E1144““
leider übersebener Lapsus passiert, der in Hamburg allerdings den Eindruck erwecken konnte, als ob Preußen ultimativ auf die be⸗ dingungelose Anerkennung seiner Abänderungsvorschläge als Voraus- setzung für weitere Verhandlungen bestand. Ich habe daher anläßlich der zweiten gememsamen Beprechung mit den Vertretern Hamburgs am 24. Juni vorigen Jahres dem Herrn Bürgermeister Petersen gegen⸗ über diesen Irrtum äufgeklärt und hätte danach wohl erwarten können, daß er nicht wieder diese angeblich ultimative Form der Uebermittlung der preußischen Abänterungsvorschläge als Grund für den Abbruch der Verbandlungen ins Feld führte.
Diese angeblich ultimative Form der Gegenvorschläge hat auch
nicht zum Abbruch der Verhandlungen geführt. Es ist vielmehr in der zweiten Sitzung noch weiter sachlich verhandelt worden, wobei sich allerdings herausstellte, daß zwischen dem preußischen und dem hamburgischen Standpunkt noch eine so erhebliche Differenz bestand daß weitere Verhandlungen keine Aussicht auf Erfolg böten.
Die Verhandlungen sind dann abgeschlossen worden mit tolgender von mir genroffenen Feststellung: „In bezug auf den Gebietks⸗ austausch und den Finanzausgleich seien beide Teile materiell so weit auseinander, daß eine Verständigung zurzeit nicht möglich sei. Beide Teile seien beieit, sich von Regierung zu Regierung nachbarlich über ihre Maßnahmen und über ein gemeinsames Vorgeben auf dem Gebiete des Hafenbaus, des Generalsiedlungsplans und des Verkehrs⸗ wesens zu verständigen.“
Es ist dann später — wohl angeregt durch Hamburg — vom Herrn Reicheminister des Innern der Versuch unternommen worden, neue Verhandlungen wischen Hamburg und Preußen herbeizuführen. Herr Bürgermeister Petersen hat in bezug auf diesen Versuch in seiner Rede erklärt, daß Hamburg gern zugestimmt hätte — was, da von ihm die Anregung ausging, ja wohl kaum verwunderlich war —, daß Preußen sich aber die Einmischung des Herrn Reichemtnisters des Innern in sehr scharfer Form verbeten hätte. Ich halte es dem⸗ gegenüber zur Klärung der Sachlage für notwendig, das Schieiben im Wortlaut zu verlesen, mit dem ich unter dem 13. Oktober vorigen Jahres zu dem Vorschlag des Herin Reicheministers des Innern Stellung genommen habe. Das Schieiven ist etwas lang; ich bringe es aber gleichwohl hier wörtlich zur Verlefung, weil aus ihm am klarsten die Stellung der preußiichen Regierung zu dem jetzigen
Stande der Angelegenheit hervorgeht und insbesondere auch ersichtlich ist, daß davon keine Rede sein kann, daß Preußen sich in scharfer
Form die Einmischung des Herrn Reichsministers des Innern ver⸗
beten habe. Das Schreiben lautet:
„Das gefällige Schreiben vom 24. August d. J. — Nr. I 2180/41, 8 —, betreffend die Unterelbetrage, das wohl auf eine Anregung gelegentlich
Ihbres Besuches in Hamburg Ende Juli d. J. zurückzurühren ist, geht anscheinend von nicht ganz zutreffenden Voraussetzungen aus. Von einer Spannung zwischen Hambmg und Preußen, die für etwaine weiteie Verhandlungen die Vermittlung eines Dritten
erwünscht erscheinen ließe, ist der preußischen Regierung nichts bekannt. Ebensowenig erscheint eine Vermittlung erforderlich, weil etwa wirtschaftliche Belange des Reiches gefährdet erschienen. Daß die preußische Regierung, wie bisber, bei allen ihren Maßnahmen
auch in Zukunft die große Bedeutung Hamburgs und des gesamten
Unterelbegebiets für die deutiche Volkswirtschaft nicht außer Acht lassen und vor Schädigungen bewahren wird, ist schon deshalbeine Selbst⸗
veeständlichkeit, weil die wirtichaftlichen Belange der Reiches in ihrer
ganz überwiegenden Mehrheit sich mit denen Preußens decken.
so daß es schon logisch abwegig erscheinen dürste, zwischen den wirt⸗ schaftlicken Belangen des Reichs und denen Preußens einen Gegensatz konstruieren zu wollen Deshalb ist auch die von der hamburgischen Propaganda aus naheliegenden Gründen immer wiederholte These, daß gerade die Lösungsform der Frage, wie sie Hamburg wünscht, identisch sei mit den Interessen des Reichs in ihrer Bedeutung richtig einzuschätzen. Eber ließen sich für das Gegenteil gewichtige Gründe
antühren. Wenn Hamburg erneute Verhandlungen wünschen zollte,
so würde nichts im Wege stehen, daß es sich an die preußesche Re⸗
ierung wendet, um so weniger, als bei den letzten Verhandlungen ediglich eine Lösung auf Grundlage des Drews⸗Rödernschen Gut⸗ chtene sich nicht erzielen ließ, für andere Lösungssormen aber alle
Wege durchaus offen blieben. Für die Einschaltung eines Dritten
liegt daher nach Ansicht der preußischen Regierung ein sachliches Be⸗ dürtnis nicht vor, es würden vielmehr dadurch die Dinge nur noch weiter kompliziert werden.
