Reichs⸗ und Staatsanzeiger Nr. 134 vom 12. Juni 1929. ES. 4.
Indikationsgrundsätze dargelegt habe. Ein bedeutendes rechtliches Bedenken gegen den Antrag liege aber darin, daß die Vor⸗ schriften dieser „besonderen Bestimmungen“ zum strafrechtlichen Tatbestand gehören würden, und daß demgemäß ein Arzt bei einer im übrigen völlig einwandfreien ärztlichen Indikation wegen Abtreibung bestraft werden müsse, wenn er gegen irgend⸗ eine jener Bestimmungen, zum Beispiel eine formale Anzeige⸗ pflicht, verstoßen habe. Dem Antrage des Abg. Ehlermann, der ei Nichtvorliegen einer Schwangerschaft Straflosigkeit erstrebe, müsse er namens der Reichsregierung entschieden widersprechen. Es sei eine Erfahrung der gerichtlichen Praxis, daß in den aller⸗ eltensten Fällen das Vorliegen einer Schwangerschaft tatsächlich estgestellt werden könne und daß deshalb in der Regel nur eine Ze “ des Versuchs erfolgen könne. Straflosigkeit des Ver⸗ suchs bei Nichtfeststellung der Schwangerschaft würde daher die ganze 1u“ ihrer praktisch wesentlichen Bedeutung entkleiden. Ebenso müsse er dem Antrage, bei vollendeter Ab⸗ treibung ein —— von Strafe zuzulassen, namens der Reichs⸗ regierung widersprechen. Dagegen halte er es mit dem Antrag⸗ steller für möglich, eine Abkürzung der Verjährungsfrist vor⸗ unehmen, und zwar für die Vergehensfälle, während es bei deni Verbrechenstabestand der gewerbsmäßigen Abtreibung bei der allgemeinen Verjährungsfrist bleiben müsse. Er schlage eine Ver⸗ jährungsfrist von zwei Jahren vor. 1“ bäte er, im übrigen an dem Entwurf ö der nach Ansicht der Reichsregierung die richtige mittlere Linie getroffen habe. Abg. Martha Arendsee (Komm.) wies auf die Verantwortung hin, die man mit der Formulierung g Vorschriften übernehme, namentlich wenn auch jede willenlose Handlung für die Frau 9 sei. Sie behaupte, daß die Mehrzahl der Frauen lieber as Kind austrage, als sich dem Eingriff zu unterziehen. Die heutigen Massenabtreibungen seien eine Begleiterscheinung des E Systems. Der Abg. Hellpach verrate die Absicht, den Arbeitsmarkt durch Geburtenregelung zu beeinflussen. (Wider⸗ spruch.) Die Rednerin behauptete, eine Frau habe in zwei Jahren 18 Abtreibungen vorgenommen. (Zuruf: Ist physisch und wissenschaftlich unmöglich!) Alle möglichen Mittel würden heute ebraucht, weil das Gesundheitsamt nicht ein einwandfreies Mittel zur Verfügung stelle. Von einem Schutz der Frau sei hier keine Rede. Die soziale Indikation gehe ebenso häufig vom Manne aus. Dem Schwängerer werde es leicht gemacht, zu verschwinden und das Mädchen im Stich zu lassen, wenn es zum Beispiel ein Schupomann oder ein Reichswehrsoldat sei. Ja, man zwinge diese Männer beinahe, die Mutter im Stich zu lassen. Die medizinische Wissenschaft habe dieser Frage bisher zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet, weil man sie bisher als rein juristische Frage betrachtet habe. Die Rednerin verwies auf die vorhildlichen Bestimmungen auf diesem Gebiete in Rußland. Wenn jetzt behauptet werde, dort hätten die Abtreibungen zugenommen, so sei das nicht richtig; es würden nur die früher Feantiehzen Vornahmen jetzt unter ärztlicher Aufsicht sorgsam hygienisch vorgenommen. Jedenfalls sei der Geburtenrückgang in Moskau geringfügiger als in Berlin. Das sei das Ent⸗ cheidende. Man spreche von dem Rechtsgut der Leibesfrucht! Der e Staat übernehme aber keine Pflichten für dieses Rechtsgut, und deshalb wolle ihre Partei diesem Staate kein Recht zugestehen, sondern achte das Recht der Mutter, über ich zu bestimmen. Abg. Dr. Bell (Zentr.) erklärte gegenüber eißdeutungen und Anfechtungen seiner früheren ausführlichen Darlegungen zur Vorlage und zu den von ihm mit seinen heee eingebrachten Aenderungsanträgen, den Zen⸗ trumsstandpunkt nach der grundsätzlichen Seite noch einmal fest⸗ legen zu wollen: 1. Seine Partei erblicke in den E11 über Abtreibung kein Allheilmittel gegen die aus sittlich⸗ethischen wie staatserhaltenden und bevölkerungspolitischen Erwägungen leichmäßig gefährlichen und verhängnisvollen Mittel zur Unter⸗ rechung der Schwangerschaft, sondern sie lege nach wie vor den Schwerpunkt auf durchgreifende und großzügige Maß⸗ nahmen der Sozial⸗, Wohnungs⸗ und Bevölkerungspolitik. Aber eine angemessene und gerechte Bestrafung der Abtreibung sei aus ethischen und sozialkulturellen Gründen unentbehrlich. 