nämlich für die noch nicht vollendeten Ostkaianlagen und den Swantedurchstich, vorlaͤufig aus bereiten Staatsmitteln oder durch Schatzwechsel gedeckt werden sollen. In der Zwischenzeit werde es sich lbersehen lassen, ob der Gesamtbetrag durch inneren oder äußeren Kredit zu beschaffen sei. Der Ausschuß habe sich schließlich so wenig befriedigend der Ausweg auch erschiene, mit ieser Erklärung der Regierung abgefunden. Die vom Ausschuß vorgeschlagenen Entschließungsanträgge fordern weiter. daß Honpt⸗ sächlich Arbeiter aus dem Stettiner Hafengebiet beschäftigt werden und daß Bedacht genommen werde auf Aufhebung der Ver⸗ tiefungsabgaben. Der E1““ schließt mit der Hoffnung, bes die 1 der Vorlage Stettin zum Segen gereiche.
Abg. Ilse Noack (D. Nat.) schildert die schwierigen Verhält⸗ nisse Stettins und hebt die Notwendigkeit hervor, Stettin zu Hilfe zu kommen. Zu begrüßen sei, daß der Swantedurchstich nunmehr durchgeführt werden könne. Auch der Bau des Getreidespeichers werde gute Früchte tragen. Sel⸗ stverständlich müsse er möglichst neuzeitliche Anlagen erhalten. Die Rednerin shldert noch aus⸗ führlich die Schwierigkeiten der Stettiner SchiY fahrtsbetriebe, die allein durch den technisch mangelhaften Stand der Kaianlagen hervorgerufen würden. Vor allem dürfe die Stadt Stettin nicht in unerträglicher Weise zu den Kosten mit herangezogen werden.
Abg. Stolt (Komm.) stimmt der Vorlage zu und meint, die Vorrednerin habe eine zur Veröffentlichung im ,Stettiner Generalanzeiger“ bestimmte Wahlrede gehalten (Heiterkeit). Der
ELCNEa sich in seiner Eigenschaft als Hafenpartner vor allem
auch für bessere Stellung der Stettiner Hafenarbeiter einsetzen.
Abg. Hartwig⸗Stettin (Soz.) bedauert, daß diese Vorlage, die im Ausschuß die volle Einmütigkeit der Parteien für sich ge⸗ habt habe, jetzt im Plenum aus parteipolitischen Gründen noch zum e einer ausführlichen Debatte gemacht und so später verabschiedet werde, als es den Freunden des Stettiner Hafens erwünscht sein könne. Die Sozialdemokraten wünschten den Stettiner Hafen zu dem großen Verbindungshafen für den Verkehr mit dem Osten zu machen. (Beifall links.)
Dann wird ein Antrag der Regierungsparteien auf Schluß der Debatte gegen die Rechte angenommen.
Der Abg. Haas (Soz.) beantragt namens der Re⸗ gierungsparteien, die weitere Erledigung dieses Tages⸗ ordnungspunktes sowie die an zweiter Stelle stehende Be⸗ ratung des Gesetzentwurfs über die Aufwertung von Erb⸗ pachtzinsen zu vertagen und an Stelle dessen zunächst die zweite und dritte Beratung des Landesrentenbank⸗ gesetzes debattelos durchzuführen und hierauf die Land⸗ gemeinde⸗Reform zur zweiten Lesung zu bringen.
Die Abgg. Eichhoff, Kriege und Dr. von Campe (D. Vp.) protestieren gegen diese Umstellung. Abg. Dr. von Campe erklärt, daß er in diesem Vorgehen der Regierungsparteien eine Vergewaltigung erblicken müsse. (Lebhafte Unruhe und Zurufe.)
Der Antrag Haas findet gegen die Rechtsparteien und die Wirtschaftliche Vereinigung Annahme.
Das Haus verabschiedet dann debattelos in en ploec- Abstimmung endgültig den Entwurf eines Landes⸗ Rentenbank⸗Gesetzes, der eine Landesrentenbank schafft, die zur Förderung der Siedlung Pfandbriefe aus⸗ geben wird.
Hierauf folgt die zweite Beratung der von den Re⸗ gierungsparteien beantragten Teilreform der Land⸗ gemeinde⸗Ordnung, die vor allem die Auflösung der Gutsbezirke, die Regelung der Eingemeindungen und die Umwandlung der Landbürgermeistereien in der Rheinprovinz in Aemter bringt.
Abg. Kleinmeyer (7og) erstattet den Ausschußbericht. Er hebt hervor, daß die im Ausschuß gestellten Aenderungsanträge im wesentlichen abgelehnt worden sind. Es habe im Ausschuß auch ein Antrag auf Schluß der Debatte gegen die Rechtsparteien An⸗ nahme gefunden, worauf deren Vertreter erklärten, sich an der weiteren sachlichen Verhandlungen der Vorlage im Ausschuß nicht mehr beteiligen zu wollen. Die Ausschußmehrheit hätte dann dem “ zugestimmt.
Der Abg. Haas (Soz.) beantragt, keine allgemeine Aus⸗ sprache mehr über die Vorlage herbeizuführen, nachdem in erster Lesung und in der Ausschußberatung die Parteien aus⸗ führlich zum Worte gekommen seien, ferner für die Einzel⸗ bveratung das ganze Gesetz in zwei Abschnitte zu teilen, deren ener die Eingemeindungsfragen (§§ 2 bis 10) und der andere die übrigen Bestimmungen umfasse. Demgegenüber beantragt der Abg. Frhr. v. Mirbach (D. Nat.), beim § 1 eine allge⸗ meine Aussprache zuzulassen. Mit den Stimmen der Regierungsparten und Kommunisten wird der deutsch⸗ nationale Antrag abgelehnt und der Antrag Haas an⸗ genommen.
