1““
Neichs⸗ und Staatsauzeiger Nr. 298 vom 21. Dezember 1929.
S. 4.
Schlußabstimmung wiederholt werden. Diese wiederholte Abstimmung, die Schlußabstimmung und die Abstimmung über das kommunistische Mißtrauensvotum werden auf Vor⸗ schlag des Abg. Breitscheid (Soz.) auf Sonnabend vertagt.
Es folgt die dritte Lesung des Initiativantrags Lipinski (Soz.), der von den Regierungsparteien unter⸗ stützt wird, wonach die Rückflüsse aus Hanszinssteuerhypotheken nur wieder dem Wohnungsbau zugute kommen sollen. Der Wohnungsausschuß hat die Bestimmung gestrichen, daß auch Rückflüsse aus sonstigen öffentlichen Darlehen wieder dem Wohnungsbau zugeführt werden sollen.
Abg. Schumann⸗Leipzig (Komm.) beantragt Ablehnung des Ausschußantrages und volle Wiederherstellung des ursprüng⸗ lichen Initiativantrages.
Abg. Lipinski (Soz.): Rückflüsse aus öffentlichen An⸗ leihen kommen zur Zeit noch gar nicht in Betracht. Außerdem ist fraglich, ob man z. B. die Gemeinde zwingen darf, solche An⸗ leihen dauernd dem Wohnungsbau zur Verfügung zu stellen. Wenn diese Rechtsfrage geklärt ist, werden wir den gestrichenen Teil des Antrages wieder einbringen.
Abg. Troßmann (Bayer. Vp.) verlangt, daß der Haus⸗ zinssteuer der Charakter als Ländersteuer erhalten bleibt, und erklärt, daß seine Partei den Antrag nicht zustimmen könne.
Das Haus beschließt nach dem Ausschußantrag.
Der Einspruch des Abg. Quaatz (D. Nat.) gegen die ihm kurzlich erteilten Ordnungsrufe wird mit großer Mehrheit zurückgewiesen.
In zweiter und dritter Lesung wird der Gesetzentwurf über das deutsch⸗türkische Abkommen über den Rechtsverkehr in Zivil⸗ und Handels⸗ sachen angenommen.
8 Es folgt die zweite Lesung des Gesetzentwurfs über den Notenwechsel zum deutsch⸗französischen Handelsabkommen.
Abg. Hörnle (Komm. protestiert dagegen, daß das deutsch⸗ sranofsche Zollabkommen im Widerspruch zu den Ent⸗ chließungen der Weltwirtschaftskonferenz solange verzögert worden ist, daß Frankreich inzwischen seine Zölle erhöhen konnte und dann das Abkommen auf Grund dieser erhöhten Zölle abge⸗ 8 werden mußte. In dem jetzigen Abkommen soll z. B. er ermäßigte Mehlzoll wieder beseitigt werden. Der Raubzug der Bourgeoisie auf die Taschen der Arbeiter soll immer und immer fortgesetzt werden. Dagegen müssen die Arbeiter inter⸗ national zum Kampf aufgefordert werden.
Die Abstimung wird wegen der augenblicklichen schwachen Besetzung des Saales vorläufig ausgesetzt.
In der zweiten Lesung des Gesetzentwurfs über den Notenwechsel zum Handelsvertrag zwischen dem Deutschen Reiche und der Schweiz erklärt sich
Abg. Hörnle (Komm.) auch gegen diese Abänderung des ertrages mit der Schweiz und bekämpft die Aufhebung der Zollbindung für Schuhwaren und die Möglichkeit, nicht nur das Rohaluminium, sondern auch fertige Aluminiumwaren zu⸗ günten des Großkapitals mit Zöllen zu belegen. In der ganzen Welt bestehe eine Ueberproduktion an Aluminium, trotzdem wolle die Reichsregierung die Rohaluminiumfabriken in Deutsch⸗ land noch weiter aufbauen. Hier wiederhole sich der Vorgang beim Stickstoff und all das solle der Rüstungsindustrie dienen. Rußland sei das einzige Land, das keine Rüstungsindustrie habe, der Sowjetregierung komme es nur darauf an, die Landesgrenzen verteidigen zu können. Aber die Sozialdemokratie mache diese Zollpolitik mit. (Lebhafte Zwischenrufe bei den Sozialdemo⸗ kraten.) Redner erwidert auf die Zwischenrufe, daß es eine be⸗ kannte Tatsache sei, daß geprügelte Hunde bellen und wird für diesen auf Abgeordnete angewandten Ausdruck zur Ordnung gerufen.
Die Abstimmung wird vorläufig ausgesetzt.
In der zweiten Lesung des Gesetzentwurfs über das zweite Zusatzabkommen zu dem Handels⸗ und Schiffahrts⸗ vertrag vom 14. Mai 1926 zwischen dem Deut⸗ schen Reich und dem Königreich Schweden beantragen die Abgeordneten Dr. Schneider⸗Dresden (D. Vp.) und Gerauer (Bayer. Vp.) eine Entschließung, wonach darauf hingewirkt werden soll, daß bei Straßen⸗ bauten, Bahnbauten usw. deutsches Pflastersteinmaterial ver⸗ wendet werde und die Reichsbahn durch ihre Frachtgestaltung die deutsche Pflastersteinindustrie fördere.
