er nicht Stahl, sondern Gummi im Kreuz habe. Der Vorgänger des Herrn Reinhold sei genau so eine Nummer gewesen. (Heiterkeit.) Dieser stecke heute außer 16 000 Mark Pension auch noch 14 000 Mark Gehalt als Magdeburger Landesfinanzamtspräsident ein. (Zuruf: Das ruht ja!) Jetzt verlangt Herr von Schlieben sogar noch 50 000 Mark für einen neuen Balkon an der Dienstwohnung, und der bisherige Präsident solle auch noch eine größere Abfindung erhalten, damit er die Wohnung bald räume. Für die großen Herren habe man immer Tausende übrig, für die armen Teufel nicht einen Pfennig. Daß die Erbschaftssteuer in sieben Monaten nur 14 Millionen eingebracht habe, bezeichnet der Redner als einen Skondal. Die tatsächlichen Einnahmen würden hinter dem Etatsvoranschlag weit zurückbleiben. Gegen den organisierten Steuerbetrug der Land⸗ wirtschaft wage der Finanzminister nicht vorzugehen. Die Steuer⸗ bhn scheine ihm eine edle germanische Tugend zu sein. Der

einister werde aber morgen im Ausschuß schon wieder Gaunereien finden (Vizepräsident Gräf rügt diesen Ausdruck), also werde der Ausschuß Gaunereien finden (Vizepräsident Gräf rügt auch dies), dann werde der Minister morgen im Ausschuß Mittel und Wege finden, um seinen Raubzug auf die Tasche der Biertrinker ein⸗ uleiten. (Heiterkeit.) Die im April bevorstehende Mietssteigerung bes Herrn Hirtsiefer werde durch Lohnsteigerungen nicht aus⸗ gleichbar sein, sie werde also zu einer neuen Erhöhung des Preis⸗ niveaus und zum neuen Stillstand der Produktion führen.

Abg. Dr. Hertz (Soz.) ist der Meinung, daß der Minister zur Auszahlung der vom Reichstag bewilligten Summen auch verpflichtet sei. Die Sozialdemokraten hielten am Budgetrecht des Reichstags, als seinem vornehnisten Recht, unbedingt fest. Das Verantwortungsgefühl des Ministers sei sehr sympatisch, aber es dürfe sich nicht nur auf der Hintertreppe äußern; es gebe viel⸗ mehr nur einen Weg: Dr. Reinhold müsse ein Vertrauensvotum fordern. Aber der Minister habe früher eine viel günstigere Auf⸗ jassung von der Finanzlage gehabt; er habe z. B. deshalb die Börsensteuer auf die Hälfte herabgesetzt gegen die Bedenken des Reichstags. Deshalb stehe es dem Minister schlecht an, jetzt über die Bewilligungsfreudigkeit des Reichstags zu jammern Er habe auch erst die Initiative der Sozialdemokraten abgewartet, um gegen die Bewilligung der vielen Hunderte von Millionen S garantien für Auslandsdeutsche usw. Stellung zu nehmen. eber ie Forderungen der verschiedenen Länder dürfe er sich nicht be⸗ klagen, da das von ihm aufgestellte Ostprogramm nur den ost⸗ preußischen Großgrundbesitzern zugute komme. Tas Reichs⸗ ernährungsministerium habe sogar Hilfsaktionen für ostpreußische Großgrundbesitzer bereits vorgenommen, ohne Genehmigung des Reichstags. (Hört, hört! links.) Ebenso habe das Wehrministerium Ausgaben für die neue Militärschule gemacht, ohne vorher den Reichstag zu fragen. (Erneutes hört, hört! links.) Der Redner berechnet im einzelnen den Ueberschuß des Rechnungsjahres auf 240 250 Millionen, da in der Erbschaftssteuer noch erhebliche Reserven steckten. Eine Mietssteigerung müsse ungeheure Folgen für die Lohnentwicklung und für den Reichsetat haben. 1— Abg. Henning (Völk.) macht darauf aufmerksam, daß die Regierung selbst früher mit einer Produktionsverminderung um ein Sechstel gerechnet habe, wenn die Biersteuer erhöht werde. Die Folge nüßte vermehrte Arbeitslosigkeit sein, so daß die Steuer⸗ mehreinnahmen von 100 Millionen durch Erwerbslosenunter⸗ stützung wieder aufgefressen werde. Würde nicht die Biersteuer unter den Umständen viel mehr einbringen, wenn man⸗ das Ge⸗ werbe sich einmal in Ruhe weiterentwickeln ließe, ohne es durch neue Steuern zu stören?

