1928 / 236 p. 1 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 09 Oct 1928 18:00:01 GMT) scan diff

lungen über den Wahltermin, wie sie gerade in der letzten Woche, als Abschluß von Verhandlungen, die ja schon seit dem Frühjahr dieses Jahres laufen, gepflogen worden sind, möglichst nicht mehr stattfinden. Es ist kein erhebendes Schauspiel, wenn über einen Wahltexmin immer wieder verhandelt und unter immer wieder neuen Gesichtspunkten neue Termine festgesetzt werden. Ich habe die Hoffnung, daß es alsbald gelingt, hier doch eine Städte⸗ und eine Landgemeindeordnung zu verabschieden, in der der Wahl⸗ termin endgültig festgesetzt und daß an diesem Termin dann nicht mehr gerüttelt wird. Das liegt auch im Interesse einer ordnungs⸗ gemäßen Führung der Geschäfte in den Gemeinden.

Ich habe in den Sitzungen des Gemeindeausschusses erklären lassen, daß unbeschadet Ihrer Beschlüsse in den neu gebildeten Kommunalverbänden Wahlen werden stattfinden müssen. Ich habe noch einmal durchprüfen lassen und selbst durchgeprüft, inwie⸗ weit von Wahlen abgesehen werden kann, die etwa durch die Auf⸗ lösung der Gutsbezirke aus allgemeinen kommunalpolitischen Er⸗ wägungen notwendig werden, und bin zu folgendem Schluß ge⸗ kommen. Wenn das Parlament glaubt, den Einwohnern in den Gemeinden zumuten zu können, mit der im Jahre 1924 gewählten Vertretung über den 4. Mai 1928 hinaus bis in den Lauf des FJahres 1929 auszukommen, dann kann ich meinerseits auch den durch Auflösung der Gutsbezirke wahlberechtigt gewordenen Ein⸗ wohnern, die einer Gemeinde zugeschlagen worden sind, zumuten, mit der Gemeindevertretung auszukommen, die in der Gemeinde bisher bestanden hat (Zustimmung), zumal ja darüber keine Meinungsverschiedenheit besteht, daß diese Gemeinden dann bei den allgemeinen Gemeindewahlen des nächsten Jahres mitwählen. Aber da, wo eine Vertretung überhaupt nicht besteht, muß natür⸗ lich gewählt werden. Diese Wahl wird da erfolgen, wo ein Guts⸗ bezirk in eine Landgemeinde umgewandelt worden ist und weiter da, wo auf Grund des § 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 1927 Landgemeinden aufgelöst und mit anderen Landgemeinden zu⸗ sammengelegt worden sind und eventuell noch Gutsbezirke dazu bekommen haben, wo also keine der bisherigen Gemeindever⸗ tretungen eine Priorität für sich in Anspruch nehmen kann, das heißt, wo faktisch eine Vertretung der Einwohner zur Er⸗ ledigung der Gemeindegeschäfte nicht vorhanden ist. Soweit können und dürfen Sie doch wohl nicht gehen, daß bis zu den nächsten allgemeinen Wahlen in diesen Gebieten eine kommissarische Staatsvertretung tätig wird. Das dürfen Sie nicht wollen, und das wollen Sie ja auch nicht.

In diesen Bezirken wird also nunmehr gewählt werden. Ich habe keine Uebersicht, in wieviel solcher Ortschaften diese Neu⸗ wahlen notwendig sein werden. Es können 500, es können auch 1000 sein. Es handelt sich meist nur um ganz kleine Gemeinden. Ich glaube, es liegt im Interesse aller Parteien dieses Hohen Hauses, daß versucht werden muß, wenigstens diese Wahlen an einem Tage stattfinden zu lassen. Als diesen Tag möchte ich an dem 2. Dezember, der zunächst als allge meiner Wahltag in Aussicht genommen war, festhalten. Ich werde also den Regie⸗ rungspräsidenten demnächst in einem Erlaß eine Liste der Ge⸗ meinden zustellen, in denen gewählt werden muß und soll und werde die Regierungspräsidenten anweisen, den jetzigen Gemeinde⸗ kommissaren zu empfehlen eine andere Basis als die Emp⸗ fehlung habe ich nicht —, als Wahltag den 2. Dezember 1928 durch sie festsetzen zu lassen. Ich glaube, daß wir dadurch aus den vielen Schwierigkeiten, die sich bei dem Zustandekommen dieses Gesetzes aus politischen, kommunalpolitischen und parlamen⸗ tarischen Gründen ergeben haben, heraus sind. Ich habe nur noch den Wunsch, daß dieses Gesetz so, wie es nunmehr gestaltet ist, mit einer großen Mehrheit im Parlament verabschiedet wird. (Bravo! bei den Sozialdemokraten.)

Abg. Haas (Soz.) erinnert an den Artikel 17 der Reichs⸗ verfassung, der die Grundlage für den Artikel 74 der preußischen Verfassung bilde. Dort würden die Grundsätze für die Wahlen genannt, die auch für die Länder und Gemeinden maßgebend Die Vorwürfe der Kommunisten wegen der Verlängerung der Wahlperioden der Gemeinden seien unberechtigt. Auch die Bedenken der Rechtsparteien wegen einer Verkürzung des Wahl⸗ vechts der Angehörigen aufgeteilter Gutsbezirke seien un⸗ begründet.

