Reichs⸗ und Staatsanzeiger Nr. 36 vom 12. Februar 1931. S.
wetter!) Bericht und Konventionsentwurf sind dem Völker⸗ bundsrat zugeleitet und von ihm zur Kenntnis genommen worden. Sie werden mit den noch nachzuholenden technischen Ergänzungen alsbald allen Regierungen übermittelt werden. Bei der Vorlage dieser Dokumente im Rat habe ich im Anschluß an 8 die Erklärungen, die Graf Bernstorff im Vorbereitenden Ab⸗ rüstungskomitee abgegeben hatte, die deutsche Stellungnahme zum Konventionsentwurf noch einmal festgelegt. Das Rüstungsschema dieses Entwurfs läuft nach unserer Auffassung höchstens auf eine Stabilisierung des heutigen Rüstungsstandes hinaus. Zum Teil würde es sogar noch eine Erhöhung des Rüstungsstandes er⸗ lauben. (Hört, hört!) Daher hat sich schon im Frühjahr 1929 der deutsche Vertreter auf Weisung der deutschen Regierung von dem Programm der Mehrheit des Ausschusses losgelöst. Die Kommission hat auch diese deutliche Warnung nicht beachtet. Sie ist schließlich so weit gegangen, den schon an sich völlig un⸗ genügenden Entwurf auch noch von vornherein zu verbinden mit einer erneuten Festlegung des uns vertragsmäßig auferlegten Entwaffnungsstandes. (Hört, hört!) So war es selbstverständ⸗ lich, daß wir das Ergebnis der Arbeiten des Vorbereitenden Ab⸗ rüstungskomitees ablehnten. (Zustimmung.) Diese Ablehnung habe ich im Verlaufe der Tagung des Völkerbundsrats wiederholt und dabei nochmals dargelegt, daß der Konventionsentwurf keine verpflichtende Kraft besitze.
Der Völkerbundsrat hat sich sodann mit dem Termin für die Allgemeine Abrüstungskonferenz beschäftigt. Noch im vergangenen Herbst war die Mehrheit im Völkerbund nicht bereit, einen Termin für die Allgemeine Abrüstungskonferenz festzulegen. Diese Widerstände sind jetzt überwunden. Der Termin ist endlich festgesetzt. Selbstverständlich hätte ich es begrüßt, wenn es möglich gewesen wäre, die Allgemeine Abrüstungskonferenz zu einem noch früheren Termin zusammenzuberufen. Ich habe mich aber damit einverstanden erklärt, daß der Beginn statt in den November 1931 auf Anfang 1932 gelegt worden ist. Die Konferenz beginnt im Anschluß an die Januartagung des Völkerbundsrats am 2. Fe⸗ bruar 1932, also zu einem Zeitpunkt, wo eine große Zahl von Außenministern ohnehin in Genf versammelt ist und eine lange pausenlose Arbeitszeit zur Verfügung steht.
Die Frage des Vorsitzes der Allgemeinen Abrüstungskonferenz war in wenig erfreulicher Art vor der Januartagung in die Welt⸗ öffentlichkeit lanciert worden. Der Völkerbundsrat hat be⸗ schlossen, wie bei anderen großen vom Völkerbund einberufenen Konferenzen die Vorsitzenden selbst zu bestimmen. Er hat aber zu den Personenfragen noch keine Stellung genommen; es bedarf dazu noch weiterer Verhandlungen, die von dem Grundsatz ge⸗ tragen sein müssen, daß in der Führung der Konferenz volle Un⸗ parteilichkeit gewahrt bleibt (sehr richtig!) und auch der bloße Anschein vermieden wird, als könne dieser Grundsatz durch⸗ brochen werden. (Erneute Zustimmung.)
