1927 / 43 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 21 Feb 1927 18:00:01 GMT) scan diff

die Aufrechterhaltung der besonderen Umsatzsteuergerantie ab⸗ gelehnt. Jetzt wolle er den Landern und Gemeinden noch rund 88 Millionen mehr geben, als sie bei Aufrechterhaltung der Umsatzsteuergerantie erhalten könnten. Mit nesengroßen Schritten ehe man einer neuen Aufblähung der Länder⸗ und Gemeinde⸗ banshalte enigegen. Auf keinen Fall könne man auch der Ver⸗ tagung des endgültigen Fheanzauslet.. 2 Jahre zustimmen. Hier werde der gesunde Leitsatz der Reinholdschen Finanzpolitik verlassen, und die Sorge der Wirtschaft sei, durch die Rechts⸗ regierung eine Schlacht verloren zu haben. Auch der Rechnung des Ministers über die Gesamtsteuerbelastung müsse man erhebliche Zweifel haben. Ganz zwingend, so ertlärt der Redner, ergibt sich die Notwendigkeit, sofort Durchgreifendes in Richtung auf eine Sersstceeg. zu tun. Der Redner kündigt dann eine große Anzahl von Anträgen seiner Fraktion zum Finanzausgleich und zur Steuergesetzgebung an. Eine durch⸗ greifende Ermäßigung des Einkommensteuertarifs sei notwendig. Wenn das Reich den Anleiheerlös aus der Februaranleihe nicht für Steuersenkungszwecke verfügbar machen wolle, dann werde genau zu prüfen sein, ob man der noch bestehenden restlichen Anleihevollmacht aus dem Jahre 1926 in Höhe von 366,4 Mil⸗ lionen noch die weitere Anleihevollmacht in Höhe von 528,3 Mil⸗ lionen hinzufügen dürfe. Die Verlängerung der Gemeinde⸗ getränkesteuern und die vom Reichsrat genaen te Verlängerung des Zuschlagsrechts zur Grunderwerbssteuer lehnt der Redner ab. Er fordert weiter Streichung des § 35 des Finanzausgleichs⸗ gesetzes und Verwirklichung der Einkommenbesteuerung nach dem mehrjährigen Durchschnitt. Er kündigt Anträge für eine Neu⸗ ordnung der landwirtschaftlichen Besteuerung an und fordert die Einführung einer landwirtschaftlichen Einheitssteuer. Eine ein⸗ wandfreie Klarstellung über die Einkommensteuerleistungs⸗ verteilung zwischen Groß⸗, Mittel⸗ und Kleinbesitz in der Land⸗ wirtschaft müsse erfolgen. Uns liegt nichts daran, so erklärt der Redner, billige parteitaktische Erfolge zu erzielen. Wir ziehen eine sehr scharfe Grenzlinie zwischen der Oppositionsstellung, wie sie die Deutschnationale Volkspartei eingenommen hatte, und der Stellung, wie wir sie jetzt einzunehmen gewillt sind. Aber ich möchte mit allem Nachdruck hervorheben, daß die Regierung und die Regie⸗ rungskoalition auf unsern schärfsten Einspruch rechnen müssen, wenn sie in die Bahnen der Finanzpolitik des Jahres 1925 zurück⸗ leiten wollen. An den Enquete⸗Ausschuß stellen wir das Er⸗ fuchen bei den Erhebungen besonders die Frage zu prüfen, inwie⸗ weit die Uebersteigerung des Sreuerdrucks der Jahre 1924 und 1925 ursächlich die sozialen Notstände seit der Jahreswende 1925/26 mitverschuldet hat. Wir wissen uns bei unserem Kampf um die Aufrechterhaltung der Zielsetzungen der Finanzpolitik des Jahres 1926 in voller Uebereinstimmung mit breitesten Schichten der deutschen Wirtschaft und des ganzen deutschen Volkes. (Leb⸗ hafter Beifall bei den Demokraten.)

Reichsfinanzminister Dr. Köhler ergreift hierauf das Wort. Seine Rede wird nach Eingang des Stenogramms veröffentlicht werden.

Abg. Keil (Soz.) hebt hervor, der Reichsfinanzminister habe in seinen letzten Ausführungen etwas Ton und Farbe in die sonst

etwas trockenen und nüchternen Auseinandersetzungen dieser Tage hineingebracht. Man kann es dem Minister nicht übel nehmen, 5. Redner fort, daß er den von seinem Amtsvorgänger hinter⸗ lassenen Etat mit seinen eigenen Augen ansieht. Die Angriffe und die Kritik an Dr. vi ve⸗ müssen sich aber doch etwas mehr Zügel anlegen. Die Sozialdemokraten sind der Amts⸗ führung Dr. Reinholds vom ersten Tage skeptisch und kritisch gegenübertreten. Wie soll die Bemerkung des Ministers Dr. Köhler zu verstehen sein, daß an den Aufwertungsgrundsätzen nichts geändert werden soll? Die Banken, die ungerechtfertigt große Gewinne büeng haben, müssen doch in der Frage der Auf⸗ wertung langfristiger Einlagen unbedingt schär er angefaßt werden. Herr Merck hat Recht. Die deutsche Verwaltung ist schwerfällig und kostspielig. Aber das liegt nicht am parla⸗ mentarischen System, sondern am Föderalismus. Die Beseitigung on Waldeck und Lippe genügt nicht. Da muß tiefer ge⸗ riffen werden. (Abg. Körner [D. Nat.]: Soll etwa auch Württemberg verschwinden?) Ich bin selbst einmal württem⸗ bergischer Minister gewesen und habe gesehen, was da in dem ungeheuren Verwaltungsapparat für Geld und Zeit vergeudet wird. Also das gilt nicht nur für Waldeck und Lippe, sondern uch für Bayern mit seiner Eigenbrödelei und Rechthaberei. Wie aben die Deutschnationalen bisher alles Elend auf Erzbergers Steuerreform zurückgeführt! Jetzt spricht Herr Oberfohren dem neuen Finanzminister sein Vertrauen aus, obwohl dieser erklärt hat, an der Erzbergerschen Steuerreform solle nicht gerüttelt verden. (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Das hat sich noch nicht erumgesprochen!) Wir warten ab, wie die Regierungsparteien iuter sich über den Finanzausgleich einig werden. Nicht Er⸗ öhung der Lohnsteuer, sondern Abbau allein kann in Frage kommen. Von dem Bürgerblock haben die Lohn und Gehalts⸗ empfänger allerdings nichts zu erwarten. Wenn sie durch die Arbeit dieser Regierung überzeugt werden, daß sie ins Lager der Sozialdemokratie gehören, wird der Bürgerblock eine große ge⸗ L““ Tat vollbracht haben. (Beifall bei den Sozial⸗ emokraten.) Abg. Nolte (Wirtschaftl. Vereinig.) Die Umsatzsteuer⸗ sentung Dr. Reinholds hat sich als Erleichterung bei den Gewerbe⸗ treibenden bemerkbar gemacht. Wir werden auch die Senkung der Zuckersteuer unte stächen Wir begrüßen das mutige Be⸗ kenntnis des Finanzministers zu einem wirtschaftlich tragbaren und gerechten Besteuerungssystem. 1. zehrt die fiskalische Finanzpolitik am Mark der Wirtschaft. inkommen⸗ und Real⸗ steuern werden vielfach nur nach dem FSenc ohne Rücksicht auf en Ertrag der Wirtschaft eingetrieben. iir hoffen, daß der ealsteuerentwurf, den Dr. Köhler zu unserer Freude angekündigt hat, recht bald kommt. Wir fordern ferner raschesten und chärfsten Verwaltungsabbau. Auch Länder und Gemeinden müssen ihren verschwenderischen Aufwand einschränken. Aus⸗ stellungshallen, Ratskeller und dergleichen dürfen nicht aus öffentlichen Mitteln gebaut werden, solange noch dringendste Wohnungsnot herrscht. Die Gewerbesteuer muß ganz ver⸗ winden. Wir bedauern ferner, daß die nicht