Die preußische Regierung glaubt aber weiter hervorbeben zu sollen, daß ihr eine baldige Wiederaufnahme etwaiger Verhand⸗ lungen zwischen beiden vändern nicht dringlich erscheint. Die jahre⸗ langen Verhandlungen haben in die beteiligten preußischen Gebiets⸗ teile nicht nur eine sehr erheoliche Beunruhigung bineingetragen⸗ sondern sie haben es auch mit sich gebracht, daß wichtige Belange der verschiedensten Art in diesen Gebieten nicht die Förderung erfahren konnten, die notwendig gewesen wären. (Sehr richtig!) Seit der Beendigung der Verhandlungen im lautenden Sommer ist nun eine gewisse Beruhigung in diesen Gebieten eingetreten und es ist damit der Zustand geschaffen der die Nachholung des Verkäumten ermöglicht. Die beteiligten preußischen Gemeinden und Provinzen haben einen berechtigten Anspruch darauf, daß diese Ruhezeit, deren sie zur Förderung ihrer Weiterentwicklung dringend bedürfen, nicht sorort wieder durch Dazwischentreten hamburgischer Wünsche gestört wird, um so mehr, als Hamburg selbst während der letzten Verhandlungen wiederbolt erklärt hat, daß auch von seinem Standpunkt aus die Lösung durchaus nicht als dringlich zu betrachten sei, daß es vielmehr noch auf Jahre hinaus über genügenden Entwicklungsraum verfüge und daß es warten könne. (Hört hört!) Ich möchte auch annehmen, daß das Reich an der Entwickelung der um Hamburg liegenden preußischen Gemeinden und Provinzen das gleiche Interesse nimmt, wie an der Hamburgs, und desbalb auch seinerseits geneigt sein wird, die ruhige Entwickelungezeit diener Gebiete vor Störungen zu bewahren. (Sehr gut!) Einer
Hinausschiebung etwaiger neuer Verhandlungen dürfte im übrigen um so weniger etwas entgegen stehen, als durch die zwischen beiden
Ländern getroffene Vereinbarung in Hafen⸗, Verkehrs⸗ und Siedlungs⸗ fragen dauernd in Fühlung zu bleiben, eine organische Weiter⸗ entwickelung des gesamten Unterelbegebiets gesichert ist.
Schließlich möchte ich nicht unterlassen, zu bemerken, daß, wenn der preußischen Regierung aus den angegebenen Gründen eine baldige Wiederaufnahme der Verhandlungen auch nicht zweckmäßig erscheint, sie dennoch zu einer Prütung etwaiger neuer Vorschläge Hamburgs, die an sie berantreten sollten, jererzeit gern bereits ist.
Auch das gefällige Schreiben vom 29 v. M. — Nr. 2180/17.9 —
darf ich wohl hiermit als erledigt ansehen. Im übrigen bedauere
ich lebhaft, daß diese zunächst interne Angesegenbeit schon zum
Gegenstand von Presseäußerungen gemacht worden ist.
(gei.) Braun. t Aus dem Inbalt dieses Schreibens können Sie Zuch erseken warum die Regierung die zur Beratung stebenden Vorlagen dem Hause jetzt vorlegt und auf schnellste Verabschiedung Gewicht legen muß. 5
Wenn Herr Bürgermeister Petersen in seiner Rere die Frage aufwirft „Wie denkt man sich nun in Preußen die weitere Behand⸗ lung der Angelegenh’ it 2*, so möge er die Einbringun dieser Vorlage und die baldige Verabschiedung durch den Landtag als vorerst aus⸗ reichende Antwort auf seine Frage anehen. (Bravol und sehr gut¹) So babe ich nun an Hand der Tatsachen in Kürze den Verlauf der Groß⸗Hamburg⸗Frage in den jetzten Jahren objektiv dargelegt. Um den jachlichen Gegensat zwischen Hamburg und Preußen in dieser Frage nicht zu verschärsen, will ich darauf venzichten, so ver⸗ fübrerisch es für mich wäre, polemisch auf alle zum Teil recht aggressiv gegen Preußen gerichteten Ausführungen in der Rede des Herrn Hamburger Bürgermeisters und der Vertreter der Bürgerschaft zu antworten. Ich will mir nicht die Methode des Herrn Peterzen zu eigen machen, der glaubte, die Stellungnahme des preußischen Staafs⸗ rats in einer preußischen Angelegenbeit vor dem hbamburgischen Parlament einer scharfen Kritik unterzieben zu müssen.
Daß nicht alle Redner in der Debatte der ernsten Bedeutung der Frage gerecht wurden, erhellt auch daraus, daß ein prominentes Mitalied der Bürgersckaft glaubte, den albernen Schwindel vortragen zu müssen, Jaadgesellschaften aus Pommern zusammen mit Politikern der äunßersten Rechten hätten mich gefeiert — nach Angaben von Obrenzeugen soll es sogar gesagt haben, beglückwünscht — dafür, daß ich Hamburg, die Preffenäcke, auf die Knie gebracht bätte. (Heiterkeit.)
Auf weitere sachliche Einzelbeiten in den Reden werden die Herren Ressortminister, wenn sie es für erforderlich halten, noch ein⸗ geben. Nur einzelne wenige Behauptungen des Herrn Bürgermeisters möchte ich nicht ganz unwidersprochen lassen. .
Wenn es um den Lastenausgleich so stände, wie Herr Petersen
glaubt anband der von ihm ins Feld geführten Zahlen beweilen zu
können, dann würde ja für Hambaurg keine Veranlassung besteben, sich so gegen den von Preußen gesorderten vollen Lastenausgleich zu webren dann würde ja die Summe, die Hamburg an die preußischen Gemeinden zu zahlen hätte, überaus gering jein. Aber die Dinge liegen zweifellos anders, als wie sie nach den zahlenmäßigen Argu⸗ menten des Herrn Bürgermeisters scheinen.
Die gegenzeitig zu überweisenden Lobnsteuersummen scheinen mir den einzig beweiskꝛäftigen Anhalt zu geben für die Zahl der büben und drüben beschäftigten Arbeiter und Angestellten. Daraus ergibt sich aber, daß das Verhältnis der wechselseitig beschäftigten Arbeiter nicht wie 4:3, wie Herr Petersen behauptete, sondern zwischen Preußen und Hamburg wie 6:3 ist und daß sich daraus für die preußischen Wohngemeinden eine erhebtiche Belastung ergibt, dart im einzelnen für jeden, der derartige kommunalwirtschaftliche Verhält⸗ nisse zwischen Betriebs⸗ und Wohngemeinde kennt, kaum weiter be⸗ wiesen werden.
