1927 / 49 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 28 Feb 1927 18:00:01 GMT) scan diff

Krankenkassenversicherung for affelung des Krankengeldes nach dem Familienstande und Er⸗ richtung neuer Kassen nur mit Zustimmung der Versicherten. Zur Hebung der Volksgesundheit müßten alle Träger der Sozial⸗ versicherung und der Gesundheitspflege noch viel mehr zusammen⸗ arbeiten. Das Kernproblem der Entproletarisierung der Massen sei die Schaffung einer gesicherten 22 möglichst durch Schaffung von Ei nheimen. Die Arbeitnehmer müßten das Ge⸗ fühl der restlosen Gleichberechtigung und EET11“ andernfalls werde die Befreiung der Massen aus dem Sozialismus nicht gelingen.

Abg. Thiele (D. Vp.) stellt fest, daß in den vergangenen Jahren die g8 schaffenden Gesetze leider nicht immer mit der er⸗ forderlichen Ruhe und Gründlichkeit hätten beraten und behandelt werden können. Es sei erfreulich, daß es nun damit anders werden Gegenüber der dauernden Erwerbslosigkeit der Jugend sei die Frage zu erörtern, ob nicht die Schulzeit um ein Jahr verlängert werden solle. Den gesteigerten Anforderungen des Lbbens gegenuüber sei dies durchaus erwägenswert, Länder und Gemeinden dürften es nicht als Angriff auf ihre Hoheit an⸗ eehen, wenn wir die Arbeits⸗ vermittlung zu verbessern suchten. ie Belastung der deutschen Wirtschaft mit der Sozialpolitik habe im Jahre 1925 schon 2 ¼ Mil⸗ liarden betragen; für 1926 stehe die Zahl noch nicht fe Die Bei⸗ träge müßten um 50 % gesteigert werden, ohne daß die Leistungen erhöht werden könnten. Jedenfalls könnte der Wirtschaft in Zukunft eine Erleichtevung der sozialen Lasten nicht Aussicht gestellt werden. Deutschland sei am höchsten mit sozialen Ausgaben belastet. Es sei nicht richtig daß die englische Wirtschaft stärker belastet sei, denn die Verhältnisse der Sozialpolitik seien andere als bei uns. Im englischen Bergarbeiterstreik sei das Schlichtungswesen unwirksam gewesen. Auch an unserem Schlichtungswesen übten jetzt die Arbeit⸗ nehmer starke Kritik, aber die Zeit sei noch nicht gekommen, wo das Schlichtungswesen mit der Verbindlichkeitserklärung aus der

nd des Staates genommen werden könne. Das italienische starre Schlichtungswesen sei für uns nicht nachahmenswert, Auf den Ge⸗ bieten des Wohnungswesens und Siedlungswesens sei eine zu große Zaghaftigkeit nicht angebracht; wir müßten namentlich junge Arbeitskräfte auf dem Lande durch Siedlung unterbringen. Die Kriegsbeschädigtenversorgung müsse energisch einen Schritt vorwärts gebracht werden. In der Heilbehandlung der Invaliden sei man auch noch nicht weiter gekommen. Zur Kriegerehrung erwarteten seine Freunde bald eine Entscheidung der Reichsregierung über die Er⸗ richtung des Reichsehrenmals. Das deutsche Volk würde erfreut sein, wenn der Grundstein dazu am diesjährigen Geburtstag des Reichs⸗ präsidenten gelegt werden könnte. Die Darstellung des Abgeordnete Koch über die Entwicklung der Sozialpolitik sei höchst einseitig, die geschichtliche Wahrheit laute gerade nicht zugunsten der Sozial⸗ demokraten. Es scheine, als habe die Sozialdemokratie diese gestrige Rede des Herrn Koch nicht für nötig gehalten. Es sei nicht richtig, daß von der jetzigen Regierung ein Rückschritt in der Sozialpolittk zu befürchten wäre. Die Umstellung der überwiegenden landwirt⸗ schaftlichen Bevölkerung böte den Anlaß zu sozialen Maßnahmen. Die Sozialdemokratie habe die Arbeitnehmerschaft zum Verständnis der Sozialpolitik angeregt, aber ihr Mittel wäre das falsche Dogma von der Unüberwindbarkeit des Gegensatzes zwis Unternehmern und Arbeitern. Durch diese Aufpeitschung der Massen würde das nationale Gefühl abgestumpft und die internationalen Gefühle hefördert. Bebel habe auf dem Erfurter Parteitag der Sozialdemo⸗ kratie 1891 gesagt, es käme nicht darauf an, dies oder jenes zu erreichen, sondern die Hauptsache sei, daß die Sozialdemokratie Forderungen stelle, wie sie keine andere Partei stellen könne. Es sei klar, baß eine solche Partei nicht mit Leidenschaft an der Sozial⸗ politik mitarbeiten könnte. Jetzt sei die Sozialdemokratie von den Kommunisten abgelöst worden. Die Sozialdemokraten hätten seiner⸗ zeit gegen das Sonntagsruhegesetz, gegen die Kankenversicherung, gegen die Unfallversicherung, gegen das Bürgerliche Gesetzbuch, das auch Verbesserungen für die Arbeiter enthalte, und gegen das Gesetz über die Kaufmansgerichte gestimmt. Die Angestellten hätten selbst⸗ verständlich nicht ihre Vertretung in der Sozialdemokratie finden können. Auf Schritt und Tritt sehe man, wie die Sozialdemokraten nicht mit dem Herzen bei der Sozialpolitik seien. In 331 Konsum⸗ vereinen soien die Lagerhalter sogar zum Sonntagsdienst verpflichtet worden. Für die Einführung der Sonntagsruhe seien gerade zuerst die kirchlichen Kreise eingetreten, die von der Sozialdemokvatie heftig bekämpft würden. Die Sozialdemokraten hätten z. B. 1891 die Offenhaltung der Geschäfte am Sonntag bis 12 Uhr beantvagt, der Konservatipe von Kleist⸗Retzow sei es gewesen, der den Schluß um 10 Uhr verlangt habe. Den Freiherrn von Berlepsch könnten die Sozialdemokraten nicht für sich in Anspruch nehmen. Er habe 1895 im Reichstag gesagt, daß jede noch so gut gemeinte soziale Maßnahme von der sozialdemokratischen Agitation vergiftet werde. Damals verlangten die Sozialdemokraten reine Arbeiterkammern, während die bürgerlichen Parteien paritätische Arbeitskammern ein⸗ führen wollten. Heute hätten die Sozialdemokraten darin umgelernt. Hätten sie damals nicht die paritätischen Arbeitskammern verhindert. wäre die Hebung des Arbeiterstandes weiter fortgeschritten. Wir stünden jetzt vor einer neuen Epoche der Sozialpolitik, wir brauchten auch dazu die religiösen Bewegungen. Zur Hebung der deutschen nationalen Wirtschaft müsse mit manchen sozialdemokratischen Vor⸗ Fhenxen gebrochen werden, aber in der Soziaglpolitik und im rbeitsvertragsrecht müßten die Arbeiterinteressen zur Geltung kommen. Der Feind der Arbeiter sei nicht der Unternehmer, sondern der Mammonismus, der die Gefolgschaft der Sozialdemokratie in den internationalen Sack stecken möchte. Die Sozialpolitik würde fortgeführt werden, aber nicht im Sinne der Sozialdemokraten, sondern im Sinne der Arbeiterbewegung in den bürgerlichen Parteien. (Beifall rechts.)

