NRNun kommt das tollste Verbrechen des Geheimrats Baumgarten:
Geheimrat Baumgarten ist ein Verräter am Natio⸗ nalismus,
denn er trat bei der Reichspräsidentenwahl 1925 füͤr den Kan
didaten des Zentrums und der internationalen Sozialdemo⸗
kratie, den Jesuitenschüler Marx ein, (Hört, bört! links),
und zwar ausgerechnet in der jüdischen Frankfurter Zeitung. Und darum Räuber und Mörder gegen Geheimrat Baumgarten den allgemein geachteten verdienten Gelehrten! Wenn es an gesichts solcher Pamphlete zu Störungen des Unterrichts kommt, dann wird die Polizei nicht um ein Jota von ihrer Pflicht, Ord nung und Ruhe aufrechtzuerhalten, abweichen. (Bravo! links. — Unruhe bei den Kommunisten.)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, was zu den Mensuren zu sagen ist, das habe ich hier schon im Jahre 1924 und das hat später mein Amtsnachfolger, der Minister Grzesinski erklärt. Wir haben nie ein Hehl daraus gemacht, daß es nicht richtig ist, in diesen Dingen mit Kanonen nach Spatzen zu schießen. Und ich spreche meine persönliche Auffassung aus: wenn jetzt das Boxen bei uns in Deutschland ein Kult geworden ist — verzeihen Sie das harte Wort! —, dann muß man schon an dieser Stelle sagen, das das Florettfechten immer noch ästhetischer und, glaube ich, auch sportlich immer noch besser ist als das Boxen (sehr richtig!), wie wir es recht oft in den verschiedensten Formen erleben. Das ist meine persönliche Auffassung. (Sehr gut! links.) Von dieser Einstellung aus werden auch alle polizeilichen Maß⸗ nahmen getroffen. Aber es gibt doch einen Paragraphen des Strafgesetzbuches, und dieser Paragraph stellt die Mensuren unter Strafe. (Widerspruch rechts.) Sondern? (Zuruf rechts: Den Zweikampf mit tödlichen Waffen! — Widerspruch links. — Abg. Stendel: Unterstellen wir es einmal! — Heiterkeit.) Also ein Richter kommt mir zu Hilfe. (Erneute Heiterkeit.) Solange man mit Recht unterstellen kann, daß die Mensuren unter den Zwei kampf fallen, haben die Polizeibehörden, wenn ihnen solche Mensuren angezeigt werden, den Dingen nachzugehen. Das haben sie bisher mit der allergrößten Delikatesse getan. (Zuruf rechts: Das ist nicht wahr!)
Aber es liegt im Zuge der Zeit, daß die jungen Leute, weil sie von allen Parteien umschmeichelt werden, sich einiges auf etwas einbilden, was sie noch nicht an den Universitäten erworben haben, sondern erst erwerben sollen und daß sie deshalb manchmal auch renitent gegen die Beauftragten der Polizei sind. Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir hier ein aufrichtiges Wort, selbst auf die Gefahr hin, daß ich bei Ihnen als Ketzer erscheine! Die Jugend hat mich stets zum Freunde, und ich bewege mich gern in den Kreisen der Jugend. Aber ich halte es nicht für richtig, daß die Aelteren der Jugend an jedem Tage erzählen, sie sei die Trägerin der Zukunft; auf ihren Schultern ruhe die Zu⸗ kunft des Reiches und des ganzen Menschengeschlechts. Das ist ja wohl physiologisch und biologisch richtig, jawohl. Aber die Alten haben doch auch ein Stückchen Erfahrung, und es gibt unter den Alten manche, die nicht so senil sind wie gewisse 20⸗ und 22 jährige junge Leute. (Lebhafte Zustimmung und Heiterkeit links.) Also, nicht wahr, dieses Umschmeicheln der Jugend wollen wir uns alle etwas abgewöhnen? Dann wird meines Erachtens auch der Irrglaube bei den Studenten eingedämmt werden können, daß sie mit ihren heutigen Methoden das künftige Deutschland und das künftige Preußen beherrschen werden und deshalb ein Anrecht darauf haben, sich heute schon ein wenig herausfordernd benehmen zu können. (Abgeordneter Kube: Sollte Ihr Beispiel vor 30 Jahren nicht gewirkt haben?) Ich weiß nicht, Herr Kube, — — — (Abgeordneter Kube: Die Verleihung des Wahl⸗ rechts an die Zwanzigjährigen ist doch eine sozialdemokratische Errungenschaft!) — Ich möchte Herrn Kube fragen: ist seine Partei bereit, das Wahlalter heraufzusetzen? (Sehr gut! links und im Zentrum. — Abg. Kube: Nein! — Große Heiterkeit.)
Meine Damen und Herren, ich darf nicht schließen, ohne mich der Aufgabe entledigt zu haben, die mir durch die Anfrage des Herrn Abgeordneten Heß gestern geworden ist, die Anfrage näm⸗ lich, ob das Staatsministerium gewillt ist, dem vom Hauptaus⸗ schuß und später auch vom Landtag angenommenen Antrag Rech⸗ nung zu tragen, ein Gesetz vorzulegen, in dem den höheren tech⸗ nischen Beamten auf Grund ihrer akademischen Vorbildung, staat⸗ lichen Ausbildung und Prüfung die Befähigung zum höheren Verwaltungsdienst für ihren Verwaltungszweig durch Gesetz zu⸗ erkannt wird. Ich habe die Geschichte dieses Antrags in den gestrigen Abendstunden studiert und kann Ihnen, Herr Kollege Heß, die persönliche Versicherung geben, daß ich mich bemühen werde, diesem Wunsch in der nächsten Zeit Folge zu leisten bzw.
das Gesetz zunächst vorzubereiten. (Bravo! im Zentrum.) Wenn der Herr Kollege Heß aber davon gesprochen hat, daß eine juristische Kamarilla anscheinend das Zustandekommen dieses Ge⸗ setzes verhindere, dann möchte ich doch meinen, daß dieser Ausdruck Kamarilla erstens zu hart, zweitens auch nicht am Platze ist. Kamarilla erinnert an so etwas wie an eine Verschwörung. Ich glaube nicht, daß Juristen zu Verschwörern geeignet sind. Man könnte vielleicht davon sprechen, daß sich juristische Zünftler diesem Gesetz in den Weg stellen werden. Aber auch sie werden bei dem endgültigen Zustandekommen wohl kein unüberwindliches Hinder⸗ nis sein.
