1929 / 99 p. 1 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 29 Apr 1929 18:00:01 GMT) scan diff

Reichs⸗ und Staatsanzeiger Nr. 98 vom 27. April 1929

da will er durch die Bildung zwischengemeindlicher Arbeits⸗ gemeinschaften die Möglichkeit geben, die ein größeres Gebiet betreffenden Aufgaben von der Selbstverwaltung der einzelnen Gemeinden in freiwilliger kommunaler Arbeit erfüllen zu lassen.

Meine Damen und Herren, zwischen Großstadt und Landkreis besteht das, was man Mittelstadt nennt, und worunter man in diesem Gebiet im allgemeinen mittlere kreisfreie Städte versteht. Diese Mittelstädte stehen bei der Vorlage im Vordergrunde des Interesses. Auch in der von mir im Anfang erwähnten Ent⸗ schließung des Landtags vom Februar 1928 ist zum Ausdruck gebracht, daß bei Auflösung von Landkreisen die Schaffung lebensfähiger Mittelstädte zu berücksichtigen sei. Dieser Wunsch, diese Tendenz ist mir durchaus sympathisch; denn gerade weil ich der Ansicht bin, daß in Städten das Heimatgefühl, das Gefühl der örtlichen Zusammengehörigkeit und insbesondere auch die ehrenamtliche Mitarbeit der Bürger nicht veröden dürfen, halte ich die Mittelstadt an und für sich für eine ausgezeichnete Form der Betätigung kommunaler Selbstverwaltung gerade auch im Steinschen Sinne. Aber dasselbe, was ich vorhin über das Ver⸗ hältnis Stadt und Land gesagt habe, gilt auch hier: es darf auch in dieser Frage kein Dogma geben. Und ebenso wie bei der Frage der Erhaltung der Landkreise, so wird man auch bei der Frage der Erhaltung und Neuschaffung von Mittelstädten in diesem Gebiete auf die besonderen Verhältnisse Rücksicht zu nehmen haben. Da, wo die großstädtische Entwicklung schon zu weit fortgeschritten ist, und wo es sich um Aufgaben handelt, die nur von ganz großen, besonders leistungsfähigen kommunalen Trägern erfüllt werden können, wird man genau prüfen müssen, ob eine Mittelstadt diesen Verhältnissen, diesen Aufgaben noch gewachsen sein würde. Das gilt ganz besonders dann, wenn es sich nicht um die Erhaltung, sondern um die Neuschaffung von Mittelstädten handelt, die sich ja erst einen ganz neuen Ver⸗ waltungsapparat mit aller Verteuerung neu zulegen und ein⸗ richten müssen.

Meine Damen und Herren, das Gebiet, auf das sich die Neu⸗ gliederung erstreckt, ist ein ganz besonderes. Nirgendwo anders in Preußen finden wir eine so starke über ein so großes Gebiet sich erstreckende intensive wirtschaftliche Entwicklung, solche Schwierigkeiten in der Fürsorge für die arbeitende Bevölkerung und solche Notwendigkeiten. Gesichtspunkte und Erkennnnisse, die in diesem Gebiet für eine kommunale Neugliederung maßgebend sein müssen, brauchen keine präjudizielle Bedeutung für andere Landesteile zu haben. Wir müssen hier noch mehr als anderswo alles Dogmatische, alles Doktrinäre beiseite lassen; wir müssen vielleicht manches opfern, was uns persönlich lieb und wert ist, wenn wir das Ziel erreichen wollen, eine den besonderen Ver⸗ hältnissen dieses Gebiets gerecht werdende Regelung zu finden.

Wie Sie, meine Damen und Herren, über die Einzelheiten der Vorlage auch denken mögen und selbstverständlich werden die Meinungen über manche Einzelheiten sehr weit auseinander⸗

gehen —, so bitte ich Sie doch dringend, diese notwendige grund⸗ sätzliche Erkenntnis nicht aus den Augen zu lassen. Sämtliche Gemeinden und Gemeindeverbände dieses Gebiets und ihre Be⸗ völkerung blicken auf den Landtag in dem Augenblick, in dem er sich anschickt, die letzte Hand an das große Werk zu legen. Der Bedentung des Werkes und Ihrer eigenen Verantwortung sind Sie sich ganz sicherlich bewußt.

Meine Damen und Herren, möge Ihre Arbeit erfolgreich sein, möge Ihre Entscheidung so fallen, daß das Werk gut werde, daß es der Bevölkerung zum Segen gereiche! Möge aber vor allem die Vorlage nach gründlicher Bearbeitung, nach gründlicher Durchberatung schnell verabschiedet werden! Das, weiß ich, ist der einmütige Wunsch aller Beteiligten. (Bravo! bei der Sozial⸗ demokratischen Partei und bei den Deutsch⸗Demokraten.)