Bei Besprechung des ersten Abschnittes (Eingemeindungs⸗ bestimmungen) erklärt
Abg. Frhr. v. Mirbach (D. Nat.), nach der Verständigung der Regierungsparteien mit den Kommunisten sei es aussichtslos geworden, noch weiterhin bei diesem Gesetz Obstruktion zu treiben. (Rufe links: Ohne die Kommunisten geht es nicht! — Heiterkeit) Den Deutschnarionalen bleibe, da ihre sämtlichen entgegen⸗ kommenden Aenderungsanträge abgelehnt seien, nichts anderes übrig, als die Vorlage im ganzen abzulehnen. Aus den Aus⸗ chußberatungen habe sich ergeben, daß die Regierungsparteien die Vorlage in größter Eile durchbringen wollten, ohne die bei Erlediung einer so wichtigen Angelegenheit besonders notwendige sachliche Prüfung durchzuführen. Die Kommunisten, die eine Dreimonatsfrist für die Auflösung der Gutsbezirke festlegen wollten, seien von den Regierungsvertretern damit beruhigt worden, daß in drei Monaten das Verfahren der Auflösung sicher⸗ lich abgeschlossen sein würde. (Hört, hört! rechts.) Das ganze Gesetz bedeute eine ausgesprochene Vergewaltigung der Gemeinden.
Abg. v. Eynern (D. Vp.) meint, die Regierungsparteien müßten selber davon überzeugt sein, daß dieses Gesetz, an dem seine Väter keine Freude haben würden, kein gutes sein könnte. Da die Regierung auf Vhähts erte Anfragen, z. B. darüber, wieviel Gutsbezirke eigentlich schon aufgelöst seien und welche Erfahrungen man dabei gemacht habe, nicht antworte, müsse man annehmen, daß be über diese Materie, mit der man sich an⸗
eblich schon sechs Jahre beschäftige, gar keine sachliche Grundlage
Peee Sogar die Hinzuziehung eines Vertreters des Landwirt⸗ schaftsministeriums habe der Ausschuß abgelehnt, der lediglich Auskunft darüber geben sollte, warum der Fiskus sich weigere, seine eigenen Domänen⸗Gutsbezirke aufzulösen. (Hört, hört! rechts.) Wenn die Regierungsparteien jetzt behaupteten, sie seien durch die Obstruktion der Rechtsparteien gezwungen, mit den Kommunisten zusammenzugehen, sei das nicht richtig. Es hätte in den Reihen der Regierungsparteien so viel Schwierigkeiten bei diesem Gesetz gegeben, daß die Regierungsparteien dankbar gewesen seien, durch die Obstruktion einen billigen Vorwand zu finden, die Vorlage fallen zu lassen. (Zuruf des Abg. Pieck [Komm.): „Warum sind Sie so töricht, Ihren Aerger so zu eigen?“) Die Volkspartei werde jetzt keine weiteren Schwierig⸗ seiben mehr machen, weil sie zwecklos sein würden: sie werde ein⸗ fach den Antrag ablehnen. 1
Abg. Schwenk (Komm.) bezeichnet die Ausschußlösung nicht als eine solche, wie sie die werktätige Bevölkerung für erforderlich halten müßte. Der Entwurf zeige alle Mängel, die einem Kompromiß anzuhaften pflegten. Er bedeute aber immerhin einen Erfolg der kommunistischen Tätigkeit, die auf diese Weise wenigstens die Zerschlagung der Urzellen der Reaktion, der Guts⸗ bezirke, bringe. Der Redner begründet dann noch einige kleinere Aenderungsanträge. .“
Abg. Biester (Dt. Hann.) betont, daß die Gemeinden selbst mitbestimmen müßten, wenn es sich um die Eingemeindung
1““ 8 1“
ste nur anzuhören, genüge nicht. Die Ark der Auf⸗ lösung der Gutsbezirke, wie sie jetzt festgelegt werden solle, könne nicht befriedigen.
Ministerialdirektor v. Leyden tritt den Beanstandungen des Abg. v. Eynern entgegen und hält an der bisher von der Regierung angenommenen Haltung fest. 8 8
Abg. Krischick (D. Nat.) wünscht Verbesserungen in der Frage der Aufhebung der Gutsbezirke. 8
Die vorliegenden Aenderungsanträge der Deutsch⸗ nationalen und der Deutschen Volkspartei sowie der Kommu⸗
nisten werden abgelehnt.
Das Haus behandelt nunmehr die Bestimmungen über die Amtsbürgermeistereien.
Nachdem Abg. Schwenk (Komm.) einige Aenderungen efordert hatte, verlangten die Abgg. v. Eynern (D. Vp.) und Frhr. v. Mirbach (D. Nat.) eine andere Abgrenzung der Rechte des Gemeindevorstehers zum Landbürgermeistér. “
Auch zu den Bestimmungen über die Amtsbürger⸗ meistereien wurden sämtliche Anträge der Rechten und der Kommunisten abgelehnt und die Ausschußanträge an⸗ genommen.
Damit war die zweite Lesung der Kommunalreform erledigt.
