Reichs⸗ und Staatsanzeiger Nr. 148 vom 28.
Juni 1930. S. 2.
möchte meinen Dank für die weitgehende Unterstützung aus⸗ sprechen; die mir aus dem Hause zuteil geworden ift, auch für die vielfachen Anregungen, die mir aus der Mitte gegeben worden sind.
Dem Herrn Abgeordneten von Freytagh⸗Loringhoven gegen⸗ über, der, wenn ich mich so ausdrücken darf, sich gestern über⸗ raschend schnell vom Quästor des Auswärtigen Amts zum Zensor⸗ aufgeschwungen hat (Zurufe von den Deutschnationalen), darf ich vielleicht auf seine Feststellungen noch einiges erwidern. Ich würde mich heute nicht mehr mit ihm beschäftigen, weil — haupt⸗ sächlich in seiner Abwesenheit — einige Redner aus der Mitte sehr eingehend zu seinen Ausführungen in grundsätzlicher Be⸗ ziehung Stellung genommen haben, wenn der Herr Abgeordnete von Freytagh⸗Loringhoven nicht gestern die Vergleiche, die er anzustellen beliebt, benutzt hat, um zum Schluß dem Auswärtigen Amt Irreführung vorzuwerfen, — — (Abgeordneter Dr. Freiherr von Freytagh⸗Loringhoven: Nein! Bitte, sehen Sie mein Steno⸗ gramm nach! Das Wort „Irreführung“ kommt darin nicht vor!) — Das mag sein, aber der Eindruck, der im ganzen Hause ob⸗ waltete, war der, daß Sie dem Amt Irreführung vorwerfen. (Widerspruch bei den Deutschnationalen.)
Ich habe meinen Beamten gegenüber die Pflicht, einiges richtigzustellen.
Ich möchte zunächst zwei Ziffern herausgreifen, die er seiner⸗ zeit im Hauptausschuß für die Kosten der deutschen Missionen gegenüber den englischen genannt hat.
Er hat zum Beispiel für Buenos Aires und Rio de Janeiro einen Vergleich gezogen und für die eng⸗ lische Botschaft in Buenos Aires 314 000, für die deutsche Gesandtschaft dort 568 000 RM angegeben. Das wäre ja in der Tat sehr auffallend. Aber Sie vergessen nur, Herr Ab⸗ geordneter von Freiytagh, daß unsere Gesandtschaft die Konsulatsgeschäfte mit erledigt (Abgeordneter Dr. Freiherr von Freytagh⸗Loringhoven: Das habe ich berücksichtigt!), während die Engländer ein besonderes Generalkonsulat haben, welches Sie mit 7621 Pfund Sterling, also 152 000 RM zu jenen 314 000 RM hinzufügen müssen. Sie müssen ferner noch die auf den Etat des Departements of commerce stehende englische Handelsvertretung mit einrechnen.
In Rio de Janeiro liegen die Dinge ähnlich. Sie haben als Vergleichsziffer für England 252 000 ℳ, für Deutschland 454 000 ℳ genannt. Hier müssen Sie zu den Ausgaben für England die Ausgaben für das englische Generalkonsulat in Rio de Janeiro hinzunehmen. (Zuruf des Abgeordneten Dr. Frei⸗ herr von Freytagh⸗Loringhoven.) Dann werden sich 324 000 ℳ ergeben. (Abgeordneter Dr. Freiherr von Freytagh⸗Loringhoven: Die Konsulatskosten habe ich gestern nachgetvagen!) — Sie haben aber nicht die Handelsabteilung der Botschaft mit 8 Köpfen ein⸗ bezogen, die ebenfalls 135 000 ℳ kostet. Wenn Sie diese Zahlen zusammenrechnen, ergibt sich, daß nicht die deutsche, sondern die englische Vertretung die höheren Kosten hat. (Abgeordneter Dr. Freiherr von Freytagh⸗Loringhoven: Wieviel2) — Ich überlasse Ihnen die Zusammenrechnung. (Zuruf von den Nationalsozialisten.) Aus demselben Kapitel der Besetzung der Missionen noch einige weitere Spezialfragen, weil sich aus solchen Beispielen klar erkennen läßt, was wichtig ist oder wo nur theoretisch verwendbares Material benutzt wird, das der Praxis nicht enspricht. Ich komme auf den Vergleich zurück, der immer wieder zwischen unserer Mission in Paris und der englischen Mission dort gezogen wird. Das Gesamtpersonal, das Deutschland in Paris hält, beziffert sich auf 52 Köpfe, das Gesamtpersonal Englands auf 54. Ich stelle fest, daß es sich um amtliche Er⸗ mittlungen aus der Gegenwart handelt, daß demgegenüber der englische Etat oder etwa der Gotha nicht ins Gewicht fallen kann. Die Differenzen, die vielleicht vorhanden sind, werden sich wohl unschwer dadurch erklären, daß wohl in der englischen Botschaft ähnlich wie bei uns Kommissare beschäftigt werden, die im eng⸗ lischen Etat oder im Gotha noch nicht figurieren. Jedenfalls glaube ich, mich auf meine amtlichen Ermittlungen verlassen und feststellen zu können, daß insgesamt auf deutscher Seite 52, auf englischer Seite 54 Köpfe sind. Aber das ist nicht das Wesent⸗ liche, sondern das Wesentliche ist, daß der Herr Abgeordnete von Freytagh⸗Loringhoven zunächst im Haushaltsausschuß, später in einem Artikel im „Tag“, der erhebliches Aufsehen ver⸗ ursachte, ausgeführt hat, es bleibe also dabei, daß wir an diplo⸗ matischem Vollpersonal zehn, England sechs Köpfe habe. Ich stelle nunmehr fest, daß die letztere Zahl nicht richtig ist, daß England zwölf Köpfe an diplomatischem Vollpersonal hat und wir zehn. (Abgeordneter Dr. Freiherr von Freytagh⸗Loring⸗ hoven: Sie geben in Ihrer Tabelle acht an!) — Nein, Sie müssen die Generalkonsuln und die Vizekonsuln mitrechnen. (Ab⸗ geordneter Dr. Freiherr von Freytagh⸗Loringhoven: Das ist kein diplomatisches Personal!) — Natürlich müssen die Konsuln als diplomatisches Personal gerechnet werden, sonst ist überhaupt ein Vergleich unmöglich.