Damit schließt die ministerium. 8 1t

Der Antrag Frick 88e auf Streichung eines Kraftwagens wird abgelehnt, der Antrag von Graefe (Völk.) über die Wiederverwendung abgebauter Angestellter dagegen angenommen. Auch das Initiativgesetz Aklekotte (Zentr.) findet Annahme.

Es folgt die Besprechung des Nachtrags haushalts der allgemeinen Finanzverwaltung.

Abg. Bender (Sos) gibt folgende Erklärung ab: Die Reichstagsfraktion der Sozialdemokratischen Partei hat zur Besserung der Lage der Beamten ebenso die Initiative ergriffen, wie sie dies in der Frage der Erwerbslosen und Sozialrentner getan hat. Ihre ursprüngliche Forderung, mit der sie an die Reichsregierung herantrat, die Zuschläge zu den Grundgehältern ür die Seguren der Besoldungsgruppen I bis IV von 12 % auf 25 vH, der Besoldungsgruppen V und VI 88 20 vH zu erhöhen und gleichzeitig die Arbeiter des Reiches entsprechend zu berück⸗ sichtigen, ist sowohl von der Reichsregierung als von den Regie⸗ tungsparteien abgelehnt worden. Die weitere Verfolgung dieser Forderung war also aussichtslos, zumal in Anbetracht der Vor⸗ gänge, die sich bei der Auseinandersetzung über die gleiche Forde⸗ rung vor Weihnachten 1925 im Plenum des Reichstags abgespielt haben. Deshalb und weil von der Reichsregierung die Zusage ab⸗ gegeben wurde, sowohl die Arbeiter des Reiches zu berücksichtigen, als auch die neue Besoldungsordnung gleichzeitg mit dem end⸗ setecne Finanzausgleich im Frühjahr 1927 schaffen zu wollen,

Aussprache über das Finanz⸗

atte sich die Sozialdemokratische Reichstagsfraktion ebenso wie die eutschnationale Reichstagsfraktion einem Antrag auf eine ein⸗ malige Notmaßnahme angeschlossen, der ihr von dem Herrn

zum Deut

82 5 3 1u“ 8

Zweite Beilage

schen Reichsanzeiger und Preußi chen

Werlin, Donnerstag, den 16. Dezember

66“ 1 8 b atsanzeiger 1926

Nr. 293.

g 8 8

französische in London welcher der ganzen Ak

bereitet hat. 88

Geneigtheit zum bestanden hat, muß jetzt zweifelhaft erscheinen; möglich, daß gewi

iner Fühlungnahme durc den Vatikan nicht ab i

abgespielt

Genf jeden Tag erleben, daß in England

(Fortsetzung aus der Ersten Beilage.)

den Schritt unternommen, tion ein für allemal ein jähes Ende rankreichs Seite hat damals nie die leiseste rieden bestanden. Ob auf englischer Seite eine immerhin ist es se Unterströmungen der znsschen Regierung ehnend gegen⸗

Es würde sich dann einfach schon im Kriege das haben, was wir jetzt in der Tag espolitik und auch in och breitere Gesichts⸗

punkte herrschen als bei einem Teil der französischen Staats⸗

männer.

Sie dürfen nicht vergessen, daß zu jener Zeit Poincaré

Präsident der französischen Republik war und sein Außenminister

Ribaut mindestens auf

ebenso extremem Standpunkt stand. Der

französische Geschäftsträger in London übergab am 25. September memoire, welches hanh „Erlauben Sie mir,

in Aide legenheit z Frage zu

ie Ge⸗ u ergreifen, um Ihnen von einer anderen wichtigeren sprechen, über welche ich mich bisher mit Ihnen nicht

unterhalten konnte, bevor sie von Ihnen und dem Kr. egskabinett N

diskutiert Herr von

wurde.

v. Es handelt sich um die Mitteilung, welche Salis bezüglich der 9

Papstnote dem Vatikan gemacht

hat. Meine Regierung hat sich diesem Schritt angeschlossen, weil

er Schrit

t ein mündlicher sein sollte und weil dieser Schritt

Aussicht darauf eröffnete, eine ausführlichere Antwort an den Papst

überhaupt

überflüssig zu machen. Im Gegensatz dazu hat aber der

Schritt dazu geführt, daß der Kardinal Gaspari ein schriftliches Dokument in die Hand bekam und eine Diskussion über das

Schicksal Belgiens entfesselt hat.

wünschten,

werden könnten, als wir wollen.