Abg. Dr. von Kries (D. Nat.) weist auf die zahlreichen Umgemeindungen der letzten Jahre hin. Keine Vorlage reicht aber, so betont er, in wirtschaftlicher Beziehung an die Bedeutung dieser Vorlage heran. Nicht nur die räumlichen Aenderungen sind äußerst umfangreich, sondern auch in der Verwaltung sind außerordentliche Aenderungen vorgesehen. Eine Stadt von 320 000 bis 350 000 Einwohnern ist bereits eine „Mammutstadt“. In der Tat müssen außerordenlich schwere Bedenken gelöst werden. Für die Deutschnationalen besteht die Frage, ob die etzige Zeit gerade geeignet ist, in die Verhältnisse des wirt⸗ chaftlich so hoch bedeutsamen rheinisch⸗westfälischen Industrie⸗ gebiets einschneidende und auf lange Sicht vorzunehmende Aenderungen zu treffen. Vielleicht geht die wirtschaftliche Ent⸗ wicklung einen ganz anderen Weg, als die Regierung annimmt. Sie erwartet auch, daß endlich Ruhe in diesem Gebiete eintreten wird. Aber schon hört man rannen von Eingemeindungs⸗ verträgen mit Gebieten, die vor dem jetzt zu befriedenden Gebiet liegen Die Deutschnationalen sind aber durchaus nicht der Meinung des Rheinischen Provinziallandtages, daß die Regelung erst in fünf Jahren vorgenommen werden solle. Die Deutsch⸗ nationalen sind auch der Meinung, daß jetzt Ruhe geschaffen werden muß, es darf aber nicht nur auf die Mentalität der Groß⸗ stadtbevölkerung Rücksicht genommen werden, es sind vielmehr auch die Interessen der kleinen und kleinsten Städte zu beachten. Wir billigen die Tendenz der Vergrößerung der Großstädte zu Mammutstädten nicht. Die Großstadt ist doch nachgewiesener⸗

naßen das Ende der Volksvermehrung. Wir sind durchaus geneigt, den Großstädten die zur Ausdehnung ihrer Industrie notwendige Vergrößerung zuzugestehen. Aber die Selbständigkeit der kleineren Orte darf nicht ohne zwingende Not angetastet werden. Wir werden in dieser Hinsicht eine sehr genaue Prüfung vornehmen. Das Lebensrecht der Kleinen wird unsere Richt⸗ schnur bei der Prüfung der Frage sein, ob sich nicht vielleicht die Schaffung von Mittelstädten eher empfiehlt als die von Mammutstädten. Auch die Frage der Kompetenz⸗Kompetenz der

reise werden wir genau prüfen. Gegen den Gedanken der Arbeitsgemeinschaft haben wir nichts einzuwenden. An allzu große Ersparnis glaube ich nicht. Wesentlich ist, ob durch die Vorlage etwas gebessert wird an der Lage unserer Wirtschaft und unserer Finanzen. Der Gemeindeausschuß wird alle diese Fragen genau zu prüfen haben.

Abg. Haas (Soz.) ist nicht der Auffassung, daß die Vor⸗ lage über die seinerzeit vom Gemeindeausschuß geäußerten Wünsche hinausgeht. Wenn man sich von dem Gesichtspunkt leiten lasse, daß in diesem Gebiet alles in Fluß ist, daß man also mit einer Regelung lieber noch warten solle, so müsse man doch bedenken, daß man so lange nicht von einem wesentlichen Aufstieg der wirtschaftlichen Lage reden könne, als wir die schweren

Reparationslasten zu tragen haben. Der Redner ist der Auf⸗ fassung, daß der Vorwurf der Einseitigkeit zugunsten der Inter⸗ essen der Großstadt der Vorlage gegenüber unberechtigt ist. Große, starke und leistungsfähige Landkreise um das ganze Gebiet herum sollten geschaffen werden. Ebenso sind Mittelstädte und zahlreiche Kleinstädte vorhanden. Allerdings vollziehe sich die Entwicklung in der Richtung auf Großstädte wesentlich schneller als in anderen Teilen Deutschlands. So schnell, wie vor dem Kriege, werde es

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aber heute nicht mehr damit gehen. Man lebe heute im Zeitalter des Verkehrs; da sei es nicht mehr notwendig, daß die Wohnung des Arbeiters in nächster Nähe seiner Arbeitsstätte liege. Die Be⸗ deutung der Vorlage liege vor allem in der Aufhebung und Zusammenlegung der Landkreise, in de Vereinheitlichung der Verwaltung der Großstädte und vor allem in der Kompetenz⸗ Kompetenz. Im Gemeindeausschuß werde man noch eingehend alle diese Fragen zu erörtern haben. Vor allem müsse man sich darüber unterhalten, wieweit man die Kompetenz⸗Kompetenz ausdehnen wolle. Eine en bloc⸗Annahme der Vorlage, wie der Minister meinte, wäre allerdings die einfachste Lösung; aber so leicht könne man sich die Verabschiedung der Vorlage wohl nicht machen. Es handele sich darum, im Ruhrgebiet wirklich Ruhe zu schaffen, zum mindesten die Ruhe, die zur Leistung wirklich guter kommunaler Arbeit erforderlich sei. Bei eingehender sachlicher Prüfung werde auch diese Vorlage mit großer Mehrheit verabschiedet werden.