Sie haben nun gestern gegenüber diesen Feststellungen, daß wir ein Personal von zehn diplomatisch beschäftigten Beamten dort haben, selbstverständlich einschließlich des Konsuls erster Klasse und des Legationsrats, darauf hingewiesen, daß auf⸗ fallenderweise außerdem noch drei Gesandtschaftsräte und ein Presseattachs in Paris wären. Herr von Freytagh⸗Loringhoven, es sind nicht außerdem drei Gesandtschaftsräte da. Diese drei Gesandtschaftsräte stecken in dem Personal von zehn Köpfen darin. (Zurufe bei den Nationalsozialisten.) Das hängt ganz einfach damit zusammen, daß der Legationsrat und der erste Legationssekretär in Paris den Amtstitel Gesandtschaftsrat führen, und daß der Konsul 1. Klasse, der in Lille zuständig ist, aber in Paris beschäftigt wird, seine frühere Dienstbezeichnung in Paris als Gesandtschaftsrat beibehalten hat. (Abgeordneter Dr. Freiherr von Freytagh⸗Loringhoven: Der Regierungs⸗ vertreter im Ausschuß sprach von fünf!) — Ich nehme an, daß Sie nach dieser Aufklärung sich damit abfinden, daß wir nicht neben zehn diplomatischen Kräften noch drei Gesandtschaftsräte haben. (Abgeordneter Dr. Freiherr von Freytagh⸗Loringhoven: Nein, das werde ich nicht!) — Ich bedauere, wenn Sie das bestreiten, denn meine Feststellungen beruhen auf amtlichem Material. (Abgeord⸗ neter Dr. Freiherr von Freytagh⸗Loringhoven: Ich werde nach⸗
2 2 2 2 2. her darauf eingehen!) — Sie können sich ja jederzeit in Paris einmal erkundigen, wie die Dinge liegen.
Im übrigen ist das, was zu der Frage der Besetzung der deutschen Misftonen noch zus sagen ist, vorhin vom Herrn Abge⸗ ordneten Dr. Hoetzsch bereits gesagt worden. Ich glaube, daß ich mich in jedem Punkte auf seine Sachkenntnis beziehen kann. Er glaubte an der Hand der Kenntnis von 35 Missionen, wenn ich ihn recht verstanden habe, feststellen zu können, daß im großen und ganzen nicht davon die Rede sein könne, daß unsere Missionen überbesetzt wären.
Der Herr Abgeordnete von Freytagh⸗Loringhoven hat nun gestern auch noch eine Beschwerde über besonders starke Besetzung deutscher Delegationen vorgebracht. Diese Ausführungen waren ganz besonders auffallend, weil sie nicht auf praktischer Erfassung beruhen können. — — (Abgeordneter Dr. Freiherr von-Freytagh⸗ Loringhoven: Ach, Herr Minister, wenn Sie unliebenswürdig sein wollen, so kann ich den Ton auch anschlagen.) — Bitte, das haben Sie gestern schon getan. (Zuruf des Abgeordneten Dr. Frei⸗ herr von Freytagh⸗Loringhoven.) Sie haben keine Rücksicht genommen auf die nun einmal bei uns bestehende besondere Struktur unserer gesamten Reichsorganisation. Wir sind bei den meisten Wirtschaftsdelegationen nach Herkommen und nach Ver⸗ einbarung verpflichtet, auch Ländervertreter mit hinzuzuziehen. Wir haben ferner mit Rücksicht auf die Aufgaben, die gerade wir auf dem Wirtschaftsgebiete auszuführen haben, ganz regelmäßig notwendig, nicht nur etwa Vertreter des Auswärtigen Amts zu delegieren, sondern auch des Wirtschaftsministeriums, des Finanzministeriums und des Ernährungsministeriums. Dadurch erklärt sich schon im allgemeinen eine starke Besetzung dieser Missionen. Es ist aber wirklich, verzeihen Sie, weltfremd, anzunehmen, daß es möglich sein würde, durch unsere Missionen solche spezielle Wirtschaftsverträge zu schließen bzw. die Verhand⸗ lungen zu führen. Wir haben eben nötig, besondere Kom⸗ missionen an die betreffenden Stellen zu entsenden, und selbst⸗ verständlich sind nun auch von diesen Kommissionen die Ver⸗ träge unterzeichnet worden, so daß Sie sich nicht wundern dürfen, wenn die Unterschriften unter diesen Verträgen von den besonderen wirtschaftlichen Delegierten herrühren und nicht etwa von der Diplomatie. (Abgeordneter Dr. Freiherr von Freytagh⸗ Loringhoven: Deshalb sind ja die Gesandtschaften so stark besetzt worden, damit sie angeblich die wirtschaftlichen Interessen ver⸗ treten!) — Nein, diese Verhandlungen haben gar nichts mit der Besetzung der Botschaften zu tun. —
Insbesondere habe ich mich über die beiden Beispiele gewundert, die der Herr Abgeordnete Freiherr von Freytagh⸗ Loringhoven angeführt hat, den Abschluß des Weltfunkvertrages und den Abschluß des internationalen Ausstellungsvertrages in Paris. Der Abschluß dieses Weltfunkvertrages erforderte eine Delegation, die in erster Linie vom Reichspostministerium und Reichsverkehrsministerium besetzt war, und man wird der Mission in Washington wirklich nicht zutrauen dürfen, daß sie in diesen Spezialfragen genügend unterrichtet war.
Was den internationalen Ausstellungsvertrag in Paris anlangt, so habe ich selbst im Reichswirtschaftsministerium noch die Gelegenheit gehabt, die Kommission zusammenzustellen. Wir haben einen Reichskommissar für das Ausstellungs⸗ und Messe⸗ wesen im Reichswirtschaftsministerium, und es war ganz selbst⸗ verständlich, daß dieser der Delegationsführer wurde. Ferner wird vom Ausstellungs⸗ und Messeamt des Reichsverbandes der deutschen Industrie in Verbindung mit der deutschen Regierung ganz regelmäßig das Problem der Ausstellungen und Messen, insbesondere nach der internationalen Seite, gepflegt. Es mußte also auch ein Vertreter des Reichsverbandes der deutschen Indu⸗ strie hinzugezogen werden. Schließlich waren, soweit das Aus⸗ wärtige Amt in Frage kam, die Verhandlungen so speziell, daß sie unmöglich von der Pariser Mission erledigt werden konnten. Deshalb haben wir der Delegation einen Beamten des Aus⸗ wärtigen Amtes selbst mitgegeben. Im übrigen ist dieses Beispiel auch deshalb besonders unglücklich gewählt, weil die deutsche Delegation bei dieser Konferenz die kleinste von den größeren Staaten gewesen ist.