2. Seine Partei verbleibe ferner bei der grundsätzlichen Auffassung, daß keine Strafvorschrift gegen Sittengesetze und Naturrecht ver⸗ stoßen dürfe, daß aber keineswegs alle Gebote des Naturrechts und des Sittengesetzes unter Strafe zu stellen seien, sondern nur diejenigen, die der Sicherung des Staatsganzen und dem notwen⸗ digen Schutze der Staatsbürger dienten. Von diesen grundlegenden Auffassungen seien auch die der Ethik und Sozialkultur wie den Staatsnotwendigkeiten gleichmäßig dienenden Zentrumsanträge beherrscht. Dabei falle ins Gewicht, daß die stärksten Hemmungen gegen eine ethische und sozialkulturelle Bevölkerungspolitik sich erfahrungsgemäß in drei Stadien vollzögen, nämlich zunächst durch Antikonzeptionsmittel, dann durch Abtreibungsmittel und schließ⸗ lich durch Kindestötung. Die Darlegungen verschiedener Vor⸗ vedner über grundsätzliche Einstellung und Jurisdiktion der katho⸗ lischen Kirche seien durchaus verfehlt, sowohl für Vergangenheit und Gegenwart wie für die Zukunft. Die katholische Kirche habe nach der grundsätzlichen Seite niemals geschwankt und werde auch in Zukunft ihrer grundsätzlich scharf ablehnenden Stellung gegen jegliche Vorbeugungsmaßnahmen und Abtreibungsmittel treu bleiben. Bezüglich einer Geburteneinschränkung könne nur Be⸗ errschung des Geschlechtstriebes als erlaubt in Betracht kommen. Im übrigen sei von der Kirche die Stellung gegen Geburten⸗ beschränkung klar und scharf herausgearbeitet. Die juristischen Be⸗ denken gegen den Zentrumsantrag, soweit sie sich auf „die Beob⸗ achtung der hierfür erlassenen besonderen Bestimmungen“ richteten, ließen sich bis zur zweiten Lesung ausräumen. Grundlegend bleibe der auch für die Aerzte geltende Schutzvorschrifts Haragraph 25 des Notstands in Verbindung mit der neuesten reichsgerichtlichen Rechtsprechung. Die Hauptsache aber sei, daß durch zweckdienliche Gesetzesvorschriften und Verordnungen rechtzeitig das durch die Selefrechtsbesom anerkannte ärztliche Sonderrecht reguliert oder vor Mißbräuchen geschützt werde. Das sei jetzt Aufgabe des Reichs⸗ gesundheitsamts in Verbindung mit den ärztlichen Organisationen. 8 hließlich begründete der Redner den Antrag Emminger Bell, wodurch außer den gewerbsmäßigen Abtreibungen eine zweijährige Verjährungsfrist für Abtreibungen normiert werden soll. Abg. Dr. Ehlermann (Dem.) begründete eine Reihe Fassungs⸗ änderungen an seinem Antrage r eine neue Formulierung des Abtreibungsparagraphen. Danach ist auch der Versuch strafbar. In besonders leichten Fällen kann das Gericht von Strafe ab⸗ fehen. Nach einem Jahre trete Verjährung ein. In kleinen tädten würden die Mädchen nach wie vor zum Kurpfuscher gehen, weil sonst ihre Schwangerschaft den Eltern oder Bekannten usw. bekannt würde. Abg. Dr. Wunderlich (D. PVp.) forderte erade als Richter, diese vor dem Danaergeschenk zu bewahren, ihnen ein zu weites richterliches Ermessen zuzubilligen, von Strafe abzusehen. Abg. D. Strathmann (Mitberichterstatter) S. Nat.) wandte sich gegen die Kritik, die der Abgeordnete r. Moses an der Burgdörferschen Schrift . hat. Er freue sich daß Dr. Ehlermann — umgekehrt wie Dr. Brodauf — von em „Recht der Frau“ abgerückt sei, „über ihren eigenen Körper u verfügen“. Aber anderseits habe er nur durch eine glückliche eeonsecaene sich von dem kommunistischen Antrag, der nur die Winkelabtreibung bedrohe, ferngehalten. Einer Verkürzung der Verjährungsfrist auf zwei Jahre, soweit es sich um Vergehen e, könnten die Deutschnationalen zustimmen. Zum § 254 leibe die Frage einer nur sorgfältig zu umgrenzenden eugenischen Indikation weiter ernstlich zu erwägen. Denn die der fortschreitenden Depravation der Bevölkerung sei zu groß, als daß nicht auf Mittel gesonnen werden müßte, mit denen man ihr entgegenwirken könne. Dem Zentrumsantrag zu § 254 könnten ine Freunde nicht beipflichten, da er eine gewisse Verschleierung
8 Tatbestandes der „ärztlich gebotenen Unterbrechung der