Abg. Schwenk (Komm.) erklärt, der Abg. Haas habe den Sinn des Artikels 17 der Reichsverfassung vollständig verdreht. Es handele sich hier um eine Verfassungsänderung, die eine Zwei⸗ drittelmehrheit erfordere.

Abg. Leinert (Soz.) verweist die Kommunisten an den Staatsgerichtshof, falls sie die Ausführung des zu beschließenden Gesetzes verhindern wollten. Keine Bestimmung in der Keichs⸗ verfassung setze fest, daß die vierjährige Legislaturperiode der Parlamente auch für alle anderen Körperschaften Geltung habe. Die Sozialdemokraten hätten stets erklärt, daß sie auf Gemeinde⸗ wahlen am 2. Dezember 1928 bestünden, für die es kein Hindernis

be. Die Sozialdemokraten seien aber parlamentarisch nicht in der Lage, die Wahlen für die Kreistage und die Provinzial⸗ landtage mit dieser Wahl zu verbinden.

Die allgemeine Aussprache wird hiernach geschlossen. MNuach unwesentlicher Einzelbesprechung wird das Gesetz bach den Beschlüssen der zweiten Lesung angenommen. Die

lußabstimmung ist auf Antrag der Kommunisten nament⸗ ich. Sie ergibt mit 204 gegen 155 Stimmen die Annahme des Gesetzes.

Sodann wird die Beratung des Urantrages Ebers⸗ bach (D. Nat.), der eine Amnestie für die wegen EEE1“ aus politischen Gründen

isziplinierten Beamten fordert, fortgesetzt.

Abg. Kuktner (Soz.) erklärt, es gehöre eine erhebliche olitische Dickfälligkeit und eine eiserne Stirn zu der Behaup⸗ . der alte Staat habe mehr Gerechtigkeit und Toleranz be⸗ piesen als der neue Staat. Die Abgeordneten Steuer und Lukassowitz hätten jedes intolerante System des alten Staates zutgeheißen und damit jedes moralische Recht verwirkt, den neuen

Staat der Intoleranz zu bezichtigen. (Zuruf rechts: Wer das tut, wird erschossen! Heiterkeit.) Die Regierung Kapp⸗Lüttwitz, e von deutschnationalen Organisationen begrüßt worden sei, be verkündet, daß Streikposten und alle, die die neue Re⸗ in Wort oder Schrift bekämpften, erschossen werden Der Redner zitiert den Fall des Landgerichtsrats Bellin in Breslau und des Landgerichtsrats Wehrmann⸗Stettin, hie erst die Republik beschimpft, nachher aber elend gekniffen hütten. Der nach Herrn Lukassowitz „etwas zu nationale Unter⸗ richt“ des Rektors Bohnenkamp habe in häßlicher Beschimpfung 8. Reichspräsidenten Ebert und seiner Frau bestanden. Rektor Herrmann dagegen sei verfehmt, weil das Reichsbanner Breslau beschlossen habe, sich an dem Einzug des Reichspräsidenten nicht ꝓ* beteiligen. Bei andever Gelegenheit habe Herr Lukassowitz tont, das Reichsbanner das sei allerdings bei der

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ei eine rein private Organisation; heit gewesen, als das Reichs⸗

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banner mit der Bezeichnung „Schwarz⸗Rot⸗Mostrich“ belegt worden sei. Der Redner fragt, an wieviel Spalierbildungen zu Ehren des Reichspräsidenten Ebert sich denn der Stahlhelm be⸗ teiligt habe. Die Sozialdemokraten seien gern bereit, sich an einer Reform des noch aus der kaiserlichen Zeit stammenden Disziplinargesetzes zu beteiligen. Die Kritik des Abgeordneten Lukassowitz an dem Obersten Disziplinarhof bedeute eine un⸗ geheure Beschimpfung des Richterstandes. Der Name des Vor⸗ sitzenden des Disziplinarhofes sei Kammergerichtsret Tigges. (Abg. Lukassowitz: Nein, Präsident Meyer! Heiterkeit.) Herr Tigges ist der Vorsitzende des Disziplinarhofes für richterliche Beamte. Die Strafen, derentwegen Richter vor diesem Disziplinar⸗ hof ständen, seien oft lächerlich geringfügig. Die Rechte würde sich daran gewöhnen müssen, daß es einen Gerichtshof gebe, der die Republik vor Beschimpfungen schütze. Der Redner verlangt, daß sich die Beamten der Republik gegenüber angemessen ver⸗ alten.

