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1 8. Sitzung vom 4. Dezember 1930. (Bericht d. Nachrichtenbüros d. Vereins deutscher Zeitungsverleger“.)
Am Regierungstisch: Reichskanzler Dr. Brüning, Reichsminister des Auswärtigen Dr. Curtius und andere Kabinettsmitglieder. 8
Präsident Löbe eröffnet die Sitzung um 12 Uhr. 8
Auf der Tagesordnung steht die Fortsetzung der ersten Beratung des Reichshaushaltsplans für 1931, mit der die Notverordnungen unddie Mißtrauens⸗ anträge verschiedener Parteien verbunden sind.
Abg. Keil (Soz.). Die politische Lage in Deutschland, so führt Redner aus, steht im Zeichen hochgradiger staatspolitischer und parteipolitischer, wirtschafts⸗ und sozialpolitischer, innen⸗ und außenpolitischer Spannungen. Die Stellungnahme der sozial⸗ demokratischen Fraktion zu den ungeheuren Problemen, die zur Entscheidung stehen, wird nicht getragen sein von der Lust am Parteigezänk und am parlamentarischen Lärm, sondern von ver⸗ antwortungsbewußter, gewissenhafter und nüchterner Ueberlegung. Der Finanzminister versichert, das Reich befinde sich in keiner akuten Gefahr. Ich meine jedoch, wir müssen auch den chronischen Gefahren begegnen. Volk in Not! Das ist der Ruf, der durch die Lande geht, vor allem deshalb, weil wir uns in der schwersten Wirtschaftskrisis befinden. Mit politischem . Hw ist die Schuldfrage nicht zu lösen; dadurch können die Volksgenossen, die am härtesten getroffen sind, nur in Verzweiflung getrieben werden. Tatsächlich trägt der Krieg die Schuld (Widerspruch bei den Nationalsozialisten). Der gewaltige Geldaufwand, den der Krieg verschlang, wurde nicht gedeckt. Man hoffte auf die Kriegs⸗ entschäbdigung. Statt dessen wurden dem deutschen Volke oben⸗
rein schwere Kriegsentschädigungen auferlegt. Millionen von riegsopfern waren auf das verarmte Reich angewiesen. Die Moral war durch den Krieg zerstört. Ein großes Heer von Kriegslieferanten und Kriegswucherern ist aus dem Krieg übrig⸗ geblieben. Es ist nicht abzusehen, was aus unserem Volk hätte werden sollen, wenn es nicht die demokratische Republik gehabt hätte. Die demokratische Republik hat unsere Kriegsgegner zur Aufgabe ihrer Gewaltpolitik gezwungen. Sie hat den zügellofen Parteikampf im Innern verhindert. Unter der jetzigen Wirt⸗ chaftsdepression leidet die Arbeiterschaft am schwersten. Trotzdem wird ein verbissener Kampf gegen die Lebenshaltung der großen kassen geführt. Die stärkste demokratische Partei, die Cozhel⸗ demokratie, hat man vom Einfluß in der Reichsregierung aus⸗ geschaltet. Die Krisis würde nicht so schlimm geworden sein, wenn man nicht 1929 bewußt Defizitpolitik getrieben hätte. Jetzt ver⸗ ngt man, die Arbeitslosenversicherung solle sich selbst decken. Die Versorgung der gegen ihren eigenen Willen zum Feiern ge⸗ zwungenen Arbeitslosen ist jedoch nicht mehr eine Angelegenheit der Versicherungsanstalt, sondern eine höchst staatspolitische An⸗ gelegenheit. Dem Reich muß erneut die Pflicht eingeschärft verden, sich der Not der Erwerbslosen anzunehmen. Wir halten die ursprüngliche Grundlage des Arbeitslosenversicherungsge etzes noch heute für richtig. Während man hier sparen will, erscheint ins der finanzielle Aufwand für unser kleines Heer übertrieben hoch. Wir sind nicht Gegner der Reichswehr, zumal die anderen uropäischen Mächte die Abrüstung, die sie sich selber im Versailler Vertrag auferlegt haben, nicht durchführen. Wir wollen auch keine Verminderung des schon so kleinen Heeresbestandes oder gar eine Verschlechterung der Besoldung und Versorgung. Aber es gibt noch genug Positionen im Wehretat, an denen gespart werden könnte. Die Aenderungen an der Notverordnung vom Juli ent⸗ sprechen noch nicht den Interessen der Werktätigen. Das wäre nur durchzusetzen gewesen, wenn die Mehrheit der Wählerschaft sich m 14. September hinter die Sozialdemokratie gestellt hätte. (Lachen bei den Nationalsozialisten.) So aber bleibt nichts anderes
getan, zu unserer Genugtuung nicht ohne Erfolg. Ich erkenne gerne an, daß die Kommunisten uns dabei unterstützt haben (Lärm Widerspruch bei den Kommunisten. Abg. Dr. Neubauer Komm. erhält zwei Ordnungsrufe). Auch wir sind nicht restlos be⸗ friedigt von den Verbesserungen an der Juli⸗Verordnung. Durch die Aufhebung der Verordnung würden wir aber den Arbeitermassen den schlechtesten Dienst erweisen, weil dadurch die Zahlungsfähigkeit der Arbeitslosenversicherung erschüttert werden würde. Unsere Bedenken gegen die Anwendung des Art. 48 der Verfassung überhaupt bleiben bestehen. Die Notverordnung vom Fuli bedeutet eine ziemlich weite Auslegung der Reichsverfassung. Bestreiten können wir allerdings nicht, daß die Gefahr heute größer ist als im Juli. Wird der Kredit des Reiches erschüttert, so wird dadurch die Gefahr der Störung der öffentlichen Ord⸗ nung heraufbeschworen. An der Unterstützung der hinter der Re⸗ gierun stehenden Parteien ist die Regierung selbst verzweifelt. Allerdings weiß überhaupt niemand genau, welche Parteien hinter der Regierung stehen: die eine lehnt koalitionsmäßige Bindungen ab, die zweite substanziert sich von der Regierung, die dritte bricht aus und die vierte will von Anfang an nichts mit der Regierung zu tun haben (Heiterkeit; Zuruf: Bleibt als einzige Stütze die Sozialdemokratie! — Erneute Heiterkeit). Zu den vorliegenden Anträgen wird die sozialdemokratische Fraktion erst noch Stellung nehmen. Unsere Entscheidung wird mit beeinflußt sein durch die jetzt begonnene Debatte. Bei allen Entschließungen werden wir aber darauf Rücksicht nehmen müssen, daß nicht die Verbesserungen der do weprdnanf vom Juli, unser Werk, wieder infällig werden. (Aha⸗Rufe. Abg. Torgler Kommunist]: Das ist ja der Dreh!) Uebrigens kann keine Rede davon sein, daß die Notver⸗ ordnung unabänderlich ist. Kein Gesetz und keine Verordnung ist unabänderlich. Aber wir halten die Sanierung der Reichs⸗ finanzen für die allerdringendste Aufgabe, weil der Kredit Deutschlands, die Belebung der Wirtschaft und das Vertrauen