Der Abg. Haas (Soz.) beantragt, die dritte Lesung de anzuschließen. Da ein Widerspruch nicht erfolgt, wird em Antrag stattgegeben. Auch der Antrag, über den ganzen Entwurf en bloc abzustimmen, wird angenommen. Gegen die Rechte wird darauf der en bloc an⸗ genommen und die Vorlage auch in der Schlußabstimmung endgültig verabschiedet. Für die Vorlage stimmten auch die Kommunisten. (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)
Auf Antrag der Kommunisten wird nunmehr beraten der kommunistische Antrag auf Verhinderung der Beschäftigung der Arbeiter in der Groß⸗ eisenindustrie über den Achtstundentag hinaus.
Abg. Sobottka (Komm.) wendet sich gegen die Bildung eines Preismonopols unter Führung des rheinif ⸗westfälischen Kohlensyndikats. Internationale Interessen der Stahl⸗ und Eisen⸗ industrie seien hierfür bestimmend. Schon die Stillegungs⸗ androhung hätte die Preise erheblich erhöht. Seine Partei ver⸗ lange, daß eine Ausnahme vom Achtstundentag nicht zugelassen werde, und daß der Reichsarbeitsminister eine neue Verordnung erlasse, nach der alle in der Schwerindustrie “ Arbeiter ohne Ausnahme ab 1. Januar 1928 den Achtstundentag und die dreigeteilte Schicht erhalten. Tausende von Arbeitern warteten noch heute auf Entschädigung der Nachteile aus der Ruhrbesetzung. Zafün wolle man den Achtstundentag verhindern oder die Betriebe tillegen.
Abg. Szillat (Soz.) meint, es sei in den Jahren nach der Revolution von den Unternehmern immer behauptet worden, die Gewerkschaften hätten eine Nebenregierung errichtet. Tatsächlich aber hätten das die Unternehmer in einem solchen Maße getan, wie es die Gewerkschaften sich nie erlauben würden. Die Unter⸗ nehmer kehrten heute wie früher in unumschränkter Weise ihren Herrenstandpunkt hervor. Ihr neuerliches Vorgehen bedeute eine glatte Kampfansage gegen Staat und Parlament. Der Acht⸗ stundentag, gegen den die Arbeitgeber der Hüttenindustrie Front machten, sei schon 1907 im Deutschen Reichstag als notwendig des (Hört, hört! links) und seit 25 Jahren in der englischen Schwerindnstrie eingeführt. Die “ Unternehmer könnten nicht behaupten, daß sie kein Geld dazu hätten, die geringen Lohn⸗ von 10 Pfennig Stundenzulage zu bewilligen, solange ie imstande wären, 5 Mark pro Arbeiter in eine „Kriegskasse“ zu zahlen, die dazu bestimmt sein solle, sie bei etwaigen Arbeits⸗ kämpfen gegen die Arbeiter anzuwenden. Man könne nur der Hoffnung Ausdruck geben, daß der Arbeitsminister unter allen Umständen festhalten werde an seiner Anweisung, die Drei⸗ schichtenordnung am 1. Januar in Kraft treten zu lassen. Die Sozialdemokraten würden dem kommunistischen Urantrag zu⸗ timmen und die Staatsregierung ersuchen, entsprechend ihren Wünschen auf die Reichsregierung einzuwirken. (Beifall bei den Soztaldemokvaten.)
Abg. Lindner (D. Nat.) bedauert, daß diese Angelegenheit zu einem Appell zur Sozialisierung ausgenutzt würde. Ruhige Ueberlegung würde hier viel weiter helfen. Die Verlängerung der Arbeitszeit sei nur als vorübergehende Maßnahme gedacht gewesen. Und der Achtstundentag sei ein 52hgn Ziel. Aber es sei die Frage, ob man urch irgendwelche Maßnahmen die Wirtschaft lahmlegen solle. August Bebel⸗ habe selbst erklärt, „ohne Profit raucht kein Schornstein.“ Wenn man den Unternehmern den Profit nehme, dann kämen eben solche Androhungen, von denen man hoffen müsse, daß sie nicht dur S würden. Die freien Gewerkschaften hätten bei den Kranken assenwahlen zugegeben, daß die vmichasteae hüts Lage der Arbeitgeber heute katastrophal“ sei (anhaltende Zurufe links). Bei den Verhandlungen, die jetzt über einen neuen Tarifvertrag bevorstünden, müsse eine Verständigung bei Arbeitgebern und “ erzielt werden, damit der innere Friede gewahrt
eibe.
Abg. Schmitt⸗Fulda (Zentr.) erklärt, das Vorgehen der Arbeitgeber käme nicht überraschend. Schon seit langem mache sich der Druck 8 die Arbeiter bemerkbar. Besonders bedauer⸗ ich sei, daß gerade in den Tagen, in denen die Botschaft des Friedens verkündet werden solle, die Arbeitgeber mit Aus⸗ sperrungen drohten. Der Achtstundentag müsse aufrechterhalten werden, und die Gewerkschaft würden hier das letzte Wort zu sprechen haben.