on heute restlos beseitigt werden kann; jedenfalls darf diese ungerechteste der Steuern nicht verewigt werden. r Wohnungs⸗ bau muß durch Anleihen finanziert werden. Die Gemeinde⸗ etränkesteuer lehnen wir grundsätzlich ab; wir sind auf diesem ebiet für kein Kompromiß zu haben.

Abg. Kling 88 Bauernbund) verlangt energisches Ein⸗ schreiten gegen die örsenspekulanten. Dadurch könne der inanzminister die leeren Kassen füllen. Die ab ehnenden Be⸗ cheide über Voranträge auf Vorzugsrente bedürftiger Kriegs⸗ anleihebesitzer müßten nachgeprüft werden. Der Redner verlangt eine gerechtere Bewertung des kleinen und mittleren bäuerlichen Besitzes. Die Finanznot der kleinen Gemeinden und des Landes Bayern sei nicht auf schlechte Wirtschaft, sondern auf die Ab⸗ wälzung gewaltiger Lasten vom Reich auf Länder und Gemeinden zurückzuführen. Sogar die Biersteuer habe man Bayern zum ee Teil genommen. Bayern müsse davon mindestens 55 Prozent erhalten.

Abg. Dr. Schetter (Zentr.) kann einstweilen die Zu⸗ seiner Fraktion zu dem demokratischen Antrag über die Unleiheablösungsschuld nicht in Aussicht stellen. Ein Pari⸗Kurs könne auch durch 9 ntrag nicht erzwungen werden. Die vern echverstspdihsn ätten fast einstimmig starke Bedenken gegen die F . Sreher. des Papiers ausgesprochen. Der Redner ist aber bereit, den Vorschlag erneut prüfen zu lassen. Für die end⸗ gültige Entschädigung der Liquidationsgeschädigten müßten die Mittel aus allen Ecken des Etats zusammengekehrt werden. Zu einer Besoldungsneuregelung möge sich der Minister recht bald entschließen.

Damit schließt die erste Lesung des Haushalts und des vorläufigen Finanzausgleichs. Der Finanzausgleich wird dem Steuerausschuß überwiesen. 18“ 3

Das Haus tritt sofort in die zweite Lesung des Haushalts

ein, und zwar zunächst in die des Etats des Reichsministe⸗ riums und des Reichskanzlers.

Abg. Torgler (Komm.) erklärt, die Bourgeoisie habe ein roßes Fnteresse an dem Etat des Reichskanzlers. Daher zeigten die innahmen diesmal 2 292 487 Mark mehr als im Vorjahre. Be⸗ merkenswert sei aber, daß der Etat, wie er vorgelegt worden sei, bei der Zentrale für Heimatdienst das Menschenmögliche an Ver⸗ schleierung geleistet habe. Im ganzen seien anderthalb Millionen die Fee für Heimatdienst bestimmt. Eine 1923724 ent⸗ tandene Ausgabe von 400 000 Mark vn. merkwürdigerweise erst in diesem Etat. Die Reichszentrale für Heimatdienst diene nur dazu, den jeweiligen Regierungsparteien zur Verfügung zu stehen. Die Arbeiterschaft habe gar kein Interesse an der —28 ür Heimatdienst, wenn sie heute auch nicht mehr so plump für Parteizwecke benutzt werde, wie seinerzeit bei der Hetze der

Sozialdemokratie gegen Spartakus. Die Mittel der Reichszentrale

würden in der unglaublichsten Weise für irgendwelche Mittel Der Redner wendet sich in diesem hen Bae

ang insonderheit gegen die Verhältnisse der „Deutschen Volks⸗

emeinschaft“, deren Geschäftsführer z. B. in zweifacher Eigen⸗ schaft Provision von einem und demselben Geschäft bekomme. Von einer geordneten Buchführung sei auch nicht die Rede.

Abg. Sollmann (Soz.) bemerkt, man werde im Ausschuß zu diesen Mitteilungen des Abgeordneten Torgler Stellung nehmen. Die Sozialdemokratie stehe der Zentrale für Heimat⸗ dienst ohne Begeisterung gegenüber, sie wolle aber, da die Zentrale nun einmal bestehe, möglichst großen Einfluß auf sie gewinnen,, um eine einseitige Verwendung für irgendwelche Zartetinteressen zu verhindern. Die Tätigkeit und Arbeit der Reichszentrale voll⸗ siche sich in voller Oeffentlichkeit; sie leiste durchaus keine ein⸗ eitige Aufklärungsarbeit, deren Kenntnisnahme auch den Kommunisten nichts schaden könne. 8

Bei der Abstimmung wird ein kommunistischer Antrag auf Streichung der Vertretung des Deutschen Reiches in München abgelehnt. Ebenso der kommunistische Antrag auf Streichung sächlicher Ausgaben der Zentrale für Heimatdienst.

Der Ausschußantrag auf Erhöhung der Ausgaben für das Nachrichtenwesen wird angenommen. Damit ist der Etat des Reichskanzlers erledigt.