Ich möchte mich nun noch gern über die Notlage der Gemeinden verbreiten, die gestern auch in der Erörterung einen gewissen Raum eingenommen hat. Aber ich würde mich da wiederholen. Ich könnte nur das vortragen, was ich bereits auf dem Landgemeindetag und vor einigen Tagen im Staatsrat ge⸗ sagt habe. Die Notlage der Gemeinden ist selbstverständlich auch meinem Ministerium bekannt, leider nur zu gut bekannt. Jeden Tag wird sie uns durch Deputationen, die uns um Hilfe angehen, eingebläut. Jeden Tag erfahren wir, daß es zur Notwendigkeit wird, Staatskommissare einzusetzen. Zu den Maßnahmen, die vom Standpunkt und von der Zuständigkeit Preußens her zu er⸗ greifen sind, die auch der Herr Finanzminister schon in seiner Etatrede bekanntgegeben hat, wird vielleicht noch eine andere kommen, die nämlich, daß die Mittel, die für die Krisen⸗ fürsorge im Reich bereitgestellt werden sollen, auch zu einem Teil für die Wohlfahrtserwerbslosen verwendet
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Reichs⸗ und Staatsanzeiger Nr. 297 vom 20. Dezember 1930.
Teil der in der Krisenfürsorge heute betreuten Erwerbslosen in die Wohlfahrtserwerbslosenziffer abwandert, und daß dieser Ab⸗ wanderung entsprechend auch das Reich seinen Beitrag zur Unter⸗ stützung der Erwerbslosen in der Wohlfahrtserwerbslosenfürsorge leistet, das ist unser Wunsch. Wir werden jedenfalls, wie das bisher schon im Reichsrat geschehen ist, diesen Standpunkt auch bei den weiteren Beratungen im Reich im Auge behalten und mit Nachdruck vertreten.
Wenn hier die Einsetzung von Staatskommissaren bemängelt worden ist, wenn Herr Kollege von Eynern gesagt hat, die Tätigkeit dieser Staatskommissare beschränke sich darauf, daß sie in einer halben Stunde die schon vom Magistrat ausge⸗ klügelten Steuerverordnungen in Kraft setzen, so mag das hier und dort der Fall sein. (Abg. Kasper: In Berlin hat es noch kürzer gedauert!) — Wenn es in Berlin in einer kürzeren Zeit erfolgt ist, Herr Kollege Kasper, dann wollen Sie bedenken, daß diesem letzten Akt ein wochenlanges Studium des Etats voranging, und daß der Herr Oberpräsident, wenn er seine Kommissare entsendet und anweist, diesen letzten Schlußstein zu legen, über alle Dinge im Etat, über die Einnahme⸗ und die Ausgabeseite genau im Bilde ist. Und das, möchte ich meinen, ist auch bei allen anderen bestellten Staatskommissaren so.
Aber ich habe diese Bemerkung nicht gemacht, um die über⸗ triebenen Behauptungen des Herrn Kollegen von Eynern zurück⸗ zuweisen, sondern um Ihnen zu sagen, daß auch mir die Be⸗ stellung von Staatskommissaren keine Freude bereitet. Aber ich wiederhole die Erklärung, die ich im Staatsrat bereits abgegeben habe: Wenn ich vor der Alternative stehe, kommunales Chaos oder Bestellung von Staatskommissaren, dann wähle ich das letztere. (Sehr gut! links.) Wem wirklich an einer Aufrecht⸗ erhaltung der Selbstverwaltung gelegen ist, — (Lachen bei den Kommunisten.) — Das ließ sich voraussagen. Daß Sie diese Be⸗ merkung mit einem Gelächter begleiten würden, Herr Kasper, war mir bekannt. (Zuruf bei den Kommunisten: Sie wissen aber auch alles!) Ich frage nur: was würden Sie in einem ähn⸗ lichen Falle tun? Ich bin der Ueberzeugung, Sie würden schließ⸗ lich auch in die Ordnungslinie so einschwenken, daß Ihnen in einer solchen Zweifelsfrage gar kein anderer Ausweg als passier⸗ bar erscheinen würde als eben der, für die Ausführung unpopu⸗ lärer Maßnahmen Staatskommissare einzusetzen. (Zuruf bei der Wirtschaftspartei: Für Stadtverordnetenneuwahlen sorgen!) — Ja, wenn wir bessere Stadtverordnetenversammlungen bekommen würden! (Zuruf rechts: Wo bleibt das parlamentarische System?) — Ich bin mit Ihnen ganz einverstanden, meine Herren. Also ein kräftiger Appell an die Stadtverordnetenversammlungen im ganzen Reiche, in allen Ländern, besonders in Preußen, ihre Pflicht zu tun! Und, meine Herren von der Wirtschaftspartei, an Sie appelliere ich besonders. Denn ich habe aus den Er⸗ fahrungen in manchen Kommunen die Auffassung gewonnen, daß die Vertreter der Wirtschaftspartei zwar Anträge auf Er⸗ füllung gewisser Aufgaben in der Gemeinde stellen, daß sie da mit den anderen Parteien durchaus konform gehen. Daß aber die Wirtschaftspartei ebenso bewilligungsfreudig wäre, — — (leb⸗ hafte Zurufe bei der Wirtschaftspartei: Nein, nein!) —. Sehen Sie, das wollte ich gerade feststellen: Steuern sind von Ihnen nicht zu bekommen! (Sehr richtig! und Zuruf bei der Wirt⸗ schaftspartei: Gott sei Dank nicht!) — Ja, meine Damen und Herren, ohne Steuern läßt sich aber ein Gemeinwesen nicht auf⸗ rechterhalten, und deswegen gilt mein Appell in erster Linie der Wirtschaftspartei.
