1928 / 161 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 12 Jul 1928 18:00:01 GMT) scan diff

FPreußischer Landtag. 8. Sitzung vom 1. Juli 1928, 10 Uhr 20 Min.

(Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger“)

Präsident Bartels spricht bei Eröffnung der Sitzung dem Abg. Herold zu seinem 80. Geburtstage am 20. Iuli schon heute, da der Landtag an diesem Tage nicht versammelt sein wird, die herzlichsten Glückwünsche des Landtags aus. Die Mitglieder des Hauses haben sich von den Plätzen erhoben. Nur die Kom⸗ munisten unterbrechen die Ausführungen des Präsidenten durch Zurufe. Präsident Bartels gibt der Hoffnung Ansdruck, daß der Abg. Herold dem Landtag noch recht lauge erhalten bleiben möge.

Abg erold (Zentr.) dankt dem Präsidenten und sagt zu, da 2 renee ne politischen und parlamentarischen Leben beses sein werde, dem Vaterland und dem deutschen Volk weiter nützlich zu sein. (Lebhafter Beifall.)

Auf der Tagesordnung stehen zunächst Berichte des Hauptausschusses über die Notlage der Fischerei. Nach den bekannten Beratungen des Hauptausschusses wird das Staatsministerium zur Behebung der ungeheneren Notlage der See⸗ und Küstenfischerei sowie der Binnenfischerei ersucht, in Verbindung mit dem Reiche und den in Frage kommenden Provinzen ausreichende Notstandskredite und Beihilfen zur Verfügung zu stellen.

Abg. Kickhöffel (D. Nat.) berichtet über die Ausschuß⸗ verhandlungen und weist kurz auf die vom Ausschuß empfohlenen Maßnahmen hin, die insbesondere langfristige Kredite, Förderung des Verbrauchs und des Absatzes, Ausban des Fischereiausbildungs⸗ wesens und der Fischereiaufsicht verlangen. Weiter werden wirk⸗ same Maßnahmen gefordert gegen Beschmutzung und Verseuchung von Fischereigewässern, zur Verbesserung der von den Fischern genutzten, oft Ueberschwemmungen ausgesetzten Acker⸗ und Wiesenflächen. Auch follen bei allen Maßnahmen, die die Fischerei betreffen, die Berufsvertretungen der Fischer, ins⸗ besondere die Fischereiausschüsse der Landwirtschaftskammern, ge⸗ hört werden. Ferner soll eine für die Fischerei günstigere Ge⸗ staltung der Eisenbahntarife erwirkt werden. Bei den Handels⸗ verträgen und zollpolitischen Maßnahmen sollen die Interessen der Fischerei stärker gewahrt werden. Ferner wird gefordert Auf⸗ hebung der Zölle auf Fischereigeräte und günstihere Gestaltung der Bedingungen für die Gewährung von Krediten an die See⸗ und Küstenfischer. Durch Verhandlungen mit den Randstaaten der Ostsee soll noch zum Winter 1929 die Einführung einer Schonzeit für Pkattfische in der Ostsee erreicht werden; schließlich wird ge⸗ Fncene daß dem Landtag eine Denkschrift über die gesamte Fischerei vorgelegt werde.

Abg. Moericke (Komm.) erklärt, die Vorschläge des Haupt⸗ ausschusses reichten nicht aus. Die Fischer müßten besonders auch in die Erwerbslosenfürsorge einbezogen werden, da sie in der Zeit, wo sie nicht fischen könnten, meistens keine Einkünfte hätten. Wenn man den Absatz heben wolle, müsse man vor allem die Kanufkraft der breiten Massen erhöhen. 10 Millionen zur Unterstützung der Fischer seien eine Bagatelle. Im übrigen würden die Hilfsmaßnahmen von der preußischen Beamten⸗ bürokratie nicht durchgeführt. Das Staatsministerium sabotiere die Beschlüsse des Landtags. Die Fischer sollten zur Selbsthilfe greifen!

Abg. Gieseler (SDt. Frakt.) setzt sich für möglichst weit⸗ gehende Staatshilfe für die in sehr schwieriger Lage sich befind⸗ lichen Fischer namentlich in den östlichen Gebieten Preußens ein.

Abg. Kickhöffel (D. Nat.) weist die kommunistische Kritik an den Vorschlägen des Hauptausschusses zurück. Bedauerlich sei es, daß die Sozialdemokraten eine Reihe von Anträgen, die en Fischern wirksam helfen sollten, abgelehnt hätten. Die Deutschnationalen forderten über die Vorschläge des Hauptaus⸗ schusses hinaus Herabsetzung der Pachten, Tarife und Gebühren und Prüfung der Fragen, ob und wie eine Ausgleichsstelle für die Wetterschäden geschaffen werden könne. Die überschüssige Fischereibevölkerung müsse an geeigneten Stellen angesiedelt werden. Die Fischereischutzhäfen seien zu verbessern. Allen Schleppnetzfischern des Stektiner Haffs müsse zur Umstellung ihres Betriebs staatliche Hilfe zuteil werden.

Abg. Jürgensen (Soz.) erkennt die Notlage der Fischer an, weist die Angriffe des Vorredners gegen seine Partei zurück und fordert schleunige Hilfe für die Küstenfischer. Die Kredite sollten umgewandelt werden in Beihilfen. Das Genossenschafts⸗ wesen müsse ausgebaut werden. Die Berufsvertretungen müßten bei allen Maßnahmen vorher gehört werden. Die Vorschläge des Hauptausschusses solle man noch ergänzen durch einen Beschluß, wonach durch geeignete Maßnahmen die Fischer in der westlichen Ostsee für den Verlust der nordschleswigschen Fanggründe zu

entschädigen seien.

Abg. Metzenthin (D. Vp.) sieht den Grund der Not der Fischer der Ostsee darin, daß ihre Küstengewässer ausgefischt seien. Sie könnten aus ihren Fängen nicht mehr ausreichenden Gewinn erzielen. Beim Abschluß des Handelsvertrags mit Polon müßten die Interessen der Fischerei besondere Berücksichtigung 5 Ein besonderer Nachteil für die Ostfeefischerei liege in

r großen Entfernung der Verbrauchsstätten; deshalb müsse der Absatz mehr konzentriert werden.

Abg. von Detten (Wirtschaftspt.) wünscht Auskunft von der Regierung, was sie zu tun gedenke, um der allgemein an⸗ erkannten Not der Fischer abzuhelfen.

Nachdem noch der Abg. Leinert (Soz.) Angriffe wegen seiner Haltung im üi-e als unberechtigt zurückgewiesen hatte, wurden die Vorschläge des Hauptausschusses an⸗ genommen. Annahme fand auch der Zusatzantrag der Sozial⸗ demokraten über eine zu gewährende Entschädigung der von dn Verlust der nordschleswigschen Fanggründe betroffenen Fischer.