„Der Etat des Reichswirtschaftsrats wird ohne Aussprache erledigt.

Das Haus vertagt sich auf Montag 3 Uhr: Fortsetzung der Etatsberatung (Haushalt für Versorgung und Ruhe⸗ gehälter, Haushalt des Reichspräsidenten), Reichswirtschafts⸗ ministerium.

Schluß gegen 4 Uhr. 8 5

ltnes shües

Preußischer Landtag. 249. Sitzung vom 19. Februar 1927, vormittags 11 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger. *)

Der Sitzungsbeginn, der ursprünglich gr. 11 Uhr an⸗ gesetzt war, verzögert sich infolge länger andauernder Be⸗ ratungen des Aeltestenrats und Besprechungen der Fraktionen über die gestrigen Tumultszenen um über eine Stunde.

Zu den auf der an erster Stelle stehenden restlichen Abstimmungen über die Anträge zur Hirtsiefer⸗ Verordnung haben die Deutschnationalen noch einen An⸗ fraß eingebracht, wonach die Aufgaben der von ihnen schon früher beantragten Schiedsstellen sich sowohl auf die Miet⸗ preisbildung als auch auf angemessene Räumungsfristen er⸗ strecken sollen.

Nach Eröffnung der Sitzung teilt Präsident Bartels den Beschluß des Aeltestenrats bezüglich des Abg. Keller⸗ mann (Komm.) mit, der gestern gegen einen Landtagsdiener, der auf Anordnung des Prbsidenten die Publikumstribünen räumen sollte, tätlich vorgegangen war. (Lebhaftes Hört, hört! rechts.) Kellermann soll dafür auf Beschluß des Aeltestenrats auf acht Sitzungstage ausgeschlossen werden. (Rufe bei den Kommunisten: 1 nerhört! Schickt ihn doch noch ins Zuchthaus!) Der Präsident gibt der Hoffnung Ausdruck, daß sich solche Vorkommnisse wie gestern nicht wiederholen. (Gelächter bei den Kommunisten.) Geschehe es dennoch, so werde der Präsi⸗ dent mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln Störungen unterbinden, gegebenenfalls unter Mithilfe von Polizeibeamten. (Lebhaftes Hört, hört! bei den Kommunisten.) Die Tribünenbesucher hätten sich jeder Aeußerung des Beifalls oder Mißfallens zu enthalten. (Rufe bei den Verbindet ihnen doch das Maul!) Der Präsident fordert dann den Abg. Kellermann (Komm.) auf, den Saal zu verlaässen. (Gelächter bei den Kommunisten und Rufe: Sucht ihn doch!)

Abg. Bartels⸗Crefeld (Komm.): Wir protestieren zunächst gegen die Anwesenheit bewaffneter Na ei in den Räumen des Landtags. (Lebh. Sn Hen bei den Kommunisten Gelächter rechts.) Es handelt sich bei diesem Vorgehen nicht nur um politische, sondern um Feigheit. (Ordnungsruf.) Die kommunistischen Abgeordneten haben sich gestern 86, nach Schluß der Sitzung auf die Publikumstribünen begeben (Gelächter rechts und stürmischer Widerspruch), um sich den Tribünenbesuchern schützend zur Verfügung zu stellen. (Stürmisches Gelächter rechts.) Protest weiter gegen den Ausschluß des Abgeord⸗ neten Kellermann erhoben werden, der S werden soll, weil er in Ausübung seines Mandats für die Wähler eintrat. (Stürmisches Gelächter, Widerspruch und Schlußrufe rechts.)

Abg. D. Winckler (D. Nat.), der von den Kommunisten mit beleidigenden Zurufen empfangen wird (Abgeordneter Skjellerup [Komm.] erhält zwei Ordnungsrufe), führt aus: Zum ersten Male hat der Preußische Landtag sich gestern dem Lärm der Tribünenbesucher gebeugt und seinen Arbeiksplan nicht durch⸗ geführt. Die Deutschnationale Fraktion gibt der bestimmten Er⸗ wartung Ausdruck, daß der Landtag in Zukunft vor derartigen Störungen genügend geschützt und Unterbrechungen der Tribünen⸗ besucher mit allen Machtmitteln unterbunden werden. (Stürmische Rufe bei den Kommunisten: Unerhört! Beisall rechts.)

Präsident Bartels: Wenn der Herr Abgeordnete Winckler erklärt, mit dem Schluß der gestrigen Sitzung stände der Lärm der Tribünenbesucher in Zusammenhang (Stürmisches Sehr richtig! bei den Deutschnationalen), so mag das vielleicht nach seiner Meinung richtig sein. Ich habe gestern die Tribünen räumen lassen. Die Räumung vollzog sich sehr langsam. In der Zwischenzeit war aber hier im Landtag eine derartige Unruhe und Nervosität entstanden (Gelächter rechts) daß die sachlichen Beratungen deswegen nicht P'5 fortgeführt werden konnten. Aus diesem Grunde habe ich die Sitzung geschlossen.

Angenommen wurde der E auf die Reich!. regierung dahin einzuwirken, daß anläßlich der zum 1. Juli bevorstehenden Verlängerung des Mieterschutz⸗ gesetzes Bestimmungen getroffen werden, die den Ländern die Möglichkeit geben, einen gewissen Schutz der Mieter solcher Räume, die den Zwangsvorschriften nicht mehr unterliegen, gegen ungerechtfertigte Kündigungen und wucherische Miets⸗ steigerungen zum mindesten für die Uebergangszeit sicher⸗ zustellen.

*) Mit Ausnahme der durch Sperrdruck bervorgehobenen Reden

der Herren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben sind.

Schulgebiet.

ngenommen wri dem das Staatsministerium ersucht wird, die Strafverfolgungs⸗ behörden anzuweisen, ihr besonderes Augenmerk auf un⸗ ange messene Mietforderungen zu richten und gegebenenfalls unnachsichtlich einzuschreiten.

Angenommen wurde auch der demokratische Antrag, wo⸗ nach die Ateliers der bildenden Künstler nicht als gewerbliche Räume anzusehen sind. Nach weiteren an⸗ genommenen Anträgen fallen nicht unter die Hirtsiefer⸗ Verordnung die Geschäftsräume solcher Gesellschaften, die durch die Reichs⸗ und Landesvregierung als gemeinnützig an⸗ erkannt sind. Auf Kriegsbeschädigte und Kriegshinterbliebene, die als gewerbliche Mieter sich in wirtschaftlicher Notlage befinden, oder deren Existenz durch Kündigung ihrer gewerb⸗ lichen Mieträume bedroht erscheint, findet die Verordnung gleichfalls keine Anwendung.