Der Herr Abgeordnete von Freytagh⸗Loringhoven hat sich schließlich auch darüber gewundert, daß wir den Handelsvertrag mit der Südafrikanischen Union nicht hier in Berlin oder in London abgeschlossen hätten. Ich glaube, ich brauche auch ihm gegenüber nicht die Gründe anzugeben, aus denen es mir unmög⸗ lich erschienen wäre, den Handelsvertrag mit der Südafrikanischen Union etwa durch die großbritannische Mission in Berlin ver⸗ handeln zu lassen. Aus den gleichen Gründen erschien es der deutschen Regierung höchst unzweckmäßig, diese Frage etwa in London zu verhandeln. Es hat sich sehr gelohnt, daß wir eine Delegation nach Pretoria geschickt haben, die dort einen ganz ausgezeichneten Vertrag mit der Südafrikanischen Union ver⸗ handelt und abgeschickt hat.
Der Abgeordnete von Freytagh⸗Loringhoven hat ein Zitat von mir aus dem Haushaltausschuß, das etwa den Inhalt hatte, wir könnten uns freuen, ein so brauchbares Instrument wie unsere gesamten Missionen für die Führung unserer Außen⸗ politik zu besitzen, wiederholt benutzt, um zu behaupten, daß dieses Instrument in einer ganzen Reihe von Fällen versagt hätte.
Er hat z. B. die Behandlung des Neuhöfener Zwischenfalles auch hierfür herangezogen. Er hat sich auf den Standpunkt gestellt, das Auswärtige Amt habe versagt, und zum Beweis dafür die Deutsche Zeitung in Mexiko angeführt, die ausschließ⸗ lich auf eine Meldung der Agence Havas angewiesen gewesen sei. Ich möchte feststellen, daß an dem Tage, an dem im Auswärtigen Amt die Nachrichten über den Neuhöfener Zwischenfall einliefen und am Nachmittag der polnische Gesandte erschien, das Aus⸗ wärtige Amt nicht nur den Protest zurückgewiesen hat, sondern noch an demselben Abend eine W. T. B.⸗Meldung herausgegeben hat. (Abgeordneter Dr. Freiherr von Freytagh⸗Loringhoven: Nur ganz kurz!) — Nein, eine ganz ausführliche Meldung mit der Schilderung des Sachverhalts und vor allen Dingen mit der Zurückweisung des polnischen Protestes. Wenn nun die Deutsche Zeitung in Mexiko die Nachricht der Agence Havas und nicht die
deutsche Meldung abgedruckt hat, so liegt das zu meinem Bedauern
daran, daß die Deutsche Zeitung in Mexiko anscheinend auf die Agence Havas oder die entsprechende französische Einrichtung
abonniert ist, aber leider nicht auf die Agentur Duems, durch die sie sich ohne weiteres die deutsche Meldung hätten verschaffen können.
Meine Damen und Herren! Ein anderer Fall, der gestern hier im Hause eine gewisse Sensation erregt hat, ist von dem Herrn Abgeordneten von Freytagh⸗Loringhoven mitgeteil worden. Er hat ihn als Beispiel für die Unbrauchbarkeit des deutschen auswärtigen Dienstes als Instrument der Regierun benutzen wollen. Es handelt sich um den Fall Kümpel. Der Herr Abgeordnete hat erklärt, daß vom Auswärtigen Amt selbst als berechtigt anerkannte Schadensersatzansprüche noch nicht in Laufe von 10 Jahren gegenüber der Regierung von Costa Ricg hätten durchgesetzt werden können. Nebenbei bemerkt habe 8 mich ganz außerordentlich über seine allgemeinen Darlegungen in diesem Zusammenhang gewundert. Er hat durchblicken lassen daß es zwar verständlich wäre, wenn die deutsche Regierung außerstande wäre, sich gegenüber Großmächten durchzusetzen, aber anscheinend geglaubt, daß sie um so kräftiger, um so brutaler gegenüber den kleinen Mächten auftreten könne. (Widerspruch des Abgeordneten Dr. Freiherr von Freytagh⸗Loringhoven.) Auch diesen Fall hat der Herr Abgeordnete von Freytagh⸗Loringhoven in irreführender Weise dargestellt. Die Vertreter des auswärtigen Dienstes sind keineswegs seit 10 Jahren mit der Durchsetung dieses Anspruches beschäftigt. Sie konnten es gar nicht sein, da erst Ende 1927 durch ein Urteil des zuständigen nationalen Ge⸗ richtes in Costa Rica der Anspruch Kümpels im nationalen Rechtswege anerkannt war und danach erst zum Gegenstande diplomatischer Reklamationen gemacht werden konnte.
Es kann den Vertretern des auswärtigen Dienstes in Verlin und in Costa Rica nicht zum Vorwurf gemacht werden, wenn die dortige Regierung die dann einsetzenden Vorstellungen der deut⸗ schen Regierung mit Verzögerung behandelt. Es ist um so schwieriger für den deutschen Gesandten, einen solchen Fall zu vertreten, als selbst die deutsche Kolonie in Costa Rica die Ke⸗ klamationen Kümpels als nicht der Unterstützung der Reichs⸗ regierung würdig bezeichnet und durch Zeitungsveröffent⸗ lichungen die Opposition der Regierung in Costa Rica noch unter⸗ stützt. (Hört, hört!)
Wenn daher eine endgültige Stellungnahme der Regierung in Costa Rica noch nicht herbeigeführt wurde, so kann dies nicht dem deutschen Gesandten zum Vorwurf gemacht werden. Wie wenig selbst der geschädigte Herr Kümpel den Vertretern des auswärtigen Dienstes einen Vorwurf daraus macht, geht aus seiner letzten Eingabe an mich vom 6. Mai hervor. Er schreibt wörtlich: „Ich darf mich nicht beklagen über die Reseoor⸗ beamten und den Gesandten, sie haben getan, was in ihrer Macht stand, eifrig und willig“ qhört, hört!), und an einer anderen Stelle: „der denkbar beste Diplomat für diesen Zweck ist der Ge⸗ sandte Herr von Kuhlmann“. (Hört, hört!)
