—
8.
— Hinsichtlich
Reichs⸗ und Staatsanzeiger Nr. 285 vom 6. Dezember 1929. S. 4.
bis zum Ablauf der Ausschlußfrist ruht die Berechtigung
um Bezuge der Diäten und zur Benutzung der Fahrkarte. 2. Has Mitglied hat den Sitzungssaal sofort zu verlassen. Tut es das trotz der Aufforderung des Präsidenten nicht, so wird die Sitzun unterbrochen oder au besoben⸗ und das Mitglied zieht sich dadur ohne weiteres den Ausschluß von dreißig Sitzungstagen mit den im Absatz 1 bezeichneten Folgen zu. 3. Der Präsident stellt diese Folgen bei Wiedereröffnung der Sitzung oder bei Beginn der nächsten Sitzung fest. 4. Das Mitglied darf während der Dauer der Ausschließung auch an den Ausschußst ungen nicht teilnehmen. 95 (Herbeirufung eines Rei sministers): Jedes eichstagsmitglied kann die Herbeirufung von Reichsministern beantragen. Der Antrag bedarf der Unterstützung von 30 an⸗ wesenden Mitgliedern. Has Abstimmungsergebnis wurde erzielt mit den Stimmen der Regierungsparteien und der Wirtschafts⸗ partei. Dagegen stimmten die Kommunisten; der Stimme ent⸗ hielten sich die Deutschnationalen.
4 Der Strafrechtsausschuß des Reichstags setzte gestern seine Beratungen über den Abschnitt der Beleidigungsdelikte (§§ 317 ff.) fort. Zu § 318 (Wahrnehmung berechtigter Inter⸗ essen) erklärte Abg. Dr. Rosenfeld (Soz.), daß der jetzige § 193 nicht mehr aufrechterhalten werden könne. Nach der Recht⸗ sprechung des Reichsgerichts reiche zur Bestrafung jedes kleinliche, egoistische Interesse aus, Handlungen aus idealen Beweggründen dagegen fänden keinen Schutz gegen Bestrafung. Vor allem werde man heute den Bedürfnissen der Presse nicht gerecht; man billige ihr nicht das Recht zu, Uebelstände aufzudecken. Schon Friedrich Wilhelm III. habe in einem Edikt von 1804 den Stand⸗ punkt vertreten, daß niemand strafrechtlich verfolgt werden solle, der öffentliche Mängel rüge. Oeffentliche Mißstände würden heute viel mehr durch die Presse als durch das Parlament auf⸗ gedeckt. Die Presse müsse befreit werden von der Furcht vor Beleidigungsprozessen; selbstverständlich dürfe nicht ein Schutz vor leichtfertigen Ehrabschneidungen außer acht gelassen werden. Bedenklich sei der Satz der Begründung, daß der Schutz gegen Strafverfolgung nicht gegeben sei, wenn die Aufdeckung von Miß⸗ ständen auch auf anderem Wege als der Veröffentlichung möglich gewesen wäre, z. B. durch Anzeige bei der zuständigen Behörde; die Gerichte würden immer dazu neigen, eine solche Anzeige für den richtigeren Weg anzunehmen. Das Recht der Presse auf öffentliche Kritik müsse in dem neuen Strafgesetzbuch gesichert sein unter der Voraussetzung, daß der Redakteur alle ihm mög⸗ lichen Maßnahmen getroffen habe, sich über den Tatbestand ob⸗ jektiv zu unterrichten. In früheren Zeiten hätte der Satz genügt: „Ein jeder kehre vor seiner Tür, und rein ist das ganze Stadt⸗ quartier“, heute müsse jeder Staatsbürger das allgemeine Inter⸗ esse im Auge haben. Abg. Hanemann (D. Nat.) machte darauf aufmerksam, daß bei einer Veröffentlichung der Beleidigte auf jeden Fall bloßgestellt sei. Die Presse habe kein absolutes Recht, in tatsächlicher oder vermeintlicher Wahrnehmung berechtigter Interessen, gegen Mitmenschen schrankenlos ehrenrührige Be⸗ hauptungen aufzustellen. Die Kritik durch die Presse sei not⸗ wendig, aber die Presse sei viel zu menschlich eingestellt und in zahlreichen Fällen viel zu wenig objektiv, als daß man ihr ein absolut freies Kritikrecht einräumen könne. Wissentlich falsche Behauptungen liefen stets der allgemeinen Sittlichkeit zuwider. Es sei zu begrüßen, daß der Entwurf grundsätzliche Ver⸗ leumdungen von der Wohltat des § 318 ausschließe. Die Lösung der ganzen Fragen in der Form des § 318 entspreche den Be⸗ dürfnissen der Presse, wie der Reichsverband der Deutschen Presse erklärt habe. Ministerialdirektor Schäfer (Reichsjustiz⸗ ministerium) erläuterte die im § 318 vorgesehene Abgrenzung der Wahrnehmung berechtigter Interessen. Dem Antrag der Berichterstatter stimmte er insofern zu, als er den Tatbestand bezüglich der privaten Interessen auf ein den Täter nahe an⸗ gehendes Interesse beschränken will. Dies entspreche auch durch⸗ aus der bisherigen Rechtsprechung des Reichsgerichts. Dagegen erscheine ihm dieselbe Beschränkung bezüglich der öffentlichen Interessen ein Widerspruch in sich zu sein. Im übrigen sei davon auszugehen, daß sich der Angreifer zunächst einer üblen Nachrede schuldig gemacht habe, und daß nun eine Abgrenzung für die Fälle gefunden werden müsse, in denen der Täter trotz⸗ dem straffrei sein solle. Der Entwurf versuche hier ein objektives Merkmal in der Interessenabwägung zwischen Beleidiger und Verletztem zu finden. Ob diese Lösung wirklich als befriedigend angesehen werden könne, sei doch zweifelhaft, da diesem scheinbar objektiven Kriterium gegenüber stets die Irrtumsvorschriften Platz greifen würden. Richtiger erscheine es ihm, die Ent⸗ cheidung auf das subjektive Moment einer Leichtfertigkeit des äters abzustellen, wie es etwa der Antrag der Berichterstatter vorsehe. Hierüber werde das Nähere im Unterausschuß zu sagen sein. Nach kurzer Besprechung der folgenden Paragraphen wurden die §§ 317 bis 323 dem Unterausschuß überwiesen. Es handelt sich bei § 317 um üble Nachrede, bei § 318 um Wahr⸗ nehmung berechtigter Interessen, bei § 319 um Verleumdung, bei § 320 um Beleidigung, bei § 321 um den Vorwurf einer strafbaren Handlung in der Ahsicht, jemand zu schmähen, bei § 322 um Verfolgung auf Verlangen, bei § 323 um Bekannt⸗ machung der Verurteilung. — Der Ausschuß vertagte sich auf Dienstag, den 10. Dezember. Tages ig: Beratung 8 Republikschutzgesetzes.