des Volkes zum Staat davon abhängen. Aber wir fürchten, daß dieser Sanierungsplan nicht genügend mit der Verminderung der Einnahmen und der Steigerung der Ausgaben durch die Wirt⸗ schaftskrise rechnet. Wir befürchten vor allem, daß die Ge⸗ meinden, die nicht mehr wissen, wie sie die Ausgaben für die Wohlfahrtzerwerbslosen aufbringen sollen, zu kurz Se werden. Das Zuschlagsrecht zur Einkommensteuer wird dort am wenigsten helfen, wo die Not am größten ist. Gegen die einzelnen in der Notverordnung enthaltenen Steuern haben wir starke Be⸗ denken. Wir verstehen es besonders nicht, daß die Regierung nicht das Tabakmonopol eingeführt hat. Befonders bedenklich ist die Wohnungspolitik der Regierung, die nicht auf Arbeitsbeschaffung sondern auf Arbeitseinschränkung hinausläuft. Befristeten Ge⸗ haltskürzungen wird man in dieser Notzeit zustimmen müssen wenn wir auch die gewählte Methode nicht billigen und eine an⸗ gemessene Staffelung nach oben verlangen. Aber diese Gehalts⸗ kürzungen schwächen zugleich die Kaufkraft. Der schärften Kritik bedarf die Preispolitik der Regierung. Preissenkungen muß man bisher mit der Lupe suchen. Den Vorschlägen des Reichswirt⸗ schaftsrats, die Preisbindungen der zweiten Hand bei Lebens⸗ und Genußmitteln zu verbieten, ist die Regierung bisher nicht gefolgt. Auf der anderen Seite hat die Lohnpolitik der Regierung, insbesondere des Arbeitsministers, verheerende Wirkungen ge⸗ habt. Die Regierung hat den Lohnabbau proklamiert, ohne daß Preissenkungen vorangingen. Hinzukommen die Wirkungen der übersvannten Zollpolitik. Die landwirtschaftlichen Maßnahmen der Notverordnung noch der gründlichen Nachprüfung. Schon jetzt erheben wir schärfsten Widerspruch gegen die Er⸗ mächtigung für die Regierung,
heraufzusetzen. v--
8 uttergerstenzoll unbegrenzt Wir verlangen eine 8” süans Freis
jedrighaltung des Preises
des Eosinroggens und der Futtergerste. Wir haben bereits ein Initiativgesetz eingebracht zur verschärften Erfassung der Tan⸗ tiemen und ein anderes zur Versteuerung der Spekulations⸗ gewinne. Wir werden * eine Verschärfung des Kartell⸗ esetzes beantragen und ein Initiativgesetz zur Bekämpfung des einbringen. Die Hauptursache der Wirtschaftsnot besteht allerdings in dem Versagen der privatkapitalistischen Wirtschaftsorganisation, die im Grunde gar keine Organisation, sondern eine Anarchie ist. Sie investiert ungeheure Kapital⸗ massen, um bald darauf die Betriebe stillzulegen und mit den Kosten der Stillegung die Verbraucher zu belasten. Es gibt nur einen Ausweg: die sozialistische Wirtschaftsordnung. Den Inter⸗ essen der Arbeiterschaft ist am besten gedient, wenn der Weg dort⸗ hin ohne Erschütterungen und Katastrophen gegangen wird. Des⸗ halb halten wir 51 am demokratischen Staatsgedanken. Was an uns liegt, soll geschehen, um so schnell wie möglich restlos zu ver⸗ fassungsmäßigen Zuständen zurückzukehren. Alle unsere Maß⸗ nahmen werden getragen sein von der Erwägung, daß wir den Interessen des notleidenden werktätigen Volkes zu dienen haben. (Beifall bei den Sozialdemokraten.)
Abg. Feder (Nat. Soz.): Wenn der Reichstag es verlangt, dann muß der Haushalt vom Reichstag festgestellt werden. Wenn Sie (zur Mitte) auf die Grundrechte des Parlaments verzichten, dann geben Sie damit zu, daß das Parlament keine Existenz⸗ berechtigung mehr hat. Die Regierung felbst ist nicht verfassungs⸗ mäßig; der Reichstag hat ihr bisher sein Vertrauen nicht aus⸗ gesprochen. Um dem Kabinett endlich die Verfassungsmäßigkeit su geben, haben wir den Vertrauensantrag eingebracht. (Heiter⸗ eit bei den Nationalsozialisten.) Recht eigenartig ist es aller⸗ dings, daß die „größte Regierungspartei“, die SPD., nicht in der Regierung vertreten ist. Es gibt zwei Dinge, die die Menschen 8. 2. Idealismus und gemeinsam begangene Berbrechen. Uns hält der Idealismus zusammen, Sie (nach links) das Zweite. (Beifallsklatschen bei den Nationalsozialisten.) Die letzteren scheinen die Sozialdemokraten zusammenzuhalten. (Bravol bei den Nationalsozialisten.) Die Angst vor der Ab⸗ rechnung (zu den Sozialdemokraten) diktiert ihr Handeln. (Un⸗ ruhe bei den Sozialdemokraten.) Sie haben Furcht vor dem siegreichen Vordringen der Nationalsozialisten. (Lachen bei den Sozialdemokraten und Zuruf: Fieberzustand!) Es ist ein recht stabiler Zustand, das haben die letzten Wahlen bewiesen. (Beifall bei den Nationalsozialisten.) Der Redner setzt sich sodann ein⸗ gehend mit der ede des Reichsfinanzministers Dietrich ausein⸗ ander und bezweifelt dessen hee von der günstigen Kassenlage des Rei es. Im einzelnen sucht er nachzuweisen, baß die Finanzen des Reiches vngesschts der Reparationszahlungen nicht in Ordnung gebracht werden können. Der größte Fehler der deutschen Außenpolitik der letzten Jahre war die Zustim⸗ mung zur Umwandlung der politischen in kommerzielle Schulden. Bei der heutigen Belastung muß die deutsche Wirtschaft zugrunde gehen. (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Folgen des verlorenen Krieges!) Sie wollten ja gar nicht, daß Deutschland den Krieg gewinnen sollte. (Pfuirufe bei den Sozialdemokraten. — Bravo und Händeklatschen bei den Nationalsozialisten. — Abgeordneter Dr. Goebbels ruft den Sozialdemokraten zu: „Sie haben zu schweigen, Sie sind hier angeklagt!“) Leider fällt ein Teil des deutschen Volkes selbst immer noch der deutschen Wirtschaft, ins⸗ besondere der Landwirtschaft, in den Rücken durch den Verbrauch ausländischer Erzeugnisse, die auch im Inlande produziert werden. Eine der größten Taten Mussolinis ist, in seinem Gesetze zum Schutze der Landwirtschaft die Einfuhr entbehrlicher ausländi⸗ scher Erzeugnisse nach Italien unterbunden zu haben. Auch in Deutschland muß ein derartiges Gesetz geschaffen werden. Die Nationalsozialisten werden bei Kritik am jetzigen Zustand oft gefragt: „Wie wollen Sie es besser machen!“ Wir haben das gute Recht zu n. und es ist an bchnicht unsere Aufgabe, Ihnen die Wege aufzuzeigen. Trotzdem haben wir es oft genug getan.