Wenn aber gar behauptet wird, daß die Ueberweisung der in Hamburg erhobenen und nach dem Gesetz au die preußische Wohn⸗
ortsgemeinde abzuführenden Lohnsteuer eine Leistung Hamburgs an
Pieußen darstellt, so würde ich, wenn diese Bebauptung von einem
politischen Laten aufgestellt würde, sie als reichlich naiv bezeichnen
müssen. Diese Bezeschnung auf die Ausführungen des Hamburger Staatechefs anzuwenden, verbietet mir indes die Höflichkeit. (Große Heiterkeit.) Immerhin darf man wohl die Frage aufwerfen, ob über das, was von Hamburger Betrieben an in Preußen wohnhafte Ar⸗ teiter und Angestellte an Lohn und Gehalt gezahlt wird, als Er⸗ gebnis der Arbeistung nicht noch einiger Mehrwert in Hamburg zurückbleibt, der dann in der größeren Steuerkratt, auf die sich Hamburg so viel zugute tut, zum Ausdruck kommt. (Sehr gut!)
Wenn man sich das vor Augen hält, erscheint auch die Be⸗ hauptung des Herrn Bür ermeisters, daß der ganze Unterelbebezirk von Hamburg lebe, in einem besonderen Licht.
Der Herr Bürgermeister weist in seiver Rede dann weiter darauf bin, daß die Steuerkraft der Hamburger Bevölkerung durch den Krieg und seine Folgen in höherem Maße berabgedrückt worden sei, als die eines jeden anderen deutschen Landes. Er ruft aus: „Denken Sie an den Verlust Hamburger Permögens in Uebersee durch den Krieg, an die völlige Pernichtung unserer Schiffahrt und unseres Handels“.
Meine Damen und Herren, die Verluste, die Preußen getrosten haben, scheinen in Hamburg minder groß bewertet zu werden. Das, was Hamburger Bürger betroffen hat, hat relativ in gleichem Maße auch die Bürger anderer deutscher Länder betroffen. Die Vernichtung unserer Handelsschiffahrt hat sicherlich Hamburg ebenso schwer ge⸗ troffen wie Bremen und die preußischen Häsen, wobei freilich nicht übersehen werden darf, daß aus Reichsmitteln, die zu drei Fünkteln von Preußen aufgebracht werden, für die Schiffsverluste nicht unerheblicher finanzieller Ertatz geleistet worden ist, der nicht zum geringsten den er⸗ freulichen Wiederaufbau unserer Handeleschiffahrt ermöglicht hat. (Sehr aut!)
Meine Damen und Herren, Preußen hat aber darüber hinaus als Land, und zwar als einziges deutsches Land, große wertvolle Gebiete im Osten, Norden, Südosten und Westen mit mehreren Millionen Bewohnern und etwa 3 ½ Milliarden Staatsvermögen verloren. (Sehr richtig!)
Es bat nicht nur diese Verluste zu tragen, sondern auch die Lasten allein auf sich nehinen müssen, die sich aus der Abtretung der verlorenen Gebiete ergeben. (Lebhafte Zustimmung.) So hat es 4. B. den größten Teil der Beamten, fast alle Lehrer aus den ab⸗ getretenen Gebieten übernehmen müssen (Sehr richtig!’, so daß heute in Preußen gegen 30 000 Lehrer, auf Anstellung wartend, sich durch⸗ hungern müssen. Kein deutches Land hat sich bisher zur jolidariichen Tragung dieser Kriegsfolgen, auch das reiche Hamburg nicht, bereit erklärt (jehr richtig!), kein deutsches Land hat uns irgendeinen Flüchtlingslehrer abgenommen. (Sehr richtig! Zurut: Sachjen zwei!)
Wenn Hamburg aber wieder auf die großen Aufwendungen hin⸗ weist, die es für seinen Hafen gemacht hat, und dabei immer wieder bervorhebt, daß es das im Interesse der deutschen Volkswirtschaft fue, so muß doch einmal auch mit der Offenbeit, mit der Hamburg angeblich diese Frage behandelt, ausgesprochen werden, daß Hamburg selbst bei dieser Opferwilligkeit für die deutsche Volkswirtschaft doch nicht gerade zu kurz kommt. (Sebr richtig!)
Die deutiche Volkswirtschaft ist zu über drei Fänfteln preußische Voltswirtschaft (sehr richtig!), da in Preußen die umfangreichsten landwirtschaftlichen und industriellen Bezirke
wie Robstoffgebiete hamburgniche Großmannssucht, wenn es dort so cargestellt wird, als wenn Hamburg dadurch, daß es von den in Preußen
vroduzierten und zum Exvort gelangenden Waren und von den in Preußen zur Verarbeitung gelangen en importierten Rohprodukten den Schiffahrts⸗ und Handelsgewinn einbeimst, der Haupffördeier der
tentichen Voltswirtschaf sei (jebr richtia!) und daß obne Hamburg die deutiche Wirtschaft nicht besteben fönnte. Alle Achtung vor dem kaufmännilchen Geist der Hambarger:; aber die deutsche Volkewut⸗ schaat würde schließlich auch nicht untergehen, wenn diese Hanrels⸗ und Schiffahrtegewinne den bremischen und preußischen Häfen mehr als bieher zuflössen. (Sehr aut!) Jedenfalls ist Ham⸗ burg bieber bei seiner angeblichen Aufopserung für die deutsche Volks⸗
wirlschaft noch sehr gut gerahren. (Sehr gut!)
Deoch genug darüber. Was mir bei der in Hamburg Platz gemiffenen Erregung besonders unbegreiflich erscheint, ist der Um⸗ stand, daß die Maßnahmen die Preußen jetzt zur Regelung der kommunalwirtschaftlichen Verhältnisse in seinem Unterelbegebiet in die Wege geleitet bat, diene Erregung ausgelöst haben. Man bat von einer Kampfansage Preußens, von der Absicht. Hamburg zu erdrossein — und was dergleichen starke Ausdtücke mehr sind — ge⸗ sprochen, und auch Herr Bürgermeister Petersen erklärt in seiner Rede, nur wenn diese Dinge in den preußischen Gemeinden in Fluß blieden, könnte sich eine befriedigende Lölung des Unterelbeproblems finden lassen.