Die deutschnationalen Abänderungsanträge wurden in der Hauptsache abgelehnt; Annahme fand ihr Antrag, den E bei wasserbaulichen Arbeiten mehr

echnung zu tragen.

Ein kommunistischer Antrag auf volle Entschädigung der Sturmschäden usw. wurde durch Auszählung mit 182 egen 135, ein weiterer Seene. Antrag auf Einbeziehung der Küstenfischer in die Erwerbslosenunterstützung gleichfalls durch Auszählung mit 133 gegen 165 Stimmen a Aehnn Damit war dieser Gegenstand erledigt.

Einer Reihe von Anträgen ng Einstellung der Strafverfolgung gegen bgeordnete wird ohne Aussprache zugestimmt. Der Ausschußberatung wird überwiesen die Vorlage über Aufhebung des hannoverschen Polizekstrasgefehes vom 25. Mai 1847, da 58g 8. durch anderweitige reichs⸗ rechtliche und landesrechtliche Regelung entbehrlich geworden ist. Auch die Ausführungsverordnung zum Reichs ged über die Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten und die Vorlage, wonach zur Wiederinstandsetzung und Verbesserung staatlicher Hafenanlagen rund 3 ½ Millionen zur Verfügung gestellt werden, gehen an die zuständigen Ausschüfe.

*) Mit Ausnahme der d M ie im W

8

perr⸗ uck hewvorgeho te wi be

Bei Beratung der Bestimmungen über die unkünd⸗ bare Anstellung in der Schutzpolizei beantragt

Abg. Borck (D. Nat.), diese Vorlage ohne Aussprache an den Beamtenausschuß zu überweisen.

Abg. Kasper (Komm.) protestiert gegen einen solchen An⸗ trag, der nur die Aussprache über diese Ausführungsbestimmungen, in denen der Abbaun der Polizeibeamten in rigorosester Weise durchgeführt werden solle, während man von „lebenslänglicher Anstellung“ rede, verhindern solle. Sachlich könne man bei der vom Aeltestenrat festgesetzten Redezeit von zehn Minuten zu den Bestimmungen nicht Stellung nehmen.

Abg. Kube (Nat. Soz.) erklärt, die Nationalsozialisten be⸗ grüßten, daß die Kommunisten sich endlich auch auf den Stand⸗ punkt des Berufsbeamtentums gestellt hätten, wie ihn die Nationalsozialiften schon lange vertreten. (Lärm bei den Kommu⸗ nisten. Heiterkeit.) Die Nationalsozialisten lehnten diese Vor⸗ lage ab, weil die Grundsätze des Berufsbeamtentums darin wieder einmal durch die zionistische Abteilung des preußischen Innen⸗ ministeriums, die Abteilung Schutzpolizei, schwer verletzt würden.

Abg. Borck (D. Nat.) erklärt, seine Freunde würden im Interesse der Beamtenschaft der Ausschußüberweisung der Vorlage zustimmen und dort ihre Verbesserungsanträge vorbringen.

Damit schließt die Besprechung. Die Ausführungs⸗ bestimmungen gehen an den Beamtenausschuß. .

Es peni die Beratung von Ausschußanträgen über Zechenstillegungen und Bergarbeiterent⸗ lassungen. Die Ausschußanträge ersuchen das Staats⸗ ministerium, rechtzeitig vor Ablauf des Ruhrkohlensyndikats mit der Reichsregierung in Verhandlungen einzutreten über diejenigen Aenderungen des Syndikatsvertrages bzw. des Kohlenwirtschaftsgesetzes, die im Interesse der im Steinkohlen⸗ bergbau beschäftigten Arbeitnehmerschaft und insbesondere zur Verhinderung vermeidbarer Stillegungen notwendig sind. Die 8 dabei insbesondere in der Richtung zu er⸗ folgen, daß die Uebertragung von Beteiligungsquoten über⸗ haupt verboten wird, so daß der Ausfall einer Beteiligung der Gesamtheit der Syndikatsmitglieder zugute kommt; daß für den Fall der Beibehaltung der Uebertragbarkeit von Beteiligungsquoten den durch Stillegung arbeitslos werdenden Arbeitnehmern auf die Dauer bis zu 26 Wochen der Unter⸗ schied zwischen der Arbeitslosenunterstützung und dem letzten Nettoistlohn als Abfindung gezahlt wird; daß der Eigen⸗ verbrauch der Hüttenzechen auf ihre Gesamtsyndikats⸗ beteiligung zur Anrechnung gelangt.

Das Staatsministerium wird ferner ersucht, 1. durch Ein⸗ wirkung auf die Reichsregierung und die Reichsbahn zu er⸗ reichen, daß zur Ermöglichung eines besseren Wettbewerbs mit der englischen Kohle die Küstentarife für Kohle wesentlich verbessert werden; 2. auf die Reichsregierung einzuwirken, daß der „Hansa⸗Kanal“ unverzüglich in Angriff genommen wird zwecks Ermöglichung eines besseren Wettbewerbs mit der englischen Kohle. Schließlich soll bei der Reichs⸗ regierung durchgesetzt werden, daß im Bergbau unter Tage die Siebenstundenschicht eingeführt wird. Außerdem werden Maßnahmen zur Erhaltung der Gruben⸗ und Hüttenbetriebe im Sieg⸗, Lahn⸗ und Dillgebiet verlangt.

Ein kommunistischer Antrag, mit der Beratung auch die kommunistische Forderung zu verbinden, den Abg. Sobottka (Konnn.) wieder in die Grubensicherheitskommission zu delegieren, scheitert an soziademokratischem Widerspruch.

Zu den I““ äußern sich als Bericht⸗ erstatter die Abgg. etzinger (Bentr.), Sobottka (Komm.) und Fries⸗Siegen (Soz.).

In der Besprechung erklärt Abg. Jacobs (Soz.), seine Fraktion könne die Notwendigkeit von jen nicht anerkennen. Es sei recht eigenartig, wie die Rechte über die Kon⸗ kurrenz der englischen Kohle beweglich klage. Dabei erzähle man sich, daß die Stadt Duisburg von Kohlenhändlern englische Kohle gekauft habe. Die Kohlenhändler ständen der Rechten sehr nahe! Die Söhne und Töchter der Ruhrindustviellen hätten in Monte⸗ carlo im letzten Jahre Millionen verspielt. (Zuruf rechts: Sie meinen wohl Barmatleute!?) Da könne man nicht dulden, daß der Staat an Privatbetriebe gewaltige Zubußen leiste, wie es im Jahre 1924 geschehen sei. Der Antrag der Kommunisten auf die Siebenstundenschicht sei ein reiner Agitationsantrag und werde von den Sozialdemokraten als solcher abgelehnt. Die Sozialdemo⸗ kratie würde sich durch die Hetze der Kommunisten nicht abhalten lassen, den geraden Weg ihrer Gewerkschaftspolitik weiter zu gehen.