Angenommen wurde der Antrag, Bestimmungen zu treffen, durch die Wohnungen, die durch Teilung großer Wohnungen, Ausbau von Dachgeschossen, Zusammenlegung leerer Räume usw. gewonnen werden, den Vorschriften des Reichsmietengesetzes, Mieterschutzgesetzes und Wohnungs⸗ mangelgesetzes nicht unterliegen.

Abgelehnt wurde der eingangs erwähnte deutschnationale Antrag auf Errichtung von Schiedsstellen, deren Auf⸗ gabe es ist, eine vergleichsweise, der Billigkeit entsprechende Regelung herbeizuführen, sowohl in bezug auf die Mietpreis⸗ bildung als auch bezüglich angemessener Räumungsfristen.

Das Haus wandte sich sodann der Beratung des kommu⸗ nistischen Urantrags zu, dem Minister für Wissen⸗ schaft, Kunst und Volksbildung das Ver⸗ trauen zu entziehen. Die Abstimmung über diesen Antrag sowie über den kommunistischen Mrißtrauens⸗ antrag gegen den Wohlfahrtsminister wird jedoch erst Mittwoch, den 23. Februar, nachmittags 2 Uhr, stattfinden.

Abg. Kerff (Komm.) begründet den Antrag und führt aus, der Kultusminister hpabe im Hauptausschuß des Landtags zur Konkordatsfrage Ausführungen gemacht, die seine Bereitwllligkeit erkennen lassen, anstatt endlich die Trennung von Kirche und Schule und von Staat und Kirche durchzuführen, allen An⸗ sprüchen der schwärzesten Reaktion nachzukommen. Der Minister wolle dabei sogar unter Ausschaltung des Parlaments zu einer Verständigung mit der Kirche kommen. (Lebhaftes Hört, hört! bei den Kommunisten.) Die Dementis aus Rom ständen in Widerspruch mit der Tatsache, daß bereits 1920 der stliche Nuntius dem Reichspräsidenten Ebert egenüber den Wunsch nach Konkordatsverhandlungen zum Ausdruck brachte und daß 1925 schon ein Kabinett Marx Vorarbeiten in dieser Richtung durchführte. Entgegen der Reichsverfassung, die keine Staats⸗ kirche kenne, seien 70 und mehr Millionen von Preußen jährlich der Kirche ausgeliefert worden. (Hört, hört! bei den Kom⸗ munisten.) Mit Hilfe der Sozialdemokratie als Regierungspartei sei in Preußen eine ausgesprochene Konkordatspolitik getrieben worden. (Sehr wahr! bei den Kommunisten.) Die Kanzeln, ins⸗ besondere auch der evangelischen Kirchen, seien Brutstätten monarchistischer Propaganda. Das preußische Kultusministerium weise keineswegs die schwarzen Forderungen des Zentrums zurück, sondern erkläre sich im Gegenteil zu Konkordatsverhandlungen bereit. Darum sei das schärfste Mißtrauen gegen dieses das entgegen der Reichsverfassung der Kirche einen wahrlich entscheidenden Einfluß auf das gesamte Schulwesen ein⸗ räume, die geistliche Schulaufsicht wieder herstelle und damit das eigene Staatswesen negiere, durchaus notwendig. Zum Schluß Se der Redner gegen die Sozialdemokraten, die alle ihre ozialen Grundsätze über die weltliche Schule verleugnet hätten. (Zuruf des Abgeordneten Obuch [Komm.]: „Geopfert auf dem Altar der Koalitionspolitik!“) Die Sozialdemokraten hätten sich in dem Glauben, nur so die Republik retten zu können, ins Schlepptau des Zentrums nehmen lassen. (Zuruf des Abgeyr⸗ dneten Obuch: Sie werden auch in Preußen noch den Fußtritt dafür bekommen!) Das Zentrum, dessen wichtigstes politisches Ziel im Augenblick das Konkordat sei, werde sich aber keinen Augenblick besinnen, um der Erreichung dieses Zieles willen ge⸗ meinsam mit den Deutschnationalen, die Republik zum Teufel zu schicken. (Sehr wahr! bei den Kommunisten.)

Abg König⸗Swinemünde (Soz.) weist in der Besprechung die Auffassung des Abgeordneten Kerff zurück, als habe die Sozialdemokratte ihr Schulideal aufgegeben. Die Sozialdemo⸗ kraten hätten in jedem Jahr den Abschnitt „Geistliche Ver⸗ waltung“ des Kultusetats abgelehnt. Die kommunistische Forde⸗ rung, überhaupt nur noch Lehrer anzustellen, die aus der Kirche ausgetreten seien, sei doch völlig unerfüllbar, weil sich dafür keine Zweidrittelmehrheit finden würde. Deshalb sei man genötigt, Bestimmungen der Reichsverfassung auf kulturpolitischen Ge⸗ bieten Rechnung zu tragen. Wer das nicht tue, treibe Vogelstrauß⸗ politik. Etwaige Verhandlungen mit der Kurie könnten sich nur auf kirchenrechtliche Fragen beziehen, denn auf dem Schulgebitt sei die Staatshoheit unverrückbar festgestellt.

Abg. Danicke (Völk.) gibt namens feiner Fraktion eine Erklärung ab, in der es heißt: Die Frage des Konkordats ees schnell und aisgiebig im Landtag verhandelt werden. Es dürfe nicht angehen, daß gehei me Verhandlungen zwischen Kurie und preußischem Kultusministerium geführt würden. Seine Fraktion werde sich ihre endgültige Stellungnahme vorbehalten. Jetzt könne er schon erklären, daß sie nach den Erfahrungen in Bayern Gegner eines Konkordats sei. Sie werde auch für den Miß⸗ trauensantrag gegen den Minister Dr. Becker stimmen, weil dieser Minister keinen Sinn für völkische Belange habe.

Abg. Graue (Dem.) führt aus, daß auch die katholischen Mitbürger im Vaterlande inneryalb der Grenzen des für alle . Rechts so hikten sein müßten, daß sie sich wohlfühlten.

die Demokraten behielten sich vor, ihre Stellungnahme noch präziser zum Ausdruck zu bringen, wenn die Konkordatsverhand⸗ lungen mehr fortgeschritten sein würden und wenn man einen klareren Ueberblick habe. Irgendein Grund des Mißtrauens ggen Minister Dr. Becker bestehe nicht, um so weniger, als der

Minister auch in dieser Frage erklärt habe, daß ihn nur die Staatsnotwendigkeiten Preußens bei den Verhandlungen leiteten.