. 1 2 2₰ Ich erinnere an die Vorschlage zur Wegsteuerung der Bank⸗ und Marvsanoerwehunnr un der Dünfraüeeneegett, dee Sinhishang, dov Krioga⸗
gewinne usw. Wir haben mit unbeirrb⸗ Gradlinigkei ere Politik verfoigt, ündee (zur Wüt we, bhlts Aheten Aeis Recht uns verneinende Kritik vorzuwerfen. Unsere Politik bejaht die Lebensinteressen des deutschen Volkes. (Händeklatschen bei den Nationalsozialisten.) Zwischen dem Sozialismus der Sozial⸗ demokraten und dem der Nationalsozialisten bestehen allerdings klaffende Gegensätze. Wir trennen scharf zwischen den Dingen die sozialisiert werden, und denjenigen, die der Privatwirtschaft überlassen bleiben müssen. Im Gegensatz zu der Praxis der Sozialdemkraten sind die Nationalsozialisten der Ansicht, daß das Geld⸗ und Verkehrswesen sozialisiert werden muß, wenn wir auch nicht gerade Herrn Hilferding die Reichsbank anvertrauen würden. Heiterkeit und Händeklatschen bei den Nationalsozialisten.) Auf der anderen Seite muß das Gebiet der produzierenden Wirtschaft der Privatinitiative überlassen bleiben. Zum Schluß wendet sich der Redner gegen das Zentrum, dem er eine Verquickung von Religion und Politik vorwirft. Wenn das Zentrum in seinen 59 oden fortfahre, würden bald Hunderttausende aus der Kirche laufen. ( ustimmung bei den Nationalsozialisten.) Nicht das jetzt herrschende politische System, sondern die Nationalsozialisten würden das deutsche Volk aus der Not herausführen. (Lebhafter veifan bei den Nationalsozialisten; Unruhe links und in der
Reichsminister der Finanzen Dietri ch: Meine Damen und Herren! Der Herr Vorredner hat im letzten Teil seiner Aus⸗ führungen vor allen Dingen auf die Wirtschafts⸗ und auf die Geldpolitik abgehoben, und ich kann ihm da in einigen Punkten folgen. Ich stehe auf dem Standpunkt und habe das die Jahre her immer verfochten, daß ein ganz besonders unglücklicher Zug in unserer wirtschaftlichen Entwicklung der ist, daß die Zahl der selbständigen Unternehmer, die unter eigener Verantwortung sich mühen, vorwärts zu kommen und für ihr Volk und für sich etwas zu leisten, in einem ständigen Rückgang sich befindet und in der Gefahr ist, von den Konzernen aufgefressen zu werden. (Zuruf rechts: Und von der Regierung!) Ich habe diesen Standpunkt in keinem Zeitpunkt verlassen und habe ihn auch in der Zeit, in der ich in diesem Kabinett sitze, und auch in dem früheren verfochten und ausgesprochen. Ich glaube tatsächlich, daß wir hier einen der wundesten Punkte unserer Wirtschaftsgeschichte haben. (Sehr richtig! bei der Deutschen Bauernpartei.) Wenn der Herr Vor⸗ redner aber gemeint hat, es wäre möglich, den Zins einfach durch irgendwelche obrigkeitlichen Maßnahmen zu ändern, so kann ich ihm allerdings in diesem Punkte nicht beitreten. Ich bin der Meinung, daß das wichtigste Mittel, mit den hohen Zinsen fertig zu werden, das ist, daß wir in Deutschland politisch und wirt⸗ schaftlich stabile Verhältnisse schaffen. (Sehr gut!) Das ist die Voraussetzung dafür, und das erste und Hauptmittel, Herr Goebbels, ist, daß Sie diesen sparsamen Etat, den wir aufgestellt haben, nicht zu Fall bringen, sondern daß dieser sparsame Etat durchgesetzt wird. Das ist die erste Voraussetzung, daß es auf diesem Gebiete besser wird. (Zurufe von den Nationalsozialisten.) Daß im übrigen die Zinsspanne in Deutschland auf allen Gebieten viel zu hoch ist und daß wir mit Spesen verwalten, die nicht zu verantworten sind, ist eine Sache, die uns schon seit Jahren in diesem Hause beschäftigt, die wir aber bisher leider nicht zu bewältigen imstande gewesen sind. Ich bin überzeugt: wenn einer von Ihnen eines Tages an diese Dinge herangeht —
²) Mit Ausnahme der dnn Ehsesirhn eee. Reden
inister, die i rtlaute wiedergegeben sind.
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der Herren
Herr Kollege Dr. Frick wird sich vielleicht in Thüringen damit
beschäftigen — (Lachen links), dann wird er dieselben Schm keiten bei seinen Sparkassen und Genossenschaften haben, wie sie auch bei den Banken hier haben. Diese Dinge sind nicht dem Handgelenk zu machen.
Nun muß ich aber mit einem Wort zu der Arbeitsloseng zurückkehren. Es besteht die Gefahr, daß auch diese Dinge in Oeffentlichkeit falsch dargestellt und die Zahlen, die der; Vorredner hier gegeben hat, stark mißdeutet werden. Er hat sagt, wir hätten die Zahl der Arbeitslosen nur auf 1,6 lionen geschätzt, während sie de facto das Doppelte betrüge
rechnung unserer Defizite im Etat gehabt haben. Ich habe und nirgendwo gesagt, daß die Zahl der Arbeitslosen nur 1,6 lionen betrage, sondern ich habe gesagt: Die durchschnittliche der Hauptunterstützungsempfänger haben wir ursprünglich 1,6 Millionen geschätzt und nachher auf 1,8 Millionen hin gesetzt. Außerdem haben wir die Krisenunterstützten auf 70. geschätzt, für die wir auch noch Vorsorge treffen. So haben also schon 2 ½ Millionen. Nun kommen allerdings noch die fahrtsunterstützten hinzu, deren Zahl wir nicht genau ke und die davon abhängt, wieviel Krisenunterstützte in die 2 fahrtsfürsorge der Gemeinden übergehen. Das ist die g Klippe, die wir in diesem Winter umschiffen müssen. Wir muß einen Weg finden, der es den Gemeinden ermöglicht, mit d. Wohlfahrtserwerbslosen fertig zu werden, deren Kosten ei Gemeinden zu erdrücken drohen. Das ist unsere schwerste S⸗ die aber nicht in mein Aufgabengebiet allein, sondern die g zeitig auch zur Zuständigkeit in erster Linie des Herrn Res arbeitsministers gehört.