Abg. von Waldthausen (D. Nat.) weist varauf Pr. daß man seit Monaten eine Feierschicht nach der anderen habe ein⸗ legen müssen; das zeige, wie die Lage heute sei. Dem rheinisch⸗ westfälischen Bergbau gehe es zurzeit miserabel. Darauf seien auch die ö en und Arbeiterentlassungen zurückzuführen. Wenn zu den Absatzschwierigkeiten durch Konkurrenz noch immer Schwierigkeiten hinzuträten, wenn einfach kein Geld da sei, so müsse man zu Restriktionen schreiten. Die Absatz⸗ stockungen vee. leine vorübergehenden Erscheinungen. Da sei es für die Belegschaft viel weniger schmerzvoll, wenn man da, wo es Pneg casgi sei, zu Stillegungen schrezte, als wenn immer wieder die Gesamtheit der Arbeiter durch Feierschichten geschädigt werde. Auch die Deutschnationalen seien dafür, daß vermeidbare Stillegungen vermieden werden. Die Kohlenindustrie vertrage keine weiteren Belastungen. Es sei erstaunlich, daß 1cc auch das Zentrum für die Durchführung der Siebenftundense icht aus⸗ gesprochen habe. Das sei das einfachste Mittel, den rheinisch⸗ westfälischen Kohlenbergbau zu ruinieren.

Abg. Steger (ZBentr.) fordert eine scharfe Prüfung der Ver⸗ hältnisse, um weitere Betriebseinschränkungen und Stillegungen möglichst ö Die Haltung des bv ordere schärffte Kritik heraus. Wenn ausländische 8 e von veee. Industrien, denen es vestfchefanch 2⸗ nicht schlecht geht, gekauft werde . werde damit die deutsche Kohlenwirtschaft zum großen Teil la mgelegt. Die Staatsregierung sollte sich dafür einsetzen, daß der Reichskohlenkommissar hier einen Riegel vorschiebt und wirtschaftlich gesunden Industrien verbietet, ausländische Kohle su kaufen. Mit den Stillegungen, die die deutsche Arbeiterschaft o schwer treffen, müsse endlich Schluß gemacht werden.

Abg. Schubert (Komm.) erklärt, das ganze Gerede im Ausschuß und im Landtag, bei dem sich besonders die Sozial⸗ demokraken hervortäten und wobei immer auf die Flechte ge des Bergbaues hingewiesen werde, gehe nur darauf hinaus, die Bergarbeiter von der Eresen besserer Lohn⸗ und Arbeits⸗ bedingungen abzuhalten. it Recht habe die „Frankfurter Zeitung“ die Kohlenpreiserhöhungen kritisiert und auf die poli⸗ tischen Hintergründe sim ewiesen: Die letzten Schiedssprüche in den Lohnstreitigkeiten sollten damit ad absurdum geführt werden! (Sehr richtigt bei den Kommunisten.) Herr von Waldthausen (D. Nat.) und Herr Osterroth (Soz.) hätten beide behauptet, Still⸗ legungen seien immer noch besser als Lohnkürzungen. Das sei keineswegs stichhaltig! .

Abg. Hartman 5 weist auf enbkang der Frage im Ausschuß und bei seijeren Gelegenheiten in. Die Hauptsache sei, wie man aus der Krise herauskomme. Vor allem müsse der Verbrauch englischer Kohle, soweit es irgend angängig sei, unterbleiben. Das liege in nationalem und vater⸗ län sschenn iae. Das Ausland habe es verstanden, seine ngehindert:

die ausführliche Be⸗

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ch Deutschland hineinzubringen. Das müsse

verhindert werden. Der deutsche Kohlenbergbau sei leist genug und sei auf englische Kohle nicht angewiesen, wie einmal der Fall en en sei. Die Kommunalverwaltun en sich besonders angelegen sein lassen, nur deutsche Kohle brauchen. Vor A 8 des Kohlensyndikatsvertrages sei dis einer Revision dieses Vertrages zu prüfen. Bei Entlassungen eine genügende Abfindung gezahlt werden. Schlimm sei di des Siegerlandes; hier müsse der Staat helfen, bef Zuweisung von Staatsaufträͤgen auch an die kleinen Betriebe Abg. Grüter Wirischaßts t.) schließt sich den Aus ührum an, die dahin gingen, daß die Notlage der Betriebe ni⸗ t so ngen sei, wie es 2 dargestellt werde. Es würden immer gag bans gute Dividenden verteilt! Auf der Augusta⸗Viktoria tunde entfernt von der Hibernia, würden sogar Leute eingestene Die Zusammenlegung von Betrieben sei ein Beispiel, wie n Staatsbetriebe unter der Diktatur des Zechenver andes ste 9 Der Staatsbergbau füge sich einfach 8 Diktatur. hen Abg. Krämer⸗Recklinghausen (D. Vp.) tritt den A hrieen becah eftediens v ag. Damit schließt die Debatte. Nach einem Schlußwor Berichterstatters, gchlug 8 Ausschußanträge im wesentlichen angenommen.

Auf Antrag des Abg. Schwarzhaupt (D. Vp.) mi namentlich über den vve abgestimmt, —59 *G ofortige Durchführung der Siebenstundenschicht im Bergden ordert. Da nur 30 Karten abgegeben werden, weil all

zarteien außer den Kommunisten 1 nicht an der R⸗ stimmung beteiligen, ist das Haus beschlußunfähig.

Vizepräsident von Kries beraumt auf sofort ein

neue Sitzung an, in der der strittige Punkt nicht mehr uf

der Tagesordnung erscheint.

Für den Wohnungsausschuß berichtet Abg. Dr. Rose (D. Vp.) über den volksparteilichen Entschließungsantrag zue Wohnungsnot der Beamten und Staatz. bediensteten. Der Ausschuß empfiehlt die Annahme einer Entschließung, die das Staatsministerium ersucht, ne Ausführungsbestimmungen zur Verwendung der Staatsmitte zur Förderung des Baues von Beamtenwohnungen (Arhbeis⸗ geberdarlehen) dem Landtag zugehen zu lassen.

Abg. Oberdörster (Komm.) meint, daß die Wohnunge misere auch der Beamten so lange dauern werde wie das gegen⸗ wärtige Staatswesen.