Und nun noch eine kurze Bemerkung mit Bezug auf die Personalpolitik! Gestern ist ja von der Personalpolitik der preußischen Staatsregierung nicht gerade Neues gesagt worden. Das einzige Neue war der sogenannte „Fall Haas“. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, dieser „Fall Haas“ ist für die Staatsregierung kein Fall. Die Begründung, die Herr Kollege von Eynern seinen Beanstandungen gegeben hat, ist doch nicht richtig. Daß der Oberpräsident Haas von der Sorge getrieben worden sei: „Wie erreiche ich es für meine Partei, Wahlstimmen heranzuziehen?“, kann man doch nicht behaupten. Die beanstan⸗ deten Versammlungen fallen ja gar nicht in die Wahlzeit. Es kam dem Herrn Oberpräsidenten Haas gar nicht darauf an, Wahl⸗ stimmen für die Sozialdemokratische Partei heranzuziehen, sondern er hat sich an solchen Demonstrationen und an solchen Versamm⸗ lungen beteiligt, die der Abwehr der faschistischen Gefahr galten. Und — meine sehr verehrten Damen und Herren, das möchte ich hier auch mit aller Deutlichkeit zum Ausdruck bringen — die Beamten, die in dieser Zeit der allgemeinen Panikstimmung, der allgemeinen Kopflosigkeit den Weg weisen, der wieder zur ruhigen Besinnung führt, diese Beamten werden nicht nur nicht gerüffelt, sondern diese Beamten sind nach meiner Meinung die besten Beamten der preußischen Verwaltung. (Sehr gut! bei den Sozial⸗ demokraten.)
Ob das Plakat, das Herr von Eynern beanstandet hat, und das mit den Worten begann: „Der Bürgerkrieg ist da“, richtig redigiert war, das wage ich nicht zu beurteilen. Ich habe es nicht gesehen. Aber für die Fassung dieses Plakattextes, für die Formu⸗ lierung des Plakats ist ja doch der Herr Oberpräsident Haas nicht verantwortlich. (Zuruf rechts.) Hätte man ihm das Plakat vor⸗ gelegt, so würde er es wahrscheinlich anders formuliert haben. Aber Sie wollen aus der Tatsache, daß ich gerade in den letzten Wochen gegen aufreizende Plakate Bestimmungen erlassen habe, folgern, daß mir daran liegt, auch durch unzweckmäßige Bekannt⸗ machungen an den Anschlagsäulen und an anderen öffentlichen Stellen eine Beunruhigung nicht eintreten zu lassen. (Zuruf vechts: Er ist doch mitmarschiert!)
Und nun noch ein paar ganz kurze Bemerkungen zu der Ver⸗ waltungsmaschine im allgemeinen! Herr von Eynern hat gestern gemeint: „Was haben Sie denn — das war an die Adresse der preußischen Staatsregierung insgesamt gerichtet — aus der preu⸗ ßischen Staatsmaschine gemacht, die früher so vortrefflich funktio⸗ nierte!? Heute Eifersüchteleien von Ressort zu Ressort, und morgen Diskrepanzen sogar in den einzelnen Verwaltungs⸗ abteilungen!“ Ich habe in den letzten Wochen aufmerksam die Memoiren des Fürsten Bülow gelesen, der sich an einigen Stellen auch über die Verwaltungsarbeit in den preußischen Ressorts aus⸗ gelassen hat, und was er dort über einige Minister und Beamte
werden können. Denn wir müssen doch damit rechnen, daß ein
gesagt hat, klingt nicht gerade überzeugend dafür, daß unter dem
alten Regime die Verwaltungsarbeit in Preußen besonde funktioniert habe. Und dann wollen Sie doch am Eing 8 Stein⸗Jahres — wir wollen doch im nächsten Jahre das An des Freiherrn vom Stein feiern — sich gefälligst daran ens daß der Freiherr vom Stein um deswillen einmal flüchten deswillen einige Male sich versteckt halten mußte, weil 8
konnte.
Also, meine sehr verehrten Damen und Herren, das soll de letzte Bitte an Sie und insbesondere an die Herren der pe partei sein: Nicht mit Sehnsüchten nach der Vergangenheit heutige Zeit ausfüllen und nicht nur nach einer besseren unz einer besseren Zukunft träumen, sondern beharrlich eine bag. Gegenwart herbeiführen —, das sollte heute die Aufgabe Parteien sein. (Lebhaftes Bravo und Händeklatschen
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193. Sitzung vom 19. Dezember 1930. (Bericht d. Nachrichtenbüros d. Vereins deutscher Zeitungsve
Vor Eintritt in die Tagesordnung beantragten Kommunisten, einen von ihnen eingebrachten Antrag. . sich gegen das in Magdeburg verhängte Demonstt. tionsverbot und gegen die Beschränkung . Versammlungsfreiheit richtet, nachträglich auf . Tagesordnung zu seben. Von den Sozialdemokrate dagegen Widerspruch erhoben; man könne den Antrag der ersten Beratung des Haushalts verbinden. To der kommunistische Antrag auf sofortige Beratung erl
Eine Rihe weiterer Anträge werden dem zust Ausschuß überwiesen, so ein Zentrumsantrag au legung des Materials zur Verhinderung ua Massenunglücken im Bergbau, ein Antrag we Sozialdemokraten über Für s orgeerziehung, kommunistischer Antrag auf eine Hilfsaktion l durch Hochwasser geschädigten Klei bauern und ein weiterer kommunistischer Antrag; Herabsetzung des Preises für Bauten,h von der Siedlungsgesellschaft „Deutschland“ ausgefite worden sind.
In Erledigung der Tagesordnung werden gleichfett der Ausschußberatung überwiesen Anträge über weiteng Ausbau der Grubensicherheit, über die M hebung der zur Regelung der Kommunalbesteuerung einge etzten Staatskom missare, über Hochwasset
äden, über die Verwendung der Mittel am
em zusätzlichen Reichswohnungsbaupr gramm, über Aufhebung der provinzielle Wohnungsbaufürsorgegesellschaften se über Neuregelung der nungsbautätigkeit.
