1930 / 122 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 27 May 1930 18:00:01 GMT) scan diff

Reichs⸗ und Staatsanzeiger Nr. 122 vom 27. Mai 1930.

Ostpreußen und den umliegenden Osten an Vergebungen auf⸗ gewendet haben. Dazu kommt, daß wir im Gegensatz zu der Reichsbahn, die für die Frachten die vollen durch die Entfernung gegebenen Tarife fordert, im Postpaketverkehr seit einigen Jahren bekanntlich die Bestimmung getroffen haben, daß zwischen Ost⸗ preußen und dem übrigen Reich nur die Gebühr der jeweilig nächstniedrigen Zone in Ansatz gebracht wird. Meine Herren, das ist eine für uns sehr fühlbare finanzielle Leistung.

Dem Wunsche des Herrn Abgeordneten Seppel, daß bei den Arbeitsvergebungen der Südosten Schlesien berücksichtigt werden möge, wird Rechnung getragen. Die Waggonfirmen in Görlitz und Breslau werden ich will nicht sagen: im Vorzug, aber nach bester Möglichkeit mit Aufträgen bedacht. Daß ich mich hinsichtlich der Vergebungen auf einer objektiven und ge⸗

rechten Linie bewege, beweisen mir die Vorhalte der Herren Ab⸗ geordneten Seppel und Groß, von denen der erste sagte, der Süden werde von mir bevorzugt, während der andere sagte, der Süden leide unter unseren Vergebungen. Ich glaube hiernach, die richtige Mitte einzuhalten. Auf dem Gebiete der Vergebungen hat sodann hier im Plenum ebenso wie im Ausschuß die Frage der Vergebung unserer technischen Aufträge wiederum eine Rolle gespielt. Es wurde der Vorwurf wiederholt, daß das Reichspostministerium Beziehungen zu der Firma Siemens unterhalte, die zu einer Be⸗ vorzugung oder einer Monopolstellung dieser Firma geführt hätten. Ich kann das nur ganz entschieden in Abrede stellen. Die Vergebungen auf dem Gebiete des Fernsprechwesens erfolgen nach objektivster Prüfung der angebotenen Lieferungen hinsichtlich der Qualitäten und der Preise. Diese Prüfung kann ich deswegen mit gutem Gewissen als objektiv bezeichnen, weil eine ganze Reihe von Stellen sowohl im Ministerium als namentlich im Reichs⸗ postzentralamt daran beteiligt ist. Außerdem wird ja auch der Entschließung des Reichstags Rechnung getragen, daß sämtliche Lieferungen der Ueberprüfung durch den Rechnungshof unter⸗ stehen, was übrigens bisher schon der Fall ist. Bisher ist irgend⸗ eine Unregelmäßigkeit auf diesem Gebiete trotz sorgfältigster Untersuchung nicht an den Tag gefördert worden. Ich halte mich daher für befugt und halte es für meine Pflicht im Interesse meines Personals, die immer wiederkehrenden Anwürfe in dieser Richtung zurückzuweisen. Ich bin bestrebt und werde alles auf⸗ bieten, um ständig den Dingen nachzugehen mit dem Ziel einer Stärkung des Wettbewerbs und einer möglichst zutreffenden Preiskontrolle. Ich wiederhole, daß ich mich nicht dazu verstehen kann, eine Firma lediglich deswegen zu berücksichtigen, weil sie Kampfpreise hat. So etwas ist für die Dauer nicht haltbar. Daß die Firma Siemens von uns nicht irgendwie bevorzugt worden ist, wollen Sie daraus entnehmen ich habe das bereits im Aus⸗ schuß erwähnt —, daß trotz Erhöhung der Löhne seit 1925 um 33 Prozent und der Kupferpreise um 23 Prozent die Preise in derselben Zeit von uns um 16 bis 43 Prozent gesenkt worden sind. Das klingt doch sicher nicht nach einer Bevorzugung der be⸗ teiligten Firmen.

Der Herr Abgeordnete Torgler hat trotz meiner gegenteiligen Ausführungen die Behauptung des „Montag Morgen“ wieder⸗ holt, daß der Vertreter der Firma Siemens bei den Verhand⸗ lungen über die Mobilisierungsanleihe im Haag zugegen und an

den Vorverhandlungen beteiligt gewesen sei. Der „Montag Morgen“ scheint dem Herrn Abgeordneten Torgler eine objektivere Grundlage zu sein als meine Erklärung. Ich kann auch hier an diesem Platze diese Behauptung nur als unwahr bezeichnen. Auch das, was der Herr Abgeordnete Torgler bezüglich der Postanstalten vorgetragen hat, daß wir Unter den Linden ein Luyxuspostamt unterhielten, dagegen die für das Proletariat in Betracht kommenden Postämter der Peripherie in einer unver⸗ antwortlichen Weise vernachlässigten, trifft nicht zu. Ich bin gern bereit, irgendwelche ungenügenden Verhältnisse bei diesen Ppostanstalten gründlich nachprüfen zu lassen, namentlich auch bei dem Postamt NW. 7. Was den von dem Herrn Abgeordneten Torgler auch hier wieder angeführten Erlaß wegen der Ueberprüfung des Zustell⸗ dienstes in Berlin anlangt, so handelt es sich bei diesem Erlaß keineswegs etwa um eine Scharfmacherei. Der Erlaß bezweckt nichts anderes, als Mißständen, die wie anderswo auch hier ge⸗ geben sind, nachzugehen und in durchaus vernünftiger Weise zu prüfen, ob diese Mißstände nicht beseitigt werden können. (Ab⸗ geordneter Torgler: Billigen Sie, daß extra Hilfskräfte angestellt werden, die man hinterher schickt?) Davon ist mir nichts be⸗ kannt. (Abgeordneter Torgler: Es steht doch darin!) Ich weiß nicht, ob Sie unsere Verhältnisse besser kennen als ich.