Abg. Schüling (Zentr.) erklärt, der vorliegende Gesetz⸗ entwurf habe in der Bevölkerung nicht die erwartete Ruhe geschaffen. Im Ausschuß werde man die Wünsche der Bevölkerung erörtern, alle Wünsche würden nicht erfüllt werden können, da ja in erster Linie das Allgemeinwohl berücksichtigt werden müsse und Sonderinteressen oft zurücktreten müßten. Die von den ein⸗

zelnen Orten und Bezirken abgeschlossenen Eingemeindungs⸗.

verträge werde man auch sichern müssen. Das Zentrum sei nicht gegen die zwischengemeindlichen Arbeitsgemeinschaften; diese könnten aber auch zur Gefahr werden und die Vorstufe für neue Eingemeindungen bilden. Die reine Selbstverwaltung der Gemeinden müsse erhalten bleiben. Der Redner erklärt, unter gewissen Sicherungen würde er sich freilich auch mit einer Kompetenz⸗Kompetenz abfinden können. Beim Ausscheiden von Städten aus den Kreisen müßten die Gemeinden entsprechend entschädigt werden. Das Zentrum werde sich Mühe geben, den Entwurf möglichst bald zu verabschieden. Das liege nicht nur im Interesse der einzelnen Gemeinden, sondern auch in dem der Allgemeinheit und der Wirtschaft.

Abg. Sobottka (Komm.) meint, die Behauptung des Ministers, das vorliegende Gesetz solle nun den Abschluß der Neu⸗ gliederungen in Rheinland⸗Westfalen bringen, höre man schon zum dritten Male bei solchen Vorlagen. Schon die Vorlage von 1926 hätte nach Ansicht des Ministers Ruhe für Johrzehnte im

„Westen bringen sollen; aber es habe sich sehr bald als unzu⸗

länglich herausgestellt und so scheine es auch mit der jetzigen Vor⸗ lage zu gehen, zu der bereits wieder zahlreiche Klagen u. a. von Iserlohn vorlägen. Auch die sogen. Arbeitsgemeinschaften würden ohnmächtig sein, weil sie nichts erledigen könnten, sobald einer der Teilnehmer widerspreche. Besonders schlecht komme nach der Vor⸗ lage die arbeitende Bevölkerung in den Städten weg, deren Inter⸗ 80 die Kommunisten bei den Ausschußberatungen sehr ent⸗ schieden wahren würden. Der Redner fordert zum Schluß eine andere Regelung des Finanzausgleichs; durch Erhöhung des Satzes der Steuerüberweisungen von 45 vH auf 50 vH könne der Notlage der rheinisch⸗westfälischen Gemeinden gesteuert werden. 1b Abg. Gre⸗ ßler (Dem.) ermahnt den Minister und die Par⸗ teien, diesmal nicht wieder denselben Fehler wie bei früheren Vorlagen zu begehen und gleich immer wieder Aenderungen durch⸗ zuführen. Man solle vielmehr endlich einmal nach diesem Gesetze ür längere Zeit Schluß mit kommunalen Neugliederungen im Westen machen, damit die neuen Bestimmungen sich in Ruhe erst einmal bewähren könnten. Es könne kein Zweifel darüber geben, daß die kommunalen Verhältnisse im Industriegebiet dringend einer Neuregelung bedürften, zumal ein organisches Wachstum der kommunalen Gebilde nicht erfolgt sei. Man könne dem Minister nur dankbar sein, 5 er in einer großen Vorlage einmal den Versuch unternommen habe, Ordnung zu schaffen. Ins⸗ besondere sei erforderlich, den Verkehr auszubauen, weil sonst bald die Zeit kommen werde, wo sich die Menschen in diesem arbeitsreichen Gebiet nicht einmal mehr auf der Straße bewegen könnten. Bei den Beratungen werde sich der einzelne damit ab⸗ finden müssen, daß das Fües nein eng voranstehe, auch wo mit unter anzuerkennende Wünsche der bodenständigen Bevölkerung entgegenständen. Einzelheiten müßten der Ausschußberatung über⸗ lassen bleiben, zumal heute so viel Besucher aus dem Ruhrgebiet auf der Tribüne seien (Abg. Ladendorff [Wirtsch. P.]: „So viel Bürgermeister hat der Landtag noch nie zu Gast gehabt!“ Heiterkeit). Bei gutem Willen werde man jedenfalls noch vor der Sommervertagung mit der Vorlage fertig werden können. (Beifall bei den Demokraten.)

