1929 / 98 p. 1 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 27 Apr 1929 18:00:01 GMT) scan diff

Reichs⸗ und Staatsanzeiger Nr. 97 vom 26. April 1929.

S. 4.

25 Millionen Mark lediglich zur Deckung der Verluste zu ver⸗ wenden. Ein großer Foörtschritt sei die Erkenntnis, daß eine Rationalisierung ohne Sanierung nicht möglich sei. Im übrigen hätte die Rentenbankkreditanstalt, die doch mit⸗ wirken müsse, eine klare Entscheidung bisher noch nicht getroffen. Das Reich könne den Betrag von 25 Millionen nur ausgeben, wenn diese beiden Banken sich an der Aktion beteiligen. Das Verfahren der Hilfsaktion sei vielleicht in der Weise zweckmäßig, daß die Entscheidung über die Verwendung der Reichsmittel dem Reichsernährungsminister obliege, und daß diese Entscheidung durch einen Ausschuß bei der Preußenkasse vorbereitet werde, in dem je ein Vertreter des Reichsernährungsministeriums, der Preußenkasse und der Rentenbankkreditanstalt sitzen. Er könne die Sache jedenfalls vor dem Reichstag nur dann vertreten, wenn ihm bei der Verteilung der Mittel die Entscheidung zustehe. Abg. Tempel (Soz.) erklärte, daß im Mittelpunkt der ganzen Debatte der Skandal der Raiffeisenbank stehe, der nicht nur wegen der Höhe der Verluste, sondern auch wegen der Geschäfts⸗ - die Erregung der Oeffentlichkeit hervorgerufen habe. ie Veer Fus ung der Landwirtschaft datiere schon aus dem Jahre 1924, wo die Preußenkasse Geschäfte gutgeheißen habe, die zu verwerfen seien. Damals seien, wie sich heraus⸗ estellt habe, für Kredite, die vor der Ernte gewährt wurden, Pinsfätze von 18 bis 25 vH erhoben worden. Heute verlange man 25 Millionen Reichsmark für die Landwirtschaft, wo sonst für allerdringendste Zwecke kein Geld vorhanden sei. Aber wir sind trotzdem bereit, zu helfen. Die Mittel müssen jedoch bei einer vertrauenswürdigen Stelle konzentriert werden. Be⸗ dingung sei ein Kontrollrecht des Reichstags in Form einer vierteljährlichen Berichterstattung. Abg. Hörnle (Komm.) ver⸗ langte vor der Bewilligung der 25 Millionen Reichsmark Reichs⸗ mittel die Vorlegung des Revisionsberichts der Preußenkasse; dann würde sich zeigen, daß Gelder in Höhe von 250 Millionen ohne Deckung hergegeben wurden. Aber der Bericht werde geheimgehalten. Abg. Hermes (Zentr.) fordert, daß die Einheitlichkeit der Aktion dadurch gewährleistet werde, daß die ganzen Entscheidungen bei einer Stelle liegen. Diese Stelle könne nur die Preußenkasse sein. Seine Partei sei auch bereit, den Wünschen des Ministers in bezug auf seine Verfügungsberechtigung Rechnung zu tragen. Abg. Dr. Fehr (D. Bauernp.) erklärt, vom rein landwirt⸗ schaftlichen Standpunkt aus habe er das größte Interesse, da die Dinge nun endlich zum Abschluß kommen. Er bedaure, da der Einfluß der Länder auf diesem Gebiete eingeschränkt werden olle. Gerade auf wirtschaftlichem Gebiete, wenn es sich um die Verteilung von Geldern handele, müsse der Einfluß der Länder werden. Gleichzeitig trat der Redner dafür ein, daß den Wünschen des Ministers weitgehend Rechnung getragen werde. Er möchte bei dieser Gelegenheit von neuem anregen, die Preußenkasse zu einem Institut für das ganze Reich aus⸗ zubauen. Abg. Freiherr von Richthofen (D. Nat.) führt aus, daß die Landbundgenossenschaften vielleicht Verluste in Höhe von etwa 5 Millionen Mark erlitten hätten, daß aber das Vor⸗ gehen der Landbundgenossenschaften eine wesentliche Einwirkun auf die Gestaltung der Getreidepreise gehabt habe, daß dadur indirekt der Landwirtschaft vielleicht Hunderte von Millionen an Verlusten erspart worden seien. In jener Zeit hätten voraus⸗ schauende Männer auf dem Wege der Selbsthilfe das in Angriff enommen, was Regierung und Reichstag leider nur viel zu pät mit Schaffung der Reichsgetreidehandelsgesellschaft und anderen Programmaßnahmen zu e versucht hätten, nämlich die Hochhaltung der Getreidepreise auf einer für die Landwirtschaft leidlich erträglichen Höhe. Der Redner bestätigte die Richtigkeit der Ausführungen des Präsidenten Klepper, daß vielleicht eine roße Aufgabe mit zu kleinen Mitteln und ohne die erwartete Unterstützung seitens Landwirtschaft und Reichs⸗ regierung in Angriff genommen sei⸗ daß aber jene Männer ihre ungeheure Arbeitskraft und ihre Energie völlig