Meine Damen und Herren! Ich verzichte darauf, noch weitere Stichproben zu geben. Das gesamte Material des Herm Abgeordneten von Freytagh⸗Loringhoven muß aber jedenfalzs sehr sorgfältig auf seine Richtigkeit nachgeprüft werden. Ich darf deswegen, Herr Abgeordneter von Freytagh⸗Loringhobven, zum Schluß ein ernstes Wort sagen. Ich halte es für selbstver⸗ ständlich, daß Sie einen Mißtrauensantrag gegen den Reichs⸗ außenminister einbringen. Ich halte es aber für unverantwort⸗ lich, daß Sie ihn damit begründen, es bestände eine finanziele Mißwirtschaft im Auswärtigen Amt. daß Sie vor den Augen der Oeffentlichkeit des Auslandes und des Inlandes das gesamte Auswärtige Amt mit allen Missionen in einer Weise diskreditieren, die uns den schwersten Schaden zu⸗ fügen kann. (Lebhafte Zustimmung.) Wenn Sie zu derartigen Mitteln und zu einer derartigen Anprangerung greifen, dann haben Sie bitte die Güte und nehmen e⸗
Material, das unter allen Umständen hieb⸗ und stichfest st
— Abgeordneter Dr. Freiherr von Freytagh⸗
(Lebhaftes Bravo! — ist es! Ihre Belehrungen verbitte ich mitl
Loringhoven: Das — Unruhe.)
“
185. Sitzung vom 27. Juni 1930.
(ericht d. Nachrichtenbüros d. Vereins deutscher Zeitungsverleger)!
Präsident Löbe eröffnet die Sitzung um 10 Uhr.
Die Verlängerung des Nothaushalts hit Ende Juli wird in dritter Beratung und damit endgültg
angenommen. . . — Dann wird die zweite Beratung des Haushalt des Auswärtigen Amts fortgesetzt. 8s Abg. Hörnle (Komm.) erklärt, die bisherige Handelspolit sei allein auf Kosten der Massen betrieben worden. In olze ds Schutzzollsystems seien die arbeitenden Massen gezwungen, e phe Inlandspreise zu bezahlen. Die Ecportyreise der Fndustit dfes vielfach erheblich unter den Inlandspreisen. Das sei bei dw- bartellmäßig gebundenen Industrien, aber auch in der Lenmwir⸗ schaft der Fanl. Für die Zukunft tänden weitere Zollerhöhung bevor. Es handle sich bei der Ha t 1 wirt⸗ blik um einen dauernd fortges tn verschärften Krieg mn stche schaftlichen Mitteln. Auf dem iete der rhlenaa Durch man vor der Bildung eines internationalen nkartells. ür die Wucherpreise im Inland schaffe man sich eine Kriegskasse . Schleuderkonburrenz nach dem Ausland. Der österrei der polnische Handelsvertvag seien nichts als bapitalistischen Zollkriegspolitik. Abg. Dr. Schnee (D. Pp.) stellt fest, daß für die 8 aufgaben dem Auswärtigen Amt viel weniger Mittel 8 8 Nh. fügung stehen als in anderen Ländern. Dabei habe de nn Ars⸗ wärtige Amt eine ungeheuer große Zahl von Deut 6 b 25 lande zu betreuen. Sesolderin Beachtung und Fö . 88 dürften die deutschen Schulen im Ausland. Wenn 88 18 4 1 reichend geholfen werde, dann bestehe die Gefahr, daß chemaig
1 4 ltur⸗
tum an vielen Stellen verlorengehe. Insonder 8 8 Ferzeen tun,
Deutschostafrika komme hier in Frage Die ande
so betont der Redner, viel mehr für L5 Landsleute im 88 dien
8 1 ichtigen
8* studierenden Ausländer bekümmern und , dn. 9 2
n 1hte⸗ ese
In erster Linie müssen wir uns auch mehr als bisher
inblick in das Leben des deutschen Volkes zu ge⸗ Denn diese Ausländer werden — vielfach maßgebend ⸗ uholen Lande sein. Auf diesem Gebiete ist viel Verscäumtes nach Hätten wir darin nicht viel versäumt, dann wäre .
jener Kriegsgreuellügen nicht möglich 8⸗* ungen sollten sch auf alle in Deutschland le⸗ 8 3 erstrecken, wenigstens soweit sie deutschfreundlich ode Das kann natürlich nicht ein Amt durchführen, assen, müssen private Organisationen sch angelegen sei Auswärtige Amt aber möge diese Bestrebungen 1ee
Diese
Das bedeutet nänlich,
delspolitik der Deutschen Reuu⸗
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muerstützer beseitig iß i srogsmuseum Sorge zu tvagen. Gewiß ist manches da
er 4. en den Kampf bereinigung zu En 5 278 begrüßen, daß ebungen auf Einverleibung der
n Of lichen
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148 vom 28. Juni 1930. S.
Der Redner tritt dann gleichfalls dafür ein für di der Bilder über Fren lichfe aus 2ö ehr. viel Pegen⸗ die „— füge bis zur ee führen. it der iegsschuldlüge hängt usammen eine große Anzahl von Dingen, die schwer s lasten: ] usw. M Befriedigung ist der Reichs wußenminister Fv englischen Be⸗
bigen deut loni rika entgegengetreten ist. Damit 2ε —,2* — sammenwirken zwischen England und Deutschland ein zu —27 Block in den Weg gelegt. ie kann nd, das ihm nicht gehört, einfach in die Tasche
geworden, besonders in den Vereinigten Staaten.
en? Die in Ostafrika wohnenden Anfiedler haben sich gegen
ie Zusammenlegung tafri sschen Tanganjika⸗Territorium und Sie wollen weiter unter der Herrschaft des Mit dem Mandatssystem ist das auf völlige Einverleibung 1 5. Gouverneur soll sogar die Gesetzgebung der ei vntrollieren und Gesetze, die ihm nicht passen, 1a. 8 eehen steht auch mit den Satzungen des benheit verwaltet und nich werden soll. Wenn der Völkerbund in dieser Frage er sich selbst seine Existenzberechtigung ab.
s ostafrikanischen Mandatsgebiets mit dem Uganda ausgesprochen.
Zölkerbundes bleiben.
rgehen der länder, das 85 zu .N— Der elnen Gebiete Bene nürsen erbu uch, wonach jedes Mandatsgebiet als eine selbständige t mit anderen Gebieten vereinigt versagt pricht
1. der
Das Vor
Engländer bricht außerdem nicht nur mit dem Mandats stem, in verlegt auch den Weg zur Wiedergewinnung “ nien für Deutschland. Wir müssen 52 Anspruch auf unsere
solonien aufrechterhalten.
sicch eb X dur
den H
men in Kolonkalwesen wieder betonen müssen.
ngyEisenverger dher allgemeiner Heiterkeit, er wolle sich
maßen zu fã
Innern einen babylonischen Wirrwarr bildeten.
betont
die Rhein⸗
1 (Lebhafte Zustimmung.) Es handelt ensowohl um die Interessen der Deutschent . 4. auch eeees der Eingeborenen. Die Kolonialpolitik ist 1 landfragen und die Reparationsfragen etwas in intergvund gedrängt worden, aber jetzt ist der Zeitpunkt wo wir unseren Anspruch auf Gleichberechtigung auch (Beifall rechts.)
eenh erklärt unter erkei ni ie Berechtigun m⸗ ein Urteil über die verwickelten anenpefffhng een en, die zusammen mit der ebenso verworrenen Lage im 2. Nur auf einiges, er, möchte er hinweisen: Auch wir müssen uns mit aller
Entschiedenheit gegen die Christenverfolgungen in Rußland wenden. Das IE“] mit Polen war ein Fehler. Unsere
Feinde
bkommen schädigt besonders unsere Viehwirtschaft.
aben schon genug bekommen. Das polnische Wirtschafts⸗
Wir hätten
ein infahemonche⸗ schaffen müssen. Der österreichische Handels⸗
vertrag s wird die
idigt die bayerischen Interessen.