Ihnen sei daß er sich kann, au

Das war nicht, was wir und es steht zu befürchten, daß wir weiter getrieben Monsieur Ribaut bittet mich, ne Befürchtungen mitzuteilen und Ihnen zu saheh unter keinen 1 auf den Weg schleppen lassen welchen der Vatikan ihn zu ziehen bereit scheint. Er

hofft, daß die Großbritannische Regierung seine 1

teilt und Herrn von Salis instruieren wird, daß er al Versuche des Kardinalstaatssekretärs

Vermittlun

e weiteren ssekret, im Sinne einer offiziösen ig zwischen den Krieaführenden in Zukunft unterläßt.“

Die Folgen dieser sehr 111“ Intervention haben sich Sa

auch alsbald gezeigt, indem Graf .

is von seiner Regierung

angewiesen wurde, jede Diskussion der Kurie gegen⸗

über strikt zu vermeiden und sich bei e stücken auf eine Empfangsanzeige zu beschränken.

itteilung von Schrift⸗ Der Heilige

Stuhl hat am 28. September eine sehr ausführliche Note an die großbritannische Regierung gerichtet, in welcher er ihr sowohl die deutsche wie die österreichische Note, welche auf die Papstnote erfolgt war, mitteilte, und sich ausführlich bereit erklärt, seine vermittelnde

Tätigkeit

fortzusetzen. Die englische Antwort darauf lautet

einfach: „Sie werden angewiesen, Kardinal Gaspari in passender P zu b1 daß der Premierminister diese Dokumente

mpfangen vollkommen

Von seiten der Entente war damit die Sache

hat.“ Dies hindert nicht,

n abgeschnitten und abgebrochen.

da wir damals diese schroffe Stellungnahme nicht kannten, aus⸗

führlich auf das Vorgehen der Kaiserlichen ammenhang mit der Papstnote einzugehen.

Regierung im Zu⸗ Als seinerzeit auf

1 Fenne Seiner Majestät des Kaisers Reichskanzler Dr. Michaelis

mich aufforderte,

nehmen, h Grundgeda maritime

ich es für

die Leitung des Auswärtigen Amts zu über⸗ abe ich dem Reichskanzler kurz, aber präzis meine nken auseinandergesetzt, nämlich, daß ich die militärische und innere Situation Deutschlands so beurteilte, daß unbedingt nötig hielt, sobald wie möglich zum Frieden

zu kommen. Daß dieser Frieden nach den Verhältnissen nur ein ehrenvoller und für die öffentliche Meinung tragbarer sein konnte, versteht sich von selbst.

Ich fa

nd die auswärtigen Geschäfte bedingt durch eine starke

Führung Oesterreichs im Bündnis und durch eine erhebliche Un⸗

klarheit in

bezug auf die wesentlichsten Friedensziele. Die politi⸗

schen Verhältnisse Deutschlands waren schwierig: Es war ein

Faktor entstanden, der in der Verfassung überhaupt nicht existierte, die Oberste Heeresleitung.

Unter dem Zwang der Verhältnisse

entwickelten sich die Dinge so, daß die Oberste Heeresleitung einen

ganz auße

rordentlich starken politischen Einfluß übte und die

politische Leitung ohne eine Verständigung mit der Obersten Heeres⸗

leitung an Uebernahm

Händen und Füßen gefesselt war. Ich habe sofort nach e des Amtes meine Ueberzeugung dahin zum Ausdruck

ebracht, daß unsere Politik aktiver werden müßte, daß insbesondere estgestellt werden müßte, bevor wir in das Elend eines neuen Winterfeldzuges hineingingen, ob nicht auf Seiten der Entente⸗

mächte irg Michaelis

endwelche Friedensgeneigtheit bestünde. Reichskanzler mit dem ich stets in voller Uebereinstimmung und Har⸗

monie zusammengearbeitet habe, stimmte mir darin bei, und es

wurde der

Beschluß gefaßt, durch eine geeignete neutrale Persön⸗

lichkeit, welche insbesondere am englischen Hofe und in der eng⸗ lischen Regierung eine besonders geachtete und einflußrei

