Reichs⸗ und Staatsanzeiger Nr. 12 vom 15. Januar 1930. S. 4.
gewonnen haben könnten, könne unmöglich stimmen, denn nach en amtlichen Feststellungen seien nur für 5 Millionen Mark Be⸗ — ausgeführt, während die übrigen 20 Millionen Mark echnungen gefälscht waren und nur als Kreditunterlage dienten. Zeuge Perc glaubt nicht, daß diese Ermittlungen veholse⸗ zutreffen. Es sei traurig, daß nicht einmal jetzt amtlich Klarheit über die Höhe der dasachchen Lieferungen der Sklareks zu er⸗ langen sei. Reg.⸗Ass. ill: Die Zahlen, die der Statistik Tapolskis zugrunde liegen, stammen von der Hauptprüfungsstelle des Ragsstkats. Wir hatten bisher keinen Anlaß, an der Richtigkeit dieser Angaben u zweifeln. Berichterstatter Koennecke: Bei den Zahlen Tapolstis handelt es sich ja nur um die beliehenen Rechnungen. Vielleicht haben die Sklareks auch sehr viele Rechnungen gar nicht als Kreditunterlage ver⸗ wandt. (Zuruf links: „Aber doch wohl nicht gleich für 25 Mil⸗ lionen!“) — Während Perl noch im Saale blieb, um eventuell zur Gegenüberstellung zur Verfügung zu stehen, wurde dann als nächster Zeuge der frühere deutschnationale Reichstagsabgeordnete Wilhelm Bruhn vernommen. Vorsitzender Schwenk: Sie 6 5 in Ihrer Zeitschrift „Die Wahrheit“ behauptet, die eutschnationale Volkspartei habe von den Sklareks Bar⸗ ahlungen erhalten, sei also gewissermaßen von den Sklareks 8 ventioniert worden. Wilhelm Bruhn: Vor einigen Jahren, ie genaue Zeit kann ich jetzt nicht mehr angeben, es wird aber wohl 1927 gewesen sein, fragte mich Leo Sklarek, mit dem ich mich duzte, ob mir der Stadtverordnete Ganzow (D. Nat.) be⸗ kannt sei. Als ich dies bejahte, sagte Leo Sklarek, Ganzow habe von ihm Geld für die “ haben wollen und ihm erklärt, er käme von Stadtrat Wege (D. Nat.). Ich habe von dieser Unterredung einige Tage paͤser dem deutschnationalen Reichstagsabgeordneten Laverrenz andeutungsweise Mitteilung Laverrenz ging aber nicht darauf ein. Ich hatte den indruck, daß ihm das, was ich ihm sagte, unangenehm wäre. Nach einiger Zeit sagte mir Leo Sklarek abermals: „Ganzow hat wieder etwas für seine Kasse abgeholt!“ Hier nannte Leo Sklarek aber keine 88* während er das erstemal erklärte, Ganzow hätte 2000 Mark erhalten. Das hat sich mehrere Male, etwa dreimal, in verschiedenen Zeitabständen wiederholt. Ende 1928 sagte mir Leo Sklarek eines Tages in vorwurfsvollem Tone: „Du, höre mal, der Ganzow war schon wieder hier. Sag ihm doch, nun solle er aber mal Pause machen!“ Ich erwiderte Le⸗ Sklarek: „Was willst du denn von mir, was geht mich das Geld der Berliner Deutschnationalen an!“ Leo Sklarek wollte wohl, daß ich Ganzow mitteilen sollte, er solle die Geldforderungen endlich einstellen. Ich habe damals aber nichts zu Ganzow gesagt. Erst als die Sklarek⸗Affäre jetzt anfing, habe ich mich mit Ganzow über diese Dinge unterhalten. Ich sagte ihm: „Es ist mir be⸗ kannt, daß Sie damals Geld von den Sklareks erhalten haben; Das wird nun wohl in der Sklarek⸗Sache eine Rolle spielen!“ Ganzow sagte, er sei damals auf Veranlassung von Stadtrat Wege zu den Sklareks gegangen und habe einmal 2000 Mark bekommen. Wege hätte gesagt, Ganzow solle den Sklareks er⸗ klären, er brauche das Geld für einen wohltätigen Zweck. Ganzow fügte hinzu: „Ich habe aber Laverrenz davon gleich Mitteilung gemacht, damit ich gedeckt war!“ Daß er mehrere Male von den Sklareks Geld erhalten habe, bestritt Ganzow. Vorsitzender Schwenk (Komm.): Ich habe versäumt, Sie darauf aufmerksam zu machen, daß Sie auf Ihre Aus⸗ sage vereidigt werden. Haben Sie an Ihrer Aussage etwas u ändern? (Bruhn macht eine verneinende Bewegung.) Auf Befragen durch Abg. Drüge müller (Soz.) erklärt Abg. Bruhn: Das erste Mal ist Ganzow wahrscheinlich 1927 bei⸗ Sklarek gewesen. Anläßlich des Grundstückskaufs in der Kom⸗ mandantenstraße hat sich der deutschnationale Stadtverordnete Kimbel für den Verkauf eingesetzt; er ist dann später mit Innen⸗ architekturarbeiten in dem Hause von Sklareks beauftragt worden, nachdem