Schwangerschaft“ bedeute, und die begrüßenswerte Neuerung zweckwidrig belaste. Zum Schluß wandte Redner sich gegen das Revolverfnacen“ des Abg. Ehlermann (Dem.), der denen, welche gewissen demokratischen Forderungen nicht zustimmten, die Ver⸗ antwortung dafür zuschieben wollte, wenn sich etwa keine Mehrheit für die Aufre des Paragraphen fände. Die Verant⸗ wortung treffe vielmehr ie Demokraten, die trotz der im Entwurf enthaltenen e starr auf weiteren Forderungen be⸗ harrten. Schluß der Aussprache. — Es folgten eine große Reihe von Abstimmungen: Sie sind zunächst provisorisch. Der allgemeine Grundsatz, daß eine Bestrafung der Abtreibung erfolgen soll, wird dabei mit 14 gegen 12 Stimmen aufrechterhalten und infolgedessen der Absatz 1 des § 253 der Regierungsvorlage: „Eine Frau, die ihre Frucht im Mutterleibe oder durch Abtreibung tötet oder die Tötung durch einen anderen zuläßt, wird mit Gefängnis bestraft“ mit 16 gegen 12 Stimmen — zunächst vorläufig — genehmigt. Desgleichen der zweite Absatz: „Ebenso wird ein anderer bestraft, der eine Feucht im Mutterleibe oder durch Abtreibung tötet.“ Die Strafbarkeit des Versuches wurde mit 14 gegen 12 Stimmen. bejaht. Verneint wurde gegen 12 Stimmen die Frage, ob der Versuch straflos sein sollte. Die weitere Frag⸗ ob die „leichten Fälle über den Versuch“ auch auf den Fall der „Vollendung“ auszudehnen sind, wurde mit Stimmengleichheit abgelehnt. Mit 17 Stimmen wurde gegenüber Abänderungsanträgen die Vorschrift aufrechterhalten: „In besonders leichten Fällen kann das Gericht, auch wenn die Voraussetzungen des § 26 Absatz 3 nicht vorliegen, von Strafe absehen.“ Ebenso wenig wurde der letzte Absatz abgelehnt. Genehmigt wurde ferner die zweijährige Sen t. Bei der nun folgenden endgültigen Ab⸗ stimmung über die Gesamtheit des Paragraphen wurde diesmal der Luedege erste Absatz des Paragraphen 253 mit Stimmen⸗ leichheit abgelehnt. Damit ist der ganze Paragraph 253 hin⸗ falli . Der neue Antrag Ehlermann, der diesen 888 Abschnitt gleichfalls wörtlich enthält, wurde darauf nach wiederholter Ab⸗ rense bei Stimmenthaltung von drei Kommunisten mit 13 gegen 12 Stimmen angenommen, unter der Mehrheit ist die Stimme des Vorsitzenden. Dieser Antrag Ehlermann (Dem.) gibt dem Paragraphen 253 folgende Fassung: „Abtreibung. Eine Frau, die ihre Frucht im Mutterleib oder durch Abtreibung tötet oder die Tötung durch einen anderen zuläßt, wird mit Gefängnis bestraft. Ebenso wird ein anderer bestraft, der eine Frucht im Mutterleib oder durch Abtreibung tötet. Der Versuch ist strafbar. In besonders leichten Fällen kann das Gericht von Strafe absehen. Die Strafbarkeit erlischt für eine Frau, die diese Handlung an sich selbst vorgenommen hat oder hat vornehmen lassen, wenn seit der Handlung ein Jahr vergangen ist. Wer die im Absatz 2 bezeichnete Tat ohne Einwilligung der Schwangeren oder gewerbsmäßig begeht, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft, Ebenso wird bestraft, wer einer Schwangeren ein Mittel oder einen Gegenstand zur Abtreibung der Frucht gewerbsmäßig verschafft.“ § 254 (ärztlich gebotene Unterbrechung der Schwangerschaft) wird mit 18 gegen 10 Stimmen in folgender Form genehmigt: „Eine Abtreibung im Sinne dieses —— liegt nicht vor, wenn ein approbierter Arzt eine Schwangerschaft unterbricht, weil es nach den Regeln der ärztlichen Kunst zur Abwendung einer ernsten Gefahr für das Leben oder die Gehn; eit der Mutter erforderlich ist. Eine Tötung im Sinne dieses C isetzes liegt nicht vor, wenn ein approbierter Arzt aus dem gleichen Grunde ein in der Geburt begriffenes Kind tötet.“ Die sonst hierzu vorliegenden Anträge, insonderheit auch der Zentrumsantrag, wurden abgelehnt. — § 255 handelt von der Änkündigung von Abtreibungsmitteln. Dazu gehen eine Reihe mündlicher Anträge ein. Um diese drucken zu lassen, wurde die Beratung auf den 12. Juni vertagt.
— Der Handelspolitische Ausschuß des Reichstags wollte sich S mit den Anträgen auf Erhöhung der Vieh⸗ und Fleisch⸗ zölle, der Getreide⸗ und Futtermittelzölle, des Butter⸗ und Kar⸗ toffelzolls ah igen. Da aber gegenwärtig die Beratungen des von der Reichsregierung berufenen Sachverständigenaus⸗ schusses stattfinden, so vertagte sich der Ausschuß für Handels⸗ politik, bis Vorschläge der Sachverständigen vorliegen. Der Aus⸗ schuß dürfte daher erst Ende dieses Monats über die Zölle beraten.