Abg. Hartmann (Dem.) meint, wenn der Abg. Lindner (D. Nat.) für eine Verständigung sei und auch den Achtstundentag ab 1. Januar 1928 haben wolle, könnte man sich nicht denken, warum die Stillegungsdrohungen vom Unternehmerlager gekommen seien, das der Partei des Abg. Lindner doch nahestehe. Bereits 1909 sei eine Bundesratsverordnung ergangen, wonach in den Fällen, in denen die Arbeitszeit über acht Stunden hinausgehe, mindestens eine zweistündige Pause eingeführt werden sollte. Auch nach dem Kriege sei der Achtstundentag in der Schwer hdustris schon ein⸗ geführt gewesen. Nur als vorübergehende Maßnahme sei die Zwölfstundenschicht vorgesehen gewesen; aber auch während dieser Zeit habe immer die Diskussion über den Achtstundentag ange⸗ dauert, so daß die Unternehmer nicht sagen könnten, sie hätten nicht genügend Zeit gehabt, darüber ihre Berechnungen anzustellen. Wenn nicht eine ungeheure Katastrophenpolitik getrieben werden
solle, müßte der Reichsarbeitsminister fest bleiben.
Damit schließt die Besprechung.
In seinem Schlußwort zu dem Antrage führt Abg. Merker (Komm.) aus, es hätte nicht weiter sonderbar berührt, daß der Abg. Lindner (D. Nat.) sich gegen die Arbeiterinteressen gewandt habe, weil seine Gewerkschaft ja mit Arbeitgebergeld bezahlt würde (Gelächter bei den Deutschnationalen). Der andere deutschnationale Arbeitervertreter aber, der Abg. Wiedemann, habe im Ruhrgebiet eine Entschließung annehmen lassen, die das Vorgehen der Arbeit⸗ geber als eine Untergrabung der staatlichen Autorität geißelt (hört! hört! links).
Der kommunistische Antrag wird dann, bei sehr schwacher
Besetzung des Hauses, mit den Stimmen der Sozialdemo⸗
kraten, Demokraten und Antragsteller angenommen. Nach 18 Uhr vertagt sich das Haus auf Dienstag 12 Uhr: Besoldungsordnung und Kleine Vorlagen. 8 86
Parlamentarische Nachrichten.
Der Aeltestenrat des Reichstags befaßte sich gestern in ungewohnlich langer Sitzung mit den Dispositionen füͤr die noch vor Weihnachten zu beratenden Gegenstände. Heute und am Mittwoch soll die Besoldungsordnung in zweiter und driter Lesung beraten werden unter B6e von sehr langen Plenarsitzunge deren Dauer man bis um zehn Uhr abends schätzt. Die Zesoldongsvomahe soll auf jeden Fall bis zum 14. Dezember endgültig verabschiedet werden, weil sonst die Aus⸗ zahlungen an die Beamten vor Weihnach en nicht mehr erfolgen konnen. Am Donnerstag soll über die Aenderung des Kriegs⸗ versorgungsgesetzes beraten werden. Am Freitag werden dann das Gesetz über die Lohnsteuer und das Mieterschutzgesetz erledigt werden. Ob die Etatsberatung in der ersten Lesung noch vor Weihnachten begonnen werden kann, ist im Aeltestenrat noch nicht enschieden worden; es ist jedoch anzunehmen, daß die Regierungsparteien die Verschiebung der ersten Lesung bis nach Weihnachten durchsetzen werden. In diesem Falle wird der Haushaltsausschuß ermächtigt werden, mit seinen Arbeiten schon vor der ersten Lesung im Plenum zu beginnen, und zu diesem Zweck wird der Ausschuß am 11. Januar zusammentreten. Das Reichstagsplenum wird voraussichtlich zum 19. Januar wieder berufen werden, frühestens am 17. Januar.
— Der Reichstagsausschuß für soziale An⸗ gelegenheiten hatte in seiner gestrigen Sitzung Fragen des Betriebsrätegesetzes zu behandeln. Nach dem Be⸗ richt des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger lagen dem Ausschuß verschiedene Anträge auf Aenderung des Be⸗ I1XA vor. Ein kommunistischer E11.““ langt, daß alle über 18 Jahre alten reichsangehörigen Wahl⸗ berechtigten, die am Wahltag im Betrieb sind, zum Betriebsrat wählbar sein sollen. Zur Kündigung des Dienstverhältnisses eines Mitgliedes einer Betriebsvertretung oder zu seiner Versetzung in einen anderen Betrieb soll der Unternehmer in allen Fällen der Zustimmung der Betriebsvertretung bedürfen. Die Kündigung des Dienstverhältnisses eines Bewerbers bei der Wahl zu den Be⸗ triebsvertretungen oder seine Versetzung in einen anderen Betrieb soll von dem Tage ab unzulässig sein, an dem er als Bewerber bekannt wird. Die durch die Geschäftsführung des Betriebsrats entstehenden notwendigen Kosten, einschließlich etwaiger Auf⸗ wandsentschädigungen, hat der Unternehmer zu tragen. Für die Sitzungen, die Sprechstunden und die laufende Geschäftsführung hat er die nach Umfang und Beschaffenheit des Betriebes und der gesetzlicheen Aufgaben des Betriebsrats erforderlichen Räume und Geschäftsbedürfnisse zur Verfügung zu stellen. Weiter verlangt der kommunistische Antraa die Vereinigung von Betriebsräten zur Wahrung der gemeinsamen Interessen der Lohn⸗ und Gehalts⸗ empfänger. — Ein sozialdemokratischer