Von den Abgg. Tremmel, Dr. Brüning (Zentr.) und Gen. liegt eine Entschließung vor in demselben Sinne, die außerdem verlangt, für die Opfer dieses Handelsvertrags eine durchgreifende Notstandsaktion zu unternehmen, wenn eine Opferung von Arbeitern der Pflastersteinindustrie sich im allgemeinen volkswirtschaftlichen Interesse unvermeidbar sei und schließlich wünscht, daß in viel stärkerem Maße als bisher Pflastersteine auf Reparationskonto geliefert werden.
Abg. Gerns (D. Nat.) protestiert dagegen, daß Schweden ein Einfuhrkontingent für Rinder zum alten Zollsatz zugebilligt werde. Durch diese und andere Maßnahmen werde der neue Zoll⸗ tarif ausgehöhlt. Er schildert dann die Krisis, in der sich speziell die Hochzuchtgebiete des Nordens und Nordwestens Deutschlands befänden. Verschärft werde diese Krise besonders durch die Fechne Lage auf den Rinderschlachtmärkten. Die Ueber⸗
hwemmung des Marktes mit Auslandsvieh wirke sich für diese
Gebiete verheerend aus. Aus den Zollverhandlungen der letzten Tage müsse man feststellen, daß man auf dem Wege der Soziali⸗ sierung der Landwirtschaft einen großen Schritt vorwärts ge⸗ kommen sei. Der Redner lehnt das Zusatzabkommen ab.
Abg. Dr. Rademacher (D. Nat.) stimmt dieser Ent⸗ schließung zu und erklärt, daß seine Freunde aus den vom Vor⸗ redner bereits dargelegten Gründen wie im Interesse der deutschen Pflastersteinindustrie gegen den vorliegenden Vertrag Hmmen müßten. Durch neue Verhandlungen müsse eine bessere
osition Schweden gegenüber erreicht werden, auch zum Zwecke des Schutzes der deutschen Pflastersteinindustrie.
Abg. von Sybel (hristl.⸗Nat. Arb.⸗Gem.): Als im Sommer dieses Jahres auf Drängen der Landwirtschaft der schwedische Vertrag, in dem die wichtigsten Agrarzölle festgelegt waren, gekündigt wurde, erhoffte die Landwirtschaft eine Um⸗ kehr von der verfehlten Zoll⸗ und Handelspolitik der vergangenen Jahre, insbesondere eine Abkehr von dem System der Verbindung von Tarifabreden und allgemeiner Meistbegünstigung. Deutsch⸗ land trägt mit die dünnste Zollrüstung, hätte aber gerade wegen seiner Reparationsbelastung allen Grund, seine Zollrüstung stärker als die der Reparationsgläubiger zu gestalten und sich wegen der ständig wechselnden Produktions⸗ und Konkurrenz⸗ verhältnisse die Hände freizuhalten. Der vorliegende Zusatz⸗ vertrag - eine Enttäuschung. Er bringt aber für Schweine, Schweinefleisch und Getreide Bewegungsfreiheit, legt aber die ollsätze für Rindvieh, Schafe und Fleisch daraus sowie für
peck, Schmalz und Innereien erneut fest. Die Mindestzölle werden sogar noch durch ein zollbegünstigtes Kontingent, welches kun allen meistbegünstigten Ländern zugute kommt, durchbrochen. hir wenden uns auch gegen eine Fesselung auf drei Jahre
h Vertrag ist nur die Fortsetzung der bisherigen sehlerhaften Zoll⸗ und Handelspolitik. Wir lehnen ihn ab.
Abg. Hörnle (Komm.) wendet sich gegen die weiter⸗ gehenden Zollforderungen der Landwirtschaft und der Industrie, deren Behandlung der Ausschüß für den Januar beschlossen habe. Das jetzt vorliegende Abkommen mit Schweden bringe schon eine gewaltige Massenbelastung. Der Redner fordert insonderheit die Wiederheraufsetzung des Einsuhrkontingents für Gefrierfleisch. Die gesamte Politik der Reichsregierung und dieses Reichstags sei einig in der verschärsten Ausplünderung der Massen.
Abg. Tremmel (Zentr.) betont, Schweden sei in der Lage, das Pflastersteinmaterial besser und billiger anzubieten. Es frage sich aber, ob es gerechtfertigt sei, dieses billigere Material einzuführen, wenn dadurch die Arbeitslosenziffer in Deutschland steigt. Der Redner begründet die Entschließung seiner Fraktion, auf Reichs⸗, Länder⸗, Kommunalbehörden und Reichseisenbahn⸗ verwaltung auf die vorzugsweise Verwendung einheimischer Pflastersteine bei Straßen⸗ und Bahnbauten hinzuwirken.
Abg. Rausch⸗Minden (Bayer. Vp.) tritt unter Hinweis auf die Notlage der bayerischen Pflastersteinindustrie gleichfalls für die Verwendung heimischen Materials ein und empfiehlt eine gemeinsam mit der Deutschen Volkspartei eingebrachte ent⸗ sprechende Entschließung zur Annahme.