Abg. Ladendorff (Wirtschaftspt.) erklärt, seine Parke lehne den Antrag ab, und zwar im Interesse der Beamten (Ce⸗ lächter), weil es schädlich sei, das Volk in verschieden Berechügte einzuteilen. Erst wenn die 1“ aufgehoben ist, werde auch die Wohnungsnot der Beamten zu beheben sein.

Der Ausschußantrag findet mit großer Mehrheit Annahme.

Es folgt die Beratung des Eööö1, über den demokratischen Antrag über die Auslandsanleihe der Provinz Ostpreußen. Der Ausschuß, für da Abg. Dr. Grzimek berichtet, schlägt folgende Fassung zue Annahme vor: 1

„Das Staatsministerium wird erfucht, darauf hinzuwirke, Hemmungen, die der sofortigen praktischen Auswirkung der

prLußenhilse bei der Begebung der zurzeit für zweite Hhpo⸗ theken zur Verfügung stehenden 48 Millionen Reichsmark en⸗ gegenstehen, mit größter Beschleunigung beseitigt werden, un daß die 11“ zur Aufnahme einer der Provinz e. preußen in Aussicht gestellten Auslandsanleihe sofort - geführt wird.“ 1

Abg. Schwenk⸗Berlin (Komm.) lehnt den Antrag ab, well⸗ keine Gewähr dafür bestehe, daß die Minderbemittelten von dem profitieren könnten, zumal die Bedingungen ungünstig eien.

Damit schließt die Besprechung. Mit großer Mehrhes witd der Ausschußantrag angenommen. 8

Die Tagesordnung ist damit erschöpft.

Abg. Ilse Neumann (Komm.) erklärt, ihre Fraktion schlage

dem Hause vor, anstatt der vorgesehenen Vergnügungsreise zu Kölner Pressa morgen eine Sitzung abzuhalten und u. a. dann Anträge zu beraten, die sich für die Beseitigung des Abtreibunge und für soziale Maßnahmen zugunsten der Wöchse⸗ rinnen einsetzen. .

Abg. Schulz⸗Neukölln (Komm.) meint, der Prenußiste Landtag könne sich schmeicheln, daß er mit seiner sozialdemokm⸗ tischen und seinen bürgerlichen Fraktionen den Gipfel parlamen⸗ tarischer Feigheit dadurch gezeigt habe, daß er bei voll besae Hause durch Nichtabgabe der Stimmkarten den Landtag d unfähig machte, als den Bergarbeitern die Siebenstundenschie gegeben werden sollte. (Lebhafte Zurufe und große Erregung in Hause. Vizepräsident Dr. von Kries ruft wegen des Vorwu der Feigheit den Redner zur Ordnung und erteilt auch dem A Fürgensen [Soz.] einen Ordnungsruf, weil er den Redner als da „größten Feigling“ bezeichnet hakte.) Der Redner beantragt gleic⸗ alls, morgen eine Sitzung abzuhalten, und bringt eine Reihe bat Tagesordnungspunkten in Vorschlag.

Gegen die Kommunisten werden die Anträge der Acp

Neumann und des Abg. Schulz⸗Neukölln abgelehnt.

Unter lebhaften Rusen der Kommunisten: „Auf zu den Festessen nach Köln!“ schließt Vizepräsident von Kries um 16 Uhr die Sitzung.

Die nächste Plenarsitzung findet Dienstag, den 2. Oktoben 13 Uhr, statt. Der Präsident ist ermächtigt, die Tagesordnung selbst zu bestimmen.

Verkehrswesen.

Fleischpakete nach der Schweiz. Die schweizerish teilt mit, daß viele Postpakete mit Fleisch 4 leischwaren aus Deutschland in die Schweiz gelangen, ohne daß erforderlichen Fleischbeschanteugnisse beigefügt sind er ohne daß der Empfänger sich im voraus die nötige Einfuhr bewilligung vom schweizerischen Veterinärdienst beschafft n. Derartige Sendungen werden von den schweizerischen „Zollst 5 zurückgewiesen und gehen an den Aufgabeort zurück. Für die 1 wendigen Fleischbeschauzeugnisse geben die schweizerischen i ämter auf Anforderung Formblätter kostenlos ab, die von deutschen Fleischbeschandienststellen entsprechend bescheinigt meeg müssen. Niemand sollte ein Postpaket mit Fleisch usw. zu Han 9 wwecken nach der Schweiz absenden, ehe er sich nicht va gewissert hat, daß der Empfänger im Besitz der Einfuhrgenehmig ist. Ohne Einfuhrbewilligung des Velerinärdienstes, aber 8 2 dem obenerwähnten Fleischbeschauzeugnis anf g vorgesehenen Formblatt dürfen lediglich eingeführt werden: Fless

konserven in luftdicht verschlossenen Behältern jeder Art; Fle und Fleischwaren bis zum Gewicht von dern 2 kg, die nicht zum Handel bestimmt sind, soncch von Privaten an Private gerichtet sind. Ohne jede F örmh isce keit dürsen eingeführt werden: Geflügel jeder Art und tote Die Postanstalten sind angewiesen worden, auf die Beifügung Fleischbeschauzeugnisse bei der Annahme von Paketen nach der ur 1”vJ25 zu achten und beim Fehlen der Zeugnisse die Pakete ¹ zuweisen. S

(F

Abg. Sobottka (Komm.), werden de

Richtamtliches. (Fortsetzung aus der Ersten Beilage.)

Parlamentarische Nachrichten.

Kechtsausschuß des Reichstags konnte sich seiner Sitzung am 10. d. M. noch nicht, wie beabsichtigt, mit Amnestieanträgen beschäftigen, da die interfraktionellen Be⸗ echungen darüber erst am Nachmittag zu Ende gebracht werden en. Zur Beratung stand der Gesetzentwurf über die aitung von Rechtsanwaltsgebühren in Armen⸗ chen in Verbindung mit dem Gesetzentwurf zur Aende⸗ ng der Gebührenordnung für Gerichtsvoll⸗ her. Reichsjustizminister Koch wies darauf

daß es sich um eine vom Reichsrat beschlossene

noch von der vorigen Reichsregierung eingebrachte rlage handele. Maßgebend seien lediglich finanzielle nde. Es sei nicht zu verkennen, daß die am 30. v. M. ab⸗ zufene Regelung für die Anwaltschaft unbefriedigend gewesen zumal die Armenrechtsfälle erheblich zugenommen hätten, außerdem, wie allgemein bekannt, die Notlage des Anwalt⸗ des sich wesentlich verschärft habe. Auf der anderen Seite den die finanziellen Interessen der Länder. Er stehe auf dem indpunkt, daß alle Beteiligten zusammenwirken müßten, n neuen befriedigenden Zustan zu schaffen. Die Reichs⸗

Perung halte es für zweckmäßig, die jetzt abgelaufene Regelung

zum Ende des Etatsjahres zu verlängern, um eine Ver⸗ srung in den Länderjustizetats zu vermeiden. In der Zwischen⸗ werde er eine eingehende Prüfung der Frage nach allen htungen in die Wege leiten. Nach längerer Aussprache dde die Beratung des Gesetzentwurfs vorläufig ausgesetzt, um wischen zu Verhandlungen der Parteien mit dem Reichs⸗ nzminister Gelegenheit zu geben.