selbstlos und ohne den geringsten persönlichen Vorteil in den Dienst der Land⸗ wirtschaft gestellt hätten. Nachdrücklich sei hervorzuheben, daß alles verfügbare Geld in die Landwirtschaft hineingeflossen und kein Pfennig zu irgendwelchen Aufgaben im Rahmen der Organisationen des Reichslandbundes verwendet worden sei, der nicht direkt den Zielen der Landwirtschaft gedient hätte. Prä⸗ sident Dr. Klepper: Die Dinge liegen so, daß man sich in den damaligen Zeiten über den Wert und die Tragweite der Kredit⸗ unterlagen getäuscht hat. Die Haftungen in den Genossenschaften sind eben keine ausreichende Basis für derartig weitgehende Finanzgeschäfte. Der Redner gibt dann einen Ueberblick über den Stand der ZusammenschlußHbewegung der Genossenschaften im Reiche. Er weist ferner im Anschluß an die Bemerkung des Abgeordneten Dr. Fehr darauf hin, daß Verhandlungen verchen der Reichs⸗ und der preußischen Regierung wegen der Pelteiligung des Reiches an der Preußenkasse schweben, die zum Teil schon sehr weit fortgeschritten sind. Abg. Dr. Hor lacher (Bayer. Vp.): Die heute wieder zur Debatte stehenden Richtlinien für die Verwendung der 25 Millionen Reichsmark haben im ganzen drei Stufen der Entwicklung durchgemacht: zunächst hatten⸗ wir den Entwurf des damaligen Reichsministers Schiele, der für uns nicht tragbar war, dann den veränderten Entwurf des Aus⸗ schusses vom Jahre 1928, der sich praktisch als zu eng gefaßt erwies, und heute liegt die dritte Fassung vor. Was ich besonders begrüße, ist die freiheitlichere Entwicklung der ganzen Bewegung, die bek aller notwendigen Zentralisation schließlich doch eine weit⸗ gehende Dezentralisation in sich schließt. Früher waren viele unbrauchbare Elemente in das Genossenschaftswesen ein⸗ gedrungen, die heute unbedingt ausgeschaltet werden müssen. Die ganze Aktion bezüglich der Genossenschaften muß nun zum Abschluß geführt werden, damit die Landwirtschaft aue in bezug auf ihre Genossenschaften einmal zur Ruhe kommt. Die Preußenkasse muß eine dominierende Stellung im Genossen⸗ schaftswesen einnehmen. Der Einfluß der Länder darf im Faft geresen swefen keine Rolle spielen. Dem Reichsernährungs⸗ minister soll die von ihm gewünschte Verfügungsberechtigung über die Reichsgelder gesichert werden; im übrigen soll die ührung in der ganzen Aktion bei der Preußenkasse liegen. bg. Tempel (Soz.): Den Herren von der Deutschnationalen Volkspartei möchte ich hier noch folgendes ins Stammbuch schreiben: Während Ihre Vertreter in den Genossenschaften zum Teil völlig versagt, einem Abenteuer 20 Millionen nachgeworfen und die Landwirtschaft schwer geschädigt haben, hat die Preußen⸗ kasse mit aller Energie das Werk der Reorganisation des Genossenschaftswesens in Angriff genommen und unter Auf⸗ bietung aller Kräfte dieses Werk weitgehend gefördert. Sie aber aben es als Ihre Aufgabe betrachtet, dieselbe Preußenkasse in hrer Presse mit Angriffen und Schmähungen zu überhäufen. eute gestehen Sie zwar im kleinen Kreise zu, daß die Preußen⸗ asse sich tatsächlich große Verdienste um die Sanierung und Rationalisierung des Genossenschaftswesens erworben hat, ja, Sie sind eifrig bemüht, an den Vorteilen dieser Aktion nach Mög⸗ lichkeit teilzunehmen. Draußen im Lande aber setzen Sie in der großen Presse den alten Kampf aus politischen Gründen auch bag noch fort. Angenommen wurde der von den Sozialdemokraten, dem Zentrum, der Bayerischen Volkspartei und der Deutschen Volkspartei eingebrachte Aenderungs⸗ antrag zu den Richtlinien für die Verwendung der 25 Mil⸗ lionen Mark. Die Aenderung bezweckt eine nähere Klarstellung, 88 welche Rationalisierungsmaßnahmen im einzelnen die Mittel erwendung finden sollen, und sieht zum anderen eine Ver⸗ einfachung der Durchführung vor. Angenommen wurde ferner ein Antrag Hermes, wonach die Verteilung der Mittel dem Minister für ö und Landwirtschaft obliegt. Sie oll zur Sicherung der erforderlichen Einheitlichkeit der ationalisierung gemenusüöm mit der Verwendung der von der Pecsfschen Zentralgenossenschaftskasse zur Verfügun Sefnten Mittel erfolgen. Zu diesem Zweck wird für die Heschlu assung über die Verteilung der Mittel ein gemeinsamer Ausschuß des Neichsministeriums für Ernährung und Landwirtschaft und der

