1929 / 147 p. 1 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 27 Jun 1929 18:00:01 GMT) scan diff

Reichs⸗ und Staatsanzeiger Nr. 146 vom 26. J

uni 1929. S. 4.

von A bis Z unrichtig. fängt jetzt erst an zu stehlen, zu Ihrer Zeit erteilt ihm einen Ordnungsruf.)

In der nun folgenden Abstimmung wird der § 1 des Gesetzentwurfs gegen die Rechte angenommen.

Bei der Abstimmung über § 2 wird zunächst der Se. volksparteiliche Zusatzantrag abgelehnt, wonach die Be⸗ stimmung des § 2 keine Anwendung soll auf Streitig⸗ keiten, die vor Schiedsgerichten nthängig sind, wenn die Schiedsverträge nach dem Jotrafttrefen es Aufwertungs⸗ gesetzes vom 16. Juli 1925 abgeschlossen worden sind. Die Abstimmung über den § 2 in der Ausschußfassung, wonach dire Aussetzung von Rechtsstreitigkeiten bis zum Inkrafttreten einer reichsgesetzlichen auf Verfahren nach §§ 916 bis 945 der Zivilprozeßordnung nicht Anwendung findet und auch der § 926 der Zivilprozeßordnung in diesem Falle nicht angewandt wird, bleibt zweifelhaft. Durch Auszählung wird dann der § 2 mit 197 gegen 149 Stimmen angenommen.

Desgleichen wird § 3 angenommen, wonach das Sperr⸗ gesetz mit dem Tage nach der Verkündung in Kraft und mit dem 31. März 1930 außer Kraft tritt.

Vor der Abstimmung über die Einleitung und Ueber⸗ schrift des Gesetzes muß über den Antrag Dr. (Soz.): In der Einleitung des Gesetzentwurfs den Nebensatz: „nachdem zur Vermeidung von Zweifeln festgestellt ist, daß die Erfordernisse verfassungsändernder Gesetzgebung erfüllt sind“ zu streichen, wiederum Auszählung erfolgen. Der An⸗ trag wird mit 183 gegen 171 Stimmen angenommen. Hierauf wird mit dieser Aenderung die Einleitung und Ueberschrift angenommen. . b G

Abg. von Lindeiner⸗Wildaun (D. Nat.) erklärt: Ich stelle fest, daß der Reichstag das erste Mal in seiner E“ es

internommen hat, selbst zu der Frage Stellung zu nehmen, ob Verfassungsänderung oder nicht, und zwar unter Stellungnahme einer der größten Regierungsparteien gegen die Vorlage. Das ist allerdings eine Nichtachtung der moralischen Forderung, die Ver⸗ fassung zu wahren. (Sehr wahr.) 1 .“ G Präsident Löbe erklärt: Nach meiner Auffassung hat der Reichstag nicht zu der Frage der Verfassungsänderung Stellung genommen, sondern er hat den dazu berufenen Instanzen die Ent⸗ scheidung überlassen. 1 Es folgt die dritte Beratung des Gesetzentwurfs zur Verlängerung des Gesetzes zum Schutze der Republik. Nach dem Beschluß der zweiten Lesung soll das Gesetz bis zum 31. Dezember 1930 verlängert werden.

Abg. Maslowski (Komm.) hebt nochmals hervor, daß dieses Gesetz eine Verfolgungsmaßnahme gegen die T Partei sei, wie neuerdings die Verbote der kommunistischen Zeitungen wieder gezeigt hätten. Die Verbote seien mit ganz vagen Behauptungen und leeren Redensarten begründet worden. Die Feststellung der kommunistischen Presse, daß der Sturz der kapitalistischen Gesellschaft zu einem neuen Krieg führen könne, sei nur dasselbe, was auch die Sozialdemokraten vor dem Kriege gesagt hätten. Damit die Zeitungen nicht geschrieben werden könnten, würden jetzt die Redakteure verhaftet. Bei der Ver⸗ haftung des Redakteurs Hampel sei gesagt worden, er sei unver⸗ heiratet, und deshalb könne er ohne Schaden in Untersuchungshaft genommen werden. Die Mai⸗Vorgänge in Berlin seien ohne Grund zum Vorwand genommen worden, um den Roten Front⸗ kämpferbund verbieten zu können. Dem „Stahlhelm“ tue man aber nichts, obwohl er bis an die Zähne bewaffnet sei, wie die Waffenfunde in Hohenneuendorf bei Herrn Elfers beweisen. Herr Elfers habe ruhig nach Hause gehen können, die .““ chen Redakteure aber marschierten ins Loch. Alles deute auf Vor⸗ bereitungen zum Verbot der ganzen Kommunistischen Partei hin. Herr Rosenfeld stelle sich als Kämpfer gegen die Monarchisten hin, aber es handle sich heute nicht mehr um den Monarchismus, sondern um den Faszismus. Als Herr Rosenfeld neulich gesagt habe, seine Partei kämpfe für die sozialistische Republik, habe alles gelacht. Womit wolle er diese sozialistische Republik erreichen? Mit dem Polizeiknüppel Zörgiebels doch nicht. Die Republik sei nur die letzte Staatsform für die Entscheidung zwischen Kapital und Arbeit. 8 Abg. Dr. Goebbels (Nat. Soz.) erinnert daran, daß das Fhteens chttagfisnt nur in der Atmosphäre und unter dem Druck des Rathenau⸗Mordes zustande gekommen sei. Als das Gesetz abgelaufen sei, brachte nur die Zustimmung der Deutsch⸗ nationalen die Verlängerung zustande. Was schütze denn das Gesetz? Nicht die Form des Staates, sondern einen Zustand, der auf die Dauer für das dentsche Volk unerträglich sei. Man wolle Andersdenkende niederknüppeln. Die Republik und ihr Symbol, die schwarzrotgoldene Fahne, solle geschützt werden. Eine Fahne werde am besten geschützt durch die Liebe des Staats⸗ bürgers; Liebe könne man aber nicht erzwingen. Redner ver⸗ liest wieder den Brief, in f