Abg. Rädel (Komm.): Die Selbstbeweihräucherung der Sozialdemokratie in der gestrigen Rede des Abg. Koch sei geradezu ekelhaft. Die Haltung der Sozialdemokraten in den ganzen letzten zehn Jahren habe es verschuldet, 8 die Arbeiter heute noch unter den trostlosesten Verhältnissen leben müßten. Der Minister Brauns habe von seinem siebenjährigen Kampf in der Sozialpolitik gesprochen; es sei allerdings ein Kampf gewesen, nämlich der Kampf gegen die Forderungen der Arbeiterklasse. Was hier im Reichstag geredet worden sei, sei ein schöner Schmus

ewesen; geholfen habe man aber den Arbeitslosen so gut wie nicht. Von den für die produktive Erwerbslosenfürsorge bestimmten Summen würden viele Millionen als Unternehmergewinne hängen bleiben. Die Zahl der Notstandsarbeiter sei in den letzten Monaten vorigen Jahres selbst nach der Regierungs⸗ denkschrift von 170 000 auf 120 000 zurückgegangen. In Wirk⸗ lichkeit seien es nur noch 100 000 oder 90 000. Die Arbeits⸗ Seaeenh senghnten der Regierung seien so gut eine Pleite wie alle übrigen Maßnahmen. Die Regierung stehe eben auf der Seite der Unternehmer. Jeglicher Fortschritt, sozialer wie kultureller, sei für die Arbeiter nur möglich, wenn sie selber ihn sich erkämpften unter dem Banner des Klassenkampfes. In den 114“” würden gerade unter sozialdemokratischem ech die schändlichsten Schiedssprüche gefällt. Diese Schlichtungs⸗ ausschüsse spielten in Wahrheit die Rolle einer Exekutive der reaktionären Gesetzgebungsmaschine. Die Gewerkschaftsführer Kkönnten heute weiter nichts, als nach dem Schlichter zu rufen. Seit Oktober vorigen Jahres liege dem Sozialpolitischen Aus⸗ schuß des Reichstags ein kommunistischer Antrag auf Erhöhung er Renten vor. Man gebe sich den Anschein, als ob man diesen Anträgen durch lange Beratungen Aufmerksamkeit zuwende. In Wahrheit denke man nicht daran, den Rentnern zu helfen. Die Erhöhung der Mieten sei unerhört. Solange der Kapitalismus herrsche, könne es einen Fortschritt auf sozialem Gebiete nicht geben. Darauf werden die Beratungen abgebrochen.

Das Haus vertagt sich auf Mittwoch, den 9. März nach⸗

mittags 3 Uhr.

Schluß 4 Uhr.

rt der Redner vor allem Ab⸗

Nachtrag.

Die Rede, die der Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten Dr. Steiger im Laufe der zweiten Beratung des Etats des Landwirt haftsminiftersums gehalten hat, lautet nach dem vorliegenden Stenogramm, wie folgt:

Meine Damen und Herren, ich muß doch Stellung nehmen zu einer Ausführung des Herrn Vorredners, die das land⸗ wirtschaftliche Bildungswesen betrifft. Er hat darauf hingewiesen, daß im Westen mehr landwirtschaftliche Schulen seien als im Osten. Das stimmt! Aber es ist auch natürlich; denn im Westen ist mehr kleinerer und mehr mittlerer Besitz, und im Osten tritt der Großgrundbesitz mehr hervor. Es darf also die aus dieser Verschiedenheit hervorgehende geringere Zahl im Osten nicht auf andere Gründe zurückgeführt werden.

Wenn Herr Abg. Meincke in lebhafter Weise ausführt, es hätten die Direktoren von landwirtschaftlichen Schulen im Osten ihre Pflicht nicht getan (Abg. Meincke: Nein, die Schwierig⸗ keiten habe ich hervorgehoben!), daß sie doch immerhin nicht diejenige Wirtschaftsberatung ausgeübt hätten, die eigentlich not⸗ wendig sei, so kann ich mir nicht denken, daß die Wege im Osten so schlecht seien, daß darunter die Tätigkeit der Wirtschafts⸗ beratung weessentlich leiden könnte, und wundere mich um so mehr, als seit einem Jahre die Landwirtschaftskammern Mittel bekommen haben zur Mobilisierung der Direktoren. Die Direk⸗ toren erhalten Mittel bereitgestellt, um entweder ein Motorrad oder, wenn es sich um alte Beamte handelt, die nicht mehr Motorrad fahren können, ein kleines Automobil zu kaufen. Also ich hoffe, daß die Hemmnisse, die, wie ich gern zugebe, in der Entfernung liegen, dort überwunden werden, und wenn die schlechten Wege wirklich so schlecht wären, daß der Direktor nicht die Wirtschaftsberatung ausüben könnte, dann müßte es doch arg schlecht aussehen. Ich kann das nicht im einzelnen beurteilen und kann Ihnen daher nach dieser Richtung hin selbstverständlich keine Berichtigung aussprechen. Ich weise darauf hin, daß die Direktoren Mittel zur Mobilisierung haben.

Dann haben Sie eine Ausführung gemacht bezüglich der

Landesrentenbank und haben mit Recht darauf hinge⸗ wiesen, warum denn Preußen allein nur solche Anstalt einrichtet, es wären doch auch Bedürfnisse in anderen Staaten vorhanden. Sie haben in diesem Zusammenhang auf Mecklenburg⸗Schwerin, Oldenburg, Anhalt und andere Staaten hingewiesen. Keinem dieser Staaten ist es verschlossen, unserer Landesrentenbank sich nachher anzuschließen; das wird durch einen einfachen Staats⸗ vertrag geschehen. Aber wir haben unser großes Siedlungs⸗ bedürfnis, müssen sagen: wir Preußen machen die Sache auf Grund unserer reichen Erfahrungen in der Vorkriegszeit, die anderen Länder die Möglichkeit des Anschlusses haben. (Bravo) 255. Sitzung vom 26. Februar 1927, vorm. 10 Uhr 20 Min. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger.)