Der Rechtsausschuß des Preußischen Landtags setzte gestern die Beratung des Fideikommißgesetzes fort. In der Hauptsache wurden erörtert die Kosten⸗ und die Siedlungsfrage sowie sonstige Aenderungsvorschriften für den bisherigen Zu⸗ stand. Zur Kostenfrage erklärte Ministerialrat Krücke vom Finanzministerium nach dem Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger, daß der Finanzminister mit einer Herabsetzung und Staffelung der Gebühren bei einer vor⸗ zeitigen freiwilligen Auflösung vor dem Stichtag einverstanden sei, wenn der 1. April 1935 beibehalten würde. Eine Hinaus⸗ schiebung des Stichtages über 1935 hinaus sei vom Standpunkt der Finanzverwaltung aus nicht zu billigen, da der Justiz⸗ verwaltung die für die Behandlung der Auflösungen nötigen Kräfte immer mehr fehlen und der Auflösungsapparat die Ver⸗ waltung verteuere. — Zur Siedlungsfrage gab der Präsident Klössel vom Auflösungsamt die Erklärung ab, daß schon nach den bisherigen Bestimmungen der Verkauf von Siedlungs⸗ land durch die Fideikommisse nicht an die Zustimmung der An⸗ wärter gebunden sei. Die für die Beschaffung von Siedlungs⸗ land bisher erlassenen allgemeinen Bestimmungen hätten aus⸗ Feri Weitere gesetzliche Maßnahmen im Rahmen der Auf⸗ ösungsverordnung halte die Regierung nicht für erforderlich. Er persönlich sei der Meinung, daß Siedlungsland zur Zeit ge⸗ nügend vorhanden sei. Die Siedlungsfrage sei heute in der Hauptsache eine Frage der Kapitalbeschaffung für die Siedler. der sonstigen Aenderungsvorschriften erklärte Präsident Klässel, daß in Zukunft die Verhandlung vor den Auflösungsämtern öffentlich sein solle und daß die Aemter in die Lage versetzt werden sollen, besondere Sachverständige mit
volkswirtschaftlichen Erfahrungen zuzuziehen. — Der Ausschuß
begann dann mit der Einzelberatung Bei den Abstimmungen zu den einzelnen Paragraphen fand Annahme der Zentrums⸗ antrag, den Stichtag auf das Jahr 1940 hinauszuschieben. Die übrigen Anträge hinsichtlich des Stichtages wurden abgelehnt, auch der von der Volkspartei neu eingebrachte Antrag, erst für das Jahr 1950 den Stichtag festzulegen. Die Sozialdemokraten wollten das Jahr 1933, die Kommunisten das Jahr 1930 fest⸗ gelegt wissen. Mit der Annahme des Zentrumsantrages war auch der von der Regierung vorgeschlagene Stichtag, der 1. April 1935, abgelehnt. Von sonstigen Anträgen ist noch hervorzuheben
der Antrag der Volkspartei, der Ablehnung fand, bei der Auf⸗ lösung auch noch den zweiten Folgefall dadurch zu berücksichtigen, daß für diese Folgeberechtigten auch die Stellung eines zweiten Nacherben festgelegt werde. — Heute wird die Beratung fort⸗ gesetzt werden.
— Der FSklarek⸗Untersuchungsausschuß des Preußischen Land⸗ tags hat eine Umdisposition in der Reihenfolge seiner Zeugen⸗ vernehmungen beschließen müssen, die sich aus den bisherigen Vernehmungen ergibt. Nach Beendigung der Vernehmung des Oberbürgermeisters Böß soll zunächst Obermagistratsrat Nahldach vernommen werden, den einige Zeugen, darunter Dr. Clementz, als Verantwortlichen für die leberwachung des Sklarekschen Darlehensvertrags bezeichneten, während sie selbst, denen man deshalb disziplinarisch Vorwürfe machte, nicht zuständig seien. Hierauf will der Ausschuß den Kassierer Felix Heinricht und den Prokuristen Sommermeier ver⸗ nehmen, die nachträglich noch beschuldigt wurden. Dadurch ver⸗ zögert sich die Befragung des Buchhalters Lehmann, auf dessen Vernehmung der Ausschuß entgegen der Veröffentlichung des Verteidigers nicht verzichten zu müssen glaubt, und der Brüder Sklarek. Oberbürgermeister Böß hat dem Ausschuß inzwischen seine Magistratsverfügung über die Zuständigkeiten innerhalb des Magistrats überreicht. — Bei Eröffnung der gestrigen Sitzung, die wiederum unter dem Zeichen starken Andranges von v und Presse stand, teilte der “ Abg. Koennecke (D. Nat.) mit, er habe vom Genera staatsanwalt die Uebersendung der Akten über die gegen Nowarra anhängig gewesenen Strafverfahren verlangt, aber den Bescheid daß diese Akten schon im wesentlichen vernichtet seien. (Lebhaftes Hört, hört!) Ein Vertreter des Justizministeriums betonte, daß grundsätzlich bei eingestellten Verfahren die Akten der Staatsanwaltschaft nach fünf Jahren automatisch vernichtet würden. Hierauf nahm Oberbürgermeister Böß wieder auf dem Zeugensitz Platz. In der fortgesetzten Befragung wünschte Abg. Obuch (Komm.) Auskunft darüber, ob die Hauptprüfungs⸗ oder eine andere Stelle ausreichende Befugnisse zur Kontrolle der Vorgänge in der Verwaltung hatte. Oberbürgermeister Böß führte nach dem Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger dazu u. a. aus: Die Hauptprüfungs⸗ stelle des Magistrats ist etwa das, was für den Staat die Ober⸗ EEE“ darstellt. Sie hat also das gesamte Rechnungs⸗ material zu prüfen