Reichs⸗ und Staatsanzeiger Nr. 244 vom 18. Oktober 1929. S.
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4.
Was die Erpre sgefahr anlange, so ie nach neueren ru,2 tark nachgelassen. Zudem bestehe sie wegen der Möglichkeit gesellschaftlichen Verfehmung in gleichem g auch in den Ländern, die keine Strafdrohung haben.
8 diesen Erwägungen bitte er am Entwurf festzuhalten. b D. Dr. Kahl (D. v) sahr aus, er sei nach gewissen⸗ Schlu
eine — der Jesesche⸗ “ befürchten. u
tester Prüfung zu dem gelangt, daß sich die Straf⸗
timmung des nicht mehr aufrechterhalten ließe. Selbst⸗ verstandlich denke er gar nicht daran, damit die Homosexualität enerell für eine sittliche erlaubte Handlung 2 erklären. Dies omme in seiner vollen Zustimmung zu den Bestimmungen des
297, der die Nötigung und Verführung bestrafe, voll zum usdruck. Auch die Bestra ung der E““ Unzucht omosexueller soll aufrechterhalten bleiben. Die Erhöhung des schutzalters auf 21 Jahre sei durchaus zu . Redner denkt auch gar nicht daran, sich etwa die unzähligen Gründe zu eigen zu machen, die in dem Meer von Literatur angegeben 2 das sich die Aufhebung der Stra e. zum hes etzt. Namentlich bestreitet Redner, obwohl Laie, aber nach ücksprache mit namhaften Medizinern, daß in allen Fällen eine zwingende Veranlagung zur Ausübung der Homosexualität vorliege. Sicher⸗ lich bleibe ein großer Prozentsatz von Fällen, in denen es sich lediglich um widerlichste Unfiitlchkeit handele. Daher sei die jüngst in einer besonderen Broschüre verneinte Frage, ob es eine Verführung zur Homosexualität gebe, unbedingt zu bejahen. Redner führte eine Anzahl Briefe an, die er in den letzten Jahren erhalten hat, und aus denen hervorgeht, daß die Ver⸗ führung eine große Rolle gespielt habe, und die so der Homo⸗ sexnalitht verfallenen Menschen in das größte Unglück gestürzt habe. Was aber ihn (Redner) pflichtmäßig zu seiner Stellung⸗ nahme zwinge, seien in der Hauptsache drei Punkte: 1. Das Strafrecht habe bei den Tatbeständen der Homosexualität versagt. Es packe wenige aus Tausenden von Fällen, und wo es einzelne Fälle fasse, da erhebe sich sofort die Zweifelsfrage, ob es grund⸗ sätzlich dem Strafrecht zustehe, mit seinen Mitteln eine aus freiem Entschluß hervorgegangene unsittliche Verfügung über den Körper zu beschränken. Es erhebe sich juristisch ferner die Zweifelsfrage nach dem Vorhandensein einer rechtlichen Schuld. 2. Der zweite Grund, der die Aufhebung der Strafbarkeit der Ausübung der Homosexualität verlange, liege in der furchtbaren Tragödie der Erpressung. Hier könne die Statistik die Fälle gar nicht restlos erfassen; denn die überwiegende Zahl der Fälle komme gar nicht zur öffentlichen Kenntnis, weil die Opfer ihr grauenvolles Sklavenjoch trügen, um nicht der Schande zu ver⸗ fallen. Was hier an furchtbarem Elend in jahrzehntelangen Qualen, völlig in der Hand schurkischer Erpresser zu sein, ge⸗ litten und meist mit dem Selbstmorde ausgelitten werde, das lasse sich kaum beschreiben. Diese Fälle seien sicherlich sehr zahl⸗ reich. Wären es b8 auch nur zehn solcher höllischen Martyrien, so würden sie genügen, um den Gesetzgeber zu veranlassen, diesen teuflischen Erpressern nicht das Material und Instrument zu ihren Erpressungen in die “ geben. Hier leite nicht falsches Mitleid, sondern einfach die Erfahrung, die Redner aus der Bekanntgabe einzelner Fälle, die ihm zugeleitet worden seien, gesammelt habe. Zweifellos beruhe eine große Zahl der Selbst⸗ morde auf diesen Erpressungen. 