Präsident Bartels teilt mit, daß für das verstorbene Si Müller⸗Franken der Wirtschaftsparteiler Otto

Colosser in den Landtag eingetreten ist. Colosser ist Mit⸗ glied der Berliner Stadtverordnetenversammlung.

Ohne Aussprache wird eine Reihe kleiner Gegenstände erledigt.

Der Entwurf, der zur weiteren Förderung des Baues von Kleinbahnen 2 Millionen zur Verfügung stellt, wird dem Hauptausschuß überwiesen. An den Verfassungsaus⸗ schuß geht die Novelle des Gesetzes über die Enteignung von Grundeigentum, die das Rechtsmittelverfahren

in einem Paragraphen abändert.

Das Haus setzt hierauf die zweite Lesung des Land⸗ wirtschaftshaushalts bei der Einzelberatung es Abg. Schmelzer (Zentr.) tritt für die Flüchtlingssiedlung ein und verlangt Förderung der Siedlung vom Hofe aus. Der Vorwurf des Demokraten keincke, das Zentrum sei siedlungs⸗ feindlich, 8 er entschieden zurückweisen.

Abg. Skjellerup (Komm.) erklärt, die Politik des Land⸗ wirtschaftsministers in der Siedlung lasse die Interessen der kleinen Bauern außer acht.

Abg. Simon (Soz.) 8g einige Fälle vor, in denen den Siedlern, die politisch links stehen, große Schwierigkeiten gemacht und die Eöistens Feführget worden sei.

Abg. eincke hält seine Vorwürfe gegen das

bentrum aufrecht. Der Bauernverein habe ihm in seiner Stellung gegen Ministerialdirektor Artieus recht gegeben; das genüge ihm, wenn er auch mit seiner Ansicht allein stehe (Zuruf

rechts: Heßerh.

Abg. Dr. Kaufhold (D. Nat.) erwidert, diese Siedlungs⸗ angelegenheit sollte nach den Vereinbarungen an anderer Stelle besprochen werden; da werde dem Abg. Meincke die Antwort gegeben werden. 8

Abg. Meincke (Dem.) erwidert sanh weitere Angriffe des Abg. Schmelzer (Zeutr.), wer die Ansiedkerstedlung wirklich fördern wolle, müsse den Forderungen des Bauernbundes Das geforderte Zwangsverfahren sei längst nicht so schlimm wie die Zwangsenteignung.

Abg. Roeingh (Zentr.) weist die sozialdemokratische Be⸗ hauptung zurück, das Zentrum wolle den Notleidenden das Ge⸗ frierfleisch nehmen; es wende sich nur gegen Auswüchse, die zur Korruption führten. Er warne weiter vor einer Gefährbung der westdeutschen Rinderverwertung und fordere einen mäßlgen Zoll für Gefrierfleisch.

Abg. Wittich (Soz.) bekämpft diesen Vorschlag im Inter⸗ esse der Massen. 1“

Abg. Meincke (Dem.) rügt bei einem anderen Titel die hohen Kosten der Landeskulturbehörden.

Abg. Weissermel (D. Nat.) weist diese Angriffe als tendenziös gegen die Landeskulturbehörden gerichtet zurück.

Abg. Meincke (Dem.) hölt seine Behauptungen aufrecht.

Abg. Freda v. Rechenberg (D. Nat.) bittet um Förderung der Wohlfahrtspflege auf dem Lande. 1

Abg. Rüffer (D. 2283. empfahl den deutschnationalen Antrag insbesondere auf Ansiedlung zweiter und dritter Bauern⸗ söhne und unterstützt bei einem anderen Titel die Wünsche der Flenzburger Fischer auf Abänderung der Grenzbestimmungen.

Abg. Freda v. Rechenberg (D. Nat.) setzt sich für Förde⸗ rung des Obst⸗ und Gemüsebaus auch durch Zölle ein, ebenso, besonders für den Wein, Abg. Jacoby⸗Raffauf (Zentez.

Die Abgg. Skjellerup (Komm.) und Simon⸗Neu⸗ salz (Soz.) wenden sich Hegen Zölle, zumal der deutsche Obst⸗ und Gemüsebau schon durch intensives Wirtschaften Qualitätsware erzeugen könne.

Abg. Stendel (D. Vp.) wünscht, daß der Landwirtschafts⸗ minister sich gegenüber dem Finanzminister in der rderung von Mitteln für die Kultivierung des Obst⸗ und Gemüsebaus in Schleswig⸗Holstein einsetze. G

5

Abg. Dr. v. Winterfeld (D. Nat.) verlangt, daß der der Grenzen gegen die

Minister sich für die völlige Sperrung polnische Schweineeinfuhr bei der Reichsregierung einsetze. Damit schließt die Besprechung. Ohne Debatte finden endgültige Annahnie Gesetzentwürfe die 300 000 Mark zum Ausbau der Seuchenforfcung e⸗ anstalt auf der Insel Riems verlangen, und eine

Novelle zum Gesetz über die Regelung des Körw n 8 und des Pferderennwesens, 8 8—

Bei der Besprechung kleiner Vorlagen betont

Berichterstatter Abg. Nu schke (Dem.), daß der Geschäfts⸗ Seeenee beschlossen habe, . geeschaft⸗