Der Reichstagsausschuß für soziale An⸗ egenheiten trat gestern in die Vorbesprechung eines sten Gesetzes über Aenderungen in der Unfall⸗ sicherung ein. Beschlüsse wurden zunächst noch nicht gefaßt. kommunistischer Antrag, der die Aufhebung des gesetzlichen ichtungswesens forderte, wurde abgelehnt. Der Ausschuß des Reichstags für soziale 2Bn zzen trat am 10. d. M. unter dem Vorsitz des Esser (Zentr.) in die Beratung der Krisenunter⸗ ʒtzung ein auf Grund eines dem Ausschuß überwiesenen munistischen Antrags auf Ausdehnung der Krisenfürsorge. chsarbeitsminister Wissell machte, laut Bericht des Nach⸗ enbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger, folgende hrammatische Ausführungen: Ich glaube, ich muß Sie zunächst Nachsicht bitten. Jedes Gebiet der Sozialpolitik stellt heute 2 Art Fachwissenschaft dar. Wenn ich auch durch meinen ganzen nsgang aufs engste mit der Sozialpolitik verbunden bin, so t mir doch nicht die achtjährge Erfahrung meines verehrten gängers zur Verfügung. In meiner bisherigen Tätigkeit als ichter hatte ich mit den Fragen der Arbeitslosenversicherung der Krisenunterstützung direkt nichts zu tun. Aber es handelt doch um Fragen, die mir nicht fremd sind. Doch muß ich mir, n ich zu der Krisenunterstützung Stellung nehme, vorbehalten Sie werden das verstehen —, meine Auffassung in der weiteren unft noch zu vertiefen und vielleicht auch in diesem oder im Punkte zu ändern. Wenn ich versuche, Ihnen darzulegen, sich die Dinge mir gegenwärtig darstellen, so muß ich doch chst ein Wort zu der rechtlichen Lage sagen. Sie ergibt sich dem Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversiche⸗ g, das hier in diesem Ausschuß entstanden ist und das der hhstag gerade vor einem Jahr mit sehr großer Mehrheit an⸗ ommen hat. Dieses Gesetz kennt zwei Arten der Arbeitslosen⸗ erstützung: die eesch. Arbeitslosenunterstützung, die wichtigste regelmäßige Leistung der Arbeitslosenversicherung ellt, und die sogenannte Krisenunterstützung, die der Reichs⸗ itsminister nach § 101 „in Zeiten andauernd besonders un⸗ tiger Arbeitsmarktlage“ zuzulassen hat, und zwar ent⸗ er allgemein oder für bestimmte Berufe oder Bezirke. de Arten der Arbeitslosenunterstützung sind an bestimmte aussetzungen gebunden, wie wir sie auch sonst in sämtlichen igen der Sozialversicherung kennen. So wird die versiche⸗ ggsmäßige Arbeitslosenunterstützung nur gewährt, wenn der eitslose in den letzten 12 Monaten während 26 Wochen in r Keficherebde fl cn e gestanden hat und it die Anwartschaftszeit erfüllt hat. Auf der anderen Seite der Anspruch auf diese versicherungsmäßige Arbeitslosenunter⸗ bung erschöpft, wenn die Unterstützung für insgesamt Wochen gewährt ist. Die Vorschrift über die Anwartschafts⸗ wird durch eine sehr große Zahl von Ausnahmen dahin ab⸗ hhwächt, daß die 26 Wochen in den meisten praktischen Fällen st in den letzten 12 Monaten, sondern in den letzten drei hren gelegen haben müssen. Damit ist diese Vorschrift stiger für die Arbeitslosen, als wohl in allen ausländischen etzen, und jedenfalls günstiger, als sie in der Erwerbslosen⸗ orge war. Auch die Dauer der versicherungsmäßigen beitslosenunterstützung kann verlängert werden, und zwar bis 89 Wochen. Das setzt allerdings einen Beschluß des Ver⸗ ungsrats voraus. Dieser Beschluß ist bisher nicht gefaßt rden und konnte auch nicht gefaßt werden, weil die finanzielle der Versicherung noch zu ungewiß ist. Die Krisenunter⸗ kung wird an zwei verschiedene Gruppen von Arbeitslosen ährt: Arbeitslose, die ihren Anspruch auf versicherungsmäßige terstützung erschöpft haben, sogenannte Ausgesteuerte und beitslose, die zwar keine Anwartschaftszeit von 26 Wochen, r wenigstens eine solche von 13 Wochen erfüllt haben. In eer Dauer ist die Krisenunterstützung durch die Verordnung vom September 1927 auf 26 Wochen beschränkt. Diese Vorschrift durch die Verordnung vom 238. März d. J. dahin geäümndert oden, daß ältere Arbeitnehmer, insbesondere ältere Angestellte, Krisenunterstützung ausnahmsweise bis zu 89 Wochen er⸗ ten können. Die allgemeine Voraussetzung der Krisenunter⸗ zung ist, wie gesagt, eine „andauernd besonders ungünstige eitsmarktlage“. Soweit sie nicht gegeben ist, hält das Gesetz 5 bersicherungsmäßige Arbeitslosenunterstützung für aus⸗ hbend. In der Tat zeigt die Statistik immer wieder, daß ein 8 großer Teil der Arbeitslosen in der Zeit von 26 Wochen r Arbeit findet, und zwar selbst dann, wenn der Arbeits⸗ Ftt wie im Winter, sehr wenig günstig ist. So sind beispiels⸗ s von den 330 000 Arbeitslosen, die am 15. Oktober 1927 gsicherungsmäßige Arbeitslosenunterstützung erhielten, sechs arate später, am 15. April 1928, nur noch 54 000 unterstützt 8 89. also etwa ein Sechstel. Noch viel günstiger ist das Bild, * der 15. Juni zeigt. Von den 830 000 Arbeitslosen, die am Dezember versicherungsmäßige Arbeitslosenunterstützung er⸗ „wurden am 16. Juni nur noch 36 000 oder 4,3 vH, unter⸗ 8 8— den Kreisen des Ausschusses ist nun der Wunsch nach 3 u nung der Krisenfürsorge rege geworden. Das führt gee des Frage, ob und inwieweit der Arbeitsmarkt gegen⸗ 8 . ie „andauernd besonders ungünstige Lage“ aufweist, die sschaset für die Krisenunterstützung verlangt. Als hier im sschuß im März zuletzt über die Krisenunterstützung verhandelt