Diese Auffassung, wie überhaupt die ganze Erregung
in Hamburg, ist nur verständlich, wenn Hamburg darauf ge⸗
rechnet bat, aus der Notlage der preußischen Gemeinden, die Wum Hamburg liegen, für sich Kapital zu schlagen. (Sehr gut!) Die Hambunrger können aber nicht von uns verlangen, daß wir die preußischen Randgemeinden an der Unterelbe in ihrer tommunal⸗ wertzchaftlichen Notlage belassen und sie dadurch für hbambungische Exrpansionspläne empfänglich erhalten. Wir gehen nicht darauf aus, Preußen aut Kosten Hamburgs zu vergrößern oder gar ganz Ham⸗ burg aufzuꝛaugen; wir sind aber auch nicht bereit, ohne gleichwer tige Gegenteistung preußisches Gebiet an Hamburg abzutreten das letzten Endes, offen ausgesprochen, nur dazu dient, den hamburgischen stadt⸗ staatlichen Partikularismus zu befriedigen und zu stärken. (Lebhafte Zustimmung.)
Wenn ein Hamburger Blatt schreibt, die Rede Petersens habe die Tur für neue Verbandlungen aufgezeigt; sie zu öffnen, sei Sache Preußens, so kann ich demgegenüber nur erklären: Preußen wird wenig Neigung haben, die Tür zu öffnen, nachdem vor der Türe von Hamburg ein derartiger Spektakel gemacht worden ist. (Sehr gut! und große Heiterkeit.)
Meine Damen und Herren, die Dinge liegen auch nicht so, wie kürzlich ein Hamburger Blatt schrieb, daß Hamburg nunmehr bereit sei, in neue Verhandlungen einzutreten, wenn Preußen darum bitte. Dazu liegt für Preußen keme Veranlassung vor. (Sehr richtig!) Wie wir in unserem Schreiben an den Herrn Reichsinnenminister erklärt haben, sind wir jederzeit bereit, neue Vorschläge Hamburgs zur Lösung des Unterelbeproblems zu prꝛüfen und Anregungen für den Beginn neuer Verhandlungen ernstlich in Erwägung zu ziehen. Für Preußen bestehen an sich aber keinerlei Gründe, auf Verhandlungen zu drängen,
Wir haben, nachdem die bisherigen Verhandlungen infolge Mangels an Entgegenkommen seinens Hamburgs gescheitert sind, die Regelung des Groß Hamburgproblems, soweit es preußische Gebiete an⸗ der Unterelbe betrifft, selbst in die Hand genommen. Die dem Hause
vorliegenden Geietzentwürfe sind der erste bedeutungsvolle Schritt auf diesem Wege. Ich bitte daher das hohe Haus, sie mit aller Be⸗
schleunigung zu verabschieden, damit „ein großes deutsches Volks⸗
interesse mit opferwilliger Tatkralt“ wie der Herr Bürgermeister von Hamburg am Schlusse semer Rede so schön ausführte, einen erheb⸗ lichen Schritt gefördert wird. (Lebhafter Beifall auf allen Seiten
des Hauses.)
Der Minister des Innern Grzesinski nahm hierauf das Wort, dessen Rede nach Eingang des Stenogramms ver⸗
7
öffentlicht werden wird.
In der Aussprache erklärt 8 Abg. Milberg (D. Nat.), die Rede des Oberbürgermeisters
Petersen habe außerordentlich störend gewirkt. Dankbar sei
Partei dem Ministerpräsidenten für die Betonung der preußäichen 8
Belange. Der Redner unterstreicht den Satz der Begründung der Eingemeindungsvorlage, daß die preußischen Randgemeinden in den Stand gesetzt werden sollen, ihr kommunales Eigenleben unter
Berücksichtigung der durch die Nachbarschaft zu Hamburg bedingten
besonderen Verhältnisse gesichert zu führen und sich gedeihlich
weiter zu entwickeln. Bei der Eingemeindung nach Altona seien
die Verhältnisse ganz eigenartig gelagert. 1 Die Steuerkraft des Stadtstaates Hamburg sei der der preußischen Randgemeinden um mehr als das Sofcelte überlegen. Es müsse hinsichtlich der Steuerüberweisungen für Altona eine Sicherheit gegeben werden. &☛ 2 5 ers di G moj 35r
Im Ausschuß würde man besonders die Eingemeindungsfragen nach Altona prüfen. Hier spiele gerade die Steuerfrage eine
große Rolle. Zu prüsen sei, ob Altona noch I 8
gebrauche. Im Provinziallandtag für Schleswig⸗Holstein sei diese Frage auch behandelt worden. Zu fragen sei, ob die Ein⸗ gemeindung der acht Gemeinden den erwünschten Erfolg haben werde, ob tatsächlich auch alle diese Gemeinden zwangsweise ein⸗ ugemeinden seien oder ob vielleicht noch auf andere Weise ge⸗ v. werden könne. Die Frage der Eingemeindung sei keine
Parteifrage, sondern sei zu beurteilen nach dem Gesichtspunkt
des preußischen Interesses. .
Abg. Leinert (Soz.) erklärt, er brauche sich nach der Rede des Ministerpräsidenten nicht mehr mit der Rede des Oberbürger meisters Petersen z2 ekth. Die Neuregelun sei keine Maßnahme gegen E Sie solle die Unzufriedenheit mit der Zugehörigkeit zu 2 die von Hamburg genährt werde, beseitigen. Der Einheitsgedanke führe seine Partei dazu, eine Angleichung der Staatsbürger Preußens an die Hamburgs herbei⸗ Fer s liege auch im Gedanken der Unitarisierung. Man
ürfe nicht durch finanzielle Maßnahmen die Erhaltung von Klein-⸗
staaten fördern. Zum Einheitsstaat könne man auch nicht durch eine Zerschlagung Preußens kommen. Hätte man nicht nur die Wasserstraßen, sondern auch die Hafen auf das Reich übernommen, so müsse man fragen. welches große Reichsinteresse Hamburg für srh in Anspruch nehmen könne. Wir wollen den preußischen Ge⸗ meinden nützen. Die großen deutschen Interessen müßten über
die Landesgrenzen hinaus die Gesundheit und Wohlfahrt des
ganzen deutschen Volkes fördern. Siedlungspolitik, Verkehrs⸗ politik und Schaffung von Kultureinrichtungen müßten diesem
Ziele dienen. Die Fmrhicen⸗ Gemeinden müßten Hamburg a
gegenüber aus ihrer riastellung heraus! Man müsse besonders die Illusion zerstören, daß Preußen kein Geld dazu habe, die preußischen Gemeinden so zu stellen, wie Hamburg gestellt sei.