Wir nähern uns so dem Abschluß der Vorarbeiten des Völker⸗ bundes für die allgemeine Abrüstungskonferenz. Die Zeit bis zu ihrem Zusammentritt wird durch diplomatische Verhandlungen ausgefüllt werden. (Zurufe von den Kommunisten.) Bei der Größe der Aufgabe ist zu erwarten, daß die Außenpolitik der ge⸗ samten Länder in der nächsten Zukunft entscheidend von ihr be⸗ einflußt werden wird. Auf der Allgemeinen Abrüstungskonferenz wird der große Prozeß, den wir seit Jahren vor der Weltöffent⸗ lichkeit um die Durchführung der allgemeinen Abrüstungsverpflich⸗ tung führen, zu Ende gebracht werden. Damit wird sich heraus⸗ stellen, ob es zur Abrüstung kommt oder nicht. Von Prophezei⸗ ungen sehe ich ab. Für uns ist entscheidend, daß wir einen klaren Rechtsanspruch auf Durchführung der allgemeinen Abrüstung haben (sehr wahr! bei der Mehrheit), daß wir uns nicht mit einer noch längeren Verzögerung der Erfüllung dieses Anspruchs ab⸗ finden werden. (Lebhafte Zustimmung.) Wir können hierbei für uns die Tatsache buchen, daß die Ueberzeugung von unserem Recht auf allgemeine echte Abrüstung Schritt um Schritt an Boden ge⸗ wonnen hat. Ich will gern anerkennen, daß auch von franzö⸗ sischer Seite kürzlich im Völkerbundsrat ein Bekenntnis zu dem „engagement sacré“ aus Artikel 8 der Völkerbundssatzung ab⸗ gelegt worden ist. Ebenso haben maßgebende englische Kreise noch letzthin das deutsche Recht auf allgemeine Abrüstung betont. (Abgeordneter Dr. Kaas [Trier: Sie haben nur vom moralischen Recht gesprochen!) So hat noch gestern der englische Außen⸗ minister in einer Abrüstungskundgebung der Internationalen Frauenliga erklärt, daß jedes Mitglied des Völkerbundes durch Gesetz und Ehre zur Abrüstung verpflichtet sei. (Hört, hört!) Mit Befriedigung können wir auch hinweisen auf Kundgebungen wie die Weihnachtsbotschaft der Carnegie⸗Stiftung, die an die endliche Verpflichtung auf Abrüstung der alliierten und assoziierten Mächte mahnt. (Zurufe von den Kommunisten: Aufrüstung! Glauben Sie das, Herr Curtius?) Nun müssen den Worten die Taten folgen.
Der Maßstab, den wir an das Konferenzergebnis anzulegen haben, ist einfach. Wir verlangen Sicherheit, und zwar denselben Grad von Sicherheit, den die anderen Staaten für sich in Anspruch nehmen. (Lebhafte Zustimmung bei der Mehrheit. — Zurufe von den Kommunisten.) Wenn die anderen Staaten ein Naturrecht geltend machen, ihre Landesgrenzen zu sichern, zum Schutz gegen jeden Angriff alle erforderlichen Verteidigungsmaßnahmen zu treffen, so darf nicht mit zweierlei Maß gemessen werden, so kann Deutschland erst recht Anspruch auf Sicherheit erheben. (Stür⸗ mische Zustimmung und Händeklatschen.) Deshalb werden wir immer mit größter Entschiedenheit betonen, daß ein Ausgleich der Rüstungsunterschiede nicht nur eine vertragliche Verpflichtung darstellt, sondern daß er auch unabweisbar notwendig ist, um Ruhe und Sicherheit in Europa zu schaffen. (Sehr richtig!)
Der Völkerbund aber steht vor seiner wichtigsten Aufgabe. Seine Zukunft, sein Bestand würde gefährdet, wenn er sich nicht imstande erweisen sollte, das Abrüstungsproblem zu lösen. (Er⸗ neute Zustimmung.) Nicht nur für uns, für alle Welt ist die Lösung der Abrüstungsfrage der Prüfstein des Völkerbundes. (Wiederholte Zustimmung.) Ich habe deshalb im Rat die Er⸗ klärung abgegeben:
Würde der Völkerbund den Grundsatz paritätischer Sicher⸗ heit preisgeben, würde er bei dieser Aufgabe versagen, die darin besteht, durch Abrüstung allen seinen Mitgliedern Sicherheit zu verschaffen, so würde er seine Frikdensaufgabe verfehlen, sein eigenes Dasein erschüttern, seine Daseinsberechtigung verlieren.