— Der Volkswirtschaftliche Ausschuß des Reichstags, der unter dem Vorsitz des Abg. Simo n, Francen (Soz.) die Belieferung der EEA11“ der genossenschaftlichen Zentralverbände mit Kohlen behandelte, nahm gestern folgende Anträge nach längerer Aussprache an: Zunächst wurde ein sozialdemokratischer Antrag angenommen, der dem § 63 der 1“ gen zum Kohlenwirtschaftsgesetz folgende Fassung gibt: „Der Reichskohlenverband sorgt dafür, daß die Vereinigungen der Ver⸗ brauchsgenossenschaften die von ihnen benötigten Mengen zu den gleichen Preisen und Lieferungsbedingungen erhalten wie der Handel; die Einhaltung von Mindestpreisen dürfe 8 nicht auferlegt werden.“ Alsdann wurde noch folgender Zentrums⸗ antrag angenommen: „Die Reichsregierung wird ersucht, dahin zu wirken, daß 1. den Wirtschaftszentralen der genossenschaft⸗ lichen Zentralverbände von den Syndikaten der Kohlenwirtschaft die Mengen an Steinkohlen und Braunkohlenbriketts zugeteilt werden, die zur Deckung des eigenen Bedarfs der angeschlossenen 1“ ten erforderlich sind, sosrt nicht durch Minder⸗ produktion eine Kürzung erfolgen muß; 2. daß die Gleichstellung der genannten Wirtschaftszentralen mit dem privaten Großhandel restlos 1 und denselben für ihre Bezüge an Stein⸗ und Braunkohlenbriketts für gewerbliche Zwecke der Industrie⸗ preis eingeräumt wird.“
Der Hauptausschuß des Preußischen Landtags beschäftigte sich am 11. d. M. mit Anträgen der Deutschnationalen, der Deutschen Volkspartei und der Wirtschaftspartei, die eine Senkung der Realsteuern, der Gewerbe⸗ und Grundver⸗ mögenssteuer herbeiführen und den Gemeinden das Recht geben wollen, wieder Zuschläge zur Einkommensteuer oder einen besonderen Verwaltungskostenbeitrag zur Deckung der Gemeinde⸗ bedürfnisse einzuführen. Abg. Dr. Kauf hold (D. Nat.) be⸗ gründete die deutschnationalen Anträge und wies, laut Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deuts her Zeitungsverleger, darauf hin, daß auch der preußische Finanzminister in Hannover auf dem Nordwestdeutschen Handwerkertag erklärt habe, daß eine Senkung der Realstenern unter allen Umständen kommen müsse. Der Minister sabe bei dieser Gelegenheit auch das Zuschlagsrecht für die einkommensteuerfreien Teile gefordert. An einer zahlen⸗ mäßigen Gegenüberstellung mit der Vorkriegszeit zeigte der Redner, daß die stenerlichen Zustände auf dem Gebiete der Reolsteuern unhaltbar seien. Eine Aenderung könne nur dadurch erreicht werden, daß weitere Kreise für die Bedürfnisse der Ge⸗ meinden herangezogen werden. Preußen könne auf das Steuer⸗ vereinheitlichungsgesetz im Reiche nicht warten. Konsumvereine, öffentliche Betriebe und Warenhäuser müßten zur Steuer heran⸗ gezogen werden. Ein besonderer Verwaltungskostenbeitrag, sei notwendig. Abg. Szillat (Soz.) wandte sich gegen diese An⸗ träge; man müsse auch die Regelung im Reiche abwarten. Auch die Grundvermögenssteuer werde von den 1“ ge⸗ tragen, denn die Steuer werde ja abgewälzt. Abg. Klo t (Zentr.) verlangte gleichfalls zunächst die Reform im Reiche. Allerdings werde man auf die Dauer nicht an einer Reform der Realsteuern vorbeikommen. Der Zeitpunkt sei aber noch nicht da. Was den Verwaltungskostenbeitrag angehe, so sei es fraglich, ob seine Er⸗ hebung rechtlich zulässig sei. Abg. Dr. Neuman n⸗Frohnau (D. Vp.) hgts. daß man mit der schon wegen des Wettbewerbs mit dem Auslande notwendigen Senkung der Realsteuern bei den Gemeinden mit höchsten Zuschlagsätzen beginnen möge. Durch das Steuervereinheitlichungsgesetz könnten auch die Grenzen für das Zuschlagsrecht enger gezogen werden. Geeichzeitig müsse
das längst zugesagte Anteilbesteuerungsrecht den Gemeinden bel der Einkommensteuer gegeben werden. Ministerialdirektor Dr. Hog äußerte sich als Vertreter des preußischen Finanzministers zu der Reparationsentlastung. Er führte aus, wenn auch das sogenannte Pariser Abkommen 89 nicht ebgen sen sei, so sei es doch not⸗ wendig, schon jetzt die Richtung zu weisen, in der die von diesem Abkommen zu erhoffenden Erspernise zu verwenden seien. In erster Linie müßten sie verwandt werden, um den Reichshaushalt ohne Hinzunahme neuer Aufgaben und die Kassenlage des Reiches u sanieren. Danach aber sei das n eine Senkung der Steuern, und zwar neben einer Auseinanderziehung des Ein⸗ kommensteuertarifes vor allem die Senkung der Realsteuer. Diese Maßnahmen würden der durch die hohe Steuerlast ge⸗ vemnrhen inneren Kapitalbildung dienen, ebenso der Senkung der