Abg. Dr. Quagatz [D. Nat.]: Preußen [ Präsident Löbe

welchem dem früheren Reichskanzler Bauer von Barmat 5000 Dollar Zuwendung angekündigt wurde. (Rufe bei den Sozialdemokraten: Gefälscht!) Wenn Sie (zu den Sozialdemokraten) nichts anderes wissen, behaupten Sie eine Fälschung. (Großer Lärm bei den Sozialdemokraten. Das vie kgk schutsgsses zeige nur die Angst vor einer kommenden Ab⸗ rechnung. Und wie werde das Gesetz angewendet? Gefängnis⸗ würden wegen lächerlicher Kleinigkeit gegen nationale Männer verhängt. (Lachen bei den Sozialdemokraten.) Sie (zu den Sozialdemokraten) ersetzen die Leistungen durch Nieder⸗ knüppein. Sie haben das Volk ins tiefste Elend gestoßen und die nationale Ehre mit Füßen gestoßen. (Vizepräsident Kar⸗ dorf erteilt einen Sebrnüsrunh In der Revolution haben Sie die Meinungsfreiheit proklamiert; mit dem Republikschutz⸗ gesetz haben Sie sich selbst desavouiert. (Fortgesetzter Lärm bei den Sozialdemokraten.) Meinungsfreiheit besteht nur noch für die Sozialdemokraten, Demokraten und andere Juden. (Große Heiterkeit.) Für andere heißt die Meinungsfreiheit nur: den Gummiknüppel über den Schädel. Nicht Gesinnungs⸗ und Meinungsfreiheit schaffen Sie, sondern Gesinnungsterror und Gesinnungslumperei. Aber es wird der Tag der Abrechnung kommen. Denken Sie nur an die Wahlen. In Koburg hat unsere Partei schon die Mehrheit bekommen; wir brauchen kein Republikschutzgesetz, wir werden Sie legal aufhängen. (Heiter⸗ keit und Lärm.)

Damit schließt die Aussprache. Die Abstimmung wird am Donnerstag zusammen mit den Abstimmungen über den Etat stattfinden.

Der Handelsvertrag mit Estland wird dem Auswärtigen Ausschuß und dem Handelspolitischen Aus⸗ schuß überwiesen.

Es folgt die zweite Lesung des Zusatzabkommens zum Handelsvertrag mit der Schweiz in Verbindung mit dem Ausschußbericht über die Schutzzölle und dem Gesetz zur Ausführung der Empfehlungen der Weltwirtschaftskonferenz.

Der Aeltestenrat schlägt eine halbe Stunde Redezeit vor. Auf Antrag des Abg. D. Dr. Bredt (Wirtsch. P.) wird jedoch gegen die Stimmen der Kommunisten und Sozial⸗ demokraten die Redezeit auf zehn Minuten beschränkt. (Großer Lärm bei den Kommunisten.)

Abg. Dr. Zapf (D. Vp.) macht darauf aufmerksam, daß der Ausschuß die Aenderung des schweizerischen Handelsvertrags ab⸗ Feichnt habe, und beantragt Wiederherstellung der Regierungs⸗

vorlage.

strafen

Abg. Stoecker (Komm.) protestiert gegen die Beschränkung der Redezeit und erklärt: Wenn Sie glauben, damit durchzu⸗ kommen, dann irren Sie sich; wenn Sie nicht in diesen Tagen bei den Brot⸗ und Butterzöllen Sturmszenen erleben wollen, dann hüten Sie sich. (Lebhafter Beifall bei den Kommunisten. Abg. Höllein [Komm.]: Wozu geht Ihr überhaupt noch in den Aeltestenrat, wenn Ihr seine Beschlüsse doch nicht achten wollt?)

Abg. Schultz⸗Bromberg (D. Nat.) bestätigt, daß der Aeltestenrat eine Redezeit von einer halben Stunde vorgeschlagen hat, und empfiehlt, dem Verlangen der Kommunisten nachzu⸗ kommen.

Abg. Dittmann (Soz.) erwidert, gerade die Deutsch⸗ nationalen seien schuld an der Verkürzung der Redezeit. (Wider⸗ spruch bei den Deutschnationalen.)