ich auf eine Frage Sklareks Kimbel als tüchtigen Mann empfohlen hatte. Zeuge Perl: Herr Bruhn mußte doch wissen, wie die Sache bei Sklarek stand. Es wurde doch alles nur mit Champagner behandelt. Für Leo Sklarek tat man alles. Leochen hinten, Leochen vorn, hieß es stets. (Heiterkeit.) Man haßt direkt den Versuch gemacht, mich, der ich in amtlicher Eigenschaft vor⸗ ging, zu bestechen. Zeuge Bruhn: Sie wollten selber der Lieferant werden! Zeuge Perl: Ich muß mich dagegen ver⸗ wahren, daß man mich so behandelt, als wenn ich Herr Bruhn wäre. Ich wurde von Stadtrat Bunge gewarnt: „Du, Herrmann, laß Deine Finger davon, man sammelt Material gegen Dich. Man verdächtigt Dich, daß Du selbst Lieferant an Stelle der Sklareks werden willst.“ Darauf habe ich erwidert: „Ich habe nichts zu scheuen.“ Zeuge Justizrat Landtagsabg. und Stadt⸗ verordneter Lüdicke gehört dem Grundstücksausschuß der Stadt⸗ verordnetenversammlung an. Er verlas einen Brief des Stadt⸗ oberbaurats, in dem der Grundstücksverkauf an Sklarek authentisch dargestellt wird. Es heißt darin u. g., daß die. Mehrheit der Stadtverordnetenversammlung am 27. Juli 1929 für den Verkauf gestimmt hat, wobei nur ein Teil der Deutschnationalen dafür stimmte. Der Zeuge erklärte, Kimbel und Ganzow hätten sich nicht besonders dafür eingesetzt; es bestanden erhebliche Bedenken gegen den Verkauf. Mitglied des Grundstücksausschusses war Kimbel nicht. Von einer Geldhingabe der Sklareks an Ganzow hat der Zeuge erst durch die Zeitungen erfahren. Völlig aus⸗ geschlossen sei es, daß die deutschnationale Fraktion Schweigegelder von den Sklareks erhalten hätte. Eine dahingehende Behauptung in der „Wahrheit“ habe er als völlig unwahr zurückgewiesen. In der Parteikasse seien derartige Gelder nicht erschienen, er halte es auch für vollständig ausgeschlossen, daß etwa Gelder an einzelne Mitglieder der Fraktion gegeben worden sind, die dann bei wich⸗ tigen Entscheidungen die Fraktion in eine bestimmte Richtung zu drängen gesucht hätten. Zeuge Ganzow bekundete, er sei nur ein einziges Mal, im Oktober 1926, bei Sklarek gewesen. Beuge Bruhn: Alle Logik spricht dafür, daß die Darstellung Leo Sklareks zutreffend ist, daß Herr Ganzow mehrmals bei ihm gewesen ist Ganzow: Ich kenne die Sklareks schon seit meiner Kindheit. Wir haben als Kinder im Norden zusammen gespielt. Anläßlich der Schwierigkeiten, in denen sich seinerzeit die Mational⸗Post befand, besonders im Hinblick auf die Gehaltszahlung on die An⸗ gestellten, habe ich für diesen Zweck von Leo Sklarek 2000 Mark bekommen, nachdem Stadtrat Wege mich darauf hingewiesen hatte. Der Zeuge Ganzow erklärte noch, die deutschnationale Landes⸗ verbandskasse habe anläßlich der Wahlen von der „Behala Ber⸗ liner Hafen⸗ und Lager⸗A.⸗G.) Zuwendungen erhalten. Die Sklareks seien also nicht die einzigen gewesen, die den Parteien ge⸗ legentlich etwas gaben. Die „Behala“ hätte auch anderen Par⸗ teien Gelder gezahlt. Die Sklareks hätten ebenso an die Sozial⸗ demokratische Partei Gelder gegeben. Ich habe, so erklärte der Zeuge Ganzow, einmal ein Dankschreiben der S. P. D. für 1000 Mark auf Sklareks Schreibtisch liegen gesehen. Ich bin im ganzen fünf⸗ bis sechsmal bei Sklareks gewesen. Für andere als Parteizwecke habe ich von den Sklareks keine Gelder bekommen. Ich habe auch keinem Gremium in der Stadtverwaltung angehört, in dem ich den Sklareks hätte nutzen können. Ich habe die Sklareks für hochanständige Leute und ihre Firma für sehr seriös gehalten. Auch hat eine sehr gute Auskunft über sie vorgelegen. Ich bin aber nicht „Vertrauensmann zu Sklarek“ für die Deutsch⸗ nationaglen gewesen, wie behauptet worden ist. Zeuge Bruhn: Wenn aber Leo Sklarek ein Anliegen hatte, ging er immer zu Ganzow. Er kannte sogar dessen Hausanschluß im Rathaus. Auf Befragen erklärte Ganzow noch, 8n er die von Sklarek zunächst erhaltenen 2000 Mark an den Deutschnationalen Landesverband abgeführt habe. Die weiteren Verhandlungen wurden auf den Nachmittag vertagt.