Nachdem noch ohne dnssgrach⸗ Strafverfolgungsantrh gemäß dem Antrag des Ausschusses erledigt waren, beg das Haus die Aussprache zu dem Antrag des Ausschuf über den Vertrag mit der Volksbühne Berl wegen der am Platz der Republik. Ausschuß hatte sich am Mittwoch für die Genehmigung u gesprochen und die Annahme einer Entschließung beante wonach das Staatsministerium ersucht wird, den 7 minister zu veranlassen, die vom Landtag beschlossenehh höhung der im Haushaltsplan 1930 bereitgestellten Eu von 1 200 000 RM auf 1 600 00 RM in vollem Unfin durchzuführen, die von ihm über die letzten 10 vH. di⸗ Betrages verfügte Sperre aufzuheben und die der à Breslau für die Erhaltung ihres Theaters bewilligte Sum von 150 000 RM dem ursprünglichen Vorhaben gemß außerplanmäßig zur Verfügung zu stellen.
Abg. Dr. Lauscher (Hentr.) berichtet über die A verhandlungen. Zunächst sei die Regierung beauftragt u mit der Stadt und mit der Volksbühne zu verhandeln. 2 letztere sollte auf gütlichem Wege veranlaßt werden, auf die Nch aus dem mit ihr geschlossenen Vertrage zu verzichten, mit mm Ziele, die Krolloper zu schließen. Der Vertrag sollte ursp erst 1949 sein Ende erreichen. Das Defizit blieb schon im Jahre kaum noch hinter 2 Millionen zurück und überschret diese Summe in diesem Jahre. Es gab keinen Weg außer! der gütlichen Verständigung. Das ist nun geschehen. N Leistungen des Staates sollen danach nicht mehr als 5 vbp. bisherigen betragen. Auf einen Verzicht der Volksbühne a Rechte habe doch niemand rechnen können. Und erst abzul⸗ bis die Volksbühne ganz bankerott sei, gehe auch nicht an. 2 Ziel sei, die Krolloper von der Staatsbühne loszulösen, damit die Staatsfinanzen nicht mehr beeinträchtigen könne. Zeitungsartikel „Zentrum schützt roten Kunstbetrieb“ sei we⸗ abwegig und unzutreffend. Die Herabsetzung der Plätze nicht auf Veranlassung der Volksbühne, . auf wie Bitte des Staates ürfolgt. Die gesamte Leistung des Staat dem neuen Vertrage, selbst auf die vollen 20 Jahre b würde nicht das Defizit eines einzigen Jahres erreicher Redner empfiehlt die Annahme des Ausschußantrages.
In der Aussprache erklärt Abg. Dr. (D. Vpy. ½ gegen den Ausschußantrag; die Aussprache im Ausschuß sei ve unzulänglich gewesen. Durch Schluß der Debatte sei es sen Fraktion unmöglich Pewedan⸗ ihre Meinung zur Geltung bringen. Es müsse daher hier die Möglichkeit bestehen, eine. zahl von Fragen an den Berichterstatter zu richten, ohne dar Zeit auf die Redezeit angerechnet werde. Die Motive, die q Staat zum Abschluß des Vertrags bestimmt hätten, seien zw. los Gründe der Verwaltung gewesen. Aus dem Probler Freizeit der Angestellten und Künstler, die man aus mc nationalen Gründen möglichst habe erweitern wollen, erged⸗ die Zustimmung der Minister zu dem Vertrag. Der öffeng rechtliche Gesichtspunkt sei bei den Verhandlungen mit der ven bühne vollkommen ignoriert worden. Die Fe tugen der voe bühne seien sehr bescheiden. Der Staat habe ihr im übrig
*) Mit Ausnahme der durch Sperrdruck hervorgehobenen 9 der Herren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben sind
Fortsetzung in der Ersten Beilage.) 8
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Verantwortlich für Schriftleitung und Verlag: Direktor Mengering in Berlin. S ick der Preußischen Druckerei⸗ und Verlags⸗Aktiengesel bct Berlin Wilhelmstr 32.
Sechs Beilagen
(einschließl. Börsenbeilage und zwei Zentralhandelsregisterbeile 8
seinem Reformwerk nicht mehr auf eine Linie mit der Vemn tungsmaschinerie des damaligen Preußischen Staates 8
10000 Plätzen,
öffentlichen Wes.
Deutsche
Beilage
nzeiger und Preußischen
Berlin, Sonnabend, den 20. Dezember
—
Staatsanzeiger
(Fortsetzung aus dem Hauptblatt.]
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ation fast alle Verpflichtungen abgenommen. Der Redner daß die Regierung wenigstens die fehlenden Unterlagen aaen müsse, um die Entschädißungsfrage sachlich entscheiden nen Vor Zeugen hat einer der Leiter der Volksbühne er⸗ zaß sie nicht mehr in der Lage sei, — Vertrag zu er⸗ eort, hört! rechts.) Wenn der eine Partner den Vertrag ist dieser doch gelöst, aber er kann keine Entschädigun ichen. Die Volksbühne hat schon selbst ihre finanzielle hrung von 700 000 auf 240 000. ℳ im Jahr herabgedrückt,
die sie abnehmen wollte, auf 65 Plätze neuen Vertrag. Das zeugt auch davon, daß sie sich nicht de sieht, den alten Vertrag zu erfüllen. Wir wollen soziale ntunst, aber wir halten es nicht für richtig, daß der Staat weckose Opfer bringt. Wir verlangen, daß die Unterlagen werden. Die Kunst der Volksbühne ist im großen und nicht fürs Volk gewesen. Die Oberrechnun skammer hat en aufgestellt, die hier verletzt sind. Wir lehnen den Ver⸗
ba. König (Soz.) bestreitet, daß in der Ausschußberatung tspartei an der ausführlichen Darlegung ihres Stand⸗ verhindert worden sei. Bei dem Vertrage sei die Volks⸗ luicht die Nehmende, sondern die Gebende. gSchulz⸗Neukölln (Komm.) wirft den Sozialdemokraten Schwindel vor. Von dem Kulturreaktionär Grimme an nicht erwarten, daß er sich für eine soziale Oper ein⸗ Wenn der Vorredner dem zu Willen sei, so ge⸗ das, weil der Abgeordnete König hoffe, doch noch einmal minister zu werden. je Weiterberatung wird durch die Vöornahme von Ab⸗ mungen unterbrochen.