Abg. Dr. Zapf (D. Vp.) erklärt, nachdem festgestellt sei, daß der eine Redezeit von einer halben Stunde ver⸗ sprochen habe, halte er es für eine Pflicht der Loyalität den Kommunisten gegenüber, daß man sich an dieses LE1 halte. (Lärm bei den Kommunisten und Rufe: Warum nicht gleich so?

Nachdem die Abgeordneten Dr. Bell (Zentr.) und Mollath (Wirtsch. P.) ähnliche Erklärungen abgegeben haben, wird die Redezeit auf eine halbe Stunde festgesetzt.

Abg. Hörnle (Komm.) bezeichnet die Beschlüsse der Welt⸗ wirtschaftskonferenz, betreffend Herabsetzung der Schutzzölle, als eine Fiktion, die noch keine praktischen Folgen gezeitigt habe. Das Zusatzabkommen mit der Schweiz werde ausdrücklich auf Befehl der Industriellen vorgelegt, um die Zölle auf Schuhwaren zu er⸗ höhen. Den Deutschnationalen seien die in dem Zusatzabkommen 1““ Agrarschutzzölle nicht hoch genug, deshalb lehnten ie es ab.

Abg. Feder⸗Sachsen (Nat. Soz.) betont die große Arbeits⸗ losigkeit der Schuharbeiter. Angesichts dieser Tatsache sei es ein Gebot der nationalen Selbsterhaltung, die deutsche Schuharbeiter⸗ schaft durch Schutzzölle vor ausländischer Schleuderkonkurrenz zu schützen. Daher stimme die nationalsozialistische Fraktion dem Ge⸗ feseeewurf zu.

Abg. Simon⸗Franken (Soz.) polemisiert gegen die Aus⸗ führungen des Abg. Hörnle und bestreitet das Vorhandensein einer günstigen Lage in der Schuhindustrie. Heute noch habe man eine Arbeitslosigkeit von über 20 vH und eine Kurzarbeiterschaft von über 30 vH.

Bei der Abstimmung wird das Zusatzabkommen gegen die Stimmen der Kommunisten in zweiter Beratung, darauf auch in der Schlußabstimmung angenommen.

Gleichfalls in zweiter und dritter Beratung angenommen wird der Gesetzentwurf, betreffend die Ratifikation des Ge⸗ setzes über die von Häuten und Fellen sowie über die Ausfuhr von Knochen.

Bei der ersten Beratung der Anträge der Deutschnatio⸗ nalen und der Deutschen Bauernpartei zur Aenderung der Zuckersteuer und der Bayerischen Volkspartei, des Zentrums und der Demokraten zur Aenderung der Bier⸗ steuer protestiert

Abg. Ende (Komm.) gegen die Durchpeitschung dieser Vor⸗ lagen, die nach seiner Meinung Steuerbegünstigungen für die Kapitalisten bringen sollen.

Die Anträge werden dem Steuerausschuß überwiesen.

Die zweite Lesung des Auslieferungsgesetzes wird von der Tagesordnung abgesetzt, weil dabei eine aus⸗ gedehnte Debatte stattfinden würde und die Vorlage nicht als dringlich angesehen wird.

Genehmigt wird die vom Finanzminister beabsichtigte Veräußerung eines Teils der Artilleriekaserne Gottesaue in Karlsruhe und der Bataillons⸗ kaserne in Beuthen (O. S.).

Um 7 Uhr vertagt sich das Haus auf Mittwoch 10 Uhr: Anträge auf Erhöhung der Agrarzölle und andere Anträge zum landwirtschaftlichen Notprogramm, dritte Beratung des Etats, evtl. zurückgestellte Abstimmungen.

Preußischer Landtag 89. Sitzung vom 25. Juni 1929, 13 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger.)

Der Preußische Landtag begann heute seinen letzten Plenarsitzungsabschnitt vor der Sommerpause.

Vor Beginn der Beratungen gedenkt Präsident Bartels, während die Abgeordneten sich von ihren Plätzen erheben, des Ablebens des erst am 20. Mai 1928 in den Landtag gekommenen sozialdemokratischen Abg. Garbe⸗ Bochum und des seit mehr als 33 Jahren der Zentrums⸗ fraktion angehörenden Abg. Graw⸗Ostpreußen.

In einer Erklärung außerhalb der Tagesordnung be⸗ zeichnet Abg. Simon⸗Neusalz (Soz.) die vor der Pause von dem Abg. Mursch (D. Nat.) gegen sozialdemokratische Beamte in Oberschlesien erhobenen Vorwürfe über angebliche Mißwirtschaft als in allen Einzelheiten falsch.

Der Abg. Wollweber (Komm.) beantragt Ausschuß⸗ überweisung eines Antrages seiner Fraktion zur Linderung der Notlage der in Schlesien ausgesperrten 50 000 Textil⸗ arbeiter. Das Haus stimmt der Ueberweisung zu, ebenso der eines Antrages Vollmers⸗Altendorf (D. Fr.), der zu den vorliegenden Grenzlandanträgen Ergänzungen vor⸗ schlägt.

Ein volksparteilicher Antrag, den ungesetzlichen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen“ bei der Ein⸗ treibung von Forderungen gegenüber der bäuerlichen Be⸗ völkerung entgegenzuwirken, geht debattelos an den Rechts⸗ ausschuß.