Nun hängt aber die Lage dieser Arbeitslosen wie un Wirtschaft überhaupt von der Gestaltung unserer Kreditvemz nisse ab. Dabei bitte ich Sie auf eines zu achten. Der 8 Vorredner hat gesagt, es sei ein Leichtsinn gewesen, kurzfrn
Zeit auch keinen kurzfristigen Kredit im Ausland. Kurzfri Kredite im Ausland, die mit wenigen Monaten Frist gekü⸗ werden können, hat aber ein großer Teil der deutschen Wirtsch und das ist die große Gefahr (sehr richtig! in der Mitte), die gegenwärtig mit allen Mitteln bekämpfen, indem wir versu Ordnung in die Reichsfinanzen und in die Wirtschaft des Rei zu bringen und damit das Zutrauen im Ausland — ich wie hole das Wort — in unsere Verhältnisse so weit zu stärken, wir diese Gefahr von unserer Wirtschaft und damit auch von von ihr abhängenden Existenzen abwenden. Deswegen, † Abgeordneter Feder, darf man aber nicht sagen, es sei falsch, me wir uns um die Kreditwürdigkeit im Ausland mühten, und n darf der Sache auch nicht den Anstrich geben, als ob wir uns da national etwas vergeben. Ich bin der Letzte, der so etwas (Zuruf des Abgeordneten Dr. Goebbels.) — Auch in dieser ziehung, Herr Goebbels, kann mir niemand etwas nachwes Aber in diesem Punkte muß man Vorsicht walten lassen, unvorhergesehene Ereignisse, die uns nur schaden könnten, hütet. Ich darf deshalb das Hohe Haus bitten, gerade in die Frage unseren Gedankengängen zu folgen.
Als die Ursache unseres Elends hat der Herr Vorredner 1 don Krieg hezeichnet. Ich freue mich, da wir uns über die Punkt endlich einmal hier einig geworden und uns darüber! ‚sind, daß wir die Tatsache des verlorenen Krieges nicht ein aus der Welt schaffen können. (Zuruf von den Nationalsozialiste — Daß in dem Kampfe um die Liquidierung dieses Krit Fehler gemacht worden sind, will ich gerne zugeben. Aber alle Beteiligten den ehrlichen Willen gehabt haben, dieses Ung wieder gutzumachen, und daß alle Regierungen darum gekän haben, das wird die Geschichte einmal feststellen. Ich verwe mich deswegen dagegen, als wenn diese Dinge in hochverräteriße Weise behandelt worden wären.
Meine Damen und Herren, die öffentliche Schuld Deuß lands, von der vorhin gesprochen worden ist, beträgt viellei wie gesagt wurde, heute 24 Milliarden; ich habe das in der nicht nachprüfen können. Wenn Sie aber einmal die öffent Schuld der anderen Staaten damit vergleichen wollten, so wünd Sie finden, daß diese sehr viel höher ist. Der englische t allein hat heute eine öffentliche Schuld von 150 Milliarden M. Daraus mögen Sie ersehen, daß nicht nur Deutschland den Kr verloren hat, sondern daß auch die Siegerstaaten an den Folz dieses unglückseligen Krieges heute ganz gewaltig zu tragen hal (Lebhafte Zurufe rechts.) Gewiß sind die Schulden, wir wo offen reden, in Deutschland deswegen niedriger, weil die Inflatz den größten Teil der Kriegsschuld beseitigt hat. Aber d. Inflation ist nicht bewußt gemacht worden. (Lebhafte Zurufe! den Nationalsozialisten: Na! Na!) Ich habe die ganzen Jahre ül in der Reihe derjenigen gestanden, die geglaubt hatten,! Inflation müsse abzuwenden sein. Wir haben in diesem Hr darum gekämpft. Wir sind zeitweise nur eine kleine Gruf gewesen, die diese Meinung vertreten hat. Dr. Goebbels: Das sind Sie doch heute auch noch!) — Jawo wir haben hier inmitten der Inflation eine Goldrechnung v geschlagen. Wir sind vom deutschen Volke nicht gehört worde wir sind überrannt worden in diesen Dingen. Die Frage, einer der unterlegenen Staaten überhaupt die Inflation hü
daß die Inflation in Deutschland nicht verbrecherisch gema⸗ worden ist. (Lebhafte Zurufe von den Nationalsozialisten und! Kommunisten.) Der Zusammenbruch der Währung ist erfolgt einer Zeit, in der wir einen zweiten Krieg geführt haben, näml
Währung den Rest gegeben; das ist die Tatsache, die niemch ausschalten kann. (Zurufe von den Nationalsozialisten: Stra mann hat doch selbst gesagt: Diejenigen Staatsmänner sind! größten Verbrecher, die die Inflation gemacht haben!) — . Stresemann hat diese ganze Zeit mit erlebt. Ich halte es für gr. ausgeschlossen, daß er einen solchen Satz gesprochen hat.
Nun, meine Damen und Herren, beruht die Forderung, d man an uns aus dem Kriege erhebt, auf der Behauptung, d. Deutschland am Kriege schuld sei. Aber diese Schuld am Kric haben wir nie und nimmer anerkannt. (Lebhafte Zurufe von d. Nationalsozialisten.) — Wir haben sie auch in Weimar nicht ¹ erkannt, nie und nimmer. (Abgeordneter Dr. Goebbels: 6
haben aber doch die Diktate angenommen.) — Ich für mei
ist derselbe Vorgang, den wir mit Herrn Bang wegen der
Kredite aufzunehmen. Dieser Satz ist richtig. Das Reich hat
angeraten zu Zinssätzen, die nicht zu ertragen waren.
(Abgeordnet
abwenden können, will ich hier nicht beantworten. Aber sich!