In Vertretung des erkrankten Kultusministers führt der Staatsselsetär aus, daß schon im Hauptausschuß der Minister mitgeeilt habe, daß die Frage des Konkordats sich noch im Stadium der Erwägungen befinde und daß er dem Landtag rechtzeitig Mitteilung über den Stand der Dinge machen werde. Im Vordergrunde des Interesses bei diesen Verhandlungen ständen natürlich die Staatsnotwendigkeiten. Das gelte auch für das . Diese letztere Frage werde selbstverständlich nur geprüft und beurteilt im Rahmen der Reichsverfassung und der preußischen Staatsverfassüung.

Abg. Schwenk⸗Berlin (Komm.) polemisiert gegen die Sozialdemokraten und hebt hervor, da. deren Mißerfolge sich am besten darin kennzeichneten, daß „Reichsbannerkamerad“ Marx jetzt eine rechtsgerichtete Reichsregierung führe. Auch in Preußen werde das Zentrum eines Tages die Sozialdemokraten aus der Regierung jagen und die Sache mit den Deutschnationalen wenn die Sozialdemokraten nicht so wollten, wie das

entrum.

Damit schließt die Besprechung. Die Abstimmung über den Mißtrauensantrag findet erst Mittwoch, den 23. Februar, statt. In der dann fortgesetzten Allgemeinen Aussprache zur zweiten Lesung des Domänen⸗Etats setzt sich Abg. Meincke (Dem.) für den Antrag seiner Partei ein, die durch Hochwasser geschädigten Domänenpächter finanziell zu unterstützen.

ein weiterer Zentrumsantrag, in

üblichen e zum Bau von Landarbeiterwohnungen nunnberechtigterweise ableh

Ztaat und den von ihm kontrollierten

Abzulehnen sei die einseitige Bevorzugung der

mänenpächter durch die Deutschnationalen. Zu begrüßen

2 8* der Domänenverwa tung gegen⸗ über den kleineren Pächtern. Schon im Interesse besserer Renta⸗ bilität sollte die Domänenverwaltung, wo irgend möglich, ihr nd in möglichst kleinen Parzellen abgeben. Auch die Domänen⸗ pächter sollten den Landarbeitern gegenüber eine wohlwollendere 2 tung als bisher einnehmen. Domänenpächtern, die den

nten, 88 jede verga x t⸗ b ug, Meliorationsbeitrag usw. entzogen werden. Der dem Körper chaften gehörige landwirtschaftlich genutzte Grundbesitz müßte im Interesse einer

weirtschaftlichen Ausnutzung der Domänenverwaltung unterstellt

werden.

Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten

Dr. Steiger: Obgleich die Lage in der Landwirtschaft noch

sehr schwierig ist, verzeichnet der Etat bei den Domänen doch einen Ueberschuß von 432 000 ℳ. Für beste Domänen ist eine ebhafte Nachfrage vorhanden; aber für mittlere und geringere Domänen ist die Nachfrage eine durchaus geringe, und im Osten ist sie selbst für gute Domänen flau. (Hört, hört! rechts.) An⸗

esichts dieser Sachlage ist es begreiflich, daß die Domänenpächter mit großen Pachtbeträgen im Rückstande sind. Am 1. Januar waren nicht weniger als 3 Millionen Mark gestundet. Sie sollen, dem Wunsche des hohen Hauses entsprechend, in langfristige Tilgungsdarlehen umgewandelt werden bei einem Zinssatz von 4 vH. (Bravol rechts.) Ich glaube, die Aktion wird in den nächsten Wochen zur Durchführung gelangen. Es ist auch natür⸗ lich, daß bei dieser Sachlage leider eine Anzahl von Domänen in Sequestration gekommen ist, nämlich nicht weniger als 25 chört, hört! rechts); in 16 Fällen konnte die Sache durch Pachtabtretung oder Sanierung erledigt werden. Aber außer diesen 25, die unter Sequestration gekommen sind, ist zu beachten, daß noch 19 Pächter in solchen Schwierigkeiten waren, daß sie auch unter Sequestration gekommen wären, wenn es ihnen nicht rechtzeitig gelungen wäre, eine Abtretung zustande zu bringen.

Sie haben dann im letzten Jahre einen Betrag bewilligt, um Pächtern oder tüchtigen Landwirten, die Pachtungen übernehmen wollen, die Mittel für die Uebernahme des Inventars zu leihen, auch dazu, Domänenpächtern, die zwar tüchtig sind, aber zu⸗ sammengebrochen wären, zu helfen. In 20 Fällen ist hiervon Ge⸗ brauch gemacht vorden, und 1 780 000 haben hierzu Verwendung gefunden.

Was nun die Ausführungen des Herrn Abg. Justi über die beiden Pachtungen anlangt, so sind diese einer Nachprüfung unter⸗

zogen worden. Hierbei hat sich ergeben, daß die Pächter Steuern

und Reparaturen irrtümlicherweise zu der Pachtung hinzugezählt

haben. Dadurch konnte natürlich diese Summe herauskommen,

die der Herr Abg. Justi seinen Darlegungen gutgläubigerweise

zugrunde gelegt hat. Tatsächlich liegt die Sache wesentlich anders.

Eine von diesen Pachtungen bezahlt sogar nur 95 vH der Friedens⸗ pacht.

Aber was die Bemerkung bezüglich des Pächters anlangt, der schon durch drei Generationen auf der Domäne sitzt und jetzt wahr⸗ scheinlich in die größte Verlegenheit kommen wird und herunter muß, so liegt die Sache so, daß diesem Pächter vorher gesagt worden ist: Wenn Sie Ihr Angebot aufrecht erhalten, dann werden Sie Ihr Geld verlieren. Das ist ihm mit eingeschriebenem Brief mit⸗ geteilt worden, so daß er darüber, was ihn erwartete, nicht im Zweifel sein konnte. Dann kann aber die Domänenverwaltung nicht damit belastet werden, wenn der Mann nun sein Geld ein⸗ büßt. Ich bedaure das zu meinem Teil auch sehr lebhaft. Er hätte meinem Rate folgen müssen, hätte das Geld nehmen sollen, was er noch hatte, und dafür damals zwei kleinere Höfe für seine Söhne ankaufen und im übrigen als Rentner leben können. Dann wäre es ihm wahrscheinlich besser gegangen als jetzt. (Zuruf rechts: Er ist von allen Seiten bedrängt.) Da kann ich nun nicht helfen; wesentlich ist nur, welche Ratschläge ich ihm in seinem Interesse geben ließ.