Hengen. Ge erscheit boch eiwas
8— 2 2*
Beilae
sanzeiger und Preußische
.
Berlin, Donnerstag, den 24. Februar
. 8
Staa eiger
— „
85 1““ “ Hamburg hat doch seine finanzielle Stellung lediglich dem Reichs⸗ finanzausgleichsgesetz zu danken, das Hamburg finanziell so bevor⸗ ugt habe. Die Gemeinden um Hamburg herum seien auch in hren Ansichten nicht einig. Deshalb sei die Schaffung großer
— leistungsfähiger Gemeinden zu begrüßen. Nicht mehr Kirchturm⸗
nteressen historisch gewordener Gemeinden dürften ausschlaggebend
in. Die Hamburger Politik mit dem: divide et imperal dürfe
ich nicht weiter auswirken! Sehe sich Hamburg großen Ge⸗ meinden gegenüber, so würden die Eifersüchteleien wegfallen und
die Gemeinden werden positive Stellung zu den großen Fragen
nehmen müssen im Interesse der Wohlfahrt der dort lebenden Bevölkerung. So werde diese Vorlage Handlung bringen! Viel werde ausgeräumt werden von dem, was das Verhältnis mit Hamburg vergiftet habe.
Abg. Kriege (D. Vp.) erklärt die volle Zustimmung seiner Fraktion zu der Abwehr der Angriffe des Ersten Bürgermeisters von Hamburg, Dr. Petersen, durch den Ministerpräsidenten. Es handele sich hier nicht um parteipolitische, sondern um allgemeine
und staatspolitische Fragen. Wenn seine Partei auch in der
Opposition stehe, so stehe sie hier doch hinter der Regierung. Eine einfa Behauptung Hamburgs, daß es zur Erweiterung seines
Hafens preußisches Gebiet nötig habe, könne nicht genügen; diese Frage sei vielmehr auch unter Zuziehung preußischer Sachver⸗
ständiger zu prüfen. Da teile er die Auffassung des Minister⸗ präsidenten, daß Hamburg eigenes Areal genug besitze, um seinen Hafen auszubauen. Ueber die Einzelheiten der vorliegenden Gesetzentwürfe werde im Ausschuß zu reden sein. Der Sonder⸗
finanzausgleich sei notwendig. Zu begrüßen sei auch der Schritk⸗
einen Ausgleich zwischen Hamburg und Bremen herbeizuführen hinsichtlich der Ansiedlung der die Wirtschaft stützenden großen Arbeitermassen und der den Gemeinden zufallenden Lasten. Die Vergrößerung Wandsbeks scheine im allgemeinen Einvernehmen zu erfolgen. Bezüglich der Eingemeindungen in Altona seien die betroffenen Gemeinden zum Teil nicht einverstanden. Inwieweit diese Eingemeindungen nötig seien, werde im Ausschuß zu prüfen ein. Bei der großen Wichtigkeit der Vorlagen beantrage auch Partei, den Ausschuß von 21 auf 29 Mitglieder zu ver⸗ mehren. Der Redner schließt mit dem Wunsch, daß die Beratungen füber diese wichtigen Fragen für die Gemeinden, für Preußen und für das Reich von Wert und von Erfolg sein möchten. 8 Abg. Prelle (Dt. Hann.) weist auf die große Bedeutung Hamburgs hin und kritisiert den Versuch, Hamburg durch deutsche Höfen Konkurrenz zu machen. Das Deutsche müsse voranstehen. Selbstverständlich sei es, daß die Interessen der angrenzenden ndesteile Hannovers und Schleswig⸗Holsteins gewahrt werden. Bei der eingehenden Behandlung der Frage müsse man den deutschen Gesichtspunkt in den Vordergrund stellen. Soweit es sich um Harburg, Wilhelmsburg usw. handele, müsse gefordert werden, daß die Süderelbe genügend vertieft werde. Mit den Ein⸗ gemeindungen müsse man vorsichtig, sein. Es sei zweifelhaft, o5 durch sie der Not der Gemeinden ein Ende gemacht werde. Ein⸗ gemeindungen könnten auch dazu führen, daß das Notstandsgebiet eine allzu starke Bevölkerung erhalte. Der Ausgleich Preußens mit den Landgemeinden sei unbedingt nötig. Seine Fraktion werde alle parteipolitischen Interessen beiseite lassen und nur das allgemeine Interesse vertreten. H
Abg. Stolt (Komm.) bezeichnet die Vorlage als einen Kotau des sozialdemokratischen Ministerpräsidenten vor dem preußischen Junkertum. Für die Kommunisten sei ausschlaggebend die Stellungnahme der Arbeiterschaft der Wasserkante. Der Groß⸗ Hamburger Arbeiter⸗ und Soldatenrat habe im November 1918 die Schaffung eines einheitlichen Wirtschaftsgebietes Groß⸗Ham⸗ burg gefordert. Bis Ende Februar 1922 sei auch die Stellung der Sozialdemokratie in diesem Sinne gewesen. Dann sei aber die Schwenkung zugunsten Preußens erfolgt. Die kommunistische Fraktion verlange im Interesse der Arbeiterschaft ein einheitliches Wirtschaftsgebiet Groß⸗Hamburg.
