1928 / 34 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 09 Feb 1928 18:00:01 GMT) scan diff

Vergleich und Anerkenntnis erledigt worden sind.

Reichs⸗ und Staatsauzeiger Nr. 34 vom 9. Februar

8— .

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S. 2.

licher Regelung zugelassen. Das sind doch alles wertvolle Ver⸗ besserungen zugunsten der Mieterschaft. Der Ausschuß hat diese Gedanken noch weiter ausgebaut, das noch verstärkt, indem er für die obersten Landesbehörden die gefetzliche Ermächtigung vor⸗ gesehen hat, noch andere den Uebergang erleichternde Maßnahmen zu treffen. Das darf man doch nicht vollkommen unter den Tisch fallen lassen!

Der Herr Abgeordnete Lipinski hat vorhin gesagt, alle Ver⸗ besserungsanträge der Sozialdemokraten seien abgelehnt worden. (Abgeordneter Lipinski: Unterstellen Sie mir doch nicht, was ich nicht gesagt habe!) Aber wörtlich haben Sie das gesagt! (Ab⸗ geordneter Lipinski: Nein, das habe ich nicht gesagt!) Aber Sie haben doch gesagt: Nichts davon ist angenommen, alles ist abgelehnt. Ich möchte darauf aufmerksam machen, daß gerade die Verbesserungen zugunsten der Mieterschaft, von denen ich zu⸗ letzt sprach, doch erst im Ausschuß in die Vorlage hineingekommen sind.

Und nun komme ich zu dem anderen Teil des Gesetzentwurfs, zur Kündigung, wo Sie ungeheuer übertrieben haben bezüglich der Frage, was in diesen Kündigungsvorschriften enthalten ist.

(Abgeordneter Höllein: Ich werde Ihnen nachher noch ganz etwas

anderes sagen! Heiterkeit.) Ich wiederhole: nichts ist an dem materiellen Recht geändert. Sie wissen, daß die Gründe für eine Aufhebung des Mietverhältnisses in den §§ 2 bis 4 ent⸗ halten sind. Nur bei Belästigung des Vermieters, bei Zahlungs⸗ verzug und unter besonderen Umständen, bei überwiegendem Bedürfnis des Vermieters kann überhaupt die Beendigung des Mietverhältnisses herbeigeführt werden. An diesem materiellen Recht ist nicht das Geringste geändert worden. Wir haben ledig⸗ lich in formeller Beziehung ein neues Verfahren eingeführt, das gewisse Erleichterungen im Gefolge hat. Der Herr Abgeordnete Lipinski bestreitet diese Erleichterungen, er kann aber doch nicht ableugnen, daß in dem vorgeschlagenen Kündigungsverfahren, das ja starke Aehnlichkeiten mit dem Mahnverfahren hat, wesent⸗ liche Erleichterungen gegenüber dem prozessualen Mahnverfahren vorgenommen worden sind. Daran kann gar kein Zweifel be⸗ stehen, wenn man sich vor Augen hält, daß die Beteiligten fortan nicht mehr genötigt sein sollen, vor Gericht zu gehen, um die Aufhebung des Mietverhältnisses zu erreichen. (Abgeordneter Lipinski: Sie haben mir doch selbst zugegeben, daß der § 1h das allgemein gültige Recht verletzt!) Ich komme auch noch auf den § 1h. Warten Sie nur abl Ich werde mich noch mit Ihren Ausführungen beschäftigen. (Zuruf links: Aber vergessen Sie es nicht!)

Ich sagte, daß dieses Verfahren unzweifelhaft Erleichte⸗ rungen und Verbesserungen mit sich bringt. In diesem Zu⸗ sammenhang möchte ich Ihnen einen Satz aus der Begründung der Zivilprozeßverordnung zum Mahnverfahren vorlesen, der ohne weiteres auf das neue Kündigungsverfahren angewendet werden kann. Die Begründung zur Zivilprozeßverordnung kenn⸗ zeichnete das Mahnverfahren durch die Worte: „einfach, weil unbestrittene Verhältnisse einfach zu bekandeln sind“. Genau dasselbe trifft für das Kündigungsverfahren zu. Dieses Verfahren wird vor allem für einfache Fälle praktisch werden, in denen der Vermieter gerechtfertigterweise an⸗ nehmen darf, daß die Angelegenheit zwischen ihm und dem Mieter durch das Kündigungsverfahren erledigt werden kann, weil die Aufhebungsgründe der 88§ 2 bis 4 so unzweifelhaft vorliegen, daß irgendwelche Weiterungen ausgeschlossen erscheinen. Der Vermieter soll, wie gesagt, in Fällen dieser Art künftig nicht gezwungen sein, die Aufhebungsklage zu erheben, er braucht sich keinen Anwalt zu nehmen, braucht nicht vor das Gericht zu gehen, nicht den Kostenvorschuß für das Prozeßverfahren zu zahlen. Das sind doch alles Erleichterungen und Verbesserungen, die gar nicht weggeleugnet werden können. (Abgeordneter Lipinski: Die bestehen doch schon im Sühneverfahren!) Herr Abgeordneter Lipinski, Sie verweisen auf das Sühneverfahren. Ich möchte Ihnen einmal zeigen, in welchem Umfange die Streitigkeiten, über die uns statistische Angaben vorliegen, durch Ich habe

hier eine Zusammenstellung, die sich allerdings nicht auf alle

Länder erstreckt, weil ja die Statistik, wie der Herr Abgeordnete

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Wohnungsrechts.