ae war noch nicht zu übersehen, wie der Arbeitsmarkt sich in

Frühjahr entwickeln würde. Die Zahlen, die ich i

1länger

Verlin, Donnerstag, den 12. Juli

eben genannt habe, zeigen, daß das Frühjahr eine sehr starke Belebung auf dem Leserimae gebracht hat. Ich 9 Farne das noch durch ein paar Ziffern belegen. Die Zahl der Haupt⸗ unterstützungsempfänger in der Arbeitslosenversicherung ist von 1 200 000 am 15. März auf 622 000 am 15. Juni zurüchgegangen. Die Zahl der verfügbaren Arbeitsuchenden bei den Arbeitsnach⸗ weisen hat sich vom Februar bis zum Mai um 700 000 vermindert. Der Prozentsatz der arbeitslosen rbeiter ist nach der Sta⸗ tistik der Gewerkschaften von 9,2 vH am 31. März auf 6,3 vH am 26. Mai gesunken. Gleichzeitig ist allerdings der Prozentsatz der Kurzarbeiter von 3,7 auf 5 vH gestiegen, ein ernstes Symp⸗ tom für die Konjunktur. Diese Entwicklung auf dem Arbeits⸗ markt geht in erster Linie von den Außenberufen aus. Das Baugewerbe ist nicht ganz so gut beschäftigt wie im vorigen Jahr, aber besser als im Jahre 1926. Am 15. Juni waren nur noch 43 000 Baufacharbeiter verfügbar gegen 267 000 am 15. März. In der Landwirtschaft besteht eine sehr starke Nachfrage nach Arbeits⸗ kräften, die an vielen Stellen nicht gedeckt werden kann. In der Industrie liegen die Dinge dagegen sehr wenig einheitlich, Leder⸗ industrie, Holzgewerbe, Bekleidungsindustrie zeigen seit langem ein ungünstiges Bild. Auch im Spinnstoffgewerbe ist die Lage sehr gedrückt, hier aber erst seit einigen Monaten. Im Bergbau ist die Beschäftigung, vom Ruhrgebiet abgesehen, günstig. Auch im Ruhrgebiet hat die offene Arbeitslosigkeft noch keinen großen Umfang angenommen. Die Metallindustrie ist in manchen Be⸗ zirken sehr gut beschäftigt, in anderen Bezirken kommen Ent⸗ lassungen vor. Allgemein besteht der Eindruck, daß die wirtschaft⸗ liche Konjunktur einen Rückschlag erfahren hat, der sich zwar noch in erträglichen Grengen hält, der aber doch sehr ernste Beachtung verlangt. Dieser Rückschlag ist auf dem Arbeitsmarkt durch die saisommäßigen Anforderungen von Landwirtschaft und Bau⸗ gewerbe zu einem guten Teil ausgeglichen worden. So hat z. B. gerade der Markt der ungelernten Arbeiter noch in den letzten Wochen eine wesentliche Entlastung erfahren. Man muß aber mit Sorge der Entwicklung im Herbst und Winter entgegen⸗ sehen, wenn die saisonmäßige Verschlechterung mit dem Nachlassen der Konjunktur zusammentrifft. So wie der Arbeitsmarkt sich heute darstellt, wird man heute von einer „andauernd besonders ungünstigen Lage“ noch nicht sprechen können. Andererseits hat die günstige Entwicklung, die wir vom März bis zum Mai erlebt haben, vfsenbar ihr Ende erreicht, und es gibt Berufe und Bezirke, in denen die Dinge ernst ausfehen. Wie sollen wir uns nun mit der Krisenunterstützung unter diesen verhalten? Wie Sie wissen, ist der Personenkreis der Krisenunterstützung im Frühling d. J. neu abgegrenzt worden. Das ist durch den Erlaß meines Amtsvorgängers vom 23. März 1928 geschehen, dem Verhandlungen hier im Ausschuß und im Verwaltungsrat der Reichsanstalt vorangegangen waren. Nach diesem Erlaß wird die Krisenunterstützung den Angehörigen der sechs folgenden Berufe Fenhhläge auch weiter gewährt: Gärtnerei, Metallverarbeitung u udustrie der Maschinen, Lederindustrie, Holz⸗ und Schnitzstoffgewerbe, Bekleidungsgewerbe, Angestelltenberufe. Man konnte zweifeln, ob bei der Gärtnerei und der Metallindustrie tatsächlich noch die Voraussetzungen für eine 1 Zulassung gegeben waren, hat aber offenbar an diesem Katalog von sechs Berufen, der schon vom September 1927 stammte, nichts ändern wollen. Darüber hinaus gibt der Erlaß den Landesarbeitsämtern das Recht zu Abrundungen des Personen⸗ kreises, insbesondere auch das Recht, unter gewissen Voraus⸗ Lnngen ungelernte Fabrikarbeiter in die Krisenunterstützung ein⸗ bn iehen. Schließlich stellte der Reichsarbeitsminister in Aussicht, risenunterstützung für begrenzte Bezirke, in denen ein be⸗ Notstand auf dem Arbeitsmarkt besteht, auch auf weitere Berufsgruppen auszudehnen. Die Landesarbeitsämter haben von ihren Befugnissen in einer Reihe von Fällen Gebrauch gemacht. Der Reichsarbeitsminister hat gegenüber den Anträgen, die an ihn herankamen, starke Zurückha 1 t, solange der Arbeits⸗ markt sich in den Monaten il Mai wesentlich besserte. m Juni hat er dann auch seinerseits eine Reihe von örtlich egrenzten Erweiterungen zugelassen. Ich habe den Mitgliedern des Ausschusses eine Zusammenstellung aushändigen lassen, die zeigte, welche Bewilligungen bisher von den Landesarbeitsämtern und vom Reichsarbeitsministerium ausgesprochen worden sind. So wie der Arbeitsmarkt sich gegenwärtig noch darstellt, möchte ich glauben, daß die Grundsätze des Erlasses vom 23. März bis auf weiteres festgehalten werden können. Es scheint mir nicht mit dem Gesez vereinbar, heute schon die Krisenunterstützung für sämtliche Berufe und Bezirke einzuführen. Dagegen werde ich die einzelnen Anträge, die an mich gelangen, mit Entgegenkommen prüfen, wie das schon aus den letzten Entschließungen meines Amtsvorgängers spricht. Sollte sich aus diesen Anträgen ergeben, daß in einzelnen Berufsgruppen nicht