3. Der dritte Grund sei die Ueberlegung, daß durch die Beseitigung der Strafbestimmung der Uügellosen Agitation und Propaganda für die Homosexualität der Boden entzogen werde. Redner mußte sich überwinden und hatte als Vorsitzender des Reichstagsaus 15— für die Reform des Strafgesetzes die Pflicht, einige große Versammlungen, die die Abschaffung des § 175 (neuen § 296) propagierten, zu besuchen. Redner gibt zu, daß die Veranstalter folcher großen e.wens lungen gar nicht die Absicht hatten, für die Ferseruaütar zu agitieren. Aber das Ergebnis und die Wirkung einer 25 Versammlung fiel be;, immer so aus, daß diese Versammlungen nichts anderes darstellten als Propagandastätten für den 9g. geschlechtlichen Betrieb. Redner wißt schweigen von den Lob⸗ preisungen der Homosexualität, die in olchen Versammlungen imemer wieder ertönten. In einer solchen Versammlung verstieg sich der Schlußredner zu dem Satz: Wir bitten nicht, wir fordern
ie Gleichberechrigung der homosexuellen Ausübung. Dabei 8 man doch bei objektiber Beurteilung auf alle Fälle zugeben, daß die Homosexualität, ob sie nun auf konstituttoneller 2 eranlagung oder auf Verführung beruhe, unter allen Umständen eine natur⸗ widrige Betätigung sei. Es läßt sich doch nicht leugnen, daß das Menschengeschlecht einer zweigeschlechtlichen Ordnung der Natur untersteht. Die Geschlechtsoörgane sollen der Fortpflanzung dienen. In jedem Falle liegt also in der Ausübung homo⸗ sexueller Betätigung ein anormaler Gebrauch dieser Organe. Eine Aufhebung des § 296 kann also keinesfalls eine Anerkennung oder Gleichberechtigung homosexueller Betätigung bedeuten, foondern sie ist lediglich die Folge der Feststellung der Tatsache, aß das Strafrecht kein geeignetes Mittel ist, um gegen die Perversität einzuschreiten. Angesichts dieser, Gründe müsse man den Mut fassen und auf ein untaugliches Mittel zur Bekämpfung der Homosexualität Verzicht leisten, wenn auch der Entschluß schwer fällt. Abg. Dr. M 48 8 (Soz.) bedauerte, daß der Minister hier von einer unerquicklichen Frage gesprochen habe. Es handle sich doch vielmehr um die Frage, ob Menschen, die konstitutionell rvankhaft oder abnorm geschlechtlich veranlagt sind, unter Strafe gestellt werden sollen wegen ihrer Abnormikät. Auch ex schwöre nicht auf alle Ausführungen des Magisters Magnus Hirschfeld. Er glaube, daß, wenn man von einer ügellosen Propaganda seitens der Homosexuellen spreche, gerade dieser Propaganda der Boden entzogen werde durch die Abschaffung der Bestrafung. Es handle sch bei diesen homosexuellen Menschen um solche, die geschlechtlich in der Entwicklung zurückgeblieben sind, um abnorme Menschen. Man könne dies vielfach auch aus der eigentümlichen Körperbeschaffenheit einer großen Zahl von hä eigenartiger Behaarung, Becken, tänzelnden Gang usw., erkennen. Im Fepene zu Magnus Hirschfeld spreche er dem Plvchol ischen Trauma, der sehr oft in der Jugend er⸗ folgt, doch Ane Wimgvirkung zu, vielleicht aber wirke dieses psycho⸗ logische Trauma gerade bei S. geschlechtlich infantil ge⸗ bliebenen Menschen doppelt stark. r Redner wies auf den Zu⸗ sämmenhang zwischen Kokainismus und Homosexualität hin. Diese Leute hätten zweifellos ein erhöhtes Bedürfnis nach Rausch⸗ jiften, das käme durch die Erschwerung in der Verwirklichung ihrer Erotik, häufig aber chaffe auch der innere Kampf gegen die Veranlagung einen erheblichen Konfliktsstoff im Leben des Homosexuellen und erhöhe damit das Bedürfnis nach künstlichem Ausgleich. Der Redner polemisierte dann zum Schluß noch gegen die Ausführungen des fitberichterstatters Dr. Schetter (Zentr.), daß es sich bei der Beurteilung dieses Problems auch um die Erhaltung der