den Ruhrkampf, und die Finanzierung des Ruhrkampfes hat
eil habe meine ablehnende Stellung zum Versailler Vertrag in eimar so begründet: Nicht die wirtschaftlichen Forderungen sind tragbar — die wird die Entwicklung als untragbar er⸗ eisen —, sondern der Angriff auf unsere Ehre und auf unser Fand. (Zuruf des Abgeordneten Dr. Goebbels.) — Herr Goebbels, ie brauchen uns nicht zu beschimpfen. (Abgeordneter Feder Sachsen]: Herr Minister, niemand hat Ihnen persönlich das interstellt!) — Ich bin Ihnen sehr dankbar dafür, Herr Feder. — Lebhafte Zurufe von den Nationalsozialisten. — Unruhe. — glocke des Präsidenten.) Nun ist die Forderung, daß Deutschland ese gewaltigen und untragbaren Tributlasten tragen solle, auf⸗ ebaut auf dieses Schuldanerkenntnis, daran ist gar kein Zweifel. ist richtig, daß wir in die volle Höhe der Dawes⸗Zahlungen neingeraten sind, sondern daß wir tatsächlich nur den Betrag zahlt haben, der im zweitletzten Jahr, bevor sie den Höhepunkt reicht hatten, zu leisten war. Wir sind infolgedessen beim Houng⸗Plan ungefähr auf demselben Punkt geblieben, bei dem r im vorletzten Jahr des Dawes⸗Plans gestanden haben. Wenn Sie aber erwarten, meine Damen und Herren, daß nun leichtfertig genug wäre, von dieser Stelle aus zu sagen, bie ich mir die Weiterentwicklung dieser Dinge denke, dann irren ie sich. Ich gehöre nicht zu den Leuten, die als Mitglied der gegierung über eine Frage, die im gegenwärtigen Augenblick on dieser Stelle aus nicht diskutiert werden kann, unvorsichtige zemerkungen machen, lediglich um einen Effekt zu erhaschen. Das ist nicht die Aufgabe eines verantwortlichen Ministers des Reiches. (Abgeordneter Dr. Goebbels: Das sind doch nur geheim⸗ nisvolle Wichtigtuereien!) — Das sind gar keine Wichtigtuereien,
Werr Goebbels. (Glocke des Präsidenten.) Wenn Sie sich einmal
die Mühe geben wollten, Herr Dr. Goebels, darüber nachzudenken, u welchem Zweck wir uns gegenwärtig so anstrengen (Ab⸗ geordneter Dr. Goebbels: Das wissen wir wohl, damit Sie Kredite bekommen zur Aufrechterhaltung dieses Systems!), unsere An⸗ gelegenheiten in Ordnung zu bringen, so würden Sie Ihre Meinung vielleicht revidieren.
Meine Damen und Herren, es ist dann noch gesagt worden, ie italienische Regierung, das heißt Mussolini, habe dafür gesorgt, daß die italienische Landwirtschaft in ihrer Leistungsfähigkeit ge⸗ vwaltig zugenommen habe. Ich will das gar nicht bestreiten. Aber es ist ein schlechtes Zeugnis, das man hier der deutschen Landwirtschaft ausstellen will. (Sehr richtig! in der Mitte.) Die deutsche Landwirtschaft hat in den letzten Jahren — wenn Sie das einmal genau untersuchen und wenn Sie die Mengen
uder Produktion feststellen, so werden Sie das finden — dasselbe
eleistet wie die italienische Landwirtschaft. (Zustimmung in er Mitte.) Die niedrigen Preise, die wir zur Zeit haben, sind nur daraus zu erklären, daß wir in den letzten drei Jahren gute Ernten gehabt haben, die darauf zurückzuführen sind, daß die Landwirtschaft in ihrer Technik, in ihrem Saatgut, in der Boden⸗ bearbeitung weitergekommen ist. Leider ist sie dabei in Schulden Ich glaube, uüch das muß man einmal zur Ehre des deutschen Landvolks sagen. Meine Damen und Herren! Auch die Politik der Reichs⸗ regierung bezahlt die Lebensforderungen des Deutschen Reiches id des deutschen Volkes, und wir haben auch kein anderes Ziel, ls die Ehre und die Freiheit unseres Volkes zu verteidigen. (Lebhafter Beifall in der Mitte.) G
Abg. Stöcker (Komm.) wendet sich unter großer Unruhe und anhaltenden Zurufen der Nationalsozialisten gegen die Be⸗ hauptung des Abg. Feder von kommunistischen Ueberfällen auf (Nationalfozialisten. Ich habe hier eine Liste von 27 Arbeitern, die von Ihnen (zu den Nationalsozialisten) in den letzten Monaten ermordet worden sind. Wir Kommunisten sind die einzige anti⸗ kapitalistische Partei, die einzige antifaschistische Kraft in Deutsch⸗ land. Wir werden mit unseren Brüdern jenseits der Grenze die
Grundlagen des Schanddiktats von Versailles zerstören. Bei dem völligen Bankrott der kapitalistischen Wirtschaft greift die Regie⸗ rung zu der faschistischen Diktatur, um den neuen ungeheuerlichen Raubzug auf die arbeitende Klasse durchzuführen. Die Regierung Brüning ist der Beginn der faschistischen Diktatur. Die immer hilfsbereiten Sozizaldemokraten werden auch jetzt wieder bedin⸗ gungslos die Stiefel lecken, die die Regierung Brüning ihnen hin⸗ hält. Die Sozialdemokratie begeht einen neuen Betrug an der Arbeiterschaft. Nur politische Kinder können glauben, daß nach dieser Entwickkung noch eine Rückkehr zur parlamentarischen Methode in Frage kommt. Entscheidend ist, daß die Sozialdemokra⸗ tische Partei Mitträgerin der faschistischen Diktatur geworden ist. Der ungeheure Schlag der Regierung gegen das gesamte werk⸗ tätige Volk beruht auf einem Pakt zwischen Brüning und Her⸗ mann Müller, Braun und Severing. Das Echo wird eine immer stärkere Verelendung und Radikalisierung der Arbeitermassen sein. Durch die neue Notverordnung werden weitere 838 Millionen den Besitzlosen genommen, um sie in die Kassen der Kartelle und Banken zu leiten. Die Entwicklung der Nationalsozialistischen Partei zu einer kapitalistischen Erfüllungspartei ist besonders nach den Wahlen sehr schnell vor sich gegangen. Die Bourgeoisie sucht den Ausweg durch Faschismus, Aufrüstung und neuen Krieg; der Ausweg kann aber nur kommen durch den Sturz der kapitalistischen Wirtschaft und den Sieg des wahren Sozialismus. (Beifall und Händeklatschen bei den Kommunisten.)
Abg. Ersing (Zentr.): Zu den Bemerkungen des Abgeord⸗ neten Feder und des Abgeordneten Stöcker über politische Morde muß 81 sagen, daß leider Gottes von links und von rechts poli⸗ tische Morde “ Es ist für das Ansehen des deutschen Volkes höchst beklagenswert, daß die politischen Gegensätze mit Revolvern, Gummiknüppeln und Dolchen ausgefochten werden. (Zwischenrufe bei den Kommunisten.) Ich stelle nur die Tatsache fest, daß in unseren Versammlungen und in den Versammlungen anderer Parteien dieses Hauses politische Morde noch nie vor⸗ gekommen sind. Wir können mit “ feststellen, daß andere Parteien zuviel Anstand und Ehrfurcht vor den chrift⸗ lichen Lehren haben, um in solcher Weise zu kämpfen. Wir müssen hier die Frsg. an die Nationalsozialisten richten, welche Ziele sie eigentli haben. Der Abgeordnete Feder hat Fühlung mit den Deutschnationalen genommen; ich bin nicht neugierig, wie die Antwort der Deutschnationalen auf seine Fra en sein wird, weil ja Herr Hugenberg schon in Stettin ebenfalls die Parole des dritten Reiches ausgegeben hat. Die Zeitungen in Bremen, die den Deutschnationalen nahestehen, schrieben, daß bei der Wahl in Bremen ein Sieg über den Marxismus errungen sei; Herr Goebbels schrieb aber in seinem Blatte darüber: „Wir verbitten es uns ein für alle Mal, mit dem stinkenden Mist⸗ haufen der verwesenden bürgerlichen Parteien in einem Atem genannt zu werden.“ (Heiterkeit.) Solche Aeußerung zeigt doch, daß die lare Front der Deutschnationalen und Nationalsozia⸗ listen noch nicht gekommen ist. (Ruf bei den Nationalsozialisten: Keine Bauernschenke, außen schwarz, innen rot!) Manchmal ist auch eine Fühlung mit unseren Parteifreunden gesucht worden. Wir haben aber keine Verbindung mit links oder mit rechts, wir gehen unseren politischen Weg, und wenn wir bei unserer
“ 1
Neichs⸗ und Staatsanzeiger Nr. 284 vom 5. Dezember 1930. S. 3.