und soll auch die Verwaltung beobachten. Während des Krieges und kurze Zeit nach dem Kriege war noch eine besondere Ueberwachungsstelle eingerichtet, die auch Detektive in die einzelnen Ueberwachungsstellen schickte, um dafür zu sorgen, daß keine Unregelmäßigkeiten in der Verwaltung vorkämen. Die Ueberwachungsstelle wurde es abgebaut, weil man sie nicht mehr für nötig hielt. Die Unkosten werden nicht sehr groß ge⸗ 55 sein, und ich weiß auch nicht mehr, wer die Ueberwachungs⸗ stelle damals aufgelöst hat. Die ursprünglich selbständige Haupt⸗ prüfungsstelle ist später vom Kämmerer abhängig gemacht worden. Unter den 252 kommunalen Betrieben Berlins (Zuruf des Abg. Drügemüller [Soz.]): „befinden sich auch die Bedürfnis⸗ anstalten!“) gibt es nur 36 eigentliche Wirtschaftsgesellschaften. Die Mehrzahl der übrigen waren ganz kleine Betriebe. Daß die Zahl der Betriebe so groß wäre, daß die städtische Verwaltung sie nicht bewältigen könne, sei entschieden unrichtig. Reich und Staat hätten ja noch viel mehr Betriebe. Zahlreiche städtische Betriebe brächten große Ueberschüsse, auf denen zu einem guten Teil die Finanzen der Stadt überhaupt beruhen. Abg. Obuch (Komm.): Dann kann man wohl die hier eingetretenen Vorfälle nicht auf Unübersehbarkeit der Verwaltung zurückführen? Böß: Nein! Abg. Obuch (Komm.): Der frühere Leiter der KVG. Nowarra hat Sie doch 1926 brieflich darauf aufmerksam gemacht, daß er Ihnen Material über die Sklareks und „ungeheuerliche Sachen“ berichten könnte. Die KVG. hatte damals schon ein Millionendefizit. Sie wußten, daß Nowarra freigesprochen war und kannten ihn auch gut. Warum haben Sie ihm die nach⸗ gesuchte persönliche Unterredung nicht gewährt? Böß: Ich habe das sicherlich damals mit dem zuständigen Stadtrat Kohl besprochen. Nowarra genoß damals keinen guten Ruf in der Verwaltung. Vielleicht ist mit Rücksicht darauf der persönliche Empfang unterblieben. Außerdem war vereinbart, daß Kohl diese Angelegenheit bearbeiten sollte. Zu Kohl hatte ich damals unbedingtes Vertrauen. Was Kohl damals im einzelnen unter⸗ nahm bzw. was Kohl Nowarra geschrieben hat, weiß ich nicht mehr. Abg. Obuch (Komm.): Kohl soll Nowarra überhaupt nicht geantwortet haben. Haben Sie sich denn trotz der Unter⸗ chleife bei der KVG. gar nicht weiter um die Erledigung der chweren Vorwürfe Nowarras gekümmert? Böß: Den Ver⸗ acht von Unterschleifen brauchte man doch nicht wegen einer Unterbilanz zu haben. Auf Einzelheiten kann ich mich nicht mehr entsinnen. Abg. Obuch (Komm.): Dann müßte Stadtrat Kohl, dem Sie so voll vertrauten, Ihnen bewußt die Unwahrheit ins Gesicht gesagt haben. Böß: Sollte das wirklich der Fall gewesen sein, so habe ich doch damals nichts davon gewußt! Abg. Ob ucch (Komm.): Bürgermeister Scholz hat schon 1928 Bilanzfälschungen bei der KVG. festgestellt. Hätte er Ihnen das nicht berichten müssen? Böß: Nach meiner Meinung ja. 28 erinnere mich aber nicht an einen solchen Bericht. Abg. Obu (Komm.): Herr Obermagistratsrat Clementz von der Finanz⸗ deputation hat behauptet, Sie hätten sein Schreiben, daß die Be⸗ anstandungen der Hauptprüfungsstelle unbegründet seien, unter⸗ schrieben. — Berichterstatter Koennecke und andere Ausschuß⸗ mitglieder erinnern sich nicht an diese Behauptung des Clementz. — Böß: Clementz hätte mir unmittelbar gar kein Schreiben zur Unterschrift vorlegen können. Mindestens hätte vorher der Kämmerer es sehen müssen. Abg. Obuch (Komm.): Haben Sie Vorsorge getroffen, daß die seinerzeitige deutschnationale Straf⸗ anzeige gegen die Mißstände in der B2-G. so bearbeitet wurde, wie die Staatsanwaltschaft es forderte, d. h. daß Sie den Be⸗ schuldigten nur die Grundzüge der Anzeige zur Nachprüfung über⸗ mittelten und nicht eine eigene Untersuchung durch die BAG. ermöglichten? Böß: Stadtrat Gäbel hatte als zuständiger Mann ein Recht darauf, daß die Sache von ihm bearbeitet wurde. Das Ersuchen der Staatsanwaltschaft war nur formal an mich ge⸗ richtet. Es handelte sich doch um Verfehlungen von Angestellten der Gesellschaft. Bei den 36 Gesellschaften kann der Oberbürger⸗ meister doch nicht jeden Vorwurf gegen einzelne Angestellte selbst nachprüfen. Daß man damals falsch verfuhr, konnte ich nicht wissen. Ich weiß auch nicht, ob mir über den Ausgang der Unter⸗ suchung berichtet wurde. Der Magistrat war der Meinung, daß das Vorgehen der deutschnationalen Fraktion unrichtig war. Die Deutschnationalen hätten sich nicht an die Staatsanwaltschaft wenden sollen, sondern zunächst der Verwaltung die Vorwürfe übermitteln müssen, um nicht unnötig das Ansehen der Verwal⸗ tung herabzusetzen, wenn Verfehlungen von Angestellten eines städtischen Betriebes vorlagen. Deshalb hat der Magistrat in einer Verfügung, die von Gäbel und mir unterzeichnet wurde, auch gegen das deutschnationale