1 Abg. Steuer (D. Nat.) erklärt, die Verfassung garantiere auch dem Beamten die Freiheit seiner politischen Ueberzeugung. Der jetzige Staat suche diese Freiheit aber auf allen möglichen Schleichwegen zu beschneiden. Herr Kuttner hätte anführen können, daß er selbst die praktische Durchführung der Schieß⸗ erlaubnis repräsentiere. Die ganze Person des Herrn Kuttner sei also eine Zitats von der „eisernen Stirn“. (Sehr richtig! rechts.) Entweder sei der Staat die Vertretung sämtlicher Staatsbürger, auch der auf anderem Boden stehenden; dann muß er auch allen Steuerzahlern, also auch den ihre Berufspflicht treu erfüllenden Beamten, ihre politische Meinungs⸗ freiheit zugestehen. Oder aber der Staat sei eben nicht die Ver⸗ tretung aller Staatsbürger. (Abg. Kuttner macht eine auf den frühren Kaiser bezügliche Aeußerung, worauf Abg. Steuer ihm zuruft: Herr Kuttner, Sie sind ein ganz unmögliches Subjekt zur Beschimpfung des Kaisers! Vizepräsident Dr. v. Kries ruft den Redner zur Ordnung.) Der Abg. Kuttner sollte in diesen Beamtenfragen doch ja schweigen. Die Sozialdemokratie habe ja in der Nachkriegszeit dem deutschen Volke eine Reihe von Prachtexemplaren auf Beamtenposten geschenkt, von denen die Sozialdemokraten selbst abgerückt seien. (Als Abg. Heilmann (Soz.) aufspringt und den Abgeordneten der Rechten etwas zu⸗ ruft, ertönt von dort der vielstimmige Ruf: Barmatschieber! Barmatschieber!) Der Polizeipräsident Richter, der den Staat nicht gerade hervorragend vertreten habe, beziehe seine Voll⸗ pension, während rechtsstehenden Beamten die Pension ab⸗ gesprochen werde. der an einer Verfassungsfeier nicht teilnehme, gegen die Ver⸗ fassung verstoße, zumal manche Verfassungsfeiern sich zu links⸗ parteilichen Kundgebungen auswüchsen, bei denen man, wie in jener Verfassungsfeier des bekannten Landrats Jaenicke, nicht einmal das Bild des Reichspräsidenten v. Hindenburg sehen könne. Das jetzige System erziehe eben zur Heuchelei und sei ein System der unehrlichen Unterdrückung. Es sei grenzenlos verlogen, wenn man in Deutschland die Demokratie publiziere, in Wirklichkeit aber sich völlig undemokratisch verhalte. 829 richtig! rechts) Dies System müsse bei dauerndem Bestehen zur Erstickung des Moralischen in dem Morast der Heuchelei .ea Eine Rückkehr zu gesunden Verhältnissen sei nur möglich rurch Beseitigung dieses Systenms.

Abg. Kasper (Komm.) erklärt, die Deutschnationalen müßten sich für die Duldsamkeit und milde Behandlung des republikanischen Staates gegenüber den monarchistischen Beamten bedanken. Die Anwendung der Disziplinargewalt sei gegenüber den unteren Beamten viel zu scharf, gegenüber den oberen Bamten, den Anhängern der Monarchie, viel zu milde. Der Redner bringt eine Reihe von Beschwerden über Polizeioffiziere vor. Den deutschnationalen Antrag lehnt der Redner ab.

Abg. Meyer⸗Herford (D. Pp.) bedauert, daß man bei dieser Gelegenheit Ausführungen gehört habe, die nicht sehr er⸗ freulich seien und besser in die Besprechung der betreffenden Etats gehörten. Die Deutsche Volkspartei sei bereit, in eine Prüfung der Disziplinarfrage einzutrveten und werde dem deutschnationalen Antvag zustimmen. Die Schwierigkeit der Materie liege zum Teil in dem Fehlen eines neuen Disziplinargesetzes. Bedauerlich sei auch der Mangel einer Revisionsinstanz. Die baldige Ver⸗ abschiedung eines Reichsdisziplinargesetzes sei äußerst erwünscht. Der Redner verlangt, daß die Gesinnungsfreiheit der Beamten geschützt und auf jede Gesinnungsschnüffelei verzichtet werde. Andererseits gebiete dem Beamten seine Stellung die Wahrung eines gewissen Taktes.