Das Haus unterbricht hierauf die weitere Beratung durch Abstimmungen. Albgestimmt wird zunächst über die Anträge zum Domänenhaushalt. Abgelehnt werden u. a. der deutschnationale Antrag auf Ermäßigung der Pachten, die noch in der Inflationszeit oder kurz nach dieser abgeschlossen sind. Die Anträge auf Unterstützung der durch Hochwasser betroffenen Domänenpächter finden Annahme. Abgelehnt werden deutschnationale Anträge auf Uebernahme der Hälfte der Feede egentgehe. der verpachteten Domänen auf den Staatshaushalt. Eine Reihe von Anträgen werden der Ausschußberatung überwiesen. — Die Anträge des Hauptausschusses finden im wesentlichen Annahme.
Es folgt die Abstimmung über das Mißtrauens⸗ votum gegen den Wohlfahrtsminister. Die Kommunisten beantragen, erst über den kommunistischen Mißtrauensantrag gegen den Kultusminister abzustimmen. Es würde sich besonders empfehlen, daß die Parteien ihre Haltung zum Minister Hirtsiefer noch einmal nachprüften. Besonders die Demokraten und Sozialdemokraten sollten das tun. Man solle sich überlegen, ob man es verantworten könne, Zehntausende von Angestellten und Familien zu opfern. Die
altung des Kabinetts sei ein glatter Verrat der Mieter. Große Unruhe im ganzen Hause.)
Abg. Heilm ann (Soz.) lehnt die Umstellung ab. Die Stellung seiner Fraktion sei klar. Sie habe die Verordnung mit aller Entschiedenheit abgelehnt. (Gelächter bei den Kommunisten.) Die Mehrheit des Landtags sei für die Ablehnung der Aufhebung
ewesen Der Widerstand der Kommunisten sei nicht von sach⸗ ichen Gründen getragen. (Lärmender Widerspruch der Kommu⸗ nisten. Große Unruhe.)
Die Umstellung wird abgelehnt. Das Haus schreitet hierauf zur Abstimmung über das Mißtrauensvotum gegen den Wohlfahrtsminister. Abgegeben wurden 304 Karten. Enthalten haben sich 33 Mitglieder. Mit Ja haben gestimmt
7, mit Nein 224. Damit ist das Mißtrauensvotum gegen Minister Hirtsiefer abgelehnt. Dafür haben neben den An⸗ tragstellern nur die Völkischen gestimmt. Die Deutschnatio⸗ nalen haben sich an der Abstimmung nicht beteiligt. Die Deutsche Volkspartei hat mitgestimmt und Karten auf Ent⸗ haltung abgegeben.
Es folgt die Abstimmung über das Mißtrauens⸗ votum gegen den Kultusminister. Abgegeben wurden 404 Stimmen. Mit Ja stimmten 194, mit Nein 210. Auch dieses Mißtrauensvotum ist damit abgelehnt. Gegen das Mißtrauensvotum stimmten die Regierungsparteien, die übrigen Parteien stimmten dafür. Vor der Abstimmung hatte Abg. Koch⸗Oeynhausen 2 Nat.) die Erklärung abgegeben, daß seine Partei dem Mißtrauensantrag zustimme, ohne he. die Begründung zu eigen zu machen.
—
Lösung aus.
Hierauf wurde die allgemeine Aussprache zur Groß⸗ Hamburg⸗Frage beendet.
Abg. Ladendorff (Wirtsch. P.) erklärte im Aepensat zu den Deutsch⸗Hannoveranern, seine Partei teile den Stan punkt des Ministerpräsidenten und lehne alle machtpolitischen Pläne Hamburgs zum Schaden preußischer Gemeinden ab.
Abg. Hoff (Dem.) sprach sich für eine friedlich⸗schiedliche Sr. s handele sich nsich um Eingemeindungsfragen, sondern darum, auf dem Wege der Hafengemeinschaft, des gemein⸗ schaftlichen Generalbebauungs⸗ und Großsiedlungsplanes und des Finanzausgleichs die beiderseitigen Interessen zum Wohle des gesamten Volkegz zu fördern. .
Die Vorlagen wurden 1 einem besonders gebildeten
Groß⸗Hamburg⸗Ausschuß überwiesen.
Das Haus begann sodann die erste Beratung der neuen Grund⸗ und Gebäudesteuer.
Finanzminister: Dr. Höpker⸗Aschoff, Die Geschichte der Grundvermögensteuer in der Zeit nach dem Kriege ist ein getreues Spiegelbild der zerrütteten wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse, die wir als Folge des Krieges erlebt haben. Bereits im Jahre 1920 sah sich die Staatsregierung ge⸗ zwungen, die Grundvermögensteuer für den Staat in Anspruch zu nehmen, weil die wichtigsten Einnahmequellen, die der Staat vor dem Kriege gehabt hatte, insbesondere die Einkommensteuer und die Ueber⸗ schüsse aus der Eisenbahn, verlorengegangen waren. Inkolgedessen ist am 13. November 1920 dem Landtag der Entwurf zu einem Grund⸗ vermögensteuergesetz vorgelegt worden. Man konnte in der kurzen Zeit eine neue Veranlagung nicht durchführen und griff daher bei diesem Entwurf auf die letzte Veranlagung zur sog. Ergänzungssteuer zurück, die im Winter 1916/17 für die Steuerperiode 1917—18— 19 durchgeführt worden war. Man setzte, indem man von dieser Grundlage aus⸗
damals im Landtage nicht verabschiedet, es kamen die Wahlen da⸗ zwischen, und dann wurde dem Landtage im November 1921 eine neue Vorlage vorgelegt. Diese weitere Vorlage hielt ebenfalls an der Veranlagung zur Ergänzungssteuer fest, vervielfachte aber mit
Rücksicht auf die Inflation die Veranlagungswerte bei dem land⸗
wirtschaftlichen Besitz mit dem Dreifachen und bei dem städtischen Besitz mit dem Eineinhalbfachen und schlug vor, von den so er⸗ mittelten Werten 4 vT als Steuer zu erheben. Die Beratung dieser Vorlage zog sich sehr in die Länge, bis zur Verabschiedung des Ge⸗ setzes war mehr als ein Jahr seit der Einbringung der Vorlage ver⸗ flossen, und bei den letzten Beratungen war eine weitere starke Geld⸗ entwertung eingetreten. Der Dollar, der im November 1921 auf 200 ℳ stand, war bis zum November 1922 auf 7000 ℳ gestiegen. Wenn also die Vorlage damals nicht verändert worden wäre, hätte sie bei weitem nicht das gewünschte Ergebnis gebracht. Infolgedessen wurde damals von einer großen Reihe von Parteien der sogenannte Antrag Leidig unterstützt, der eine andere Fassung des Gesetzes vorsah. Man ging wiederum von der Veranlagung zur Ergänzungssteuer aus, ver⸗