Antrag ver⸗ langt, daß zur Kündigung des Dienstverhältnisses von Personen, die zum Wahlvorstand bestellt sind, und derjenigen Personen, die auf ordnungsmäßigen Vorschlagslisten bis zu der zulässigen Höchstzahl als Kandidaten für die Betriebsrätewahlen aufgestellt sind, oder zu deren Versetzung in einen anderen Betrieb der Arbeitgeber der Zustimmung des Arbeitsgerichts bedarf, und zwar für die Dauer von drei Monaten, vom Beginn der ordnungs⸗ mäßigen Bestellung des Wahlvorstandes bzw. der ordnungsmäßigen Einreichung der Kandidatenvorschlagslisten ab gerechnet. Das gleiche soll für diejenigen Betriebsvertretungsmitglieder gelten, die freiwillig oder durch Amtsenthebung oder durch Erlöschen des Betriebsamts wegen Ablaufs der Wahldauer aus ihrem Amte ausscheiden, jedoch für die Dauer von sechs Monaten. vom Tage des Verlustes der Betriebsratseigenschaft ab gerechnet. Nicht als Grund zur fristlosen Kündigung eines 114““ mitgliedes soll andauernde Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit gelten. Betriebsvertretungsmitglieder, deren Arbeitsverhältnis lediglich aus Anlaß eines Streiks oder einer Aussperrung gekündigt worden ist, sind nach Beendigung des Streiks oder der Aussperrung wieder einzustellen. — Ein völkischer Antrag ersucht die Reichsregierung, dem Reichstag baldigst einen Gesetzentwurf zur Abänderung des Be⸗ triebsrätegesetzes vorzulegen, der die Möglichkeit vorsehen soll. Ge⸗ S sräte auch in solchen Betrieben zu wählen, die inner⸗ halb des Reichsgebiets gleichartige oder nach ihrem Betriebszweck zusammengehörige Unternehmungen betreiben, auch wenn die zur Gesamtbetriebsratswahl zusammenzufassenden Einzelunternehmun⸗ gen nicht in der Hand eines Eigentümers vereinigt, jedoch a) durch Kapitalverflechtung in Form gegenseitiger Kapitalbeteiligung oder b) durch Kapttalbeteiligung an einer gemeinsamen Dachgesellschaft, und zwar ohne Rücksicht auf die für die Dachgesellschaft gewählte Gesallschaftsform und ohne Rücksicht auf den Umfang des Einfluß⸗ bereichs der Dachgesellschaft auf die einzelnen Unternehmungen, oder c) durch wechselseitige Verpachtung der Unternehmungen oder durch Verpachtung der Unternehmungen an eine Dachgesellschaft miteinander verbunden sind. Dementsprechend sollen die Wahl⸗ vorschriften für Gesamtbetriebsräte im Sinne der Wahlvorschriften für die Betriebsräteaufsichtsratswahlen abgeändert und die Ge⸗ chäftsordnungsbestimmungen für die Gesamtbetriebsräte derart werden, daß keine Behinderung in der Geschäftsführung entsteht
und bei etwaigen Meinungsverschiedenheiten über die
Notwendigkeit oder die Höhbe der für die Geschäftsführung der
Gesamtbetriebsräte erforderlichen Mittel eine einfache, schnelle und endgültige Entscheidung möglich ist. — Die Beratung dieser An⸗ träge konnte jedoch nicht durchgeführt werden, da der Reichsarbeits⸗ minister durch Teilnahme bei anderen Verhandlungen verhindert war, der Ausschußsitzung beizuwohnen. Es wurden also keine Beschlüsse gefaßt. Dagegen wurde in Aussicht genommen, daß heute verschiedene Anträge behandelt werden sollen, die eine ein⸗ malige Weihnachtsbeihilfe für die Kleinrentner, die Invaliden⸗ rentner und die Angestelltenrentner fordern. Es soll dann auch heute der Reichsfinanzminister um eine Aeußerung gebeten werden, welche Summe er für diese Zwecke bereitzustellen vermag.
— Der Reichstagsausschuß für das Wohnungs⸗ wesen mat gestern in die zweite Lesung des Gesetzentwurfs zur Abänderung des Mieterschutzgesetzes ein. Die ell⸗ gemeine Aussprache konnte noch nicht geschlossen werden; sie wird heute fortgesetzt werden. Beschlüsse wurden nicht gefaßt.
Der Aeltestenrat des Preußischen Landtags beschloß gestern, mit der zweiten Beratung der preußischen Besol⸗ dungsorndnung erst am Dienstag zu beginnen. Der Antrag der Deutschen Volkspartei, nicht automatisch eine Erhöhung der Abgeordnetendiäten eintreten zu lassen, wird gleichfalls am Diens⸗ tag zur Beratung gestellt und dann dem Ausschuß überwiesen werden. Die dritte Beratung der Vorlage über die Aenderung der Gemeindeverfassung soll am Donnerstag vorgenommen werden. Am Mittwoch wird der preußische Finanzminister Dr. Höpker⸗ Aschoff den Haushalt mit einer Rede über die Entwicklung der preußischen Finanzen einbringen. Die Aussprache zum Haushalt wird dann am Donnerstag und den folgenden Tagen stattfinden. Am Sonnabend will sich der Landtag sodann nach Abschluß der ersten Lesung des Etats bis zum 17. Januar vertagen.
(Fortsetzung in der Ersten Beilage.)
Verantwortlicher Schriftleiter: Direktor Dr Tyrol, Charlottenburg.
Verantwortlich für den Anzeigenteil: Rechnungsdirektor Mengering in Berlin.