1 fingetreten, vor

Lipinski vorhin schon gesagt hat, nicht überall gleichmäßig durch⸗ geführt worden ist. Ich darf daraus z. B. die Zahlen für Bayern und Sachsen vorlesen. Die Gesamtzahl der erledigten Mietsachen betrug seit Beginn der Zählung Mitte des Jahres 1926 in Bayern 3313; davon wurden erledigt durch Vergleich 1822, durch Verurteilung 1157; in der letzten Zahl sind auch die Anerkenntnisse enthalten. In Sachsen sind es insgesamt 8280, davon durch Vergleich erledigt 1120, durch Urteil 1713; auch hier umfaßt die letztere Zahl auch die durch Anerkenntnis erledigten Streitigkeiten. In allen diesen Fällen, Herr Ab⸗ geordneter Lipinski, hat man, obschon die Sachen sich zu Ver⸗

gleichen oder zu Anerkenntnissen eigneten, allein um des Voll- sttreckungstitels willen den Klageweg beschreiten müssen; alle diese Fälle könnten in Zukunft durch das Kündigungsverfahren auf

die einfachste Weise erledigt werden. Sie, Herr Abgeordneter,

können angesichts dieser statistischen Zahlen doch wirklich nicht

sagen, daß das Kündigungsverfahren nicht wesentliche Erleichte⸗ rungen im Gefolge haben werde.

Das Kündigungsverfahren hat aber auch noch eine andere Bedeutung. Das ist der Punkt, der vor allem die Hausbesitzer interessiert. Es handelt sich nicht bloß um die praktische Seite der Vereinfachung und Erleichterung, sondern das Kündigungs⸗ verfahren hat auch eine starke ideelle Bedeutung. Hierauf habe ich bereits bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfs hingewiesen. In dem Kündigungsverfahren liegt eine Art Rückkehr zu den Begriffen des Bürgerlichen Gesetzbuchs, zu den Begriffen des bürgerlichen Rechts über das Mietverhältnis. Wir befinden uns jetzt wohl schon elf Jahre unter der Herrschaft eines In dieser langen Zeitspanne ist unzweifel⸗

Verdunkelung der Begriffe des Mietrechts allem des Begriffs der bürgerlich⸗rechtlichen Kündigung eines Mietverhältnisses. Da ist es von großer Be⸗ dentung, wenn in diesem Gesetzentwurf nun zum erstenmal wieder gegenüber der fortschreitenden Verdunkelung der all⸗

riffe hervorgehoben wird, daß 8 Vermieters gibt 1

eine gewisse

haft

ständen die Bevölkerung politisch gegen sie einstellen würde.

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allmählich wieder zu normalen Rechtsverhältnissen auf dem Ge⸗ biete des Mietrechts zurückkehren müssen. In diesem Sinne enthält der Entwurf eine Verankerung des Bekenntnisses zu der allmählichen Wiederherstellung der freien Wirtschaft. Das sind ideelle Momente, die gewiß von starker Bedeutung bei diesem Gesetzentwurf sind.

Herr Abgeordneter Lipinski hat die Frage aufgeworfen, warum eigentlich der ganze Gesetzentwurf notwendig sei. Ja, Herrr Abgeordnete Lipinski, er war notwendig aus den beiden vorhin genannten Gründen, einmal, weil er Erleichterungen bringt, dann aber auch aus den von mir dargelegten ideellen Gründen. Der Herr Abgeodnete Lipinski hat in diesem Zu⸗ sammenhange gefragt: Was ist die Aufgabe der deutschen Justiz? Ich antworte ihm: Die Aufgabe der deutschen Justiz ist es, wenn sich solche Erleichterungsmöglichkeiten darbieten und wenn es an der Zeit ist, die Notwendigkeit einer Rückkehr zum normalen bürgerlichen Recht wieder einmal der Oeffentlichkeit deutlich zu machen, einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen. Daraus erklärt sich die Notwendigkeit der Einbringung dieses Gesetz⸗ entwurfs.

Und nun zu den Bedenken! Gewiß, wenn entscheidende Einwendungen aus dem Gesichtspunkt einer Gefährdung der Mieter gegen den Entwurf bestanden hätten, so hätten wir, wenn auch mit gewissen Hemmungen, auf die Einbringung des Gesetzentwurfs verzichten müssen. Aber solche entscheidenden Einwendungen bestehen nicht. Ich will ein paar Punkte be⸗

sprechen, um die es sich immer handelt und die auch in den

vielen Sitzungen des Ausschusses eingehend erörtert worden sind.

Man sagt: Das neue Kündigungsverfahren wird eine Flut von Kündigungen zur Folge haben. Ich habe vorhin schon hervorgehoben: die Kündigungen können nur auf derselben materiellen Grundlage erfolgen, auf der heute die Aufhebungs⸗ klage möglich ist. Nur wenn die Voraussetzungen des § 2 oder des 8 3 oder des § 4 vorliegen, kann auch gekündigt werden. Es ist also zunächst unverständlich, warum man annehmen sollte, daß eine solche „Flut von Kündigungen“ gerade jetzt von Ver⸗ mieterkreisen ausgehen sollte. Im übrigen ist die Behauptung, es werde eine „Kündigungsflut“ einsetzen, stark auf die ver⸗ meintliche Psyche der Hausbesitzer abgestellt. Man traut ihnen nicht! das ist doch der Gesichtspunkt, von dem aus solche Behauptungen aufgestellt werden. Man glaubt, daß die Ver⸗ mieter illoyal von dem neuen Kündigungsverfahren Gebrauch machen oder, wie es der Herr Abgeordnete Lipinski vorhin sehr drastisch ausdrückte, daß sie auf den Unverstand der Mieter „spekulieren“ werden. Ist aber dieses Mißtrauen berechtigt? Es gibt schlechte Vermieter meinetwegen mag es sie geben —; es gibt in genau demselben Maße auch schlechte Mieter! Einzel⸗ fälle dürfen Sie (zu den Sozialdemokraten) aber nicht be⸗ nutzen, um Schlußfolgerungen allgemeiner Art zu ziehen! Ich habe das Vertrauen zur Vermieterschaft, daß sie sich der Be⸗ deutung dieser Angelegenheit voll bewußt ist. (Abgeordneter Höllein: Soll ich Ihnen Dokumente vorlegen, die das Gegen⸗ teil beweisen?) Ich habe keinen Zweifel, daß die Vermieter es sich überlegen werden, ob sie eine solche „Flut von Kündigungen“ jetzt ergehen lassen sollen auf die Gefahr hin, daß diese nachher ins Klageverfahren übergeleitet werden und daß sich unter Um⸗ Ich habe das absolute Vertrauen, daß die Hausbesitzer in ihren Vereinigungen und Organisationen selbst sich diese Gefahren durchaus vor Augen halten werden. (Sehr richtig! rechts. Zu⸗ rufe bei den Kommunisten.) Es steht auch gar nichts im Wege, daß wir uns mit den Hausbesitzervereinigungen zusammensetzen und Mittel und Wege suchen, um dieser Gefahr, einer nach meiner Meinung stark übertriebenen und eingebildeten Gefahr, vor⸗ zubeugen. (Zustimmung rechts.) Im übrigen erinnere ich daran, daß man seinerzeit bei der Novelle vom Jahre 1926 ganz ähn⸗ liche Besorgnisse geäꝛußert hat. Auch damals nahm man an, daß alle jene Verbesserungen, die damals zugunsten des Vermieters vorgesehen wurden, für die Mieterschaft die bedenklichsten Folgen zeitigen würden. (Abg. Höllein: Hat sie das etwa nicht gehabt? Warum legen Sie keine lückenlose Statistik vor? Warum kommen Sie mit solchem Dreck? Gloche des Präsidenten.)