Ohne Aussprache werden Anträge des Ver⸗ kehrsausschusses angenommen, auf die Reichs⸗ regierung einzuwirken, daß die westlichen Grenzgebiete, ins⸗ besondere auch diejenigen, die durch die derzeitige Abtrennung des Saargebiets ihr Hauptabsatzgebiet für ländliche Produkte verloren haben, durch Kraftwagen eine neue regelmäßige Ver⸗ bindung untereinander und mit den nächstgelegenen größeren Absatzgebieten erhalten. Fahrt⸗ und Transportkosten sind mit Rücksicht auf die wirtschaftliche Not dieser Grenzgebiete so niedrig als möglich zu halten. 8

In angenommenen Anträgen des bevölke⸗ rungspolitischen Ausschusses soll der Einfluß der Jugendämter bei der Beaufsichtigung der Kinderarbeit gestärkt werden. Weiter wird ein Ausschußantrag ange⸗ nommen, in eine Nachprüfung der Preußischen Gebührenord⸗ nung für Aerzte und Zahnärzte einzutreten. .

Die zur ersten Beratung vorgelegten Entwürfe über die Aufhebung des kommunalständischen Ver⸗ bandes der Altmark und über Ermächtigung für die Bereitstellung eines Kredites von 1 000 000 RM für Bodenverbesserungen auf staatlichen Do⸗ mänen gehen ohne Aussprache an die Ausschüsse.

Es folgt die erste Lesung des Polizeikosten⸗ gesetzes, gegen das der Staatsrat sich ausgesprochen hat, weil es nur den Gemeinden mit staatlicher, nicht aber denen mit kommunaler Polizei einen besseren Lastenausgleich bringt.

Abg. Borck (D. Nat.) unterstreicht diese Tatsache und meint, daß auch darüber hinaus nur die großen Städte mit staatlicher Polizei von der Vorlage profitieren würden. Ein Entwurf, der aber diese Mängel habe, sei unzulänglich. Die Deutschnationalen würden daran mitarbeiten, wenn im Ausschuß die Gemeinden mit kommunaler Polizei mit einbezogen würden. Man könne damit nicht, wie die Regierung es wolle, bis zum endgültigen Finanz⸗ ausgleich warten.

Abg. Hensen⸗Godesberg (Zentr.) erklärt die Bereitwillig⸗ keit seiner Fraktion, an dem Gesetz mitzuarbeiten. Einzelne Ver⸗ besserungen zugunsten der Kommunen würden im Ausschuß beantragt werden. Ausführlich schildert der Redner, 8 für die Orte mit kommunaler Polizei der Kopfanteil der Polizeikosten erheblich über dem der Gemeinden mit staatlicher Polizei liege. Besonders hoch seien die Polizeikosten in den besetzten Gebieten, vor allem in Bonn. Leider seien bisher die Anträge auf Verstaat⸗ lichung der Polizei für diese Orte größtenteils abgelehnt worden,

Abg. Kasper (Komm.) betont, der Gesetzentwurf sei grund⸗ sätzlich abzulehnen, da der Staat auf der einen Seite den Ge⸗ meinden bis ins kleinste die Polizeiaufgaben vorschreibe, auf der anderen Seite aber der so bevormundeten Gemeinde noch die Kosten aufbürde.

Abg. Metzenthin (D. Pp.) verweist auf den Beschluß des Gemeindeausschusses von 1927, der einen wirklichen Lastenaus⸗ gleich forderte. Trotz der mehrmaligen weiteren Aufforderungen habe die Regierung jetzt in dem vorliegenden Regierungsentwurf diesen Grundsatz des Lastenausgleichs überhaupt nicht angewandt. So bezahle jetzt ein ganz kleines schlesisches Städtchen an der Grenze, das nicht leben und nicht sterben könne, 7—10 Mark pro Kopf für die Polizei, während Berlin nur 4 Mark bezahlt. Die Städte mit kommunaler Polizei bezahlen 2 ¼ mal soviel wie die Pit und reicheren Städte mit staatlicher Polizei. Das Gesetz ollte für alle Parteien unannehmbar sein.

Abg. Barteld⸗Hannover (Dem.) fordert Frssineh des Kostenausgleichs und Verbesserung für die Kommunen. Wenn man bisher immer bemängelt habe, daß die geltenden Ver⸗ waltungsvorschriften zu unzähligen führten, dürfe man nicht übersehen, daß die Grundlage dazu schon im Polizeikostengesetz von 1908 sich finde. Vordringlich sei der Lastenausgleich auch für die kommunale Polizei. Hinzu käme noch die Notwendigkeit eines endgültigen Schullastenausgleichs. Man Flüsse daher dringend wünschen, daß bis zum 1. April des nächsten Jahres der endgültige Finanzausgleich komme. 1

Abg. Haase⸗Liegnitz (Wirtsch. P.) erklärt, der Gesetzentwurf in der vorliegenden Fassung sei absolut nicht tragbar, weil⸗ danach die Kopfbelastung allzu stark differieren würde. Die endgültige Stellungnahme behalte sich die Wirtschaftspartei noch vor, erwarte aber bestimmt, daß bis zum 1. April 1930 die endgültige Regelung auch für die kommunale Polizei durchgeführt sei.