iten dem Antrag des Justizministers auf Strafverfolgung des ommunistischen A g. Lademann stattzugeben. Es habe sich dies⸗ mal um eine Beleidigung des gegenwärtigen Reich präsidenten v. Hindenbur durch ein Gedicht gehandelt, das eine „ordinäre Fassung“ aufwies. Lademann zeichndee für seine Zeitschrift, in der das Gedicht abgedruckt war verantwortlich. Hindenburg war in dem Gedicht als Bulldogge bezeichnet, die an einer Leine, der Verfassung, Ein Lantrag auf Verhaftung des Abg. Lade⸗ mann müßte besonders gestellt werden. Bisher sei dies noch nicht geschehen. 8 8 Abg. Pieck (Komm.) erklärt, daß durch die ung der Strafverfolgung des Abg. Lademann die strafrecht iche Ahn⸗ dung dieses Gedichts nicht aufgehalten werde, so da man ruhig warten könne, bis der Abg. Lademann einma nicht mehr durch die parlamentarische Immunität geschützt sei. Die angeblich verletzte Ehre des Herrn Hindenburg sei bereits in einer Rei e unerhörter Klassenurteile gerächt worden. (Hört, hört! bei den Kommunisten.) Man müsse auch die Situation verstehen, in der das Gedicht entstanden sei. Damals seien die 14 ⁄½ Millionen Deutscher, die gegen die Fürstenabfindung auf⸗ getreten seien, als Räuber und Diebe von der Rechtspresse bezeichnet worden. Hindenburg hielt es damals 8 angebracht, in einem Offenen Srigf gegen den Willen der rund 15 Melkionen Deutscher die Fürstenabfindung als gerecht zu bezeichnen. Hindenburg sei in diesem Briefe verfassungsuntreu geworden. Er habe das Volks⸗ begehren, das durchaus rechtmäßig bestanden, als „Unrecht“, „bedauerlichen Mangel an Traditionsgefühl“ und „groben Un⸗ dank“ gegenüber den Fürsten sowie als „sehr bedenklichen Verstoß egen das Gefüge des Rechtsstaates“ c ig gewesen. Der Reichspräsident sei mit seiner Beschimpfung der Mehrheit der deutschen Reichstagswähler auf das Niveau der Rechtszeitungen herabgestiegen; er könne mit denselben Waffen bekämpft werden, mit denen er selbst gekämpft abe. Die Anklage gegen die Mitarbeiter der kommunistischen resse entbehre daher jeder Grundlage; es solle durch diese An⸗ klage nur wieder das Korruptionsgesindel deutscher Fürsten ge⸗ schützt werden. F wahr! bei den Kommunisten lebhafte Fmnufe rechts Vizepräsident von Kries bittet den Redner, 2 8 Aeußerungen zu unterlassen.) Was der deutschen Prece erlaubt ei zu sagen, und was von den Fürsten in keiner Weise ent⸗ räftet werden könne, müsse auch im Parlament gesagt werden können. Daß es sich bei den handele, zeige die bekannte Mätressenwirischaft. (Vizepräsident von Kries, den Redner unterbrechend: Ich will diese Aeußerungen nicht zulassen und rufe Sie deswegen zur Ordnung!

t. Dieses Verhakten

Fürsten um ein Korruptionsgesindel

Belächter bei dein Kommunisten und Zurufe.) Der Redner ver⸗ liest dann den Wortlaut des inkriminterten Gedichts, das turm⸗

hoch über den I“ en stehe, die von den Rechtsparteien an der Mehrheit der dentscer ähler verübt worden Fe. Er beantrage, den Antrag des Geschäftsordnungsausschusses abzu lehnen, und weise darauf hin, daß bei einem deutschnationalen

Abgeordneten, der die Republik auf das schwerste beschim

und die Regierung als eine Judenregierung bezeichnet habe, Genehmigung zur Strafverfolgung nicht erteilt worden sei.

Berichterstatter Abg. Nuschke (Dem.) tritt nochmals für Genehmigung der Strafverfolgung ein und hebt die besonder Stellung des Reichspräsidenten hervor. nisten: Aber er darf ere beschimpfen! Wie bei Wilhelm!t Majestätsbeleidigung!)

e

Die Abstimmung über den Antrag auf Genehmigung der

Strafverfolgung gegen den am 17. März erfolgen. Um 1 Uhr vertagt

Abg. Lademann wird erst

sich das Haus auf Dienstag, den

(Rufe bei den Kommu⸗

88

15. März, mittags 12 Uhr: Zweite Beratung des Kultusetats mit einer Redezeit von drei Stunden für jede Fraktion bei

der allgemeinen Aussprache.

Nr. 8 des „Ministerial⸗Blatts für die Preu innere Verwaltung“ vom 23. Februar 1927

e LE at folgenden

Inhalt: Kom munalverbände. RdErl. 17. 2. 27, Woh-

nungsbeihtlfen an Versorg⸗Anwärter im Angestelltenverhältnis. RdErl. 18. 2. 27, Steuerverteilungen. RdErl. 18. 2. 27, Aus

legung der §§ 119, 124 und 176 der Kreisordnung für die östlichen

—, Polizeiverwaltung. RdErl.

I

EAN riminalpolizeil. Funkverkehr. RdErl. 14. 2. 27, Prüfungsstelle f.

technische Bühnenvorstände. Veröffentlich. der Filmprüfstellen. W.

Schund⸗ u. Schmutzschriften. RSErl. 18. 2. 27, Gefangenentrans⸗

portwesen. Beschluß 7. 2. 27, Verstaatlich. d. Pol.⸗Verw. in Böll-

berg u. Wörmlitz. RdErl. 11. 2. 27, Landfäger auf 17. 2. 27, Höh. Aufsichtsdienst d. Landsäͤgeren-

Mitwirk. d. Landjägerei bei d. Durchführ. d. landwirtschaftl. Unfall⸗ verhüt.⸗Vorschritten. RdErl. 18. 2. 27, Unterstützungen f. Pol.⸗

robe RoErl. RdErl. 18. 2. 27,

Beamte. RoErl. 14. 2. 27, Verrechn. d. Mittel f. Neubauten u.

Ankäufe d. Landjägeret. RdErl. 14. 2. 27, Ersatzräume f. staat. RdErl. 16. 2. 27, Arbeitz.

gemietete Landjägerdienstwohnungen. löhne f. Instandsetzung d. Schutzpol.⸗Bekleid. RdErl. 18. 2. 27,

Lehrgang f. Beamte d. Landeskriminalpolizeistellen. RoErl. 16. 2.

27, Schutzhunde bei d. Landjägerei. Personenstands⸗ angelegenheiten. RdErl. 14. 2. 27, Anerkennung öster⸗ reichischer Ehefähigkeitszeugnisse.

Verkehrswesen. RdErl. 14. 2. 27, Zulass. von Kraftfahr⸗

zeugen. RdErl. 15. 2. 27, Anhänger an Kraftwagen. NdErl. 18. 2. 27, Kosten bei Zulassung d. Kraftfahrzeuge. Reser 13. 2. * 2 8* tamt-

Verwaltungsgebühren in Luftfahrangelegenheiten. licher Teil. Frent. Staatshandbuch f. 1927. Neuerschei⸗ nungen. Zu beziehen durch alle Postanstalten oder Carl Heymanns Verlag, Berlin W. 8, Mauerstraße 44. Viertelfährlich 1,80 R, für Ausgabe A (zwei

Ausgabe B (einseitig bedruckt).