Es wurde sodann gefordert, daß bei der Rationalisierung nicht zu schematisch vorgegangen, daß sie nicht überspitzt werden solle. Das ist durchaus meine Auffassung; ich bin durchaus dafür, daß der Mensch dabei als Mensch noch zur Geltung kommen soll und nicht auf den Stand einer Maschine herab⸗ gedrückt werden darf.

Es ist dann die Ablieferung an das Reich erwähnt und ge⸗ fordert worden, daß die Höhe der Ablieferung nicht dadurch er⸗

zielt werden dürfe, daß die Einrichtungen, namentlich der Hochbau,

darunter litten. Es kann sich bei der Ablieferung an das Reich nur um das handeln, was nach Befriedigung sämtlicher Bedürf⸗ nisse der Verwaltung an das Reich abgegeben werden kann. Das andere wäre wohl eine verkehrte Politik. Es wäre ebenso ver⸗ kehrt, wenn die Ablieferungen auf Kosten der Liquidität der Postscheckggelder gingen. Ich betrachte es als meine Pflicht, darüber zu wachen, daß die Postscheckgelder, die für uns fremde Gelder sind, auch in Zeiten wirtschaftlicher Not unbedingt intakt zur Verfügung stehen, und halte es aus diesem Grunde

für unbedingt erforderlich, daß die Mittel, die wir herein⸗

bekommen, den Postscheckgeldern zugeführt werden, denen sie entnommen waren.

Was die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Mollath bezüglich der Luftpost anlangt, so möchte ich richtigstellen, daß es sich bei den Reichspostflügen nicht um Subventionen handelt, sondern daß das Bezahlungen von Leistungen sind, und daß nicht mehr gezahlt wird, als geleistet wird. Selbstverständlich werden alle Unternehmungen berücksichtigt, die uns die gleichen Be⸗

dingungen bieten. Bisher hat nur die Luft⸗Hansa offeriert, und in der Luft⸗Hansa sind bekanntlich eine ganze Reihe von Interessenten zusammengefaßt. Aber ich stehe nicht an, aus⸗ drücklich zu erklären ich habe das im vorigen Jahre bereits getan —, daß ich ein Monopol der Luft⸗Hansa absolut nicht wünsche und auch nicht fördern würde.

Herr Abgeordneter Mollath hat dann unsere Verkehrspolitik auf dem Gebiet des Kraftpostwesens erwähnt. Ich stehe hier auf dem Standpunkt und möchte das mit Nachdruck betonen, daß ich das Kraftpostwesen als ein gemeinnütziges Unternehmen be⸗ trachte, das nicht nur nach dem Erwerbsgesichtspunkt aufgezogen sein darf. Aufgabe der Deutschen Reichspost ist es, nunmehr auch im Benehmen mit der Reichsbahn das Liniennetz nach all⸗ gemeinen, größeren verkehrspolitischen Gesichtspunkten, nach dem Verkehrsbedürfnis der interessierten Kreise eines Landes oder sonstigen höheren, auch kulturellen und sozialen Interessen zu gestalten und Linien namentlich dort zu führen, wo das Ver⸗ kehrsbedürfnis am dringendsten ist. Darunter verstehe ich vor allem die ländlichen entlegenen Gegenden und die Gegenden des besetzten Gebiets. Selbstverständliches Korrelat dieser unserer Leistung muß sein, daß wir auch Linien führen, die etwas ein⸗ tragen, wenn wir ein kaufmännisch arbeitendes Unternehmen sein wollen. Wir müssen auch Linien betreiben, die durch den Fremdenverkehr etwas einbringen, wie zum Beispiel die neuen Fernlinien, die übrigens im Ausland, in England und Amerika, längst an der Tagesordnung sind. Ich denke an die Fernlinie von Heidelberg, die nicht neben der Bahn entlang, sondern durch den Schwarzwald hindurch an die Grenze nach Luzern führt. Ich hoffe nur, daß diese Linie eine möglichst starke Frequenz aufweist und uns Einnahmen zuführt.

Es ist eine eigentümliche Sache um die Konkurrenz auf dem Gebiete des Kraftpostwesens. Ich erinnere an den typischen Fall, der uns auf eine Beschwerde des Herrn Abgeordneten Mollath bekannt wurde. Dort handelte es sich um Kraftpostfahrten, die von der Reichspost aus dem Pfälzer Gebiet nach Mannheim unter⸗ nommen wurden, um die ländlichen Interessenten in die dortigen Geschäftshäuser zu bringen. Das wurde als eine wirtschaftliche Unmöglichkeit gebrandmarkt, und es wurde dabei in mir unver⸗ ständlicher Weise von Wirtschaftszentralismus gesprochen. Ich habe die Einrichtung dieser Linie auch nicht für richtig gehalten und ihre Einstellung veranlaßt mit der Wirkung, daß einige Tage danach die Fahrten durch Private ausgeführt worden sind. Hier⸗ gegen sind Beschwerden bisher nicht aufgekommen. (Abg. Mollath: Diese Fahrten sind schon eingestellt, Herr Minister!) Um so besser!

Es wurde dann eine Reihe von Fragen des Personalwesens erwähnt. Was vor allem die von verschiedenen Rednern betonte Frage anlangt, daß staatsfeindliche Elemente in der Verwaltung nicht zu dulden sind, so möchte ich wiederholen, was ich in dieser Richtung im Ausschuß erklärt habe. Ich stehe auf dem Stand⸗ punkt, daß eine staatsfeindliche Agitation, sei es von rechts oder links, in der Verwaltung nicht geduldet werden darf. Abgeord⸗ neter Stöhr: Bravo! Immer feste druff!) Ich muß als ver⸗ fassungsmäßiger Minister darauf Wert legen, daß das Personal zur Verfassung steht.