Nach der Pause wurde der frühere Bürgermeister Schnei⸗ der (Soz.) vom Bezirk Mitte über die Grundstücksverkaufsver⸗ handlungen mit Sklareks in der Kommandantenstraße ver⸗ nommen. Stadtrat Neuendorff vom Bezirk Mitte und der Stadtverordnete Rosenthal, die hierzu bereits früher ge⸗
hört waren, nahmen gleichfalls am Zeugentisch Platz. Rosenthal hat unter Hinweis auf seine damalige Aussage dem Ausschuß nochmals brieflich erklärt, daß er niemals ein Grundstück an die Stadt verkauft noch eins von der Stadt gekauft habe. Vors. Schwenk (Komm.) hielt Schneider die Aussageteile Neuen⸗ dorffs vor, in denen behauptet war, daß Schneider zwar zuerst mit ihm, Neuendorff, die Interessen der Stadt vertreten habe, später aber ins Lager der Sklarek übergeschwenkt sei. Schnei⸗ der: Ich war 1926/27 dienstlich so stark überlastet, daß ich am 7. Januar 1927 meinen Vertreter, Stadtrat Gordan, beauftragte, von da ab Mietsverträge usw, ohne mich zu erledigen. Daher haben mich denn auch die Sklarekschen Mietsverträge dienstlich gar nicht mehr beschäftigt. Deshalb kann ich auch nicht 1928 den Sklarekschen Wunsch nach Mietsermäßigung unterstützt haben. Ich muß, nach meiner Erinnerung, entschieden die Behauptung zurückweisen, als ob ich versucht hätte, den Grundstücksreferenten vom Bezirk Mitte, Neuendorff, zugunsten der Sklareks zu be⸗
einflussen. Was den Verkauf der Grundstücke in der Komman⸗-
dantenstraße anlangt, so haben Neuendorff und Gordan auch diese Angelegenheit bis zum Abschluß des notariellen Verkaufs⸗ vertrages allein, ohne mich, behandelt. Der Bezirksausschuß hat dann beschlossen, diese Sache dem Magistrat zur Beschlußfassung gan Von der Verhandlung vor dem Oberbürgermeister
oöß war auch Neuendorff unterrichtet. Weshalb er nicht dazu erschien, weiß ich nicht. Stadtrat Neuendorff: Ich bleibe bei meiner ersten Bekundung. Leider habe ich jetzt nicht mehr die Akten zur Hand, die beim Oberpräsidenten liegen. Schneider hat zwar nicht befohlen, hat mich aber doch gebeten, die Höhe der Miete der Sklareks noch einmal nachzuprüfen. Auch die Grundstücksverhandlungen sind in einem späteren Stadium, vor Uebergabe der Sache an die Bezirksversammlung, unter Vorsitz Schneiders in dessen Dienstzimmer geführt worden. Schneider: Ich muß ausdrücklich bestreiten, daß ich jemals versucht haben sollte, den Stadtrat Neuendorff zu beeinflussen, damit er die Miete für Sklareks herabsetze. Hätte ich das in der Tat versucht, dann hätte nach den Bestimmungen über diese Differenz in unseren Auffassungen das Bezirksamtskollegium entscheiden müssen. Vors. Schwenk: Stadtrat Neuendorff be⸗ hauptet, er hätte Ihnen schon früher einmal geraten, doch sehr vorsichtig bei Ihrem Verkehr mit den ESklareks zu sein. Schneider: Jagwohl, aber erst nach der Verhaftung der Sklareks. Dann hat Neuendorff gesagt, er glaube, einer der Brüder hätte schon einmal gesessen. NKeuendorff: Das muß ein grundlegender Irrtum von Ihnen, Herr Schneider, sein. Denn nach der Verhaftung der Sklareks haben wir beide wohl kaum noch miteinander gesprochen. Ich will jederzeit durch Eid erhärten, daß ich Ihnen die Mahnung wegen des Verkehrs mit den Sklareks an dem Tage aussprach, an dem Sie, Herr Schneider, mir den langen Brief der Sklareks gaben, worin um Mietsermäßigung gebeten wurde. Bürgermeister Schneider: Ich bin ebenfalls bereit, unter Eid zu stellen, daß Neuendorff mich in keinem Stadium der Angelegenheit vor Verhaftung der Sklareks vor dem Verkehr mit Sklareks gewarnt hat. Sonst wäre ich der Sache bestimmt nachgegangen. Vors. Schwenk: Sie haben doch mit den Sklareks in sehr engen gesellschaftlichen Beziehungen gestanden. Bürgermeister Schneider: Jawohl. Ich habe aber Dienstliches von Privatem sehr streng geschieden. Ich habe den Sklareks von vornherein erklärt, daß sie trotz unseres persönlichen Verkehrs keinerlei Vorteile von mir zu er⸗ warten hätten. In der Tat ist ja auch die Miete niemals er⸗ mäßigt worden. Abg. Riedel (Dem.): Sie waren doch im Gegensatz zu Herrn Neuendorff bei der Besprechung beim Ober⸗ bürgermeister Böß zugegen, als es sich um die Entscheidung über den Kaufvertrag mit den Sklareks handelte? Schneider: Jawohl. Aber in dieser Besprechung lag schon der Magistrats⸗ beschluß über den Verkauf vor. Es handelte sich nur noch um die Vorbereitung der Sache für die Stadtverordnetenversammlung. Abg. Riedel: Neuendorff hatte aber so getan, als ob Böß damals erst den Beschluß herbeigeführt habe. Fende bestreitet das. Auf Frage des Abg. Drügemüller (Soz.) erklärte Schneider, ihm hätte Neuendorff nichts davon gesagt, daß über die Sklareks ungünstige Auskünfte vorgelegen hätten. Weiter erklärte Neuendorff auf Fragen des Abg. Drüge⸗ müller (Soz.), er müsse heute, seine erste Aussage berichtigend, sagen, daß die Sklareks nicht 16 Mark, sondern 25 Mark pro Quadratmeter Durchschnittsmiete gezahlt hätten. Das könne man aber auch nicht einen „übermäßig hohen Preis“ nennen. Dagegen bleibt Neuendorff bei der Behauptung, er habe schon lange vor der Verhaftung der Sklareks den Bürgermeister Schneider vor dem Umgang mit Sklareks gewarnt. Er habe ihm damals gesagt, nach seinen Informationen hätte Leo Sklarek einmal sechs Monate wegen Falschspiels gesessen. Schneider hätte mit einer Handbewegung geantwortet, das sei doch wohl längst verjährt. Er, Neuendorff, sei über diese Antwort entsetzt gewesen und sofort zu Stadtrat Gordan ins Zimmer gegangen, dem er die Episode erzählt habe. Stadtrat Gordan, sofort hierzu befragt, konnte den Zeitpunkt dieser Unterredung nicht mehr genau angeben. Er meint zunächst im Fegenße zu Neuen⸗ dorff, dieses Gespräch habe wohl im Wagen Neuen⸗ orffs auf der Heimfahrt stattgefunden, erklärt dann aber, es könne vielleicht auch in seinem Dienstzimmer gewesen sein.