Abg. Dr. von Eynern (D. Vp.) meint, daß durch die riesigen Pläne, die der Vorlage zugrundelägen, große Unruhe in das betroffene Gebiet gebracht sei. (Zustimmung rechts.) Inter⸗ essant sei, daß eigentlich der Minister selbst gar nicht eine solche Riesenvorlage gewollt habe, sondern sich nur vom Regierungs⸗ präsidenten vorsichtig über die Umgemeindungswünsche habe be⸗ richten lassen wollen. Der Regierungspräsident habe aber so ge⸗ wissenhaft gearbeitet, daß eine Fülle von Material ihm zugegangen sei und baß seit dem Bekanntwerden dieser Recherchen der kom⸗ munale Friede im Ruhrgebiet vollkommen untergraben wurde. (Zustimmung rechts.) Der Minister habe damit in einer Weise in die Selbstverwaltung eheigeghsen, die gar nicht mehr verantwortet werden könne. (Lebhafte Zustimmung rechts.) Er, der Redner, zweifle, ob das Haus imstande sein werde, den riesigen Arbeits⸗ stoff bis zu den Sommerferien zu bewältigen. Im einzelnen sei zu bemerken, daß auch die vom Minister erhoffte Verbilligung sehr fraglich sei. Nach statistischen Ermittlungen betrage der Zuschuß⸗ bedarf in Gemeinden von über 100 000 Ernwohnern 98,20 Reichs⸗ mark pro Kopf, in Gemeinden von 10 000 bis 25 000 nur noch 52 Meichsmark und in Gemeinden von 2000 bis 5000 Einwohnern sogar nur noch 30 Reichsmark. (Lebhaftes Hört, hört! rechts; Rufe bei den Sozialdemokraten: „Sie müssen auch die Leistungen bedenken!“) Mit dem Wort „Leistungen“ sollten wir schon wegen der hohen Reparationslasten vorsichtig sein. (Sehr wahr! rechts.) Wenn man übrigens erst alles konzentrieren wolle und dann doch wieder die Möglichkeit der Dekonzentration schaffe, so sage sich ein vernünftiger Menschenverstand, daß man eigentlich lieber die ganze Sache hätte nicht machen sollen. (Lebhafte Zustimmung rechts; Minister Grzesinski: „Das wird eine Sache der Selbst⸗ verwaltung sein!“) Dann würde es also bedeuten, daß diese Vor⸗ schrift der Vorlage an jedem mussolinarischen Oberbürgermeister scheitern könne. Nach der Vorlage werde eben überhaupt der Regierungspräsident und der Oberpräsident wie der Staat schlecht⸗ hin überflüssig. Wenn der Einfluß des Staates so stark geschwächt werde, so sei das auch für die Arbeiterbevölkerung nicht gut.

Der Redner unterbricht dann seine Ausführungen, weil der für die Abstimmungen zur zweiten Lesung des Kultus⸗Etats bestimmte Zeitpunkt herangekommen ist.

In namentlicher Abstimmung wird zunächst der Antrag des Hauptausschusses auf Nachprüfung des Erlasses über körperliche Züchtigung in den Schulen vom 29. März 1928 abgelehnt. Abgelehnt wird auch der kommunistische Antrag, der besonders scharfe Maßnahmen gegen Lehrpersonen fordert, die körperliche Züchtigungen vor⸗ genommen haben.

Eine große Reihe von Anträgen der Ausschüsse und aus dem Hause findet Annahme. Sie fordern u. a.: Vor⸗ legung eines Privatschulgesetzes für Preußen, Sicherstellung des weiblichen Einflusses in der Erziehung und Ausbildung der Mädchen auf dem Lande, Richtlinien für die Gestaltung der Reichsjugendwettkämpfe, in denen den besonderen Be⸗ dürfnissen der Mädchenerziehung Rechnung getragen wird, baldige Durchführung des Diätariats für alle Volksschul⸗ lehrer, Beseitigung der Verschiedenartigkeit bei der Festsetzung des Besoldungsdienstalters der Zulageempfänger, Abtrennung

Ne,sarnten Feit . vom Schul⸗ und Kirchendienst, Städten rnnde) Eertece 114“ auf dem Lande, Erhaltung einer L ehrerschaft, Förderung des ländlichen Fortbildungs⸗ wesens.

Eine namentliche Abstimmung wird wiederum vor⸗ genommen über den kommunistischen Antrag, der dem Staatsministerium den Abschluß eines Konkordats oder eines ähnlichen Vertrags mit der katholische irche -

en V gs mit der katholischen Kirche unter⸗ sagen soll und die sofortige Abbrechung der dahinzielenden Verhandlungen fordert. Das gleiche soll auch gelten für Ver⸗ träge oder Uebereinkommen mit der evangelischen Kirche oder anderen Religionsgesellschaften. Ferner wird in dem Antrag Einwirkung auf die Reichsregierung gefordert, daß alle Vor⸗ rechte der Kirchen beseitigt werden und die kirchlichen Organi⸗ sationen die Rechtsstellung privater Vereinigungen erhalten. Der Antrag wird gegen die Kommunisten abgelehnt. „Eine große Reihe weiterer kommunistischer Anträge findet gleichfalls Ablehnung. Auch der Ausschußberatung werden verschiedene Anträge überwiesen. 8 Nach Erledigung der Abstimmungen zum ersten Abschnitt über Volksschullehrerbildung und geistliche Verwaltung wird die Abstimmung zum zweiten Abschnitt über Provinzialschulkollegien, Höhere Lehr⸗ anstalten und Leibesübun gen vorgenommen. Auch hier werden eine Anzahl Anträge wiederum an den Ausschuß überwiesen.