Nicht für den Herrn Abgeordneten Höllein, aber für die anderen Damen und Herren darf ich bemerken, daß wir im Aus⸗ schuß das mitgeteilt haben, was uns die Länder zu diesem Punkte ihrerseits an Ervfahrungen übermittelt hatten. Etwas anderes kann die Reichsregierung nicht vorlegen. (Abg. Höllein: Für andere Zwecke haben Sie immer Zeit!) Es ist das Material, worin uns die Länder in ihrer übergroßen Mehrheit berichtet haben, daß die Neuerungen der Novelle von 1926 zu einer ins Gewicht fallenden Zunahme der Klagen nicht geführt haben! Soviel zu der „Flut der Kündigungen“!

Die andere Frage ist die: besteht denn eine Gefahr, daß das Publikum, verängstigt, so unverständig sein sollte, einen sachlich berechtigten Widerspruch gegen die Kündigung zu unterlassen? Das heißt nun wieder unseren Mieterstand in seiner Aufnahme⸗ fähigkeit unterschätzen. Glauben Sie denn, daß in den nun fast ein Dutzend Jahren, in denen wir unter der Wohnungsnot leiden, nicht auch unsere Mieter sich eingehend mit dieser Materie be⸗ schäftigt und darin außerordentlich zugelernt haben, recht klug geworden sind? Sorgen Sie (zu den Sozialdemokraten) mit Ihren Mietervereinigungen nicht auch dafür, daß das Ver⸗ ständnis für diese Dinge weit im Lande verbreitet wird? Also wollen Sie doch bitte das Verständnis der Mieter für diese Fragen nicht zu gering einschätzen!

Im übrigen haben wir doch alles getan, um auch denjenigen, der wirklich solchen Fragen im allgemeinen gleichgültig oder teil⸗ nahmslos oder verständnislos gegenüberstehen sollte, zu belehren. Wir haben ein Formular vorgesehen, wie es eingehender und gründlicher gar nicht gedacht werden kann.

Herr Abgeordneter Lipinski hat vorhin die Frage aufgeworfen, ob nicht auch dieses Formular wieder bewußt unzulänglich aus⸗ gestaltet sei; er möchte gern, daß man am Schlusse des Formulars einen Vordruck für den Widerspruch des Mieters anklebt oder an⸗ heftet, und vermißt im übrigen in der Fassung des Formulars

eine genügende Aufklärung des Mieters. (Abg Lipinski: Das habe

ich nicht gesagt!) Aber dann sage ich es Ihnen! (Abg. Lipinski: ie dürfen mir nicht unterschieben, was ich nicht gesagt habe; ich

habe nur gesagt, daß ein Vordruck auf der Rückseite abgelehnt worden ist, weil das ein Anreiz für die Kündigung sei!) Und Sie haben daraus gefolgert, daß dieses Formular unzulängli wäre und zu Mißverständnissen führen könnte. (Abg. Lipinshi Ich bin auf das Formular gar nicht eingegangen!) Wes ich will nun doch einmal, nachdem Sie die Frage angeschnitten haben, den Inhalt des Formulars dem hohen Hause mitteilen und ich bezweifle, ob jemand mit dem Herrn Abgeordneten Lipinski der Meinung sein kann, daß wir die Rechtslage gegen⸗ über dem Mieter sozusagen im Dunkeln lassen, daß wir nicht für Aufklärung des Mieters sorgen. Hier steht: Halten Sie d. h. der zu belehrende Mieter einen solchen Einigungsversuch für zwecklos oder hat der Einigungsverfuch zu keinem Erfolg geführt, so müssen Sie „müssen“ Sie; so wird in dem amtlichen Formular gesagt binnen zwei Wochen seit der Zustellung dieses Kündigungs⸗ schreibens gegen die Kündigung Widerspruch erheben. FPef Unterlassung des Widerspruchs müssen Sie damit rechnen, daß das Gericht auf Gesuch des Vermieters einen Räumungsbefehl gegen Sie erläßt und daß Sie gezwungen werden, die Miet⸗ räume zu dem angegebenen Zeitpunkt zu verlassen.

Zum schriftlichen Widerspruch genügt es, daß Sie auf die Rückseite dieses Blattes den Vermerk setzen: „Ich erhch Widerspruch“, diesen mit Ihrer Unterschrift versehen und das Blatt frankiert an das obenbezeichnete Amtsgericht zurücksenden.

Ich frage: was kann eigentlich noch mehr getan werden? Ich könnte mir vorstellen, daß umgekehrt auf der Vermieterseite gesagt werden könnte, daß hier schon reichlich weit gegangen sei. Des⸗ halb dürfen wir auch hier die Grenzen, die in der Natur der Sache liegen, nicht überschreiten.