Der Gesetzentwurf geht an den Hauptausschuß.

Es folgt die zweite Beratung des Gesetzentwurfs, der bezüglich der Umbildung der Stettiner Hafen⸗ gesellschaften das Staatsministerium ermächtigt, die Hälfte des Anteils, den die Industrie⸗ und Handelskammer in Stettin am Stammkapital der Stettiner Hafenbetriebs⸗ 16“ m. b. H. im Nennwerte von 45 000 RM hat, gegen Zahlung von 15 000 RM unter der Voraussetzung zu erwerben, daß die Stadt Stettin die andere Hälfte des An⸗ teils erwirbt. Das gemeinschaftliche Vermögen der Stettiner Hafengemeinschaft soll gemeinsam mit der Stadt Stettin in die Stettiner Hafenbetriebsgesellschaft eingebracht werden, die dann den Namen „Stettiner Hafengesellschaft m. b. H.“ führen soll.

Für den Hauptausschuß, der die Annahme der Vorlage empfiehlt, berichtet Abg. Kickhöffel (D. Nat.). In mehreren Entschließungsanträgen wird u. a. gefordert, daß von den 9 vom preußischen Staat zu stellenden Aufsichtsratsmitgliedern der Stettiner Hafengesellschaft 5 dem Landtag angehören.

Abg. Hartwig (Soz.) beantragt, das Aufgabengebiet des vorgesehenen Arbeitsausschusses zu begrenzen. Weiter wünscht ex, daß Vertreter der Gewerkschaften in den Aufsichtsrat hineingewählt würden.

Abg. Ilse Noack (D. Nat.) stimmt dem Gesetz mit den Ent⸗ schließungen des Ausschusses zu. Der sozialdemokratische Antra auf Beteiligung der Arbeiter am Aufsichtsrat sei überflüssig, wei schon das Betriebsrätegesetz die erforderlichen Handhaben biete.

Bei dem Wettbewerb, den jetzt an der Ostseeküste Polen den

deutschen Häfen bereite, müsse deren Ausbau besonders gefördert werden. b

Abg. Grebe (Zentr.) macht darauf aufmerksam, daß durch eine konkrete Fassung des sozialdemokratischen Antrags auf Zu⸗ ziehung von Gewerkschaftsvertretern in den Aufsichtsrat neue Ver⸗ handlungen notwendig würden. Man könne daher jetzt nur noch Anträgen zustimmen, die das Staatsministerium nicht unbedingt binden.

Abg. Schulz⸗Neukölln (Komm.) erklärt, daß seine Fraktion den Gesetzentwurf ablehne. Es solle nur das Risiko sir den schlechten Geschäftsgang der Stettiner Lefengeselschaft aufgehoben und dem Staat aufgebürdet werden. Die Gesellschaft habe z. B. als Hafendirektor den Minister a. D. Dr. Krone angestellt, der als Minister etwa 30⸗ bis 40 000 RM bekommen habe, als Hafen⸗ direktor aber 80 000 Mark Gehalt jährlich bekommen solle (leb⸗ haftes hört, hört! bei den Kommunisten). Der Redner Beseitigung der Möglichkeit der Stettiner Industrie⸗ und Handels⸗ kammer, Aufsichtsratsmitglieder zu bestellen.

Abg. Metzenthin (D. Pp.) stimmt dem Gesetzentwurf zu und erklärt sich gegen den Antrag der Sozialdemokraten, auch Vertreter der Gewerkschaften in den Aufsichtsrat der Stettiner Hafengesellschaft hineinzuwählen. Vertreter der Industrie⸗ und Fabhebsmmnüene dagegen dürften nicht ausgeschaltet werden; der Antrag der Kommunisten, sie durch Arbeiter und Angestellte zu ersetzen, sei abzulehnen. Zu begrüßen sei, daß eine tüchtige und energische Persönlichkeit an der Spitze der Gesellschaft stehe.

Abg. Riedel (Dem.) weist auf die Dringlichkeit der Vorlage hin und legt die Stellung seiner Fraktion zu den einzelnen An⸗ trägen dar. Rein agitatorisch sei der Antrag der Deutschnatio⸗ nalen, der Wirtschaftspartei und der Sozialdemokraten, dafür Sorge zu tragen, daß Arbeiten, die zum Teil mit öffentlichen Mitteln in Pommern, insbesondere in Stettin, ausgeführt würden, möglichst solchen Unternehmungen übertragen würden, die ihren Hauptsitz seit längeren Jahren in der Provinz Pommern hätten. Dieser allgemeine Antrag habe mit der Vorlage nichts zu tun.

(Fortsetzung in der Ersten Beilage.)

Verantwortl. Schriftleiter: Direktor Dr. Tyrol, Charlottenburg. Verantwortlich für den Anzeigenteil: Rechnungsdirektor Mengering in Berlin.

Verlag der Geschäftsstelle (Mengering) in Berlin. Druck der Preußischen Druckerei⸗ und Verlags⸗Aktiengesellschaft, Berlin. Wilhelmstraße 32.