-DSDi angenommenen Anträge verlangen u. a.: Größere Mittel für die staatlichen Aufbauschulen, Zulassung von Latein an den Aufbauschulen, Ausbau der Schülerheime in den staatlichen Aufbauschulen.

Angenommen werden noch mehrere Ausschuß⸗ und Einzelanträge, die auf eine Entlastung der Lehrer auch an den höheren Schulen hinzielen. Auch ein deutsch⸗volks⸗ parteilicher Antrag findet Annahme, zu Ostern 1929 die Er⸗ richtung von Frauen⸗Oberschulen zu genehmigen.

Beim Abschnitt Wissenschaft wird ein Ausschuß⸗ antrag angenommen, die Altersgrenze für Universitäts⸗ professoren allgemein auf 68 Jahre festzusetzen, aber die Ent⸗ bindung von den amtlichen Verpflichtungen auf Antrag beim vollendeten 65. Jahre zu genehmigen. Weitere angenommene Anträge verlangen für 1930 einen besonderen Titel von 100 000 RM für Studentenheime sowie die Erstrebung der Einrichtung ordentlicher Lehrstühle für allgemeine Soziologie an allen preußischen Universitäten. Auch die Einzel⸗ anträge zu Aus⸗ und Neubauten an den Universitäten Breslau, Göttingen, Greifswald, Halle, Königsberg und an den Technischen Hochschulen werden in der Ausschußfassung an⸗ genommen. Der volksparteiliche Entschließungsantrag, 1930 eine erste Rate *4 ein agrikulturtechnisches Institut an der Universität Halle einzusetzen, findet ebenfalls Annahme. Ferner wird noch der deutschnationale Antrag, die Professuren für Sprache und Kultur der romanischen und slawischen Völker zu vermehren, angenommen.

Der Hauptausschußantrag, die staatliche Prüfun für Musiklehrerinnen in ein theoretisches und Fnsg tisches Examen zu trennen, wird im Hammelsprung mit 163 gegen 158 Stimmen angenommen. Annahme finden auch die weiteren Ausschußanträge, im nächsten Jahr zur Pflege des Chorgesanges 50 000 RM einzusetzen, sowie einen gleichen Betrag zur Steuerung der Notlage der deutschen Musiker zu verwenden, ferner das Urherberrecht zeitgemäß zu reformieren. Damit sind die Abstimmungen und die zweite Lesung des Kultusetats erledigt. .

Das Haus kehrt zurück zur Aussprache über die westliche Umgemeindungsvorlage.

Abg. Dr. von Eynern (D. Pp.) führt in Fortsetzung seiner Rede u. a. aus: Der in der neuen Denkschrift der Regierung vorgeschlagene Weg, bei den Einwohnern der Mittelstadt einen Garantiebetrag von 11 bis 13 Mark, bei denen der Großstadt von 25 bis 33 zu rechnen, werde alle kleinen Gemeinden dazu führen, daß sie wünschten, in eine Großstadt eingemeindet zu werden. Damit komme man niemals zu wirklichen Dauergrenzen. Seinerzeit habe der damalige Ministerialdirektor Mulert sehr schöne Gedanken über Nachbarrecht geäußert und die Ueber⸗ tragung des sozialen Gedankens auf das Verhältnis zwischen roßen und kleinen Gemeinden empfohlen. Davon sei in der Vor⸗ age nichts zu merken; die Arbeitsgemeinschaften seien ein ziem⸗ lich unverständlicher Begriff. Man habe das Scherzwort ‚Ein⸗ gemeindungskränzchen“ dafür geprägt. Jedenfalls werde die ganze eingemeindungsfreundliche Haltung des Ministers und seine Vorlage eine Beruhigung bringen. Ob die Kompetenz⸗ Kompetenz und die Festhaltung der kleinen Städte in den Kreisen zur Festigung der Kreisgrenzen beitragen werde, sei durchaus zweifelhaft. Man müsse Schutzbestimmungen gegen jede Art Willklür einbauen. Die Wünsche der Bevölkerung müßten nach Möglichkeit überall beachtet werden. Da die Perae vielfa über sie hinweggehe, so bedürfe sie der gründlichsten Prüfung.