Verlag der Geschäftsstelle (Mengering) in Berlin. Druck der Preußischen Druckerei⸗ und Verlags⸗Aktiengesellschaft. Zerlin Wilbelmstr 32.
Vier Beilagen
und Erste
F111“
mmachung im Reichsanzeiger in Berlin erscheint,
Prufung ist festgestellt worden,
Loewe, Gel
Der Bezugepreis beträgt vierteljährlich 9,— RNeichsmarh. Alle Postanstalten nehmen Bestellung an für Berlin außer den Postanstalten und Zetungsvertrieben für Selbstabholer auch die
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Einzelne
Fernsorecher Zennrum 1573
Nr.
2 9 2 8 C1X“
die Geschäftestelle des Reichs⸗
Anzeigenprets für den Raum
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Anzeigen nimmt an und Staatsanzetgers
Berlin SW. 48, Wichelmstraße Nr. 32.
11“
Inhalt des amtlichen Teiles: Deutsches Reich. Bekanntmachung über den Londoner Goldpreis.
Bekanntmachung, betreffend den früheren Schluß der Reichs⸗
hauptbank am 24. d. M.
Bekanntmachung, betreffend Prüfung der Deckung der Renten⸗
briefe und Rentenbantscheine. Filmverbot.
8 1
Betannimachung
über den Londoner Goldpreis gemäß 8§ 2 der Ver⸗ eordnung zur Durchführung des Gesetzes über wert⸗
beständige Hypotheken vom 29. Juni 1923. (RGBl. 1 S. 482.) Der Londoner Goldpyreis betragt
lür eine Unze Feingold “ für ein Gramm Feingold demnach. Vorstehender Preis gilt für
. 84 sh 11 ½¼ d, c. 32,7777 pence.
Tages, der einer vorausgeht.
Berlin, den 13. Dezember 1927. Devisenbeschaffungsstelle, Cesellschaft mit beschränkter Haftung in Liquidation.
Gleimius.
—rCz
Bekanntmachung.
Die Büros und Sonnabend, den 24. d. M., von 12 Uhr mittags ab geschlossen sein.
Berlin, den 8. Dezember 1927.
Reichsbankdirektorium. Dr. Hjalmar Schacht.
im Reichsanzeiger erfolgten
Seckel.
Bekanntmachung.
Drurch eine unter Mitwirkung der mitunterzeichneten, vom Reichsrat und vom Präsidenten des Rechnungshoss des Deutschen Reichs bestellten Kommissare heute stattgehabte daß die durch die Rentenbank⸗ verordnung vom 15. Oktober 1923 — RSBl. 1 S. 963 — in Verbindung mit dem Gesetz über die Liquidierung des Um⸗ lauss an Rentenbankscheinen vom 30. August 1924 — RGBl. II S. 252 — vorgeschriebene Deckung der Rentenbriefe nd Rentenvankscheine vorhanden ist.
Diese Bekanntmachung erfolgt auf Grund des § 14 Absatz 3 der Satzung der Deutschen Rentenbank. Berlin, den 13. Dezember 1927.
Der Aufsichtsrat der Deutschen Rentenbank. Dr. Lentze. Gennes. Dr. Dr. Kayser. Hermann Hillger⸗Spiegelberg. Der Kommissar des Reichsrats. 1““ Dr. Erythropel, Ministerialdirektor im Preuß. Finanzministerium.
Der Kommissar des Präsidenten des Rechnungshofs des
Deutschen Reichs. Oberregierungsrat, Direktor beim Rechnungshof des Deutschen Reichs.
Die öffentliche Vorführung des Bildstreifens „Notschrei hinter Gittern“, 6 Akte = 2030 m, Antzagsteller und Urprungsfirma: Filmfabrikation und Vertrieb Inh. Frau. Dr. Lotte Dietrich, Berlin, ist am 9. Dezember 1927 unter Prüfnummer 1231 verboten worden. Berlin, den 13. Dezember 1927.
Der Leiter der Filmoberprüfstelle.
Dr. Seeger.
Nichtamtliches.
8 Deutsches Reich. Nachstehend wird das am 30. November Warschau unterzeichnete Abkommen über die vo r⸗ läufige R. egelung des Holzverkehrs aus Polen nach Deutschland veröffentlicht. Das Ab⸗ kommen bedarf wegen der in Ziffer 1 und vorgesehenen
1927 in
den Tag, an dem diese Betannt⸗ bis einschließlich des euveröffentlichung
Kassen der Reichshauptbank werden
8
G Mittwoch, den 14. Dezember,
Bindung der Zollsätze der Ratifikation und tritt insoweit mit dem Tage des Austauschs der Ratifikationsurkunden in
Kraft. Im übrigen ist es mit der Unterzeichnung in Kraft getreten.
Abkommen über die vorläufige Regelung des Holzverkehrsaus Polen Deutschland.