Abg. Meyer⸗Hannover (Dt. Hann.) weist darauf hin, daß die Folgen der weitgehenden deutschen Zugeständnisse an Schweden sich bereits in ähnlichen Forderungen Dänemarks zeigten. Insonderheit müßten die Zölle auf Speck und Schmalz erhöht werden. Der Redner lehnt die Vorlage ab. RNeichsernährungsminister Dietrich betont demgegenüber, Dänemark habe kein Recht das gleiche Kontingent wie Schweden zu verlangen. Im übrigen sei die Speckeinfuhr laut Statistik fast auf Null gesunken.
Abg. Mollath (Wirtsch. P.) warnt davor, die deutschen Verhältnisse immer mit den englischen zu vergleichen. Was Eng⸗ land nütze, könne Deutschland unter Umständen sehr schädlich sein. Die Existenz eines Teil der Arbeiterschaft in der Pflaster⸗ industrie aufs Spiel zu setzen, sei gar nicht erforderlich, man brauche nur geschicktere Zollverträge abzuschließen. Der Ent⸗ schließung des Zentrums werde die Wirtschaftspartei zustimmen, die Vorlage aber ablehnen.
Abg. Passehl (Soz.) erklärt die Zustimmung seiner Fraktion zu der Vorlage. Im übrigen solle man in Ländern, Provinzen und Kommunen für sinngemäße und praktische Ver⸗ wendung von deutschen und schwedischen Pflastersteinen sorgen.
Bei der Abstimmung wird das deutsch⸗schwedische Handelsabkommen in zweiter und dritter Beratung angenommen. Ebenso wird die Zentrumsentschließung an⸗ genommen. Angenommen werden dann auch in zweiter und dritter Beratung die Zusatzabkommen mit
Frankreich und der Schweiz.
Ohne Aussprache angenommen werden auf Vorschlag des Volkswirtschaftlichen Ausschusses Anträge der Wirtschaftspartei über die Vergebung von Arbeiten bei reichseigenen Bauten, der Deutschen Volkspartei über den Abbau der entbehrlichen öffentlichen Regiebetriebe und der Deutschen Volkspartei über den zentralisierten Ein⸗ kauf der Behörden. Dazu wird eine Ausschuß⸗ entschließung angenommen, Lieferungsverträge nur in solchen Fällen zu vergeben, die in jeder Hinsicht die tariflichen Löhne und Arbeitsbedingungen sowie die gesetzlichen Arbeiterschutzbestimungen einhalten.
Ferner wird ohne Aussprache eine Entschließung des Beamtenausschusses angenommen, die Re⸗ gierung solle bei der bevorstehenden Aenderung des Reichs⸗ bahngesetzes darauf hinwirken, daß der Einfluß der Regierung auf die Reichsbahn verstärkt, die Rechtsstellung der Reichs⸗ bahnbeamten der der Reichsbeamten angeglichen und das System der Leistungszulagen beseitigt werde.
Angenommen wird auch ein Antrag des Ver⸗ kehrsausschusses, der gleichfalls Beseitigung der Leistungszulagen und Verbesserung der Beförderungs⸗ verhältnisse des Eisenbahnpersonals verlangt.
Ein deutschnationaler Antrag über Fracht⸗ ermäßigung für die Notstandsgebiete an Lahn, Dill und Sieg wird auf Vorschlag des Verkehrsausschusses für erledigt er⸗ klärt durch die inzwischen getroffenen Maßnahmen der Reichs⸗ bahn. Auf Vorschlag desselben Ausschusses wird ein kom⸗ munistischer Antrag auf Fahrpreisermäßigung für Berufs⸗ gruppen, die nicht Sonntags ihren freien Tag haben, abgelehnt.
In zweiter und dritter Lesung ohne Aussprache an⸗ genommen wird der Gesetzentwurf über Entschädigung von Betrieben und Arbeitnehmern auf Grund der Einführung des Branntwein⸗ monopols. Das Gesetz regelt die Aufwertung der bisherigen Ansprüche dieser Personen.
Es folgt die Beratung über Anträge des Geschäfts⸗ ordnungsausschusses zu Strafverfolgungen von Abgeordneten.
Abg. Dr. Frick (Nat. Soz.) verlangt Zurückverweisung dieser Anträge an den Ausschuß, damit er schriftlich Bericht er⸗ statte. Dieser Antrag wird gegen die Stimmen der Kom⸗ munisten und Nationalsozialisten abgelehnt.
Abg. Geschke (Komm.) wendet sich dagegen, daß die Immunität des kommunistischen Abgeordneten Blenkle mit Be⸗ ginn der Sommerpause aufgehoben werden soll, damit er wegen eines Zusammenstoßes mit der Polizei gelegentlich einer De⸗ monstration strafrechtlich verfolgt werden kann.