Verantwortlicher Schriftleiter: Direktor Dr. Tyrol. Charlottenburg. Verantwortlich für den Anzeigenteil: Rechnungsdirektor Mengering ““ 1 in Berlin. Verlag der Geschäftsstelle (Mengering) in Berlin. Druck der Preußischen Druckerei⸗ und Verlags⸗Aktiengesellschaft. Fünf Beilagen [einschließlich Börsen⸗Beilage) und Erste und Zweite Zentral⸗Handelsregister⸗Beilage.

Staatsangehörigkeit usw. RoErl. 14. 2. 27, Im Auslande eingebürgerte frühere Preußen. RdErl. 18. 2. 27, Deutsch⸗polnische Schlichtungskommission.

seitig bedruckt) und 2,40 RM für

8 1

tage

Berlin, Montag, den 28. Februar

Nichtamtliches.

(Fortsetzung aus dem Hauptblatt.) Parlamentarische Nachrichten.

Der Haushaltsausschuß des Reichstags setzte am 25. d. M. die Beratung des Haushalts der Marine 1927 fort. Abg. Schöpflin Soß.) brachte dem Nachrichtenbüro des Vereins deutscher Beitun Sverleger zufolge die Angelegenheit des Kreuzers „Hamburg“ in San Franzisko zur Sprache, wo ein Offizier despektierliche Aeußerungen über die schwarzrotgoldene Rosette gemacht haben soll. Sein Gewährsmann in San Franzisko habe ihn gebeten, ihn aus dem Spiel zu lassen, weil die Auslands⸗ deutschen gast durchweg schwarz⸗weiß⸗rot seien und er seine Stelle sonst in Amerika verliere, wenn der Urheber dieser Mitteilung bekannt werde. Reichswehrminister Dr. Geßler erklärte, vaßß wenn der Wahrheitsbeweis für die behauptete Aeußerung si ühren lasse, der betreffende Marineoffizier entlassen werden würde. Aber dieser Beweis fehle. Taktvolles Benehmen im Auslande werde unter allen Umständen gefordert. Es sei in San Franzisco auch nicht das Wort „Republik“ von unseren Leuten peinlichst ver⸗ mieden worden, sondern im Gegenteil habe der vortreffliche Kapitän Groß ausdrücklich in seiner Rede erklärt: „Die junge deutsche Republik werde alles tun, um wieder hoch zu kommen usw.“ Die Streitigkeiten der Auslandsdeutschen unter sich erzeugten eine Hyperempfindlichkeit, die Soldaten dann ausbaden müßten. as habe sich auch wieder bei dem Empfang der „Hannover“ in Amsterdam gezeigt. Der Kommandant habe ja mit den Vor⸗ bereitungen zum Empfang nichts zu tun, könne sich auch nicht darum kümmern. Marine und Heer müßten aus dem Kampf der Parteien heraus; sie gehörten keiner einzelnen, sondern allen Parteien. Wenn er durch dienstliche Erhebungen nicht zum Ziele komme, die Wahrheit zu ergründen, müsse er sich an die Ge⸗ richte wenden, nicht etwa, weil er auf Bestrafung von Preß⸗ fünden Wert lege, sondern um die festzustellen. Admiral Zenker dankte der Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft für die Unterstützung der Marine. Er begründete die vermehrten Auslandsreisen der Marine. Sie seien notwendig im Interesse der militärischen und marinetechnischen Ausbildung auf dem freien Meere, zur Erhaltung der Dienstfreudigkeit und Dienstfrische der auf 12 Jahre verpflichteten Mannschaften und Offiziere. Ein Mangel der Vorkriegszeit sei gewesen, daß unsere Schiffe zu wenig aus Nord⸗ und Östsee herausgekommen seien. Die Repräsentationsgelder seien namentlich für den Auslands⸗ besuch außerordentlich niedrig. Bei solchen Besuchen fordere das Ausland auch den allgemein gebräuchlichen internationalen Be⸗ suchsanzug von unserer Marine. Die Verpflegung der Offiziere und Deckoffiziere sei unzureichend und bedürfe der Aufbesserung. Redner machte dann eine Reihe vertraulicher Mittei ungen marinestrategischer und technischer Art. Eine Marine la se sich nicht improvisieren; werde sie einmal abgebaut, lasse sie sich nicht in kurzer Zeit neu schaffen, weil dann Personal und Maschinen Fetts. die eine Flotte erst zu einem Kampfwerkzeug gestalten könnten. Abg. Eggerstedt (Soz.) erklärte, seine Freunde seien nicht gegen Auslandsfahrten überhaupt, sondern nur gegen ein Zuviel. Redner wandte sich dann gegen den Abg. Creutzburg (Komm.), der die Marine ablehne, weil es angeblich keinen nationalen Verteidigungskrieg mehr geben solle. Demgegenüber berufe er sich auf die „Rote Fahne“, die kürzlich einen drohenden erneuten Krieg der Entente gegen uns als den Fall eines mationalen Verteidigungskriegs“ bezeichnet habe. Abgeordneter Stücklen (Soz.) verwahrte seine Partei gegen den un⸗ begründeten Vorwurf, daß sie die Pflicht der Verteidigung unseres Landes etwa verneine Aber die Bejahung der Landesverteidigung entbinde nicht von der Pflicht der Sparsamkeit. Eine Pflicht der Repräsentation bei Auslandsreisen erkenne auch seine Partei an, aber wir müßten auch dem Auslande zeigen, daß wir arm ge⸗ worden seien und uns große Repräsentationen nicht mehr leisten könnten. Abg. Rönneburg (Dem.) dankte dem „Meteor“ für seine Leistungen. Er bringt dann die lange Boykottierung eines Kinos in Swinemünde zur Sprache, weil es den „Potemkin“ ge⸗ zeigt habe. Redner begründete dann die Notwendigkeit von Ab⸗ strichen. Reichswehrminister Dr. Geßler wies die Gerüchte zurück, daß der Finanzminister mit dem Etat nicht einverstanden ei; bei seiner ersten Vorlage seien, wie bei anderen Etats, Ab⸗ triche vom Gesamtetat gemacht. Nach diesen Abstrichen sei aber nur dieser jetzt vorliegende Etat als Vorlage der Gesamtregierung unter Billigung des Finanzministeriums vorgelegt worden. Es gäbe Pflichtrepräsentation und freiwillige Repräsentation. Zur notwendigen Repräsentation gehörten bei Auslandsreisen die Be⸗ suche bei Auslandsregierungen und Behörden. Füge man sich da nicht den internationalen 6. epflogenheiten, falle man unangenehm auf. Tatsächlich seien die Sfen auch gering. Der Minister er⸗ innerte daran, daß, als bei der Beerdigung Walter Rathenaus General v. Seeckt in Vertretung des Ministers im vorgeschriebenen Dienstanzug für Generale mit dem Orden Pour le mérite er⸗ schienen sei, das „Hamburger Echo“ die schärfste Kritik geübt habe und sogar gemeint habe, dieser Anzug schiene Seeckt für den Juden Rathenau gut genug gewesen zu sein! Die Reichswehr und Marine haben jetzt als Berufssoldaten ein Standes⸗ und Berufs⸗ bewußtsein entwickelt. Wer das verletze, müsse auch die Folgen tragen. Die allgemeine Erörterung wurde sodann geschlossen. An⸗ genommen wurde nach längerer Aussprache zur Geschäftsordnung eine Entschließung der Abgg. Rönneburg (Dem.) und Freiherr von Richthofen (Dem.), worin die Reichsregierung ersucht wird, mit dem nächstjährigen Haushaltsplan einen wesentlich ver⸗ einfachten Verwaltüngs⸗ und Organisationsplan für die Reichs⸗ marine vorzulegen. Weiter wurde ein Antrag der Abgg. Ersing