Erfüllt er seine Abrüstungsverpflichtung, so werden wir die ersten sein, das anzuerkennen. Niemand kann mehr an wirk⸗ licher Abrüstung gelegen sein als dem deutschen I“ 4 (Lebhafte Zustimmung.) ““
Im Mittelpunkt der Tagung des Völkerbundsrats stand die Behandlung der polnischen Gewalttaten gegen die deutschen Minderheiten in Oberschlesien sowie in Posen⸗Pommerellen.
Es war das erstemal, daß eine Ratsmacht von sich aus von der Befugnis Gebrauch machte, die Aufmerksamkeit des Völker⸗ bundsrats auf eine Verletzung der Minderheitenschutzbestim⸗ mungen zu lenken.
Die Terrorakte waren besonders schwerwiegend. Sie erhielten ihr Gepräge durch Duldung und Förderung seitens amtlicher Stellen. Neben der im Volkstumsgedanken wurzelnden Pflicht der Treue zu unseren unter fremder Staatshoheit stehenden Volks⸗ genossen war es für uns bestimmend, daß der Völkerbund an einer so schweren Verletzung der Schutzbestimmungen nicht ohne Einbuße seines Ansehens vorübergehen konnte.
Der Inhalt unserer drei Noten ist bekannt. Sie wurden vom Völkerbundsrat zur Verhandlung mit der später einge⸗ laufenen Beschwerde des Deutschen Volksbundes verbunden. Auch meine Anklagerede und Replik sowie die Ausführungen des pol⸗ nischen Außenministers dürften in Ihrer Erinnerung sein.
Der gesamte Sachverhalt lag nach Abschluß der Verhand⸗ lungen so klar, daß eine weitere Beweifsaufnahme, etwa durch persönliches Gehör des Präsidenten der Gemischten Kommission für Oberschlesien oder durch Einsetzung einer neutralen Enquéte⸗ kommission, nicht mehr erforderlich war. (Hört, hört!) Auf Grund unseres Vorbringens kam der Rat zu einer sofortigen Ent⸗ scheidung.
In dem Beschluß des Völkerbundsrats konnten aus den Wahlentrechtungen keine Folgerungen für die Ungültigkeit der Wahlen gezogen werden. Die oberschlesische Minderheit hatte er⸗ klärt, daß sie sich wegen der Wahlentrechtung an die polnischen Instanzen gewandt hätte und sich ausdrücklich die Einreichung einer besonderen Beschwerde an den Rat für später vorbehielte. Für die Minderheit in Posen⸗Pommerellen unterstellt der Be⸗ schluß das gleiche Vorgehen. Der Beschluß beschränkt sich unter diesen Umständen darauf, die politische Seite der Wahlentrech⸗ tungen ins Auge zu fassen. Diese Seite wird durch die nach⸗ folgende Entscheidung über die Gewalttaten als solche und über das den ganzen Vorkommnissen zugrunde liegende System mit umfaßt. Die Mißbilligung des polnischen Verhaltens seitens des Rates erstreckt sich damit auch auf die Vorgänge in Posen⸗Pom⸗ merellen.
Mit klaren Worten stellt der Bericht fest, daß in zahlreichen Fällen eine Verletzung der Bestimmungen der Genfer Kon⸗ vention vorliegt. Er verlangt von der polnischen Regierung bis zur Maitagung des Rates eine Mitteilung der Ergebnisse der eingeleiteten Straf⸗ und Disziplinarverfahren und der Ent⸗ schädigungsaktion für die Opfer.