Zuerst sagte er weiter, er nehme an, daß das Gespräch vor der —
Verhaftung der Sklareks war. Dann schränkt er diese Bekundung dahin ein, daß er verschiedene Male mit Neuendorff über die Sklareks sprach und daß es nicht vne wäre, daß gerade diese Episode mit der Warnung vor Sklareks sich nach der Ver⸗ aftung abspielte. Neuendorff hatte früher ausgesagt, diese pisode habe sich vor 1 ½ Jahren etwa zugetragen und glaubt heute sagen zu können, daß sie sich vor knapp einem Jahre zutrug. Gordan sagte noch, sachlich habe er sich über die Behauptung von Leo Sklareks angeblicher Vorstrafe nicht gewundert, un
zwar auf Grund seines persönlichen Eindruckes über die „außer⸗ ordentlich unangenehme Geschäftigkeit“ der Sklareks. Er be⸗ stätigt hinsichtlich des Grundstücksverkaufs, sich bemüht zu haben, auch Stadtrat Neuendorff zu der Besprechung beim Oberbürger⸗ meister hinzuzuziehen, wisse aber nicht mehr, ob Neuendoff nicht kommen wollte oder ob er nicht zu erreichen war. Abg. Drüge⸗ müller (Soz.): Herr Stadtrat Neuendorff hat hier in seiner ersten Vernehmung behauptet, es sei ganz außergewöhnlich gewesen, daß der Magistrat den Kaufvertrag mit den Sklareks nach seiner Beschlußfassung nicht wieder an das Bezirksamt zurückgab. Dr. Gordan: Nach der Verfassung Berlins hätte allerdings die Sache zurückkommen müssen. Aber leider verfährt der Magistrat in vielen Fällen so, wie auch in dem Falle des Sklarek⸗ Kaufvertrages verfahren wurde. Wir müssen schon froh sein, wenn wir dabei gehört werden, wie dies ja auch geschehen ist. Bürgermeister Schneider zählte drei andere Fälle von Grundstücksverkäufen auf, in denen auch das Bezirksamt die Vorverhandlungen führte, während dann der Magistrat endgültig beschloß. Deshalb sei das Verfahren auch im Falle des Sklarekschen Kaufvertrages durchaus nicht als ungewöhnlich zu bezeichnen. Stadtverordneter Rosenthal erklärte auf Be⸗ fragen durch Abg. Koch (D. Nat.), Stadtverordneter Kimbel sei ein durchaus zuverlässiger Bürger, der stets die Interessen der Stadt wahrgenommen habe. Er sei der Meinung gewesen, daß der vom Magistrat festgesetzte Fluchtlinienplan eine schwere Schädigung für die Grundstücksbesitzer bedeute. Stadtverordneter Kimbel habe mit den Sklarekschen Dingen absolut nichts zu tun, es sei ein Unrecht gegen ihn, wenn man ihn hier hineinziehen wolle. Irgendwelche Vorteile habe Kimbel von den Sklareks nicht gehabt. Zeuge Dr. Gordan (auf Befragen durch den Abg. Koch ([D. Nat.): Es ist leider Tatsache, daß uns größere Grundstücksprojekte, deren Behandlung eigentlich den Stadtverordneten gesetzmäßig zusteht, aus der Hand ge⸗ nommen werden. Daran sind wir gewöhnt. Wi können
daher in dem hier vorliegenden Fall nichts Besonderes sehen. Warum der Oberbürgermeister bzw. sein Dezernent in diesem
—₰ die Sache in die Hand zu bekommen suchte, ist mir nicht
ar. Bürgermeister Schneider (auf Befragen durch den Abg. Koch): Der Straßendurchbruch war notwendig, wegen der von der Verkehrs⸗A.⸗G. fest geplanten Untergrundbahn über den Molkenmarkt durch die Leipziger und Potsdamer Straße bis zur
Wenn wir im Bezirksamt dicsen b
—ö— in Schöneberg. au wegen der Kosten einstweilen auch für undurchführbar hielten, so mußten wir uns doch damit abfinden, denn der Ein⸗ spruch eines Bezirksamts hätte in solchem Fall doch keinen
Erfolg. — Auf Fragen des Stadtverordneten Metzenthin (D. Vp.):
Auf die Preisgestaltung
ür den Grundstückspreis habe ich in keiner Weise eingewirkt.
Als „phantastisch niedrig“ kann ich, als
Laie, den von Sklarek angebotenen Kaufpreis von 8000 Mark pro
Quadratmeter nicht bezeichnen. Zeuge Stadtrat Neuen⸗ dorff: Ich habe niemals gesagt, daß Bürgermeister Schneider auf mich zugunsten eines niedrigen Preises eingewirkt habe. Das Angebot von 8000 Mark habe nur als ein Zwischenstadium be⸗ trachtet, durch das nicht der Magistrat, sondern der Anbietende
zunächst festgenagelt war. Bürgermeister Schneider b 8 Mi⸗ “
eine Darstellung seines Verkehrs mit den Sklareks. M. n/ Sklareks habe er gesellschaftlich enger verkehrt, sich schließlich mit
Leo Sklaret auch geduzt, da er die Sklareks durchaus für
onorige Kaufleute halten mußte. Er habe nie einen roten fennig von Sklareks bekommen, sondern lediglich zugegeben, einige Male Renngewinne von ihnen erhalten zu haben. Sein
früheren vor dem Staatsanwaltschaftsrat Weißenberger in der
ersten Bestürzung gemachten Zugeständnisse widerrufe er. Anzü⸗ habe er sich bei Sklarek arbeiten lassen, sie aber stets mit une e 200 Mark bezahlt. Silberne Leuchter seien seiner Frau zu Weih⸗ nachten geschenkt worden. Er habe angenommen, es seien Renn gewinne gewesen. Er habe sich später revanchiert und Sklarek u. a. ein Klavier geschenkt. Auf Anfrage erklärte der Ver⸗ treter des Preußischen Staatsministeriums, daß er keine Bedenken dagegen habe, daß der Zeuge anderer Stelle gemachte Aussagen widerrufe. Es sei nobile officium, ihm das Recht der Verteidigung zuzugestehen Zeuge Oberbaurat Zangemeister gab dann Auskunft über die Grundstücksgeschäfte der Stadt mit den Sklareks. Daß der Oberbürgermeister sich mit dieser Sache beschäftigte, mag ja auf
allend gewesen sein; man kann es aber verstehen, aus dem
Temperament des Oberbürgermeisters, aus seinem Interesse für den ganzen Straßendurchbruch. Er hat sich weder für das eine noch für das andere Projekt besonders ins Zeug gelegt. Sämt⸗ liche Zeugen erklärten dann auf Befragen ausdrücklich, daß sie mit den Sklareks niemals privatim, sondern stets nur amtlich über diese Dinge verhandelt haben. Zeuge Oberbaurat Zange⸗ meister betonte auf Befragen durch Abg. Drügemüller (Soz.), er halte auch heute noch den Durchbruch an der Lindenstraße mit Rücksicht auf die notwendige Verkehrsentlastung der Leipziger Straße durch eine Untergrundbahn für äußerst dringlich und wichtig. Auf weitere Fragen bestätigt der Zeuge, daß ihm von den Sklareks später 6000 Mark gegeben wurden, die er an den Kreisverein Charlottenburg der Deutschnationalen Volkspartei weitergeleitet habe. — Hierauf wurde die Weiterbehandlung auf den 15. Januar vertagt. .
maßregeln.