Nun hat der Herr Abgeordnete Lipinski besonders auf den § 1h hingewiesen, wonach bei verschuldeter Unterlassung des

Widerspruchs die Aufhebungsgründe der §§ 2, 3 und 4 nicht

mehr nachgeprüft werden können. Herr Abgeordneter Lipinskt hat darauf hingewiesen, daß hier eine Abweichung von dem Mahn⸗ verfahren der Zivilprozeßordnung vorliege. Das ist richtig! Aber, Herr Abgeordneter Lipinski, wir haben das Mahnverfahren auch sonst nicht völlig genau übernommen. Wir haben eine ganze An⸗ zahl von Abweichungen, die sich aus der Natur des hier in Rede stehenden Vertragsverhältnisses ergeben, vorgesehen. Der besondere Charakter des Mietnotrechts beruht darin, daß es zugunsten des Mieters Sondervorschriften abweichend vom Bürgerlichen Gesetz⸗ buch vorsieht; der Ausschuß der Nachprüfung der Aufhebungsgründe betrifft aber nur solche Punkte, die erst durch das Sonderrecht ein⸗ geführt worden sind. Im übrigen möchte ich die Frage einmal um⸗ drehen: Wenn wir diesen § 1h nicht vorsehen würden, was wäre dann die Folge? Dann wäre der Schikane Tür und Tor geöffnet, dann würde so gut wie kein Widerspruch erhoben werden, weil man von der Nichterhebung keinerlei Nachteile zu befürchten brauchte. Auch in den Fällen, wo nach der Natur der Sache eine Erledigung nur im Prozeßwege möglich ist. würde aus rein schika⸗ nösen Gründen ein Widerspruch unterlassen werden. Das dar natürlich nicht sein; gerade zwecks Verhinderung der Schikane mußte man den § 1h in der Ihnen vorliegenden Form vorsehen.

Im übrigen wissen Sie doch auch, Herr Abgeordneter Lipinsk, daß eine ganze Anzahl von Milderungen auf Grund der Aus⸗ schußberatungen unter Ihrer eigenen Mitwirkung im Ausschu angenommen sind. Ich darf daran erinnern, daß die Frist zur

Erhebung des Widerspruchs von einer Woche auf zwei Wochen

verlängert worden ist, womit sich die Reichsregierung und die an⸗ wesenden Ländervertreter einverstanden erklärt haben. (Zunf von den Sozialdemokraten.) Ich darf daran erinnern, daß der Mieter auch dann geschützt wird, wenn er seinen Widerspruch nicht bei Gericht geltend gemacht, sondern ihn nur dem Vermieter gegenüber in irgendeiner Form zum Ausdruck gebracht hat. (Zu⸗ rufe von den Sozialdemokraten.) Das sind im Ausschuß vor⸗ genommene Aenderungen, die ich als Verbesserung der Vorlage bezeichnen kann und die die Regierung deshalb ihrerseits aus⸗ drücklich gutgeheißen hat. Sie dürfen aber solche Verbesserungen hier nicht totschweigen; Sie müssen doch anerkennen, daß solche Abmilderungen vorgenommen worden sind, wie denn überhaupt auch sonst an verschiedenen Stellen zugunsten der Mieter noch Aenderungen im Laufe unserer Verhandlungen vorgenommen worden sind. 8

Meine Damen und Heren, das zu der allgemeinen Frage del Mieterschutzes selbst. Der Herr Abgeordnete Lipinski hat bereitt einige Spezialfragen behandelt, z. B. die Verhältnisse der Künstler⸗ ateliers, und darauf hingewiesen, daß die preußische Verordnunz derartige Mieträume anders behandelt hat als die nachträglic erlassenen Verordnungen von Sachsen und Bayern. Auch andere

Fragen sind von besonderem Interesse, z. B. die Frage der Unter⸗

vermietung, die Rechtsverhältnisse der Werkswohnungen usw. - darf wohl annehmen, daß die nachfolgenden Redner diese Fragen noch vertiefen werden, und darf mir weitere Erklärungen daßn für ein späteres Stadium der Debatte vorbehalten.

Ich selbst möchte nun noch auf einen Punkt kommen, der be

reits im Ausschuß eine Rolle gespielt hat: das ist die Frage der öffentlichen Fürsorge für zahlungsschwache Mieter. Ich habe bereits im Ausschuß darauf hingewiesen, daß der Ausbau der Fürsorge für solche Mieter, denen gekündigt worden ist und füt die die Voraussetzungen der Fürsorgepflichtverordnung zutreffen, eine der vornehmsten Aufgaben der Reichsregierung und der Länderregierung ist. (Sehr wahr! rechts.) Im Ausschuß ist eine ganze Anzahl von Vorschriften eingefügt worden, die diesem Ge⸗ danken Rechnung tragen, und ich möchte meinerseits erklären, 9 die Reichsregierung das ist das in erster Linie zuständige Reichsarbeitsministerium und ich mit ihm zusammen darg bedacht sein wird, diesen Punkt weiter auszubauen; hier ist eine Gelegenheit, sowohl dem Mieterstand wie dem Vermieterstand 8. helfen. Beide sind ganz gleich daran interessiert, daß, wenn 49 seiten des Mieters die Fürsorgevoraussetzungen zutreffen, der Für⸗ sorgeverband unter allen Umständen eingreift und seinerseits in der Stand gesetzt ist, mit den erforderlichen Mitteln zu helfen ich kann nur erklären, daß wir uns der Bedeutung der Aufgabe durchaus bewußt find und auf dem Gebiete weiterarbeiten wollen. Meine Damen und Herren, der Entwurf enthält über das Inkrafttreten des neuen Gesetzes keine ausdrückliche Bestimmung, Sie wissen ja, daß wir bei der letzten Verlängerung eine Grft

Reichs⸗ und Staatsanzeiger Nr. 34 vom 9. Februar 1928. S. g.

um 15. Februar dieses Jahres beschlossen haben. Schon im gschuß sind von seiten der Länderregierungen Bedenken dagegen 29 worden, daß es bei dieser Frist bleibt. In der Zwischen⸗ hat der preußische Herr Justizminister namens der Preußischen lotsregierung an mich ein Schreiben gerichtet, das ich mir hier verlesen erlaube: 1 1 m Anschluß an die Erklärung, die mein Vertveter im Bohnungsausschuß des Reichstags über die Frage des Zeit⸗