Das Verhalten der polnischen Behörden, des Aufständischen⸗ Verbandes und die Zusammenhänge zwischen diesem und pol⸗ nischen Beamten wird einer eingehenden Kritik unterzogen. Ohne Nennung von Namen wird mit aller Deutlichkeit auf die Schuldigen hingewiesen. Vom Aufständischen⸗Verband wird ge⸗ sagt, daß er offenbar von einem Geiste beseelt ist, der sicherlich nicht die Annäherung zwischen zwei Elementen einer Bevölke⸗ rung erleichtert deren friedliches Nebeneinander eine Vorbedin⸗ gung der politischen Konsolidation in diesem Teile Europas dar⸗ stellt. Es wird zum Ausdruck gebracht, daß das Gefühl des Ver⸗ trauens der deutschen Minderheit unglücklicherweise tief er⸗ schüktert zu sein scheine.
Der Beschluß stellt sodann Richtlinien auf über gewissenhafte Beachtung der Minderheitenrechte und weitgehendes Verständnis der Behörden für deren Lage, über die Pflicht der Behörden und gerade der höchstgestellten, sich nicht dem Verdacht der Beteiligung an politischen Streitigkeiten auszusetzen, über die Unzulässigkeit der Privilegierung von Vereinen mit ausgesprochen natio⸗ nalistischer Tendenz und die Lösung der besonderen Bande die zwischen den Behörden und derartigen Vereinigungen bestehen usw. Die polnische Regierung wird schließlich aufgefordert, an der Hand dieser Richtlinien eine Nachprüfung vorzunehmen. Sie wird ausdrücklich darum ersucht, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen um jene besonderen Bande zwischen den Behörden und den genannten Vereinigungen zu lösen. (Hört, hört!) Auch über die auf diesem Gebiet unternommenen Maßnahmen hat die polnische Regierung bis zur Maitagung des Völkerbundsrates zu berichten. 3
Es ist für die Geschichte des Minderheitenschutzes von be⸗ sonderer Bedeutung, daß die Feststellung von Vertragsverletzungen durch eine dem Völkerbundsrat angehörige Macht seitens des Rates in aller Deutlichkeit erfolgt ist und daß der Völkerbundsrat eine Ratsmacht so eindringlich aufgefordert hat, die vorhandenen Mißstände zu beheben und der Minderheit zu ihrem Rechte zu verhelfen. Daran ändern nichts gewisse Erklärungen im Aus⸗ wärtigen Ausschuß des Senats in Warschau über die Genfer Tagung, die vergeblich zu beschönigen versuchen. (Beifall.)
In der Möglichkeit der Nachprüfung der Berichte der pol⸗ nischen Regierung bei der Maitagung liegt die wichtigste Ga⸗ rantie, die uns und den Minderheiten gegeben worden ist. Wir müssen erwarten, daß die polnische Regierung im Sinne des Ratsbeschlusses das Erforderliche veranlaßt, daß sie sich nicht von Ratschlägen beeinflussen läßt, wie sie in einigen polnischen Zeitungen nach der Genfer Entscheidung in geradezu zynischer Weise laut geworden sind. (Sehr richtig!) Es muß durch eine Aende⸗ rung des Systems den Minderheiten der Schutz gegeben werden, auf den sie nach den Verträgen Anspruch haben. (Zustimmung.) Wir werden das Ergebnis genau prüfen und behalten uns vor, falls es unseren Erwartungen nicht entspricht, die zur Erreichung des gewünschten Zieles notwendigen Anträge zu stellen. (Bravo!)
Die Vorkommnisse, die Gegenstand der Genfer Entscheidung waren, sind ein neuer Beweis für die Wichtigkeit der Aufgabe, die dem Völkerbund in der Minderheitenfrage obliegt. Auf die Durchführung der von ihm übernommenen Verpflichtungen kommt alles an. Daran hat nicht nur Deutschland ein wesent⸗ liches Interesse, sondern auch der Völkerbund selbst. In ein⸗ drucksvoller und würdiger Weise hat der Präsident des Völker⸗
(Sehr richtig!)