Abg. Dr. Frick (Nat. Soz.) bekämpft den Antrag des Aus⸗ schusses, die Immunität des nationalsozialistischen Abgeordneten Goebbels aufzuheben. Ein Mißbrauch liege nicht vor, denn Goebbels habe sich zu dem ihm zum Vorwurf gemachten Artikel bekannt. (Rufe bei den Sozialdemokraten: Na also!) Er habe mit Recht die Vermutung aufgestellt, daß bei den Bomben⸗ attentaten Polizeispitzel tätig gewesen seien. Nur National⸗ sozialisten werde die Immunität entzogen.
Präsident Löbe: Das Letzte ist nicht richtig. In der Vor⸗ lage wird doch in drei Fällen sogar ihrem Freunde Goebbels die Immunität zugesprochen! (Heiterkeit.) 8
Abg. Hildenbrand (Soz.): Früher hatte der Reichstag nur kurze Wintersessionen und dazwischen Pausen, während derer Strafverfolgungen von Abgeordneten durchgeführt werden konnten. Heute wird die Session nicht mehr unterbrochen. Daher muß durch Aufhebung der Immunität verhindert werden, daß Nationalsozialisten sie ausnutzen, um die Republik und ihre Staats⸗ männer in unerhörter Weise öffentlich zu beleidigen und zu be⸗ schimpfen. Dr. Frick hat sogar eine Versammlung angekündigt: „Ich werde frei von der Leber reden. Unterschrift: Dr. Frick, Inhaber der Immunität des Deutschen Reichstags.“ Goebbels hat in seinem Artikel nicht nur eine Vermutung ausgesprochen, sondern er hat geschrieben: Wir behaupten, daß die Minister Severing, Grzesinski und der Polizeipräsident Zörgiebel als Lock⸗ spitzel die Bombenattentate herbeigeführt haben. (Lebhaftes Hört, hört! bei der Mehrheit. Rufe bei den Nationalsozialisten: Das ist unwahr! Das ist glatt gelogen!) Traurig ist der Abgeordnete,
hinaus. Der
der nicht den Mut hat, seine Behauptungen vor Gericht zu be⸗ weisen. (Lebhafte Zustimmung bei der Mehrheit.) Als der Redner zum Schluß die Nationalsozialisten als Verleumder bezeichnet, erhält er vom Präsidenten Löbe einen Ordnungsruf.
Auf Antrag des Geschäftsordnungsausschusses werden eine ganze Reihe von Strasverfolgungen nicht genehmigt, darunter auch die Verfolgung des Abg. Dr. HSugen berg (D. Nat.) wegen des Artikels, in welchem er von einer Retusche beim Volksbegehren gesprochen hat.
Genehmigt wird dagegen die Einleitung eines Privat⸗ klageverfahrens gegen den Abg. Buchmann (Komm.) wegen Beleidigung durch die Presse und die Strafverfolgung des Abg. Stöhr (Nat. Soz.), und zwar diese gegen die Stimmen der Notionalsozialisten, einzelner Deutschnationaler und der Kommunisten. Gegen dieselbe Minderheit wird auch beschlossen, daß das Verfahren gegen den Abg. Blenkle (Komm.) wegen Beamtenbeleidigung nur bis zum Beginn der Sommerpause des Reichstags eingestellt werden soll.
Damit ist die Tagesordnung bis auf die zweite Lesung der Tabaksteuer erledigt. Die Tabaksteuer soll jedoch erst um 17 Uhr beraten werden. Daher wird um 16 .¼ Uhr die Sitzung unterbrochen.
Um 17 Uhr eröffnet Vizepräsident v. Kardorff die Sitzung wieder und stellt die von den Regierungsparteien eingebrachte Novelle zum Tabaksteuergesetz zur zweiten Beratung.
Berichterstatter Abg. Dr. Föhr⸗Baden (Zentr.) berichtet über die Aenderungen, die der Steuerausschuß vorgenommen hat.
Abg. Dr. Marum (Soz.) gibt folgende Erklärung ab: Der Abg. Ende hat mich gestern gefragt, welche Rolle ich bei dem Verkauf der Firma Batschari an die Firma Reemtsma gespielt habe. Ich antworte darauf: Gar keine; ich habe mit dem Ver⸗ kauf nichts zu tun gehabt. Der Abg. Ende hat mich ferner ge⸗ fragt, ob es wahr wäre, was man sich unter den badischen Bauern erzählt, daß ich ein Honorar von 1000 ℳ für meine Vermittlungs⸗ tätigkeit zwischen den Firmen Minoux und Horn bekommen habe. Ich antworte darauf: Eine Vermittlungstätigkeit zwischen Minoux, den ich gar nicht kenne, und Horn habe ich niemals gusgeübt und kein Honorar dafür bekommen. Die Bauern in Baden erzählen sich das auch nicht. So leichtsinnig sind die Bauern nicht, das ist lediglich der Abg. Ende. Die Anwalts⸗ firma, welcher ich angehöre, hat die Firma Batschari in Rechts⸗ angelegenheiten vertreten und dabei die in der Gebührenordnung bestimmten Gebühren erhalten. Mit den ganzen vom Abg. Ende berührten Angelegenheiten sind wir jedoch niemals befaßt ge⸗ wesen. Aehnliche Behauptungen standen auch in der „Rastatter Zeitung“; sie sind von mir am 14. Juni 1929 in dieser Zeitung berichtigt worden. Auch die übrige badische Presse hat diese Richtigstellung von sich aus gebracht. (Hört, hört! bei den Sozial⸗ demokraten.)