Volkskraft handle. Abg. Dr. Ehler⸗ mann (Dem.) fühege aus, er trete durchaus den für die Auf⸗ hebung der Strafbarkeit von Geheimrat Dr. Kahl und Dr. Moses vorgebrachten Gründen bei. Es könne dahingestellt bleiben, ob in allen Fällen der Homosexualität eine konstitutionelle Ver⸗ anlagung vorliege. Für den, der als Kriminalist in der Praxis häufig mit solchen Fällen zu tun habe, stehe aber fest, daß in sehr vielen Fällen eine konstitutionelle Naturveranlagung vor⸗ liege. Maßgebend sei für ihn aber die allgemeine Stellung⸗ nahme zu den Grenzen der Strafe überhaupt und zu den Grenzen des Strafrechts. Wenn Menschen insgeheim ihre sexuellen Triebe betätigten, so ginge das den Staat nichts an. Es sei kein wesent⸗ liches Rechtsgut verletzt, es liege in vielen Fällen eine straf⸗ rechtliche Schuld nicht vor, und die überwiegende Zahl der homo⸗ sexuellen Betätigungen könne ja vom Strasrecht überhaupt nicht erfaßt werden. Der weitere wesentliche Grund für die Ab⸗ schaffung liege aber in den durch die Strafbarkeit hervorgerufenen Tragödien des Lebens. Es handle sich keinesfalls nur um die Tragödien der Erpressung, sondern auch sonst habe der heutige 8 5 unendlich viel zertretenes Leben auf dem Gewissen. Mit einer häßlichen Durchforschung intimen Familienlebens, mit den die Oeffentlichkeit erregenden Gerichtsverhandlungen, mit den aus
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dem Paragraphen hervorgerufenen Selbstmorden und mit un⸗ endlich viel zerstörtem Familienglück. s sei auch von keinen Anhängern des Paragraphen ernstlich rründet worden, warum 4—— Betätigungen bei Frauen straflos sein sollen und ei Männern Wer das Strafrecht begrenzen wolle auf die im Interesse des Staates notwendigen strafbaren Fälle, müsse für die Abschaffung dieses Paragraphen eintreten. Abg. Dr. Wunderlich (D. Vp.) bedauerte, daß er seinem verehrten Lehrer, dem Abgeordneten Kahl, trotz der 2— ft starken Argumente, die vorgebracht worden he in diesem Falle nicht folgen könne. Auch er sei der Ansicht, daß die Erpressungstat⸗ bestände geradezu entsetzlicher Natur seien, und daß man auf den Paragraphen verzichten müsse, wenn mit dem Verzicht feststände, daß die Erpressung dann aus der Welt geschafft sei. Aber so ist es ja gar nicht. Auch nach Abschaffung des § 296 würde die Er⸗ vessung weiter blühen; denn der Erpreßte fürchte ja nicht so pehr ie gerichtliche Strafe als die gesellschaftliche und verss liche Ver⸗ e Diese absolute Verachtung durch die Gesellschaft, durch die vesshricxn seiner eigenen Familie würde ihn aber auch . Abschaffung des 1227. genau so treffen und infamieren wie während dessen Geltungsdauer. Denn das allgemeine Volks⸗ bewußtsein und der gesellschaftliche Anstand sehe die Ausübung der Homosexualität als etwas Verächtliches an. Auch würde ja § 297 aufrechterhalten bleiben, der die schwereren Fälle der Aus⸗ übung der Homosexualität umfasse, und damit würde auch weiter der Erpressung Tür und Tor geöffnet sein. Aber die Tragödie des Fomosexuenen liege ja gar nicht in dem § 175 oder 296, sie liege ja im Menschen selbst. Diese Tragödie der Entartung oder des Mißbrauchs des Geschlechtstriebs auszumerzen, liege nicht in der Macht des Gesetzgebers. Was den anderen Einwand betreffe, daß die Strafrechtspflege bei der Homosexuaglität insoweit versage, als sie nur einen ganz kleinen Teil der Fälle treffe, so könne man denselben Grund bei vielen anderen Delikten anführen. Man müßte dann auch die Schlägermensur oder die Abtreibung frei⸗ geben; denn auch hier zeige es sich, daß die Strafrechtspflege nur eine Minderzahl von