Der Ausbruch der Maul⸗ und Klauenseuche ist vom Schlacht⸗ und Viehhof in Leipzig am 13. Januar 1930 amtlich gemeldet worden.
Handel und Gewerbe. Berlin, den 15. Januar 1930
Auf Grund § 39 des Börsengesetzes sind: zum Börsenhandel zugelassen: RM 5 000 000,— 8 % Schatzanw eisungen, fälig am 1. Juli 1932, des Freistaates Lübbesck von 1929 (auf Feingoldbasis) Buchstabe A Nr. 1 — 350 zu je RM 10 000,—, B Nr. 1 — 1500 zu je RM 1000,—. Zinstermine: 2. Januar, 1. Juli. Die Schatzanweisungen können vom 15. Januar 1930 ab amtlich notiert werden.
.
8 8
Nach dem Geschäftsbericht der Kalker Maschin enfabrik Aktiengesellschaft zu Köln⸗Kalk für das Geschäftsjahr 1928/29 war auch das abgelaufene Geschäftsjahr im wesentlichen ein Jahr der Abwicklung. Die entbehrlichen Maschinen wurden ang die AWG Allgemeine Werkzeugmaschinen⸗Gesellschaft Aktiengesellschaft in Berlin verkauft. Der Kaufvertrag sieht einen Festpreis pro Einheit und eine Beteiligung an dem Gewinn aus der Weiterveräußerung durch die Uebernehmerin vor, wobei der Gesellschaft der in der Bilanz per 30. Juni 1928 unter „Maschinen“ ausgewiesene Buchwert von 485 000 RM garantiert worden ist. Die zur Ausnutzung der Konstruktionen der Gesellschaft mit der MES Maschinenbau⸗Aktien⸗ gesellschaft vorm. Ehrhardt & Sehmer, Saarbrücken, und der EUMUCO Aktiengesellschaft für Maschinenbau in Schlebusch⸗Manfort abgeschlossenen Verträge konnten im abgelaufenen Geschäftsjahr noch nicht voll zur Auswirkung kommen. In Verbindung mit dem Ver⸗ trage Ehrhardt K Sehmer hat die Gesellschaft sich an diesem Unter⸗ nehmen beteiligt. Aus der Gewinn⸗ und Verlustrechnung ergibt sich ein Ueberschuß von 62 340 RM. Der Vorstand schlägt vor, 4 % als Dividende auszuschütten = 48 000. RM und den Rest mit 14 340 RM auf neue Rechnung vorzutragen.
— Nach dem Bericht der Radeberger Exportbier⸗ brauerei Aktiengesellschaft, Radeberg über das Geschäftsjahr 1923/29 setzte sich die Steigerung des Bierabsatzes der
Gesellschaft auch im Berichtsjahre mit Ausnahme der beiden überaus
kalten Wintermonate Januar und Februar ständig und in erheblichem Umfange fort. Nach Absetzung der Zuweisungen beziffert sich der Rohgewinn auf 1 646 791 RNM, die Abschreibungen betragen 377 082 ℳ, ferner erfordern: Zuweisung zur Sicherheitsrücklage für Außenstände 100 000 RM, zur Ruhegehaltsrücklage 25 000 RM,⸗ Gewinnanteile 106 700 RM, 10 % für die Vorzugsaktien 500 RM, 16 % für die Stammaktien 960 000 RM. der Rest von 77 508 RM ist auf neue Rechnung vorgetragen. Die ersten Monate des neuen Geschäftsjahres brachten eine weitere Steigerung des Absatzes.
(Weitere Nachrichten über „Handel u. Gewerbe“ s. i. d. Ersten Beilage.)
Verantwortl. Schriftleiter: Direktor Dr. Tyrol, Charlottenburg.
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8
Berlin, Donnerstag, den 16. Januar, abend
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8.
8— dem Ein
ckungstermin bei der Geschäftsstelle eingegangen sein. —
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Inhalt des amtlichen Teiles:
Preußen. 8
Ernennungen und sonstige Personalveränderungen Viehseuchenpolizeiliche Anordnung, betreffend Einfuhr von Papageien und Sittichen. Bekanntmachung der nach Vorschrift des Gesetzes vom 10. April eS 8 g- Regierungsamtsblättern veröffentlichten Erlasse, rkunden usw
Preußen.
Finanzministeriumg. Die Rentmeisterstelle bei der staatlichen Kreiskasse in
Brieg, Regierungsbezirk Breslau, ist zum 1. April 1930 zu
besetzen.
Ministerium für Landwirtschaft, Domän und Forsten. —
Viehseuchenpolizeiliche Anordnung, betreffend Ein fuhr von Papageien und Sittichen. Auf Grund des § 7 des Viehseuchengesetzes vom 26. Juni 1909 (8GBl. S. 519) wird hiermit für das preußische Staats⸗ gebiet folgendes bestimmt: 1. Die Einfuhr von Papageien und Sittichen ist bis auf weiteres verboten. 2. Zuwiderhandlungen gegen diese Anordnung unterliegen den Strabestimmungen der §§ 74 ff. des Viehseuchengesetzes. 3. Die Anordnung tritt mit dem Tage ihrer Veröffentlichung in Kraft. Berlin, den 14. Januar 1930. Der Preußische Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsteen. J. V.: Krüger. 1
Bekanntmachung.