Vorgehen protestiert. Abg. 89 (Komm.): In den deutschnationalen Anfragen war doch aber von Korruption ausdrücklich die Rede. Da hätten Sie die Sache doch wohl viel ernster nehmen müssen? Böß: Ich glaube nicht, daß ich das mußte. Denn im Parteikampf unserer Zeit werden leider solche Behauptungen leicht aufgestellt, auch wenn 8 unbegründet sind. Abg. Obuch (Komm.): Sie hätten es doch ehr leicht gehabt, durch den Beweis des Gegenteils die Sache aufzuklären. Dann wäre damals, wo auch die Sklareks schon genannt waren, die Stadt vor ungeheurem Schaden bewahrt worden. Böß: Es sind im Parteikampf schon damals fast täg⸗ lich die ungeheuerlichsten Behauptungen aufgestellt worden und es würde zu weit geführt haben, wollte man jeder dieser Behaup⸗ tungen durch einen Prozeß wö- enn Der Einzelfall ist wohl auch im Magistrat nicht behandelt worden. Ich weiß nicht, ob ich mit Schalldach die Sache besprochen habe. Das war auch nicht
meine Aufgabe. 2g. Obuch (Komm.): Schalldach hat Sie doch 2 Er hat
schriftlich auf die Vorkommnisse —2 gemacht. hier auehesag. daß er Ihnen über erfehlungen von Angestell⸗ ten berichtet habe, es werde falsch etikettiert und der Sohn des Kassierers Heinricht vertrete 15 Firmen. Böß: Daran kann ich mich nicht mehr erinnern. Abg. Obuch (Komm.): Schalldach hat behauptet, Sie hätten, obwohl Sie gar nicht zuständig waren, eine Rundverfügung unterzeichnet, wonach alle Bezirksämter dauernd bei Sklareks kaufen sollten? Böß: An sich würde das nicht zu meinem Ressort gehören. Aber auf den sachlichen In⸗ halt kam es bei den Rundverfügungen gar nicht an. Es sollten nur grundsätzlich alle Erlasse an die Bezirksämter durch den FebeFablha⸗ und nicht gegengezeichnet werden, weil Be⸗ chwerden gegen das Ueberhandnehmen solcher Erlasse von den “ erhoben waren. Haben Sie einma feststellen lassen, wieviel Schriftsachen jeden Tag mir vorgelegt wurden, und können Sie sich vorstellen, daß ich nach zwei Jahren noch wissen könnte, was ich in einem Einzelfall unterschrieben habe? Obuch (Komm.): Im Gegensatz zu Ihnen hat der damalige Stadtkämmerer Karding die Liquidierung der KVG. nicht mit dem Rückgang der Inanspruchnahme dieser Gesellschaft durch die Berliner Bevölkerung, sondern mit den übermäßigen Einkäufen bei den Sklareks begründet. Hat er Ihnen darüber gar nicht be⸗ richtet? Böß: Das weiß ich nicht mehr. Abg. Obu ch (Komm.): Hielten Sie es für richtig, daß die städtische KVG., die nur 20 000 Mark Kapital hatte und lediglich von einer Firma be⸗ liefert wurde, Millionenkredite von der Stadt erhielt? Böß: Das zu prüfen, wäre Sache der Organe der Gesellschaft gewesen. Aber auch andere Gesellschaften mit geringem Kapital, z. B. die Messe⸗Gesellschaft, nimmt Kredite in Anspruch. Abg. Obuch (Komm.): Die vom Betriebsrat in den Aufsichtsrat der BAG. delegierten Angestellten haben bekundet, daß sie im Aufsichtsrat öfter auf Mißstände aufmerksam gemacht haben. Ist Ihnen das auch nicht bekannt? Böß: Die Aufsichtsratsmitglieder wären durchaus berechtigt gewesen, diese Mißstände eingehend nachzu⸗ prüfen. Das war sogar ihre Pflicht, die sie scheinbar versäumt haben. Abg. Obuch (Komm.): Aus Ihrer Aussage gewinne ich den Eindruck, daß Sie alles den Magistratsmitgliedern und “ Beamten überließen, und sich persönlich von allem frei⸗ ielten. Böß: Dem muß ich entschieden widersprechen. Wir aben wiederholt im Magistrat verantwortlich schwierige Fragen entschieden. Und es bestanden ja noch Verfügungen über die Pflicht der Informierung des Magistrats. Aber man muß sich doch auf die Magistratsmitglieder verlassen können. Abg. Obuch (Komm.): Sie glaubten, gegen Magistratsmit⸗ glieder nicht mißtrauisch sein zu dürfen. Das Ergebnis Ihrer Haltung ist, daß Degener und Gäbel im Gefängnis sitzen, daß Sie nun selbst Beneckes Verhalten als unverantwortlich bezeichnen, daß gegen Schüning ein Strafverfahren schwebt, daß Kohl Ihnen ins Gesicht die Unwahrheit gesagt hat und daß noch gegen viele andere schwere Vorwürfe erhoben werden. Sie selbst aber stehen in der Mitte und wissen von alledem gar nichts. Böß: Auch dem muß ich widersprechen. Die Berliner Stadtverwaltung hat 24 besoldete und 24 unbesoldete Magistratsmitglieder. da kommt es immer wieder vor, daß der eine oder andere nicht ehrlich ist. Deswegen so zu tun, als wäre ich mit einer korrupten Um⸗ gebung versehen gewesen, geht entschieden zu weit. Die von Ihnen genannten Herren sind ja auch nicht zu gleicher Zeit tätig gewesen, sondern nacheinander. Abg. Obuch (Komm.): Wir untersuchen ja jetzt auch nur einen einzigen Fragenkomplex. Wir werden uns noch danach zu beschäftigen haben mit den Grundstückkäufen der Stadt, mit der städtischen Müllabfuhr, mit dem Verkauf der Berliner Hafenanlagen usw. Tatsächlich er⸗ gibt sich daraus, besonders wenn man den Prozentsatz der jeweils Stadträte betrachtet, daß zu gleicher Zeit etwa der halbe Magistrat in Verfahren verwickelt ist. (Abg. Meyer (Soz.): „Wenn das so weitergeht, reicht die Legislaturperiode nicht aus!