Preußischen Zentralgenossenschaftskasse gebildet. Ferner wurde ein Antrag angenommen, wonach dem Ausschuß für die Durch⸗ führung des ““ Notprogramms und dem Reichsrat vierteljährlich über den Stand der vnger genhent Bericht erstattet werden soll. Darauf vertagte sich der Auss auf Donnerstag.

Der Gemeinde⸗ und Wirtschaftsausschuß des Preußischen Staatsrats trat am Donnerstag zu einer gemeinschaftlichen Sitzung zusammen, um das neue Städtebaugesetz vorzuberaten. Der Faaschu will zwei Lesungen vornehmen, die zweite soll im Mai stattfinden. Das Gesetz wird dann im Juni vor das Plenum des Staatsrats kommen. Der Ausschuß hörte nach dem Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungs⸗ verleger zunächst die Vorträge der drei Berichterstatter, die für das Gesetz bestimmt worden sind: Dr. Rive, Oberbürgermeister von Halle, von der Arbeitsgemeinschaft, Häring (Soz.), Landes⸗ rat in Kassel, und Kaschny (Zentr.), Oberbürgermeister, Ratibor. Man trat sodann in eine allgemeine Aussprache zum Abschnitt I des Gesetzes ein, der die Bestimmungen über die Flächenaufteilungspläne enthält und insbesondere die Neuerungen egenüber dem bisherigen gesetzlichen Zustande bringt. Durch die inführung der Flächenaufteilungspläne soll nach den Absichten der Regierung für die Durchführung der Ortsplanung die Mög⸗ lichkeit vorsorglicher Baubeschränkungen und ferner die Mäglich⸗ keit einer zwischengemeindlichen Planung geschaffen werden. Nach Erledigung der allgemeinen Aussprache trat man in die Einzelberatung zu den Bestimmungen über gemeindliche Flächen⸗ aufteilungspläne (§§ 1 bis 9) und über zwischengemeindliche Flächenaufteilungspläne (§§ 10 bis 17) ein. Nach § 1 soll die städtebauliche Entwicklung der Gemeinden durch Aufstellung von Flächenaufteilungsplänen vorausschauend geordnet werden. § 10 bestimmt, daß auf Antrag einer der beteiligten Gemeinden der Kreisausschuß die Aufstellung eines gemeinsamen Flächenauf⸗ teilungsplanes beschließen kann, wenn ein Plan einer kreis⸗ angehörigen Gemeinde ohne Einbeziehung eines anderen Ge⸗ meindegebietes desselben Kreises nicht sachgemäß aufgestellt werden kann, und wenn die beteiligten Gemeinden dem nicht durch gemeinsame Aufstellung eines übereinstimmenden Planes Rech⸗ nung tragen. Die einzelnen Bestimmungen wurden durch⸗ gesprochen. Aenderungsanträge sind bisher nicht gestellt worden. Am Freitag wird der Ausschuß seine Beratungen fortsetzen.

Der Hauptausschuß des Preußischen Landtags beschäftigte sich in seiner Sitzung am Mittwoch abend mit dem Verlängerungs⸗ geset zum preußischen Ausführungsgesetz zum Finanzaus⸗ gleich. Eine Verlängerung des Gesetzes wird vorgeschlagen, weil die Regierung den Augenblick für eine völlige 1““ des Verfahrens in der Verteilung der Reichssteuerüberweisungen, ins⸗ besondere einen Ersatz der relativen Garantie mit Rücksicht auf die Reichsgesetzgebung über den Finanzausgleich und den engen Zusammenhang mit den noch Fragen des Lasten⸗ ausgleich auf dem Gebiete der Polizeikosten und der Schule noch nicht für gekommen hält. In der Vorlage wird, wie das Nach⸗ richtenbüro des Vereins deutscher Zeitungsverleger mitteilt, der Notlage der Provinz Ostpreußen dadurch Rechnung getragen, da ein Betrag von etwa 5 Millionen bereitgestellt wird dadurch, da einmal die Bevölkerungszahl der Provinz Ostpreußen, im An⸗ schluß an eine Anregung des Landtags von 1925, bei der Ver⸗ teilung der Dotationen doppelt angesetzt wird, was der Provinz eine Mehreinnahme von rund 2,7 Millionen bringen . dadurch, daß der Provinz bei der Verteilung der Kraftfahrzeug⸗ steuer ein Betrag von zwei Millionen vorweg zugewiesen wird. Bekanntlich hat der Staatsrat in seinem Gutachten diesen Weg, der Notlage der Provinz Ostpreußen auf Kosten der Ueber⸗ weisungen an die übrigen Verbände zu begegnen, grundsätzlich ab⸗

elehnt mit dem Hinweis, daß es Sache des Reiches sei, die er⸗ sotderdchen Mittel bereitzustellen, und daß der beabsichtigte all⸗ emeine Erlaß der Provinzialumlagen nicht für den geeigneten

eg der Hilfe angesehen werden könne. Das Staatsministerium t diesem Gutachten des Staatsrats nicht beigetreten. In der Aussprache betonte der Abg. von Kries (D. Nat.) die Not⸗ wendigkeit einer stärkeren Kraftfahrzeugsteuerüberweisung an die Kreise, ferner Bevorzugung der Grenzmark durch Finsetzun der Bevölkerun szahl im engngsschlüfsel auf das Fünffache sowie Erhöhung en Schullastenanteils an den Reichsüberweisungs⸗ steuern von 2 auf 4 vH und Bereitstellung von 20 Millionen aus em Gemeindeanteil an den Rei nübernestangssenerm zur Durch⸗ führung des Polizeilastenausgleichs. Für den kommenden Desef. ausgleich in Preußen sei zu fordern die Einschaltung der Schu kinderzahl in den E“ Eine Aenderung der relativen Garantie sei zurzeit nicht zu empfehlen. Abg. Riedel (Dem.) trat für eine Berücksichtigung der Grenzmark ein und forderte für Berlin eine W des Vorauf an der Kraft⸗ fahageugsteuer von 2 auf 5, bei Ablehnung auf 3 Millionen. Er wandte sich gegen die Forderung der Deutschnationalen auf Rück⸗ Eöoernde für den künftigen Polizeilastenausgleich und auf Er⸗

a.