politischen Marschroute Weggenossen finden, die uns auf einer Reihe von Gebieten zustimmen, so gehen wir mit allen zu⸗ vö die Fn positiver Arbeit bereit sind. In den letzten Bochen sind Nationalsozialisten nach Rom gegangen. (Lebhafte Zwischenrufe bei den Nationalsozialisten: Namen nennen! Wer war da? — Es war der Stahlhelm!) Es ist seit Monaten Positiv behauptet worden, daß Anhänger der nationalsozialistischen Partei mit den faschistischen Kreisen Verbindungen aufgenommen haben. (Abg. Stöhr (Nat. Soz.): Kein einziger unserer Partei; unseren Mitgliedern ist es verboten, Mitglieder des Stahlhelms zu sein!) Es wird niemand in Abrede stellen können, daß auch in dem Siegerstaat Italien, wo kein Parlamentarismus besteht, sondern die Diktatur vorhanden ist, wirtschaftliche und finanzielle Schwie⸗ rigkeiten bestehen, und daß Mussolini die Beamtengehälter kürzen muß, um seinen Etat wiederherzustellen. Darum hänte man hier nicht von Italien sprechen sollen. (Nuf bei den Nationalsozialisten: Dort sind auch die Preise erheblich abgebaut!) Uebrigens haben die Abgeordneten Feder und Stöcker wenig über den Etat gesprochen, sondern nur die Gelegenheit benutzt, in der Art der Wahlversamm⸗ lungen in Kritik und Versprechungen sich zu ergehen. Ich folge den beiden Vorrednern auf diesem Gebiete nicht. (Ruf bei den Nationalsozialisten: Tabaksteuer!) Zum Etat äußert der Redner sich dahin: Die Regierung habe einen ausbalancierten Etat vorgelegt. Freilich sei die Tatsache nicht zu bestreiten, daß die Etatgestaltung der letzten Jahre nicht immer der rauhen Wirklichkeit entsprochen habe. Das liege daran, daß man die schlimmen Folgen des ver⸗ lorenen Krieges nicht immer völlig habe voraussehen können und daß die Parlamente sehr gern Ausgaben bewilligt, aber nicht immer für Deckung gesorgt hätten. In einer Zeit der Notlage der öffentlichen Finanzen sei es freilich nicht schwer, schwarz in schwarz zu malen. Damit untergrabe man aber verantwortungslos das Vertrauen des Auslands in die deutschen Finanzen und in die deutsche Wirtschaft. Der verlorene Krieg habe nicht nur die deutsche Wirschaft, sondern die Wirtschaft aller Länder, auch Frank⸗ reichs, aufs schwerste getroffen. Die Einnahmeschätzungen des Etats würden sich als richtig erweisen, wenn die deutsche Wirt⸗ schaft leistungsfähig sei. Daher sollten die Parteien der Rechten keine Unruhe in das deutsche Volk tragen. Freilich könne man Steuersätze nicht beliebig in die Höhe schrauben; von einer be⸗ stimmten Höhe an steigen die Einnahmen nicht, sondern sinken. Das dürfte auch mit der Tabaksteuererhöhung der Fall sein. Ein Tabakmonopol lehne das Zentrum ab. Die durch die Tabaksteuer in ihrer Existenz bedrohten Unternehmer und Arbeiter müßten entschädigt werden; erforderlichenfalls müßten die Endtermine für die Levührung der Entschädigung hinausgeschoben werden. Die Kürzung der Leistungen der Arbeitslosenversicherung 8 Fen. rechterhaltung der Versicherung notwendig gewesen. Diese Spar⸗ aktion müsse auch überall angewandt werden. Der Kampf gegen den Marxismus bedeute vielfach nur den Kampf gegen die Sozial⸗ politik. (Widerspruch rechts.) Marxismus sei nur der Schild, hinter dem sich die soziale Reaktion verberge. Dabei gebe es selbst in den Reihen der Deutschnationalen mancherlei Erscheinungen, die man als Marxismus bezeichnen müsse. Die Gehaltskürzung habe bei den Beamten natürlich keine freudige Zustimmungen ausgelöst. Die deutsche Arbeiterschaft habe aber dur Erhöhung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge schon erhebliche Opfer auf sich genommen; da sei ein Opfer der II“ durchaus ge⸗ rechisertigt. Freilich müßte die Staffelung des Notopfers der Be⸗ amten noch anders gestaltet werden. Der Fonds zur Förderung kultureller Zwecke dürfte nicht weiter gekürzt werden. Eine Preis⸗ enkung müßte auch vor allem auf dem Gebiete der öffentlichen ““ eintreten. (Abg. Stöhr Nat. Soz.]: Da fangen Sie nur bei Herrn Adenauer in Köln an! — Heiterkeit.) Ich bin kein Kölner. (Abg. Stöhr: Sie haben aber als Parteigenosse doch großen Einfluß auf Herrn Adenauer.) 115 nahmen, wie sie im Reichswehrministerium durchgeführt worden Peaen müßten auch in den anderen Ministerien getroffen werden. as Reich müsse da mit gutem Beispiel vorangehen. Wir müssen die Verwaltungsreform durchführen mit dem Ziele solcher Ersparnisse, daß die ve. mindestens um eine Milliarde gesenkt werden können. Seit dem Kriege, seit 1913/1914 find die Ausgaben in allen Verwaltungszweigen ganz gewalag gestiegen. Daran sind aber nicht die Beamten schuld, sondern die arlamente, die durch die Art der Gesetzgebung zum Ansteigen der Ausgaben beigetragen haben. (Ruf bei den ationalsozialisten: Harakiri!) Alle Parteien sollten den Versuch machen, die Verwaltungs⸗ ausgaben auf ein erträgliches Maß sa bringen. Es muß doch das Ziel der öffentlichen Verwaltung sein, weniger, aber gut aus⸗ gebildete Beamte zu haben. Dann wird das Beamtentum auch arbeitsfreudig sein. In bezug auf den Finanzausgleich habe ich namens meiner Freunde zum Ausdruck zu bringen, daß das Ziel des Finanzausgleichs die Erhaltung der Lebensfähigkeit der Länder sein muß, daß weiter das Ziel sein muß, den Ländern und Ge⸗ meinden die gesnadee Selbstverantwortung wiederzugeben. Das Gezerre von Reich zum Land, vom Land zu den Gemeinden und umgekehrt von den Gemeinden zum Land und zum Reich g. endlich einmal aufhören. Ein Aktivum unserer Politik ist es, da seit zwölf Jahren zum erstenmal die Etatsberatung vor Weih⸗ nachten beginnen kann. (Zwischenruf bei den Kommunisten.) Ich kann mir denken, wenn ein