Fällen erfassen könne. Der Hauptgrund aber, der ihn (Redner) veranlasse, sich gegen die Streichung des § 296 zu wenden, liege in der Wahrscheinlichkeit, daß die Homo⸗ exuellen die Streichung dieses Paragraphen Lnwesh aft dahin ausdeuten würden, daß nunmehr das Gesetz den gleichgeschlecht⸗ lichen Verkehr zwischen Männern für durchaus gleichberechtigt neben den normalen Geschlechtsverkehr gesetzt habe. berreichs⸗ anwalt i. R. Ebermeyer erklärte, er stände noch heute zu einen Ausführungen, die er im Jahre 1924 in der Deutschen Medizinischen Wochenschrift gemacht habe. Er habe damals aus⸗ Flübrt, daß er als Laie nicht beurteilen könne, ob es homosexuelle Fälle gebe, die konstitutionell veranlagt seien. Sollte aber die konstitutionelle Veranlagung durch Fachärzte in einzelnen Fällen festgestellt sein, dann — so habe er damals ausgeführt — fehle die Schuld, weil der Betreffende seinen Willen dem als strafbar Er⸗ kannten gemäß zu bestimmen nicht in der Lage war. In dieser Ausführung liege aber keineswegs das Zugeständnis, nun für alle Fälle den § 175 abzuschaffen. Abg. Dr. Schetter (Zentr.) er⸗ widerte auf die Ausführungen des Vorsitzenden Abg. Dr. Kahl: Die Propaganda pegen die Strafbarkeit werde abgelöst werden durch die weit schlimmere Propaganda zur Verbreitung gleich⸗ eschlechtlicher Ideen durch Wort, Schrift und Darstellung. Der Tragödie Einzelner aus der Vergangenheit stehe die Tragödie der B.eenlschafs in der Zukunft gegenüber, wenn man die Strafbarkeit der homosexuellen Ausübung aufhebe. Vom rechtsphilosophischen Standpunkt aus könne man die Aufgabe des Strafrichters sehr wohl dahin ausdehnen, daß die allgemeine Volkssittlichkeit auch dann zu schützen sei, wenn aus bprivater, der freien Selbst⸗ bestimmung unterliegender Betätigung wegen ihres Umsichgreifens auf weitere Volkskreise ernstliche Eggsahran für den Bestand des Volkstums erwüchsen. In der Abstimmung wurde § 296 mit 15 gegen 13 Stimmen 8 Für die Streichung stimmten die Kommunisten, die Sozialdemokraten, die Demokraten und der Abg. Dr. Kahl (D. Vpz. — Weiterberatung Donnerstag.
Der Strafrechtsausschuß des Reichstags setzte am 17. d. M. unter dem Vorsitz des Abg. D. Dr. r (D. Vp.) seine Be⸗ ratungen fort. Vor Eintritt in die Tagesordnung wurde beschlossen, morgen mit der Sitzung schon um 9 Uhr vormittags zu beginnen. Die weiteren Beratungen sollen dann am Dienstag, dem 29. Oktober, fortgesetzt werden. § 297 handelt von der „schweren Unzucht zwischen Männern“. Er lautet: „Mit Ge⸗ sängnis nicht unter 6 Monaten wird bestraft: 1. ein Mann, der einen anderen Maͤnn mit Gewalt oder durch Drohung mit gegen⸗ wärtiger Gefahr für Leib oder Leben nötigt, mit ihm Unzucht zu treiben oder sich von ihm zur Unzucht mißöräuchen zu la 82 2. ein Mann, der einen anderen Mann unter Mißbraüch einer durch ein Dienst⸗ oder Arbeitsverhältnis begründeten Abhängigkeit nötigt, mit ihm Unzucht zu treiben oder sich von ihm zur Unzucht mißbrauchen zu lassen; 3. ein Mann, der mit einem Mann gewerbsmäßig Unzucht treibt; 4. ein Mann über achtzehn Jahre, der einen männlichen Jugendlichen verführt, mit ihm Unzucht zu treiben oder sich von ihm zur Unzucht mißbrauchen zu 892 In den Fällen der Nr. 1 ist der Versuch 8.5 In besonders schweren Fällen ist die Strafe Zuchthaus bis zu 10 Jahren.“ Berichterstatter Abg. D. Strathmann (D. Nat.) erläuterte dem Nachrichtenbüro des Vereins - Zeitungsverleger zufolge die Abweichungen vom bisherigen Rechtszustand. Seine Partei empfehle, die Ziffer 1 zu streichen, in Ziffer 2 die Worte zu streichen „mit ihm Unzucht zu treiben oder“ und „von ihm“.