er Mißtrauens⸗Antrag der Deutschnationalen den Ministerpräsidenten Dr. Braun und den Innen⸗ r Severing wegen ihrer das Verbot ablehnenden g zu dem Film „Im Westen nichts Neues“ wird in klicher Abstimmung mit 224 Stimmen der Regie⸗ parteien gegen 182 Stimmen der Opposition bei mmenthaltungen abgelehnt. (Pfui⸗Rufe rechts; Beifall n Regierungsparteien.)
uf Antrag des Abg. Jürgensen (Soz.) wird mit nträgen zur ersten Lesung des Etats auch ein Antrag ker Parteien verbunden, im Etat für 1931 einen zweiten g zum Bau einer Wasserleitung im Kreise Jork in bvon 100 000 RM einzusetzen.
u der dann fortgesetzten Debatte zum Vertrag mit kolksbühne Berlin führt
Schulz⸗Neukölln (Komm.) weiter aus, in diesem zeige sich, wie die Bürgerlichen im Verein mit [demokraten die Staatskasse ausräuberten. Dafür, daß um dem Kroll⸗Vertrage zustimme, erhalte es Subven⸗ der zugesichert von dem Volksbühnenbund. Als der Redner ng der Abgg. König (Soz.) und Hildegard Wegscheider enüber den mit Schließung der Krolloper erwerbslos
Personen als „allgemeine Schwätzerei“ charakterisiert, präsident Wiemer diese Ausdrucksweise. Der Redner daß an Stelle der Krolloper das Staatstheater in Wies⸗ gischlossen werde, weil es nicht nötig sei, daß den kapi⸗ heen Prassern in diesem Badeort auch noch auf Staatskosten astung verschafft werde. Weiter begründet er Anträge zu⸗ des vor der Entlassung stehenden Kroll⸗Personals. Als isagt, König, der vorbeigelungene Kultusminister, und die mspfaffen hätten dem Kroll⸗Personal ein schönes Weih⸗
aheschenk versetzt, zieht er sich abermals eine Rüge des Präsi⸗
zu. Der Redner behauptet zum Schluß noch, durch die zung der Krolloper würden in der Tat, nach den Berech⸗ eines Kritikers, nur 621 RM jährlich erspart. Dafür an die soziale Kunstpflege in dem Preußen preis, das unter g der Sozialdemokratie mit dem Zentrum reaktionäre politik treibe. (Lebhafte Zustimmung bei den Kommunisten.) Riedel (D. Staatsp.) weist zur Geschäftsordnung hin, daß angesichts der zum Kroll⸗Vertrag noch vor⸗ n großen Rednerliste der Landtag nicht mehr imstande fürde, vor der heute beginnenden Weihnachtspause die Aus⸗ zzur ersten Lesung des Etats zu beenden. (Lärm bei den unisten und Rufe: Die Debatte soll abgeriegelt werden!) ltestenrat seien sich aber die Parteien einschließlich der umnisten darüber klar geworden, daß man heute die Weih⸗ erien beginnen wolle, nicht zuletzt, um denjenigen Ab⸗ eten, die Geschäftsleute sind, zu ermöglichen, sich um das achtsgeschäft zu bekümmern. Er beantrage daher Vertagung ebatte über den Theatervertrag und sofortige Weiter⸗ ag der Etatberatungen. 1s Abg. Schulz⸗Neukölln (Komm.) ausführt, lediglich um tziger Geldinteressen geschäftiger Abgeordneter willen“ solle U⸗Debatte abgewürgt werden, erhält er einen Ordnungsruf. er Antrag Riedel wird mit großer Mehrheit an⸗ men.
In der nun fortgesetzten Aussprache zur ersten Lesun tats geht Finanzminister Dr. Höpker Aschof hie bisherigen Ausführungen der Debatte ein. Seine wird nach Eingang des Stenogramms veröffentlicht
Hensen⸗Godesberg (Zentr.): Preußen ist ohne
el dazu berufen, an der Sanierung der Verhältnisse im entscheidend mitzuarbeiten. Denn wie Preußen dank der 3 Regierungsverhältnisse seit Jahren den starken Hort für ketigkeit und die ruhige Entwicklung zum Wiederaufbau im n Keich darstellt, so bildet es auch dank der eigenen ge⸗ Finanzverhältnisse den Angelpunkt der Reichssanierung zieller Beziehung. Die Zentrumsfraktion dankt dem ministerium für die Ordnung des eigenen Haushalts wie ur die entscheidende Mitarbeit an der Reichssanierung. Die vnnung für die Koalitionsparteien, auf die sich die Staats⸗ estütz, kann man ruhig der Geschichte überlassen. Mit zlenne das Zentrum, daß Dr. Brüning zu 8 gehöre, der Licssanierung durchführe. Das Zentrum verfolge das Ziel, breußen, so auch im Reich stabile Verhältnisse zu schaffen. vewünsche es gewissenhafte Wahrnehmung der nationalen sn den esäagt aen Festigung der Selbstverwaltung,
ung der Wirtschaft durch äu 8 Sparsamkeit und evt
8 88 durch staatli
Ar e Hilfsmaßnahmen sowie Sicherung ge⸗
eits- und Lebensbedingungen für die weitesten Schichten Se Redner gibt dann ein ausführliches Bild der ung's, dem neuen Etat und bedauert, daß es der Reichs⸗ ig nicht möglich war, die Hauszinssteuer jetzt schon umzu⸗ 8 e beim Staatsvermögen angeführten 38 Millionen seng vo orderungen an Gemeinden, die zum
1 Hochwasserschäden zurückgehen, müßten angesichts ninifntaftrophe im Osten und Westen erlassen werden. Der standes. maüse im Hinblick auf die Notlage besonders des kandes und der Landwirtschaft Steuermilde walten lassen.