Bezüglich der Arbeiterentlassungen verhält es sich nicht so, wie der Herr Abgeordnete Torgler meinte, daß keine Arbeiter⸗ entlassungen erfolgt seien. Es wurde vielmehr in dem Kom⸗ muniqué über die letzte Kabinettssitzung lediglich als Absicht der Reichspost mitgeteilt, daß künftig Arbeiterentlassungen vermieden werden sollen. Ich habe mich anheischig gemacht, den gesamten uns etatmäßig zur Verfügung stehenden Betrag durch Ver⸗ gebungen zu realisieren. Das ist bereits geschehen. Die Ver⸗ gebungen laufen, und ich kann nicht über mehr verfügen, als wir im Haushalt haben. Der in den Etat eingesetzte Betrag ist das Optimum, was ich dafür aufwenden kann.

Ich habe noch die verschiedenen einzelnen Fragen des Herrn Abgeordneten Morath zu beantworten. Die Frage, wieviel Be⸗ amten prozentual Aussicht haben, von der Eingangsstelle aus weiterzukommen, muß erst näher untersucht werden, und es wird dem Herrn Abgeordneten persönlich Mitteilung zugehen. Auch bezüglich der Amtsbezeichnungen und der Laufbahnvorschriften laufen die Dinge. Hier ist das Reichsministerium des Innern federführend. Es werden hierüber zur rechten Zeit, sobald wir dazu in der Lage sind, Mitteilungen gemacht werden.

Etwas merkwürdig hat mich angemutet, daß der Herr Ab⸗ geordnete Torgler mir vorgehalten hat, ich hätte es an der jahresmäßig üblichen Anerkennung für mein Personal heuer fehlen lassen. Ich habe deswegen von der Anerkennung für das Personal nichts erwähnt, weil ich in meinen ersten Ausführungen überhaupt über Personalfragen nicht gesprochen habe. Aber um keinen Zweifel aufkommen zu lassen, möchte ich den Anlaß nicht versäumen, um meinem Personal, das in unverdrossener Arbeits⸗ freudigkeit, in anstrengendem Dienst, oft unter den widrigsten Verhältnissen, namentlich der Witterung, bei Wind und Wetter, in allen Jahreszeiten, in aufreibendem Nachtdienst seine Schuldig⸗ keit tut, meine volle Anerkennung auszusprechen für Leistungen, mit denen wir uns vor der ganzen Welt sehen lassen können. (Bei

(Bericht d. Nachrichtenbüros d. Vereins deutscher Zeitungsverleger.)

Präsident Löbe eröffnet die Sitzung um 3 Uhr.

Auf der Tagesordnung steht die zweite Beratung des Lr mäceigungssgesehes zu steuerlichen Er⸗ leichterungen zugunsten der Kreditversorgung der deutschen Wirtschaft, und zwar auf den Gebieten der Kapital⸗ bei festverzinslichen Wertpapieren, der Kapital⸗ verkehrssteuer, der Grunderwerbssteuer, der Wertzuwachs⸗ steuer und der Besteuerung der Kapitalverwaltungsgesell⸗ schaften, Verbunden mit der Beratung sind der Gesetz⸗ entwurf über die Liquidierung der Bank für Industrie⸗ Obligationen und die Anträge der Sozialdemokraten, des

*) Mit Ausnahme der durch Sperrdruck eeess iher Reden der Herren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben sind

mit Füßen getreten. Aehnlich wie

entrums und der Demokraten, die sich gegen die 8 Sonderumsatzsteuer für größere Betriebe 2⸗I⸗. rhebung

Abg. Dr. Hilferding (Soz.) kritisiert die letzte Rede ee in Köln. Dr. Moldenhauer 1— dort be ie Regierungskrise sei entstanden, weil die Sozialdemokrane, e. ür die Gesundung der Finanzen nicht . nehmen wollte. s Gegenteil sei richtig Gerade die Conech die Sanierung der Finanzen habe die Sozialdemokraten 1n Haltung gezwungen, da die Mehrheit damals die weinhn echöhung bei der Arbeitslosenversicherung auf den Herbst 99 schieben wollte. Dr. Moldenhauer, so erklärt der Redner 2* weiter in dieser merkwürdigen Rede das Budgetrecht des Fühe tags angegriffen und besen Beschränkung auf ein Ma ge forat das hinter dem Zustand im Kaiserreich nrnh e 8. Aeußerung, daß die Versassungsfrage eine ästhetische Frag⸗ sn hätte man eher aus dem Munde des Herrn Hitler oder des de . Hugenberg erwarten können, aber nicht aus dem Munde mn Reichsfinanzministers. (Sehr richtig! links.) Ein Ermächtigungz Peseß müsse mit Zweidrittelmehrheit v werden. 8 ozialdemokratie habe sich schon bei der Zollgesetzgebung 8 mit Faßacer d

Verantwortung

gegen den Weg der verkürzten Gesetzgebung hben ausgesprochen. Das entgegengesetzte Verfahren bedene einen e in die Rechte des Reichstags. Schalte man 8 ordentlichen eseggebun sweg aus, so schalte man damit zugle das Recht des Aspensivvesos des Reichspräsidenten aus und greife in seine Rechte ein. Diese Auffassung werde auch im Fe reich der Staatsrechtswissenschaft geteilt. Der Bamber 8 Juristentag habe sich entschieden 7 diesen Weg verkürzter ge⸗ setzgebung gewandt. Die Ausfcha tung des Reichstags sei ls ganz unmöglich, (Sehr wahr! links.) Eine allgemeine Aender aller Kapitalgesetze auf dem Verordnungswege sei nicht gangbar Eine politische Notwendigkeit, die Gesetze im Verordnungsweg durchzusetzen, sei auch gar nicht notwendig, da eine Mehrheit az Regierungsparteien und Deutschnationalen ohne weiteres gegeben sei. Die Regierung wolle den Reichstag offenbar an ein Er⸗ mächtigungsgesetz gewöhnen, ihn ausschalten und dann im Dunkal der iesschuüsse durchzusetzen, was ihr beliebt. Im wesentlichen Uandege es sich um das Gesetz über die Kapitalertragssteuer. r ei neben der Grundsteuer die einzige wirkliche Kapitalsteuer. Ne Kapitalabzug dürfe aber nur für die Neuemissionen verzinslicher Papiere beseitigt werden, sonst werde der dauernde Steuerausseall von 30 bis 35 Millionen bei dem schon jetzt zu erwartenden I⸗ fizit von etwa 700 Millionen zu groß. Neuemissionen sollten e⸗ leichtert werden; damit dieser Vorteil sofork der Wohnungswin⸗ chaft zugute komme. Die Sozialdemokraten seien grunzsabie