“ — Abg. Koch [D. Nat.]: „Herr Meyer, lassen Sie sich das nächste Mal nicht wieder wählen!“). Böß: Sie können mich doch nicht für die Persönlichkeit der Magistratsmitglieder verant⸗ wortlich machen, die ich gar nicht gewählt habe. Außerdem ist in dem konkreten Falle nicht ein einziges Mal der Stadtrat Gäbel verdächtigt worden, obwohl er der hier zuständige Mann war. Wenn Schalldach behauptet, er hätte mit mir über die Ver⸗ längerung der Sklarek⸗Verträge bis 1925 gesprochen, so halte ich das für unwahrscheinlich. In diesem Falle würde ich nämlich erst mit dem zuständigen Stadtrat Gäbel Rücksprache genommen haben. Gäbel hat aber nicht behauptet, er hätte über die Ver⸗ ängerung mit mir gesprochen. Er würde das sicher getan haben, wenn er dazu in der Lage gewesen wäre, weil es ja zu seiner Entschuldigung dienen konnte. Abg. Obuch (Komm.) kam auf die Besprechung des Oberbürgermeisters mit dem preußischen Handelsminister über die von der Stadtbank und der Girozentrale gegebenen hohen Kredite zurück und fragte den 38“en, was er daraufhin unternommen habe. Böß: Ich habe sofort eine Nachweisung über die Kredite verlangt, diese auch erhalten und eine fortlausende Kontrolle durch den Stadtkämmerer veranlaßt. Persönlich habe ich mich nicht mehr davon überzeugt, ob entsprechend weiter verfahren worden ist. Abg. Obuch (Komm.): Mit dem Ausscheiden des Stadtkämmerers Karding hörte diese Kontrolle tatsächlich auf. Es wurden Riesenkredite von der Stadtbank ge⸗ geben, sogar an Firmen, die als Schieberfirmen bekannt waren. Böß: Ich kann doch nicht annehmen, daß gegen die gegebenen Richtlinien verstoßen wird. Abg. Obuch (Komm.): Wenn dies nun aber doch geschieht und geschehen ist, tragen Sie dann da nicht persönlich die Verantwortung dafür? Böß: Das glaube ich nicht. Wenn ich persönlich alle die Möglichkeiten von Un⸗ regelmäßigkeiten in der großen Verwaltung untersuchen sollte, dann würde mir vom ganzen Tage für meine übrige Ver⸗ waltungstätigkeit keine Zeit übrig bleiben. Abg. Obuch (Komm.): So konnte es also kommen, daß eine Firma es sich zur Aufgabe stellte, fast die ganze Berliner Stadtverwaltung zu korrumpieren, was auch in recht erheblichem Umfange gelungen ist. — Abg. Obuch kommt dann auf die Hinzuziehung bzw. Ein⸗ ladung von Spendern der Stadt zu festlichen Veranstaltungen, Empfängen usw. zu sprechen. Böß bestätigte hierbei⸗ die bereits von andern Zeugen, so vom Stadtrat Benecke, hiexüber ge⸗ machten Bekundungen über die Grundsätze für die Einladung solcher Spender zu festlichen Veranstaltungen der Stadt. Abg. Obuch richtet dann Fragen bezüglich der Pelzangelegenheit an den Zeugen. Böß führte hierzu aus: Im Sommer vorigen Jahres sollte meine Frau sich einen Pelz beschaffen. Es handelte sich nur darum, wo sie ihn kaufen sollte. Ich erinnerte mich daran, 8 einer der Sklareks, den ich früher im Zusammenhang mit der KVG. kennengelernt hatte, mir einen Pelz angeboten hatte. Ich habe das aber damals abgelehnt, ich hatte keine Ver⸗ anlassung, mir einen Pelz zu beschaffen. Ich wies meine Frau nun auf ihn hin. Sie bestellte einen Pelz und erkundigte sich so⸗ gleich, was er kosten sfolle. Ein Preis konnte ihr aber och nicht
(Fortsetzung in der Ersten Beilage.)
Verantwortl. Schriftleiter: Direktor Dr. Tyrol,. Charlottenburg.
Verantwortlich für den Anzeigenteil: Rechnungsdirektor Mengering in Berlin. Verlag der Geschäftsstelle (Mengering) in Berlin. Druck der Preußischen Druckerei⸗ und Verlags⸗Aktiengesellschaft, Berlin, Wilhelmstraße I323.
Sechs Beilagen 8 (einschließl. Börsenbeilage und zwei Zentralhandelsregisterbeilagen),
Erscheint an jedem Wochentag abends. Bezugspreis vierteljährlich 9 .K Alle
SW. 48, Wilhelmstraße 32. Einzelne Nummern kosten 30 Mpf,
einschließlich des Portos abgegeben. Fernsprecher: F 5 Bergmann 7573.
Postanstalten nehmen Bestellungen an, in Berlin für Selbstabholer auch die Geschäftsstelle
einzelne Beilagen kosten 10 ℛ Sie werden nur gegen bar oder vorherige Einsendung des Betrages
druck
Anzeigenpreis für den Raum einer fünfgespaltenen Petitzeile 1,05 N.ℳ Einheitszeile 1,75 Ex 1 telle Berlin SW. 48, Wilhelmstraße 32. sind aut einseitig beschriebenem Papier völlig druckreif einzusenden, insbesondere ist darin auch anzugeben, wel einmal unterstrichen) oder dur een) hervorgehoben werden sol en. Befristete Anzeigen müssen 3 Tage vor dem Einrückungstermin bei der Geschäftsstelle eingegangen sein.
einer drei Geschäfts
strichen)
Anzeigen nimmt an die Alle Druckaufträge
ee Worte etwa durch Sperr⸗ ettdruck (zweimal unter⸗
2
Berlin, Sonnabend, den 7. Dezember, abends.