Abg. Barteld⸗Hannover (Dem.) erklärt sich mit den Aus⸗ führungen des Vorredners im allgemeinen durchaus einverstanden. Eine Ausschußüberweisung ohne politische Debatte wäre erwünscht ewesen. Die Einzelheiten müßten im Ausschuß geprüft werden. Fhrenrührige Handlungen der Beamten dürften aber nicht am⸗ nestiert werden. Leider habe der Abg. Lukassowitz den „Geschmack“ besessen, persönliche Angelegenheiten eigenen Berufs⸗ genossen hier öffentlich zu erörtern. Die Beamten, die bei Bildun des neuen Staates nicht weiterarbeiten wollten, haben schon 191 Gelegenheit erhalten, sich unter voller zurückzuziehen. Da könne man nicht, wie die Deutschnationalen, dem neuen Staate Meinungsterror vorwerfen. (Sehr wahr! bei den Demokraten.) Der Abg. Steuer habe behauptet, daß die Straffälle in der Be⸗ amtenschaft der Nachkriegszeit sich gegenüber vor dem Kriege ver⸗ mehrt hätten. Die Ursache dafür läge aber nicht in der Verfassung, sondern in dem „Stahlbad“, das das deutsche Volk über sich er⸗ gehen lassen mußte, mit seiner Lockerung der allgemeinen Moral. Aber deswegen zu sagen, die deutsche Beamtenschaft sei korrupt, sei unerhört; dieser Vorwurf des Abg. Steuer müsse mit Ent⸗ schiedenheit zurückgewiesen werden. (Zustimmung bei den Demo⸗ kraten.) Die politischen Beamten müßten W an den Feiern, die dem Staate gelten, gebührenden Anteil nehmen. Der Abg. Steuer habe leider nicht gesagt, was einem politischen Be⸗ amten früher passiert wäre, wenn er am Geburtstag des Königs und Kaisers nicht entsprechenden Anteil genommen hätte. Den Unterschied zwischen den politischen und unpolitischen Beamten habe Herr Steuer überhaupt nicht gesehen. Wie sollte auch eine Staatsregierung sich durchsetzen, wenn sie ihren politischen Ex⸗ ponenten eine gegen ihre Auffassung gerichtete Politik gestattete. Wenn man die Toleranz des neuen Staates bezweifle, so solle man bedenken, daß noch heute viele deutschnationale Landräte im Amte säßen. Unter dem alten System sei nie ein Demokrat oder gar Sozialdemokrat politischer Beamter geworden. (Rufe im Zentr.: Auch kein Katholik!) Es mußten sich sogar oft schriftlich Beamte verpflichten, keine sozialdemokratischen Zeitungen zu lesen. (Ruse bei den Deutschnationaglen: Es war doch auch keine Demokratie!) Wenn Sie so denken, dann haben Sie (zu den Deutschnationalen), die doch den alten Staat wieder haben wollen, kein Recht, dem neuen Staat, der viel toleranter 5 vorzuwerfen, er erziehe zur Heuchelei. Herrn Westarp, dessen Name an der Spitze jenes Republikschutzgesetzes steht, das dem Kaiser die Rückkehr nach Deutschland verbietet, habe die Republik jedenfalls nicht erzogen; und wo die größere Heuchelei liege, ob bei Herrn Westarp oder bei seinem Parteifreund im Landtag, Herrn Steuer, müßten die Deutschnationalen selbst feststellen. Man müsse prüfen, ob der neue Staat nicht zu tolerant gegenüber den politischen Beamten sich verhalte. Der deutschnationale Antrag müsse im Beamten⸗ ausschuß weiter erörtert werden. Zum Schluß weist der Redner die Angriffe der Deutschnationalen gegen den früheren demo⸗ kratischen Landtagsabgeordneten Rektor Herrmann⸗Breslau zurück. Herrmann habe an dem Beschluß des Breslauer Reichsbanners, bei Hindenburgs Besuch nicht mit Spalier zu bilden, gar nicht mit⸗ gewirkt. Wenn Lukassowitz übrigens dem Rektor Herrmann den unwahren Vorwurf mache, er habe seine politische Stellung aus⸗ genutzt, um eine Beförderung zu erreichen, so habe gerade Herr Lukassowitz Leine Veranlassung, solche Srer hnge ve eneg. Lukassowitz solle seine eigene Vergangenheit beachten. habe

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Man könne unmöglich behaupten, daß jemand,

einen Gesinnungswechsel vom Zentrum zu den Deutschnationalen vollzogen und müsse auch erklären, ob es richtig sei, daß er bei dem sozialdemokratischen Kultusminister Haenisch und noch jetzt bei einem Beamten des Kultusministeriums gebeten habe, ihn zum Schulrat zu befördern. (Zuruf des Abg. Lukassowitz: Das ist umwahr!) Dann werde ich Ihnen den Beamten im Kultus⸗ ministerium nennen, von dem die Auskunft stammt. (Rufe bei den Nationalsozialisten: Der lügt genau so wie du! Die Nationalsozialisten begeben sich zum Rednerpult vor und unter⸗ brechen den Redner fortgesetzt durch Gelächter und Zwischenrufe; als der Redner auf einen der Zwischenrufe erwidert: Das ist eine Verleumdung!, wird er vom Vizepräsidenten Dr. v. Kries zur Ordnung gerufen.)

Abg. Mentz Girtsce P.) protestiert entschieden dagegen, daß dem Disziplinargerichtshof von der Rechten vorgeworfen sei, er wäre ein Parteigericht. Weiter begründet er in längeren Ausführungen die Notwendigkeit der schleunigen Schaffung eines neuen Disziplinargesetzes. Bis jetzt bestehe z. B. noch der Eebenc, daß der vom Angeklagten vielleicht beleidigte Vorgesetzte selbst den Untersuchungskommissar bestimmt, ohne daß der Angeschuldigte das Recht hat, dagegen zu protestieren. Zu ändern sei auch der bisherige Zustand, daß die Berufungsinstanz, der Disziplinarhof, nur die Akten einsehen könne, ohne den Angeschuldigten oder die Zeugen selbst zu hören. Hätte er dies iun können, so fährt der Redner, der selbst dem Disziplinarhof angehört, fort, so würden wir manchmal zu einem anderen Urteil gekommen sein, oft aller⸗ dings auch bei rechtsgerichteten Angeschuldigten vielleicht zu einem schärferen. Die Deutschnationalen haben aber dem deutschen Richtertum mit ihren Angriffen auf den Disziplinarhof heute wirklich keinen Dienst geleistet. Auch meine Freunde stehen auf dem Standpunkt, daß es ganz unmöglich ist, daß ein Beamter die Symbole des jetzigen Staates bekämpft oder verächtlich macht, des Staates, dem er Treue geschworen hat. Im Ausschuß wird man prüfen müssen, in welchen Fällen Gnade vor Recht ergehen kann.