Lonttes des Inkrafttretens der Novelle zum Mieterschutzgesetz

2 9 115 des Ausschußberichts abgegeben hat, ersuche ich samens der Preußischen Regierung nochmals ergebenst, dahin irken zu wollen, daß das Gesetz nicht vor dem 1. April 1928 Kraft gesetzt wird, weil es nicht möglich ist, die zur Durch⸗ ihrung des neuen gerichtlichen Kündigungsverfahrens erforder⸗ ichen Ausführungsbestimmungen und sonstigen Vorarbeiten über zum Abschluß zu bringen.

darf wohl ohne weiteres annehmen, daß die Verhältuisse in [äbrigen Ländern nicht viel anders liegen als in Preußen. stt ja sehr bedauerlich, daß wir durch diese Erklärung nun der zu einer weiteren Hinausschiebung des Inkraftsetzungs⸗ mins gedrängt werden. Aber, meine Damen und Herren, wie Situation liegt, sehe ich keine andere Möglichkeit, als hier dem nsche der Länder stattzugeben. Ich bedauere also sehr, nicht ür für das Inkrafttreten zum 15. Februar eintreten zu können, dern muß im Interesse der ordnungsmäßigen Durchführung ses Gesetzetwurfs in den Ländern mich für den Wunsch des nßischen Herrn Justizministers aussprechen.

Damit möchte ich im Augenblick meine Ausführungen zu dem sezentwurf schließen. Nur die allgemeine Bitte möchte ich noch mal an das hohe Haus richten: treten Sie an diesen Gesetz⸗ wurf nicht mit einem vorgefaßten Pessimismus heran. Zu em solchen Pessimismus ist durchaus keine Veranlassung; solch Pessimismus würde nur bewirken, daß eine außerordentliche ruhe draußen im Lande hervorgerufen wird, und daher bitte in rein sachlicher, objektiver Weise zu den Fragen, die dieser sezentwurf aufgeworfen hat, Stellung zu nehmen. Geifall

hts.)

376. Sitzung vom 8. Februar 1928, 14 Uhr.

vricht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger.*)

Präsident Löbe eröffnet die Sitzung um 14 Uhr.

Die zweite Beratung der Novelle zum Mieter⸗ utzgesetz wird fortgesetzt.

Abg. Höllein (Komm.) nennt den Entwurf ein neues itel zur Ausplünderung und Vermuckerung des werktätigen ltes. Der Bürgerblock habe ein neues Kind zur Welt —3 sei aber ein notorischer Wechselbalg. (Heiterkeit.) Es handle bei dem Entwurf um ein freches Attentat auf die deutsche eterschaft. Lediglich die Wahlangst verschiedener Herren auf rechten Seite habe es mit sich gebracht, daß man sich den roristischen Forderungen der usagrarier beugt. Die ruption gehe so weit, daß man von jener Seite Abgeordneten shundert Mark für einen Vortrag kügunssen des Hauskapitals —. Die Mieter fänden dagegen bei diesem Bürgerblock kein teresse für ihre Nöte und e. Der Redner iZ e⸗ weiter aus daß zur weiteren Beschränkung des ieter⸗ rhes kein sachlicher Anlaß H vn * Die ökonomischen wie sozialen Gründe für den Mieterschutz beständen fort. Die rgische Durchführung des Wohnungsbauprogramms sei eine sonale Forderung. Das Hauskapital habe heute eine weit sere Konjunktur als vor dem Kriege. Aus der Hauszinssteuer en allein in Berlin dem Hauskapital achtzig Millionen rechts⸗ ec sur Man wolle die Aermsten der Armen durch das Gesetz Gefahr der Obdachlosigkeit tnssehen. In Halle habe man ittierten Mietern, drei⸗ und fünffachen Familienvätern, sogar Gefängniszellen entziehen wollen, die man ihnen als Wohnung ewiesen hatte. Die Sozialdemokraten hätten ihren Koalitions⸗ 1 den schwarzen Drachen Hirtsiefer, entgegentreten sollen, ein Attentat auf die Mieterschaft zu verhindern. Die wirk⸗ vöbsice des Bürgerblocks sei, dem Hauskapital die Möglichkeit möglichst Foßzügiger legalisierter ee. geg 8 eeterschaft zu bieten. Der amtliche Kuckuck des Amtsgerichts dem sümndigungeschreiben legslisiere die Einschüchterung des eters, der aus Angst alle möglichen Konzessionen an die sscche Mie e hentrum gewesen. e Nöen werde erkennen, daß die Volksvertreter nur Volks⸗ treter seien. Abg. Dr. Jörissen (Wirtschaftl. Vereinig.): Alle wirt⸗ üäce Verhänbde hatten zweimal an Filigerung und ag im einzelnen die diesen Gesetzentwu 0

gten. Wir werden endlich zu einer Beruhigung in der zu normalen Ver⸗

hhaft kommen, und es wird die Rückke issen vorbereitet. Die Vorlage bringt wenigstens eini ne Verbesserungen des geltenden etzes. Leider werden in erem Vaterlande rein wirtschaftliche Fragen immer von eipolitischen Gesichtspunkten angesehen. Die Zwangswirt⸗ auf dem Wohnungsgebiete hat, das erkennen die Wissen⸗ an, zum r er Pecgiene der radikalisierten setrschaft geführt. Daß der Hausbesitzer ein Nichtstuer sei, nichts an zu tun habe, als die Mieten einzustreichen, ein leider weit verbreiteter Irrtum. Die Hausbesitzer e 8 Nachkriegszeit ihr Vermögen verloren und find hil würftige Kleinrentner geworden. Aber ein Teil der ischon veenn ge genug geworden, um ein Einsehen sn ben d von der Zwangswirtschaft genug zu haben. Die Bau⸗ schaft liegt zum Schaden der Mieter darnieder und namentlich ine Wohnungen werden nicht gebaut. Die schulentlassene kann nicht bei Handwerkern untergebracht werden, weil 8. ndwerk eeceegt ist. Die Regierungsparteien haben nicht den Mut gehabt, in dem Abbau der Fwangswirt nr weiter zu gehen, und sie haben im Ausschuß unsere w—. ngstens den Wohnungswechsel zu erleichtern, abgelehnt. Es 8 unhaltbarer Zustand, daß böswillige Nichtzahler noch einen doeren Rechtsschutz genießen. Die Zwangswirtschaft ver⸗ 8 die private Bautätigkeit, das mögen die beachten, die f ie Folgen des Wohnungselends auf gesundheitlichem und m Gebiete klagen. Die Aufrechterhaltung der Zwangs⸗ haüic aft soll das ist der verschleierte wahre Grund zur lisierung des Wohnungswesens führen. Die Aufhebung shwangswirtschaft würde dem Handwerk und Gewerbe üüftigung und Verdienst geben, aber keineswegs die Mieten sln ie Warenpreise steigern. Das haben die Erfahrungen in wewiesen. An dem Wohnungsmangel ist zum allergrößten Zwangswirtschaft schuld; ein viel zu großer Teil der mungen von drei und mehr Zimmern wird von Einzel⸗ nchen bewohnt, während es an Wohnraum für Familien⸗ b Fie fehlt. Wir setzen uns mit vollem Bewußtsein für die 9. es Privateigentums ein und vertreten unsere Forderungen ee des Gesamtwohls. Ich bann nur Herrn Stegerwald