gner von Kapitalverwaltungsgesellschaften. Hierbei ergäben sih wichtige Fragen, deren Regelung man der Bürokratie nicht allen überlassen könne; hier müsse der Reichstag mitwirken. Auch anz Gründen der Rechtssicherheit hege die Sozialdemokratie be⸗ fassungsmäßige Bedenken. Der Staatsgerichtshof würde sich vor⸗ aussichtlich diesen Bedenken verschließen. Daher bäten die Sojial⸗ demokraten um Ablehnung dieser Vorlagen und um Auffohese an die Regierung, entsprechende Gesetzentwürfe vorzulegen, de der Reichstag dann ordnungsgemäß verabschieden könne.

Abg. Dr. Fischer⸗Köln (Dem.): Gemäß den im Steue⸗

ausschuß geltend gemachten Bedenken hat der Minister zugesag, daß er von der Ermächtigung nur bis zum 31. Dezember 1930 G. brauch machen wolle. Auch das vorige Kabinett war von ne Notwendigkeit einer solchen Maßnahme überzeugt, die die Ver⸗ solung nicht verletzt. Im allgemeinen müssen Steuergesetze in

ege der ordentlichen Gesetzgebung gemacht werden, es sei dem, daß ein Notstand vorliegt; und den erkennen wir hier an. N Steuerausschuß habe ich den Eindruck gehabt, daß im Grunde auch die Sozialdemokraten mit Steuererleichterungen für de Kapitalverkehr einverstanden sind. Das Steuermilderungsgesef ist auch mit Hilfe der Sozialdemokraten gemacht worden. Materielle Meinungsverschiedenheiten bestehen also eigentic nicht, aber der Minister hätte doch wohl besser getan, hier dar Weg der ordentlichen Gesetzgebung zu beschraitcnt und die Steuer erleichterung mit großer Mehrheit ein chließlich der Soöie⸗ demokraten beschließen zu lassen. Wir können aber der Er⸗ mächtigung zustimmen, damit die Erleichterungen nicht verzögett werden; es muß unter allen Umständen schne Fehensa werden. Ein Versehen auf Grund des Artikels 48 der Verfassung wolee wir vermieden wissen. Wer Kapital vom Ausland hereinziehen will, kann allerdings meinen, daß die Beschränkung des Steuer⸗ abzuges vom Kapitalertrag auf fest verzinsliche Wertpapiere nich empfehlenswert fer aber ich will in diesem Augenblick die Froge nucht vertiefen. Wir beantragen aber, daß den festverzinslihen Wertpapieren die Vorzugsaktien der Reichsbahn glelcgeh werden. Das Steuermilderungsgesetz läuft im August ab, de Wirtschaft kann aber auf gewisse Erleichterungen aus diesem e⸗ setz nicht verzichten; der Minister wird das bei seinen Verohd⸗ nungen auf Grund der Ermächtigung berücksichtigen müssen. di der. Grunderwerbssteuer müssen die bestehenden Härten beseitig werden. .

Inzwischen ist der formelle s ozialdemokratische

Antrag eingegangen, das Ermächtigungsgesetz für ver⸗ fassungsändernd zu erklären.

Reichsfinanzminister Dr. Moldenhauer ning hierauf das Wort. Seine Rede wird nach Eingang de

Stenogramms veröffentlicht werden. Abg. Ende (Komm.) hebt hervor, daß alle Schätzungen e Einnahftzen durch die E hebel hen über den Haufen na- seien. Gerade in der letzten Zeit seien aufsehenerre ende. s laffungen von Ministern bekannt geworden. So habe en 8 Stegerwald einen Fehlbetrag von 750 Millionen genannen Reichsfinanzminister habe ihn sogar auf eine Milliarde haie Man müsse daher fragen, welches oe äft man 9 mit 3 Verordnungen, angeb. ch zur Ankurbelung der 2 licei treibe. döpren⸗ an auf der einen Seite die kapita räfigh Kreise der Wirtschaft entlastet, geht man andererseits dazu 1 9 nach den Zoll⸗ und Steuerrau shügen der letzten Zeit 5 n noch weitere Erhöhungen der Verbrauchssteuern, Biersteuer, vorzunehmen. Die diktatorische D Besitzsteuererleichterungen ohne Anhörung des werden wir nicht mehr verhindern können. Sozialdemokratie ihre Oppositionsstellung zu diesem trifft es nicht zu, daß das g. 85 Gesfetz Wort für Wo Hermann⸗Müller⸗Regierung beschlossen u m 8

geleitet worden ist? Die at also ; gis n'g jer bringt man jetzt an

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(Fortsetzung in der Ersten Beilage.)

Verantwortl. Schriftleiter: Direktor Dr. Tyrol, Charlo

Verantwortlich für den Anze henteil: Rechnungsdirektor Mengering in Sen.xä .

Verlag der Geschäftsstelle (Mengering) Din Bese, Druck der Preußischen Druckerei⸗ und Verlags-Aktiengese Berlin, Wilhelmstraße 32. Acht Beilagen (einschließl. Börsenbeilage und drei Zentralhandelsregiste

eilagen

Plkerungspolitischem Gebiete wundern.

irtschaft, 1—

den die Finanzsanierung verspreche.

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e . Prole e aber einmal Bauernstand

r. 122. (Fortsetzung aus dem Hauptblatt.)

egen den Willen der Mehrheit die Verdoppelung der isen mögenssteuer auf dem Wege über den Ständigen Luus⸗ 1 durch. Offenbar wil Herr Moldenhauer auch die künftigen vererhöhungen auf nicht verfassungsmäßigem Seg. ermög⸗ n. In den kommenden schweren Kämpfen gegen Staat und ean hmertum wird die wirklich revolutionäre Arbeiterschaft

der Seite der Kommunistischen Partei stehen.