öhung des Schullastenanteils zugunsten der Gemeinden. Abg. zillat (Soz.) äußerte Bedenken gegen Aenderungen des mit Rücksicht darauf, daß im Landtag heuter ereits der Haushalt der Allgemeinen Finanzverwaltung in zweiter Lesung erledigt worden sei. Der preußische Finanz⸗ ausgleich könne nicht dem endgültigen Reichsfinanzausgleich vor⸗ greifen. Bedenklich 88 auch die Bevorzugung der Grenzmark. Für den Vorschlag, die relative Garantie durch Erhöhung der e von 22 8 25 Pf. zu ändern, sei nur ein Teil seiner Freunde. Abg, Kloft (Zentr.) lehnte den Antrag der Deutsch⸗ nationalen auf Rückstellungen für den Polizeilastenausgleich und für die Erhöhung des Schullastenanteils ab. Der Staat müsse bei beiden Lastenausgleichen mit eigenen Mitteln helfen. Er äußerte Bedenken gegen die anderweite Verteilung der Kraftfahrzeug⸗ steuer. Finanzminister Dr. Höpker Aschoff wandte sich egen jeden Versuch, den Finanzausgleich auf Kosten der Staats⸗ hüssc cr zu ändern. Ministerialdirektor von Leyden bat um Ablehnung der Anträge auf Bevorzugung der Grenzmark. Es würden dadurch die anderen Provinzen eeeelez⸗ Bei Ost⸗ preußen läge allerdings ein besonderer Notstand vor. In der relativen Garantie könnten zurzeit Aenderungen nicht vor⸗ genommen werden. Die Kraftfahrzeugsteuerverteilung nach den deutschnationalen Forderungen sei nicht tragbar. Abg. Waentig (Soz.) war gegen eine Aenderung der Kraftfahrzeug⸗ steuerverteilung, da dadurch die Verhandlungen auf Uebernahme von Kreisstraßen auf die Provinzen gestört würden. Es sei nicht angängig, durch Aenderung des Verteilungsschlüssels auf dem Wege der Provinzialumlagen künftig die Städte stärker heran⸗ zuziehen. Abg. Dr. Neumann⸗Frohnau (D. Vp,) erklärte, die Bestimmungen über die „relative Garantie“ hinsichtlich der Verteilung der Einkommensteuer stellten zweifellos für manche Gemeinden eine Benachteiligung dar. Die von seiner Partei, geforderte Denkschrift fei viel zu spät vorgelegt worden, so daß eine genügende Durch⸗ arbeitung des umfangreichen Werks, das übrigens in mancher Beziehung auch Lücken aufweise, unmöglich geworden sei. Auch der Gesetzentwurf über die Gestaltung des Finanzausgleichs für 1929 sei dem Landtage viel zu spät zugeleitet worden; offen⸗ bar habe die Staatsregierung auf dessen Verabschiedung noch vor dem 1. April d. J. keinen Wert gelegt. Die Deutsche Volkspartei sehe unter diesen Umständen keine Möglichkeit, an dem Finanz⸗ ausgleich zurzeit irgendwelche wesentlichen Aenderungen vorzu⸗ nehmen. Alle Gemeinden und Gemeindeverbände hätten sich be⸗ reits auf die aus den bisherigen Bestimmungen sich ergebenden Ueberweisungsbeträge eingerichtet, so daß eine Aenderung jetzt un⸗ möglich sei. Die Deutsche Volkspartei lehne eine Aenderung ab, müsse aber die Verantwortung für diesen unbefriedigenden Zu⸗ stand der Staatsregierung überlassen. Abg. Haase⸗Liegnitz (Wirtsch. P.) setzte sich für einen besseren Schullasten⸗ und

Polizeilastenausgleich ein. Finanzminister Dr. Höpker Aschoff wandte sich gegen die Erhohung der Kraftfahrzeug⸗ steueranteile für Berlin. Groß⸗Berlin erhalte aus seinem Kraft⸗ fahrzeugsteuerauffommen 2,36 Millionen = 12 ½¼ vH, während z. B. Köln nur etwa 3 vH seines örtlichen Aufkommens erhalte. Abg. Müller⸗Iserhagen (D. Frakt.) forderte stärkere Be⸗ teiligung der Kreise an der Kraftfahrzeugsteuer und war gegen eine Aenderung der relativen Garantie. Abg. Schwenk (Komm.) verlangte Erhöhung des Einheitssatzes bei der relativen Garantie von 22 auf 25 Pfg. und Erhöhung der Anteile der Gemeinden an den Reichsüberweisungssteuern überhaupt von 45 auf 55 vH. Abg. Dr. Lohmann (Soz.) setzte sich ein für die Erhöhung des Kraftfahrzeugsteueranteils für Berlin. In der Ah⸗ stimmung wurden Aenderungen der relativen Garantie ab⸗ gelehnt. Annahme fanden die Anträge auf Erhöhung des Kraft⸗ fahrzeugsteueranteils der Kreise auf 35 vH. Ferner der Antrag, für die Grenzmark das Fünffache der Bevölkerungszahl festzusetzen. Auch der Entschließungsantrag Dr. von Kries (D. Nat.) wurde angenommen, bei der künftigen Neuregelung des Finanzausgleichs die Leistungsfähigkeit der Gemeinden insbesondere durch Ein⸗ fügung der Schulkinderzahl stärker zu berücksichtigen. Die sonstigen Abänderungsanträge wurden abgelehnt.