Teil auf Be⸗
Es müsse möglich sein, wieder einen besondere ’ in Grenzfon n
den Etat aufzunehmen. Bedauerlich sei, daß Preußen losiane 2— 8* Vertreter der Rheinprovinz in der Frage der Herabsetzung es G stfonds von 20 auf 5 Millionen Reichsmark nicht bis zum guten Ende unterstützt habe. Der Redner legte noch ein Bekennt⸗ nis zum Berufsbeamtentum ab und meinte, wichtiger als Be⸗ amtenabbau sei Aufgabenabbau, der eine Verbilliqung der öffent⸗ lichen Verwaltung 3281 Zur Verwaltungsreform forderte er Ablehnung der Grofstea tstaaten und Schaffung leistungsfähiger Kommunalgebilde. ie außerordentlich schwere Finanzlage der Gemeinden werde wohl doch in den Ministerien nicht ernst genug genommen. Die beste Ordnung der Staatsfinanzen nütze nichts, wenn die Selbstverwaltung zum Chaos werde. Das Zentrum werde daher außer für den Grenzfonds auch dafür sorgen, daß ge⸗ nügende Mittel für den Ausgleichsfonds der Gemeinden und Ge⸗ meindeverbände durch erhöhte Sparabstriche bereitgestellt würden. (Beifall im Zentrum.)
Abg. Selbmann (Komm.) führt aus: Die chauvinistische Stimmung der vorliegenden Anträge sei nur ein geringer Ab⸗ klatsch von dem, was in Deutsch⸗Oberschlesien in den letzten Wochen von der sogenannten nationalen Einheitsfront geschehe. Hier spreche man vom Völkerbund und diplomatischen Schritten; in Oberschlesien propagiere man den neuen Weltkrieg. Schon sei der berüchtigte Zathsschuckommanden Haustein wieder in Ober⸗ schlesien. Deutschland habe in dem Liquidationsabkommen auf 2 ¼ Milliarden deutsche Forderungen an Polen zum Schaden deutscher Flüchtlinge nur zu dem Zweck verzichtet, um mit Polen sn einer Einheitsfront gegen Rußland zu kommen. Die ober⸗ chlesische Arbeiterschaft habe mit der nationalen Einheitsfront nichts zu tun. Auch die u hielten die Terrorakte der olmischen Banden gegen deutsche Minderheiten für eine Kultur⸗ sbanse aber der Terror der Polen richte sich nicht gegen die eutsche Minderheit als solche⸗ sondern gegen die revolutionäre Bewegung. Alle Führer der Deutschen Wahlgemeinschaft seien in Freiheit, aber alle kommunistischen Führer seien verhaftet. Die Verhetzung der Polen gegen die deutsche Minderheit sei ein Ab⸗ lenkungsmanöver von den Schwierigkeiten des kapitalistischen Systems in Polen. Polen stehe am Vorabend des Zusammen⸗ bruches dieses Systems. Die Deutsche Wahlgemeinschaft habe durch den polnischen Terror bedrohte deutsche Bauern im Stich ge⸗ lassen. Das oberschlesische Gebiet, in dem die Kommunisten die stärkste Partei seien, erscheine der deutschen Bourgeoisie national gefährdet, darum solle Oberschlesien faschistisch gemacht werden. Die Bewaffnung der Faschisten in Oberschlesien erfolge mit amt⸗ licher Hilfe. Der Redner wird zur Ordnung gerufen, als er er⸗ klärt, Minister Severing sei gestern auf einer Lüge ertappt worden. Um den drohenden Bergarbeiterausstand in Oberschlesien niederzuschlagen, der eine Folge des unerhörten Lohnabbaues sei, werde, um einen Streikbrecherschutz zur Hand zu haben, die 2 nach Oberschlesien gezogen und der Belagerungszustand verhängt.
Abg. Dr. Neumann⸗Frohnau (D. Vp.) bringt die Ver⸗ sammlungsverbote in Magdebur 1 Sprache und fordert objek⸗ tive, nicht parteipolitische Fandha ung des Versammlungsrechts. Das Defizit im preußischen Etat werde die Ersparnisse durch die vordatierten Gehaltssenkungen um ein mehrfaches übertreffen. Der Redner erörtert eine Reihe von Möglichkeiten, um parallel mit den Sparmaßnahmen im Reich auch am preußischen Etat zu sparen. Die ministeriellen Aufwandsentschädigungen seien noch immer zu hoch und gegenüber dem Reich, wo es z. B. für Staats⸗ sekretäre derartiges überhaupt nicht gebe, nicht am Platze. (Sehr riche rechts.) Der viel zu hohe Verwaltungsaufwand mache eine Verwaltungsreform geradezu zwangsläufig. Sie unterbleibe aber, weil die Koalitionsparteien dabei immer nur an Vorlagen dächten, die besondere Parteiwünsche befriedigen sellten. Man müsse auch nachprüfen, wie viele Beamte, insbesondere politische, Wartestandsgeld bezögen und in welcher Höhe. (Sehr richtig! rechts.) In den Sachausgaben komme leider ein allzu geringes Vertrauen der Behörden in den Preisabbau zum Ausdruck. Die Regierung sollte hier mit ihren Tarifen z. B. in der Elektrowirt⸗ schaft vorangehen, statt zu hemmen. (Sehr richtig! rechts.) Neues Geld für Bauzwecke sollte nur für den Wohnungsbau zur Ver⸗ fügung stehen. Die so erreichten Einsparungen von vielen Mil⸗ lionen sollten zur Auffüllung der leeren Grenzfonds, zu Reserve⸗ zurückstellungen für den sehr leicht möglichen Nanl großer Ueber⸗ weisungseinbußen und vor allem zur Senkung der Steuern dienen. Preußen habe ja die Steuersenkungspläne des Reiches in ziem⸗ lichem Umfang durchkreuzt. Für die Erhaltung des Altwohn⸗ raums müsse mehr geschehen, als durch die dreiprozentige Senkun der Hauszinssteuer, die den Hausbesitzer wieder übergehe, möglich sei. Unbillig sei der Senkungsschlüssel bei der Grund⸗ und Ge⸗ werbesteuer für die Gemeinden, die sparsamer als andere, die mehr bekämen, gewirtschaftet hätten. Leider hätten manche der ein⸗ gesetzten Sparkommissare nicht im Sinne der Förderung der Spar⸗ samkeit gewirkt. Die Staatsaufsicht versage, weil der Minister vom sozialistischen Standpunkt aus selbst gegen die Uebernahme möglichst vieler Aufgaben durch die Städte nichts einzuwenden habe. Der Redner fordert, daß die Finanzgebarung der Ge⸗ meinden einer wirklich unabhängigen Prüfungsstelle, wie es Ober⸗ rechnungskammer und Rechnungshof seien, unterstellt werde. Die Einsicht müsse endlich überall durchbrechen, daß die Ausgaben sich überall nach den Einnahmen zu richten hätten. Die Umkehrung dieses Grundsatzes trage die Hauptschuld an der jetzigen Notlage. (Beifall rechts.)