Abg. von Sybel (Christl. Nat. Bauern⸗ u. Landvolkp.) weist zuf din, daß jede Besitzzertrümmerung sic letzten Endes auch ünstig für die breiten Massen auswirken muß. Den Aus⸗ kungen des Abg. Hilferding über die Verfassungswidrigkeit Vorlage können wir nicht beipflichten. Unter den vielen tnründungen der Nachkriegszeit ist die der Bank für dustrie⸗Obligationen —5 die überflüssigste gewesen. Wir be⸗ hen es, daß diese Bank, deren Errichtung auf Geheiß der ner erfolgte, ver chwindet. Der andere Entwurf hat auch auf arpolitischem Gebiet Bedeutung, schwächt er doch die Reichs⸗ en, was sich wiederum auf die Landwirtschaft nachteilig aus⸗ en kann. Die bedrohliche Finanzlage ist aber schließlich zu⸗ zuführen auf die völlig verfehlte Finanz⸗ und Wirtschafts⸗ iit der letzten zehn Jahre. Zuruf des Abg. Hilferding (Soz.): inen Sie das auch in bezug auf Herrn Curtius?) Ich stehe wan, wiederholt zu erklären, daß seine frühere Finanzpolitik digend gewirkt hat. Auch die Landwirtschaft hat ein großes eresee an der Erleichterung der Kreditversorgung der Wirt⸗ t; allerdings muß dem Vordringen der öffentlichen Hand auf Kreditmarkt Einhalt geboten und eine sparsame Wirtschaft den Gemeinden usw. geführt werden. Wir hätten eine Rege⸗ g des Verkehrs mit landwirtschaftlichen Grundstücken begrüßt. n die Gründung und Festigung der bäuerlichen Existenzen h überspannte steuerliche Anforderungen verhindert wird, man sich auch nicht über die ungünstige Entwicklung anf

b t 1 ir erwarten, da Kegierung schon in allernächster Zeit, möglichst noch vor den merferien, die Fragen der Grun erwerbssteuer und der mit Besitzwechsel zusammenhängenden Steuerarten einer ung entgegenführt.

Abg. Dr. Pfleger (Bayr. Vp.): Es ist erfreulich, daß der nister den Bericht der Kölnischen Zeitung über seine Rede in als unrichtig zurückgewiesen hat. Die Stärke einer Reg ie⸗ gbesteht nicht darin, daß sie auf die eventuelle Notwendigkeit vordentlicher Maßnahmen nach Art. 48 hinweist, sondern n, daß sie eine Politik treibt, die diese außerordentlichen Maß⸗ nen nicht notwendig macht. Der Steuerausschuß hat die Ver⸗ sungen auf Grund des Ermächtigungsgesetzes nachzuprüfen, in den Ausschüssen des Reichstags kommt die Meinung des hstags zum Ausdruck. Bei jeder Steuer sollte nachgeprüft en, ob aus Gründen der Volkswirtschaft sowohl wie aus iden des Steuerertrags die Steuersätze nicht schon über das üglihe Maß hinausgehen. Daß endlich der Gesetzentwurf die Liguidation der Bank für Industrie⸗Obligationen vor⸗ t ist, ist erfreulich. Wir lehnen den Antrag der Sozial⸗ biraten, das Ermächtigungsgesetz für verfassungsändernd zu iren, ab. Bezüglich der anderen Anträge beantragen wir rweisung an den Steuerausschuß. Zur Beruhigung des llichen Lebens und zur Gemeinsamkeit in der Erledigung der erfragen würde es beitragen, wenn Anträge erst nach Be⸗ en mit den Parteien und der Regierung gestellt würden. Parenhaussteuer scheint uns nicht so drückend zu sein, daß v kurze Zeit nach dem Beschluß des Reichstages schon wieder ehoben werden müßte. Fenscfft müßten solche Anträge im

schuß behandelt werden. ir werden dort die Anträge auf

„Rückwirkung auf die Wirtschaft leidenschaftslos prüfen.

Präsident Löbe teilt mit, daß die Wirtschafts⸗ tei zu den Anträgen, betr. die erhöhte Umsatz⸗ er, einen Ergänzungsantrag eingebracht hat, wonach die allgemeine Erhöhung der Umsatzsteuer und die eralwassersteuer wieder vacsgeheben werden sollen.

Abg. Dr. Hertz (Soz.): Es ist kaum denkbar, daß der Minister Köln so mißverstanden sein sollte, nachdem er seine Kölner führungen in einer zweiten Rede bestätigt hat und sich klar zudrücken pflegt. Es ist auffallend, daß der Minister die Füh⸗ gfür sich in Anspruch nimmt, nachdem er sich in der Umsatz⸗ erfrage hat führen lassen und in das Schlepptau von unsach⸗ n Interessen einer kleinen . eraten ist. Wir haben die ugtuung, feststellen zu können, daß sich die Sonderumsatzsteuer die großen und kleinen Betriebe als schädlich erwiesen hat. beantragen daher die Aufhebung der Sonderumsatzsteuer mit kwirkung vom 1. April. Der demokratische Antrag, der iger weit geht als der unserige, würde eventuell unsere erstützung finden. Zu einer Beratung der Anträge im nerausschuß sehen wir keine Veranlassung und würden nur n dafür sein, wenn der Ausschuß schon übermorgen Bericht atten könnte. Bei der Benzinsteuer und dem Benzinzoll ist Nachverzollung und Nachversteuerun vorgesehen worden; sie aber unterblieben, und die Vorein uhr geschickter Händler hat Reichskasse einen Verlust von 20 bis 25 Millionen gebracht.