Qꝙ In dem Vertrag schwierige 8
Lage der österreichischen Sägewerke wegen
ihrer geographischen Lage berücksichtigt, aber unsere bayerischen
Lägewerke in schwieriger Lage.
Staat
en auch eine geographische Lage und sind ebenso Die exacwerie sind für den bayerischen
gute Steuerzahler; durch die ausländische Konkurrenz
werden also der bayerische Staat, die Werke, die Bauern und auch
die Ar⸗ Handel
beiter geschädigt. Wir können deshalb dem österreichischen svertrag nicht zustimmen.
Abg. Dr. Wendhausen (hristl. Nat. Bauernp.): Der
Etat des Auswärtigen Amtes hat si
verdrei im Ja
6 ig ch gegenüber dem Frieden facht. Im Jahre 1914 balancierte er mit 21 Millionen, hre 1920 war der Bedarf 63 Millionen Reichsmark. Im
Jahre 1914 waren 547 Beamte, im Jahre 1930 712 vorhanden.
Das Beweismaterial des Abgeordneten von
Freytagh⸗Loring⸗
hoven bezüglich der Ausgaben der Siegergroßmächte im Vergleich
ju unseren Ausgaben scheint uns zu
eweisen, daß im Aus⸗
värtigen Amt immer noch aus dem Vollen gewirtschaftet wird. Das Diplomatenkorps Frankreichs zählt 126, dasjenige Englands
do und das Deutschlands 192 Köpfe.
Mit dem Personal sieht
es ähnlich aus. Naturgemäß ist, daß dann die Kosten der deut⸗ ie
schen Missionen bis zu 50 vH höher
gen als bei England. Und
das läßt sich nicht erklären aus der verteuerten Lebenshaltung
nd aus der besonders schwierigen Lage Deutschlands.
schrift Anzahl
Die Denk⸗ des Rechnungshofes gibt zudem den Beweis einer großen völlig unbegründeter Etatsüberschreitungen. Bei allen
internationalen Konferenzen sind unsere Delegationen stets die stärksten, so daß sich auf der letzten Haager Konferenz ein aus⸗ ländischer Diplomat zu der ironischen Bemerkung veranlaßt sah: Die Deutschen treten wohl gleich mit einer Reichswehrkompagnie
I
ch glaube, daß ein grundsätzlicher Wandel zu allergrößter
kinfachheit in unserem ganzen Auftreten im Inland und im
Ausland unserer
ge viel würdiger und wirkungsvoller wäre,
als der Versuch, es anderen Nationen gleich zu tun oder sie gar
übertrumpfen zu wollen.
Der Minister hat im Ausschuß davon
esprochen, man habe einen Abschnitt hinter sich und sei in einer Ümstellung der Außenpolitik, während er in der Plenarsitzung
vdon einer Kontinuität
prrüche.
hewiß aber ei nicht.
Locarno⸗Geistes und besonders geeignet zu baneuropa
befatzungsarmee stellen sich als reine Verhöhung der rheinischen bevölkerung dar und erscheinen mir der des französi
r Außenpolitik sprach. Das sind Wider⸗
Wir haben auch von der Umstellung nichts gemerkt. bedeutet die Räumung der Rheinlande einen Abschnitt, ne wirkliche Befreiung des rheinischen Gebietes bringt sie Die rednerischen Kundgebungen führender Männer der
sischen ein, das französische
im richtigen Licht erscheinen zu lassen. Dieses
briandsche Paneuropa bedeutet nichts anderes als die Befesti⸗ zang des Versailler Systems und erstrebt nichts anderes als die
Shaffung eines neuen napoleonischen Weltreiches. Wi b wichtig ist für das Ausland, zu wissen, daß es in uisgh
gür d vollen
md nicht nur ;
Wir glauben,
sondern weit mehr gute Deutsche rankreichs bringen lassen
e si icht unter die gemonie ’ 1ch s 8 brüstungsschwindel nicht
und an den Pazifismus⸗ und
auben. Ein Paneuropa würde die heutigen Grenzen verewigen,
Die U
Lchancen, die von uns zu einer verden müssen. fir Deutschland unerträglich 1 tenvention von 1930 festsetzt, verewigen. freie Hand für die deutsche
and in zwei Teile 5v5 und ein Ostlocarno bedeuten. mgruppierung der Groß⸗ und Mittelmächte gibt uns Frun sätglichen vngsellung 1nee i wirtschaftlicher Beziehung würde Paneuro 1 sch feni und das⸗ was die Genfer Zoll⸗ Diese würde uns die Handelspolitik nehmen, die wir, in das
mfelige Meiftbegünstigungssystem verstrickt und Ländern mit voll⸗
wete
feristisch
igen
Stellung zum
au chts
Fhrertrag,
keicischen Handelsvertra
* Bor Landwirtschaft und namentlich der Forstwirtschaft 0
mit unserem Bruderstaat zu einer Zollunion chließend darf ich sagen, daß nur eine hö
politik,
Handelspolitik der freien
Zollrüstung gegenüberstehend, so bitter nötig haben. Eine e Eö Beschränkung der Zollhoheit unter den vbböä ist auf das entschiedenste abzulehnen. Uen⸗
olnischen Handlsvertrag ist bekannt. Wir halten erdem für ein Gebot nationaler Würde, gegenüber den eugungen und dem Uebermut der Polen mit ihnen nicht abzuschließen. Den Abschluß des öster⸗ 8 bedauern wir, da er wieder auf Kosten
Wir hätten gern gesehen, wenn wir . ekommen wären.
jst cLee⸗ vPehem eseitigung des Versailler Systems un — 1* sein muß, die rücksichtslos
een worden ist.
deren Fee⸗ die
zar die Interessen des eigenen Landes und der eigenen Wirtschaft erfolgt, uns 1 der scheinbar hoffnungslosen außenpolitischen
ad wirtschaftlichen La etten kann. t unmö 1
G — ten des We
een.