Setellung b

8

e esaß, feststellen zu lassen, ob bei England sin auzeeicge

Friedensgeneigtheit bestünde. Es war vollkommen klar, daß neben

der elsaß⸗lothringischen Frage, welche anscheinend im Hintergrund

stand, aber

ie Hauptbedeutung zukam.

an Bedeutung alle anderen überragte, der belgischen Um den Mittelsmann nicht mit leeren

Händen auf die Mission zu schicken, mußten wir ihm also die

Möglichkeit

6. unter

ind auch ermächtigt, die Souveränität und

geben, England verantwortlich sagen zu sacseh⸗ Wir Umständen bereit, über Belgien zu verhandeln, und Integrität Belgiens

bindend diplomatisch zuzusagen, wenn gewisse andere Vorbedin⸗

gungen auf der Gegenseite erfüllt würden.

wesentliche

die Oberste Heeresleitung do gegenüber annektionistisch eingestellt.

Nun waren aber Teile der öffentlichen Meinung, die Marine ganz und im wesentlichen Maß, Belgien Es schwebte den Herren vor,

entweder politische Annektionen oder irgendein Zwischengebilde, vollkommne politische, industrielle, handelspolitische Durchdringung

dieses Gebi vornherein

etes. Ich selbst hielt die Erreichung dieses ieles von machtpolitisch für ausgeschlossen, hätte aber, selbst wenn

die Machtverhältnisse eine solche Politik ermöglicht hätten, diese

Politik für

falsch gehalten und bekämpft Um mir diese Ermächti⸗

gung zu verschaffen, veranlaßte ich den vielbesprochenen Kronrat

im Schloß leitung, mi

Bellevue. Infolge der Machtfülle der Obersten Heeres⸗ t der die Marineleitung im großen und ganzen konform

ging, wurden Kanzler und politische Leitung praktisch als eine Art Konkurrenz, als gleichberechtigte Macht aufgefaßt. In diesem

Fau⸗ wo die Oberste Heeresleitung si

freiwillig niemals dem

esichtspunkt der politischen Leitung angeschlossen hätte, konnte diese rage nur vom Kaiser als dem obersten Fei des Heeres und der )

arine, gleichsam als Schiedsrichter ents

dieser Weg Kaisers sche.

Sch ieden werden. Wenn zu oft beschritten wurde, mußte die Autorität des ver leiden. Immerhin haben wir uns dazu entschlossen,

und der Kaiser hat nach den bekannten Vorgängen im Sinne der

politischen Leitung entschieden.

regierung,

ng entschi Der formale Antrag der Reichs⸗ den ich im Kronrat verlas und begründete, lautete:

„Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes möge bevollmächtigt

werden, au

f diskretem, aber sicherem Wege sich darüber zu ver⸗

gewissern, welches die Minimalforderungen der Westmächte in bezug auf Belgien sind, und ob eine vorläufig von Regierung zu Regie⸗

rung vertra tige Gestalt

ulich gegebene, aber bindende Erklärung über die zukünf⸗ ung der Dinge in Belgien die Eröffnung von Friedens⸗