Abg. Dr. Ponfick (Dt. Fr.) begrüßt den deutschnationalen Antrag und meint gegenüber der Rechten, man dürfe die frühere Dummheit auf dem Gebiet der Gesinnungsschnüffelei nicht durch eine noch größere Dummheit ergänzen, indem man im neuen demokratischen Staate gleichfalls so ähnlich gegen die Beamten vorgehe. Allerdings stehe auch er auf dem Standpunkt, daß so schwere Verfehlungen von Beamten, wie die oft gehörten wenig anständigen Angriffe auf den verstorbenen Ebert, dessen persönliche Ehrenhaftigkeit niemand angreifen könnte, auf das schärfste zu bestrafen seien. Allerdings sei es ein Faustschlag gegen das Recht, daß man in den Disziplinarhof vor⸗ wiegend Richter hineingenommen habe, die für die neuen Staats⸗ ideen sich ganz ostentativ, als Vorkämpfer eingesetzt hatten.

Abg. Kube (Nat.⸗Soz.) meint, wenn heute die Beamten⸗ debatten so gehässig geführt würden, so liege es an den früheren Freisinnigen und heutigen Demokraten, die früher die Feltsesen Knopflochschmerzen gehabt hätten und heute sich als die besten Republikaner aufspielten. Wenn wir euch frühere Patent⸗ monarchisten, so ruft der Redner, als Republikaner hier sehen, kommt uns das große K.. an. (Vizepräsident Dr. v. Kries vügt diese Ausdvucksweise!) Der Redner meint, typisch sei der Fall Külz. Külz sei als Dorfschulze zufällig dem Kaiser vorgestellt worden und habe sich dabei so aufdringlich benommen, daß er schleunigst zum Bürgermeister von Zittau und später zum Ober⸗ bürgermeister in Dresden befördert worden sei. Da habe er sich offenbar die Qualifikation zum republikanischen Reichsinnen⸗ minister geholt. (Große Heiterkeit rechts.) Die preußische Regie⸗ rung, die jetzt keinen Vertreter im Landtag habe, was allerdings, weil doch Sonnabendnachmittag sei, verständlich sei, müsse er⸗ kären, ob sie auch Nationalsozitalisten als Beamte dulden wolle, oder ob sie nicht doch Gesinnungsterror treibe und einfach Nationalsozialisten entlasse, nur weil diese Beamten am national⸗ sozialistischen Parteitag teilgenommen hätten. Gerade die Demo⸗ kraten hätten im übrigen gar kein Recht, sich auf die 48er Tra⸗ dition zu berufen. Man habe noch keinen modernen Demokraten auf einer⸗Barrikade oder auch nur an der Spitze eines Demon⸗ strationszuges gesehen, und im Reichsbanner hätten die Demo⸗ kraten auch nur die Schatzmeisterposten inne. Wie aber in der Republik Personalpolitik getrieben werde, das ergebe sich aus einem merkwürdigen Fall, der sich bei der Landwirtschaftskammer Hannover ereignet habe. Dort sei vor mehreren Jahren ein Generalobersekretär Steiger entlassen, weil seine mangelnden Intelligenzgaben ihn nicht zur Ausfüllung des Generalsekretär⸗ postens befähigten. Der Zufall wollte, daß dieser Entlassungsbrief den Generalsekretär erst erreichte, als er schon ein Ministeramt bekleidete und nunmehr der Vorgesetzte des damaligen Vorgesetzten dieses Generalsekretärs geworden war. Der neue Minister hat dann den Vorgesetzten des Generalsekretärs gemaßregelt. Dieser Fall ist typisch dafür, welche Fähigkeiten man im neuen Deutsch⸗ land zur Bekleidung eines Ministeramts mitbringen muß. (Leb⸗ hafter Beifall bei den Nationalsozialisten und Rufe: Freie Bahn dem Tüchtigen!)

Abg. Barteld (Dem.) erklärt jeden als einen ganz hunds⸗ gemeinen Verleumder, der behaupten wolle, er habe seine Rede aus Beförderuüngsabsichten gehalten.

Abg. Lukassowitz (D. Nat.) tritt in seinem Schlußwort u. a. den Ausführungen des Abg. Kuttner entgegen, bezeichnet sie als unrichtig und betont nochmals, daß seine politischen Freunde kein Vertrauen zu den Urteilen des Disziplinarhofes haben könnten. Im übrigen habe er sich niemals, weder mündlich noch schriftlich, an den Abg. Porsch wegen Beförderung zum Schulrat gewandt. Wegen eines Artikels „Parteipolitische Korruption des Abg. Lukassowitz“ habe er Strafantrag gegen die „Breslauer Volks⸗ wacht“ und ein anderes Breslauer Blatt gestellt. Da man aber befürchtet habe, daß durch ein Gerichtsverfahren verschiedene hoch⸗ stehende Persönlichkeiten kompromittiert werden könnten, habe das Justizministerium die Akten eingefordert und sie so lange liegen lassen, bis die Sache verjährt war. (Widerspruch links und Zuruf: Das ist ja unmöglich! Zuruf rechts: Bei euch ist alles möglich!)