881 88 Wund Srücklen (Soz.) angenommen, wonach bei dem t

atstitel, der die Unterstützungen für Soldaten (Selbstbewirt⸗ chaftungsmittel) behandelt, der Fbecheltimmung folgender Zu⸗ atz anzufügen sst: „Aus diesen Mitteln können anch die Kosten einer Fürsorge für ohne Versorgung entlassene Soldaten in An⸗ lehnung an die Bestimmungen der Erwerbslosenfürsorge bestritten werden.’ Im weiteren Verlauf der Anssprache wurde dann von den Abgg. Stücklen (Soz.), Ersing (Zentr.), Schultz⸗ Bromberg (D. Nat.), Rönneb urg (Dem.) und Dr. Cremer (D. Vp.) die Verletzung des Budgetrechts des Reichstags kritisiert, die durch die Fondsverwaltung der Reichsmarine dadurch geschehen ist, daß die Marineschule Friedrichsort trotz der Ablehnung des diesbezüglichen Etattitels im Nachtragshaushalt 1926 durch den Reichstag Ende des Jahres 1926 durch die Marineleitung eröffnet worden ist Die Angelegenheit ist auch bereits im Plenum des Reichstags gelegentlich der Verhandlungen des Nachtragshaus⸗ halts 1926 besprochen worden. Die genannten Abgeordneten machten der Marrneverwaltung zum Vorwurf, daß die Verrech⸗ nung der für Instandsetzung und Herrichtung des Schulgebäudes in Friedrichsort aufgewandten Mittel nicht korrekt geschehen sei und das eine Verletzung des Bewilligungsrechts des Reichstags aus diesem Grunde vorliege. Demgegenüber erklärten Reichs⸗ wehrminister Dr. Geßler und Admiral Zenker, daß die Fonds⸗ Marineleitung durchaus bona fide gehandelt hätte. Die im Winter 1925/26 der Marineleitung vorgelegten Front

erichte über die Ausbildung der Unteroffiziere wiesen überein⸗

stimmend und nachdrücklich auf die Unzulänglichkeit des jetzigen

Ausbildungssystems hin, die sich um so schwerer auswirke, als in Kürze die aus der alten Marine übernommenen Unteroffiziere mit ö ganz verschwunden sein würden und die beruf⸗ ichen Anforderungen der Unteroffiziere im Hinblick auf ihre Autorität als Vorgesetzte in einer 2 erufsmarine mit durchweg 12 Jahre dienenden Soldaten naturgemaß höhere seien als in einer Marine der allgemeinen Dienstpflicht. Diesen Mängeln sei abgeholfen durch . von Kursen zur Ausbildung von

nteroffizieranwärtern. Zwecks besserer Organisation sollten diese Kurse üemengelag werden und in der Kaserne in Friedrichsort abgehalten werden. Nach ““ Besichtigung sei die Kaserne baulich den Anforderungen gewachsen gewesen, so daß besondere Geldmittel für die Herrichtung nicht erforderlich gewesen wären. Später habe sich dann ergeben, daß größere Instandsetzungen der 56 Jahre alten Kaserne, die Erneuerung des Daches, der Decken und Fußböden usw. unvermeidlich seien. Die notwendigsten Reparaturen seien demgemäß im Rahmen des htes auf zur Verfügung stehende Fonds übernommen worden, aller⸗ dings unter Zurückstellung anderer baulicher Maßnahmen, für welche diese Fonds ebenfalls bestimmt wären. Um diese Fonds nun zu entlasten, sei im Nachtragshaushalt 1926 ein besonderer Etatstitel im Betrage von 250 000 angefordert zur Errichtung der Marineschule Friedrichsort. Es handelte sich also nicht um den Neubau einer Schule, sondern um die Herrichtung einer alten Kaserne, um sie wieder verwendungsfähig zu machen, wobei auf die künftige Verwendung als Schule Rücksicht genommen worden sei. Beide Redner versicherten, daß der Marineleitung selbstverständ⸗ lich jede Absicht gefehlt habe, etwa das Budgetrecht zu umgehen. Abg. Heimann (Soz.) nahm mit Befriedigung von den Er⸗ klärungen der Marineleitung und des Reichswehrministers Kennt⸗ nis, wonach in gutem Glauben gehandelt worden sei. Damit sei die politische Seite der Angelegenheit erledigt. Aber nicht zu be⸗ streiten sei, daß die Ursache der „unglücklichen Hand“ der Fonds⸗ verwaltung in den Sammelfonds liege, die die Wurzel allen Uebels seien. Der Fee solle der Verwaltung Mittel zur Verfügung stellen für ganz bestimmte engbegrenzte Zwecke. Die im Reichswehretat aber besonders beliebten großen Sammelfonds könnten unmöglich 88 Zwecke deutlich und eng umschreiben. Auch die Abgg. Ersing (Zentr.), von Brüninghaus (D. Vp.) hießen die politische Seite der Angelegenheit mit den Erklärungen des Reichswehrministers und des Admirals Zenker für erledigt. Die etatrechtliche Seite der Sache wurde zwecks weiterer Beratung dem Unterausschuß überwiesen.