verhandlungen unmittelbar zur Folge haben würde.“ Der Kron⸗

rat hat als

o der politischen Leitung nicht unbedingt freie Hand

gegeben, sondern nur für den Fall, daß diese Erklärungen unmittel⸗ ar zu Friedensverhandlungen führen. tese Einschränkun at ja auch ihr Echo gefunden in dem Briefwechsel zwischen Dr. Mi elis und dem Generalfeldmarschall von Hindenburg. Diesen Schriftwechsel habe ich erst Jahre nachher kennengelernt, weil der Reichskanzler ihn für rein privat hielt. In diesem Schri G“ nterftreicht der Feldmarschall die Bedingtheit der belgischen Zu⸗ saße, indem er sagt, die Zustimmung der Obersten Heeresleitung gelte nur, wenn bis zum Herbste damit eine Friedensver andlung eingeleitet sei. Die Oberste Heeresleitung hat sich auch später, absolut abweichend von den Bellevue⸗Beschlüssen, wieder auf annektionistische Pläne eingestent⸗ weil sie meinte, die Beschlüsse hätten nur für das laufende Jahr Gesichtspunkt, den wir im Auswärtigen Amt nicht teilten Der neutrale Vertrauensmann wurde sofort informiert, hat auch Versuche unternommen. Diese Schritte haben aber nur zu dem negativen Erfolge geführt, daß eine Friedensbereitschaft auf der gegnerischen Seite als nicht vorhanden festgestellt wurde. Er sar aber klar zum Ausdruck daß er evtl. bevollmächtigt sei, England befriedigende Erklärungen zu geben. Daß in der Entente ganz klar erkannt wurde, wohin unsere Reise ging, ergibt sich aus einem Artikel des „Temps“. Dort wurde ausgeführt, es sei Frankreich gelungen, das deutsche Spiel mit England zu vereiteln. Ich hatte den Eindruck, daß zur ses der päpstlichen Friedens⸗ aktion bereits eine bindende Versprechung Englands bezüglich Elsaß⸗Lothringens Frankreich gegenüber vorlag. Daher teilte ich im Reichstage öffentlich mit, 8 nicht Belgien das Friedens⸗ Frbenns sei, feh daß die Fortführung des Krieges aus⸗ chließlich Elsaß⸗Lothringens wegen notwendig sei. Die aller⸗ meisten Meldungen aus informierten Kreisen ließen eine un⸗ günstige Stellungnahme in Ententekreisen voraussehen. Das wang uns ebenfalls zu besonderer Vorsicht. Für uns war die ehandlung der päpstlichen Note im großen ganzen zwangsläufig. Wir mußten uns in erster Linie auseinandersetzen mit unseren Bundesgenossen, in zweiter Linie mit der obersten Heeresleitung, mit dem Bundesratsausschuß für auswärtige Angelegenheiten, dem preußischen Staatsministerium und selbstverständlich auch vor allem mit dem Reichstag. Ich hielt alle Pläne und Entwürfe, den Reichstag nach sause u jagen und diktatorisch zu regieren, für Ss uten Wahnsinn. Es ist vollkommen falsch, wenn heute geglaubt wird, das Parlament habe damals nicht scon einen ganz überragenden Einfluß besessen. Es hat ihn besessen, wenn auch nicht allein, weil die oberste Heeresleitung ja auch noch vor⸗ handen war. Das erste versuchsmäßige Stadium der Zusammen⸗ arbeit mit dem Reichstage war der Siebener⸗Ausschuß. Mir schwebte vor ich habe das auch Seiner Majestät gesagt —, daß man stufen⸗ und schrittweise zu einer parlamentarischen egie⸗ rung kommen müsse, indem der eine oder der andere Minister im Parlament verankert sein müsse. Dieser S1“ war wohl bei der Ernennung des Grafen Hertling zum Reichskanzler maß⸗ gebend. Um ein besonderes Vertrauensverhältnis mit einzelnen Abgeordneten zu konsolidieren, wurde Herr von Payer an Stelle von den sench zum Vizekanzler ernannt. Der Eintritt des Herrn v. Payer in das Reichskabinett war eigentlich der entscheidende Schritt im Sinne der Parlamentarisierung der Regierung. Die Auffassung des Herrn Dr. Bredt, als ob Le soe Regierung und

Parlament nach der Papstnote eine tiefe Kluft vorhanden gewesen sei⸗ ist völlig unzutreffend. Niemals habe ich den Eindruck gehabt, zwischen uns und dem Parlament auch nur der Schatten eines Mißtrauens gewaltet hätte. Vom Parlament ist verständ⸗ nisvoll und taktvoll mitgearbeitet worden. Wenn der Abgeord⸗ nete Scheidemann gestern ausführte, er sei von dem lebendigsten Mißtrauen gegen die Regierung erfüllt gewesen, weil sie große annexionistische Pläne verfolgt habe, so ist für die Regierung dies nicht zutreffend gewesen. Der Friede war 8 sie wie für große Teile des deutschen Volkes das oberste Ziel. In dieser großen Grundfrage der Ablehnung der 2 nnexion belgischen Gebiets gingen wir mit dem Parlament durchaus konform.

Auf Anregung des Zeugen gab der Vertreter des Aus⸗ wärtigen Amtes an, daß es einem diplomatischen Brauche entspricht, daß Dokumente, die während eines Krieges mit neu⸗ tralen Mächten ausgetauscht worden sind, nur mit Genehmigung der beiderseits beteiligten Mächte veröffentlicht werden dürfen. Die hier in Frage kommende neutrale Macht habe bisher diese Gepflogenheit streng gewahrt. Das Auswärtige Amt wünsche daher, daß der bisher noch nicht bekannte S riftwechsel mit der neutralen Macht auch weiterhin vertraulich behandelt werde.