bundsrats, Herr Henderson, in seinen Schlußworten diesem Ge⸗ “ “ 8
danken Ausdruck verliehen. Er hat festgestellt, daß die heitenverträge und die Genfer Konvention Bestandtei öffentlichen Rechtes in Europa und der Welt sind, Durchführung der Schutzbestimmungen eine Lebensnotwende
für die Aufrechterhaltung des Friedens ist. Würden die
samen Pflichten, die aus dieser internationalen Aufgah, wachsen, nicht erfüllt, würde das Vertrauen in dieses Rechts erschüttert werden, so würde das zu Folgen führen kön unabsehbar wären. (Sehr wahr!) Schließlich hat der präsident der Hoffnung und dem Glauben Ausdruck verh daß die Verhandlungen und Ergebnisse der Ratstagung das stehen einer neuen und endgültigen Bemühung sind, um zu b erfolgreichen Lösung des Minderheitenproblems in Oberscheag zu gelangen. Ich habe diesen Worten und Wünschen des Herrn Herbes nichts hinzuzufügen. Auch die Deutsche Regierung erwarte
der Völkerbund in Zukunft entschlossener als bisher seim 2.
Aufgabe durchführt, ein Hort der Minderheiten zu sein werdenden Volkstumsrecht zum Durchbruch zu verhelfen Gedanken der Toleranz des Staates gegenüber fremdem 9 tum zu einer Magna Charta für dieses auszugestalten. (Lechs Beifall.) Wir Deutsche werden uns an dieser Aufgabe wie ke aktiv beteiligen. Minderheitenschutz, Entwicklung des Volkzn gedankens, bleiben Hauptaufgaben der deutschen Außengah (Bravo!) Wir werden zur gegebenen Zeit nach endgält Beendigung des polnischen Minderheitenstreites zu prüfen zs ob Anlaß und Notwendigkeit für eine weitere Verbesserumg Minderheitenschutzverfahrens gegeben sein werden.
Meine Damen und Herren! Ich gehe nun noch auf; andere, im Völkerbundsrat behandelte Fragen ein, ue besondere deutsche Interessen berühren, nämlich auf die Na frage und die mit dem kolonialen Mandatssystem zusang hängende Ostafrikafrage.
Kurz vor der Ratstagung war es in Memel, entspuze den Zusicherungen, die uns von litauischer Seite in der ze sitzung September vorigen Jahres gegeben waren, zur nennung eines Direktoriums gekommen, das ausschließlich; Mitgliedern der deutschen Parteien des Memelländischen de tags besteht. Damit hat endlich und zum ersten Male das Aa land eine Regierung erhalten, die dem Willen der Bevöltem und dem Memelstatut entspricht.
Für die diesmalige Verhandlung im Rate blieben von ursprünglichen Memelbeschwerde noch die Frage des Vevnt des Gouverneurs, des Finanzausgleichs, des Justizkonfliktz: des Kriegszustandes übrig. Von diesen Fragen hat eine Kler nur diejenige des Vetorechts erfahren: Der litauische Aie minister hat in der Ratssitzung die Verpflichtung des Gouvem ausdrücklich anerkannt, sein Veto zu begründen. Entscheidung der übrigen Fragen durch den Völkerbundsret
forderte vorab die Entscheidung einiger seit langem stritkg
Rechtsfragen durch den Haager Gerichtshof oder durch en! sonderes juristisches Komitee. Zu einer Einigung über! hierbei einzuschlagende Verfahren ist es nicht gekommen. 1
Vorsitzende des Rats hat die weitere Verhandlung auf die nich
Ratstagung verlegt.
Sind hiernach die Fragen des Finanzausgleichs, des dust konflikts und des Kriegszustandes durch den Völkerbundstat ni weiter gefördert worden, so bleibt doch die Memelbeschwet deren Absetzung von der Tagesordnung des Völkerbundent
betrieben wurde, weiter anhängig. Es bleibt auch der demk richterstatter im September vorigen Jahres erteilte Auin weiterhin bestehen, dem Rate nach Zuziehung juristischer n finanzieller Sachverständiger Bericht zu erstatten.