roduktionskosten. Vom Reiche müsse erwartet werden, daß nun⸗ mehr mit Entschlossenheit die Steuerreform dur geführt würde. Dazu gehöre vor allem die Verabschiedung des teuervereinheit⸗ lichungsgesetzes und die Neuregelung des e1““ im Sinne einer selbständigen Anteilserhebung der Länder und Ge⸗ meinden bei der Einkommensteuer. Abg. Hoff (Dem.) erklärte, daß 88 Zuschlagsrecht auf die Einkommensteuer eine Linderung der Realsteuern nicht möglich sei. Auch die Besteuerung der öffentlichen Betriebe sei angebracht. Abg. Metz (Wirtsch. P.) hob hervor, der Grundgedanke der Anträge der öö“ sei der, daß das falsche System der Reichs teuerüberweisung in den Gemeinden zur Verschwendung der zfsentlichen Mittel geführt habe. Die Senkung der Feesteuern mit dem Endziel der Be⸗ 5— ung sei unbedingt zu fordern. Notwendig seien Zuschläge zur Einkommensteuer. Abg. Leinert (Soz.) betonte, daß man mit der Reparationsentlastung in Preußen nicht rechnen könne. Abg. Howe (D. Nat.) machte darauf aufmerksam, daß die über⸗ mäßige Steuerbelastung zur Vermehrung der Arbeitslosigkeit bei⸗ trage. In der Abstimmung wurde unter Ablehnung der übrigen Anträge der Antrag Stendel (D. Pp.) in teilweise abgeänderter Form angenommen. Danach wird das Staats⸗ ministerium ersucht, rechtzeitig bei der Reichsregierung dahin zu wirken, daß die etwaige Fenkung der Reparationslasten in erster Linie zu einer Senkung der Realsteuern benutzt werde. Mit mög⸗ lichster Beschleunigung sollen Gesetzentwürfe werden, durch die ein stärkerer Finanz⸗ und Lastenausgleich mit den preußischen Gemeinden herbeigeführt werden kann, damit alle Gemeinden mit annähernd gleichen Realsteuerzuschlägen aus⸗
kommen könnten. Ferner soll dahin gewirkt werden, daß in dem
Steuervereinheitlichungsgesetz gegen die Ueberspannung der Real⸗ steuerzuschlagssätze Schutzmaßnahmen Fe werden. Im Reichsfinanzausgleichsgesetz sollen die Bestimmungen
der Erhebung und Verteilung der Einkommensteuer dahin ge⸗ ändert werden, daß den Gemeinden das Bestimmungsrecht über die Höhe ihres Anteils an der Einkommensteuer zurückgegeben und ein festes Verhältnis in der Heranziehung der Einkommen⸗ und der Realsteuern zu den Gemeindeausgaben festgelegt wird.
— Der Gemeindeausschuß des Preußischen Landtags begann am 11. d. M. die Vorberatung des Gesetzes über die kommu⸗ nale Neugliederung im rheinisch⸗westfälischen Industriegebiet. Die Beratung wurde eröffnet durch einen Vortrag des Berichterstatters Abg. von Eynern (D. Vp.) über die TTöö hinsichtlich der Dekonzentration, die im § 41 niedergelegt sind. Von der Deutschen Volkspartei war ein Antrag vorgelegt worden über die Stärkung der Rechte der Be⸗ irksversammlung. In der Nnssprache äußerten sich die einzelnen
edner zu dieser Frage. Von verschiedenen Seiten wurden die Bestimmungen der Regierungsvorlage über die örtlichen Wahl⸗ bezirke kritisiert. Der Ausschuß will heute die Beratung über die
Dekonzentrationsfrage abschließen und sodann die Frage der
Bildung fsri ergeisehch er Arbeitsgemeinschaften behandeln. 9 sch
Daran soll si ließen die Beratung der kommunalen Einzel⸗
probleme. Es sollen zwei Lesungen vorgenommen werden. Für die zweite Lesung ist der 22. Juni in Aussicht genommen worden.
Nr. 23 des Reichs⸗Gesundheitsblatts vom 5. Juni 1929 hat folgenden Inhalt: A. Amtlicher Teil I. Fort⸗ laufende Meldungen uber die gemeingefährlichen Krankheiten im In⸗ und Auslande. — Zeitweilige Maßregeln gegen gemeingefährliche Krankheiten. — Gesetzgebung usw. (Preußen, Reg.⸗Bez. Wiesbaden.) Höchstzulässiger Wassergehalt in Fleischbrüh⸗ und Fleischkochwürsten. — (Mecklenburg⸗Schwerin.) Bekämpfung der Leberegelseuche. — (Vereinigte Staaten von Amerika.) Begriffsbestimmungen und Fest⸗
setzungen für Lebensmittel. — Fortsetzung und Schluß. — Tierseuchen
im Auslande. — Vermischtes. (Deutsches Reich.) Studienreise der Hygiene⸗Akademie⸗Dresden. — Krankenhäuser und medizinisch⸗wissen⸗
schaftliche Institute für die Annahme von Praktikanten. — Merkblatt
über das ansteckende Verkalben der Kühe. — Aerzterundfunk. — Geschenk⸗ liste. — B. Nichtamtlicher Teil. Abhandlungen. Merres, Zur Frage der Kennzeichnung von Fleisch⸗ und Fischdauer⸗ waren. — C. Amtlicher Teil II. Wochentabelle über Ehe⸗ schließungen, Geburten und Sterbefälle in den deutschen Großstädten
mit 100 000 und mehr Einwohnern. — Geburts⸗ und Sterblich⸗
keitsverhältnisse in einigen größeren Städten des Auslandes. — Erkrankungen und Sterbefälle deutschen Ländern. — Witterung.
Statistik und Volkswirtschaft.