Abg. Schellknecht (Wirtsch. P.) erklärt, wenn der Minister die Meinung äußerte, durch die Vorlage sollten Ersparnisse er⸗ zielt werden, so könne man bisher nur feststellen, daß die Städte erhebliche neue Ausgaben deswegen gehabt hätten. Der Redner weist auf einen großen Stapel Druckschriften und erklärt, dies sei⸗ nur ein Teil der Gutachten, die von den Städten zu dem Feset an die Parlamentarier geschickt worden seien. Uebrigens sei die Wirtschaftsparteiegegen die geplanten neuen Gebilde, weil dadurch nur neue Herzogtümer unter den Oberbürgermeistern entstehen würden und zugleich die Bürokratisierung der Verwaltung wachsen würde, was große Mehrausgaben zu Lasten hauptsächlich des ge⸗ werblichen Mittelstandes zur Folge haben müßte. Die Wirt⸗ schaftspartei verlange im Gegensatz zur Vorlage eine Verringerung des Verwaltungsapparates und meine, daß das Gesetz nur die sozialdemokratische Position in den Städten festigen solle. Mehr und mehr müsse die ehrenamtliche Tätigkeit in der Verwaltung wieder verwendet werden. Durch die Förderung der Großstädte werde nur der Mittelstand in seiner Existenz bedroht; in der gegen⸗ wärtigen Form lehne daher die Wirtschaftspartei den Entwurf ab.

8 (Fortsetzung in der Ersten Beilage.)

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1929

Posftscheckkonto: Berlin 41821.

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Berlin, Montag, den 29. April, abends.

Inhalt des amtlichen Teiles

Deutsches Reich.

Ernennungen ꝛc. b

G der amtlichen Großhandelsindexziffer vom 24. April 1929.

Anzeigen, betreffend die Ausgabe der Nummer 16 des Reichs⸗ gesetzblatts Teil I und der Nummern 21 und 22 Teil II.

Beschreibung der neuen Noten der Württembergischen Noten⸗ bank zu 50 RM.

Der Kaufmann Arthur Lyon Tassell ist zum Vizekonsul

des Reichs in King’s Lynn ernannt worden.

e amtliche Großhandelsindexziffer vom 24. April 1929.

Die auf den Stichtag des 24. April berechnete Groß⸗ handelsindexziffer des Statistischen Reichsamts beträgt: 8 1913 = 100 Indergruppen 1929 17. April] 24. April

Ver⸗ änderung in vH

I. Agrarstoffe. Pflanzliche Nahrungsmittel 130,5 129,3 Bieh 11 121,6 119,0

Vieherzeugnisse. .. 126,7 126,1 Futtermittel 1“ 140,3 138,9 Agrarstoffe zusammen... 128,3 126,8 Eb 126,4 126,4 III. Industrielle Rohstoffe und Halbwaren.

Kohle 8 135,6 135,9 .Eisenrohstoffe und Eisen 127,9 127,8 Metalle (außer Eisen) . . 118,9 118,7 Textilien 147,7 146,8 129,3 126,3 T111“ 126,6 126,6 2. Künstliche Düngemittel... 87,5 87,5 .Technische Oele und Fette 126,0 126,0 Kautschuk 2 28,9 28,6 . Papierstoffe und Papier... 151,2 151,2 Baustoff⸗ X“ 156,9 156,9 Industrielle Rohstoffe und Halbwaren zusammen .. 132,6 132,2

IV. Industrielle Fertigwaren. 17. Produktionsmittel HEEq1P11112“ 172,9 172,8 9

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18. Konsumgüter ““ 7- Industrielle Fertigwaren zu⸗ sammen ö“ bbb b—“] 136,

*) Monatsdurchschnitt März

Hiernach ist die Gesamtinderziffer gegenüber der Vorwoche um 0,4 vH gesunken. Von den Hauptgruppen ist die Indexr⸗ ziffer für Agrarstoffe um 1,2 vH zurückgegangen. Die Index⸗ ziffer für industrielle Rohstoffe und Halbwaren hat um 0,3 vH nachgegeben, während diejenige für industrielle Fertigwaren nahezu unverändert war.

Unter den Agrarstoffen sind in der Gruppe pflanzliche Nahrungsmittel vor allem die Preise für Brotgetreide, Mehl und Kartoffeln gesunken. Der Rückgang der Inderziffer für Vieh ist hauptsächlich auf niedrigere 1 für Schweine zurück⸗ zuführen. Unter den Vieherzeugnissen haben die Preise für Schmalz, Speck und Eier nachgegeben. In der Inderziffer für Futtermittel lagen die Preise für Kleie, Mais, Oelkuchen und andere Kraftfuttermittel niedriger als in der Vorwoche.

Von den Einzelgruppen der industriellen Rohstoffe und Halbwaren hat die Inderziffer für Eisenrohstoffe und Eisen in⸗ folge von Preisermäßigungen für Schrott und Weißblech nach⸗

egeben. Der Rückgang der Inderziffer für Nichteisenmetalle

ist auf niedrigere Preise für Blei, Zink und Zinn zurückzu⸗ führen. Unter den Textilien sind die Preise für Baumwolle, Hanf und Jute gesunken. Die rückläufige Bewegung der Preise für Häute und Felle hat sich fortgesetzt.