In Würdigung dieses Sachverhalts hat das neue Direkven des Memelgebiets bereits eine Kommission ernannt, deren! gabe es sein soll, durch direkte Verhandlungen mit der litanf Regierung nach Möglichkeit eine Einigung über die noch nitht ledigten Punkte der Memelbeschwerde bis zur nächsten K tagung zu erzielen. Wir wünschen, daß es auf diesem Weg⸗ lingt, zu dem angestrebten Ergebnis zu kommen, ohne daf Eingreifen des Berichterstatters des Völkerbundsrats um von ihm zu ernennenden Sachverständigen sowie des Ue bundsrates selbst erforderlich wird.
Bei der Frage der Kolonialmandate handelt es sich um bekannten englischen Bestrebungen, das ostafrikanische Mam⸗ gebiet mit den britischen Eigenkolonien zusammenzuschlit (Hört, hört!) Wir haben diese Bestrebungen von Anfang ar größter Aufmerksamkeit verfolgt. Ich darf an die verschiach Erklärungen meines Amtsvorgängers aus den Jahren 1981 1929 sowie an meine eigenen Ausführungen im Juni bo Jahres erinnern, in denen gesagt wurde, daß die Deutsche gierung mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln für! rechterhaltung des Mandatssystems in seiner Reinheit eintm werde. Seither habe ich, und zwar Anfang September von Jahres, der englischen Regierung ein Memorandum übermic Darin haben wir dargelegt, daß die im Juni 1930 belc gegebenen weitgehenden Zentralisierungsvorschläge des Kolcn amts mit der Völkerbundssatzung und der gewährleisteten sun rechtlichen Selbständigkeit der Mandatsgebiete nicht verek sein. (Sehr richtig!)
Die gleiche Auffassung ist von uns auch in Genf veum worden. Während der letzten Ratstagung habe ich bei der 8 lage des Berichts der Ständigen Mandatskommission des Tüt bunds Wert auf die Feststellung gelegt, daß zur Zeit offisn
britische Vorschläge noch nicht vorliegen. Die erwähnten Zenci⸗
sierungsvorschläge des Kolonialamts sind inzwischen von⸗ Britischen Regierung einem Sonderkomitee des Parlamentz! Beratung unterbreitet. Die Ergebnisse dieser Beratungen ¹ die Britische Regierung, der von ihr im Jahre 1929 gegebe Zusage entsprechend, der Mandatskommission des Völkerbi zur Begutachtung vorlegen.
Die Reichsregierung wird ihre weiteren Schritte von
Ausgang dieser Verhandlungen abhängig machen. Sie wird d keine Handhabe unbenutzt lassen, um der deutschen Auffassung; der Unantastbarkeit der Selbständigkeit der Geltung zu verschaffen. (Bravo!)
Lassen Sie mich im Anschluß an die erörterten einz⸗ Völkerbundsfragen einige Ausführungen über unsere allgem
Eine sach
Mandatsge
Reichs⸗ und Staatsanzetger Nr. 36 vom 12. Februar 1931.
Einstellung zum Völkerbund machen, Ausführungen, die mir durch die vorliegenden Interpellationen und Anträge bezüglich eines ewaigen Austritts Deutschlands aus dem Bölkerbund nahegelegt werden.