Einfuhr von Getreide, Butter und Käse in das
deutsche Zollgebiet (Spezialhandel) im Mai und
in dem Zeitraum Januar bis Mai 1929. v 88 Januar bis Mai 1929
Wert 1000 RM
8 Mai 1929 Stat. Warenbezeichnung
Nr. Menge Wert Menge dz 1000 RM dz
1 Roggen .. .. 146 136 2 9377 500 670 2a] Weizen. 1 999 377 41 829] 8 739 996 162 a2] ¶Roggenmehl.. 40 2 40 162 b] Weizenmehl.. 25 415 858 109 411 14 392 4 955 298
3a] Gerste zur Vieh⸗ fütterung. 831 866 8 151 378 3 204 605 943 2 725 558 398
184 657 2
3 698 88 417
13 210 9 831
3 b] Andere Gerste Hafer .. .. 155 630 Butterschmalz 107 277. 23 463 522 912 135a/e] Käse (Hart⸗ und 8 318 Berlin, den 11. Juni 1929. Statistisches Reichsamt.
4 134 Milchbutter, Weichkäse) 52 231 (Weitere „Statistische Nachrichten“ s. i. d. Ersten Beilage.) (Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)
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Verantwortlich für den Anzeigenteil: Rechnungsdirektor Mengering in Berlin.
Verlag der Geschäftsstelle (Mengering) in Berlin. Druck der Preußischen Druckerei⸗ und Verlags⸗Aktiengesellschaft, Berlin. Wilhelmstraße 32.
Sieben Beilagen (einschließl. Börsenbeilage und zwei Zentralhandelsregisterbeilagen),
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an übertragbaren Krankheiten in
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Anzeigen nimmt an die telle Berlin SW. 48, Wilhelmstraße 32. Alle Druckaufträge Sperr⸗ Fettdruck (zweimal unter⸗
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iS⸗ dem Einrückungstermin bei der Geschäftsstelle eingegangen
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ös1929
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1 es muß aus den Manufkripten selbst auch rsichtlich sein, welche Worte durch Sperrdruck oder
Fettdruck hervorgehoben werden sollen. — Schriftleitung
und Geschäftsstelle lehnen jede Verantwortung für etwaige
auf Verschulden der Auftraggeber beruhende Unrichtig⸗ keiten oder Unvollständigkeiten des Manuskripts ab. 2☚☚
erden;
Inhalt des amtlichen Teiles:
Deutsches Reich. Bekanntmachung, betreffend die Beaufsichtigung privater Ver⸗ sicherungsunternehmungen durch die Landesbehörde.
Bekanntmachung, betreffend die Genehmigung von Aenderungen des Gesellschaftsvertrags des Deutschen Kalisyndikats.
Preußen.
Bekanntmachung über die Geschäftsstelle Stondesgerichtsbofe in Berlin. Bescheide über die Zulassung von Zündmitteln.
des Tierärztlichen
Amtliches.
eutsches Reich.
Bekanntmachung, betreffend die Beaufsichtigung privater Versiche⸗ rungsunternehmungen durch die Landesbehörde.
Auf Grund des § 3 Absatz 2 des Gesetzes über die privaten Versicherungsunternehmungen vom 12. Mai 1901 (ℳGBl. S. 139) bestimme ich im Einvernehmen mit den be⸗ teiligten Landesregierungen, daß bis auf weiteres die „Kranken⸗ kasse des Verbandes Württembergischer Gewerbevereine und Handwerkervereinigungen“ in Stuttgart durch die württem⸗ bergische Landesbehörde beaufsichtigt wird.
Berlin, den 12. Juni 1929.
Der Reichswirtschaftsminister. J. A.: Braunhälter.
Bekanntmachung.
Der Reichskalirat hat auf Grund des § 48 der Vorschriften zur Durchführung des Gesetzes über die Regelung der Kali⸗ wirtschaft vom 18. Juli 1919 nachstehende Aenderungen des LEE1114 des Deutschen Kalisyndikats G. m. b. H. genehmigt.
I. § 4 Absatz 1 Satz 1 erhält an Stelle des bisherigen folgenden
Wortlaut:
„Das Stammkapital der Gesellschaft beträgt 1 575 850 Reichsmark und ist voll gezahlt.“
II. § 7 Absatz 2: Die Sätze 3 bis 5 erhalten an Stelle des bis⸗ herigen folgenden Wortlaut:
„Sodann wählt die Gesellschafterversammlung 24 weitere Mitglieder, und zwar sofern nicht einstimmige Wahl durch Zuruf stattfindet, durch mündliche Stimmabgabe zu Proto⸗ koll. Im letzten Falle kann jeder Gesellschafter oder jede Gruppe von Gesellschaftern für je ½, aller Stimmen ein Aufsichtsratsmitglied ernennen; soweit ein Gesellschafter oder eine Gruppe von Gesellschaftern mehr als ½ der Stimmen hat, sind sie berechtigt, mit dieser Spitze sich einer anderen Gruppe bei der Wahl anzuschließen. Von den dann noch zu wählenden Aufsichtsratsmitgliedern wird jedes in einem besonderen Wahlgange, und zwar von den an der Gruppen⸗ wahl nicht beteiligten Gesellschaftern oder, wenn diese über weniger als ½ aller Stimmen verfügen, von allen Gesell⸗ 1.-n mit mehr als der Hälfte der abgegebenen Stimmen gewählt.“
III. § 4 Absatz 1 Satz 1 erhält an Stelle des zu I ange⸗ gebenen Wortlauts folgende Fassung: „Das Stammkapital der Gesellschaft beträgt 1 582 650 Reichsmark und ist voll gezahlt.“
Berlin, den 12. Juni 1929. Der Vorsitzende des Reichskalirats. Dr. Zirkler.