Szenpolitik sein. wvarischen Nation, Trianon abfinden wird,
deaniche Volk aus seinen Fes
aden. ie Beseitig⸗ des famierenden Kaeggesdage
Eine Befriedung Europas „so lange das phantastische Vorhaben besteht, die Aürrieges überwiegend einem Volke aufzu⸗ Versailler Unrechts und der müßte die Richtschnur jeder ch wünschte uns etwas von dem Geist der se sich nie und nimmer mit dem Vertrag ondern alles daransetzt, um das sonn zu befreien. Alle öffentlichen altungen Ungarns enden mit dem Credo, das neulich no
der, greise Graf Apponyi in der Ungari s ggarischen Kammer gesprochen . 827 worten: „Ich .n an en — c. ur solche Gesinnung und der in ihr liegende Wille Kag Berge zu versetzen und Freiheit zu bringen. Ich glaube
en, Nutschland Luferstehung!
* g. Dr. Bell (Zentr.) erklärt, daß die neuerli ⸗ e vesienag n sosemmencheß Gebiete eine offensichtliche Verletzun * Mandaischarakters und der einschlägigen Se. ent — chlei — regierung wird daher gegenüber diesen kaum noch ver⸗ 2 — Annexionsmaßnahmen, die auch den starken Wider⸗ —, 8 25ö-= hervorgerufen haben, den Rechts⸗ standpunkt und in voller Uebereinstimmung hiermit die deut⸗ ch zu vertreten haben. Was den “ Kritik der bis⸗ en Wun a ⸗ — ahrzehnt der Problematik und 5. 1ö. — frnch * Epoche praktischer Gemeinschaftsarbeit folgen noge. Es wird freilich einer willensstarken Aktivität und einer zähen Friedensenergie bedürfen, wobei die deutsche Regierung und ihre Vertreter zur Stelle sein werden, um die bisher nur der Theorie und in der formellen Garantie bestehende Gleich⸗ und Gleichstellung aller beteiligten Staaten derart zu verwirklichen, daß Völkerbund und Völkerbundsrat ein un⸗ erschütterliches Fundament erhalten, um die Ideen der Gerechtig⸗ keit durchzuführen und allen Staaten, aber auch den Minder⸗ — Li t und Luft zu lassen, die Bewegungsfreiheit und die ntwicklungsmöglichkeit zu gewährleisten. In diesem Zusammen⸗ hangs gilt es auch, der Fortbildung des Internationalen Rechts - eg zu bereiten und die tief bedauerlichen, gerade im Welt⸗ Sr so offensichtlich in die Erscheinung getretenen Lücken des ölkerrechts zu schließen. Meine Aufforderung an die Reichs⸗ — die ich bei der Beratung des Rei sjustizetats aus⸗ gesprochen habe, die Verhandlungen des Kriegsuntersuchungs⸗ ausschusses und dessen praktische Reformvorschläge zur Ergänzung und eeh .ns des Völkerrechts sowohl innerhalb der zu⸗ ständigen Ausschüsse des Völkerbundes als auch bei sonstigen internationalen Verhandlungen auszuwerten zum Zwecke zeit⸗ 35 Reform des Völkerrechts, möchte ich mit besonderem achdruck auch an die Adresse des Herrn Außenministers richten. Gerade wir Deutschen, die wir aus Anlaß des Weltkrieges so heftigen und ungerechten Vorwürfen ausgesetzt waren, müssen hieglafhig bemüht bleiben, nicht nur die Krie sschuldlüge und die Kolonialschuldlüge auszuräumen, sondern 89 im Zusammen⸗ hang mit den von allen Krie süsaenben begangenen Völkerrechts⸗ verletzungen mit unablässiger klärungsarbeit auf die klaffenden Lücken des Völkerrechts hinzuweisen und als Vorkämpfer für dessen zeitgemäße im Lichte der Gerechtigkeit und 8 Humanität und für ie Friedensidee und den Verständigungs⸗ edanken einzusetzen. Diese Erwägun führt mich notwendig zur ritischen “ der gesamteuropäischen Verständigungspläne. Als ich vor zehn Jahren auf der Reschean verftändie den Plan einer europäischen Gemeinschaftsarbeit dem dreifachen Grund⸗ gedanken unterstellte „Wahrung der Souveränität und Eigenart slber Nation, Gleichberechtigung und Gleichstellung aller Nationen“, stand man der Möglichkeit einer Verwirklichung viel skeptischer -Se als heute. Wir werden gut daran tun, nicht nur urch die Regierung in amtlichen Schriftstücken, sondern auch durch die breiteste Oeffentlichkeit in allen dazu berufenen Kreisen der Wirtschaft und Kultur, der Literatur und vor allem auch der Presse zu Vö“ wie schwierigen Problem mit aktiver Antei nahme mitzuwirken, damit unter Ausschaltung aller etwaigen einseitigen Tendenzen und Hegemoniebestre ungen diese Idee aus dem Irrgarten wirklichkeitsfremder Ideologien oder verborgener Machtsicherungen in die rechten Bahnen geleitet wird. Auf der Grundlage wahrer Gleichberechtigung und Gleich⸗ wollen wir die auch von uns tief empfundenen und drücklich vertretenen europäischen Solidaritätsinteressen in eine Form und Gestalt bringen, die unseren deutschen Interessen nicht entgegensteht, sondern auch uns, ebenso wie den anderen Nationen, die volkliche Bewegungsfreiheit und die von Hem⸗ mungen und Barrieren befreite Entwicklungsmöglichkeit sichert. Man sollte die einer späteren Vereinbarung vorzubehaltenden der Firmenbezeichnungen und der juristischen Formulierungen nicht so überspiten und auch die hochpolitischen Problemfragen nicht derart in den Vordergrund stellen, wie das namentlich in letzter Zeit zuweilen in bedenkenerregender und die Durchführung der ganzen Idee gefährdender Weise geschehen ist, sondern den Schwerpunkt legen auf die in sachkundiger hehen is beratung sorgsam vorzubereitende Umschreibung und Regelung der materiellen Interessengebiete, die in Wirtschaft und Kultur, in Recht und Verkehr für die besondere europäische Gemein⸗ schaftsarbeit zum gleichmäßigen Schutz der beteiligten Staaten eine geeignete und eigensberechtigte Zwischenstellung bean⸗ spruchen zwischen den engeren . aben jeder souveränen europäischen Nation und den weltumfassenden Gesamtaufgaben des Bölkerbunds. Mit anderen Worten: Auch Europa⸗Politik muß sich bewähren als die Kunst des Erreichbaren; praktisch 1u“ Bestrebungen müssen sich richten auf eine Kraft⸗ quelle, die allen Versorgungsberechtigten Licht und Wärme spendet. Wird in diesem Sinne der von uns allen freudig be⸗ heübten Räumung der Rheinlande endlich auch die wahre Frei⸗ eit Deutschlands folgen, wird sich ehrliche und hochherzige Versöhnungspolitik
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Friedensidee im Verein mit aufrichtiger ndec auch zu allseitiger Abrüstung verstehen, wird man das buntscheckige und verzerrte Karikaturbild der heutigen euro⸗ päischen Landkarte, das wahrlich nicht aus den hohen Gedanken⸗ sphären genialer europäischer Gestaltungskunst, sondern als mißgestaltete Ausgeburt des Weltkrieges aus den Niede⸗ rungen rechtzerstörender und ideenarmer Sieger stammt, durch rationelle Grenzziehungen endlich umgestalten zu einem den volklichen, wirtschaftlichen und kulturellen Belangen der Völker dienenden vernünftigen Gesamtbilde, dann kann im engen An⸗ schluß an den Völkerbund eine europäische Konstellation in einer zu vereinbarenden Form und Ausgestaltung Fleisch und Blut gewinnen. Auf diese der großen Idee und der Gesamtheit dienenden Lösung hinzuwirken, werden wir uns angelegen sein lassen, getragen von der Ueberzeugung, gerade dadurch mit dem Schutze berechtigter deutscher Interessen wohlverstandene euro⸗ päische und weltfriedliche Gesamtinteressen wirksam zu ver⸗ binden. (Beifall im Zentrum.)