Poftscheckkonto: Berlin 41821.
—
1929
Nr. 286. Reichsbankgirokonto.
Ernennungen ꝛc. Filmverbote. 8 Anzeige, betreffend die Ausgabe der Nummer 42 des Reichs⸗ gesetzblatts, Teil I. Preußen.
Bekanntmachung, betreffend Zinsen der preußischen 5 zinsigen Kali⸗ und Roggenwertanleihen von 1923.
8 Deutsches Reich.
Der Reichsgerichtsrat Adolf Müller ist verstorben; der Staatsanwalt am bayerischen Obersten Landesgericht, Ober⸗ staatsanwalt Zoeller in München ist zum Reichsgerichtsrat ernannt worden.
1. Auf Antrag des Preußischen Ministers des Innern vom 14. November 1929 ist am 5. Dezember 1929 die Zu⸗ lassung des Bildstreifens: „Tagebuch einer Verlorenen“, Antragsteller und Ursprungsfirma: Pabst⸗Film G. m. b. H., Berlin (genehmigt von der Filmprüfstelle Berlin am 24. Sep⸗ tember 1929 unter Prüfnummer 23 533), widerrufen worden.
2. Am gleichen Tage ist ferner die öffentliche Vorführung des Bildstreifens: „Das Haus des Schweigens“, 9 Akte —= 2780 m, Antragsteller: Deutsches Lichtspiel⸗Syndikat A. G., Berlin, Ursprungsfirma: Archibald Nettlefold Prod. Lid., London, unter Nr. 631 (Prüfnummer 24 370) verboten worden.
Berlin, den 6. Dezember 1929. Der Leiter der Filmoberprüfstelle 1u6“ Dr. Seeger.
Bekanntmachung.
Die am 6. Dezember ausgegebene Nummer 42 des Reichsgesetzblatts, Teil I, enthält:
die Verordnung über die Errichtung einer Reichsbaudirektion Berlin, vom 16. November 1929,
die Vierte Verordnung über Aenderung der Eichgebührenordnung, vom 26. November 1929,
die Zweite Verordnung über die Erhöhung der i⸗ für die Vermahlung von Inlandsweizen, vom 29. November 1929,
die Vierte Aenderungsverordnung zur Reichsstimmordnung, vom 5. Dezember 1929,
die Verordnung über Aenderung der Eichordnung, vom 22. No⸗ vember 1929, und
die Verordnung über Uebergangsbestimmungen für die Neueichung von Meßgeräten, vom 22. November 1929.
Umfang ¾ Bogen. Verkaufspreis 0,15 RM.
Postversendungsgebühren: 0,05 RM für ein Stück bei Voreinsendung.
Berlin NW. 40, Scharnhorststr. 4, den 7. Dezember 1929. 8 Reichsverlagsamt. Dr. Kaisenberg. .
Preußen. . Preußische Staatsschuldenverwaltung.
Für die am 2. Januar 1930 fälligen halbjährigen Zinsen der preußischen 5zinsigen Kali⸗ und Roggenwert⸗ anleihen von 19258 ist der amtliche Durchschnittspreis für Kali und Roggen in der Zeit vom 1. Oktober bis 30. No⸗ vember 1929 maßgebend. Dieser Durchschnittspreis beträgt:
7,55 RM für 100 kg Kali und 8 8,69 RM für den Zentner Roggen. g Demgemäß werden eingelöst die Zinsscheine über den
Geldwert von 250 kg Kali mit 18,875 RM 25 1,8875
Pr. 0,94375 7 4
8 0,18875 „ 125 Pfd. Roggen mit 10,8625 2
ö“ öe“ 13⁄ „ 8 1,08625 „ f— 8 Eb“
Die Einlösung der Zinsscheine erfolgt vom 2. Januar 1930 in unter Abzug von 10 vH Steuer (Abzug vom Kapital⸗ ertrag e) kostenfrei durch F
die Preußische Staatsschuldenkasse, die preußischen Regierungs⸗ hauptkassen, die staatlichen preußischen Kreiskassen, die
111“
— — — — —
Preußische Staatsbank (Seehandlung), die Preußis e Zentralgenossenschaftskasse in Berlin, deren Zweigstelle in Frankfurt a. M. und die Reichsbankanstalten.
7
Der einem Einlieferer von Zinsscheinen auszuzahlende Gesamtbetrag wird nach Abzug der Steuer vom Kapitalertrag auf volle Reichspfennig nach unten abgerundet.
Berlin, den 6. Dezember 1929. Preußische Staatsschuldenverwaltung.
Richtamtliches. Preußischer Staatsrat.
Sitzung vom 5. Dezember 1929. (Bericht d. Nachrichtenbüros d. Vereins Deutscher Zeitungsverleger.)
Der Staatsrat begann am 5. d. M., nach dem Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins Deutscher Zeitungsverleger, die erste Lesung des neuen Haushalts im Plenum.