Wir haben dann Ihrem Wunsche entsprechend auch den Domänenbesitz vergrößert, und zwar im allgemeinen nur im Westen. Nur in einem Falle sind wir in den Osten gegangen, weil wir dort Wünsche der Universität Königsberg befriedigen mußten. Wir waren der Meinung, daß wir in diesem Falle wohl über die besonderen Wünsche des hohen Haufes hinausgehen durften, weil da zweifellos auch nationalpolitische Ueberlegungen mit in die Wagschale zu werfen sind. Im ganzen sind 14 Güter gekauft in einer Größe von 2115 Hektar zum Betrage von 4117 700 Mark, also nicht ganz 5 Millionen Mark. Haben Sie aber keine Sorge! Wir haben die 5 Millionen Mark ausgegeben, wenn der 381. März kommt. Erst heute ist wieder beschlossen worden, 2 kleinere Güter in Schleswig⸗Holstein zu kaufen. Im Hunsrück und auf der Eiffel wurden 5 Beispielwirtschaften in einer Größe von 512 Hektar zu einem Preise von 323 000 eingerichtet. Es sollen dort Wirtschaften geschaffen werden, die nur bäuerliche Größe haben und ein Vorbild für jene durchaus zurückgebliebene Landwirtschaft geben sollen. (Sehr richtig!) Ich denke nicht daran, Dorfdomänen im üblichen Sinne aufzuziehen. Die Wirt⸗ schaften sollen nur solange in Eigenwirtschaft behalten werden, bis sich jemand findet, der mir die Gewähr gibt, daß er diese Wirtschaften in Eigenbesitz oder Pacht in dem bezeichneten Sinne weiterführt. (Sehr richtig!)

Ich darf dann auf die Frage der Siedlung, die der Herr Ab⸗ geordnete Meincke in breiterer Weise berührt hat, zu sprechen tommen. Es ist selbstverständlich meine Pflicht, bei jeder Neu⸗ verpachtung die Frage zu prüfen, inwieweit Anliegersiedlungen zu berücksichtigen sind. Ich darf Ihnen hierbei sagen, daß sämt⸗ liche Regierungen ihre Meinungen in der Weise aussprechen, die sich mit den tatsächlichen Verhältnissen im Einklang befindet. Ich habe in dieser Sache insbesondere mit dem Herrn Regierungs⸗ präsidenten von Lüneburg verhandeln können und er hat mir zu⸗ gegeben, daß die Vorkehrungen, die ich traf, durchaus den Anforderungen entsprechen, die die dortige Landwirtschaft glaubt stellen zu müssen.

Im einzelnen hat nun der Herr Abgeordnete Meincke von Zandershagen gesprochen. Im letzten Jahr sind zwei Anträge be⸗ willigt, weitere Abgabe abgelehnt. Im nächsten Jahre kommt die Domäne zur Neuverpachtung. Dabei wird die Frage in aus⸗ giebigstem Maße geprüft werden können, inwieweit berechtigte Forderungen berücksichtigt werden müssen. Nicht alles, was ge⸗ fordert wird, ist immer berechtigt. (Sehr richtig! rechts.) Ich darf insbesondere auf Grohnde hinweisen, das auch genannt wurde. Dort hat der Kulturamtsvorsteher auf Grund des Gesetzes einen Bedarf von 3 ¼½ Morgen festgestellt, tatsächlich find

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168 Morgen abgegeben worden. (Hört, hört!) Aber nun kommt eine Gemeinde, die jenseits der Weser liegt und macht auch An⸗ forderungen geltend. (Hört, hört!) Meine Damen und Herren, es kann doch kein Zweifel darüber herrschen, daß hierfür keine Begründung vorliegen kann. (Sehr richtig!)

Dann ist die Domäne Brüssow genannt worden. Hier ist aber noch kein Antrag auf Anliegersiedlung gestellt. Indenfalls kann ich mich dahin zusammenfassen: Ich bin Willens, berech⸗ tigten Anforderungen zu entsprechen. (Bravo!)

Dann komme ich zu dem Gebiete der Arbeiter⸗ wohnungen. Da habe ich schon einmal vor zwei Jahren durchaus eingeräumt, und zwar auf Grund meiner besonderen Kenntnisse der Verhältnisse, daß die Zustände auf einer großen Anzahl von Domänen den Anforderungen, die man in sittlicher Beziehung stellen muß, durchaus nicht entsprechen. (Sehr wahr!) Ich habe mich daher bemüht Mittel flüssig zu machen, um hier Abhilfe zu schaffen. Alsbald wird Ihnen ein Kreditgesetz zugehen, in dem 2,3 Millionen Mark für Arbeiterwohnungen auf den Domänen angefordert werden. Außerdem haben Reich und Preußen je 1,250 Millionen Mark, also 2 ⁄½ Millionen Mark aus der produktiven Erwerbslosenfürsorge bereitgestellt. Ich hoffe, daß damit wirklich einmal etwas Gutes im großen Maße geschaffen werden kann. 8

Es ist dann weiter gewünscht worden, daß die Domänen in bezug auf die Meliorationen vorbildlich ge⸗ staltet werden. Es kann nicht verschwiegen werden, daß noch Domänen vorhanden sind, die insbesondere hinsichtlich der Drai⸗ nage durchaus zu wünschen übrig lassen und die in keiner Weise ein Vorbild darstellen. Diese Leistungen können aber nicht von den Pächtern ohne weiteres verlangt werden. Daher ist von mir beantragt, daß eine Million Mark in einem besonderen Kredit⸗ gesetz bereitgestellt werden. (Bravo!)