Neun Beilagen (einschließl. Börsenbeilage und zwei Zentralhandelsregisterbeilagen),

11“

Berlin W. 9, Lintstraße 25, wird für den Bezirk des Ober⸗

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e Worte etwa durch Sperr⸗ Fettdruck (zweimal unter⸗

Postschecktonto: Bertin 41821t. 1929

sexeieven.

Berlin, Donnerstag, den 27. Funi, abends.

——

Bekanntmachung, betreffend Prüfung der vorges Deckung der Rentenbriefe und Rentenbankscheine

Preußen.

Bekanntmachung, betreffend Bestätigung der Wahl eines stell⸗ vertretenden Mitglieds der Generallandschaftsdirektion der Provinz Sachsen.

Bescheide über die Zulassung von Zündmitteln. Bescheid ü ber die Zulassung von Zündschnüren.

8

Deutsches Reich.

Bekanntma 1“

„Durch eine unter Mitwirkung der mitunterzeichneten, vom Reichsrat und vom Präsidenten des Rechnungshofs des Deutschen Reichs bestellten Kommissare heute stattgehabte Prüfung ist festgestellt worden, daß die durch die Rentenbank⸗ verordnung vom 15. Oktober 1923 NGBl. I S. 963 in Verbindung mit dem Gesetz über die Liquidierung des Um⸗ laufs an Rentenbankscheinen vom 30. Angust 1924 RGBl. II S. 252 Deckung der Rentenbriefe und Rentenbankscheine vorhanden ist.

Diese Bekanntmachung erfolgt auf Grund des § 14 Absatz 3 der Satzung der Deutschen Rentenbank. Berrlin, den 26. Juni 1929. Deutsche Rentenbank. Der Aufsichtsrat. Dr. Lentze, Präsident Der Kommissar des Reichsrats: Brecht, Ministerialdirektor.

1 8 Der Kommissar

des Präsidenten des Rechnungshofs des Deutschen Reichs:

Markmann, Geh. Oberregierungsrat, Direktor beim Rechnungshof des Deutschen Reichs.

Preußen. Fekanntmachung.

Das Preußische Staatsministerium hat die Wahl des Rittergutsbesitzers Hans Koch zu Köchstedt, Mansfelder See⸗ kreis, zum stellvertretenden Mitgliede der Generallandschafts⸗ direktion der Provinz Sachsen in Halle auf die Dauer von 6 Jahren bestätigt.

Magdeburg, den 20. Juni 1929. Der Oberpräsident.

Bescheid über die Zulassung von Zündmitteln. Fabrik Elektrischer Zünder G. m. b. H. in

bergamts Clausthal zugelassen.

a) Bezeichnung und Beschaffenheit des Zündmittels: Elektrischer Momentkombinationszünder „Saturn“, Brückenzünder kom⸗ biniert mit festem Spaltglühkopf in brennbarer, feuersicherer und wasserdichter Ausführung. Der Zünder bietet gegen Streuströme und Streuspannung größere Sicherheit als niedrigohmige Brücken⸗ und Spaltzünder und hochohmige nicht kombinierte Spaltzünder.

Herstellungsort: Fabriken in Köln⸗Niehl, Hochkreuz bei Köln und Troisdorf⸗Rheinland. ) Verwendungsgebiet: Die Zünder dürfen in dem gesamten Bergbau vpperwendet werden; für Gruben mit brennbaren Gasen aber nur in feuersicherer Ausführung. Für nasse Betriebe sind Zünder mit besonderer Abdichtung gegen das Eindringen von Wasser zu verwenden.

Clausthal⸗Zellerfeld, den 24. Juni 1929. Preußisches Oberbergamt. Bornhardt.

das nachstehend bezeichnete Zündmittel

Bescheid über die Zulassung von Zündmitteln.

Der Fabrik Elektrischer Zünder G. m. b. H. in Berlin W. 9, Linkstraße 25, wird für den Bezirk des Ober⸗ bergamts Clausthal das nachstehend bezeichnete Zündmittel zugelassen: 8

a) Bezeichnung und Beschaffenheit des Zündmittels: Elektrif Momentbrückenzünder „Mars', mit festem Zündkopf, in 1g⸗ barer, feuersicherer und wasserdichter Ausführung.

b) Herstellungsort: Fabriken in Köln⸗Niehl, Hochkreuz bei Köln und Troisdorf⸗Rheinland. c) Verwendungsgebiet: Die Zünder dürfen in dem gesamten Bergbau verwendet werden; für Gruben mit brennbaren Gasen aber nur in feuersicherer Ausführung. Für nasse Betriebe sind mit besonderer Abdichtung gegen das Eindringen von asser zu verwenden.

Clausthal⸗Zellerfeld, den 24. Juni 1929. Preußisches Oberbergamt. Bornhardt 8

1

Bescheid über die Zulassung von Zündschnüren.

Der Socists Anonyme Poudreries Reunies de Belgique zu Brüssel wird hiermit für den Bezirk des unterzeichneten Oberbergamts die doppelt weiße Zündschnur unter folgenden Bedingungen zugelassen:

a) Beschaffenheit: Der Pulverschlauch besteht aus 10 Fäden Jutegarn, die erste Umspinnung aus 6 Fäden Jutegarn, die zweite aus 10 Fäden Baumwollgarn. Die erste Umspinnung ist geteert, die zweite ist mit einem Kreideleimgemisch impräniert.