Abg. Ende (Komm.) erklärt, sein Vorstoß habe wenigstens den Erfolg gehabt, daß endlich ein Sozialdemokrat, wenn auch in persönlicher Angelegenheit, in der Tabaksteuersache das Wort er⸗ griffen hat. Die Tatsache bleibt bestehen, daß ein sog. Reichs⸗ tagsabgeordneter es mit seiner Würde als solcher für vereinbar gehalten hat, als Rechtsanwalt im Rahmen des Verkaufs der Firma Batschari zu fungieren. Er hat dafür ein Honorar er⸗ halten, das sicher nicht fünfzig Mark, sondern einige tausend Mark betragen hat. Der Redner betont dann, daß niemals eine wichtige Vorlage so durchgepeitscht worden sei wie die Tabak⸗ steuervorlage. In den sachlichen Beratungen auch im Ausschuß habe kein sozialdemokratischer Abgeordneter das Wort ergriffen. Aber auch das Zentrum habe sich die Sache leicht gemacht. Die Firma Neuerburg in Trier halte sich einen Hauskaplan. Herr Föhr, so ruft der Redner, werden Sie Hauskaplan im Konzern Reemtsma⸗Neuerburg. Auch die Nationalbajazzos haben gegen diese Tabaksteuererhöhung nicht protestiert. Die Firma Reemtsma⸗ Neuerburg gehöre zu den freigebigsten Geldgebern für „Stahl⸗ helm“ und Nationalbajazzos. Auch der sozialdemokratische Reichsfinanzminister habe nichts gesagt, auch nichts auf die schweren Angriffe des Redners gegen das Finanzministerium. Er habe nur seinen Staatssekretär vorgeschickt, der erklärt habe, er stelle sich vor seine Beamten in dem Reemtsma⸗Neuerburg⸗ Skandal. Auch Herr Böß habe mit Bezug auf seine Beamten das⸗ selbe erklärt, bis dann der größte Skandal zur Aufdeckung kam. Herr Hilferding müsse es begrüßen, wenn den Beamten vor Gericht oder einem Untersuchungsausschuß Gelegenheit gegeben wird, etwaige Verleumdungen zu widerlegen. — Der Redner geht dann auf Einzelheiten des Gesetzes ein. Unerhört sei es vor allem, daß dem Proletarier die Selbstherstellung seiner Zigarette von verbilligtem Tabak aufs äußerste verteuert und unmöglich gemacht werden solle, um die Steuergeschenke in reichlichem Maße an die besitzende Klasse austeilen zu können. Herr Hilferding ist nicht Bismarck, der im Abgeordnetenhaus erklärt hat: Der Tabak muß mehr bluten! Herr Hilferding ist höchstens der Kürassier⸗ stiefel eines Bismarcks. (Heiterkeit.)
Reichsfinanzminister Dr. Hilferding nimmt hierauf das Wort. Seine Rede wird nach Eingang des Stenogramms veröffentlicht werden.
Abg. Dr. Rade macher (D. Nat.) erklärt: Die Ent⸗ scheidung vor der der Reichstag steht, ist kein freier Entschluß eines freien Volkes, die Regierungsparteien haben es selbst offen ausgesprochen, daß sie nur dem Zwange der Not folgend diese Maßnahme treffen. Die Annahme der erhöhten Tabaksteuer ein⸗ schließlich der Kontingentierung bedeutet die Vorwegnahme einer neuen Belastung aus einem größeren Steuerprogramm in einem Augenblick, in dem durch die Forderungen Schachts feststeht, daß die als Ausgleich gedachten Steuersenkungen undurchführbar sind. Für diese Steuersenkungen stehen weder die finanziellen Mittel zur Verfügung noch sind sie auf der Grundlage des sogenannten Bertrauensvotums, das keine Bindung darstellt, politisch erreich⸗ bar. Das Finanzprogramm als Ganzes ist überdies unorganisch und ungenügend. Die Senkung der Realsteuern ist völlig unzu⸗ reichend, um die angestrebte Ansammlung von Eigenkapital zu ermöglichen. Die Kapitalertragssteuer soll für schon auf⸗ genommene Anleihen bestehen bleiben. Die Frage der Einheits⸗ werte, die Abschreibungsfrage, die grundlegende Frage des Finanzausgleichs bleiben ungeklärt. Die beabsichtigte Regelung bedeutet die Einführung eines Privatmonopols mit Hilfe staat⸗ lichen Zwanges, wogegen der Inhaber des Monopols den Staat entschädigt, indem er aus eigener Tasche Zahlungen von etwa 200 000 Millionen Mark jährlich leistet. Die Sachlage ist letzten
(Fortsetzung in der Ersten Beilage.)