Wiederholt ist ich glaube, von dem Herrn Abgeordneten Stendel die Rede davon gewesen, daß die Land⸗ gewinnungsarbeiten gefördert werden sollen. Wenn wir bedenken, was wir da an fruchtbarem Lande gewinnen, dann ist das in der Tat eine Tätigkeit, die mit allen Mitteln gefördert werden muß. (Sehr richtig!) Leider ist infolge des Krieges und der Nachkriegszeit vieles verloren gegangen, eine ganze Reihe von Anlahnungsarbeiten sind zerstört worden. In den letzten zwei Jahren hat aber ein tüchtiger Aufbau stattgefunden. Es sind nicht weniger als 2800 ha durch Eindeichungen geschützt worden, während im ganzen nur 3250 ha neues Land gewonnen wurden. Sie sehen daraus, welche Arbeiten in den jüngsten Jahren auf diesem Gebiet geleistet worden sind. (Sehr gut!) Aber wir müssen noch mehr leisten, und daher erhalten Sie ein Kreditgesetz, in dem 5 Millionen gefordert werden, die in den Jahren 1927 bis 1930 zur Ausgabe kommen sollen. Dieser Betrag wird nicht erbeten etwa für die Gegenden von Ostfriesland oder Teile von Schleswig⸗Holstein, sondern für die ganze Küste, die ungefähr 270 km lang ist, um überall dort einzugreifen, wo eben die Ver⸗ hältnisse am günstigsten sind. Ich wünsche nur, daß Sie, wenn Sie an die Nordsee kommen, sich diese Arbeiten ansehen. Sie werden sicherlich Freude haben, wenn Sie sehen, wie da Höfe geschaffen sind, in denen man 5 Jahre hindurch ohne zu düngen Ernten bekommen hat, wie Sie es sich vielleicht kaum haben träumen lassen. 22, 23 Zentner Hafer pro Morgen erzielt man dort. (Zurufe.)

Ich darf dann weiter darauf hinweisen, daß entsprechend Ihren Wünschen ein Anleihegesetz für die Erschließung der Leibucht mit 1,250 Millionen Mark eingebracht worden ist. Dadurch werden größere Flächen in den Kreisen Emden und Norden entwässert und durch Bedeichung 500 ha geschützt.

Nun zu der Pachtregelung unserer Altpächter. Ich verschweige nicht, daß diese Frage in den letzten zwei Jahren ungewöhnliche Sorge gemacht und große Arbeit erfordert hat, aber es ist jetzt doch zu einer Regelung gekommen, von der gehofft werden darf, daß sie für die nächsten Jahre Ruhe geben wird. Es ist nämlich für drei Jahre mit den Altpächtern die Ver⸗ einbarung getroffen, daß sie im Durchschnitt 80 % der Vorkriegs⸗ pacht bezahlen, die Domänen in Pommern, in der Grenzmark und im Regierungsbezirk Oppeln östlich der Oder nur 75 %, und daß alles, was östlich des Korridors liegt, sogar nur 65 % zu zahlen hat. Die Neupächter sind jetzt, soweit es möglich war, auf Reichsmark gestellt. Ich möchte aber bitten, daß insbesondere die Antragsteller des Entschließungsantrages Drucksache Nr. 5261 die drei Worte „und zu ermäßigen“ streichen. Ich bitte, sich die Tragweite der von Ihnen gewählten Fassung klarzumachen. Es wird ungewöhnliche Schwierigkeiten bereiten, wenn die Domänen⸗ verwaltung vor eine derartige Aufgabe gestellt würde.

Im Laufe der bisherigen Diskussion ist wiederholt auf die selbstbewirtschafteten Domänen hingewiesen worden. Ich will nicht verschweigen, daß ich dabei den einen Wunsch habe, daß ich von einer größeren Anzahl von Domänen die Unterlagen bekäme, die ich Ihnen gegeben habe; dann wäre ich besser über die Verhältnisse unterrichtet, die draußen bestehen. Allerdings möchte ich diese Unterlagen dann auch in der Form haben, wie ich sie zu geben mich verpflichtet fühle.

Was aber nun die Frage anlangt, inwieweit diese Selbst⸗ bewirtschaftung ausgedehnt werden foll, so dürfen Sie das auch nicht von den Ergebnissen der paar Domänen aus be⸗ urteilen, die Ihnen gegeben sind Diese wenigen Domänen geben in der Tat keine genügende Unterlage für eine Beurteilung der Gesamtlage. Ich habe bereits einmal ausgeführt, daß ich der Mei⸗ nung bin: wir müssen auch Domänen in Selbstbewirtschaftung haben damit wir einen unmittelbaren Einblick in die Verhältnisse gewinnen (sehr richtig!) und uns selber ein Urteil bilden können, und damit wir weiter unter Umständen Pächter annehmen und in diese Domänen hineinsetzen können, die in ihren Verhältnissen nicht weiter gekommen sind, und damit wir endlich tüchtigen Landwirten Gelegenheit geben, selbständig zu wirtschaften. Aber darüber hinaus möchte ich nicht gehen. (Bravo!)

Ein Fall ist mir allerdings jetzt begegnet, der es erforderllch macht daß wir Selbstbewirtschaftung aufnehmen. Aus dem Ab⸗ kommen mit dem vormals Hohenzollernschen Hause ist uns u. a. die Herrschaft Gramenz zugefallen. Sie ist 11 000 Morgen groß und war schon bislang in Selbstbewirtschaftung; aber der Ertrag war außerordentlich gering. Ein Konsortium das bereit war diese Herrschaft zu pachten, hat sein Angebot auf dem aufgebaut. was bislang über die Geschäftsergebnisse der Herrschaft zu erfahren war Das entsprach selbstverständlich nicht meiner Meinung, und ich werde

daher diese große Herrschaft in Selbstbewirtschaftung nehmen, um

mir selber einmal ein Urteil darüber zu bilden wie es in dieser Sache aussieht.

Bei den Domänenstreustücken ist insbesondere darauf hingewiesen worden, daß sie viel mehr bringen als die Domänen selbst. Ja, meine Damen und Herren, das ist eine Selbstverständlichkeit; denn die Pachtung dieser einzelnen Stücke geschieht ja aus ganz anderen Erwägungen heraus als die Pachtung einer ganzen Domäne. (Sehr richtig!) Das sind zwei Sachen die man nicht miteinander vergleichen darf, und insbesondere darf man daraus nicht den Schluß ziehen, daß es z. B. richtig wäre, noch viel mehr Domänen in einzelne Teile aufzulösen. Es ist zwar richtig, daß der Unterschied gewaltig ist. Die 50 000 Hektar Streuparzellen bringen ein Mehr gegenüber dem Vorjahr von 419 000 Reichsmark, also beinahe ebenso viel wie die gesamten Domänen die 432 000 Hektar umfeassen.