nur örtlich begrenzte Notstände bestehen, so werde diese Berufsgruppen für das ganze Reich einbeziehen. Besondere Schwierigkeiten macht bei allen Entschließungen in der Fr nenterstn ang die Gruppe 23 der Arbeitsmarktstatistik, die Gruppe der Lohnarbeit wechselnder Art. Diese Gruppe ist zahlen⸗ mäßig sehr 45 und sie enthält Elemente der ver⸗ schiedensten Art 8 ie ungelernten Fabrikarbeiter, viele Arbeit⸗ nehmer der Außenberufe und die ausgesprochen unständigen Arbeitnehmer, die immer wieder auf dem Arbeitsmarkt erscheinen. Es ist dringend erwünscht, daß diese Gruppe der Arbeitsmarkt⸗ brte aufgeteilt wird. Die Reichsanstalt ist auch bereits bemüht, herbeizuführen. Für jetzt ist es nicht möglich, diese drei ver⸗ schiedenen. Elemente gleichmäßig zu behandeln. Der Erlaß vom 23. März hat bereits die Landesarbeitsämter ermächtigt, die Fabrikarbeiter unter gewissen Voraussetzungen in die Krisen⸗ unterstützung aufzunehmen. Ich will hier meinerseits einen Schritt weiter tun und habe in Aussicht genommen, die Fabrikarbeiter unter den gleichen Voraussetzungen, wie sie dort im Erlaß vom 23. März umschrieben sind, meinerseits allgemein in die Krisen⸗ unterstützung aufzunehmen. Das kommt also denjenigen Fabrik⸗ arbeitern zugute, die einer Berufsgruppe zuzurechnen sind, für die die Krisenunterstützung eingeführt ist. Ich glaube, damit einem dringenden 721 zu genügen. Bei meinen Entschließungen

über die örtliche Erweiterung unterst

mich auch bemühen, den besonderen Schwierigkeiten Rechnung zu tragen, die sich in einzelnen Städten im Osten und Westen des Keiches ergeben haben. Aus Gründen, die in der wirtschaftlichen und politischen Entwicklung der letzten Jahre liegen, weisen diese Städte eine hohe Ziffer von Arbeitslosen auf und sind dadurch auch in ihrer öffentlichen Fürsorge besonders schwer belastet. Es andelt sich hier allerdings nicht nur um eine sozialpolitische, egn auch um eine finanzpolitische Seer Ich verstehe sehr wohl, daß der Deutsche Städtetag die finanzpolitische Seite der Angelegenheit stark unterstreicht. Es ist aber nicht meine Aufgabe, mich mit dieser Seite der Frage auseinanderzusetzen. Das muß ich vielmehr meinem Kollegen, dem Reichsfinanzminister, über⸗ lassen. Die Abgrenzung zwischen Arbeitslosenversicherung und lasermcen Fürsorge wird zweisellos bei der kommenden Er⸗

örterung über den Finanzausgleich eine Rolle spielen. 8 Noch in einem Punkt scheint es mir notwendig, über die Re⸗ gelung vom März hinauszugehen. Reie das bereits in der Regierungserklärung angekündigt. Ich be⸗ absichtige, die Dauer der Krisenunterstützung für die älteren Ange⸗ stellten und Arbeiter über die gegenwärtige ecens hinaus zu ver⸗ war so, daß in Härtefällen diese Personen Krisen⸗

8

Ungunst zeigt.

r Krisenunterstützung werde ich

Der Herr Reichskanzler hat.

en Staatsanzeiger

unterstützung bis zur Dauer von 52 Wochen erhalten können. Damit will ich der Tatsache Rechnung tragen, daß der Arbeitse. markt für die älteren Arbeitnehmer nach wie vor eine besondere Es ist weiter angeregt worden, die Bestimmungen über die Prüfung der Bedürftigkeit Lünßeiger. für die Krisen⸗ unterstützten zu gestalten, als es jetzt der ist. Ich bin gern bereit, dieser Anregung nachzugehen. Es ist ja 4— chwierig, die Prüfung der Bedürftigkeit durch einheitliche Grund⸗ he zu regeln, und ich kann mir nicht denken .; sich irgendeine ösung ben läßt, die frei von Mängeln ist. ie Frage mu soweit als irgend möglich aus den Erfahrungen der Praxis herau behandelt werden. 29 werde deshalb die Vorschläge, die an mich ge - sind, einer schleunigen Prüfung durch die Außenstellen er Arbeitslosenversi erung unterwerfen lassen und nach ihrem Ergebnis meine Entscheidung treffen. Meine Damen und Herren! Der 3; Reichskanzler hat in der Regierungserklärun gesagt: „Die Reichsregierung sieht in der Unterstützung der Arbeits 225 nur ein letztes Hilfsmittel. Unvergleichlich wertvoller ist alles, was den Arbeitslosen zur Arbeit zurückführt. Die Reichsregierun wird diese Bestrebungen auf jede mögliche Weise fördern.“ 88 weiß, daß diese Sätze völlig mit der Auffassung des 9. Ausschusse übereinstimmen. Das Gesetz vom 16. Juli 1927 enthält einen besonderen Abschnitt, der sich mit der „Verhütung und Beendigung der Arbeitslosigkeit“ befaßt. Durch die Vorschriften dieses Ab⸗ chnittes werden die Mittel der Arbeitslosenversicherung für die rbeitsvermittlung, für die berufliche Fortbildung und Um⸗ chulung und für die sogenannte wertschaffende Arbeitslosen⸗ ürsorge eingesetzt. Die Organe der neuen Reichsanstalt haben ein ehr erfreuliches Verständnis für die Bedeutung dieser Aufgaben gezeigt. Allein im Monat März, dem letzten Monat, für den eine abgeschlossene Abrechnung vorliegt, sind mehrere Millionen Mark für Maßnahmen zur Verhütung und Beendigung der Arbeits⸗ losigkeit ausgegeben worden, darunter anderthalb Millionen für die Krisenunterstützten. Neuerdings hat der Verwaltungsrat 82 besondere Ma nahmen beschlossen, die der Arbeitsvermittlung für die älteren Arbeitnehmer, insbesondere die älteren Angestellten dienen. Ich habe 2. gefreut, daß es eine meiner ersten Amts⸗ handlungen sein konnte, diese Maßnahmen auch auf die Krisen unterstützten sn übernehmen. Für die Vermittlung von Arbeits⸗ losen zu Notstandsarbeiten ist vorgeschrieben, da Kvisenunter⸗ süht⸗ vorzugsweise zu berücksichtigen sind. In der Praxis ge⸗ chieht dies auch. Denn während in der Arbeitslosenversicherung auf hundert L.“ B. am 31. März d. J. 6,5, am 30. April 9,5 und am 31. Mai 10,7 Notstands⸗ arbeiter entfielen, betrugen die entsprechenden Zahlen für die Krisenunterstützung 10,0, 12,8 und 15,4. Nach den Bestimmungen über die verstärkte Förderung von Notstandsarbeiten mit Reichs⸗ und Landesmitteln sind bei der Bewilligung von Beihilfen eben⸗ falls falche Arbeiten zu bevorzugen, bei denen überwiegend Krisen⸗ unterstützte beschäftigt werden sollen. 4 Es ist mir vorbehalten, nötigenfalls im Einvernehmen mit den obersten Landesbehörden die verstärkte Förderung anf die Be⸗ scäft ung von Krisenunterstützten ganz oder teilweise zu be⸗ ränken. Der der Reichsanstalt für Arbeitsvermitt⸗ lung und Arbeitslosenversicherung ist neuerdings nochmals an⸗ ewiesen worden, die Durchführung dieser Vorschriften in der raxis von den Landesarbeitsämtern besonders überwachen zu lassen und zu berichten, wenn besondere Maßnahmen notwendig erscheinen. Auch Ausgesteuerte, die sich in der Wohlfahrtspflege befinden, können zu Notstandsarbeiten zugelassen werden. Die Präsidenten der Landesarbeitsämter haben die Weisung erhalten, von dieser Möglichkeit in entgegenkommender Weise Gebrauch zu) machen. Ich kann versichern, daß ich es als eine meiner wichtigsten herfgabefüßrf hen den Scit der Regterungserrretrung, ven lih vov⸗ her angeführt habe, in die zu übersetzen. Im übrigen darf ich noch einmal zusammenfa fen was ich jetzt zu tun beab⸗ sichtige: Ich werde Anträge au Zulassung weiterer Berufs⸗ aben in die grih wnsehägen, weitherzig prüfen und ihnen statigeben, wenn sich zeigt, sie d die Lage des Arbeits⸗ marktes im einzelnen Berufe und im einzelnen Bezirk gerecht⸗ fertigt sind. Sollte sich dabei ergeben, daß die Lage einer Berufs⸗ gruppe im ganzen Reich oder in einem 14 †8 eil des Reiches es verlangt, so nehme ich in Aussicht, diese Berufsgruppe als Ganzes in die Krisenun erstütang aufzunehmen. Die Fabrik⸗ arbeiter will ich unter den vrän sesnngen des Erlasses vom 23. März on jetzt allgemein in die Krisenunterstützung auf⸗ nehmmen. Ich bin bereit, die Verordnung über Krisenunterstützung dahin zu ändern, daß älteren Arbeitnehmern in Härtefällen die Krisenunterstützung bis zur Höchstdaner von 52 Wochen gewährt werden kann. Der Herr Reichsfinanzminister hat dieser Aende⸗