—
rantwortlicher Schriftleiter: J. V.: Weber in Berlin. Verantwortlich für den Anzeigenteil: B Reechnungsdirektor Mengering in Berlin. Verlag der Geschäftsstelle (NMengering) in Berlin. Druck der Preußischen Druckerei⸗ und Verlags⸗Aktiengesellschaft, Berlin. Wilhelmstraße 32,
Sechs Beilagen —
(einschließl. Börsenbeilage und zwei Zentralhandelsregisterbeilagen))
f „Errscheint an 1. Wochentag abends.
Bezugspreis viertesährli 9 £ꝙℳ Alle
Bestellungen an, in B
SW 48, Wilhelmstraße 32.
Einzelne
Sie werden nur gegen einschließlich des Portos abgegeben. Fernsprecher: F 5 Bergmann 7573.
Postanstalten nehmen eerlin für Selbstabholer auch die Geschäftsstelle
Nummern kosten 30 , einzelne Beilagen kosten 10 0 bar oder vorherige Einsendung des Betrages
f Anzeigenpreis für den Raum einer fünfgespaltenen Petitzeile 1,05 8 einer dreigespaltenen Einheitszeile 1,75 b 8
G telle Berlin 8W. 48, Wilhelmstraße 32. sind auf einseitig beschriebenem Papier völlig druckreif einzusenden, insbesondere ist darin auch anzugeben, wel druck (einmal unterstrichen) oder dur strichen) hervorgehoben werden sollen.
Geschäfts
A.2.ℳ Anzeigen nimmt an die Alle Druckaufträge
se Worte etwa durch Sperr⸗
Fettdruck (zweimal unter⸗ Befristete Anzeigen müssen 3 Tage der Geschäftsstelle eingegangen sein.
Nr. 299. Reichsbankgirokonto.
Berlin, Montag, den 23. Dezembe
8 8
“
4 N7- 8 SN Z oem Einrüuͤückungstermin bei
, abends.
Postscheckkonto: Berlin 41821
Inhalt des amtlichen Teiles: Deutsches Reich.
Bekanntgabe der amtlichen Großhandelsinderziffer vom 18. De⸗
zember 1929.
Bekanntmachung, betreffend Erledigung beim Reichstag ein⸗ gegangener Petitionen.
Vorläufiges Ergebnis des Volksentscheids „Freiheitsgesetz“.
1
1. Pflanzliche N 1 Biln che Shgwasenitten
Verordnung, betreffend Ausschließung des Lotsenhafens bei Timmendorf als Zollstraße. .
Amtliches. Deutsches Reich. Die amtliche Großhandels inderziffer vom 18. Dezember 1929. 1 Die auf den Stichtag des 18. Dezember berechnete Großhandelsinderziffer des Statistischen Reichsamts beträgt:
Ver⸗ änderung
in vH
1913 = 100 1929 11. Dez. 18. Dez.
Indexrgruppen
I. Agrarstoffe. 119,5 126,2 148,2 104,8 126,5 115,5
KH
120,2 127,7 143,8 104,6 126,1 114,7
—
3. Vieherzeugnisse.... E111.“ Agrarstoffe zusammen „ II. Kolonialwaren .. . .. III. Industrielle Rohstoffe und Halbwaren. Kohle “ .Eisenrohstoffe und Eisen Metalle (außer Eisen) .. .Textilien. ö Häute und Leder.. E1I1X“ Künstliche Düngemittel . . Technische Oele und Fette. hö“ Pavpierstoffe und Papier.. Baustoffe.. “ Industrielle Rohstoffe und Halbwaren zusammen.. IV. Industrielle Fertigwaren. 17. Produktionsmittel .. . .. 18., Foninekha Industrielle Fertigwaren zu⸗ v“ V. Gesamtinder...
*) Monatsdurchschnitt November.
Hiernach ist die Gesamtinderziffer gegenüber der Vorwoche um 0,2 vH. zurückgegangen. Von den Hauptgruppen haben die Inderziffern für Agrarstoffe und für industrielle Rohstoffe und Halbwaren nachgegeben.
“ der Inderziffer für pflanzliche Nahrungsmittel haben ich die Preise für Brotgetreide und Kartoffeln teilweise erhöht. n den Schlachtviehmärkten sind hauptsächlich die Preise für Kälber und Schafe gestiegen; die Preisbewegung für Rinder und Schweine war nicht einheitlich. Von den Vieherzeugnissen haben Milch, Butter und Eier im Preis nachgegeben. In der Gruppe Kolonialwaren sind die Preise für Kaffee Erdnußöl weiter gesunken. Die Steigerung der Inderziffer für Nichteisenmetalle ist vor allem auf die Erhöhung der Zinnpreise zurückzuführen. In der Gruppe Textilien sind die Preise für Wolle, Baum⸗ wolle, Baumwollgarn und Jute zurückgegangen. In der Inder⸗ iffer für technische Oele und Fette wirkte sich der weitere ückgang der Leinölpreise aus.
Berlin, den 21. Dezember 1929. Statistisches Reichsamt. J. V.: Dr. Platzer.