9) Mit Ausnahme der dur errdruck hervor b gehobenen Reden derr 8 42 sind.

een Minister, die im Wortlaute w

ustimmen, der im November in einer Rede in lottenburg agte, wir befänden uns in einer politischen Periode geistiger

erwirrung (Ironische Rufe links: t% richtig!) ir ver⸗ fechten hier Grundsätze, gleichviel ob es sich um 82 Interessen der Hausbesitzer oder der Mieter handelt. Der Vorwurf des Herrn Höllein, daß ich bezahlter Agent der Hausbesitzer sei, ist zu kindisch, um noch ein Wort darüber zu verlieren. an spricht von einer Vertrauenskrise in der Justiz. Herr Emminger hat ein⸗ mal gesagt, es seien in Mietsachen eine ganze Menge von Urteilen ergangen, über die er nur den * chütteln könne Es ist z. B. schwer, einen Mieter wegen Kuppelei aus dem Hause zu vv v. Gewiß hat jeder Mensch ein Naturrecht auf eine Wohnung, aber das ist in erster Linie seine eigene Sorge, er kann nicht von einem anderen eine Wohnung geschenkt verlangen. Es ist nicht wahr, daß die Hausbesitzer ungeheure Gewinne machen; man mu doch die Gesamtbelastung eines Hauses in Betracht ziehen. Das Rei 8 sich bei der Aufwertung bereichert, aber nicht der Hausbesitzer.

r werden den Kampf um die Erhaltung des Privateigentums und um das Verfügungsrecht über das Privateigentum fortsetzen und auf die Verbesserung des Wohnungsmarktes und damit die Beseitigung des Wohnungselends hinwirken. (Beifall bei der Wirtschaftlichen Vereinigung.)

Abg. Winnefeld (D. Vp.) wendet sich. gegen die Kritik des . Dr. Jörissen, der behaupte, die Regierungsparteien hätten sich von dem Wohnungsbolschewismus der Linken ein⸗ schüchtern lassen und seien in ihren Beschlüssen nicht weit genug gegangen. Die Linke behaupte im Gegenteil, sie hätten sich von den Hausbesitzern ins Schlepptau nehmen lassen. Was sei nun eigentlich richtig? Der Redner betonte, an eine völlige Aufhebung der Wohnungszwangswirtschaft könne man jetzt noch nicht denken, man köͤnne sie nur nach Möglichkeit lockern. Den Weg einer von der Linken verlangten weiteren Ausdehnung der Zwangs⸗ wirtschaft könne man nicht gehen. Ebensowenig Fönne man dem Antrag Dr. Jörissen zustimmen. Die Regierung sei konsequent -r sie könne unmöglich ihre Vorlage zurückziehen. Es

ele sich hier um ein in schlimmen Zeiten geschaffenes Not⸗ recht; man müsse jetzt wohl oder übel das Eigentumsrecht zurück⸗ geben, damit Ruhe und Sicherheit im Staate erhalten bleiben. Dr. Jörissen habe im Ausschuß 90 vH seiner Anträge zurück⸗ gezogen und den Anträgen der Regierungsparteien zugestimmt. (Hört, hört!) Die Wohnungsämter könnten nicht nur, sondern müßten mit gewissen Uebergangsbestimmungen aufgehoben werden. Das nach der Vorlage einzuführende Kündigungsrecht sei nur von theoretischer Bedeutung; das Eigentumsrecht werde dadurch wiederhergestellt. Daneben werde aber das Klagerecht des Gekündigten eingeführt. Es gebe auch Kommunisten, die ihr Hausrecht genau so gut zu handhaben wissen, wie andere. Der Redner verliest einen Artikel der Hausbesitzerzeitung „Der Kommunist als Hausbesitzer“, betr. die Räumungsklage eines Arbeiters gegen einen Altonaer Gastwirt und Senator, den kom⸗ munistischen Spitzenkandidaten Hülsen. (Lärm und Widerspruch bei den Kommunisten.) Was habe die Wirtschaftspartei denn bisher erreicht? In Sachsen, wo sie einen Minister in der Regierung habe, betrage die Hauszinssteuer 50 vH, in Preußen dagegen nur 48 vH. (Hört, hört!) Die Wirtschaftspartei gründe sich auf den nackten Materialismus. Wenn das Bürgertum sich zerfleischen wolle, dann müsse es Wirtschaftspartei wählen und auf ihren Leim kriechen. Die Hausbesitzerorganisationen müßten unter allen Umständen neutral bleiben. Man wolle einen ge⸗ Ausgleich zwischen beiden Parteien herbeiführen. (Beifall ei der Deutschen Volkspartei.)