9
Nach Vorschrift des Gesetzes vom 10. April 1872 (Gesetzsamml. S. 357) sind bekanntgemacht:
1. der Erlaß des Preußischen Staatsministeriums vom 4. De⸗ zember 1929 über die Verleihung des Enteignungsrechts an den Kreis Iserlohn für den Bau einer Kreisstraße von Halden über Reh nach Ostteld durch das Amtsblatt der Regierung in Arnsberg Nr. 52 S. 207, ausgegeben am 28. Dezember 1929;
2. der Erlaß des Preußischen Staatsministeriums vom 7. De⸗ zember 1929 über die Verleihung des Enteignungsrechts an die Ge⸗ meinde Gadeland für die Anlage eines Radfahrwegs an der linken Seite der Chaussee von Gadeland bis zur Stadtgrenze Neumünster durch das Amtsblatt der Regierung in Schleswig Nr. 52 S. 481, ausgegeben am 28. Dezember 1929.
Richtamtliches.
Preußischer Staatsrat.
Sitzung vom 15. Januar 1930. d. Nachrichtenbüros d. Vereins deutscher Zeitungsverleger.)
Der Staatsrat beschäftigte sich heute mit dem Ent⸗ wurf eines Landwirtschaftsgesetzes, der als einziger Gegenstand auf der Tagesordnung stand.
Der Berichterstatter Landrat a. D. von Helldorf (A. G.) betonte, das Gesetz sei mit außerordentlicher Schnelligkeit durch⸗ gepeitscht worden. Ueber die zahlreichen Abänderungsanträge der Ausschüsse liege noch kein gedruckter Bericht vor. Nach dem Wahl⸗ gesetz von 1920 sei die bis dahin indirekte und geheime Wahl direkt und öffentlich geworden. Der Gesetzentwurf bringe als einschneidende Aenderung die Hineinbeziehung der Arbeitnehmer in die Landwirt⸗ schaftskammern. Wenn auch die Landwirtschaft geschlossen auf dem Standpunkt stehe, daß sie gemeinsam mit ihren Arbeitnehmern die Interessen des Standes und des Berufes wahrnehmen wolle, so er⸗ forderten die Geschäfte der Landwirtschaftskammern eine ganz beson⸗ deres Maß von Fachkennern. Deshalb habe, so betonte der Bericht⸗ erstatter, die Frage der Hineinbeziehung der Arbeitnehmer über das Maß dieser Heranziehung lange und ausführliche Erörterungen hervor⸗ gerufen. Der Reichswirtschaftsrat habe sich bereits mit dieser Frage beschäftigt und die Reichsregierung zur baldmöglichen Vorlegung eines entsprechenden Gesetzentwurfes aufgefordert. Nach eingehender Aussprache beschlossen die beiden Ausschüsse des Staatsrats trotzdem in eine Beratung des vorliegenden Gesetzentwurfes einzutreten, der auf einen Beschluß des Preußischen Landtags vom 9. Juli 1927 beruht. Die Lage der Landwirtschaft sei heute geradezu katastrophal. Die stetige fortschreitende Arbeit der, Landwirtschaftskammern könnte durch die vom Gesetzentwurf. vorgesehenen Neuerungen doch erheblich gestört werden. Dazu kämen die der Landwirtschaft erwachsenden vermehrten Kosten. All iese Bedenken seien aber
“
letzten Endes von den Ausschüssen zurückgestellt worden, um an die sachliche Beratung zu gehen. Ein weiteres Bedenken bildet die weit⸗ gehende Verstärkung der Staatsaufsicht. Die Vertreter der Linken wünschten im Ausschuß noch eine weitergehende Beteiligung der Arbeitnehmer. Der § 5 des Entwurfs umschreibe den Aufgabenkreis der Landwirtschaftskammern. Ihnen liegen insbesondere ob: Die Förderung der technischen Vervollkommnung der Landwirtschakt; die Förderung des ländlichen Kredit⸗, Genossenschafts⸗ und Vereinswesens, einschl. der Marktbeobachtung und des Absatzes landwirtschaftlicher Erzeugnisse; die Förderung der Berufsausbildung; die Mitwirkung bei der Verwaltung und den Preisordnungen der Produkten⸗ börsen sowie der Märkte, insbesondere der Viehmärkte; die Unter⸗ stützung der zuständigen Verwaltungsbehörden bei allen die Landwirt⸗ schaft betreffenden Fheaßen namentlich auch durch Erstattung von Gut⸗ achten. Zum Aufgabenkreis der Landwirtschaftskammer gehört nicht die Regelung der Lohnverhältnisse der landwirtschaftlichen Arbeitnehmer und die parteipolitische Vertretung des Berufsstandes. Die Mitglieder der Kammer werden durch die Berufsangehörigen in gleicher, unmittelbarer und geheimer Wahl nach den Grundsätzen der Ver⸗ hältniswahl gewählt. Das Amt des Vorsitzenden der Kammer, so betonte der Berichterstatter, müsse unter allen Umständen ein Ehren⸗ amt sein. Eine der wichtigsten vom Ausschuß vorgenommenen Aenderungen betreffe die Genehmigung der Satzung der Kammer durch den Minister. Diese dürfe nach den Ausschußbeschlüssen nur versagt werden, wenn die Satzung den Gesetzesbestimmungen nicht entspricht. Dagegen stehe der Kammer der Einspruch im Verwaltungs⸗ streitverfahren zu.
Freiherr von Gayl (A. G.) gab eine Erklärung ab, wonach gegen den Erlaß eines preußischen Landwirtschaftskammergesetzes im Hinblick auf die reichsgesetzliche Regelung dieser Materie erhebliche Bedenken bestehen. ie Arbeitsgemeinschaft billige daher den vor⸗ Uegenden Gesetzentwurf nur insoweit, als durch ihn die Selbst⸗ verwaltung des landwirtschaftlichen Berufs gestärkt und erweitert werde. Die Lage der Landwirtschaft erfordere mehr denn je sach⸗ gemäße Förderung und Hebung der Autorität der landwirtschaftlichen Selbstverwaltungsorgane. Die Arbeitsgemeinschaft lasse sich davon leiten, daß sie nicht nur die Interessen der Landwirtschaft, sondern auch der übrigen Berufsstände im Auge habe.