Abg. Dr. Reinhold (Dem.) befürwortet den Antrag er Partei, daß bis zur Reform der Umsatzsteuer die Er⸗ zung der Conber. zunächst ausgesetzt werden soll. Bedenken, die seine Partei theoretlsch gegen diese Steuer aus⸗ brochen habe, hätten sich inzwischen als berechtigt erwiesen. se mit einer Beratung im Aus chuß einverstanden. Bedenk⸗ sei es, wie der Finanzminister im Lande herumreise und in Es sei doch auffallend, daß n einen Monat nach den letzten Steuergesetzen von einem e Defizit von 700 Millionen gesprochen werden müsse.

Abg. Colosser (Wirt ) begrü⸗ ; ; 8 i V P.) begrüßt die Erleichterung der innlertragssteuer und 0 runderwerbssteuer. Ueber die ige zur Umsatzsteuer hätte man sich vorher um einer Ver⸗ sthung bemühen sollen. Im gesamten Mittelstand sei der 0f 88 die Warenhäuser mit Freude begrüßt worden, weil ache ozialen Gedanken des Schutzes der wirtschaftlich 98 vFir Betriebe Rechnung getragen habe. In der Nach⸗ gsjeit sei der Mittelstand nur ungerecht behandelt und be⸗ hmu orhen durch Wucher⸗ und Ausnahmegesetze, durch nnale Stenerbelastung ufw. Beim Zündholzmonopol habe gerblic Konsumvereinen Millionengeschenke gemacht, aber die Mechen Genossenschaften beiseite geschoben. So sehe die in bteetich „Gerechtigkeit“ aus. „Und willst Du nicht

rnher sein, schlag ich Dir den Schädel ein!⸗ Danach be⸗ thoden ie Sozialdemokratie den Mittelstand. Mit solchen gesch richte man aber nichts aus. Der Mittelstand habe bis⸗ sse hlafen, aber er sei auch eine Macht, mit der man rechnen dn et Zwischenrufe links.) Das Wort „reaktionär“ sei doch abgebraucht. In Thüringen werde jetzt das Ge⸗ genüge düuch die Staatsbank boykottiert. Das Großkapital AUugend vertreten und führe eine Sprache gegen die Regie⸗ Üe und Gewerbestand die gen das Kapital ausgäben, dann würde man ja sehen,

mn Deutschen Reichsa

rste Beilage

Berlin, Dienstag, den 27. Mai

wohin das Kapital kommen würde. Die Mineralr t

Eün gnsclche . n Auch diese Lhwasgerstenfe 1 als nachgeprüft werden, ie di

meine Ümfatzsteuererhoheng. X“

Abg. Dr. Wienbeck (D.

. Nat. bei der Beratung at.) bemerkt, daß das Zentrum

der Steuergesetze im April für die Sonder⸗ umsatzsteuer gewesen und das des nbas Schlack dagegen 2g habe. Jetzt schienen sich die Herren wieder näher⸗ 5 ommen zu sein. Nun komme auf einmal die Demokratische

artei und sage: heben wir doch lieber die ganze Steuer auf; unsere Warenhäuser haben auch eine Unterstützung nötig. (Heiterkeit.) Der Mittelstand sehe das mit Grauen. Nun komme als das Wunder plötzlich der Antrag der Wirtschaftspartei, der

sogar die Mineralwassersteuer aufheben will. Warum habe sie enn 28 Steuer zuerst angenommen? Eine gründliche und vor⸗

sichtige inanzgesebgebung hätte die Abwälzung dieser Steuer voraussehen und verhindern müssen. Das Beste sei wohl die Ueberweisung an den Ausschuß. Das Volk verlange eine Klärung.

Abg. Drewitz (Wirtsch. P.) tritt den Ausführungen des Vorredners über die Haltung der din ven. Anafüh Das Defizit sei im Jahre 1927 entstanden. Die Wirtschaftspartei habe keine reine Warenhaussteuer, sondern nur eine Veredelung der Umsatzsteuer für bestimmte Unternehmen beantragt. (Heiter⸗ keit.) Wenn der deutschnationale Antrag durchgegangen wäre, dann wären auch die kleinen Geschäfte, die mehr als vier Waren⸗ be führen, von der Steuer betroffen worden. Man hätte eine Abwälzung der Steuern verhindern müssen.

Damit ist die Aussprache beendet.

Bei der Abstimmung wird der sozialdemokratisch ntrag auf Ablehnung des Gesetzentwurfs und auf Vorlegung be⸗ sonderer Besegentnügt für die Ermäßigung der betreffenden Steuern durch Auszählung mit 174 gegen 156 Stimmen ab⸗

elehnt. Der weitere soziowemokvatische Antrag, daß die Be⸗ seit ung der Kapitalertragssteuer auf Neuemissionen be⸗ 5 wird, wird abgelehnt. Angenommen wird dagegen er demokratische Antrag, wonach die Reichsbahnvorzugs⸗ aktien den festverzinslichen Wertpapieren gleichgestellt werden sollen. Im übrigen wird das Ermächtigungsgesetz in der Ausschußfaffung angenommen. Ein weiterer ozialdemokratischer Antrag, das Gesetz für verfassungs⸗ ändernd zu erklären, wird ebenfalls abgelehnt. Angenommen wird auch der vs v. über die Liquidierung der Bank für Industrieobligationen. Die beiden Vorlagen werden sodann auch in dritter Beratung an⸗ genommen.

Die Anträge über Umsatzsteuer und Mineral⸗ wassersteuer werden dem Steuerausschuß überwiesen.

Das Haus vertagt sich hierauf auf Dienstag 3 Uhr: Reichswirtschaftsministerium Abstimmungen zum Post⸗ haushalt. 1“ E1““

Preußischer Staatsrat. Sitzung vom 26. Mai 1930. (Bericht d. Nachrichtenbüros d. Vereins deutscher Zeitungsverleger.)

Der Staatsrat trat heute zu einem au drei Tage berechneten Sitzungsabschnitt ü Dem Vertrage zwischen dem F. en Reich und der Tschechoslowakei über Grenzwasserläufe und Gebiets⸗ austausch an der Grenze wurde zugestimmt.