Abg. Laverren 3 (D. Nat.) unterstreicht die Notwendigkeit, daß wir uns mehr als bisher mit der praktischen Lösung der Frage der Kolonien beschäftigen. “ sich hier um keine Prestigefrage des deutschen Volkes. Auch der deutsche Arbeiter
be das größte Interesse an einer praktischen Kolonialpolitik, chon wegen der Erweiterung unserer Rohstoffbasis. Der Begriff es Mandatswesens dürfe nicht ausgehöhlt werden und durch den Annexionsgedanken ersetzt werden. Wenn wir uns nicht endlich aktiv betätigen, dann besteht die Gefahr, daß die Kolonial⸗ frage von anderer Seite aufgerollt wird. Bei den Verhandlungen über den Peemg. Whan ist die Notwendigkeit einer eigenen Rohstoff⸗ basis für Deutschland betont worden. Tr. Stresemann hat wieder⸗ n die Erklävung abgegeben, daß die deutsche Regierung die sicht habe, die Kolonialfrage anzuschneiden, sobald über die Reparationsfrage und die E endgültig entschieden sei. Es dürfte unerläßlich bes daß die Reichsregierung der Kolonialfrage nunmehr erhöhte Aufmerksamkeit schenkte. Von einer Gesamtliquidation des Krieges kann nicht die Rede sein, solange nicht das 66““ einer befriedigenden und gerechten Lösung zugeführt ist. 14 8* 84 1z (Dem.) bedauert, daß das 8 Kolonial⸗ roblem im Auslande viel ernster behandelt werde als in Deutsch⸗ and selbst. Die Linke brauche da keine Befürchtungen zu hegen
Die neue Kolonialpolitik werde ganz anders aussehen a die alte.
— , 1 ierten er e utschland unbedingt Anf ¹ f Betreuung der Deutschen im Auslande ndie es 2 — um eine politis s um eine kulturelle Frage. Man wolle — deutschen Menschen auch im Auslande deuts erhalten. Es sei V“ 62 chen 12 sn einem Italiener zu Die ung ufgabe J hoffen, daß sie gelingen werde. ens Abg. Marie Lüders (Dem.) begründet eine Entschließun in der unverzügliche Vorlegung eines Gesetzentwurfs sn 8 AI, rdert wird. Die Interessen m ü ⸗ genommen werden. 11X“] Damit ist die Beratung heendet. Die Abstimmungen sollen am Dienstag stattfinden. Der polnische und der öster⸗ reichische Handelsvertrag werden dem Ausschuß überwiesen.
Es folgte die zweite Beratung des Haushalts des Reichsarbeitsministeriums 8 den cns mit der 1. Beratung einer Novelle zum Gesetz über Arbeits⸗ vermittlung und Arbeitslosenversicherung.
Reichsarbeitsminister Dr. Stegerwald nimmt so⸗ gleich das Wort. Seine Rede wird nach Eingang des Steno⸗ gramms veröffentlicht werden.