iffer 3 bat Redner folgendermaßen zu fassen: „Z. ein Mann, der sich einem anderen aus Gewinnsucht zur Unzucht anbietet.“ (Zuruf: Warum aus Gewinnsucht!, besser gewerbsmäßig!) Darüber ließe sich noch reden. Der Ziffer 4 möge man folgende Fassung geben: „4. Ein Mann über 21. Jahre, der einen männ⸗ lichen Minderjährigen zur Unzucht mißbraucht. Der verführte Minderjährige bleibt e-; ven Absatz: In den Fällen der Nr. 1 ist der Versuch strafbar, ersuchte Redner zu streichen. Dann bat er, die Strafe auf „5 Jahre“ (statt 10 Jahre) zu ermäßigen. Abg. Dr. Schetter (Zentr.) knüpfte an die isser 2 an, die das typische Verhältnis Homosexueller darstelle. Für eine Straflosigkeit könnte er nicht eintreten, auch nicht im Falle der männlichen Prostitution; denn, wenn auch die weibliche Prostitution jetzt straflos sei, so sei die männliche Prostitution hier doch widernatürlich. Eine sexuale Not bestehe im übrigen kaum noch, seitdem der § 296 (der frühere § 175) gestrichen sei. Eine gewerbsmäßige männliche Prostitution sei deshalb für die Urninge keine Notwendigkeit. „Gewinnsucht“ und „Gewerbs⸗ mäßigkeit“ seien seiner Meinung nach verschiedene Dinge. Redner sei auch für Erhöhung des Schutzalters von 18 Jahren auf alle Jugendlichen, weil jetzt nach Streichung des § 296 die Gefährdung der Jugendlichen stark vermehrt werde. Die Ziffer 1 sei zu streichen. Abg. Dr. Marum (Soz.) bemerkte, daß die lesbische Liebe auch widernatürlich sei und daß damit auch eine gewerbsmäßige Prostitution getrieben werde. Er wolle damit aber nicht etwa diese auch unter Strafe stellen, sondern nur daraus hinweisen, daß eine Verschiedenheit beider Geschlechter in dieser Beziehung nicht bestehe. Da die Pubertät beim Manne länger dauere als beim Weibe, so sei ein höheres Schutzalter für den Mann erwägenswert. Den Antrag auf Streichung des ganzen
297 ziehe er zwar nicht zurück, aber es genüge ihm eine positive Abstimmung, da seine Partei diese Delikte aus anderen Vorschriften bestraft wissen wolle und meine, daß das schon jetzt ohne diesen Paragraphen Plchehen könne. Abg. Mas⸗ lowski (Komm.) nannte diese Vors r ein Stück Mittelalter und forderte ihre Streichung. Eine der Ursachen der Erpressung sei ja jetzt durch das Fallenlassen des § 296 beseitigt. Die Androhung des gesellschaftlichen Boykotts biete freilich in der heutigen Gesellschaft noch eine Handhabe dazu. Aber das sei nicht ausschlaggebend. Der nötige Schutz der Jugendlichen sei in anderer Weise zu erreichen. Ministerialdirektor Schäfer (Reichsjustizmin.) stellte als über⸗
einstimmende Auffassung des Sbg fest, daß trotz der Streichung des § 296 (Unzucht unter Männern) gewisse qugli⸗ fizierte Tatbestände unter Strafe gestellt werden müssen. Der Tatbestand der Nötigung zur Unzucht könne hier allerdings ge⸗ strichen werden, da er durch die neue Ausgestaltung des 8 K8 umfaßt worden sei. Die Ziffer 2 (Nötigung wirtschaftlich 2 ängiger) müßte indessen aufrechterhalten werden, da der Tat⸗