Das stellvertretende Mitglied, Sprenger (Nat. Soz.), der um ersten Male der Sitzung des Staatsrates beiwohnte, hielt Ujerbe eine Rede, in der er unter Zurufen und Lachen von links

erwahrung dagegen einlegte, daß Deutschland 49 in Verhand⸗ lungen einlasse, bei denen es doch nicht, wie s. Zt. in Versailles, als gleichberechtigter Gegner behandelt werde.

Ohne weitere Aussprache wurde der Vorlage zu⸗ gestimmt, ebenso der weiteren Vorlage zur Anderung des Gerichtsgemeinschaftsvertrages mit Lippe, durch die insbesondere neue Bestimmungen über Verwaltungsgebühren, Stempel und sonstige Kosten sowie über eine Neuregelung der Ausgaben des Oberlandesgerichts in Celle G“ sind und die sogen. Lippstädter Lente neu geregelt i

Am Dienstagnachmittag will der Staatsrat eine Reihe weiterer Vorlagen erledigen.

Parlamentarische Nachrichten.

Der Rechtsausschuß des Reichstages beschäftigte sich am 27. d. M. mit den Amnestieanträgen verschiedener Par⸗ teien. Die Deutschnationalen hatten schon im Juni einen Antrag eingebracht, der die Amnestie vom 14. Juli 1928 auch auf alle politischen Straftaten ausdehnen wollte, die damals von der Amnestie ausgeschlossen worden waren. Anhängige Ver⸗ ahren sollten eingestellt, neue nicht eingeleitet werden, sofern die trafbare Handlung vor dem 1. Januar 1928 begangen ist. Im Strafregister sollten die erlassenen oder verbüßten Strafen von Amts wegen getilgt werden. Bei Freispruch in den bisherigen Instanzen sollten den Angelchukdigter ihre baren Auslagen ersetzt werden. Im März dieses ahres hatten die Deutschnationalen diesen Antrag wiederholt und noch g9. einige Bestimmungen ergänzt. Die Christlich⸗Nationalen hatten im Februar beantragt, aus Anlaß der vollständigen Räumung des besetzten Gebiets für alle Straftaten Amnestie zu gewähren, die in den bisherigen Amnestiegesetzen ausgenommen waren. Die Christlich⸗ Nationalen wollen Ausnahmen nur noch machen bei Straftaten, die auf Roheit, Eigennutz oder sonstigen nicht politischen Beweg⸗ gründen beruhen. Sie verlangten auch Verhandlungen mit den Ländern über den Erlaß gleichartiger Aenns stiesesece. Die Kommunisten hatten im Oktober schon Straffreiheit für alle politischen Verbrechen beantragt, die bis zum Inkrafttreten dieses Antrags begangen und noch nicht verbüßt sind, einschließ⸗ lich der Straftaten, die im Peenen he mit politischen oder wirtschaftlichen Kämpfen stehen. Die Kommunisten wollten jedoch die sogenannten Fememorde nicht amnestieren. Die Re⸗ gierungsparteien hatten im Mai einen Kompromiß⸗ antrag eingebracht, der die Amnestie vom Juli 1928 ausdehnen will auf alle politischen rbrechen, also auch die Feme⸗

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nzeiger und Preußischen Staat

morde, die vor dem 1. September 1924 begangen worden sind und sich nicht gerade gegen ein Mit⸗ glied oder früheres Mitglied der Reichsregierung gerichtet haben. Bei der Beratung dieser Anträge im Ausschuß hob Reichs⸗ justizminister Dr. Bredt die großen Bedenken hervor, gegen die vielen Amnestierungen der letzten Jahre eltend zu machen seien. Es würden dadurch in weiten Kreise

völlig falsche Anschauungen über unsere Rechtspflege geweck

Bei den Tötungen von 1924 handele es sich aber um gan be⸗ Umstände, die eine Amnestierung aus Anlaß der R ein⸗ andräumung tragbar erscheinen ließen. Taten, wie die so⸗ genannten Fememorde, hen nur zu verstehen aus der Mer

talität einer Zeit, die —— niemals wiederkehren würde. Schließlich wurde der Kompromißantrag der Regierungsparteien mit 16 gegen 11 Stimmen der Sozialdemokraten und Kommu

nisten bei Stimmenthaltung des Abg. Emminger (Bayr. Vp.

angenommen. Die übrigen Anträge wurden abgelehnt.

Der 2—2ö— des Reichstags 2p sich am 26. d. M. erneut mit dem von sozialdemokratischer, demokratischer und volksparteilicher Seite - Antrag, der vorsieht, daß die Entwürfe des Allgemeinen Strafgesetz⸗ buches und des Strafvollzugsgesetzes für den Fall einer 622 in die neue Wahlperiode 26 werden, und daß ferner die für das neue Strafgesetzbuch bereits beschloffenen Vorschriften über das Eintreten mildernder Umstände bei allen Delikten schon mit dem Inkrafttreten des vorliegenden Ueberleitungsgesetzes im geltenden Recht zur Anwendung kommen sollen. Abg. Dr. Emminger (Bayer. Vp.) lehnte den Antrag ab. In der Begründung hierfür führte er dem Nachrichtenbüro des Vereins deutscher Zeitungsverleger zufolge aus, daß er hoffe, daß es dem gegenwärtigen Reichstag gelinge, im Winter das Strafgesetzbuch fertigzu tellen; er halte daher ein neues Ueber⸗ leitun sgesetz zur Zeit für nicht nötig. Das letzte Ueberleitungs gesetz habe gezeigt, daß fast gar keine Zeit gewonnen worden . wohl aber werde einer neuen Regierung und einem neuen Reichs⸗ tag in unerträglicher und undemokratischer Form vorgegriffer Wolle der neue Reichstag eine Fortsetzung der Arbeiten 4 könn. er mit mehr Recht bensh ben verfas Beschlu fasse den man dem jetzigen Reichstag zumute. Was die Herausnahme des Kapitels der mildernden Umstände betreffe, so seien die ein im neuen Gesetz eingeschlossenes Ganzes, das sich ohne Wider⸗ serüch⸗ auf das alte Gesetz aufpfropfen lasse. Zudem hätten die ehr Milderungen gegen Gelegenheitstäter ihr Gegen- gewicht in der Verschärfung der Bestimmungen gegen Berufs⸗- verbrecher, die im Ueberleitungsgesetz fehlten. Würde der En wurf im Winter vom Plenum endgültig beschlossen, so hätte die Regierung bereits mit einmütiger e“ des ““ ein Anpassungsgesetz vorgesehen. Denn das neue Gesetz könnte natürlich erst nach Jahren mit dem Einführungs⸗ ese und dem Stra vollzugsgesetz in Kraft treten.