Abg. Graßma Soz.): rammöwird 1 nniaS0)
Betreuung der unkulti⸗
Das Arbeitsbeschaffungspro⸗ amm t ausreichen, um aus der ungeheuren Arbeits⸗ osigkeit herauszukommen. hat im vorigen Jahr bewußt der Reichsanstalt für Arbeitslosenversicherung und die Erhöhung der Beiträge hinter⸗ trieben und widerstrebt auch heute dieser 2* Die bewußte Herbeiführung einer Vertrauenskrise lähmt die Wirtschaft. Bei den Banken liegt Kapital genug. Die Deutsche Volkspartei ist ein schlechter Sachwalter der deutschen Wirtschaft. Wir haben es immer als vordringlich bezeichnet, die Arbeitslosen wieder in den Produktionsprozeß ineinzubringen. Die Reichsanstalt rechnet, daß die Zunahme von je 100 000 Arbeitslosen eine Ausgabe von je 100 Millionen Mark im Jahr ausmacht. Es ist jetzt eine erheb⸗ liche Herschärfung des Arbeitsmarktes eingetreten, die Arbeits⸗ sosigkeit ist um 80 vH höher als zur gleichen Zeit des Vorjahres. Die Statistik der Gewerkschaften zeigt erschütternde Zahlen für die Arbeitslosigkeit, in den einzelnen erufen besteht eine Arbeits⸗ losigkeit von 15,4 vH der gewerkschaftlich organisierten Arbeiter, sie steigt in einzelnen Berufen bis zu 38 vH; dazu kommt die Zahl der Kurzarbeiter mit 13 vS. Der Durchschnittslohn der Bau⸗ arbeiter ist 1929 gesunken gegen 1928. Der ungesunde Zustand im Baugewerbe liegt in der Erschwerung der Kapitalbeschaffung und die jetzige günstige Zeit für Bauarbeiten geht unbenützt vorüber. Die Berechnung der Regierung über den Jahres⸗ durchschnitt der Arbeitslosenziffer scheint mir reichlich optimistisch zu sein. Die Einnahmen der Reichsanstalt nach den Vorschlägen er Regierung werden nicht ausreichen, die Ersparnisse von 110 Millionen sind zweifelhaft. „Die Leistungen der Reichsanstalt werden herabgesetzt, die Sperrfrist zum Beispiel wird so verschärft, daß sie sich bis zu 16 Wochen ausdehnen kann, die Unterstützun oll nicht mehr nach dem wirklichen Arbeitsverdienst, sondern — em Grundlohn bemessen werden, die Wartezeit soll 14 Tage be⸗ tragen, die Unterstützung der Eheleute soll 28 angerechnet werden können. Dadurch wird gewissermaßen auf kaltem 2 ege eine Bedürftigkeitsprüfung eingeführt. Meine Partei steht der Vorlage sehr kritisch gegenüber, wird die einzelnen vorgeschlagenen Maßnahmen im Ausschuß sehr ernst auf ihre Wirkung prüfen und sich gegen jede Verschlechterung der Leistungen wehren. So sehr wir einen deutschen Export “ er macht nur 20 vH unserer Produktion aus und ist im Rückgange; darum müssen wir dafür sorgen, daß die anderen 80 vH im Inland auf⸗ genommen werden können. Dazu gibt es kein Rezept als eine Lohnsenkung und Herabdrückung der Kaufkraft. Meine Partei wird alles daran setzen, die Erwerbslosen zu schützen, und wird jedes Mittel anwenden, um die Erwerbslosen wieder in Brotstellungen zu bringen. (Beifall bei den Sozialdemokraten.) Abg. Wolf (D. Nat.) wirft einen Rückblick auf die Periode der Markstabilisierung. Er will keinen Vorwurf gegen diese oder jene Partei erheben, schließlich habe der Reichstag insgesamt die Verantwortung für die ni t ganz richtige Politik. In der Wirt⸗ schaft seien damals unberechtigte Preissteigerungen vorgenommen worden, um das durch die Inflation verlorene Vermögen schnell wiederzugewinnen. Demgegenüber hätten die Arbeiter ihre Forderungen auf Lohnerhöhung erhoben. In seiner Organisation der polnischen Landarbeiter habe er erfolgreich davor gewarnt, da Lohnforderungen geeignet seien, die Stabilität der Mark zu erschüttern. Einen Zinsfuß von 10, 15 und mehr Prozent könne die verarmte deutsche irtschaft nicht tragen. Niemand werde in eine Lelche Wirtschaft sein Kapital hineinstecken. Heute stehe nicht mehr wie früher der Bergarbeiter, sondern der Bauarbeiter mit seinem Lohn an der Spitze. der Wirtschaft. Sie seien an den Preis gebunden, wie die Räder an den Wagen. In seiner Broschüre „Sinkende Berufe“ er bewiesen, daß s die Wirtschaft über die Köpfe von Politikern inweg selber hilft. Jedesmal, wenn in Deutschland die Stände acht gewannen, dann ““ sie dem Kaiser ein Stück der Macht nach dem anderen. ir haben den liberalen Gedanken des Nehmenwollens in unser Volk hineingetragen, aber der soziale Gedanke des Gebenwollens ist in den Hintergrund gedrängt worden. Unserem Volk, so betont der Redner, kann ohne geistige Umstellung nicht geholfen werden. Die Arbeiter haben das erste und größte ““ daran, für die Erhaltung der Wirtschaft zu kämpfen. Ihre Organisationen müssen die Wirtschaft stützen, weil sie damit die Existenz der Arbeiter stützen. ie Arbeiterfrage ist nicht lediglich eine Magenfrage. Anstatt des negativen Sorich worts „Arbeit schändet nicht“ muß es heißen: „Arbeit ehrt!“ noch so geringe Arbeiter, jede Vie⸗ „jeder schmutzi hanalarbeiter tut Dienst an unserem Volk. ischenrufe links und Lachen.) Es tut mir leid, daß sie den Arbeiter so gering einschätzen. Unsere Mirtschaft wird getragen von den beiden großen Pfeilern Arbeitgeberschaft und Arbeiterschaft. Sie muß zusammenbrechen, wenn die stützenden Pfeiler nicht untereinander verbunden sind. 88 Erwerbslosen sind das 21 einer alschen Wirtschaftspo ttit. Fessch waf aich bie ftnmft. ge⸗ “ 1 “ Füitnurf geesonet ig. 8 rung fähig zu machen, sich aus sich selbst zu erhalten, wer 6 Wenn es aber Tatsache ist, daß durch das 85 immer mehr Arbeitslose geschaffen werden, dann ist das Gese falsch. Durch landwirtschaftliche Siedlungen dürfen seßhafte Land⸗ arbeiter nicht vertrieben werden. Sonst ist auch die Siedlungs⸗ politik falsch, weil sie neue Proletarier schafft. Wenn wir hier jedes Werelieh dreihundert Millionen neue Steuern bewilligen müssen, dann sehe ich eine Teuerungswelle, keine Verbilligungs⸗ welle. Mit der Lohnsenkung muß man bei den Höchstbezahlien beginnen; vor Einführung der Rentenmark sagte Helfferich, Vor⸗ aussetzung sei, daß mehr gearbeitet werde. Mit einem Appell zur Einigung und Verständigung von Arbeitgebern und Arbeit⸗ nehmern schließt Redner. “ Abg. Ulbricht⸗Westfalen (Komm.) erklärt, in der Wirt⸗ chaftskrise sei es unmöglich, den Arbeitern noch denselben chwindel vorzumachen, wie 1927 und 1928. Der Redner nennt den Arbeitsminister den ; r eenen Lohnraubminister. Die Gewerkschaftsführer täten r nichts Wirksames 8i8ed 5 Politik, sondern äußerten nur, wie der Führer des A. D. G. B. „einige See Die Kapitalisten in Amerika und in Peutschland e een nur die eine Sorge: Wenn es doch eine Miß⸗ ernte gebe! Denn dann hoffen sie über die Wirtschaftskrise leichter Uengeicbann zu können. Sie kümmern sich aber nicht um die
Die Deutsche Volkspartei die Feen
Die Löhne seien ein Attribut
ungernden Arbeiter. Die kapitalistischen Parteien haben unseren Antrag abgelehnt, wonach die 400 00 Tonnen Roggen, die die