tand der mann⸗männlichen Unzucht nicht enthalten sei. Der Gedanke der Ziffer 4 sei der, daß auch bei Straffreiheit des Grundtatbestands das Verführen der — en zur mann⸗männlichen Unzucht strafbar sein müsse wegen der großen Gefahr, daß das Triebleben der Jugendlichen in falsche Bahnen gelenkt werde. Nach den praktischen Erfahrungen des Berliner Polizeipräsidiums sei sogar eine Erhöhung des Schutzalters bis zum 21. Lebensjahr wünschenswert. Dieser Erweiterung des ge⸗ schützten Kreises würde allerdings eine Einschränkung des Täter⸗ kreises insofern entsprechen müssen, als das Täteralter auf 21 hohe⸗ hinaufgesetzt werden müsse. Die Rfser 3 wolle die ge⸗ wer zmahic⸗ männliche Unzucht unter Strafe stellen. Auch tro Straffreiheit des Grundtatbestands müsse das Vorschubleisten u das dauernde Bereitstellen der Möglichkeit zur mann⸗männlichen Unzucht als Nährboden dieser Unzucht strafbar sein. Zum An⸗ trag des Abg. Strathmann (D. Nat.) bemerkte er, daß die Fassung „zur Unzucht anbieten“ nicht weit genug gehe. Der ge⸗ werbsmäßig Unzucht treibende Mann müsse auch strafbar sein, wenn er, .8* sich angeboten zu haben, z. B. auf Ansprechen hin, Unzucht getrieben habe. An dem Tatbestandsmerkmal der Ge⸗ werbsmäßigkeit bitte er festzuhalten. Berichterstatter Abg. D. Strathmann (D. Nat.) erläuterte seinen Ausdruck „Aus Gewinnsucht“ dahin, daß er verhüten wolle, daß die Opfer der Verführung, denen nachträglich vielleicht zur Sühne ein Fzer. gemacht worden sei, bestraft werden. Abg. Dr. Wunderlich (D. vp.) eg die Fassung des Abg. D. Strathmann vor, wollte aber die Worte „aus Gewinnsucht“ durch „gewerbsmäßig“ ersetzt wissen. In der 1“ wurde § 297 gemäß den Anträgen der Abgeordneten Dr. Bell (Zentr., Ehlermann (Dem.) und Dr. Schetter (Zentr.) folgendermaßen formultert: „Mit Gefängnis nicht unter 6 Monaten wird bestraft: 1. ein Mann, der einen anderen Mann unter Mißbrauch einer durch ein Dienst⸗ oder Arbeitsverhältnis begründeten Abhängigkeit nötigt, sich zur Unzucht mißbrauchen zu lassen; 2. ein Mann, der gewohnheits⸗ mäßig zum Erwerb mit einem Mann Unzucht treibt oder sich dazu anbietet; 3. ein Mann über 21. Jahre, der einen männ⸗ lichen Minderjährigen verführt, sich zur Unzucht mißbrauchen zu lassen.“ In dieser Form wurde der obige Paragraph an⸗ genommen. — Es folgte die Beratung des § 298, der die öffent⸗ liche Vornahme unzüchtiger Handlungen bestrafen will. Nach längever Aussprache, in der insbesondere der Begriff der „Oeffent⸗ lichkeit“ diskutiert wurde, wurde die Verhandlung vertagt, ohne daß Beschlüsse gefaßt wurden. — Weiterberatung Freitag.
Der Aeltestenrat des Preußischen Landtags beschloß gestern, daß in der kommenden Woche noch zwei Plenarsitzungstage ah⸗ daß n. werden sollen. Am Mittwoch sollen vor allen Dingen die Abstimmungen vorgenommen werden zu den Uranträgen, die der großen politischen Aussprache zugrunde liegen, insbesondere zu dem von den Deutschnationalen eingebrachten Mißtrauens⸗ votum gegen das preußische Gesamtkabinett wegen des Stahlhelm⸗ verbots. U. a. sollen am Mittwoch auch die Notverordnungen über die Verlängerung der preußischen ealsteuern zur Erledi⸗ gung kommen. Am Donnerstag nächster Woche soll der Rest 9 gearbeitet und der Goslarer Schulfall verhandelt werden. r
andtag wird sich dann am Donnerstag nächster Woche bis zum 26. November vertagen.