Abg. Dr. Graf von Posadowsky (Volksrecht P.) erklärt, es sei kennzeichnend, daß in dieser schweren Zeit die Aussprache über die Geschicke des Landes unterbrochen worden sei, um die Frage zu erörtern, ob am Platz der Republik Komödie 185 werden solle oder nicht. Das sei eben das hervorstechendste Merk⸗ mal unserer Zeit, daß man das I. nicht mehr von dem Unwesentlichen unterscheiden könne. Der Redner begründet einen Antrag seiner Partei, die Ursachen der Inflation durch eine Untersuchung festzustellen, und kritisiert die Antwort der Reichs⸗ regierung auf ein entsprechendes Verlangen des Freistaates Lippe. Die Reichsregierung habe nämlich geantwortet, von einer solchen Untersuchung absehen zu müssen, und diese Stellung u. a. damit begründet, daß die Untersuchung wahrscheinlich erfolglos bleiben würde. Damit stelle sich die Reichsregierung aber vor jene Ver⸗ brecher, die die Inflation künstlich und aus Eigennutz herbei⸗ geführt hätten. Für alles mögliche würden ja Untersuchungs⸗ ausschüsse eingesetzt, in einer so wichtigen Frage lehne der Reichs⸗ kanzler eine Untersuchung ab. Man würde vergebliche Hoffnungen bei den Geschädigten wecken, sage der Reichskanzler. Welche zarte Rücksichtnahme! Bei manchen Menschen fange das Rechtsgefühl erst an, wenn es sich um ihre eigenen Rechte handle. Bei den Aufwertungsgesetzen habe man solches Zartgefühl nicht besessen. Es sei klar, man will nicht wissen, wer die Verbrecher sind. Dem Finanzminister Höpker Aschoff müsse man Dank wissen, daß er sich ehrlich bemühe, in unsere trostlose zertrümmerte 7 inanzwirt⸗ schaft Ordnung zu bringen. Die Zerrüttung hänge mit der Miß⸗ wirtschaft früherer Finanzminister zusammen. Man habe mit der verschwenderischen Ausga enwirtschaft die neue Staatsform po⸗ pulär machen wollen. Das Bolk müsse aber die reeeee. haben, daß das Recht über der Wirtschaft und über der Parteipoliti stehe Wie drei Finanzminister eine Steuersenkung hätten ver⸗ sprechen können, sei unverständlich. Jetzt habe man vier 8ae Steuern. Besondere Opfer der Steuer esevaehun 12-2 88* jungen unverheirateten Beamten, die man reima huer th be.
müßten.
1930
Der preuische Justizminister habe ihm auf eine Anfrage schriftlich erwidert, es gebe einen ordentlichen Weg zur verfassungsändern⸗ den Gesetzgebung und die 8 enannte Durchbrechungstheorie. Alle diese hiernach erlassenen gepe sind, so betont der Redner, ei direkter Verfassungsbruch und daher null und nichtig. Be der Gehaltskürzung der Beamten habe man absolutistische Willkür mit parlamentarischen Formen verbrämt. In der e habe die Regierung Pöüg- „künstliches Geld“ ge⸗ schaffen. Künstliches Geld sei aber Falschgeld. Eine Aenderung des Beamtenrechts im Sinne einer Gehaltskürzung könne wohl für die Zukunft Anwendung finden, aber nicht auf die wohl⸗ erworbenen Pensionsrechte der — Beamten. Der ge⸗ borene Sesaeezigen nns. der Finanzminister sein. Da jei es sehr bezeichnend, daß man dem Finanzminister noch einen Spar⸗ kommissar auf die Nase gesetzt habe. Wenn die Selbstverwaltung in schnöder Weise mißbraucht werde, wie z. B. in Köln, so habe die Regierung die Pflicht, einzugreifen. Durch den Abschluß des Konkordats mit der katholischen Kirche habe der preußische Staat sein Hoheitsrecht preisgegeben. Sei dies nun aber einmal ge⸗ schehen, so müsse man den schleunigsten Abschluß eines Konkondats mit der evangelischen Kirche betreiben. Der neue polnische Staat führe die Zustände weiter, die Ende des 18. Jahrhunderts be⸗ standen hätten. Und die Verantwortung für die Schaffung dieses Staates trage die deutsche Regierung. Der Völkerbund sei nur ein Mittel zur Erpressung von Reparationen, das Gerede von der Abrüstung nur ein Gaukelspiel. Die deutsche Regierung sollte mit Rücksicht auf die Würde des deutschen Volkes aus diesem Völker⸗ bund ausscheiden.