Abg. Schirmer⸗Franken (Bayr. Vp.) hebt hervor, die ganze Opposition sei auf einer politischen Stimmungsmache übelster Art aufgebaut. So wie jetzt im Wohnungsausschuß und ier im Plenum sei es seit Jahrzehnten nicht zugegangen, den

ohnungsausschuß könne man eher Skandalausschuß nennen. Es dele sich hier um wirtschaftliche Fragen. Eine vundsätzliche derung komme hierbei nicht in Frage. Auch in '7a- Reihen der Sozialdemokratie sei der Hausbesitz mit den jetzigen gesetzlichen Zuständen nicht La. e. Die in dem Ge⸗ vorgeschlagene Regelung der Kündigungsfrist sei mit ckficht auf die Mieter notwendig. Gegen Mietwucher sei man Bayern von Staats wegen eingeschritten. Die Stellung der Wirtschaftspartei bezeichnet der edner als einseitig. Für schikanbs und bösartig auftretende Mieter einzutreten, sei ebenso⸗ wenig angebracht, wie für bösartige Vermieter. Sich roh be⸗ nehmende Mieter sollten mit Recht aus einer Wohnung hinaus⸗ gesetzt werden können. Mit größtem Erstaunen habe er, so be⸗ tont der Redner, die Anzweiflung der christlichen Gesinnung des Zentrums und der chrißlichen Gewerkschaften durch den Redner der Sozialdemokratie vernommen. Die Sozialdemokratie habe sich am wenigsten um eine Besserung der Wohnungsfrage bemüht. Die Sozialdemokraten hätten den Etat stets abgelehnt, erst kurz vor dem Kriege hätten sie angefangen, in der Wohnungsfrage mitzuarbeiten. Reaktionär seien also nicht die Rechtsparteien, sondern die Sozialdemokratie. Die Bayerische Volkspartei sei bereit, im Sinne eines Ausgleichs mitzuarbeiten. (Beifall

der Bayerischen Volkspartei.) 8

Reichsjustizminister Hergt nimmt hierauf das Wort. Seine Ausführungen werden nach Eingang des Steno⸗ gramms mitgeteilt werden.

Abg. Schlecht (Linkskomm.): Die 176 000 neuen Woh⸗ nungen in Preußen, die an sich nur einen Tropfen auf den heißen Stein bedeuten, sind im vorigen Jahre auch nur gebaut worden, weil man die Hauszinssteuer für 1928 bereits vorweg nahm. Da inzwischen die echbe onjunktur auch schlechter eworden ist, so wird es in diesem Jahre ganz 8 aus⸗ ehen. Uebrigens benutzt man den größten Teil der den Mietern abgepreßten Hauszinssteuer nur zur Aufrechterhaltung des Machtapparats, mit dem man die durch die Wohnungsnot zur Ver swesshanc gebrachten Mieter niederhält. Nur durch scharfe Beschlagnahme des Grund und Bodens und der Wohnungen sowie durch Verteilung des Wohnraums streng nach der Kopf⸗ ahl läßt sich die Wohnungsnot beseitigen. (Zuruf: Wie in Rüblan )) Ja, in Rußland ist mon leider von den proletarischen Grundsätzen ab eewichen (stürmisches Hört, hört! im en. . Hause) und hat sich dem Opportunismus in die Arme geworfen wie hier die Sozialdemokraten. Wir fordern Kommunga isierung des Wohnungswesens, Mieterlaß für Arbeitslose, Kriegsopfer und Sozialrenter sowie Beschränkung des Wohnraums nach der

Kopfzahl.

Abg. Tremmel (Zentr.) weist den Vorwurf zurück, das 1SSe. habe mit den anderen Regierungsparteien emeinsam die Debatte im Ausschuß beschränkt. Es habe tatsächlich eine ausführliche Generaldebatte stattgefunden. Daß die Länder⸗ vertreter erst in der Spezialdebatte 1r wollten, habe die Mehrheit nicht wissen können, da der usschußvorsitzende, der Demokrat Bartschat, nichts davon esagt 4 Im übrigen hätten gerade die Sozial emokraten keinen Anlaß, das Zentrum anzugreifen, denn die in der Berliner Stadtverordetenversamm⸗ lung herrschenden Sozialdemokraten z. B. die Schuld daran, daß in Berlin 8000 Wohnungen nicht gebaut worden seien. Den Versuch, die Hreumgparhen in den Schmutz und Kot zu ziehen, werde die Partei mit blanker Waffe und reinem Schild zurückweisen. Der Redner schließt, zu den Sozialdemokraten ge⸗ wendet: Wenn Sie n Kampf wollen, gut, Sie sollen ihn haben!

eifall im Zentrum. 8 8— Fic (Nat. Soz.) 19 eede Lockerung des Mieter⸗ schutzes ab, solange die durch die Novemberrevolution herbei⸗ geführte Wohnungsnot andauere.

Damit schließt die allgemeine Aussprache. inI der Einzelberatung begründet G

bg. Nowack (Soz.) den Antrag, Kündigung ein Sühnetermin vorausgehen müsse.

daß der Zustellung der 8 889,8 be⸗-

antragt er, daß die Kündigung nicht vom Gerichtsschreib sondern vom Amtsrichter selbh zugestellt werden soic⸗ sör Ve. gründung des Entwurfs fordere geradezu die Hausbesitzer au von dem neuen Kündigungsrecht möglichst umfangreich Gebra zu machen. Das W göhetzen Ministerrede, wona am gegenwärtigen praktisch nichts geändert werde. ferner beantragt der Redner, die der Kündigung ür unzulässig zu erklären. Eine Wo mnung sei doch leine agatelle. estrichen werden müsse die Bestimmung, daß der Mieter den Beweis snr seine Schuldlosigkeit zu führen hat, wenn er die Einspruchsfrist hat verstreichen lassen.