Im Hinblick auf die bevorstehende Wiederaufnahme der Handelsvertragsverhandlungen sind die Deutsche und die Regierung dahin übereingekommen, die Wiederaufnahme geregelter Handelsbeziehungen dadurch einzuleiten, daß zunächst folgendes Abkommen über die vorläufige Regelung des Holzverkehrs von
Polen nach Deutschland abnscee sie wird. 1
8 Deutschland gewährt Polen ein Einfuhrkontingent für 1 250 000 Kubikmeter Schnittholz (Position 76 des deutschen Zoll⸗ tarifs), für welches der gegenwärtige Zollsatz von 1 Reichsmark für einen Doppelzentner nicht erhöht wird. „ Dieses Kontingent kann in der Zeit vom 1. Dezember 1927 1 einschließlich 30. November 1928 nach Deutschland eingeführt verden. Es herrscht Uebereinstimmung, daß im Rahmen dieses Ab⸗ kommens unter Schnittholz dasjenige Holz zu 1 ig. welches unter Position 76 des deutschen Zolltariss fällt, d. h. Bau⸗ und Nutzholz, hart oder weich, in der Längsrichtung 8 oder in anderer Weise vorgerichtet, nicht gehobelt. 2
8 Polen verpflichtet sich, in der Zeit vom 1. Dezember 1927 bis einschließlich 30. November 1928 für Sägeklötze und für Rund⸗ holz (Position 228 Punkt 2a und b sowie aus Punkt 3 des Phsilgen Zolltarifs) bei der Ausfuhr nach Deutschland die Ausfuhrzölle in folgender Höhe festzusetzen: Langholz und Klötze je 100 Kilogramm: a) von Nadelbäumen . . . .... b) von Laubbäumen mit Ausnahme Buchen⸗, Espen⸗ und Erlenholz. c) Espenholz unbearbeitet . . . . Unter Rundholz ist basjenige Holz zu verstehen, das in Position 228 des polnischen Ausfuhrzolltarifs (Punkt 2a und b) sowie unbearbeitetes Espenholz (Punkt 3) aufgeführt ist, jedoch mit Ausnahme des Erlenholzes, und zwar in folgenden Abmessungen: Nadelholz mindestens 3 Meter Länge, 20 Zentimeter Stärke am Zopfende, ohne Rinde gemessen, Laubhe 1z 2 Meter Länge, 20 Zentimeter Stärke am Zopfende, ohne Rinde gemessen. Es herrscht weiter Uebereinstimmung darüber, daß 1 Kubik⸗ meter weiches Schnittholz gleich 600 Kilogramm und 1 98 ubikmeter hartes Schnittholz gleich 800 b zu rechnen ist.
. 0,40 Zloͤty von
1,50 à¾
Der in den Punkten 1 und 2 vorgesehene Holzverkehr erfolgt ohne Ausgabe besonderer Bewilligungen irgendwelcher Art und unterliegt hinsichtlich der Ausfuhr von Schnittholz lediglich der beiderseitigen Kontrolle hinsichtlich der tatsächlich über die Grenze beförderten Mengen. Beiderseits werden die betreffenden Auß⸗ zeichnungen 899 Ablauf von je drei Monaten verglichen. Ab⸗ weichungen werden im beiderseitigen Einvernehmen aufzuklären und zu beseitigen sein.
4.
Anläßlich der Vergleichung der Ausfuhrmengen nach Ziffer 3 wird von deutscher Seite angegeben werden, welche polnischen Schnittholzmengen auf Holztransitlager in Deutschland genommen worden sind.
Insofern 8g Holzmengen auf reine Holztransitlager ge⸗ nommen worden sind, werden sie auf das in Ziffer 1 vorgesehene Schnittholzkontingent nicht angerechnet, insofern sie hingegen auf gemischte Holztransitlager oder auf Privatzollager gebracht worden sind, auf das bewegte 8B nur zur Hälfte angerechnet.
Das unter Punkt 1 und 2 fallende Holz wird in beiden Ländern in jeder Beziehung meistbegünstigt be Dies gilt jedoch nicht für die Anwendung von ertragszöllen.
6
9. In polnischen Verladestationen zur Beförderung nach Deutsch⸗ land aufgegebenes Holz, welches zu den in Ziffer 1 und 2 auf⸗ geführten Holzarten gehört, gilt als Holz polnischen Ursprungs. Nürs jedoch durch Vorlage von Ursprungszeugnissen anderer Länder die nichtpolnische Herkunft nachgewiesen wird, findet eine Anrechnung auf das in Ziffer 1 vorgesehene Schnittholzkontingent nicht statt. 7
Holz, welches durch Deutschland oder 8 Polen durchgeführt wird, ist auf das in Ziffer 1 vorgesehene Kontingent nicht an⸗ zurechnen.
8
Dieses Abkommen präjudiziert in keiner Weise die künftigen den Holzverkehr zwischen beiden Ländern betreffenden Best ⸗ mungen des abzuschließenden ertrags.
Das Abkommen soll ratifiziert werden und tritt wegen der unter 1 und 2 enthaltenen Bindungen der Zollsätze mit der gegen⸗ Uebermittlung der Ratifikationsurkunden, im übrigen mit er Unterzeichnung in Kraft.
10
Dieses Abkommen wurde in zwei gleichlautenden Exemplaren, in deutscher und polnischer Sprache, ausgefertigt. Beide Texte haben gleiche Kraft. 4 58 Warschau, den 30. November 1927 8 Rauscher. August Zalesfki.