In einer Abendsitzung setzte der Haushaltsausschuß die Be⸗ ratung des Etats der Reichsmarine fort. Bei dem Etatskapitel „Bekleidung“ machte Abg. Dr. Cremer (D. Vp.) auf die Kon⸗ urrenz aufmerksam, die dem freien Gewerbe durch die sogenannten Offizierskleiderkassen S. Diesen Kleiderkassen würden von der Marineleitung in Wilhelmshaven und Kiel ohne Entgelt Räume zur Verfügung gestellt, ebenso werde ihnen unentgeltlich Licht und Heizung geliefert. Dadurch und durch mannigfache andere Vorteile, die ihnen von der Marineleitung gewährt würden, sei es den Kleiderkassen möglich, billiger zu produzieren, o daß sie eine scharfe Konkurrenz für den gewerblichen Mittel⸗ tand darstellten. Der Vertreter der EE11. eitung betonte in seiner Erwiderung, die Bedürfnisse der zum dauernden Tragen der Uniformen verpflichteten Offiziere, Deck⸗ offiziere und Beamten machten es notwendig, Kleiderkassen ebenso wie beim Heer und anderen Ressorts einzurichten. Die Frage der Konkurrierung des gewerblichen Mittelstandes werde sorgfealtigst beachtet und durch die geschäftlichen Bedingungen, die den Kleider⸗ tasgen gestellt würden, werde Konkurrenz nach Möglichkeit aus⸗ geschaltet. Weiterberatung des Etats der Reichsmarine am Sonn⸗

abendvormittag.

Der Femeuntersuchungsausschuß des

Reichstags trat am 26. d. M. zur Abstimmung über die zum

Untersuchungskomplex „Münchener Einwohnerwehr“ vorliegenden Anträge zusammen. Auf Vorschlag des Vorsitzenden würde zur Grundlage der ersten Abstimmung der Vermittlun santrag Schulte⸗Breslau (Zentr.) und Genossen zu den Ab berim . anträgen der Abgg. Levi (Soz.) und Troßmann (Bayr. Pp.) vorliegen. Der Antrag Levi wurde, wie das Nachrichten⸗ büro des Vereins deutscher Zeitungsverleger berichtet, gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und Kommunisten mit 12 gegen 8 Stimmen abgelehnt, dagegen wurde ein Zusatzantrag Troß⸗ mann (Bayr. Vp.) gegen die Stimmen der Linksparteien an⸗ genommen. Angenommen wurde hierauf der Vermitt⸗ lungsantrag Schulte in allen seinen Abschnitten, für den in einigen Teilen auch die Sozialdemokraten und Kommunisten Damit wurden die anderen Anträge dienstlich erledigt. as Ergebnis der Ausschu untersuchungen in den bayerischen Fällen ist demnach nach dem Ergebnis der heutigen Abstimmung folgendes: Der Anshns gelangt auf Grund der ihm vorgetragenen gerichtlichen Akten und auf Grund seiner eigenen Beweiserhebungen zu folgenden Feststellungen über die Mordfälle Baur, Sandmayr, Hartung, Gareis und den Fall Dobner: I. a) Die Mordfälle Baur, Sandmayr, Hartung sind auf Verabredung einzelner Mitglieder der als „vaterländische“ bezeichneten Organisationen zurückzuführen und dienten dem Zweck der Bestrafung angeblicher Verräter an der Organisation, sind also insoweit Fememorde im Sinne der Be⸗ griffsbestimmung des Ausschusses in seinem Beschluß vom 26. April 1926. Das Zusammenwirken der an den Verab⸗ redungen zur Tötung Beteiligten war dabei in den Fällen Hartung und Sandmayr auf einen bestimmten, anscheinend geschlossenen Kreis beschränkt, während im Fall Baur die Verabredung mehr eine zufällige war b) Im Falle Dobner besteht der Ver⸗ dacht fort, daß es sich um einen Mordversuch gehandelt hat, der als solcher derselben Beurteilung unterliegen würde wie die Fälle Sandmayr und Hartung zu a. c) Der Fall Gareis ist, soweit Feme in Betracht kommen könnte, unaufgeklärt geblieben. II. Es liegt kein Anhalt für die Annahme vor, daß die Straf⸗ taten einzelner Mitglieder von der Organisationsleitung gebilligt worden 88b Femeorganisationen im Sinne des Ausschuß⸗ beschlusses haben also nicht bestanden. Es ist im Gegenteil er⸗ wiesen, daß die offizielle Leitung der in Betracht kommenden Organisationen jede Privatjustiz ablehnte. Der Ausschuß hat aber unter voller Würdigung der Zeitverhältnisse der Jahre 1921/1922 mit Bedauern feststellen .g daß die Leitung der Einwohnerwehr zu den Taten, die einzelnen ihrer Mitglieder zur Last gelegt werden und deren Beurteilung ihr nicht gleichgültig sein konnte, nicht innerhalb der Organisation eine ausdrücklich ablehnende Stellung angenommen hat und LETT1““ nichts getan hat, um nach Bekanntwerden des Falles Sandmayr ür die Zukunft ähnliche Taten zu verhindern. III. a) Die auf⸗ allende Tatfache, daß es nicht gelungen ist, die Täter in den Fällen Hartung und Sandmayr zu überführen, und daß der zum Tode verurteilte, zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe begnadigte Zwengauer entweichen konnte, hat ihren Grund zum Teil in Maßnahmen der Strafverfolgungs⸗ und Strafvollstreckungs⸗ behörden, die heute als verfehlt erscheinen. b) Unbegründet ist aber der gegen einzelne Justizbeamte erhobene pflicht⸗ widrigen Verhaltens bei Führung der Untersuchung, insbesondere im Falle Hartung. Daß in diesem Falle etwas in der . t, die Täter der Strafverfolgung zu entziehen, geschehen ist, hält der