Vorsitzender Abg Dr. Philipp (D. Nat.) erklärte was in der Literatur stehe, könne selbstverständlich auch hier als Verhand⸗ lungsgrundlage benutzt werden, so das Buch des Professors Bredt, die Ausführungen des Ritters von Lama usw. 1

Zeuge von Kühlmann betont, deß die Ausführungen des Ritters von Lama vielfach durchaus phantastisch seien. Der Reichs⸗ kanzler hat mir, so fährt der Zeuge fort, die Federführung des Auswärtigen Amtes übertragen. Staatsrechtlich war der Kanzler der Verantwortliche, intellektuell und vor der Geschichte bin ich gern bereit, die volle Veranwortung für die ze Tätigkeit des Aus⸗ wärtigen Amtes in jener Zeit zu übernehmen. Die ganzen Ver⸗ handlungen sind damals abgesehen von meiner gesamken Ein⸗ stellung und meiner Konfession mit einer stahlharten Sachlichkeit geführt worden. Die Behauptung des Gegenteils ist vollkommen unhistorisch. Neben dem F. Schriftverkehr mit der Kurie s8. aber wohl ein durch viele Kanäle gehender Meinungsaustausch tatt. Die Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhle und der deutschen Regierung waren E“ Neben der ganz offiziellen Korrespondenz liefen wohl halboffizielle, vertrauliche und private Korrespondenzen einher. Wie guch die Sozialdemokratische Partei ein weitverzweigtes Netz von Beziehungen zwecks Ausnutzung von Friedensmöglichkeiten unterhielt, so bestand auch nach der Seite der katholischen Kirche hin ein solches Netz privater Korrespondenz. Staatssekretär von Kühlmann hielt es für notwendig, den bisher nicht veröffentlichten vollständigen Wortlaut des an Nuntius Pacelli ge⸗ richteten Briefes vom 24. September zu verlesen, der die Grund⸗ lage des Gutachtens von Dr. Bredt bildet. Der Brief wird darauf verlesen. In ihm wird zunächst dem Nuntius der Dank für sein Schreiben vom 30. August und die Annahme ausgesprochen, daß Kardinalstaatssekretär Gasparri seine Bemühungen zur Herbeiführung eines gerechten dauerhaften Friedens wirksam fortseten werde. Mit diesen Bestrebunden stimmten die Wünsche der deutschen Regierung vollkommen überein. Dann wird auf das Telearamm der enalischen Regierung an den Vatikan eingegangen, dessen Abschrift der Vatikan der deutschen Recierung übermittelt hatte. Darin wird ausgeführt: Die deutsche Regierung schließe sich der Auffassung an doß eine genaue Präzisierung der Kriegsziele notwendig sei. Eine solche Präzisierung werde ergeben, ob durch eine Prüfung im Geiste eines verständigen Ent⸗ gegenkommens die bestehenden Gegensätze beseitigt werden könnten. Hierbei werde auch nach deutscher Ansicht eine Klärung der auf Belgien bezüglichen Fragen in erster Reihe zu stehen haben. Alle Einigungs⸗ versuche, so wird weiter ausgeführt, würden aber zur Unfruchtbarkeit verurteilt sein, wenn nicht bei dem Austausch der Meinungen der⸗ senic; Geist von Objektivität und Achtung vor dem Standpunkt es Gegners obwaltet, für den gerade der Papst während des Krieges ein so leuchtendes Beispiel gegeben habe. Bei Deutschlands Gernern sei im allgemeinen die Tendenz hervorgetreten, den Mittelmächten die alleinige Kriegsschuld aufzubürden, und sie wie Angaklagte vor einem Tribunal strenger Richter erscheinen zu lassen Leider sei diese Tendenz auch in dem englischen Telegramm zu sehen, obwohl

Geltung gehabt, ein

manche Aeußerungen mancher englischer leitender Staatsmänner eine weit objektivere T ee der Sache erkennen ließen. Wenn die Gegner sich auf ihre Stellungnahme zur Wilson⸗Note beriefen, so müsse darauf hingewiesen werden, daß auch die in dieser Note an⸗ gegebenen Kriegsziele die völlige Niederwerfung Deutschlands und 8 Verbündeten zur I Verhandlungen auf olcher Voraussetzung seien aber für tschland unmöglich, und sie würden das Friedenswerk nicht fördern, sondern eeen Erfo versprechend würden Besprechungen nur auf der Grundlage sein, zurzeit keine von beiden Parteien besiegt 8 und keine der anderen moralische oder politische en zumute, die ein stolzes Vol saübs wenn es besiegt wäre, nicht ertragen könnte. Der Bri mit dem schon in der gestrigen Sitzung verlesenen Satz, da Deutschland grundsätzlich Erklärungen über elgien nicht ablehne, sie aber jetzt noch nicht abgeben könne.