Finanzminister Dr. Höpker⸗Aschoff verwies zuf seine ausführlichen Darlegungen im verstärkten Hauptausschu und hob insbesondere hervor, daß einem Staatsvermö hen von 6,86 Milliarden eine Verschuldung von rund 630 Millionen Reichsmark gegenüberstehe, die also noch Füch 10 Prozent des Ver⸗ mögens ausmache. Eingehend beschäftigte sich der Finanzminister mit den Fragen des zukünftigen Finanzausgleichs. Obwohl das Problem gegenwärtig in weitem Umfang erörtert wird, kann man im einzelnen noch nicht dazu Stellung nehmen, da die Pläne des Reichsfinanzministers bisher⸗nur bruchstücksweise bekannt
eworden sind. Der Plan, die Steuerquellen wischen Reich und ändern ganz einheitlich und reinlich zu sche ber kann als be⸗ waben gelten. Entscheidend ist, nach welchem Schlüssel die Steuern verteilt werden. Wenn im Reichsfinanzministerium der Plan bestehen sollte, die Länder und Gemeinden von der Anteil⸗ nahme am Aufkommen der direkten Steuern zurückzudrängen und dafür stärker an den indirekten Steuern zu beteiligen, so gibt auch hier den Ausschlag, welcher Schlüssel der Verteilung zugrunde⸗ gelegt wird. Beachtung erfordert der Vorschlag, die Reichssteuern nicht mehr schlüsselmäßig an Länder und Gemeinden zu über⸗ weisen, sondern bestimmte Beträge nach Normalleistungen auf Grund einheitlich errechneter Kosten für Polizei⸗, Schul⸗, Wohl⸗ fahrt⸗ und Wegebauwesen zu verteilen. Die Bedenken, die diesem Vorschlag entgegenstehen, sind nicht zu verkennen. Sie rühren einmal daher 5 Normalisierung der Ausgaben nur schwer möglich ist. Die Bedenken liegen aber auch auf politischem Gebiet, denn die Anerkennung des Vorschlages würde bedeuten, daß die Länder nichts anderes als Verwaltungsstellen sind, was für einen Teil der Länder bestimmt nicht zutrifft. Die Durchführung des Vorschlags würde aber auch zu einer Utämuns und Erhaltung an sich lebensunfähiger Länder führen und damit den Weg der Reichsreform verbauen. In Wn Zusammenhang beschäftigte sich Finanzminister Dr. Höpker⸗A choff mit dem § 35 des Finanz⸗ ausgleichsgesetzes, der Zuschüsse für die Länder garantiert, deren Steueraufkommen unter dem Reichsdurchschnitt liegt. Für Preußen wirkt sich dieser Paragraph in verschiedener Richtung nachteilig aus. Von den preußischen Provinzen liegen die sechs östlichen, Schleswig⸗Holstein und Hannover, unter dem Reichs⸗ durchschnitt, so daß für sie Ueberweisungen in Höhe von 72 Mil⸗ lionen Reichsmark fällig wären, wenn der preußische Staat nicht als Einheit behandelt würde. Statt dessen wird preußisches Auf⸗ kommen an Reichssteuern zu Ueberweisungen an die leistungs⸗ schwachen Länder mitverwandt, und Preußen muß außerdem ohne Reichszuschüsse seinen innerstaatlichen Lastenausgleich vornehmen. Der innerstaatliche Lastenausgleich ist durch den im Sommer ver⸗ abschiedeten Polizeilastenausgleich ausgebaut worden und wird durch den neuen Volksschullastenausgleich ergänzt werden, der sich sowohl zugunsten der Landgemeinden wie der kinderreichen Industriegemeinden auswirken wird. Durchzuführen sein wird er allerdings nur dann, wenn dem Staat ausreichende Mittel zur Verfügung stehen. Auch an dieser Stelle zeigt sich die zentrale Bedeutung des Finanzausgleichs. Finanzminister Dr. Höpker⸗ Aschoff beschäftigte sich sodann mit den Plänen für die notwendige Steuersenkung. Unbedingt zu fordern ist die Aufhebung der Industrie⸗ und Rentenbanklasten, Senkung und Tarifänderung der Einkommenstener und starker Abbau der Realsteuern. Man muß sich darüber klar werden, daß die durch die neue Reparations⸗ regelung frei werdenden Beträge zur Steuersenkung nicht aus⸗ reichen und deshalb die Erschließung neuer Steuerquellen unein⸗ geschränkt zu bejahen ist. Dafür steht der entbehrliche Verbrauch durch schärfere Heranziehung von Alkohol und Tabak zur Ver⸗ fügung. Hier liegt eine Steverreserve, die auszunutzen ist, wenn man die allgemein als notwendig erkannte Steuersenkung durch⸗ führen will. Da eine Wiedereinführung der Weinsteuer nicht möglich ist, muß man sich der Biersteuer zuwenden. Notwendig ist ferner, daß man den Gemeinden die Möglichkeit zur Erhebung einer direkten Steuer gibt, die nicht einseitig einzelne Bevölkerungs⸗ kreise belastet. Dafür stehen Verwaltungskostenbeiträge oder Wiedereinführung der Zuschläge zur Einkommensteuer zur Ver⸗ fügung, wobei man an eine Verbindung beider denken kann. In allen diesen Fragen zeigt sich die starke Abhängigkeit vom Reich. Reich und Länder müssen die Probleme der zukünftigen Finanz⸗ gestaltung gemeinsam beraten; die Länder sind bereit, sie warten auf den Ruf des Reichsfinanzministers.