Der Untersuchungsausschuß des Preußischen Landtags 88 die Raiffeisen⸗Kredite nahm am 17. d. M. den Bericht des Ver⸗ treters des Justizministeriums, Landgerichtsrats Dr. Braun, ent⸗ gegen über das seitens der Staatsanwaltschaft gegen die früheren
orstandsmitglieder der Dietrich, Dr. Seel⸗ mann und Schwarz eingeleitete Untersu ungsverfahren. Außerdem bes Untersuchungsverfahren gegen die früheren Vorstandsmitglieder Klingenbiel und urmeister sowie den Justitiar der Bank Rechtsanwalt Hempel vor. Von der Untersuchungsbehörde seien die beiden Fragen geprüft worden: 1. Hat der Vorstand der Raiffeisenbank bei Aufstellung der Gold⸗ markbilanz absichtlich zum Nachteil seiner Firma gehandelt? 2. Sind die Darstellungen des Vorstands über die Verhältnisse der Gesellschaft vorsätzlich falsch oder verschleiernd gegeben worden? Es zeige sich, daß der Vorstand den Genossenschaften gegenüber zar cbjektiv unrichtige Angaben gemacht hat, daß er aber sub⸗ sektiv in gutem Glauben gehandelt hat Im übrigen enthalte die Goldmarkbilanzverordnung überheupt keine Strafvorschriften. Die Aktionäre seien darüber im Bilde gewesen, daß die Coldmark⸗ bilanz auf fiktiven Werten beruhte. Die Absicht einer Täuschung der Aktionäre sei nicht nachzuweisen. Die Bewertung sei übrigens nicht vom Vorstand allein, sondern von einer Kommission unter dem Vorsitz von Klingenbiel erfolgt. Eine Anklage vek⸗ spreche daher keinen e. Ein Motiv für eine Bilanzverschleie⸗ rung sei nicht ersichtlich. Vollends sei eine Handlung des Vor⸗ stands zum Nachteil der Genossenschaften nicht anzunehmen. Zur Frage des Ostwollegeschäfts erklärte der Berichterstatter des düits aig eluns es sei anzunehmen, daäß Dr. Lange und Krause von sämtlichen Käufen von Ostwolleaktien unter⸗ richtet gewesen seien. Das Geschäft habe naturgemäß schließlich schwer auf allen Gemütern in der Raiffeisenbank gelastet, nach⸗ dem das durch andauernde Aktienverkäufe auf 7 ¾ Millionen an⸗ geschwollene Paket sich bei verschiedenen Versuchen nicht befriedi⸗ gend habe veräußern lassen. Trotzdem seien immer noch Zukäufe von Aktien erfolgt, um den Kurs zu stützen. Schließlich habe man dann das Paket — 4400 Stück — an Uralzeff zum Durchschnitts⸗ kurs von 150 verkauft. Der Berichterstatter kommt zu dem Er⸗ gebnis, daß zwar Förstner, Fabian und Rathke unter nicht geringem Verdacht gemeinschaftlichen Betruges der Raiff⸗ eisenbank ständen, daß aber die Raiffeisenbank durch den Ankauf der ersten 800 Aktien im Moment des Ankaufs keinen Ver⸗ mögensverlust erlitten habe. — Im Gegensatz hierzu hält der Vertreter der Preußenkasse Dr. Bloch eine Vermögensschädigung doch für vorliegend. Ein anderer Vertreter des Justizministe⸗ riums, ein ehemaliger Staatsanwalt, bezeichnet die ganze Frage als eine Beweisfrage, da in einer Verhandlung der amtliche Kurswert als Maßstab angeführt würde. Vorsitzender Dr. Deer⸗ berg erklärte, je umfangreicher und undurchsichtiger die Trans⸗ aktion sei, desto größer sei die Aussicht, vom Staatsanwalt nicht gefaßt zu werden. (SHeiterkeit.) Landgerichtsrat Braun⸗ führte abschliehend aus, eine bewußte Mitwirkung der Abteilungsleiter Krause und Dr. Lange an einer Betrugsabsicht Förstners lasse sich schlechterdings nicht nachweisen, ebensowenig sei Untreue des Vorstands zu erweisen. Aus diesen Erwägungen heraus sei Einstellung des Verfahrens erfolgt. — Die Fortsetzung der
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Berichterstattung über die weiteren Fälle wurde dann auf Mitt⸗
woch, den 23. Oktober, abends, vertagt. (Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)
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Verantwortl. Schriftleiter: Direktor Dr. Tyrol, Charlottenburg.
88 Verantwortlich für den Anzeigenteil: “ J. V.; Oberrentmeister Meyer in Berlin 3 Verlag der Geschäftsstelle (J. V.: Meyer) in Berlin. Druck der Preußischen Druckerei⸗ und Verlags⸗Aktiengesellschaft. Berlin. Wilhelmstraße 32.
Sechs Beilagen (einschließl. Börsenbeilage und zwei Zentralhandelsregisterbeilagen).
Erscheint an Bezugspreis vierteljährli Bestellungen an, in
edem Wochentag abends. 9 ℛℳ] Alle Postanstalten nehmen ür Selbstabholer auch die Geschäftsstelle SW. 48, Wilhelmstraße 32. Einzelne Nummern kosten 30 , einzelne Beilagen kosten 10 9h, Sie werden nur gegen bar oder vorherige Einsendung des Betrages einschließlich des Portos abgegeben.
Fernsprecher: F 5 Bergmann 7573.
8
Berlin, Sonnabend,
Inhalt des amtlichen Teiles: 8 Deutsches Reich.