Im Anschluß an die Verlesung des Briefes erklärte Staats⸗ sekretär von Kühlmann: Aus der Verlesung ergibt sich, daß es sich um einen Brief in einer streng geheimen persönlichen Korre⸗ spondenz handelt, und daß sein wesentlicher Zweck war, der Kurie indirekt eine Antwort auf die englische Note zu geben. Diese eng⸗ lische Note war keineswegs so günstig, wie es vielleicht auf den ersten Blick scheinen konnte, selbst in dem uns übermittelten, wahrscheinlich von Salis redigierten, etwas freundlicher gehaltenen Text. Insbesondere bezog sich die englische Note auf die Antwort⸗ note der Verbündeten an den amerikanischen Präsidenten bei . erstem Friedensschritt. Darin wird aber Deutschland in der

wersten Weise beschimpft, und dann werden darin die extremen

riedensziele aufgestellt, wie sie später ungefähr im Versailler Diktat verwirklicht worden sind. Es schien außerordentlich not⸗ wendig, in erster Linie den Heiligen Stuhl und in zweiter Linis 1 ihn die englische Regierung davon zu verständigen, daß nur rdunj em Boden vollkommener Gleichberechtigung und eines wirk⸗ lichen Friedens überhaupt in eine Diskussion eingetreten werden konnte. Die englische Note sagt u. a.: „Obwohl die Zentralmächte ihre Schuld im Hinblick s Belgien bereits v haben, haben sie bisher niemals klar ausgesprochen, daß sie in Belgien den status quo und die völlige Unabhängigkeit Belgien wieder⸗ herstellen oder die Schäden ersetzen wollen, welche sie diesem Lande zugefügt haben. Solange nicht Deutschland und seine Verbündeten erklärt haben, wieweit sie in der Frage der Reparation und Restauration gehen wollen, solange sie nicht ihre Kriegsziele voll⸗ kommen verkündet und Vorschläge über die Maßnahmen gemacht haben, welche der Welt Garantien gegen neue Kriegsschrecken bieten, so lange glaubt die en lische Regierung nicht, daß eine Ueber⸗ einstimmung zwischen den Kriegführenden erreicht werden könnte. Weder Deutschland noch Oesterreich haben bisher irgendwelche offizielle Mitteilung gemacht, welche korrespondieren würde mit der von den Alliierten in der Antwort an den Präsidenten der Vereinigten Staaten.“ Wegen dieser klaren Bezugnahme auf dig Note der Verbündeten an Wilson schien es uns deeencreh der Kurie sofort unsere Stellungnahme und unsere Wünsche in bezug auf die Atmosphäre mitzuteilen, die uns als un⸗ erläßliche Voraussetzung für eine Verhandlung erschien. Das Gut⸗ achten des Prof. Bredt führt aus, daß unser Brief vom 24. Sep⸗ tember von der Kurie als Abschneidung aller Friedensmöglich⸗ keiten betrachtet werden mußte, weil darin die deutsche Regierung erklärt, wir geben keine irgendwie geartete Deklaration über Belgien ab. Ich halte diese Ausführung für unhistorisch. Sis verträgt sich weder mit unseren damaligen Absichten, noch ist unser Brief von der Kurie damals so aufgefaßt worden, wie das Gut⸗ achten ihn auffaßt. Ich kann darum dem Gutachten Bredt nicht nur nicht beitreten, sondern muß ihm ausdrücklich widersprechen. Dr. Michaelis hat gestern eine gutachtliche Meinung von Prof. Meinecke wiedergegeben. Ich möchte nicht auf solche Auslegungs⸗ künste eingehen. Zwei Professoren widersprechen sich, wahrschein⸗ lich würden sich mehr Professoren noch mehr widersprechen. (Heiterkeit.) Ich möchte dagegen ein anderes Dokument anführen, eine offizielle Note des Vatikans vom 28. September an den eng⸗ lischen Premierminister. Darin heißt es: „Die deutsche Antwortz nimmt ausdrücklich den ersten und zweiten Punkt der Pontifikal⸗ note an. Implizite akzeptiert sie auch die vier übrigen Punkte, indem sie auf die Reichstagsfriedensresolution vom 19. Juli d. F. Bezug nimmt. Der Heilige Stuhl hat starke und besondere Gründe für den Glauben und die Behauptung, daß der Satz tatsächlich auszulegen ist als eine deutsche Annahme der Punkte drei und vier in der päpstlichen Note, die sich auf Belgien beziehen.