Ministerialdirektor Abegg ezeichnet die Gründe, die der Vorredner geltend gemacht habe, nicht als durchschlagend. Eine Kündigung seitens des Vermieters erfolge auch zurzeit nicht durch Urteil. Parallel stehe net die 2 und die gerichtliche Zustellung des ündigungsschreibens. Materiell werde also nichts geändert. Seitens der Mieterorganisationen werde auf die Kündigungsklage überhaupt nicht eingegangen. Der Regierungsvertreter weist auch weitere Behauptungen des Vorredners als S zurück, z. B., daß die Richterschaft sich einheitlich gegen die Vorlage ausgesprochen habe. In einer Keshe von 122 weiche der Entwurf zugunsten er Mieters von den bestehenden Zuständen ab. Man könne nur zu dem Fluß kommen, daß die Abweichungen im § 1a

Mieter überhaupt keinen Nachteil bringt. Die Recht⸗ dafür liege in den sonstigen für den Mieter vor⸗ andenen Schutzvor -9— Getroffen werden solle nur ein 22 Se Mieter. Der Entwurf bezwecke nicht eine Vermehrung er Kündigungen.

bg. Koenen (Komm.) wirft die Frage auf, welchen Sinn denn dieses Gesetz überhaupt noch 29 wenn es keine materielle Aenderung bringe. Merke denn die Regierung gar nicht, wie katastrophal S sie sich damit mache? Dar die Methode der amtlichen Zuste lung wolle man es erreichen, daß der ein⸗ fache Mieter au sein Einspruchsrecht verzichte, man spekuliere auf die Dummheit des deutschen Volkes. Der Arbeiter als Mieter könne sich schon in dem Hexensabbat, den man im Gesetz aus der deutschen Sprache gemacht habe, gar nicht zurechtfinden. Das Gesetz gehe auf eine ganz gewöhnliche Erpresserkaktik hinaus.

Vizepräsident Esser rn. den Abg. Nowack zur Ordnu weil er dem Reichsjustizminister und den Regierungsparteier den Vorwurf der bewußten Rechtsbeugung gemacht habe.

Hierauf wird die Beratung abgebrochen. Nächste Sitzung: Donnerstag, 14 Uhr. heutigen Tagesordnung.

Schluß gegen 7 ¼ Uhr.

Fortsetzung der

Preußischer Landtag. 337. Sitzung vom 8. Februar 1928, 12 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger. *]

Präsident Bartels eröffnet die Sitzung um 12 Uhr 15 Minuten.

Vor Eintritt in die Tagesordnung begründet Abg. Schwenk (Komm.) einen Antrag, den Polizeipräsidenten Zörgiebel wegen seiner Begünstigung des Stahlhelms und anderer Rechtsorganisationen seines Amtes zu entsetzen, sowie ungerecht Verhaftete sofort zu entlassen und Maß⸗ nahmen zu treffen gegen rigoroses Vorgehen von Polizei⸗ beamten, und fordert seine sofortige Beratung. Da Wider⸗ spruch erhoben wird, kann dem nicht stattgegeben werden.

Eine sozialdemokratische Anfrage, in der um Abhilfe der Mißstände hinsichtlich der räumlichen Ver⸗ hältnisse im Betriebe des Preußischen Arbeitsgerichts in Berlin ersucht wird, wird ohne Aussprache der Ausschuß⸗ beratung überwiesen. Ebenso der 8 entrumsantrag, bei der Rheinbrücke im Kreise Solingen die Mitbenutzung durch Fußgänger und Fuhrwerke zu gestatten.

Das Haus tritt darauf ein in die zweite und dritte Be⸗ ratung des Gesetzes über die weitere Neuregelung dern kommunalen Grenzen im westfälischen In dustriebezirk.

Abg. Petry enne. beantragt Zurückverweisung an den Ausschuß. Eine weitere Prüfung sei nötig. Die Vorlage stelle nur eine Teüllosens das für die eine Dringlichkeit nicht vorliege. Es müßten glei ttig die übrigen, seit Feschen notwendigen Ein⸗ genteindungsfragen des rheinisch⸗westfäli xchen Industriegebiets geregelt werden.

Minister des Innern Grzesinski: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, in Ihre geschäft⸗ lichen Dispositionen einzugreiten oder Ihnen auch nur Ratschläge zu erteilen. Wenn das Haus es für erforderlich hält, den Entwurf noch einmal im Ausschuß zu beraten, so ist das Sache des Hauses Ich habe mich nur zum Worte gemeldet, um zu einer Erwartung Stellung zu nehmen, die in der Begründung meines verehrten Herrn Vor⸗ redners zum Ausdruck kam, nämlich als er sagte, er glaube, daß die Regierung im Ausschuß eine vollständigere Vorlage werde vor⸗ legen können. Ich muß zu meinem großen Bedauern die hieran ge⸗ knüprten Erwartungen und Hoffnungen zerstören. Ich bin nicht in der Lage, für diese Gebiete, eine erweiterte, wesentlich anders geartete Vor⸗ lage Ihnen zu unterbreiten. Ich bin vielmehr der Meinung, daß der Ausschuß bei seiner Beratung neulich Gelegenheit gehabt hat, ge⸗ wisse Aenderungen, die er für notwendig gehalten haben würde, vor⸗ zunehmen, daß aber andererseits die Beschlüsse, die er gefaßt hat, darauf schließen lassen, daß er sich im wesentlichen auf den Boden der Regierungsvorlage gestellt hat. Die „größere“ Lösung, wie sie von dem Herrn Vorredner und seinen Parteifreunden für notwendig erachtet und wie sie von Ihnen erwartet wird, liegt nicht so sehr in Westkalen, als vielmehr in den übrigen Bezirken des rheinisch⸗west⸗ fälischen Industriegebiets, und bei der Beratung komme ich noch darauf zurück diese Vorlage vorzulegen, ist im Augenblick nicht möglich. Ich möchte deswegen doch ernstlich zu erwägen anheimgeben, ob nicht die Beratung heute erfolgen sollte da im Ausschuß ja über nichts anderes beraten werden könnte, als was Ihnen von der Regierung bereits vorgelegt worden ist.

„Winckler (D. Nat.) bringt gleichfalls Bedenken

. nn. .ah iedung 8 Enr—s 8* Pe en der Aus. scheßberotung sei sehr begrenzt gewesen. Man müsse noch Zeit halb der rbee noch Zweisel zu klären.

ewinnen, auch inner! 1 das spruchreif sei, könne allerdings bald entschieden werden. Seine Freunde seien für Zurückverweisung, und für den Fall der Ablehnung des Antrags für Abseäung der dritten Lesung. 1 Abg. Sobottka (Komm.) bezeichnet die Vorlage als Flich⸗ werk, ist jedoch n nochmalige Ausschußberatung. Zentrum und Deutschnationale hätten aber selbst im Nusschuß eine wesentlich

*) Mit Ausnahme der durch Sperrdruck hervorgehobenen Reden der Herren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben find.