Von den Einzelgruppen der industriellen Fertigwaren hat die Inderziffer für Konsumgüter leicht nachgegeben.

57, 157,7 136,3

Berlin, den 27. April 1929.

Statistisches Reichsamt. J. V.: Dr. Platzer.

S

Bekanntmachung.

Die von heute ab zur Ausgabe gelangende Nummer 16 des Reichsgesetzblatts Teil I enthält

die Verordnung über die Feststellung der Verteilungsschlüssel nach § 23 a Abs. 4 des Finanzausgleichsgesetzes, vom 25. April 1929,

die Verordnung über die Einführung der Anzeigepflicht für die Faulbrut der Bienen in Württemberg, vom 8. April 1929,

die Bekanntmachung über die Entschädigung der Angehörigen ö für unschuldig erlittene Untersuchungshaft, vom 15. April 1929, und

die Neunte Bekanntmachung über die Wechsel⸗ und Scheckzinsen, vom 25. April 1929.

Umfang ¼ Bogen. Verkaufspreis 0,15 RM Berlin, den 29. April 1929. b

Reichsverlagsamt. Dr. Kaisenberg.

Bekanntmachung. Die von heute ab zur Ausgabe gelangende Nummer 21. des Reichsgesetzblatts Teil II enthält

die Bekanntmachung über die Abänderung der Anlage I zum Internationalen Uebereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr vom 23. Oktober 1924 im wechselseitigen Verkehr zwischen den Eisen⸗ bahnen Deutschlands, Oesterreichs und der Tschechoslowakei, vom 25. April 1929, 1

die Bekanntmachung über die Kündigung des Handelsvertrags zwischen dem Deutschen Reiche und dem Freistaat El Salvador, vom 18. April 1929,

die Bekanntmachung über die Ratifikation und den Beitritt weiterer Staaten zu dem Uebereinkommen und Statut über die Freiheit des Durchgangsverkehrs, vom 20. April 1929,

die Bekanntmachung über das Genfer Uevereinkommen, betreffend die Gleichbehandlung einheimischer und ausländischer Arbeitnehmer Eeee sene aus Anlaß von Betriebsunfällen, vom 22. April 1929, un ddie Bekanntmachung zu der dem Internationalen Uebereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr beigefügten Liste, vom 22. April 1929.

88

Umfang 2 ½ Bogen. Verkaufspreis 0,45 RM. Berlin, den 29. April 1929. Reichsverlagsamt. Dr. Kaisenberg.

Bekanntma

Die von heute ab zur Ausgabe gelangende Nummer 22 des Reichsgesetzblatts Teil II enthält

das Gesetz über Aenderung des Gesetzes über die vorläufige

Regelung des Reichshaushalts für das Rechnungsjahr 1929 vom 26. März 1929, vom 27. April 1929. Umfang ¼ Bogen. Verkaufspreis 0,15 RM.

Berlin, den 29. April 1929. Dr.

chwei hun neu n Noten der Württembergischen Notenbank zu 50 Reichsmark mit Datum vom 1. August 1925.

Die neue Note der Württembergischen Notenbank zu 50 Reichs⸗ mark ist 8591 170 mm groß und auf weißem, geriffeltem Papier ge⸗ druckt. Der rechte Teil der Vorderseite zeigt einen violett getönten, mit orangerot und grünen Fasern belegten Papierstreifen, der bei der Durchsicht ein dunkles Wasserzeichen, Eichenlaub und Kreuzdorn dar⸗ stellend, erkennen läßt. Der etwa 4 cm breite Schaurand ist in der Mitte mit einer großen und oben mit einer kleinen Wertzahl „50“ versehen. Unten befindet sich das württembergische Wappen mit der Umschrift: „Württembergische Notenbant“. Die beiden Wertzahlen und das Wappen sind von feinen, aus Punkten gebildeten, spiral⸗ förmig gewundenen Linien umgeben. Das von einem schmalen Zier⸗ rahmen eingefaßte Druckbild zeigt in seinem rechten Felde einen ge⸗ musterten, in den Farben grün⸗braun⸗rötlich spielenden Irisgrund, der mit den sich wiederholenden kleinen Zierzahlen „50“ das Landes⸗ wappen enthält. Im linken, kleineren Felde befindet sich in einem von einem feinen Linienmuster umgebenen Oval das Kopfbildnis des Dichters Schubart.

Darüber und darunter sind vier kreisförmige Rosetten mit der Wertzahl „50“ sichtbar. Unten ist ein wellenförmig gebogenes dunkles Band angebracht, das in lichten, lateinischen Großbuchstaben die Worte: „Fünfzig Reichsmark“ enthält. Die in schwarzer Farbe auf⸗ gedruckte Beschriftung lautet:

1 Die Württembergische Notenbank gegen Rückgabe dieser Banknote

Fünfzig REICHSMARK Stuttgart, den 1. August 1925

Darunter steht in gleicher Farbe in lateinischen Großbuchstaben „Der Vorstand“ und die Faksimileunterschriften „Roser Schmidt Steinhüuser“. Die Numerierung ist über dem Kopfbildnis und unter den drei Namenszügen in roter Farbe aufgedruckt.