Abg. Barteld (Dem.) erklärt in persönlicher Bemerkung, der Abg. Lukassowitz habe keine Beweise für seine Behauptungen gebracht, sondern sich nur auf Zeitungsnotizen gestützt.

Der deutschnationale Urantrag wird sodann dem Beamtenausschuß überwiesen.

Es folgt der Bericht des Ausschusses für Handel und Ge⸗ werbe über die kommunistischen Uranträge auf Verhinderung der Stillegung der Schachtanlage „Rhein 1“9.

Der Ausschuß beantragt, die Uranträge durch die von der Regierung im Ausschuß abgegebene Erklärung als erledigt u erklären. Dem Antrag des Ausschusses wird nach kurzer

ussprache gegen die Kommunisten und die National⸗ sozialisten zugestimmt. 8 . . Das Haus vertagt sich. Nächste Sitzung Montag, den

3. November. (Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

Verantwortl. Schriftleiter: Direktor Dr. Throl, Charlottenburg.

Verantwortlich für den Anzeigenteil: Rechnungsdirektor Mengering in Berlin.

Verrag der Geschäftsstelle (Mengering) in Berlin. Druck der Preeitlen Druckerei⸗ und Verlags⸗Aktiengesellschaft, 8 erlin. Wilhelmstraße 32. 1X“ Fünf Beilagen (einschließl. Börsenbeilage und zwei Zentralhandelsregisterbeilagen),

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Geschäfts .4

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Nr. 236. Reichsbankgirokonto.

Dienstag, den 9. Oktober, abends.

Inhalt des amtlichen Teiles:

8

Deutsches Reich. u“

Verordnung über die Entschädigung der Mitglieder des vor⸗ läufigen Reichswirtschaftsrats.

Preußen. 8 Ziehung der Auslosungsrechte der Anleiheablös Freistaats Preußen. ö“ Zeitungsverbot.

Amtliches.

Deutsches Reich.

T““ Fuungg über die Entschädigung der Mitglieder vorläufigen Reichswirtschaftsrats.

(Veröffentlicht im RGBl. Teil II Nr. 42.)

8 Vom 8. Oktober 1928.

8 Auf Grund des Artikel 5 Abs. 5 der Verordnung über den vorläufigen Reichswirtschaftsrat vom 4. Mai 1920 (NGBl. S. 858) wird hiermit verordnet:

In § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Gewährung freier Eisenbahnfahrt und einer Entschädigung an die Mitglieder des vor⸗ läufigen Reichswirtschaftsrats vom 28. Juni 1920 (=GBl. S. 1335) in der Fassung der Verordnungen vom 1. Dezember 1921 (RGBl. S. 1493), vom 3. Januar 1923 (RGBl. II S. 39) und vom 10. Januar 1924/10. September 1924 (RGBl. II S. 36, 369) erhält Ziffer 1 folgenden Zusatz: zin Ausnahmefällen kann der Vorsitzende des vorläufigen Reichswirtschaftzrats den auswärtigen Mitgliedern auf Antrag die Kosten der Eisenbahnfahrt auch vom Aufenthaltsort nach Berlin und zurück in Höhe der tatsächlichen Ausgaben be⸗ willigen;“ Berlin, den 8. Oktober 1928. Der Reichswirtschaftsminister. In Vertretung des Staatssekretärs: Posse. Der Reichsminister der Finanzen. In Vertretung des Staatssekretärs: Ddr. Lothholz.

4 Preußen. Preußische Staatsschuldenverwaltung. Ziehung der Auslosungsrechte 8 der Anleiheablösungsschuld des Freistaates Preußen.

Die Ziehung des im Jahre 1928 einzulösenden Auslosungs⸗ scheins der Anleiheablösungsschuld des Freistaates Preußen findet am Montag, den 15. Oktober 1928, 10 Uhr vormittags, öffentlich in unserm Dienstgebäude, Oranienstraße 106/109, statt.

Berlin, den 6. Oktober 1928. FPreußische Staatsschuldenverwaltung.

„Ich habe gemäß 88 8 Ziffer 2 und 21 des Gesetzes zum Schutz der Republik die „Osteroder Zeitung“ in Osterode auf die Dauer von drei Wochen, und zwar vom Dienstag, den 9. Oktober 1928 bis Montag, den 29. Oktober 1928 mit Ein⸗ chluß der genannten beiden Tage, verboten. .““

Königsberg i. Pr., den 6. Oktober 1928. Der Oberpräsident der Provinz Ostpreußen.

Nichtamtlichees.

Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungs⸗ maßregeln. Das Erloͤschen der Maul⸗ und Klauenseuche ist

vom Schlacht⸗ und Viehhof in Stuttgart am 5. Oktober 1928

amtlich gemeldet worden.

Statistik und Volkswirtschaft.

Stand der Reben und Güte der Trauben

Anfang Oktober 1928.

Note 1 = sehr gut, 2 = gut, 3 = mittel, 4 = gering, 5 = sehr gering. Zwischenstufen sind durch Zehntel ausgedrückt.

Länder Stand der und Landesteile Reben

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Hessen. Deutsches Reich.

dagegen Anfang September 1928 August 1928. 8 Juli 1928 Oktober 1927 .