“ Der Batikan stand damals also und auch später immer auf dem Stand⸗ punkt, daß der Brief vom 24. September nicht eine Negation unserer Bereitwilligkeit sei (Zuruf: Diese Note bezog sich dec auf die offizielle Antwort., Der Vatikan sagt, er habe starke un besondere Gründe für die Behauptung, daß Deutschland die Punkte über Belgien akzeytiere. Nachdem im offiziellen, offiziösen und persönlichen Schriftverkehr eine solche Spezialmitteilung nicht enk⸗ halten ist, kann ich nicht annehmen, daß der Vatikan sagen würde, „wir haben Hee ere Gründe“, wenn nicht mindestens ein halb⸗ offizieller Brief der deutschen Regierung ihm diese Gründe ver⸗ schafft hätte. Der Verlauf der Dinge ist nicht so gewesen, daß wir den Eindruck hatten, als hätte der Brief vom 24. September im Vatikan oder sonstwo den Eindruck gemacht, als bestünde eins wesentliche Diskrepanz zwischen der Papstnote und diesem Brief. Der Brief vom 24. September war gedacht zum Teil als inter⸗ pretierende Ergänzung zur Vatikannote, um zu unterstreichen, daß die Regierung prinzipiell zur Abgabe der Erklärung bereit sei, sie aber pro tempore noch nicht abgeben könne, und zweitens zur Klärung der Frage, welche durch die Anführung der Wilson⸗Nota im englischen Telegramm angeregt worden war. Der Siebener⸗ Ausschuß war eine Vertretung des Parlaments, aber ohne irgend⸗ welche verfassungsmäßigen Grundlagen. Immerhin konnte man vor diesem engen Kreise mehr mitteilen als vor dem Plenum. Ohne dem Ausschuß irgendeinen Vorwurf machen zu wollen bot aber auch dieses Gremium für Geheimhaltung sehr sekreter Dinge keine volle Gewähr. Denn er hatte ja den einzelnen Fraktionen zu berichten. Im ganzen ist sehr wenig im Kriege wirklich geheim geblieben, nur diejenigen Dinge, die einem ganz kleinen Kreise von Personen zugänglich waren. Selbst das Hauptanartier bot keine Gewähr für volle Geheimhaltung. Ich stehe noch heute auf dem Standpunkt, daß der gesamte vertrauliche und persönliche Briefwechsel, der mit neutralen Mächten parallel mit dem offiziellen Dokumentenaustausch stattgefunden hat, zu den von der auswärtigen Politik pflichtgemäß als streng vertraulich zu be⸗ trachtenden Dingen gehört. Daß die Kurie, speziell der Nuntius Pacelli, wenn wir ihn angegangen hätten, einer parlamentarischen Kommission den Inhalt oder gar den Wortlaut dieser streng ge⸗ heimen Korrespondenz mitzuteilen, unter keinen Umständen die Genehmiaung dazu gegeben hätte, darüber besteht nicht der ge⸗ ringste Zweifel. Ueber die Mitteilungen hinaus, die ich im Siebener⸗Ausschuß für tunlich hielt, habe ich einzelnen Mit⸗ gliedern des Ausschusses unter vier Angen andeutungsweise und unter sehr sorgfältig abgewogener Mitteilungsform wenigstens⸗ einigermaßen Einblick zu geben versucht in der Tragweite einer Erklärung über Belgien. Wir waren auch durch die Form, in welcher das Votum im Kronrat erfolate, vollkommen behindert. Denn die Abgabe einer solchen Erklärung über Belgien ohne irgendwelche Gewähr für ihre Anfnahme hätte unsere Befugnisse vollkommen überschritten. Eine solche Erklärung hätte auch an der divlomatischen Lage absolut nichts geändert. England wußte wir sind bereit, mit ihm über Belgien zu konferieren; der Vatikan