Stadtrat Dr. Kaiser (Zentr.) erstattete darauf den Haupt⸗ bericht. Er bemängelte, daß die Einsparungsmaßnahmen, die der Staatsrat seit Jahren vorgeschlagen habe, im vorliegenden Haus⸗
haltsplan leider kicht in dem erforderlichen Maße beachtet worden
— ““
er mich dringend
* Wenn der Finanzumnister erklärt habe, daß das nicht von eute auf morgen gehe, so müsse er erklären, daß der Staatsrat nun bereits seit acht Jahren auf Eins arungsmöglichkeiten hin⸗ ewiesen habe. Es sei durchaus nicht erforderlich, daß man damit s lange warte, bis ein neues System gefunden sei. Bei stetiger und konsequenter Arbeit seien auch Einsparungen unter den jetzigen Verhältnissen möglich. Der Redner kritisterte dann den § 4 des Etatsgesetzes, wonach der Finanzminister ermächtigt wird, ser Befriedigung unabweisbarer, durch die Nachwirkungen des rieges und durch die Ausführung des Friedensvertrags hervor⸗ gerufener Bedürfnisse nötigenfalls Garantien und Bürgschaften u Lasten des Staates zu übernehmen. Zur Uebernahme solcher Barantien und Vürgschaften ist nach diesem Paragraphen die Zustimmung eines Ausschusses des Landtags von sieben Mit⸗ gliedern erforderlich. Der Berichterstatter erklärte, daß diese Be⸗ stimmung mit der preußischen Verfassung nicht in Einklang zu bringen sei. Der Staatsrat dürfe nicht ausgeschaltet werden, er wolle aber seinen Einspruch bis zu einer Klärung im Verfassungs⸗ ausschuß zurückstellen. Der Redner vermißte ferner, besonders im Feus t des Kultusministeriums ormalplan gebracht worden sei, die notwendige Uebersichtlichkeit Viele Kritiken rührten daher, daß nicht genügende Klarheit übe die Verwendung der Ausgaben bestehe. Eine Beseitigung dieses Se läge also auch im Interesse der Verwaltung. Der erichterstatter wandte sich dann dem Wohnungsproblem zu und erklärte, daß es den Sparkassen auf die Dauer nicht möglich sein werde, “ in demselben Maße wie in den letzten Jahren zur Verfügung zu stellen. Man solle die Mittel der sezialen Versicherungsträger wieder in stärkerem Maße dem Wohnungsbau zuführen. Auch der ausländische Kapitalmarkt müsse für diese Zwecke herangezogen werden. Außerordentlich bedenklich sei die Einstellung der ehrüberweisungen von 88 Mi lionen Mark, da es ja sogar sehr fraglich sei, ob die ordentlichen Ueberweisungen in voller Höhe eingehen würden. Die sächlichen Ausgaben dürften auch nach velce des Staatsrats nicht weiter gekürzt werden, wenn nicht wichti zum Erliegen kommen sollten. Es müsse baldigst e ommen. Dieser dürfe nicht zur Ländern und Gemeinden zufließenden Mittel führen. Sie müßten die Möglichkeit haben, die ihnen obliegenden Mindestausgaben ohne Steueranspannung zu erfüllen. Bisher sei man in der Frage des Finanzausgleichs auf falschem Wege gewesen. Der Redner legte den von ihm angeregten Reformplan dar und wies auf die Hauptlastengebiete (S ulwesen, Polizei, Wohlfahrts⸗ pflege, Rechtspflege, Straßenunterhaltung) hin. Zur Deckung würden den Gebietskörper chaften solche eigenen Steuern oder das Zuschlagsrecht zu deihsgfenetn bei den Gemeinden zu den Landessteuern zu gewähren sein, deren Veranlagung und Erhebung in den Grenzen der jeweiligen Gebietskörperschaften möglich seien. Der heutige Lastenausgleich sei ungerecht! Das zeige sich be⸗ sonders stark bei den Schullasten und bei den Polizeikosten. önne z. B. eine kleine Kreisstadt mit verhältnismäßig geringen Wohlfahrtsaus aben mit großen Städten, besonders im Industrie⸗ ebiet, gleichstellen. Bisher gehe der Reichs⸗ wie auch der preußische Fsnanzones eich allein von der Einnahmeseite aus, indem das Aufkommen der einzelnen Steuern nach jeweils besonderen Schlüsseln verteilt werde. Richtiger sei, in erster Linie von der Ausgabenseite auszugehen und ohne Bezugnahme auf die einzelne Steuerart Kostenbeikräge zu den großen allgemeinen Lasten⸗ gebieten an die Gebietskörperschaften von dem Reich leisten zu lassen. Zugrunde gelegt werden müsse als Einheitssatz der Mindestbedarf für die Einheit der jeweiligen Lastenursachen. Die Kaßzahl ergebe sich aus der objektiv feststellbaren Zahl der auf den Lastenträger entfallenden Einheiten, z. B. die Zahl der schul⸗ pflichtigen Kinder. Nach Entgegennahme des Berichts über den Haushalt
vertagte der Staatsrat die Weiterberatung auf
Parlamentarische Nachrichten.
Der Geschäftsordnungsausschuß des Reichstags hat be⸗ kanntlich im Anschluß an die Vorgänge in der Mittwochsitzung eine wesentliche Verschärfung der Ordn ungsbestimmungen beschlossen. Da diese Verschärfung eine Aenderung des Gesetzes über die Entschädigung der Mitglieder des Reichstags notwendig macht, 88 die v“ 1 Aenderung dieses Gesetzes bean ragt, wonach in der Geschäftsordnun⸗ des Reichstags außer der zeitweiligen Ausschließung von “ des Reichstags und seiner Ausschüsse das gleichzeitige Ruhen des Rechts auf freie Eisenb hnfahrt und anf Entschädigung ausgesprochen werden kang. 1“
Der Stlarek⸗Untersuchungsausschuß des Preußischen Land⸗ tags hatte gestern nachmittag den Behg hre rn. ann und die beiden Brüder Sklarek als Zeugen geladen. Zu⸗ nächst erfolgte in der gestrigen Sitzung eine Fegeuüberstellung don Obermagistratsrat Brandes von der Hauptprüfungsstelle und Direktor Brolat. Es handelt sich um die Behauptung Brolats, daß er Brandes nicht hinsichtlich der Revisionen der Sklarek⸗ Kredite vordem beeinflußt habe. Vorsitzender Schwenk: Sie sollen uns Auskunft geben über Ihre Unterredung mit Direktor Brolat zu jener Zeit, als bereits eine genaue Prüfung der Kredite der Sklareks angeordnet war. Obermagistratsrat Brandes: Ich weiß nicht bestimmt, an welchem Tage Brolat bei mir er⸗ schien. Am 17. September dieses Jahres fand die Revision der Sklarekschen Kredite statt. Brolat hat, wie eine mir hinterlassene Mitteilung besagt, am 19. September, während ich einer Sitzung beiwohnen mußte, bei mir angerufen und mir sagen lassen,
sprechen wolle. Ich nehme an daß Brolat 89
der noch immer nicht auf den
Zerkürzung der den
den
Man
und die Wirtschaftspartei jetzt ene
8
3
ge ehseenn. überhaupt “ er neue Finanz⸗