Den Seelenfaden bildet ein schwarz⸗grüner Baumwollfaden.

b) Besondere Bedingungen: Die Zündschnur darf nicht beim Schießen mit flüssiger Luft sowie an Stellen, an denen Schlagwetter auftreten können, verwendet werden. Sie ist feuchtigkeitsempfindlich und bedarf zur Vermeidung von Spät⸗ detonationen und Versagern einer trockenen Lagerung..

Clausthal⸗Zellerfeld, den 24. Juni 1929. Prreußisches Oberbergamt. Bornhardt.

Nichtamtliches.

Deutscher Reichstag. 95. Sitzung vom 25. Juni 1920

1 Nachtrag. 4

Die Rede des Reichsjustizministers von Gusrard zu Beginn der 2. Beratung des Sperrgesetzes für Rechts⸗ streitigkeiten über ältere staͤatliche Renten hat nach dem vor⸗ liegenden Stenogramm folgenden Wortlaut:

Geehrte Damen und Herren! Der Herr Berichterstatter hat bereits ausgeführt, daß die Grundlage Ihrer heutigen Beratungen ein Gesetzentwurf ist, den Ihnen die Reichsregierung unter dem 11. März dieses Jahres vorgelegt hat, ein Gesetzentwurf zur Ablösung älterer staatlicher Renten. Er entspricht einer Not⸗ wendigkeit, die früher von fast allen Parteien dieses Hauses an⸗ erkannt worden ist, die insbesondere nicht nur von dem zeitigen Kabinett, sondern auch von dem vorhergehenden, das unter der Leitung des Reichskanzlers Marx stand, anerkannt worden ist. Auch dieses Kabinett hat einen analogen Gesetzentwurf über diese Frage vorgelegt, der den Namen trägt: Gesetzentwurf für Aufwertung und Ablösung äͤlterer Staatsrenten und ähnlicher Renten.

Beide Vorlagen, sowohl die der vorigen Reichsregierung wie die der jetzigen, sind veranlaßt durch die begreifliche Erregung weiter Volkskreise über ungeheure Aufwertungsansprüche, die von den Berechtigten für Renten erhoben worden sind, die teilweise geradezu mittelalterlichen Charakters waren, jedenfalls aber unserem heutigen Rechtsbewußtsein in keiner Weise entsprechen. Es handelt sich hierbei nicht nur, wie man vielfach glaubt, lediglich um standesherrliche Renten, sondern insgesamt um rund 9000 ältere Renten, die den verschiedensten Berechtigten zustehen. Die Summe an Renten, die in Frage kommt, beträgt insgesamt etwa neun Millionen. Davon entfallen etwas weniger als zwei Millionen auf die standesherrlichen Renten. Es sind Renten der verschiedensten Art. Es sind nicht nur Geldrenten, sondern auch Sachrenten, bei denen Holz, Hühner, Eier auch eine Rolle spielen. (Hört, hört! bei den Kommunisten.)

Meine Damen und Herren! Die beiden Gesetzentwürfe, die Ihnen vorgelegt worden sind, sowohl der heutige Gesetzentwurf wie der frühere, beruhten hiernach auf demselben Grunde, wenn auch ihre Namen verschieden waren, und wenn auch die Wege verschieden sind, die mit beiden Gesetzentwürfen beschritten wurden. In ihrer Auswirkung das möchte ich aber ausdrücklich be⸗ tonen ist der Unterschied zwischen den beiden Gesetzentwürfen voraussichtlich nicht sehr weitgehend; ich glaube, daß die Unter⸗ schiede zwischen den beiden Gesetzentwürfen vielfach überschätzt werden.

Die Reichsregierung hat, als sie Ihnen den Gesetzentwurf über die Ablösung älterer Staatsrenten vorlegte, auf die be⸗ schleunigte Erledigung dieses Gesetzentwurfs entschiedenen Wert gelegt. Sie hat das hier im Plenum des Reichstags und dann auch im Rechtsausschuß betont. Es ist leider keine Aussicht mehr

vorhanden, daß der Gesetzentwurf in der jetzigen Sitzungsperiode des Reichstags noch verabschiedet werden kann. Nach den Be⸗ ratungen, die wir im Rechtsausschuß gehabt haben, ist dies aus⸗ geschlossen. Die Reichsregierung hat sich deshalb entschlossen, Ihnen den heute zur Beratung stehenden Gesetzentwurf über die Aussetzung von Rechtsstreitigkeiten über ältere staatliche Renten zu unterbreiten. Die Reichsregierung hat es für not⸗ wendig gehalten, Ihnen diesen Gesetzentwurf vorzulegen, weil sie, wie es in der Begründung heißt, es nicht verantworten kann, „daß vor Verabschiedung des Gesetzes über einzelne der Renten⸗ verpflichtungen, die das Gesetz regeln soll, auf Grund der gegen⸗ wärtigen Rechtslage noch rechtskräftige gerichtliche Entscheidungen ergehen“. Nach dem Gesetzentwurf selbst würden, wenn in der Zwischenzeit derartige gerichtliche Entscheidungen ergehen, diese Entscheidungen unberührt bleiben und demgemäß von der durch das Gesetz in Aussicht genommenen Regelung ausgeschlossen sein.