rung bereits im Grundsatz zugestimmt. Ich bin weiter bereit, die dürftigkeit einer Nachprüfung zu unter⸗

Vorschriften über die werfen und dabei insbesondere die Anregungen in Be⸗ t zu ziehen, die mir gegeben worden sind. Ich werde endlich alle 85 nahmen mit jedem möglichen Nachdruck fördern, die gfeignet sind, die E“ und die ausgesteuerten Arbeitslosen, die von der öffentlichen veher e unterstützt werden, zur Arbeit zurückzuführen. Ob diese Maßnahmen ausreichen oder nicht, wird von der Entwicklung des Arbeitsmarktes abhängen, die niemand von uns mit Sicherheit bgg-F. kann. Ich werde diese Ent⸗ wicklung mit voller Aufmerksamkeit verfolgen und bin entschlossen, alle nötigen Folgerungen aus ihr zu ziehen.

Den Ausführun en des Reichsarbeitsministers wurde zu⸗ gestimmt, und schließlich wurden zwei Entschließungen von den die Regierung biemen Parteien angenommen, die eine Ver⸗ 258 in der Handhabung der Krisenuntersttzung und eine Erleichterung der Notstandsarbeiten fordern. In der Krisenunter⸗ tützung wurde besonders die schwere Notlage der Gruppe der ogenannten „Lohnarbeiter wechselnder Art“ und die der älteren

rbeitnehmer besprochen. Bei den Notstandsarbeiten wurde ins⸗ besondere auf die Verlängerung der Fristen für die Beschäftigung der Notstandsarbeiter hin⸗ Rviche und verlangt, mehr als bisher 9. die ausgesteuerten und die Wohlfahrtsunterstützungsempfänger in die Notstandsarbeiten mit einzubeziehen.

Nr. 28 des „Ministerial⸗Blattes für die Preußische innere Verwaltung“ vom 11. Juli 1928 hat folgenden Inhalt: Allgem. Verwalt. ReErl. 30. 6. 28, Vergebung des Reg.⸗Amtsblatts. Kommunalververbände. RdöErl. 7. 7. 28, Wertzuwachssteuer. Polizeiverwaltung. RdErl. 2. 7. 28, Unterhaltszuschüsse an Beamte im Vorbereitungsdienst. RdErl. 2. 7. 28, Besoldungsbedarf 1929. RoErl. 6. 7. 28, Kosten der Unterrichtserteilung an den Pol.⸗Berufsschulen. RdErl. 3. 7. 28, Beurteilungen von Pol.⸗ u. Landjäg⸗Offiz. RdErl. 5. 7. 28, Jahresübersicht der Unterstütz⸗Kasse d. Landjäg. RdErl. 4. 7.28, Erneuerung durchgebrannter Glühlampen. RdErl. 5. 7.28, Preisverzeichnis für Bekleidung. RoäErl. 4. 7. 28, Lehrg. für Pol.⸗ Hptl. auf der Höh. Pol.⸗Schule. Staatsangehörigkeit, Paß⸗ u. Fremdenpolizei. RdErl. 3. 7. 28, Sichtsvermerks⸗ gebühren im Verhältmis zu Aegypten. RdErl. 4. 7. 28, Deutsch⸗ poln. Genfer Abkommen über Oberschlesien. Verkehrswesen. Entsch. des OVG. 14. 5. 28, Aufstellung von Warnungstafeln. RdErl. 3. 7. 28, Auskunftserteil. über Luftfahrzeugunfälle an Privat⸗ personen. RdErl. 4. 7. 28. Blitzgefahr für Fesselballone. Ver⸗ schiedenes. Reichsindexziffer. Handschriftliche Be⸗ richtigungen. Nichtamtlicher Teil. Zum Ver⸗

fassungstag. Neuerscheinungen.