Mitglied Koenen (Komm.) erklärte, der Gesetzentwurf zeige, daß man für die Großgrundbesitzer, aber nicht für die kleinen Land⸗ wirte und die Landarbeiter etwas übrig habe. Der Redner bean⸗ tragte, Einspruch gegen den Regierungsentwurf zu erheben und ver⸗ las umfangreiche Leitsätze und Vorschläge seiner Fraktion für ein Landwirtschaftskammergesetz.
Mitglied Wiersich (Soz.) betonte, das Gesetz berühre außer⸗ ordentlich die Interessen der Arbeitnehmer. Leider habe sich der Aus⸗ schuß nicht auf ein einheitliches Gutachten einigen können. Der Redner empfahl einen Antrag, wonach der Staatsrat dem Entwurf grundsätzlich zustimmt, aber eine Reihe von Aenderun] für er⸗ forderlich hält.
Bei der Abstimmung wurde zunächst der Antrag der Kommunisten auf Erhebung formellen Einspruchs gegen den Entwurf der Regierung abgelehnt. Ebenso wurde der Antrag der Arbeitsgemeinschaft auf Annahme einer Entschließung ab⸗ gelehnt, wonach gegen den Erlaß eines neuen preußischen Land⸗ wirtschaftskammergesetzes im Hinblick auf die beabsichtigte reichs⸗ gesetzliche Regelung erhebliche Bedenken sprechen und eine An⸗ zahl von Aenderungen des Entwurfs empfohlen werden in der Richtung, daß die Selbstverwaltung des landwirtschaftlichen Berufs gestärkt und erweitert wird.
Sodann wurde der gesesenmuff unter Ablehnung aller Aenderungsanträge in der Ausschußfassung angenommen. Ab⸗ gelehnt wurde der Schlußsatz der Ausschußentschließung: „Im übrigen werden Einwendungen nicht erhoben.
Angenommen wurde eine Zentrumsentschließung, wona⸗ das Staatsministerium bei der Genehmigung der Satzung dafür sorgen soll, daß die Zahl der Mitglieder der Landwirtschafts⸗ kammern keine wesentliche Erhöhung erfährt.
Der Staatsrat vertagte sich sodann auf den 16. Januar.
Parlamentarische Nachrichten.
Der Strafrechtsausschuß des Reichstags nahm am 15. d. M. den § 325 an, der den „Verrat von Privatgeheimnissen“ betrifft. Danach wird mit Gefängnis bis zu 6 Monaten oder mit Geldstrafe bestraft, wer ohne besondere Befugnis ein Privatgeheimnis offen⸗ bart, das ihm bei “ Ausübung der Heilkunde, der Krankenpflege, der Geburtshilfe oder des Apothekergewerbes oder bei berufsmäßiger Beratung, Vertretung oder Verteidigung in Rechtsangelegenheiten kraft Heines Berufes anvertraut oder zu⸗ büngig geworden ist. Der Täter ist straffrei, wenn er ein solches Geheimnis zur Wahrnehmung eines berechtigten öffentlichen oder privaten Interesses offenbart, das nicht auf andere Weise gewahrt werden kann, und wenn das gefährdete Interesse überwiegt. Die Tat wird nur auf Verlangen des Verletzten verfolgt. Abg. Vors. D. Dr. Kahl 8— im Anschluß an § 325 die Frage auf, ob es in diesem Zusammenhange angezeigt sei, die Frage der Aufhebung der Kurierfreiheit zu behandeln. Er wies darauf hin, daß seit April 1929 eine Eingabe der Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung des Kurpfuschertums im Reichstag vorliege. Diese Gesellschaft habe damals sich eingehend mit dieser Frage befaßt. Allerdings habe sich die Mehrheit der Redner auf den Standpunkt gestellt, daß die Regelung dieser Frage nicht im Strafgesetzbuch etrossen werden könne, sondern böcestens in der Gewerbeordnung. Oberreichsanwalt Ebermayer führte dazu aus, daß bis 1869 die Kurpfuscherei
in Deutschland verboten gewesen sei, und zwar aus der Erwägung heraus, daß bei deren Aufhebung der Staat in schwersten Wider⸗ 11“ 8 — “ 8 .1“
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spruch zu Pflicht geraten würde, das Leben und die Gesund⸗ heit der Bürger zu schützen. 1869 sei dieses Verbot aufgehoben worden, und zwar infolge einer Eingabe maßgebender Aerzte, darunter Hirsch und Langenbeck. Deutschland sei fast das einzige Kulturland, in welchem die Kurpfuscherei bestehe. Eine Ausnahme bilde nur noch ein Schweizer Kanton und England, wo zwar die Kurpfuscherei nicht verboten, dem Kurpfuscher aber die Möglich⸗ keit genommen sei, sein Honorar einzuklagen. 1907 habe es chon 12 000 sülbehan der egeben. Ihre augenblickliche Zahl lasse sich nicht feststellen. Auf die Gefahren der Kurierfreiheit wolle er hier nicht eingehen. Die Hauptschwierigkeit liege darin, den Begriff der Heilbehandler abzugrenzen. Zweifellos gäbe es eine Reihe von Personen, die man nicht als Kurpfuscher bezeichnen könne. Manche Fortschritte der Medizin seien Laien wie Priesnitz usw. zu verdanken. Bei einer gesetzlichen Regelung der Frage könne man nicht daran vorbeigehen, eine gewisse beschränkte Approbation auf Grund des Nachweises der erforderlichen Kenntnisse zu geben. Ein entsprechendes Gesetz sei nach seiner persönlichen Meinung durchaus notwendig, da die Mißbräuche heute grenzenlos seien. Zweifellos könne aber diese Frage nicht im Strafgesetzbuch geregelt werden, sondern nur durch