vielfachte aber nunmehr die veranlagten Werte, wenigstens beim land⸗
wirtschaftlichen Besitz, um das Achtfache und setzte den Steuersatz auf
5b vT fest. In dieser Fassung ist das Gesetz damals verabschiedet
worden. Die Erträge blieben natürlich hinter den Erwartungen sehr stark zurück, da die Entwertung weiterging. Infolgedessen sah sich die Preußische Staatsregierung veranlaßt, im Wege einer Not⸗ verordnung die Grundvermögensteuer neu zu regeln, und sie machte nunmehr den entscheidenden Schritt: sie stellte die Grund⸗ vermögensteuer auf die Goldgrundlage. Die Steuersätze sollten nach dieser Vorlage monatlich 20 ₰ für 1000 ℳ beim land⸗ wirtschaftlichen Besitz und 25 ₰ für 1000 ℳ monatlich bei allen übrigen Grundstücken betragen. Diese Verordnung der Staatsregie⸗ rung, die im November 1923 erlassen worden ist, fand nicht die volle Zustimmung des Landtags. Der Landtag bat sie zwar nachher ge⸗ nehmigt, hat aber doch eine Reihe von Aenderungen durchgeführt. So ist dann die Grundvermögensteuer endgültig durch das Gesetz vom 28. Februar 1924 so gestaltet worden. Dieses Gesetz vom 28. Februar 1924 hielt an den bisherigen Grundlagen der Veran⸗ lagung, also der Veranlagung vom Winter 1916/17 fest, führte aber nunmehr wenigstens beim landwirtschaftlichen Besitz eine Staffelung des Steuersatzes ein. Der Steuersatz wurde bei den be⸗ bauten Grundstücken, die nicht landwirtschaftlichen und forstwirtschaft⸗ lichen Zwecken dienen, auf 20 ₰ pro 1000 ℳ und Monat fest⸗ gesetzt; bet landwirtschaftlich genutzten Grundstücken wurde eine Staffelung von 10 bis 25 ₰ durchgeführt, und bet allen übrigen Grundstücken wurde der Steuersatz einheitlich auf 25 ₰ pro 1000 ℳ und Monat festgesetzt.
Das, meine Damen und Herren, ist das Grundvermögensteuer⸗ gesetz, das dann hernach wiederholt durch Beschlüsse des Landtags verlängert worden ist, weil sein Ablauf bevorstand. Bei diesen Ver“ längerungen rechnete man immer damit, daß alsbald eine neue Be⸗ wertung, wenn nicht in Preußen, so doch im Reiche durchgeführt werden würde, und daß nach Durchführung dieser Bewertung das Grundvermögensteuergesetz in Preußen auf eine entsprechende neue Grundlage würde gestellt werden können. Da aber die neue Be⸗ wertung auf sehr große Schwierigketten stieß und immer wieder hinausgeschoben wurde, so hat sich auch die Einbringung eines neuen Grundvermögensteuergesetzes oder eines Grund⸗ und Gebäudesteuer⸗ gesetzes, wie wir es zu nennen vorschlagen, immer wieder verzögert. Es liegt nunmehr dem hohen Hause vor.
Das Reichsbewertungsgesetz zwingt die Länder und Gemeinden,
auf die Einhertswerte zurückzugehen, wenn sie eine Grundvermögen⸗ steuer nach Maßgabe des Wertes erheben. Wir sind allo gezwungen,
unserer Grundvermögensteuer die Einheitswerte zugrunde zu legen, die auf Grund des Reichsbewertungsgesetzes in dem durch Reichs⸗ gesetz geordneten Verfabren festgestellt werden. Ohne eine Aenderung der Reichsgesetze wäre also eine Verlängerung der Grundvermögensteuer in der bieherigen Form nicht, mehr möglich, wenigstens beim landwirtschaftlichen Grundbesitz. Wir glauben aber nunmehr, die Einheitswerte im allgemeinen unserer Grundvermögens⸗ steuer zugrundelegen zu sollen, nicht nur beim landwirtschaftlichen Besitz, wo uns das Reichsgesetz dazu zwingt. Die Einheitswerte sind
noch nicht endgültig festgestellt. Wir sind von den Vorschlägen aus⸗ gegangen, die die preußischen Katasterämter den Reichsbehörden ge⸗ macht haben. Ich darf hier aber gleich sagen, daß große Aenderungen bei der endgültigen Veranlagung wahrscheinlich nicht mehr stattfinden werden, daß die Reichsfinanzbehörden, der Grundwertausschuß, jeden⸗ falls unter keinen Umständen über die Vorschläge der Katasterämte hinausgehen werden, daß es sich also bei der endgültigen Feststellung des Einheitswerts höchstens noch um eine Senkung der veranlagten Beträge handeln könnte. 8 Bei der Einbringung dieser Vorlage geht die Staatsregieruug davon aus, daß das Gesamtaufkommen der Grundvermögenssteuer für
den preußischen Staat unter keinen Umständen eine wesentliche Ver⸗
minderung erfahren darf. Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Alle diejenigen Damen und Herien des hohen Hauses, die an den
Beratungen des Etats im Hauptausschuß teilgenommen haben, werden
einen klaren Einblick in die Finanzlage des Staates gewonnen und die feste Ueberzeugung erhalten haben, daß, wenn die notwendigsten Aufgaben des Staates überhaupt noch erfüllt werden sollen, die Ein⸗ nahmen des Staates nicht verkürzt werden dürfen. Eine solche Ver⸗ kürzung der Einnahmen und damit die Unmöglichkeit, die notwendigen Staatsaufgaben übechaupt noch zu erfüllen, würde eintreten wenn das Gesamtaufkommen der Grundvermögenssteuer erheblich geschmälert werden würde. Von diesem Grundgedanken ist die Staatsregierung also ausgegangen. Das führt nun natürlich dahin, daß bei veränderten Werten, wie sie die Einheitsbewertung ergibt, der Steuersatz geändert werden muß, damit im großen und ganzen dasselbe Ergebnis, das bisher herausgekommen ist, auch in Zukunft erzielt wird.