22 eem aber dieses exhesmn. im Winter sowieso einen Teil der Milderungen in der richtigen Form bringe, wäre es verfehlt, sie jetzt in einer Novelle in einer sehr umstrittenen Form 9 bringen, um dann in einem halben Jahre wieder mit einer

ovelle zu kommen. Er bitte daher jetzt um Ablehnung des Gesetz⸗ entwurfs. Abg. Hansmann (D. Nat.) schloß sich im wesentlichen diesem Standpunkt an, ebenso Abg. Dr. Schetter (Zentr.) für die Ablehnung der Vorschriften über die mildernden Umstände, während er die ausschließliche Ueberleitung des Strafgesetzbuch⸗ entwurfs für zweckmäßig hielt. Vors. Abg. Dr. Kahl (D. Vp.) machte demgegenüber darauf aufmerksam, daß nach dem Willen des Ausschusses nur über den Antrag als Ganzes abgestimmt werden soll. Die Kommunisten lehnten den Antrag ebenfalls ab. Abg. Dr. Landsberg (Soz.) hielt es für unerträglich, daß die Vorschriften über die mildernden Umstände, die man als die wesentlichsten Verbesserungen im neuen Strafrecht ansehen könne und die im Ausschuß einstimmig beschlossen worden seien, während der gan en Jahre, die bis zum Inkrafttreten des neuen Straf⸗ gesetzbuches noch vorgesehen werden, nicht zur Anwendung kommen könnten. Abg. Ehlermann (Dem.) wies zur Ergänzung noch darauf hin, der vorliegende Antrag den neuen Reichstag in keiner Weise binde, sondern ihm nur die Möglichkeit biete, seine Arbeiten zu beschleunigen und die erneuten Beratungen im Kabinett, Reichsrat und Reichstag nicht notwendig mache. Der Antrag wurde mit 15 gegen 13 Stimmen abgelehnt.

Nr. 21 des Reichs⸗Gesundheitsblatts vom 21. Mai 1930 hat folgenden Inhalt: A. Amtlicher Teil I. Fort⸗ laufende Meldungen über die gemeingefährlichen Krankheiten im In⸗ und Auslande. Zeitweilige Meeenn gegen gemeingefährliche Krankheiten. Gesetzgebung usw. (Deutsches Reich.) Einfuhr von Gerste aus den Vereinigten Staaten von Amerika. (Preußen.) Zulassung von Zahnärzten und Zahntechnikern bei den Krankenkassen. Herstellung und Vertrieb von Impfstoffen. (Liegnitz, Oppeln, Magdeburg, Merseburg, Erfurt, Kassel, Koblenz, eldorf, Trier, Aachen.) Untersuchung von Klauenvieh nach Eisenbahn⸗ oder Schiffs⸗ transporten. (Berlin.) Verkehr mit Wild. (Stralsund.) Be⸗ täubung des Schlachtviehs. (9e81an Uebertragbare Krankheiten. (Bayern.) Ueberwachung des Schafverkehrs. Wutschutz⸗ behandlung. (Sachsen.) Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten in den Schulen. (Württemberg). Ersatz⸗ und Zusatzstoffe bei der Bierbereitung. (Baden.) Durchfuhr lebender Tiere. Be⸗ kämpfung der Bienenseuchen. (Braunschweig.) Handel mit Giften. (Saargebiet.) Lebensmittelverordnung. (Däne⸗ mark.) Einfuhr von Papageien. (Niederlande.) Ein⸗ und Durchfuhr von Papageien usw. (Norwegen.) Qualitäts⸗ kontrolle für landwirtschaftliche Erzeugnisse. Herstellung usw. von Medizinaltran. Ausfuhr von Butter, Käse und Molkenkäse. Herstellung usw. von Isopropylalkohol. (Oesterreich.) Weinbau⸗ förderungsgesetz. (Spanien.) Handel und Verkehr mit Oliven⸗ tresteröl. (Australischer Bund.) Einfuhrverbote und g2 für Tiere. Tierseuchen im Auslande. (Niederlande.) Tierseuchen 1927/28. Verhandlungen von gesetzgebenden Körperschaften, Vereinen, Kongressen usw. (Deutsches Reich.) Deutsche Gesellschaft für Gewerbe⸗ hovgiene. Kommunal⸗, Schul⸗ und Fürsorgeärzte. Vermischtes. (Deutsches Reich.) Schweinezwischenzählung 1. 3. 1930. Kreuzotter⸗ merkblattankündigung. B. Nichramtlicher Teil. Ab⸗ handlungen: Kerp, Grundsätzliches über die Ausführungsbestimmungen zum neuen Lebensmittelgesetz. C. Amtlicher Te Wochentabelle über Ebeschließungen, Geburten und Sterbefälle in den deutschen Großstädten mit 100 000 und mehr Einwohnern. Geburts⸗ und Sterblichkeitsverhältnisse in einigen größeren Städten des Auslandes. Erkrankungen und Sterbefälle an übertragbaren Krankheiten in deutschen Ländern. Grundwasserstand und Boden⸗ wärme in Berlin, Februar 1930. Witterung. Statistische Sonderbeilage. Monatsbericht über die natürliche Bewegung der Bevölkerung in deutschen und ausländischen Gemeinden im Fe⸗ bruar 1930. .“