Abg. Riedel (D. Staatsp.): Auch wir wünschen, daß die von uns zuerst beantragten Verhandlungen mit der evangelischen Kirche bald zum Vertragsabschluß führen. Ein Einspruchsrecht des Staates bei der Besetzung der leitenden Stellen kann nicht umgangen werden. Hinsichtlich der Berufung von Professoren theologischer Fakultäten hat der Landtag im Sinne unseres An⸗ trags früher nur beschlossen, den bisherigen Rechtszustand in dieser Frage festzuhalten. Eine Erweiterung würden wir für bedenklich halten. Dem Proest gegen den Terror der Polen schließen wir uns an. Wir fordern Maßnahmen zur Sicherung von Leben, Eigentum und Meinungsfreiheit der deutschen Be⸗ völkerung in Polen und Schadensersatz für jede zugefügte Unbill. Allerdings hat uns der Handelskrieg mit Polen nicht weiterge⸗ bracht. Trotz des Handelskrieges hat der Seegeseen; hundert⸗ tausende polnische Landarbeiter eingeführt. Weiter kommen wir nur, wenn in unserer Außenpolitik eine klare Orientierung zu erkennen ist, die es nicht allen miteinander recht machen will. Die Achtung vor der Stärke des Auswärtigen Amtes ist durch seinen plötzlichen Meinungswechsel beim Remarque⸗Film allerdings nicht gestärkt worden. Das deutsche Verbot des Films nützt im Aus⸗ land gar nichts, da er im Ausland nach wie vor gespielt werden kann. Da der Film zuerst zugelassen war, aber erst nach den Straßenkrawallen verboten wurde, ist gerade hierdurch das deutsche Arfchen im Auslande untergraben worden. Gegen die Hugen⸗ bergschen Ufa⸗Filme ähnlicher Art ist nicht protestiert worden. Wichtiger als der Inhalt des Filmes waren politisch die Straßen⸗ unruhen und der durch sie bewirkte Umfall der Reichsbehörden. Wer solche Straßenkrawalle aus parteipolitischen Gründen deckt, macht sich mitschuldig. Es ist bedauerlich, daß die Redner der Rechten kein Wort zum Schutze der Polizei und zur Verurteilung der Krawallmacher gefunden haben. Daß die Regierung die Polizeibeamten wegen ihres Extradienstes besonders finanziell be⸗ rücksichtigen will, ist zu begrüßen. Eigentlich müßten die Ver⸗ anlasser solcher Extradienste die Bezahlung dafür leisten. Die Härte des Beamtennotopfers fühlen wir mit. Aber das noch größere Beamtennotopfer in Italien beweist, daß nicht die Repa⸗ rationszahlungen allein die Schuld tragen. Noch viel schärfer sind die Kürzungen bei den Arbeitern und Angestellten durch Arbeitslosigkeit, Feierschichten und Lohn⸗ und Gehaltsabbau. Wir fordern, daß die Verwaltungsbeamten nach ihrer Tüchtigkeit be⸗ fördert werden, daß aber ihre Herkunft nicht entscheidend sein darf. Die höheren Verwaltungsbeamten haben ausschließlich den Staat und nicht ihre Partei repräsentativ zu vertreten. Unüberlegte Husarenritte wie gegen die Berliner Studentenmensuren und die Hissung der roten Fahne in Breslau müssen in so aufgeregten Zeiten unterbleiben. Um so mehr verurteilen wir die von den Rechtsparteien betriebene rücksichtslose Bespitzelung der republika⸗ nischen Verwaltungsbeamten auch außerhalb ihres Dienstes. In Magdeburg ist eine besondere Zentrale zu dem Zwecke eingesetzt worden, die republikanischen Beamten auch außerdienstlich dauernd zu bespitzeln. (Lebhaftes Hört, hört! links.) Die wohlerworbenen verfassungsmäßigen Rechte der Beamtenschaft mü sen geschützt werden. Wer aber die Voraussetzung dafür, nämlich das be⸗ sondere Treueverhältnis zum Staat, lockert, untergräbt damit aufs ws. das Bengfabeanaen mee. Wir bedauern daß in⸗ folge der Reichstagsauflösung das Osthilfegesetz nicht verabschiedet werden konnte. Gegen die Durchführung der Osthilfenotverord⸗ nung haben wir manche Bedenken. Es darf nicht der Eindruck entstehen, als ob hier parteipolitische Gesichtspunkte oder persön⸗ liche Beziehungen ausschlaggebend seien. Das trifft vor allem auf die Provinz Niederschlesien zu. Die unverantwortliche Interessen⸗ politik der Landvolkpartei und der Wirtschaftspartei lehnen wir ab. Wenn alle Parteien so handelten, wäre ein völliger Zu⸗ sammenbruch der Wirtschaft und der Finanzen die Folge. Beide Parteien scheinen die Sehnsucht zu aben, in politischer und geistiger Zinsknechtschaft bei den Nationalsozialisten zu leben. (Heiterkeit und sehr gut! links.) Dafür erhalten sie von den Nationalsozialisten dauernd nur Fußtritte. Die nationalsoziali⸗ stische Agitation steht auf dem tiefsten Niveau, das man sich denken kann. In einer nationalsozialistischen Schuldnerversammlung in Landsberg a. W. hat der Redner von den gegenwärtigen Ministern gesagt, daß sie mit dem Bauch an der eke ständen, während der Kopf in der Gosse läge, und hat unter dem Beifall der jugendlichen Schüler ausgeführt, daß diese Minister mehrfach
erädert werden müßten. Zu so etwas fühlt sich das gebildete Bür ertum in der Volkspartei hingezogen? Die Untergrabung der Staatsautorität um jeden Preis wird sich später an den Ur⸗ hebern selbst rächen. Die Opposition stellt in der Zeit der größten Not unseres Volks bewußt den Parteikampf über das Vaterland. Die spätere Geschichte wird darüber das Urteil fällen. (Beifall bei den Demokraten.) 8
Abg. Ladendorff (Wirtsch. P.) erklärt gegenüber dem Ab⸗ geordneten Riedel (Dem.), die Staatspartei, die im Reichstag eine Anleihe habe aufnehmen müssen, um Fraktionsstärke zu erlangen, habe keine Ursache, auf andere Parteien zu schimpfen. In An⸗ betracht dessen, daß man außer dem Mindereingang bei den Be⸗ triebsverwaltungen von 20 Millionen noch mit weiteren Aus⸗ fällen rechnen müsse, werde das Jahr 1930 mit einer gefährlichen Unterbilanz abschließen. Charakteristisch für die Lage auf dem Wohnungsmarkt sei das Leerstehen von gewerblichen Räumen und Großwohnungen. Selbst Drei⸗ bis Vierzimmerwohnungen ständen leer. Trotzdem leiste man sich noch den Luxus kostspieliger Woh⸗ nungsämter, die die überflüssigsten Behörden darstellten, die es gäbe. Mindestens 25 vH des Aufkommens aus der Hauszins⸗ steuer würden von dem Verwaltungsapparat verschlungen. Der staatliche EA“ mit Mitteln der Hauszinssteuer habe lediglich zum Schaden der Wohnungsuchenden gearbeitet. Man begründe die Notwendigkeit staatlicher Bantätigkeit damit, daß Wohnungen für die Minder⸗ und Unbemittelten erstellt werden Dabei seien unter den von der Privatwirtschaft vor dem
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