Die Rückseite hat links eine etwa 4 em breite, unbedruckte Fläche. Das in den Farben grün, braun und rotviolett gehaltene Druckbild ist aus Guillochen in den verschiedenartigsten Formen und

Mustern zusammengesetzt. In den vier Ecken des Bildes steht d. Wertzahl „50“. Im oberen und unteren Rande des Druckbildes in lateinischen Großbuchstaben der Strafsatz angebracht. Die Be⸗ schriftung in schwarzer Farbe lautet: 1 BANKNOTE 1 DER Württembergischen Notenbank STUTTGART Fünfzig Reichsmark AUSGEGEBEN AUF GRUND DES PRIVATNOTENBANKGESETZES VOM 30. A0GUST 1924. 1 FUR DIE KONTROLLE Die Numerierung ist im Druckbild oben links und un in roter Farbe eingedruckt. Stuttgart, im April 1929. Württembergische Notenbank. Roser. Schmidt.

Nichtamtliches.

SDSDeutsches Reich. v

Der Litauische Gesandte Sidzikauskas hat Berlin ver⸗ lassen. Während seiner Abwesenheit führt Legationsrat Lozoraitis die Geschäfte der Gesandtschaft.

Deutscher Reichstag. 65. Sitzung vom 26. April 1929. J““ Nachtrag

Die Rede, die der Reichsarbeitsminister Wissell bei der zweiten Beratung des Haushalts des Reichsarbeitsministeriums gehalten hat, hat folgenden Wortlaut:

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nachdem ich bereits im Haushaltsausschuß des Reichstags alle wichtigen Fragen, die mit dem Arbeitsministerium in Verbndung stehen, er⸗ örtert habe, glaube ich mich heute auf die Besprechung einiger wesenelichen und grundsätzlichen Fragen beschränken zu sollen.

Solcher wesentlicher Fragen sehe ich vier. Ich möchte zu⸗ nächst Stellung nehmen zu den in der letzten Zeit sich häufenden Angriffen gegen die Sozialversicherung; ich möchte Stellung nehmen zu der Frage der Behandlung der Gelben Gewerkvereine; ich möchte Stellung nehmen zu den Problemen des Schlichtungs⸗ wesens und endlich zur Arbeitslosenversicherung, die bei den Er⸗ örterungen des Reichstags in den letzten Tagen eine nicht un⸗ wesentliche Rolle gespielt hat. (Unruhe. Glocke des Präsi⸗ denten.)

Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir zunächst einige Bemerkungen zu den Ausführungen des ersten Debatte⸗ redners der gestrigen Sitzung, des Herrn Abgeordneten Dr. Haß⸗ lacher. Der Herr Abgeordnete Dr. Haßlacher hat das Verhältnis zwischen der Wirtschaft und dem Arbeitsministerium mit der Ehe verglichen. Nun, so ganz trifft dieser Vergleich nicht zu. Der Herr Abgeordnete Dr. Haßlacher verbindet in seinem Ver⸗ gleich ein Femininum mit einem Neutrum, nicht mit einem Maskulinum. Eine solche Verbindung würde in der Ehe zu schweren Störungen führen. Vielleicht kommen wir den Tat⸗ sachen ein wenig näher, wenn wir Maskulinum und Femininum zusammenbringen, also Gesetzgeber und Sozialpolitik. Der Herr Abgeordnete Dr. Haßlacher meinte nun, manchmal müsse auch der männliche Teil in der Ehe die Ausgabenseite, die Seite, die für die Ausgaben verantwortlich ist, unter Kontrolle nehmen. Ich will zunächst diesen Vergleich trotz der kleinen Unstimmigkeit, die bisher noch bleibt, gelten lassen, und will akzeptieren, daß mittelbar in den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Haß⸗ lacher doch auch das Zugeständnis gelegen hat: in diesem Falle ist das Arbeitsministerium als das Ministerium, das die Belange der Sozialpolitik zu vertreten hat, als die bessere Hälfte anzu⸗ sehen. Wenn Sie uns dieses Kompliment haben machen wollen, dann will ich das in der Tat sehr gern akzeptieren.

Ich möchte aber noch eine weitere Schlußfolgerung aus den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Haßlacher ziehen. Man sagt ja ich weiß das nur vom Hörensagen —, daß auch der männliche Teil in einer Ehe manchmal den sehr durchschlagenden Gründen des weiblichen Teils sehr leicht nachgibt, daß er den besseren Argumenten dann doch Folge leistet. Es soll manchmal nur brummend und widerstrebend geschehen. Aber wenn ich aus diesen Ausführungen des Herrn Abgeordneten Haßlacher die

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