Handel und Gewerbe.

Berlin den 26. Arril 1929. Telegraphische Auszahlung.

25. April

Geld Brief 111“ 4,178 4,186 1,888 1,892 20,965 21,005 2,065 2,069 20,439 20,479 4,211 4,219 0,5005 0,5025 4,036 4,044 4,036 4,044

169,31 169,65 169,19 169,53 5,455 5,465 5,46 5,47

58,64 58,48 58,60 73,58 73,43 73,57 81,89 81,73 81,59

10,613 10,588 10,608 22,135 22,06 22,10

7,424 7,399 7,413 112,650 112,28 112,50

18,89 18,35 18,89 112,57 112,29

16,515 16,455

12.495 12,465

92,56 92,35 81,12 80,92 81,30 81,08 3,048 3,044 60,91 60,84

112,80 112,49

112,44 112,22 59,31 59,14

26. April

Geld Brief

1,71 1,775 4,181 4,189 1,398 1,902 20,98 21,02

2,065 2,069 20,452 20,492 4,2135 4,2215 0,501 0,503

Buenos⸗Aires . 1 Pap.⸗Pesf. Canada 1 kanad. 8 Japan . . 1 Yen Kairo.. .. l äͤgypt. Pfd. Konstantinopel 1 türk. 8. London... . 1 £ New Vork 1 8 Rio de Janeiro 1 Milreis Uruguav. 1 Goldpeso Amsterdam⸗

100 Gulden

Rotterdam . Athen. 100 Drachm. 100 Belga 58,52 73,44 81,73 10,593 22,095 7,410 112,38

18,85 112,35

16,475

12,475

92,38 80,96 81,14 3,042 60,79

112,58 112,22

59,19

Brüssel u. Ant⸗

werpen. Budapest. . 100 Pengö Danzig 100 Gulden Helsingfors . 100 finnl. Italien 100 Lire Jugoslawien 100 Dinar Kopenhagen .. 100 Kr. Lissabon und

Oporto 100 Escudo SeIDU ..11 Paris 100 Frecs. Pracg. .. ... 100 ser.

teykjavik G

(Island) 100 isl. Kr. Riga 100 Lätts Schweilz 100 Fres. Sofia .100 Leva Spanien 100 Peseten Stockholm und

Gothenburg. 100 Kr. Talinn (Reval,

Estland).. 100 estn. Kr. Wien .100 Schilling

en und Banknoten.

Ausländische Geldsort 26. April 25. April

8 Geld Brief Geld Brief

Sovereigns.. 20,61 20,69

20 Frcs.⸗Stücke ü 16,23 16,29

Gold⸗Dollars. . 4,24 4,26 4,24

Amerikanische: 1000 5 Doll. 4,229 4,249 4,204 2 4,205 4,225 4,19 4,21

2 und 1 Doll. Aergentinische 1,74 1,76 1,74 1,76 0,4875 0,5075

rasilianische .“ 8 8 8tl Englische: große 70,46 20,5 1 u. darunter 20,429 20,509 2,065 2,085

Türkische... j Helzich 58,38 58,62 Hülzerische 112,67 112,10 112,54 81,91 81˙57 81.89

EII

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Finnische.. —. 10,53 10,57

Französische. 16,53 16,46 16,52

Holländische . . 100 Gulden 169,82 168,91 169,59

8 22,14 22,22 22,09 22,17 22,18 22,26 22,15 22,23

Italienische:gr. 100 Lire 98 7,378 7,398

100 Lire u. dar. 100 Lire Jugoslawische. 100 Dinar

112,18 112,62 112,13 112,57 59,08 59,32 59,05 59,29

Lettländische. . 100 Latts 59,23 59,47 59,090 59,33

20,55 2052 58,69

20,47 20,44 100 Belga 58,45 100 Leva

100 Kr. 112,23 100 Gulden 81,59 100 estn. Kr.

100 finnl. 100 Fres. 16,47 169,14

Norwegische .. 100 Kr. Oesterreich.: gr. 100 Sstatne 100 Sch. u. dar. 100 Schilling Rumänische: 1000 Lei und 1 neue 500 Lei 100 Lei 50 2,52 unter 500 Lei 100 Lei pe Schwedische .. 100 Kr. 112,47 112,91 Schweizer:große 100 Frcs. 81,27 81,59 100 Frcs. u. dar. 100 Fres. 81,29 81,61 Spanische .. 100 Peseten 60,98 61,32 Tschecho⸗slow. b 5000 u. 1000 K. 100 Kr. 12,515 500 Kr. u. dar. 100 Kr. 12,522 Ungarische.. 100 Pengö 73,57

2,495 2,515

112,28 112,72 81,20 81,52 81,20 81,52 61,37 61,63

12,505 12,52 73,55

12,445 12,46 73,25

12,455 12 465 73,7

(Weitere Nachrichten über „Handel u. Gewerbe“ s. i. d. Ersten Beilage.)

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

Verantwortl. Schriftleiter: Direktor Dr. Tyrol, Charlottenburg. Verantwortlich für den Anzeigenteil: Reechnungsdirektor Mengering in Berlin. Verlag der Geschäftsstelle (Mengering) in Berlin. Druck der Preußischen Druckerei⸗ und Verlags⸗Aktiengesellschaft, Berlin. Wilhelmstraße 32. Neun Beilagen (einschließl. Börsenbeilage und zwei Zentralhandelsregisterbeilagen),

„Das Gefängnis

8

N

Erscheint an jedem Wochentag abends.