Preußen.
Ministerium für Landwirtschaft, Domän und Forsten.
Bekanntmachung
über die Geschäftsstelle des Tierärztlichen Standes⸗ gerichtshofs in Berlin.
Gemäß § 1 Abs. 3 der Ce chft e für die Tier⸗ ärztlichen Standesgerichte und den Tierärztlichen Standes⸗ erichtshof vom 23. Mai 1929 (Min.⸗Blatt der Pr. Verwaltung für Landwirtschaft, Domänen und Forsten, S. 239) wird hier⸗ mit bekanntgemacht, daß sich die Geschäftsstelle des Tierärzt⸗ lichen Standesgerichtshofs im Pr. Ministerium für Landwirt⸗ schaft, Domänen und Forsten, Berlin W. 9, Königgrätzer Straße Nr. 123, befindet. Berlin, den 6. Juni 1929. Der Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten
J. A.: Wiemann.
Bescheid über die Zulassung von Zündmitteln.
Nachstehend bezeichnetes Zündmittel wird hiermit für den Bezirk des Oberbergamts Bonn zum Gebrauch in den der Aufsicht der Bergbehörde unterstehenden Betrieben zugelassen.
A. Nähere Merkmale des Zündmittels:
1. Herstellende Firma: Fabrik elektrischer Zünder G. m. b. H., 2. Sitz der Firma: Berlin W. 9, Linkstr. 25, — Köln⸗Nippes,
Nesselrodestr. 20, 8 3. Herstellungsort: Köln⸗Riehl, Hochkreuz bei Köln und Troisdorf (Rheinland), 1 4. Bezeichnung des Zündmittels: „Elektrischer Moment⸗Kombi⸗ nationszünder Saturn“,
5. Beschaffenheit des Zündmittels: Brückenzünder kombiniert, mit festem Spaltzündkopf, mit Papp⸗ oder Messinghülsen, die zur Kennzeichnung der Zünder als Kombinationszünder blau gefärbt sind, unter Verwendung von gewöhnlichem brennbarem Verguß oder unentflammbarer Vergußmasse, an Eisen⸗ oder Kupferdrähten mit Papier⸗ oder Baumwollbespinnung und brennbarer (Kabelwachs usw.) Imprägnierung oder Impräg⸗ nierung mit einer unbrennbaren Isoliermasse, für nasse Arbeiten an Kupferdrähten mit Gummiumpressung und Baumwoll⸗ isolierung oder mit einer stärkeren Gummiumpressung ohne Baumwollisolierung, gegen das Eindringen von Feuchtigkeit besonders abgedichtet. Die Zünder werden mit und ohne “ geliefert, im ersteren Falle entweder in Fprtag kapseln eingegossen oder mit Messing⸗ bzw. Papphülsen, in welche die Sprengkapseln montiert werden.
B) Verwendungsbereich:
Gesamter Bergbau des Oberbergamtsbezirks Bonn, mit der Einschränkung, daß in Steinkohlengruben nur die unbrenn⸗
Bonn, den 4. Juni 1929.
Preußisches Oberbergamt. Lungstras.
Bescheid über die Zulassung eines Zündmittels. a) Bezeichnung des Zündmittels: Elektrischer Moment⸗Brücken⸗ zünder „Mars“, Name und Sitz der Firma: Fabrik elektrischer Zünder G. m. b. H. Köln⸗Niehl und Berlin, Ort der Herstellung: Fabriken in Köln⸗Niehl, Hochkreuz bei Köln und Troisdorf (Rheinland), Beschaffenheit des Zündmittels: Der Zünder ist in der üblichen Weise als Brückenzünder hergestellt, und zwar mit Papp⸗ oder Messinghülse, die zur Kenntlichmachung der Zünder als niedrigohmige Brückenzünder gelb gefärbt ist unter Ver⸗ wendung von gewöhnlichem brennbaren Verguß oder unent⸗ flammbarer Vergußmasse. Eisen⸗ oder Kupferdrähte mit Papier⸗ oder Baumwollumspinnung und brennbarer oder üunbrennbarer Isoliermasse; für nasse Arbeiten in besonders geschützter Ausführung. Die Zünder werden mit und ohne L“ geliefert. e) Zugelassen für den gesamten Bezirk des Oberbergamts Halle a. S., den 10. Juni 1929.
Preußisches Oberbergamt.
Nichtamtliches.