Der Herr Berichterstatter hat bereits die Frage angeschnitten, ob der vorliegende Gesetzentwurf verfassungsändernden Charakter hat. Die Meinungen darüber, ob dieses Sperrgesetz wenn ich den Ausdruck gebrauchen darf verfassungsändernden Charakter trägt, sind geteilt. Sie waren, wie ich hervorheben möchte, auch hier im Reichstag geteilt, wie die parlamentarische Geschichte ver⸗ schiedener ähnlicher Gesetzentwürfe zeigt. Gestatten Sie mir, daß ich auf diese parlamentarische Geschichte, da sie von Wichtigkeit ist, etwas eingehe. Das erste Sperrgesetz vom 13. Februar 1926, das Sie beschlossen haben, beruhte auf einem kommunistischen Initiativantrag. Dieser Antrag enthielt die von dem Herrn Berichterstatter hervorgehobene Klausel „zur Vermeidung ver⸗ fassungsrechtlicher Zweifel“ nicht. Er wurde dann in der Sitzung des Reichstags vom 11. Dezember 1925 dem Rechtsausschuß zur weiteren Behandlung überwiesen. Im Rechtsausschuß ist sodann im folgenden Jahr sowohl von deutschnationaler wie von national⸗ sozialistischer Seite die Verfassungsmäßigkeit des beantragten Sperrgesetzes bestritten worden, und zwar insbesondere durch die Abgeordneten Lohmann und Dr. Frick. Dagegen erklärte damals der Vorsitzende des Rechtsausschusses Herr Abgeordneter Dr. Kahl, daß er und seine Freunde den Erlaß des Sperrgesetzes nicht für verfassungswidrig erachteten, welche Anschauung dann auch der Zentrumsabgeordnete Dr. Bell vertrat. Bei der Abstimmung im Plenum wurde, nachdem der Berichterstatter es war wie heute der Herr Abgeordnete Dr. Pfleger darauf hingewiesen hatte, daß im Ausschuß über den verfassungsändernden Charakter des Gesetzes gestritten worden sei, vom Heren Reichstags⸗ präsidenten festgestellt, daß den Erfordernissen verfassungs⸗ ändernder Gesetzgebung genügt sei. Daraufhin hat donn das damals federführende Reichsinnenministerium den Zusatz ge⸗ macht: „nachdem zur Verneidung von Zweifeln festgestellt ist, daß die Erfordernisse verfassungsändernder Gesetzgebung erfüllt sind“ und hat diese Worte in die Präambel eingefügt.

Es kam das zweite Sperrgesetz über die Aussetzung von Verfahren über die Auflösung von Familiengütern der ehemals regierenden Fstrstenhäuser vom April 1926. Dieses Gesetz beruhte auf einem sozialdemokratischen Initiativantrag Müller (Franken) und Genossen. Der Antrag der Sozialdemokraten enthielt die erwähnte Formel gleichfalls nicht. Die Vorlage wurde dem Rechtsausschuß überwiesen. Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes sind dann weder im Plenum noch im Rechtsausschuß geäußert worden. Eine Feststellung der verfassungsmäßigen Mehrheit ist bei der Annahme des Entwurfs nicht getroffen, und demgemäß ist auch der hier in Rede stehende Zusatz in die Präambel des Gesetzes nicht aufgenommen worden.

In dem Entwurf des dritten Sperrgesetzes vom 9. Juli 1926 war der Zusatz mit Rücksicht auf die in dem ersten Gesetz ent⸗ haltene Präambel von vornherein aufgenommen. Erörterungen über die Verfassungsmäßigkeit haben bei der Erledigung der Vor⸗ lage in diesem hohen Hause nicht stattgefunden. Der Abgeordnete von Guérard beantragte damals bei der Schlußabstimmung namentliche Abstimmung. Das Gesetz wurde dann in der Schluß⸗ abstimmung mit 333 Ja⸗Stimmen gegen 17 Nein⸗Stimmen bei 97 Enthaltungen angenommen.

Der Entwurf des vierten Sperrgesetzes es war dies das zweite Verlängerungsgesetz vom Dezember 1926 enthielt den Zusatz auch nicht und passierte so mit Stimmenmehrheit den Reichsrat in erster und zweiter Lesung. Das Gesetz wurde dann auch dem Reichstag ohne den Zusatz eingebracht und in der Sitzung vom 15. Dezember 1926 dem Rechtsausschuß überwiesen, wo der Entwurf am 16. Dezember beraten wurde. Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes sind auch damals im Aus⸗ schuß nicht erhoben worden. Auch in zweiter und dritter Lesung wurde im Plenum des Reichstags die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes nicht in Zweifel gezogen. Der Reichstagspräsident machte dann aber während der Sitzung darauf aufmerksam, daß bei der Abstimmung die Verfassungsmäßigkeit festgestellt werden müsse.

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