Bemerkungen.

Preußen: Die Witterung im September war für das Ge⸗

deihen der Trauben im allgemeinen sehr günstig. In den beiden ersten Monatsdritteln herrschte trockenes und sonniges Wetter, das eine schnelle Reife der Trauben bewirkte. Das Ausbleiben von Niederschlägen hat zwar das Wachstum der Beeren zurückgehalten, die Güte der Trauben aber sehr gefördert. Ueber Rebschädlinge sind nur wenige Meldungen eingegangen; ihr Auftreten soll durch die anhaltende Trockenheit verhindert sh Nur wo wenig oder kein Schwefel und Nikotin gespritzt worden ist, hat sich der Sauerwurm und Peronospora gezeigt.

Bayern. In den Weinbergen der Pfalz und Unterfrankens geht die Entwicklung der Trauben meist rasch vor sich, weshalb hier durchwegs mit einer guten, zum Teil sogar sehr guten Qualität ge⸗ rechnet werden darf. Nur in trockenen Lagen oder an Steilhängen nimmt die Traubenreife einen langsameren Verlauf, so daß hier die Weinlese hinausgeschoben werden muß, um eine wirklich gute Qualität ernten zu können. Mengenmäßig wirft die kommende Traubenlese nicht überall befriedigende Erträge ab, da in den durch Püa Weinbergen nur ein schwacher Behang vor⸗ anden ist.

Württemberg. Den Weinbergen war die Witterung des Monats September sehr förderlich; namentlich sind ihnen die er⸗ giebigen Niederschläge in den letzten Septembertagen zustatten Feraegeh Der 1928 er Weinherbst wird der Qualität nach zu den besten Jahrgängen gehören und der Mengenertrag wird, soweit nicht der Frost im Monat Mai sehr geschadet hat, ein recht be⸗ friedigender sein.

Baden. Die Gesamtbeurteilung des Standes der Reben und der Herbstaussichten hat sich gegenüber dem Vormonat etwas geändert. Diese Minderung bezieht sich jedoch nur auf die Ertragsmenge, die sich mancherorts infolge der großen Trockenheit, ferner durch Hagel⸗ schlag, etwas verringert hat. Im allgemeinen und insbesondere aus den wichtigsten Weinbaugebieten (Seegegend, Kaiserstuhl, Markgräfler, Ortenauer und Bühler Gegend, Kraichgau und lauten die meisten Meldungen nach wie vor zuversichtlich und hoffnungsvoll für Quantität und vorzügliche Qualität des diesjährigen Herbst⸗ erträgnisses. 1

essen. Die Weinlese verspricht größtenteils einen Mittel⸗ ertrag, sofern die Reben durch die Frühfröste nicht zu stark ge⸗ litten haben. .

Berlin, den 8. Oktober 1928. 1

Statistisches Reichsamt. J. V.: Wohlmannstetter.

In der am 5. d. M. ausgegebenen Nr. 28 des Reichsarbeitsblatts wird der nachstebende Ueberblick über die Gesamtlage des deutschen Arbeitsmarkts bis Mitte September 1928 (Bericht der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeits⸗ losenversicherung) veröffentlicht:

Die Arbeitsmarktlage hat sich in der ersten Septemberhälfte nur wenig verändert. Nach der unsicheren Entwicklung des industriellen

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Arbeitsmarktes in den vorausgehenden Monaten im mit dem allmählich einsetzenden Konjunkturrückgang hätte man au

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1e. dem Einrückungstermin bei der Geschäftsstelle eingegangen sein.

Poftschecktonto: Berlin 41821. 1928

eine stärkere Belastung des Arbeitsmarktes bereits im September rechnen können. Die wirtschaftliche Lage ist jedoch im allgemeinen etwas widerstandsfähiger geworden; das ist neben einer teil⸗ weisen, in dem Wechsel der Jahreszeit begründeten Belebung des In⸗ landsabsatzes in den für den Verbrauch arbeitenden Industrien auch der nicht ungünstigen Entwicklung des Erportgeschäfts zu danken. Die Ausfuhr hat sich nämlich im August gegenüber dem Juli 1928 um über 100 Millionen Reichsmark auf mehr als 1 Milliarde Reichsmark erhöht; die arbeitstägliche Güterwagengestellung ist in einzelnen Wochen größer geworden, was sich nicht allein saisonbedingt oder aus der Anfang Oktober einsetzenden Gütertariferhöhung und dem daraus folgenden Drang nach Ausnutzung der gegenwärtigen Tarife erklären dürfte. 8