—
—
1IIII4†
SSSSS 20d0 S= 10 G&;
138,4 129,9 112,4 127,2 116,3 127,2
83,7 128,7
21,5 151,0 161,0
129,2
139,6 168,7
156,2 134,1
138,4 129,9 112,1 128,1 116,4 127,2
83,7 129,2
21,7 151,0 161,0
129,3
139,6 168,7
156,2 134,4
280SS
—
ünEIIE IISAH S SSSSSISSSSS — S80oS —
*
E HE n ” D8S
S. do S
und 8
Bekanntmachung.
Der Reichstag hat in seiner heutigen Sitzung be⸗ die zu den Gesetzentwürfen — a) zur Aenderung des Tabaksteuergesetzes, 1 b) über LEE 1 ingegangenen Petitionen durch die zu diesen Gesetzen ge⸗ faßten Beschlüsse für erledigt zu erklären. dg Besondere Bescheide werden nicht erteilt. 1—
Berlin, den 21. Dezember 1929.
Bekanntmachung.
Vorläufiges Ergebnis des Volksentscheids
„Freiheitsgesetz“.
Nach den Meldungen der Abstimmungsleiter hat der am 22. Dezember 1929 stattgefundene Volksentscheid über den Entwurf eines
„Gesetzes gegen die Versklavung des deutschen
Volkes“ folgendes vorläufiges Ergebnis ¹):
Zahl der timm⸗ berechtigten zum Volks⸗ entscheid ²)
Zahl der abgegebenen Stimmen
Von den gültigen Stimmen lauten
Davon (Spalte 4)
ungültige
für den Gesetzentwurf (Ja⸗Stimmen)
überhanpt vH ³)
gegen d. Gesetzentwurf Mein⸗Stimmen)
überhaupvt vO ³)
gültige
3 1
7 8
1 338 934 1 596 758 1 362 468 1 334 372 1 068 691 1 180 846 1 251 796 797 540 856 443 1 107 549 959 448 1 500 368 1 060 092 974 552 691 198 1 326 940 1 588 020 1 654 060 1 693 794 1 482 773 792 095 1 488 048 1 195 149 1 622 784 791 023 1 527 119 606 348 1 317 869 933 282 1 286 359 1 749 935 1 534 371 930 126 917 952 582 213
400 212 139 700 198 117 261 182 285 128 429 334 246 828 169 413 114 369 255 271 249 560 378 356 204 685 171 427 193 179 235 662 112 339
96 220 180 541
37 226
42 850
49 521
70 238 138 870
38 175 325 518
34 780 218 541 133 489 280 746 209 367
89 958
83 159
49 687 169 526
Ostpreußen Berlin 1 otsdam II. otsdam I. rankfurt a. Pommern. Breslau. Liegnitz.. Oppeln. .„
So Sonnceordo —
Magdeburg
Merseburg. 8 Thüringen. Schleswig⸗Holstein Weser⸗Ems.. Osthannover.. Südhannover⸗Braunschweig Westfalen Nord.. 8 Westfalen Süd Hessen⸗Nassau Köln⸗Aachen. . Koblenz⸗Trier . Düsseldorf Ost. Düsseldorf West. Oberbayern⸗Schwaben Niederbayern... 8ö1“ falz. 1““ Dresden⸗Bautzen Leipzig 8 Chemnitz⸗Zwicka Württemberg . 521, Eöö“ I“ Mecklenburg...
e 955
„ 9b6keebbb1b155. 089 9 9 8911155*
359 495 132 205 188 015 241 727 260 833 391 406 220 191 152 150 100 052 233 166 230 083 356 757 190 318 162 623 179 794 215 194 104 597 90 820 171 389 34 151 39 715 46 272 65 718 129 572 35 126 311 343 32 481 202 585 122 924 264 206 202 504 85 238 78 308 46 792 147 375
387 023 138 440 196 345 255 437 277 108 417 294 238 699 164 188 111 092 246 643 244 310 371 538 200 925 169 052 189 995 230 358 110 455
95 254 178 519
0
27 528 6 235 8 330
13 710
16 275
25 888
18 508
12 038
11 040
13 477
14 227
14 781
10 607 6 429
10 201
15 164 5 858 4 434 7 130 2 658 2 584 2 868 3 905 7 896 2 580
10 127 1 884
12 058 7 411
12 885 5 333 3 830 4 127 2 262
13 064
— —
90,99,90 & 900 0 00
+£,—,—S.2”8⸗5 + — 2JöO— — —
8SSS’S
dwvcrcehrdo oeoSSIn
— —₰
to dbo SScCnto
———
— —
eeESSUüSSwdo
-
DO80.—,.—0.—8.—.—O./-——=S⸗
— 0. —-Gn
—
SS
150
no0 SSSCSEGUGSCSHS SUSoEEEESSS
0 8 —
2
—₰
88,8
1 402 469 4 048 415 3 898 3 154 3 655 1 530 890 724 633 9 087
SS bo oeᷣ SOUooUNC”C do Co⸗do
SSS —,— —,.,—
— db0——
82
SS
Le. d0 do
CGœ 2—
160 439
bo 0
Zusammen. 42 101 315 6 293 174
1) Die Ergebnisse aus
130 709 6 162 465 337 332
— 8n* 00 S 00
5 825 133
171 kleinen Gemeinden oder Stimmbezirken stehen noch aus.