Die Vorlage schlägt vor, von den Einheitswerten auszugehen und
den Steuersatz im allgemeinen auf 3,6 vT festzusetzen. Allerdings
ging, den Steuersatz auf 10 vT fest. Diese Vorlage wurde V machen wir hier zwei Ausnahmen, zunächst für den zwangsbewirt⸗
schafteten Besitz, und zwar aus mehreren Gründen. Bei dem zwangs⸗ bewirtschafteten Besitz, also im wesentlichen bei dem städtischen Haus⸗ besitz, hat eine Neuveranlagung, wie bei den landwirtschaftlichen Grundstücken, nicht stattgefunden, sondern die Feststellung der Ein⸗ heitswerte bei dem zwangsbewirtschafteten Besitz hat sich gemäß § 85 des Reichsbewertungsgesetzes in der Weise vollzogen, daß der Reichsfinanzminister mit Zustimmung des Reichsrats gewisse Hundertsätze des berichtigten Wehrbeitragswertes als die zugrunde zu legenden Werte festgesetzt hat. Dieser Hundertsatz ist bei den einzelnen Grundstücksarten ganz verschieden; Villengrund⸗ stücke sind anders bewertet worden als Mietskasernen und so fort. Diese Einheitswerte, die auf diese Weise, also in einem summarischen Verfahren, für den städtischen Besitz festgestellt worden sind, werden unzweifelhaft in den nächsten Jahren erhebliche Ver⸗ änderungen erleiden; denn die richtige Bewertung des städtischen Besitzes hängt natürlich in sehr starkem Umfange einmal davon ab, was aus der Hauszinssteuer wird, zweitens davon, wie die Mieten festgesetzt werden, und drittens davon, wie mit der gesamten Zwangs⸗ wirtschaft verfahren wird. Hier sind die Dinge also noch im Fluß, und wir können nicht klar sehen. Infolgedessen schlagen wir durch die etwas verzwickte Bestimmung des § 6 Abs. 2 vor, bei dem zwangs⸗ bewirtschafteten Besitz dieselben Steuern zu erheben wie bisher. Dieses Ergebnis wird dadurch erreicht, daß wir an dem bisherigen Steuerfatz von 2,4 vpD festhalten, dieen Steuersatz aber vervielfachen mit der Verhältniszahl, die aus dem Einheitswert und dem berichtigten Wehr⸗ beitragswert gewonnen wird. Das Ergebnis wird dadurch zunächst nicht verändert.
Die zweite Ausnahme von dem eiaheitlich vorgeschlagenen Steuersatz von 3,6 vT wird bei dem landwittschaftlichen Grundbesitz vorgeschlagen. Wir schlagen hier eine gewisse Staffelung vor, nämlich einen Steuersatz von 3 vT für die ersten 100 000 ℳ des Wertes und den vollen Satz von 3,6 vT erst für den Mehrwert. Die Staffelung wird also nur noch in einem geringen Maße auf⸗ recht erhalten, und sie unterscheidet sich von der früheren Staffelung auch dadurch, daß sie eine sogenannte Anstoßstaffelung ist, daß also der ermäßigte Satz von 3 vT allen Besitzgrößen für die ersten 100 000 ℳ zugute kommt. Die bisherige Staffelung, die ja verhältnismäßig stark war, hatte ihren Grund vor allen Dingen in dem Ergebnis der Bewertung, die bei der Veranlagung zur Er⸗ gänzungssteuer vorgenommen war. Diese Veranlagung zur Er⸗ gänzungssteuer war zum Nachteil des kleinen und mittleren Besitzeg ausgeschlagen. Es ergab sich bei der Feststellung des Ergänzungs⸗ steuerwerts bei gleicher Bodengüte auf die Flächeneinheit berechnet eine Höherbewertung des kleinen und mittleren Grundbesitzes gegenüber dem größeren Grundbesitz. Das lag daran, daß bei dem kleinen und mittleren Besitz Gekäude und Betriebsinventar dem größeren Besitz gegenüber eine verhältnismäßig große Rolle spielten. Hätte man also damals keine Staffelung eingeführt, als wir im Jahre 1924 unsere Grund⸗ vermögensteuer für eine Reihe von Jahren zu gestalten suchten, so hätte der Ausgang von der Veranlagung zur Ergänzungssteuer dahin geführt, daß der kleine und mittlere Besitz viel stärker belastet worden wäre als der größere. Es ist zwar nicht bei den Ab⸗ stimmungen über das Gesetz von 1924, wohl aber später im Verlauf der Beratungen über die Verlängerung des Gesetzes eigentlich von allen Parteien anerkannt worden, daß diese Staffelung mit Rücksicht auf die Veranlagungsergebnisse des Jahres 1916/17 geboten war. Dieser entscheidende Grund für eine Staffelung, der in der Be⸗ wertung lag, ist durch die Einheitsbewertung zu einem erheblichen Teil ausgeräumt, weil die Feststellung des Einheitswertes nach dem Reichsbewertungsgesetz ohne Rücksicht auf die Größe des Betriebs lediglich nach der Ertragstähigkeit des Grund und Bodens durch⸗ geführt wird.
Welche starken Veränderungen in der Bewertung durch diese Einheitsbewertung herbeigeführt worden sind, das, meine Damen und Herren, wollen Sie aus der Anlage II zu dem Gesetzentwurf ent⸗ nehmen. Wir haben an Hand der Ergebnisse, die bet 33 000 Be⸗ trieben im ganzen Staatsgebiet festgestellt worden sind, darzustellen versucht, wie bei den einzelnen Betriebsgrößen die Werte nach dem bisherigen Grundvermögensteuergeset waren und wie sie nach der Einheitsbewertung sein werden. Sie ersehen aus dieser Tabelle, daß