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Einzelne Nummern kosten 30 Amuf,

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1

Anzeigenpreis für den Raum einer fünfgespaltenen Petitzeile 1,05 Meℳ einer dreigespaltenen Einheitszeile 1,75 Aoℳ Anzeigen nimmt an die Geschäftsstelle Berlin SW. 48, Wilhelmstraße 32. sind auf einseitig beschriebenem Papier völlig druckreif einzusenden, insbesondere ist darin auch druck (einmal unterstrichen) oder durch Fettdruck (zweimal unter⸗ strichen) hervorgehoben werden sollen. Befristete Anzeigen müssen 3 Tage vor dem Einrückungstermin bei der Geschäftsstelle eingegangen sein.

Alle Druckaufträge anzugeben, welche Worte etwa durch Sperr⸗

Postscheckkonto: Berlin 41821.

A& naemn

Nr. 98. RNeichsbankgirokonto.

Da am 1. Mai 1929 die Arbeit in der Druckerei ruht, wird an diesem Tage der „Reichs⸗ und Staats⸗ anzeiger“ nicht erscheinen.

Inhalt des amtlichen Teiles

8 Deutsches Reich. Exequaturerteilung. e eigg betreffend die Zahlung patentamtlicher Ge⸗

ühren. Filmverbot. Bekanntmachung der Filmprüfstelle Berlir lassungskarten.

Preußen. Ernennungen und sonstige Personalveränderungen.

Amtliches.

Deutsches Reich

Dem Königlich niederländischen Konsul in Kleve, A. J. Jurgens, ist namens des Reichs das Erequatur erteilt worden

Bestimmung, betreffend die Zahlung patentamtlicher Gebühren

Auf Grund der Verordnung, betreffend die Zahlung patent⸗ amtlicher Gebühren vom 8. März 1917 (7GBl. S. 222) wird folgendes bestimmt:

Bei Zahlung einer an das Reichspatentamt zu entrichtenden Gebühr wird der Barzahlung ferner gleichgestellt:

Der Eingang des Auftrags bei der Reichshauptkasse zu einer durch Buchausgleich gemäß § 28 der Reichskassen⸗ ordnung vorzunehmenden Gutschrift für die Kasse des Reichs⸗ patentamts.

Gerlin den 29. Npril 1929.

Der Präsident des Reichspatentamts.

Eylau.

[iIp Lb 9 Ddie öffentliche Vorführung des Bildstreifens: „Erotik (Ita's Liebeslei d)“, 7 Atte = 2488 m lang, Antragsteller und Ursprungsfirma: Star⸗Film G. m. b. H., Berlin, ist am 24. April 1929 unter Prüfnummer 22 236 verboten worden. Berlin, den 25. April 1929.

1 8 .“ Bekanntmachung, betreffend Zulassungskarten.

'1. Die Zulassungskarten Prüfnummer 1751 vom 2. April 1921 „Der Reiter ohne Kopf. III. Harry Piels schwerster Sieg“ sind ab 30. April 1929 ungültig. Nur die durch die erneute Zulassung des Bildstreifens vom 15. April 1929 unter Prüfnummer 22 181 mit dem neuen Haupttitel „Harry Piels schwerster Sieg“ erteilten Zulassungs⸗ karten sind gültig.

2. Die Zulassungskarten Prüfnummer 849 vom 4. Dezember 1920 auf dem Meeresgrunde“ sind ab 1. Mai 1929 ungültig. Nur die durch erneute Zulassung des Bildstreifens vom 16. April 1929 unter Prüfnummer 22 193 mit gleichem Haupttitel erteilten Zulassungskarten sind gültig.

3. Die Zulassungskarten Prüfnummer 21 226 vom 19. Dezember 1928 „Das weiße Geheimnis (Eisbrecher Krassin)“ sind ab 30. April 1929 ungültig, wenn sie nicht berichtigt sind.

4. Die Zulassungskarten Prüfnummer 21 497 vom 22. Januar 1929 „Glückliche Menschen im Strahlenglanz der ewigen Sonne’ sind ab 3. Mat 1929 ungültig wenn sie nicht den Haupttitel „Die All⸗ gewalt des Sports“ tragen.

5. Die Zulassungskarten Prüfnummer 20 789 vom 12. November 1928 „Die süße Kunst“ sind ab 5. Mai 1929 ungültig, wenn sie nicht das Ausfertigungsdatum „20. April 1929“ tragen.

Berlin, den 27. April 1929. Der Leiter der Filmprüfstelle Mildner.

Preußen. Ministerium des Innern.

Das Preußische Staatsministerium hat den Regierungsrat Mai zum Polizeipräsidenten in Oppeln ernannt.

8 Der Regierungsrat Beaucamp in Kirchhain ist zum Landrat ernannt worden.

Berlin, Sonnabend, d il, abends.

Ministerium für Landwirtschaft, Domänen

und Forsten. Die Oberförsterstelle Lohra im Regierungsbezirk Erfurt ist zum 1. Juli 1929 zu besetzen. Bewerbungen müssen

bis zum 18. Mai 1929 eingehen.

o4“

Der Reichsrat nahm in seiner gestrigen Vollsitzung nach

einem Referat des preußischen Ministerialdirektors Dr. Brecht

den Gesetzentwurfk, betr. die Erhöhung der Anleihe⸗ ermächtigung, an. 8 b

Deutscher Reichstag. 64. Sitzung vom 25. April 1929. Nachtrag.