Kommunist Finanzminister gewesen wäre, daß dann der Etat jetzt noch nicht vorläge. (Ruf bei den Kommunisten: Notverordnung!) Nur bei äußerster Anstrengung und festem Willen ist es dem Finanzminister möglich gewesen, den Etat jetzt schon vorzulegen. (Ruf bei den Kommunisten: Diktatur!) Nun muß aber auch der Reichstag die Regierung tatkräftig unter⸗ stützen und in wenigen Wochen die große Etatsarbeit bewälti en. Es geht nicht nur um die Beseitigung der Not des deuts en Volkes, sondern auch um den Bestand des Parlaments. Auch wir bedauern, daß die Regierung gezwungen war, eine Reihe von Maß⸗ nahmen durch Notverordnung zur Durchführung zu 8g. Artikel 48 der Reichsverfassung darf nur in Zeiten allergrößter Not angewandt werden, und das Parlament muß alles tun, um notwendige Gesetze auf ordnungsmäßigem Wege durchzuführen. Mit der Notverordnung hat die Regierung ein großes po itisches Wagnis unternommen. Sie hat damit den Entscheidungskampf um die finanzielle Gesundung des Staates begonnen und damit die Voraussetzungen für die gleichzeitige Gesundung der deutschen Wirtschaft zu schaffen versucht. Wir sind von dem Inhalt der Notverordnung nicht voll befriedigt; wenn wir allein zu ent⸗ scheiden gehabt hätten, wäre manches vielleicht anders geworden. Aber den ernsten Willen der Reichsregierung, die Gesundung herbeizuführen, unterstützen wir aufs nachdrücklichste. Nun liegt die Entscheidung beim Parlament. Sie muß auf dem Wege verant⸗ wortungsbewußter Arbeit fallen. In diesem Sinne wird das Zen⸗ trum sich an der Arbeit beteiligen. (Lebhafter Beifall im Zentrum.) Abg. Dr. Bang (D. Nat.) legt zunächst im Namen der deutsch⸗ nationalen Fraktion schärfsten Protest gegen die verfassungs⸗ widrige Vergewaltigung der parlamentarischen Rechte ein. as Dauerregierung mit dem Artikel 48, so erklärt er, widerspricht dem Sinne der Verfassung. „Mit dem —2*2* hat Cavour einmal 898 „kann jeder Esel regieren.“? Bir beobachten die Umbiegung der Verfassung schon seit der Begründung Kabinetts. Ich stelle fest, daß die heutige Regierung nicht auf der Grundlage des Vertrauens des Reichstags regiert. Der Volks⸗ wille ist für die, deren Lippen von der Rettung der Demokratie überfließen, nur dann Volkswille, wenn er iha⸗ Herrschaft nicht antastet. Und der Reichstag ist für die Nothelfer dieser Demo⸗ kratie nur dann ein politischer Faktor, wenn er eine gefügige Mehrheit hat. Wir bestreiten mit aller Entschiedenheit, daß die Voraussetzungen zur Anwendung des Artikel 48 bei der Notverord⸗ nung gegeben sind. Dort, wo die Anwendung des Artikel 48 längst nötig wäre, ist man äußerst zurückhaltend damit, so bei der Not der Landwirtschaft, bei der Katastrophe im Osten und vor allem
8 dient heute in Wahrheit nicht der Not des Volkes, sondern den Be⸗ dürfnissen parlamentarischer Selbsterhaltung. Nach der gestrige Rede des Reichsfinanzministers ergibt sich schlüssig, daß Sie damit lediglich eine unsichere Mehrheit dieses Hauses ersetzen wollen. Sie verwechseln sich ständig mit dem Staate. (Widerspruch links.) Ihnen ist die Verfassung heute nichts anderes als eine biegsame Rute zur Züchtigung des nationalen Freiheitswillens. Zu den im Interesse der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erforder lichen Maßnahmen im Sinne des Artikel 48 gehört zweifellos nicht die Kürzung der Beamtengehälter, gehören noch weniger die Ein, griffe in die Privatdienstverträge von Körperschaften und Er werbsgesellschaften. Auch das Notverordnungsrecht kann nur innerhalb der verfassungsmäßigen Schranken wahrgenommen werden. Sonst könnte man ja mit Artikel 48 die Verfassung selbst aufheben. Sie sind allerdings auf dem besten Wege dazu. Sie begeben sich mit dieser Notverordnung auf einen Weg. der nicht zur Konsolidierung unserer Verhältnisse, sondern zu ihrer endgültigen Auflösung führt. Sie sägen die Aeste ab, auf denen Sie selber sitzen. Wir widersprechen von vornherein dem zweifel⸗
Ausschuß zu überweisen. Wir stellen fest, daß auch damit der Sinn der Reichsverfassung gebrochen wird: Notverordnungen können vom Reichstag nur im ganzen zur Kenntnis genommen oder abgelehnt werden. — Der Redner geht dann auf die Einzel⸗ heiten der Notverordnung selbst ein. Er betont: Das sogenannte Sanierungsprogramm und der Etat sind von der Regierung gewissermaßen auf zwei politische Grundthesen gestellt worden. Die eine lautet: Ehe wir nicht unsere Finanzen und unsere Wirt⸗ schaft sanieren, können wir nicht an die Tributfrage herangehen. Darin liegt ein seltsamer iderspruch. Bisher hat die Er⸗ füllungspolitik immer mit dem Stichwort gearbeitet: Wir können an die Tributfrage erst dann herangehen, wenn es uns so schlecht geht, daß die draußen unsere Krise sehen. Jetzt heißt es: Wir müssen erst diese Krise beseitigen, ehe wir an die Tributfrage herangehen. Eine Sanierung ohne Inangriffnahme der Tributfrage ist sachlich unmöglich. Einer der wesentlichen Selbstkosten⸗ und Preisfaktoren ist heute gerade die Tributlast. Die Preissenkungs⸗ aktion hängt in der Luft, solange nicht an diese Frage herangegangen wird. Ohne Steuerentlastung und vor allem ohne Frachtentlastung bleibt eine Preissenkungsaktion wirkungslos und wird nur ein neues Foltermittel für Produktion und Einzelhandel. Auch Lohn⸗ und Gehaltssenkungen bleiben dann Lufthiebe, entbehren vor allem der sittlichen Grundlagen. Das sogenannte Sanie⸗ rungsprogramm ist weiter nichts als ein neues Erfüllungs⸗ programm. Aehnliches gilt von der zweiten politischen Grund⸗ bhese des Regierungsprogramms: Die deutsche Krise hat ihre Ursache in der Weltwirtschaftskrise, ist