nicht

selber die endgültige gegen 10 Stimmen wurde zunächst auf Antrag Landsberg

Ausschuß nicht für erwiesen. c) Im Falle Dobner erachtet der Ausschuß das Urteil für einen Fehljpruch d) Auch der allgemein gegen Leiter und Beamte der Polizeidirektion München aus⸗ sexhrcchese Vorwurf der Einflußnahme auf den Gang der Unter⸗ uchung zur Hemmung des Vecfahrens in den Fällen Hartung und Dobner ist nicht aufrechtzuerhalten. Dagegen kann er gegen den II1““ Küösss nicht als beseitigt angesehen werden. e) Der Ausschu erblickt die Ursache ungenüͤgender Auf⸗ klärung der Straftaten im Falle Hartung in der Aufhebung der Haftbefehle und in der Nichtdurchführung des Zeugniszwangs⸗ verfahrens gegen Gademann; 2. im Falle Sandmayr in dem ausreichenden energischen ersten Zugriff der Straf⸗ verfolgungsbehörde, insbesondere gegenüber Schweighart; 3. im Falle Gareis in der unzureichenden Verfolgung der Spur des Janusbriefes und die Ursache der Entweichung Zwengauers in einer Ueberführung desselben in ein Krankenhaus ohne Ueber⸗ wachung der sicheren Unterkunft daselbst. Soweit in der Nr. III unter a, c, d und e Bemängelungen des Verfahrens und des Verhaltens von Persönlichkeiten ausgesprochen sind, soll damit nücht gesagt sein, daß politische Motive zugrunde lagen. (Dieser Absatz ist zugefügt durch den Antrag Troßmann.) Nach Beendi⸗ gung der Einzelabstimmung kommt es zu einer Geschäftsordnungs⸗ debatte darüber, ob noch eine Gesamtabstimmung stattfinden soll. Gegen eine Gesamtabstimmung wandte sich besonders Ab⸗ geordneter Landsberg (Soz.), dafür traten besonders die Abgg. Stöhr (Pölk.) und Baecker (D. Nat.) ein. Auch Abg. Schulte⸗Breslau (Zentr.) befürwortete eine Gesamt⸗ abstimmung. Abg. Landsberg (Soz.) beantragte, daß in dieser Frage über den Aeltestenrat eine Entscheidung des Ge⸗ schäftsordnungsausschusses herbeigeführt werde. Es handele sich um die grundsätzliche Frage, ob der Untersuchungsausschuß ledig⸗ lich wie andere Ausschüsse Bericht zu erstatten und das Haus Entscheidung zu treffen habe. Mit 12

Aussprache beschlossen. Zu den Einzel⸗ abstimmungen ist hervorzuheben, daß die einzelnen Teile des Vermittlungsantrages Schulte⸗Breslau (Sentr.) mit wechselnden Mehrheiten angenommen worden sind, daß aber das Ergebnis der zu erwartenden Gesamtabstimmung noch eines⸗ falls zu übersehen ist. Durch die bisherigen Abstimmungen sind

ertagung der

die anderen Anträge, die noch vorliegen, noch nicht erledigt. Nächste

Sitzung: Mittwoch, den 16. März.

Im Steuerausschuß des Reichstags wurde vor⸗

gestern die Erhöhung der Mieten behandelt, insbesondere

wurde die Auswirkung auf die Wirtschaft, auf Löhne und Ge⸗ hälter besprochen. Der Ausschuß die Materie weiter zu beraten, sobald der Reichsrat zu der Verordnung über Er⸗ höhung der Mieten seinerseits Stellung genommen hat.

Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrung maßregeln.

Das Erlöschen der Maul⸗ und Klauenseuche ist

vom Schlachtviehhof in München am 24., der Ausbruch der

Maul⸗ und Klauenseuche von ebenda am 25., der Aus⸗ bruch und das Erlöschen der Maul⸗ un,)d Klauen⸗ seuche vom Zentralviehhof in Berlin am 25. Februar 1927 amtlich gemeldet worden. .

Verkehrswesen. 1 Nachträge zu den Postscheckkundenverzeichnissen

verden in der nächsten Zeit nach dem Stande vom 1. Januar 1927

erscheinen. Bestellungen nehmen alle Postanstalten entgegen, die auch über die Preise Auskunft erteilen. Postscheckkunden erhalten auf Wunsch die Nachträge von ihrem Postscheckamt unter Abbuchung des Preises von ihrem Konto, auch können sie sich den regelmäßigen Bezug der Verzeichnisse wie auch der Nachträge durch einmalige Be⸗ stellung bei ihrem Postscheckamt sichern.

Nr. 9 des „Reichsministerialblatts“ (Zentralblatts

für das Deutsche Reich) vom 25. Februar 1927 hat folgenden Inhalt:

1. Allgemeine Verwaltungssachen: Erlaß über Druckschriftenaustausch der Reichsbibliotheken. Bekämpfung der Schund⸗ und Schmutz⸗ schriften auf Bahnhöfen und in Zeitungskiosken. 2. Konsulatwesen: Ernennung. 3. Marine und Schiffahrt: Bekanntmachung über die gegenseitige Anerkennung der Schiffsmeßbriefe in Deutschland und Portugal. 4. Neuerscheinungen: Zinsanweisung. 5. Steuer⸗ und Zollwesen: Verordnung über die Neuregelung der örtlichen Zu⸗ Fennesens der Finanzämter im Bezirke des Landesfinanzamts Ober⸗ schlesien in Neisse. Verordnung über Zollermäßigung Verordnung zur Aenderung der Anleitung für die Zollabfertigun und der Postzollordnung. 1I1““

v14X“

Nr. 8 des „Reichsgesundheitsblatts“ vom 23. Februa 1927 hat folgenden Inhalt: A. Amtlicher Teil I. Fortlaufend Meldungen über die gemeingefährlichen Krankheiten im In⸗ und Auslande. Zeitweilige Maßregeln gegen gemeingefährliche Krank heiten. Gesetzgebung usw. (Deutsches Reich.) Aufhebung de Preistreibereiverordnung. Verkehr mit Futtermitteln. Verkehr mit Milch. Zuckerung der Weine des Jahrgangs 1926. (Bayern) Hebammenunterrichtswesen. (Württemberg.) Deutsch⸗ österreichisches Tierseuchenübereinkommen. (Hamburg.) Verkehr mit Kuhmilch. Denaturierungsmittel im Sinne der Milchverkehrs⸗ ordnung. (Bremen.) Sicherheit bei Lichtspielvorführungen. (Frankreich.) Abgabe von Heilmitteln für geschlechtskranke Seeleute. Tierseuchen im Auslande. Vermischtes. (Deutsches Reich). Fleckfiebererkrankungen, 1926. Pockenerkrankungen, 1926. Aerzt⸗ licher Rundfunk. B. Nichtamtlicher Teil. Abhandlungen: Sellheim, die deutsche Frau der Nachkriegszeit in sozial⸗biologischer Beleuchtung. C. Amtlicher Teil II. Wochentabelle über CEheschließungen, Geburten und Sterbefälle in den deutschen Groß⸗ städten mit 100 000 und mehr Einwohnern. Geburts⸗ und Sterblichkeitsverhältnisse in einigen größeren Städten des landes. Erkrankungen und Sterbefälle an übertragbaren Krank⸗ heiten in deutschen, Ländern. Witterung. 8

8 S

Nr. 8 des „Zeutralblatte der Bauverwaltung vom 23. Februar 1927 hat folgenden Inhalt: Das neue städtische Altersheim in Stuttgart. Drei Beispiele von Rutschungen an Eisenbahndämmen. Vermischtes. Amtliche Mitteilungen.

für Wein.

Aus⸗