die Gewerbeordnung oder durch ein Sondergesetz usw. Abg. Moses (Soz.) vertrat den Standpunkt, daß durch die Kurierfreiheit in Deutschland weder die Volksgesund eit gelitten habe, noch die Fortschritte der Wissenschaft gehemmt worden seien. In den Ländern, wo ein Verbot bestehe, blüͤhe die Kurpfuscherei in einem Umfange, von dem man hier keine Ahnung habe. So gebe es in der ganzen Welt kaum einen Menschen, der einen solchen gewaltigen Zulauf habe, wie Zeileis in Galspach, der heute der Wundermann in Oesterreich sei. Kein Mensch dürfte es wagen, gegen ihn vorzugehen, trotzdem in Oesterreich ein Kur⸗ pfuschereiverbot bestehe. Es sei durchaus verfehir die Genehmi⸗ gung zur Heilbehandlung von der Ablegung des Staatsexamens abhängig zu machen. Die Volksheilkunde werde heute wissen⸗ schaftlich in einer Weise emporgehoben, daß andere Länder un⸗ bedingt folgen werden. Jahrzehntelang habe die Homöopathie als Kurpfuscherei gegolten, die Homöopathen seien aus den Standesorganisationen ausgeschlossen und gesellschaftlich boykot⸗ tiert worden. Heute sei die Homöopathie salonfähig. Genau so sei es mit der Biochemie. Als sich 1910 der Reichstag mit dieser Frage befaßt habe, habe sich ein Abgeordneter in geradezu be⸗ geisterter Rede für die Naturheilkunde eingesetzt. Dieser Ab⸗ geordnete sei kein geringerer gewesen als Dr. Gustav Strese⸗ mann. Die ganzen Zustände beleuchte in ausgezeichneter Weise das Buch von Ascher „Die Krisis der Medizin“. Die Aerzte sollten weniger so großen Wert darauf legen, die Kurpfuscherei zu be⸗ kämpfen, sie sollten sie vielmehr zu überwinden 82 Nach weiterer Aussprache verkündete der Vorsitzende D. Dr. Kahl (DVp.) als übereinstimmende Meinung des Ausschusses, daß die gesetzliche Regelung der ö“ nicht Gegenstand und Aufgabe des Strafrechtsausschusses sein kann. — Der Ausschuß wandte sich alsdann der Beratung der §§ 298 und 299 zu, die die öffentliche Vornahme unzüchtiger Handlungen betreffen. Nach längerer Aussprache wurde § 298 unverändert nach der Regie⸗ rungsvorlage angenommen ebenso wie § 299, der unzüchtige Handlungen vor Kindern betrifft. Vors. Abg. D. Dr. Kahl (DVp.) erklärte als die Auffassung der Mehrheit des Ausschusses, daß der in den beiden Paragraphen vorkommende Ausdruck „Handlung“ auch mündliche Aeußerungen einschließen sollen. Schließlich wurde der 25. Abschnitt des Strafgesetzentwurfs, der die Sachbeschädigung behandelt, nach längerer Aussprache an⸗ genommen. An dem Text der Regierungsvorlage wurde auf An⸗ trag des Berichterstatters Abg. Dr. Wunderlich (DVp.) im § 327 Ziffer 1 lediglich eine redaktionelle Aenderung vor⸗ genommen, die der betreffenden Ziffer den Text des geltenden Rechts wiedergibt. — Weiterbervatung am 16. Januar.
Der Geschäftsordnungsausschuß des Landtags übertrug gestern die Redaktion des neuen Entwurfs für die Geschäftsordnung des Landtages einem Unterausschuß, der eine Fassung vorbereiten soll, die einer zweiten Ausschußlesung zur Grundlage dienen soll.
Der Hauptausschuß des Preußischen Landtags beschäftigte sich am 13. d. M. mit der Vorberatung des Haushalts der Domänenverwaltung für 1930. Landwirtschaftsminister Dr. Steiger sehet zu diesem Etat u. a. aus: Es ist natur⸗ gemäß, daß die Notlage der Landwirtschaft sich auch bei der Domänenverwaltung auswirkt. Nicht weniger als 757 Domänen in einer Größe von 277 109 ha sind verpachtet. Der Minister mußte feststellen, daß die Pachtrückstände seit dem Jahre 1926 von einem Jahr zum anderen zunehmen. Sie betrugen bei einem Gesamtpachtaufkommen von rund 10 Millionen Mark 1926 3,2, 1927 4,4, 1928 5,0 und 1929 sogar 6,7 Millionen Mark. Von den Rückständen im Jahre 1929 entfallen auf den Osten bei einem Pachtaufkommen von 5,4 Millionen Mark 4,9 Millionen Mark, auf den Westen von 5,7 Millionen Mark Pachtaufkommen 1,8 Millionen Mark. Aber auch im Osten ist die Höhe der Pacht⸗ rückstände im Verhältnis zum Pachtaufkommen sehr verschieden. Ostpreußen, Brandenburg und Pommern kommen in den Pacht⸗ rückständen dem CE““ schon nahe. Niederschlesien freilich hat von 596 845 achtaufkommen nur 284 020 M. Rückstände, während Oberschlesien das ungünsti 8 Bild über⸗ haupt heigt Es hat bei 500 000 M Pachtaufkommen sogar 1 305 133 M Pachtrückstände. Einzelne Domänen in Oberschlesien haben also schon zwei bis drei Jahre überhaupt keine Pacht mehr bezahlt. Etwas bessere Bilder zeigt der Westen. Hannover hat von 1 867 228 M Pachtaufkommen 767 018 M Pachtrückstände, und die Rückstände der Domänen in der Provinz Sachsen be⸗ tragen nur 619 770 M bei einem Pachtaufkommen von 2 918 959. Mark. Trotz der wirtschaftlichen Notlage hat das er⸗Auftoamemnen im ganzen das Soll⸗Aufkommen er erreicht, der Rest ist
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