Die Rede, die der Reichsfinanzminister Dr. Hilfer⸗ ding bei der zweiten Beratung der von den Regierungs⸗ parteien beantragten Erhöhung der Anleiheermächtigung gehalten hat, hat folgenden Wortlaut:

Meine Damen und Herren! Ich habe heute bereits im Haushaltsausschuß so eingehend über die Situation gesprochen, daß ich glaube, daß auch ich mich im Plenum werde kurz fassen können. Wenn Graf Westarp gesagt hat, daß in diesen Fragen vollständige Klarheit geschaffen werden muß, so stimme ich ihm darin nicht nur vollständig bei, sondern ich habe mich von Anfang an bemüht, gerade diese Frage in aller Oeffentlichkeit zu erörtern. Ich habe sehr ausführliche Bemerkungen darüber in meiner Etat⸗ rede gemacht. Ich habe nachher noch einmal die Gesamtsituation, so wie sie sich damals mir darstellte, dem Haushaltsausschuß ge⸗ schildert. Ich bin vollkommen der gleichen Meinung mit dem Grafen Westarp, wenn ich sage, daß auch die gesamte Oeffentlich⸗ keit und vor allem das Parlament sich des Ernstes der Situation bewußt werden muß, die in dieser Erbschaft, die diese Regierung übernommen hat, gelegen hat. (Sehr wahr! bei den Sozialdemo⸗ kraten. Zuruf rechts: Erbschaft?) Gewiß in dieser Erbschaft. Denn darüber ist gar kein Zweifel und das ist, glaube ich, auch die einstimmige Meinung Ihrer Parteifreunde, soweit sie die Dinge kennen —, daß die Hauptursache der jetzigen Situation die Finanzgebarung in den Jahren 1926/27 gewesen ist: die da⸗ maligen Ausgabebewilligungen im Außerordentlichen Etat, die sich auf die Hoffnung gründeten, daß diese Ausgaben, die im großen und ganzen produktiver Natur gewesen sind, auch durch Anleihen gedeckt werden könnten. Diese Anleihen sind nicht eingekommen. Ich möchte ein für allemal sagen: Ich mache daraus gegen niemand einen Vorwurf; denn 1926 konnte man nicht mit Be⸗ stimmtheit sagen, wie sich der deutsche Kapitalmarkt 1927, 1928 und 1929 entwickeln würde. (Zuruf aus der Mitte: Dann hätte man eben vorsichtiger sein müssen!) Ganz gewiß. Sie hatten damals ja auch Gelegenheit, vorsichtiger zu sein, und es hat eine ganze Reihe von Herren in allen Parteien gegeben, die damals vorsichtiger gewesen sind und gemahnt haben. Tatsache ist aber, daß damals diese großen Ausgaben für das Außerordentliche Budget beschlossen waren, daß die Anleihe dann nicht voll ein⸗ ging, sondern nur mit einem Teilbetrag von 450 Millionen, und daß daraus zunächst das Defizit des Außerordentlichen Etats ent⸗ standen ist. Dieses bildet nach wie vor den Hauptposten, der uns in der Kasse fehlt, weil wir schließlich diese 650 Millionen, um die es sich, rund gesprochen, handelt, aus Kassenmitteln, die an ordent⸗ lichen Steuern in den Ordentlichen Etat eingeflossen waren, ge⸗ deckt haben; wir mußten also Mittel, die nur für den Ordentlichen Etat bestimmt waren, dazu gebrauchen, um diese Ausgaben im Außerordentlichen Etat zu decken. Wenn da irgend jemand ein Vorwurf trifft, so trifft er alle diejenigen, welche in den Jahren 1926 und 1927 diese Ausgaben beschlossen haben, und ich glaube, es gibt dann sehr wenige Abgeordnete, die sich von dieser Schuld vollständig freisprechen können. Es hat also gar keinen Sinn, hier irgendwie die Schuldfrage aufzurollen. Ich habe diese Dinge auch nie im Sinne der Aufrollung einer Schuldfrage behandelt, sondern nur als Konstatierung einer Tatsache.

Zu diesen 650 Millionen sind selbstverständlich gewisse Aus⸗ gaben gekommen, die bei einem so großen Haushalt in jedem Lande, unter jeder Regierung, bei jeder Art der Etatsgebarung unvermeidlich sind, nämlich gewisse Ausgaben, die als Kredite gegeben worden sind an die Länder oder an die Preußenkasse, die sie wegen der Not der Landwirtschaft gegenwärtig nicht zurück⸗ zahlen kann, oder an die Eisenbahn, von der sie wegen der