Betrieb der Zucker⸗, Stärkezucker⸗ und Rübensaftfabriken im September 1929. Versteuerte und steuerfrei abgelassene Zuckermengen im September 1929. Anzeige, betreffend die Ausgabe der Nummer 38 des Reichsgesetzblatts, Teil I. Zurückziehung eines Sprengstofferlaubnisscheins.
8 1“] “ Deutsches Reich. S Betrieb der Zucker⸗, Stärkezucker⸗ und Rübensaftfabriken im Monat September 1929. A. Zuckerfabriken.
Anzeigenpreis für den Raum einer fün espaltenen Einheitszeile 1,75 telle Berlin SW. sind auf einseitig
48, Wilhelmstraße 32. n beschriebenem Papier völli
insbesondere ist darin auch anzugeben, welche Worte etwa durch Sperr⸗ druck (einmal unterstrichen) oder dur strichen) hervorgehoben werden sollen. Befristete Anzeigen müssen 3 Tage vor dem Einrückungstermin bei der Geschäftsstelle eingegangen sein.
ettdruck (zweimal unter⸗
altenen Petitzeile 1,05 ℛ.ℳ † 8 een nimmt an die lle Druckaufträge druckreif einzusenden,
den 19. Oktober, abends.
nen n sonstige Personal Mitteilung über die Verleihung der Erinnerungsmedaille für Rettung aus Gefahr. Bekanntmachung, betreffend Ziehun
schuld des Freistaats Preußen.
veränderungen.
g der Auslosungsrechte der Anleiheablösu
ngs⸗
L Es sind verarbeitet worden:
II Es sind gewonnen worden:
Rübenzuckerabläufe
Verbrauchszucker
hiervon wurden
Rohzucker
Stron. Art tianver⸗ fahrens
aller
Stangen⸗ und Würfelzucker
nade
Platten⸗, gemahlene Raffi⸗
Rübenzuckerabläufe mit einem Reinheits⸗ grade von
füssige Raffinade einschl. d. Invert⸗ zuckersirups
gemahlener Melis
f
ls
70 vH
weniger a
Im Sept. 1929. Im Sept. 1928.
²) 114 978
Im Sept. 1929. Im Sept. 1928.
Im Sept. 1929. Im Sept. 1928.
2²) 114 978.
1. Zuckerfabriken mit Rüben verarbeitung. ³) 634 7 806 1 150
8 669 4 102
ffinerien und Melas 59 311 14¹° 27 770 58 595
61 593 4 262⁄ 1 895
3. Zucker fabriken 59 311 6488 35 5761 59 745
61 593 8 929 8 364 1 895
Gesamte Herstellung in Rohzuckerwert berechnet im S . . 5 si 1 f 3 vbrachh .. hh Be Rerfichang, be; 8 S Seee. 1929: 54 885 dz, dagegen im September 1928: 66 733 dz. Bei dieser Berechnung sind die unter I angegebenen Einwurfzucker
seentzuckerungs anstalte
n. ³) 44 518
t (1. und 2.). ³)
B. Stärkezuckerfabriken.
17 772
34 574
15 138
62 290
49 712
6 281 6 04 4
23 718 19 486
29 999
25 530 in Abzug
ewn
I. Es sind verarbeitet worden:
II. Es sind gewonnen worden:
Kartoffelstärke
in den Betrieben erzeugte
feuchte trockene feuchte
Maisstärke
Andere zucker⸗ haltige
Stärke⸗ zucker⸗ abläufe
Im September 1929 Im September 1928
7 375 1 660 12 060 — 6 964
2 962
C. Rübensaftfabriken ¹).
Verarbeitet
Gewonnen
Rohe Rüben
Rübensäfte mit einem Reinheitsgrade von 70 bis
von weniger als 70 vH
Im September 1929. Im September 1928.
September 1929: 81 986 dz in 1 Fabr. 26 002 „ “ —
6 990 „ 1 „ 45 490 dz in 2 Fabr.
— — 50 000 „ 1
²) Im Landesfinanzamtsbezirk N.
2 2„
September 1928:
³) Im Betriebsjahr 1929/30 werden voraussichtlich 238 Zuckerfabrik
Zusammen . . 114 978 dz in 4 Fabr. 95 490 dz in 3 Fab en und 25 Zuckerraffinerien (einschtießlich einer Melasseentzuckerungsanstalt) in Betrieb kommen.
Sttatistisches Reichsamt.
Wagemann.
1 039 230