²) Zahl der Stimmberechtigten abzüglich derer, die einen Stimmschein erhalten hab l“ „”
die ihr Stimmrecht auf Grund eines Stimmscheins ausgeübt haben.
³) vH der Zahl der Stimmberechtigten zum Voltsentscheid (S
Berlin, den 23. Dezember 1929.
pa
lte 3).
1
Verordnung.
Auf Grund der Verordnung des Reichsministers der Finanzen vom 6. Oktober 1928 (Reichsministerialblatt S. 578) wird gemäß § 17 b des Vereinszollgesetzes vom 1. Juli 1868 (Bundesgesetzblatt S. 317) hiermit verordnet:
Der Lotsenhafen bei Timmendorf auf der Insel Poel wird hiermit als Zollstraße ausgeschlossen. Er gilt wie bisher als erlaubter Landungsplatz nur für den Schiffs⸗ verkehr zwischen Wismar und der Insel Poel. e681“
Schwerin, den 19. Dezember 1929. 1
Der stellvertretende Präsident des Landesfinanzamts.
8 Bierstedt.
Deutsches Reich.
Der Reichsrat hielt gestern nachmittag eine öffent⸗ liche Vollsitzung ab, um zu den in den letzten Tagen vom Reichstag verabschiedeten Gesetzentwürfen abschließend Stellung zu nehmen. Zu Beginn der Sitzung gedachte Reichsjustizminister von Gu6rard des Ausscheidens des bayerischen Staatsrats von Nüßlein aus dem Reichsrat mit folgender Ansprache:
Mit Ablauf dieses Monats scheidet der stellvertretende baye⸗ rische vHe volauh tigte zum Rchesbet. Staatsrat vr von Nüßlein nach dreizehnjähriger Tätigkeit im Bundesrat, im Staatenausschuß und im Reichsrat aus seinem Amte. Allen Mitgliedern des Reichsrats und ebenso den Mitgliedern der Reichsregierung, die in dieser hohen Körperschaft mit Herrn von Nüßlein zusammengearbeitet haben, ist es ein Bedürfnis, dem Scheidenden in dieser Stunde ein herzliches dankerfülltes Lebe⸗ wohl zuzurufen. Sie alle wissen, wie 2 v. Nüßlein, aus⸗ gestattet mit hervorragenden Gaben des Geistes, mit reichem
Wissen und einem großen, über die Augenblicksaufgaben weit hinausragenden politischen Blick, in diesem Kreise gewirkt und welche hohen Verdienste er sich um die Gesetzgebung erworben hat. Das Wirken des verehrten Mannes galt allzeit zugleich dem Wohle seines engeren Vaterlandes wie dem des Keiches, sein zuversichtlicher Glaube und sein ganzes Hoffen der Wieder⸗ genesung unseres Volkes Der Name des Herrn von Nüßlein wird in der Geschichte des Reichsrats als der eines seiner hervor⸗ ragendsten Mitglieder weiter leben. Für alle diejenigen, die den Vorzug gehabt haben, mit ihm persönlich zusammenzuarbeiten, bedeutet sein Scheiden einen besonders schmerzlichen Verlust. Das Bild des gütigen, Gegensätze ausgleichenden, stets hilfs⸗ bereiten, prächtigen Mannes wird bei uns allen unvergessen bleiben. Wir wünschen Herrn von Nüßlein von ganzen Herzen die vollständige Wiederherstellung seiner Gesundheit und eine lange Reihe von Jahren ungetrübten Lebensgenusses. (Beifall.)
Der Reichsrat beschäftigte sich dann zunächst mit einem Antrag Bayerns vom 11. Dezember 1929 um Aufschluß⸗ erteilung gemäß Artikel 67 der Reichsverfassung über Maß⸗ nahmen zur finanziellen Sicherstellung der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung.
Wie der Berichterstatter der Ausschüsse, dem Nachrichtenbüro des Vereins deutscher Zeitungsverleger zufolge, hervorhob, ist da⸗ durch, daß inzwischen vom Reichstag ein befristetes Gesetz zur Erhöhung der Beiträge um ein halb Prozent beschlossen worden ist, der bayerische Antrag nicht hinfällig geworden. Die Reichs⸗ anstalt für Arbeitslosenversicherung würde in den Winter⸗ monaten ein Defizit von 218,5 Millionen haben; davon würden durch die Beitragserhöhung um ein halb Prozent 33 gedeckt werden, so daß immer noch ein ungedeckter Fehlbetrag von rund 185 Millionen verbleibt. Die finanzielle Situation bleibt also
nach wie vor bedrohlich, und es ist erforderlich, daß baldigst in die 8
Beratung von Maßnahmen zur Herbeiführung einer endgültigen Sanierung eingetreten wird. Die Länder haben, so führte der Berichterstatter aus, sowohl im Interesse des Fortbestandes der Versicherung wie auch in bezug auf die Rückwirkung einer weiteren Inanspruchnahme von Reichsmitteln auf den Finanz⸗ ausgleich ein dringendes Interesse daran, von den Absichten der