Finanzlage der Eisenbahn augenblicklich nicht zurückgezahlt werden. Zu allen diesen Posten sind aber noch hinzugekommen die An⸗ forderungen, die dieser außerordentlich harte und schwere Winter an uns gestellt hat. Wir dürfen nicht vergessen, daß es zum Teil die besondere Not dieses Winters gewesen ist, die die Arbeitslosen⸗ versicherung in diesem Maße hat an das Reich herantreten lassen. Das sind natürlich große Summen, die sich bis Ende März auf 195 Millionen belaufen, die sich im April auf 65 Millionen be⸗ laufen werden und, wie ich annehme, im Mai und Juni das sind nur Schätzungen noch 45 Millionen erfordern werden, so daß bis Anfang Juni etwa 305 Millionen als Kredit für die Arbeitslosenunterstützung gebraucht werden. Dazu treten noch 64 Millionen für die Saisonarbeiter, so daß von Anfang Januar, wo diese Inanspruchnahme begonnen hat, bis Ende Juni die ge⸗ samten Kredite, die an die Arbeitslosenversicherung abzuführen sein werden, sich auf rund 370 Millionen belaufen. Rechnen Sie dieses Defizit dem des Außerordentlichen Haushalts zu, so werden Sie verstehen, daß die Kassenlage des Reichs bedrängt ist, und Sie werden auch verstehen, daß es unsere ernsteste Sorge ist, um hier allmählich wiederum zu ordentlichen Etatsverhältnissen zu kommen. Denn wie ich schon im Haushaltsausschuß heute vor⸗ mittag gesagt habe, ist es ganz unmöglich, eine ordnungsmäßige Etatswirtschaft zu führen namentlich dann unmöglich, wenn für diese Etatswirtschaft in keiner Weise mehr Reserven oder Betriebs⸗ mittel zur Verfügung stehen —, wenn diese Etatswirtschaft durch solche unvorhergesehene und stoßweise an sie herantretende An⸗ forderungen erschüttert werden kann. Wenn es ferner auch klar ist, daß die Situation in diesem Winter eine ausnahmsweise war, daß der lange Frost sowohl in der Landwirtschaft als im Bau⸗ gewerbe die Wiederaufnahme der Arbeit hinderte; wenn es ferner richtig ist, daß außer dem Baugewerbe noch jene zahlreichen Nebengewerbe notleidend geworden sind, die vom Baugewerbe mehr oder weniger abhängen und denen naturgemäß bei der Stundung und beim Nachlaß von Steuerschulden weitgehende Berücksichtigung zugesagt und gewähr, werden mußte; wenn es weiter klar ist, daß der Arbeitsmarkt burch die immense Zahl der Saisonarbeiter übermäßig belastet wurde, die in diesem Winter arbeitslos wurden und über Erwarten lange arbeitslos blieben, so ergibt sich auf der anderen Seite die klare Notwendigkeit, nach Mitteln und Wegen zu suchen, um für die in diesen Erscheinungen liegende plötzliche Inanspruchnahme des Reichs ausreichende Ab⸗ hilfe zu schaffen. Daher habe ich, wie schon in meiner Etatsrede, auch heute vormittag im Haushaltsausschuß betont, daß eine Aenderung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes mit dem Ziel, die Grundlagen dieses Gesetzes zu verbessern und zu festigen und damit gleichzeitig das Reich künftig von hohen Anforderungen in diesem Ausmaß zu entlasten, eine dringende Notwendigkeit ist. Die Reichsregierung steht im Begriff, den Entwurf zu einer Aenderung dieses Gesetzes auszuarbeiten, denn es handelt sich dabei um eine dringende und eilbedürftige Notwendigkeit

86 Meine Damen und Herren! Ich kann es mir, glaube ich, versagen, an dieser Stelle auf weitere Details einzugehen; möchte mich vielmehr darauf beschränken, kurz zu den Bedenken und Ein⸗ wendungen Stellung zu nehmen, die erhoben wurden.

Zunächst hat der Herr Abgeordnete Graf von Westarp be⸗ mängelt, daß ich heute früh im Haushaltsausschuß die von der Reichsregierung beabsichtigten finanziellen Maßnahmen nicht im einzelnen angeführt und erörtert hätte. Nun, auch Herr Graf von Westarp wird mir zugeben müssen, daß es keinen Sinn hat, über finanzielle Maßnahmen im einzelnen, über Trans⸗ aktionen usw. zu sprechen, bevor sie nicht endgültig ausgearbeitet sind und man nicht genau geprüft hat, ob,⸗ und wieweit sie zu ver⸗ wirklichen sind. Ich kann im Augenblick nicht mehr erklären, als daß auch diese Seite der Angelegenheit aufs sorgfältigste geprüft wird. Die Reichsregierung hofft, auch von dieser Seite her zu einer Besserung der Kassenlage zu kommen. b

Wenn man aber den Ernst der Situation immer und immer wieder unterstreicht, so möchte ich auf der anderen Seite auf das entschiedenste betonen: Nichts kann schädlicher sein nicht nur für den Kredit des Reichs, sondern für die ganze Wirtschaft, als wenn man die gegenwärtige Kassenlage zu einer maßlosen und über⸗ triebenen Kritik benutzt. (Sehr wahr! links und in der Mitte.) Ich möchte von dieser Stelle aus auf das ernsteste davor warnen diese Dinge draußen im Lande zur Agitation auszunützen. Es ist ungeheuer leicht, zu sagen, Deutschland sei bankrott, weil es bei einem Zahlungstermin 200 oder 300 Millionen Mark braucht. Ich habe im Augenblick die Daten nicht zur Hand; es wäre aber interessant, einmal die Ziffern festzustellen, die Beträge zu nennen, mit denen etwa das Englische Reich während des Jahres immer wieder an den Kapitalmarkt zur Aufnahme flüssiger Mittel herantritt. Denn auch in England ist die Sache so, daß der Etat im Grunde genommen ohne viel Betriebsmittel arbeitet, aber der