Deutscher Reichstag. 83. Sitzung vom 11. Juni 1929. Nachtrag. Die Rede, die der Reichsminister des Innern Severing in der fortgesetzten Beratung des Etats des Reichsinnen⸗
ministeriums gehalten hat, lautet nach dem vorliegenden Steno⸗ gramm, wie folgt:
Meine Damen und Herren! Die Weitschichtigkeit und Viel⸗
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sehr deutlich zum Ausdruck gekommen, insbesondere dadurch, daß an den ersten beiden Tagen die Redner auf den Verfassungs⸗ minister und den Polizeiminister eingeredet haben, daß gestern der Bildungsminister im Mittelpunkt der Debatte stand, und daß wir heute erlebten, daß der Herr Kollege Strathmann an den Gesundheitsminister appellierte. Der Herr Kollege Strathmann hat dabei auf Entschließungen verwiesen, die der Preußische Land⸗ tag vor einigen Monaten angenommen hat, in denen zu den Fragen von Schund und Schmutz in der Literatur Stellung ge⸗ nommen wurde. Der Herr Kollege Strathmann hat mich gefragt, ob ich gesonnen sei, der Aufforderung dieser Resolutionen nachzu⸗ kommen. Ich darf den Herrn Kollegen Strathmann daran er⸗ innern, daß die Resolutionen, wenn ich mich recht entsinne, in der Forderung an die Preußische Staatsregierung gipfeln, sich mit der Reichsregierung in Verbindung zu setzen, um den Schäden, die in den Resolutionen festgestellt worden sind, zu Leibe zu gehen. Ich muß anfügen, daß die Preußische Staatsregierung bisher eine Einwirkung auf die Reichsregierung nicht versucht hat. Hört, hört! und Zuruf bei den Deutschnationalen: Das läßt tief blicken!) — Das läßt gar nicht tief blicken; die Gründe dafür liegen meines Erachtens auf der Hand. Die Preußische Staatsregierung scheint mit mir der Meinung zu sein, oder ich will mich noch deutlicher ausdrücken: die Preußische Staatsregierung ist mit mir der Meinung, daß es zur Bekämpfung wirklicher Ausschreitungen auf den Gebieten, die in den Resolutionen berührt sind, nicht neuer Gesetze bedarf, sondern daß die vorhandenen Gesetze und Polizei⸗ vorschriften durchaus genügen, um eine wirksame Waffe den Be⸗ hörden an die Hand zu geben.
Wenn wir nun aber in eine Debatte darüber eintreten sollten, durch welche Werke der Kunst, insbesondere der dramatischen Kunst, schon die Begriffe wahrer Kunst und Literatur gestört würden, dann glaube ich, würden sich große Unstimmigkeiten ein⸗ stellen. Denn während ich dem Herrn Kollegen Strathmann darin folge, gegen den wirklichen Schmutz und Schund oder gegen das wirkliche Anreißertum, gegen die Sensationshascherei anzugehen, so kann ich ihm darin nicht beipflichten, daß in die Liste der zu verfolgenden dramatischen Werke auch die „Verbrecher“ auf⸗ genommen werden müssen. Wenn der Hexrr Abgeordnete D. Strath⸗ mann der Meinung Ausdruck gab, die Aufführung eines der⸗ artigen Stückes sei eine moralische Unterhöhlung des geltenden Rechts und müsse eine vollkommene Verzweiflung an der Rechts⸗ pflege auslösen, so steht er mit dieser Auffassung sehr vereinzelt da. Nicht einmal der Richterstand teilt diese Auffassung; ich kann dem Herrn Abgeordneten D. Strathmann verraten, daß gelegent⸗ lich der hessischen Polizeiwoche die Veranstalter den Gästen im
bar hergestellten Zünder verwendet werden dürfen. 8 —
gestaltigkeit des Reichsministeriums des Inuern ist in der Debatte
Darmstädter Landestheater gerade eine Aufführung der „Ver⸗ brecher“ geboten haben, also Gästen, die zum größten Teil aus Juristen und höheren Polizeibeamten bestanden. Mir ist ferner bekannt, daß auch ein Richterverein seinen Mitgliedern geraten hat, sich die „Verbrecher“ anzusehen. Man darf wohl der Meinung sein, daß richterliche oder Polizeivereinigungen ihren Mitgliedern den Besuch derartiger Aufführungen nicht empfehlen würden, wenn sie eine moralische Unterhöhlung des geltenden Rechts darstellen würden. (Zuruf rechts.) Wenn das das Kenn⸗ zeichen von Schmutz und Schund sein sollte, daß Verbrechen auf der Bühne dargestellt werden, dann dürften wir nicht Wedekind, nicht einmal die „Räuber“ und auch nicht Shakespeare aufführen (sehr richtig; links), und ich fürchte, wir würden da eine arge Ver⸗ wüstung und Verödung wertvoller literarischer und dramatischer Erzeugnisse anrichten. Insoweit kann ich also dem Herr Kollegen Strathmann nicht folgen.
Im übrigen hat der Herr Abgeordnete Strathmann seine pessimistische Anschauung über die sittliche Verwahrlosung des deutschen Volkes selbst widerlegt, als er darauf hinwies, daß Frankreich in der Produktion der von ihm beklagten Erzeugnisse uns über sei, daß das Buch „Die Kameradschaftsehe“ aus Amerika importiert sei. (Zuruf rechts.) Nun können wir aber weder auf die französische literarische Produktion einwirken, noch können wir Amerika vorschreiben, was es auf diesem Gebiet produzieren oder unterlassen soll. Im übrigen hat „Die Kameradschaftsehe“, von der ich weiß, daß sie in Studentenkreisen sehr viel gelesen wird. bei uns gar keine Verheerung angerichtet. Unsere jungen Leute wägen ganz kühl und nüchtern die Darlegungen dieses Buchs ab, ohne die vom Abgeordneten Strathmann befürchteten Folgerungen zu ziehen!
Der Herr Kollege D. Strathmann hat von der moralischen Durchseuchung des deutschen Volks gesprochen. Das ist ein so starker Ausdruck und ein so schwerer Vorwurf, daß ich mich ver⸗ pflichtet fühle, ihn von dieser Stelle aus mit aller Schärfe zurück⸗ zuweisen. (Lebhafte Zustimmung links.) Der Herr Kollege D. Strathmann hat auch kein Recht, die Bestrebungen künst⸗ lerischer Kreise gegen die Wiedereinführung der Zensur als