Im Hauptausschuß ist die Anregung gegeben worden, die Ver⸗ waltung der Streuparzellen den Forstkassen zu übergeben. Diese Anregung ist zwar gut gemeint, und sie kann vielleicht auch hier und dort einmal durchgeführt werden, aber in der Regel sieht das doch anders aus; denn eine Forstkasse und eine Domänenkasse sind zwei verschiedene Dinge. Die Domänenkasse hat die Aufgabe, sich die einzelnen Streuparzellen anzusehen und die ganze Sache individuell zu behandeln, während die Aufgaben der Forstkassen ganz anders ausgestaltet sind. Die Domänenkasse muß also von einem ganz anderen Manne verwaltet werden als die Forst⸗ kasse. Aus diesem Grunde kann auch keine Zusammenlegung er⸗ folgen, ganz besonders aber deshalb nicht, weil Sie, meine Damen und Herren, immer mit Recht verlangt haben, daß bei der Ver⸗ pachtung dieser Streuparzellen auch die sozialen Verhältnisse der Pächter berücksichtigt werden sollen. Das kann man aber nicht von dem Geschäftszimmer aus, sondern nur dann, wenn man in unmittelbarer Verbindung mit der gesamten Bevölkerung steht. (Sehr richtig! rechts.) Aus all diesen Erwägungen heraus bin ich der Meinung, daß dieser wohlgemeinte Ratschlag keine Verwirklichung finden kann. Ich habe die Regierungsdirektoren noch letzhin darauf hingewiesen, daß ich keine unsoziale Behandlung der Streuparzellenpacht wünsche, wie ich das bereits vor einem Jahre durch ein Rundschreiben den Beamten zur Pflicht gemacht habe.

Nun hat Herr Abg. Stendel den Wunsch geäußert, es möchten noch mehr Parzellen als bisher durch Verkauf abgestoßen werden. Ja, in dieser Sache bin ich etwas anderer Meinnung. Ich will möglichst wenig verkaufen (sehr richtig! rechts), weil dann viel mehr Leute die Möglichkeit haben, zu solchen Flächen zu kommen. Ich will den Leuten dieses Land als Pachtung geben; dann sind sie viel eher in der Lage, an dieses Land heranzukommen, als wenn es verkauft wird, und sie haben dann doch das entsprechende Ein⸗ kommen daraus. Also den Weg, den der Abg. Stendel vor⸗ geschlagen hat, möchte ich nicht betreten.

Ich komme dann zu den Mooren. nächsten Tagen ein Anleihegesetz, das nicht weniger als 10,2 Millionen fordert, um die staatlichen Moore in Ostfriesland urbar zu machen und dort gleichzeitig eine große Gärtnersiedlung durchzuführen. Ich möchte mich hier nicht in Einzelheiten verlieren, weil ich mir das für die Besprechung der Vorlage vorbehalten will. Ich möchte in diesem Zusammen⸗ hange nur sagen, daß ich durchaus gewillt bin das ist ja auch selbstverständlich —, das Oedland des Staates möglichst rasch zu kultivieren. Geschieht das nicht, so kann man mit Recht sagen: „Staat, geh’ du voran! Sie bekommen ferner ein Kreditgesetz, das sich auf das Große Moosbruch bezieht, und durch das dort endlich einmal Ordnung geschaffen werden soll. (Bravo rechts!)

Herr Abg. Biester hat gewünscht, es möchte nach einer Reihe von Jahren eine Nachweisung über die selbständigen Existenzen, die auf dem Moor geschaffen werden,

vorgelegt werden. Das soll geschehen. Es handelt sich hier um eine Angelegenheit, die mich selbst sehr interessiert.

Bei der Gelegenheit darf ich Sie aber auch auf eine andere Sache hinweisen. Es ist ja immer die Frage gewesen: soll man diese Moore urbar machen und dann besiedeln oder soll man das Land, ohne das es urbar gemacht worden ist, also als Oedland den Siedlern abgeben, weil es dann natürlich sehr wenig kostet? Diesen letzteren Weg hat Oldenburg und zum Teil auch die Pro⸗ vinz Hannover beschritten. In Hannover ist es der Kreis Neustadt am Rübenberg gewesen, der eine Siedlung auf dem Moor eingerichtet hat. Er berichtete vor wenigen Tagen, daß dort 54 Siedlerstellen sind, daß die Gemeinde 380 Seelen umfaßt, aber unmittelbar vor dem Zusammenbruch steht. Es sind noch 1725 Morgen urbar zu machen. Dazu brauchen die Siedler ein Kapital von 355 000 ℳ. Sie haben aber schon jetzt soviel Schulden, daß sie nicht mehr bestehen können, und der Land⸗ rat beantragt, es möchte von den vorhandenen Schulden etwa die Hälfte durch eine Beihilfe aus staatlichen Mitteln gedeckt und die andere Hälfte, zuzüglich der Aufwendungen für die Urbarmachung des noch öd daliegenden Moores, den Leuten zu einem billigen Satze gegeben werden. Meine Damen und Herren, dahin kommt man, wenn man ohne größte Vorsicht urbar macht und besiedelt. (Sehr richtig! rechts.) Große Umsicht und vorsichtige Berechnungen sind unerläßlich. Dazu ist man auch im Interesse derjenigen ver⸗ pflichtet, die nun glauben, sie säßen da auf eigener Scholle. Diese Kolonie ist dem völligen Zusammenbruch nahe. So ist es aber auch anderen gegangen. Von dem Ministerium ist dieser Weg niemals beschritten worden, und das verdanken wir dem Herrn Staatssekretär Dr. Ramm, der sich von vornherein auf den Stand punkt gestellt hat: erst urbar machen und den Siedlern nur Lan in Kultur zu geben. Er hat mit der ihm eigenen Zähigkeit a

Sie erhalten in den

gegriffen worden ist. Die Zeit hat ihm recht gegeben.

Es ist von dem Herrn Abgeordneten Stemmler dann ein⸗ gehend über die Mineralbrunnen und Bäder gesprochen worden. Ich muß auch hier einräumen, daß Krieg und Inflation in den Zustand unserer Bäder in ganz besonderer Weise ein⸗ gegriffen haben. Die Klagen, die aus allen Bädern kommen, sind durchaus begründet. Sobald aber Mittel vorhanden waren ist auch daran gegangen, die Zustände zu verbessern. Im letzten Jahre erfolgte in Ems der Neubau des Pariser Hofes, das Römerbad wurde instand gesetzt und das neue Badehaus er weitert. In Langenschwalbach, in Schlangenbad, in Nenndor und in Rehburg soll eine Reihe von Aenderungen und Ver besserungen getroffen werden. Als ich eben Rehburg sagte, habe die beiden Herren aus Hannover mir zugenickt. Ich bin i

letzten Jahre, als Herr Biester hier seine Klagen vorgebracht hat,

diesem Grundsatz festgehalten, wenn er deswegen auch lebhaft an-