1 8 “
88
„Der finnische Gesandte Wuolijoki hat Berlin verlassen. Während seiner Abmesenheit führt Legationssekretär Sohl⸗
Nachtrag. 8
Die Rede des Reichsfinanzministers Dr. Köhler Beginn der Beratung des Gesetzes zur Senkung der Lohn⸗ steuer hat nach dem vorliegenden Stenogramm folgenden Wortlaut:
Meine Damen und Herren! Reichsregierung hat dem Reichstag den Entwurf eines Gesetzes zur Aenderung des Ein⸗ kommensteuergesetzes zugehen lassen, dessen Kernstück die Senkung der Lohnsteuer ist. Der Entwurf ergeht in Ausführung des Gesetzes über Beschränkung der Einnahmen aus der Lohnsteuer vom 3. September 1925, der sogenannten Lex Brüning. Nach diesem Gesetz hat die Reichsregierung einen Gesetzentwurf vor⸗ zulegen, der eine Senkung der Lohnsteuer durch eine Erhöhung der Abzüge bei kinderreichen Familien und des steuerfreien Lohn⸗ betrags herbeiführt, wenn das Aufkommen aus der Lohnsteuer in der Zeit vom 1. Oktober 1925 bis zum 31. März 1926 oder später in einem Zeitraum von zwei aufeinanderfolgenden Kalendervierteljahren den Betrag von 600 Millionen Reichsmark übersteigt. Diese Voraussetzungen sind nunmehr gegeben. Während die Lohnsteuer im Rechnungsjahr 1926 gegenüber den im Haushaltsplan eingesetzten 1200 Millionen nur 1094 Millionen erbracht hatte, sind in der ersten Hälfte des Rechnungsjahres 1927 rund 640 Millionen aufgekommen, also 40 Millionen über 600 Millionen. Bei der Ausführung der Lex Brüning nach Art und Ansmaß war einerseits auf eine dem Geist der Lex Brüning entsprechende Auslegung Bedacht zu nehmen, andererseits mußten aber auch die lebensnotwendigen Interessen der Länder Berücksichtigung finden. Unter Ab⸗ wägung dieser verschiedenartigen Interessen kann das jährliche Aufkommen aus der Lohnsteuer nicht mehr auf den ursprünglich vorgesehenen Betrag von 1200 Millionen begrenzt bleiben. Da⸗ gegen sprechen vor allem zwei Erwägungen. Einmal war der Ausgangspunkt der Lex Brüning, die aus dem August 1925 stammt, das damals starke Mißverhältnis zwischen der Lohn⸗ steuer und der veranlagten Einkommensteuer. Im Rechnungs⸗ jahr 1924 stand einem Lohnsteueraufkommen von 1331 Millionen ein Aufkommen von insgesamt 1194 Millionen an veranlagter Einkommensteuer einschließlich des Steuerabzugs vom Kapital⸗ ertrag und an Korperschaftsteuer gegenüber; mit anderen Worten die letztgenannten Steuern (Einkommenstener, Steuer⸗ abzug vom Kapitalertrag und Körperschaftsteuer) betrugen nur 89 Prozent des Aufkommens aus Lohnsteuer. Im ersten Viertel des Rechnungsjahrs 1925 lagen die Verhältnisse ähnlich. In⸗ zwischen haben sich die Verhältnisse grundlegend geöndert. Im Rechnungsjahr 1926 sind aus der veranlagten Einkommensteuer, Steuerabzug vom Kapitalertrag und Körperschaftsteuer 1539 Millionen, aus der Lohnsteuer dagegen nur 1094 Millionen auf⸗ gekommen. Die erste Hälfte des Rechnungsjahres 1927 zeigt trotz steigender Bewegung der Lohnsteuer die gleiche Tendenz. Der zweite Grund für eine Erhöhung des Lohnsteueraufkommens liegt in der Tatsache, daß die Zahl der steuerpflichtigen Zensiten in unselbständiger Stellung die Zahl der Zensiten in selbständiger Stellung weit übersteigt und daß der bei weitem größte Teil des steuerpflichtigen Volkseinkommens aus Arbeits⸗ oder Angestellten⸗ lohn besteht. Aus diesen beiden Gründen erscheint es der Reichsregierung gerechtfertigt, den Betrag, den die Lohnsteuer erhringen muß, auf 1300 Millionen zu erhöhen, qhört! hört! links) zumal zu berücksichtigen ist, daß die Einkommensteuer zu 75 vom Hundert an die Länder überwiesen wird und deren finanzielle Lage eine angespannte ist.
Ich komme nun zu der Frage, welcher Betrag für die Senkung der Lohnsteuer zur Verfügung steht. Das künftige Reinaufkommen aus Lohnsteuer kann, wenn sie nicht gesenkt würde, auf etwa 1470 Millionen geschätzt werden. Berücksichtigt ist dabei einerseits das Aufkommen in den ersten sechs Monaten des Rechnungsjahres 1927, aber auch im Oktober und November, wo es je rund 124 Millionen betragen hat, andererseits aber auch die in den ersten Monaten eines Jahres vorzunehmenden Erstattungen und ein Abschlag für etwa eintretende Rückschläge auf dem Arbeitsmarkt. Für die Senkung kommt demnach ein Betrag von etwa 170 Millionen in Frage.
Die Lex Brüning sieht die Senkung der Lohnsteuer auf zwei⸗ fache Weise vor, nämlich einmal durch die Erhöhung des steuer⸗ freien Lohnbetrages, und dann durch die Erhöhung der Familien⸗ ermäßigungen für kinderreiche Familien. Die Reichsregierung hat sich jedoch nicht entschließen können, eine Erhöhung des steuer⸗ freien Lohnbetrages vorzuschlagen Sie ist dabei von der Er⸗ wägung ausgegangen, daß die Lage insbesondere für die kleinen und mittleren Gemeinden außerordentlich schwer und kritisch
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berg die Geschäfte der Gesandtschaft.
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würde, wenn noch mehr Lohnsteuerpflichtige ganz aus der Steuer⸗