eine Teilerscheinung von dieser. Auch das ist eine politische Finte, eine Zipfelmütze, die dem deutschen Michel über die Ohren gezogen wird. In Frank⸗ reich besteht dank unserer Leistungen keine Krise: Frankreich schwimmt im Gelde. Es hat im letzten Jahre allein für 5 ¼½ Mil⸗ liarden Francs Steuersenkungen vorgenommen und 15 Milliarden Frane zurückgezahlt. Die deutsche Krise kann aber gar nicht ihre Ursache in einer Weltwirtschaftskrise haben. Die deutsche Aus⸗ fuhr hat seit 1 ½ Jahren zugenommen. Es handelt sich also um eine Zerstörung unseres inneren Marktes durch unsere Er⸗ füllungspolitik und eine falsche Wirtschaftspolitik. Die beiden politischen Tragbalken des Regierungsprogramms sind also mehr als morsch. Dasselbe gilt von den wirtschaftlichen Grundlagen. Unsere Vorwürfe auf dem Gebiete der Finanzen und des Etats treffen nicht die Person des Reichsfinanzministers, sie F1e-. die Finanzwirtschaft des heutigen Systems. Im Haushaltsplan selbst wird zutreffend die Ursache unserer brüchigen Finanzwirt⸗ schaft in der Umwandlung des Sicherheitsstaates in den Für⸗ sorge⸗ und Wohlfahrtsstaat gesucht. Die früheren Ueberschüsse und der Betriebsmittelfonds sind verwirtschaftet, ja an Stelle der Ueberschüsse sind riesenhafte Löcher getreten. Wir leben von laufenden Defizits und stopfen seit Jahren jedes neue Passivum mit neuen Passiven. Wir leben von der Verschleuderung wesent⸗ licher Vermögenswerte und von immer neuen Bankkrediten. Es geht nicht an, die Schuld an der katastrophalen Entwicklung der Reichsfinanzen einfach auf höhere Gewalt abzuschieben, auf un⸗ vermeidbare Zwangslagen und auf Entwicklungen, auf die man keinen Einfluß gehabt hätte. Die Schuld an den heutigen Zu⸗ ständen liegt wesentlich an der Art der bisherigen Etatisierung und an der bisherigen fessellosen Ausgabewirtschaft des marxi⸗ stischen Fürsorgestaates. Nicht nur politisch, auch finanzwirt⸗ schaftlich gesehen gehört die Noung⸗Periode nicht in das Gebiet der Politik, sondern der Pathologie. Der Etat ist seit Jahren risiert worden. Der Reichstag hat alle die Jahre hindurch eine emmungslose Ausgabenwirtschaft getrieben, er hat dem Extra⸗ ordinarium hohe Summen bewilligt, und zwar nicht nur für werbende Anlagen, und hat so immer tiefere Griffe in die 2 der paraten Reichsmittel getan. Ein toller Zustand ist es auch, daß den Steuerzahlern die abgepreßten Steuern als „Darlehen“ zurückgegeben werden müssen! Man enteignet also der Privat⸗ wirtschaft ihre Mittel und gibt ihr dann ihr eigenes Eigentum als fremdes Geld wieder, um sie an der Zinsenlast ½ — zu richten. Die Finanzierungsmethode der bisherigen Etats hat eins gründlich fertig gebracht: eine grenzenlose Kapitalsver⸗ wüstung nebst der Unterbindung aller Möglichkeiten zur Kapital⸗ neubildung. Hier aber liegt die eigentliche Ursache unserer Wirt⸗ schaftszerrüttung und eine der tiefsten Ursachen unserer Arbeits⸗ losigkeit und damit unserer Finanzlage. Mit Recht hat e der ö1ö“ darauf hingewiesen, daß eine geordnete Führung er Reichsfinanzen unmöglich sei, wenn der Reichsetat mit der Arbeitslosenversicherung verbunden werde. Warum sieht man denn das erst heute ein? Woher nehmen eigentlich die Herren, die mit schuld sind an jener Politik, das Recht, vom deutschen Volke das Vertrauen zu ver⸗ langen, daß sie uns aus einer Lage herausbringen werden, in die sie selbst das Volk gebracht haben? Es ist viel Wesens davon gemacht worden, daß der Etat gegenüber dem Voretat um mehr als eine Milliarde gedrückt sei. Falls uns in einem späteren Nach⸗ tragshaushalt nicht etwa noch ein o beschert werden sollte, wollen wir die Bemühungen um sparsamere Wirtschaft gern anerkennen. Wir müssen uns endlich rückhaltlos zu dem Grundsatz armer Völker bekennen, daß sich der öffentliche Bedarf nach den Einnahmemöglichkeiten zu richten hat. Ohne grund⸗ sätzliche Umstellung des gesamten öffentlichen Wesens wird das natürlich nicht gehen. Die Gesamtlast für den öffentlichen Apparat in Deutschland beträgt heute zwischen 25 und 27 Mil⸗ liarden Mark; das ist — umgerechnet — doppelt soviel wie 1913. Der Redner weist dann zahlenmäßig die Steigerung der Ge⸗ samtausgaben in Reich, Ländern und Gemeinden na und be⸗ tont: Solange man an den Grundproblemen unseres Daseins vorübergeht, so an der Tributfrage, an der Aufblähung unseres Fürsorgestaates und an der Zwangsbewirtschaftung der Arbeit, so lange kann man allerdings den Haushalt nicht anders aufstellen als geschehen. Aber eben deshalb trägt der Etat den Keim des Zerfalls in sich. Der Reichsfinanzminister sucht nach Splittern in den Augen anderer und sieht die Balken in den eigenen nicht. Sie sitzen im Glashaus und hätten allen Anlaß, mit Ihren Voraussagen etwas vorsichtiger zu sein. Die gestrige Dar⸗ stellung des Ministers über seine Schätzung des Einnahmeaus⸗ falles entspricht auch nicht den Tatsachen. Wir sind deshalb zu unserem Bedauern der Beesencc. daß auch der vorliegende Etat auf irrigen Schätzungen beruht. Auch die Hoffnung auf die neuen Steuern wird trügen. Wenn Sie z. B. den Tabakkonsum erdrosseln wollen, der uns bisher 1 ½ Milliarden gebracht hat, so brauchen Sie nur die vorgeschlagene Mehrbela tung ein⸗ zuführen. Wenn der Reichsfinanzminister die Einwendungen der Betroffenen mit der höhnischen Bemerkung glaubt abtun zu können, daß bei jeder Steuer angeblich immer ein zugrunde gehe, so fehlen mir diesem Zynismus gegenüber aller⸗
in dem unmittelbar bedrohten Oberschlesien. Der Artikel 48
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los wieder bevorstehenden Versuch, die neue Notverordnung einem