Diese wirtschaftliche Entwicklung in den ersten Septemberwochen wie auch in der zweiten Augusthälfte ist nicht ohne Einfluß auf die Arbeitsmarktlage geblieben. Nach der Stichtagzählung bei den Arbeitsnachweisen ist die Zahl der verfügbaren weiblichen Arbeit⸗ suchenden Mitte September gegenüber Mitte August dank der erhöhten Nachfrage im Bekleidungsgewerbe und in der Nahrungs⸗ mittelindustrie trotz weiterer Verschlechterung der Spinnstoff⸗ industrie unverändert geblieben, die Zahl der verfügbaren männ⸗ lichen Arbeitsuchenden hat um 8000 oder 1 vH zugenommen, und zwar in der Hauptsache wegen der allmählich abbröckelnden Bautätigkeit und des Rückgangs in der Metall⸗ und Maschinen⸗ industrie. Die Halbmonatsstatistik der Arbeitslosenversicherung und der Krisenunterstützung zeigt in der Zeit vom 31. August bis 15. Sep⸗ tember 1928 eine weitere Zunahme der Arbeitslosenziffern, deren Ausmaß (2000 oder 0,4 vH) jedoch nicht von erheblicher Bedeutung ist. Die regelmäßige, wenn auch geringe Erhöhung der Unterstütztenziffern seit Anfang August 1928 läßt zusammen mit den Ergebnissen der Arbeits⸗ nachweisstatistik erkennen, daß die Entwicklungslinie des Arbeitsmarktes auch in den ersten Septemberwochen weiter einen nur leicht absteigenden Verlauf nahm.

Die Zahl der unterstützten Arbeitslosen (in der. Arbeitslosen⸗ versicherung) am 15. September ist mit 419 000 Männern und 157,000 Frauen, d. h. mit zusammen 576 000 Personen um 2000 Personen höher als Ende August 1928. Ebenso hat nach der Stichtagzählung bei den Arbeitsnachweisen, die jedoch nur einen Vergleich ven Mitte September zu Mitte August 1928 ermöglicht, die Zahl der männlichen Arbeitsuchenden von 780 600 auf 788 500 oder 1 vH zugenommen, während die Zahl der weiblichen Arbeit⸗ suchenden (284 000) unverändert geblieben ist. Die Zahl der ver⸗ fügbaren offenen Stellen (25 000 für Männer und 32 000 für Frauen) hat gegenüber Mitte August etwas abgenommen. s

Für die Beurteilung der Gesamtlage im Zeitpunkt von Mitte September dieses Jahres bleibt zu beachten, daß die Zahl der unter⸗ stützten Arbeitslosen, die bekanntlich nur einen Ausschnitt aus der Gesamtzahl der Arbeitsuchenden darstellt, um 195 000 Personen höher ist als im gleichen Zeitpunkt des Vorjahrs in der damaligen Erwerbs⸗ losenfürsorge, und zwar werden 116 000 Männer und 79 000 Frauen mehr unterstützt als im Vorjahr. Hierbe ist jedoch zu berück⸗ sichtigen, daß bei der ohnedies sehr günstigen Arbeitsmarktentwicklung des Vorjahrs der Tiefpunkt der Unterstütztenzahl Mitte September nahezu erreicht war.

Die neuesten Berichte einiger Landesarbeitsämter lassen Herkennen, daß sich die unsichere Entwicklung des Arbeitsmarktes auch in der dritten und vierten Septemberwoche fortgesetzt hat, wenngleich

sich die Ausschläge weiterhin noch in geringen .S.e. halten. Wie bereits an dieser Stelle ausgeführt wurde, dürfte sich die Arbeits⸗ marktlage in den nächsten Wochen unter Berück⸗ sichtigung der anhaltend günstigen Witterung und der gegenwärtig fast stagnierenden wirtschaftlichen Lage kaum erheblich verändern. Inwieweit die Erhöhung der Eisenbahnfrachten, die vom Oktober ab eintritt, ferner die Erhöhung der Braunkohlen⸗ preise und die in Aussicht gestellte Steigerung der Eisenpreise sich auf dem industriellen Arbeitsmarkt in den nächsten Wochen auswirken wird, ist zunächst noch nicht zu übersehen. Erst zu dem Zeitpunkt ist mit einer starken Steigerung der Unterstütztenziffern zu rechnen, in dem zu der bisher langsam hegsg den Arbeitslosigkett auf dem indu⸗ striellen Arbeitsmarkt die saisonüblichen Entlassungen in den Außen⸗ berufen, d. h. die winterliche Verschlechterung des Arbeitsmarkts treten.

Handel und Gewerbe. Berlin, den 9. Oktober 1923.

Nach dem Bericht der Vereinigten Ultramariu⸗ fabriken Aktienges ellschaft vormals Leverkus, Zehtner & Consorten in Köln a. Rh. für das Geschäststahr 1927/28 hielt die leichte Besserung der Verkäufe bis zum Schlusse an. Das Inlandgeschäft war wie im Vorjahre befriedigend, im Export scheint, nach dem Bericht, die Gesellschaft in einigen Ländern, in denen sie vor dem Kriege vorherrschend war, mit ihren alt⸗ eingeführten Marken langsam wieder festeren Fuß zu fassen. Zu dem Abschluß trugen wieder zu einem großen Teil die Ergebnisse aus Wertpapieren, Hypotheken und anderen Anlagen bei. Auch diejenigen Abteilungen, die mit dem Ultramaringeschäft in keinem Zusammen⸗ hang stehen, haben durchweg gut gearbeitet. Der Reingewinn lein⸗ schließlich Vortrag aus dem Vorjahr) beträgt 799 0599 RM. Auf die Stammaktien werden 12 % Dividende verteilt. In den ersten Monaten des laufenden Geschäftsjahres hatte die Gesellschaft einen normalen Auftragseingang. 8 8

8 8EE1e““ 88 Wagengestellung für Kohle, Koks und Briketts

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