In der Debatte, die Ende Januar 1926 hier im Reichstag der üblehnung des deutschen Antrags auf Eintritt in den Völkerbund vorausging, hat der damalige Reichskanzler Dr. Luther allem Für und Wider die eine grundsätzliche Frage entgegengehalten: Wo glauben wir unsere deutschen Interessen, um die es sich ganz all⸗
ein handelt, kräftiger und eindrucksvoller zur Geltung zu hringen, drinnen oder draußen, innerhalb oder außerhalb des Pölkerbundes? Luther antwortete selbst: Drinnen! Ebenso wie damals ist die Frage auch heute zu stellen, und, wie ich überzeugt bin, noch heute zu beantworten. (Sehr richtig!) Gewiß: Wir haben oft Anlaß zu scharfer Kritik an den Beschlüssen des Völkerbundes
bt. Unser Einfluß im Völkerbundssekretariat ist außer⸗ ordentlich gering. (Sehr wahr!) Ich habe unserer Enttäuschung darüber, daß das System von Verpflichtungen, welches der Völker⸗ hund darstellt, noch so unzureichend funktioniert, in der Versamm⸗ lung in Genf letzten Herbst lebhaften Ausdruck gegeben. Aber gritik und Enttäuschung sind nicht ohne weiteres gleichbedeutend mit der Notwendigkeit, unsere Mitgliedschaft und damit den Kampf in Genf aufzugeben. Was wollen diejenigen, die das fördern und fordern, damit gewinnen? Glauben sie, heute in all den Fragen, wie Schutz der Minderheiten, Memel⸗Autonomie, Danzig und Saargebiet, vor allem Abrüstung und Sicherheit, ja auch in den Fragen, die mit einer Revision der heutigen Grenzen zusammenhängen, als Nichtmitglied des Völkerbundes besser und wirksamer für das eintreten zu können, was wir alle im Inter⸗ esse des europäischen Friedens anstreben? Ich fürchte sehr, daß die Befriedigung, die jetzt über die demonstrative Geste einer
deutschen Kündigung empfunden werden könnte, recht schnell einer
großen Ernüchterung Platz machen würde. (Sehr richtig!) Solche Geste würde uns bestimmt nicht weiterbringen und nur denjenigen Elementen im Ausland Vorschub leisten, die nicht gerade die besten Freunde Deutschlands sind. (Sehr richtig!) Selbstverständlich — darüber will ich hier keinen Zweifel lassen — steht die Reichs⸗ regierung nicht auf dem Standpunkt, daß Deutschland einfach unter allen Umständen im Genfer Völkerbund zu bleiben hätte, gleichviel, wie dort künftig die Entscheidungen in den von mir genannten großen Fragen auch fallen mögen. (Sehr richtig!) Da⸗ von ist nicht die Rede. Sollten wir eines Tages feststellen müssen, daß der Völkerbund in der Erfüllung derjenigen Aufgaben, die die Grundlage seines Daseins bilden, versagt, dann wäre eine Lage gegeben, die uns zu neuen Entschlüssen zwingen würde. (Bravo! und Händeklatschen.) Diese Sachlage ist aber heute nicht gegeben. Es ist einfach nicht richtig, zu behaupten, daß die Zugehörigkeit zum Völkerbund bisher für Deutschland ergebnislos gewesen sei, daß sie uns nur Hemmungen unserer politischen Bewegungs⸗ freiheit eingebracht habe. Ich will nicht von einzelnen Dingen, wie der Erledigung von Minderheitsbeschwerden, dem deutschen Einfluß auf Vertragsinstrumente allgemeiner Art, den Ent⸗ scheidungen des Haager Gerichtshofs und anderem sprechen. Es kommt bei der Erörterung des Gedankens einer Kündigung der deutschen Mitgliedschaft auf die Frage, wie groß oder gering unsere bisherigen Erfolge sind, nicht in erster Linie an. Ent⸗ scheidend ist vielmehr, ob heute gesagt werden muß, daß sich die Möglichkeit, in Genf unsere Interessen und Ansichten zur Geltung zu bringen, endgültig als illusorisch erwiesen habe. Diese Frage verneine ich. Ich sehe eine der wichtigsten Aufgaben der deutschen Außenpolitik darin, den Völkerbund in seinem eigenen und im deutschen Interesse immer mehr zu einer Aktivität zu bringen, die seinen wahren Grundgedanken entspricht, den Grundgedanken, die mit unseren deutschen Zielen, der Sicherheit des Friedens auf der Grundlage voller moralischer und materieller Gleichberechtigung aller Staaten, zusammenfallen. (Sehr richtig!)
Von der materiellen Gleichberechtigung Deutschlands habe ich bereits gesprochen. Mit dem unbedingten Erfordernis moralischer Gleichberechtigung Deutschlands steht in engstem Zusammenhang die Kriegsschuldfrage, die gleichfalls Gegenstand verschiedener An⸗ träge und Interpellationen ist.
Alle deutschen Regierungen haben immer wieder gegen die Versailler Kriegsschuldthese schärfste Verwahrung eingelegt. Ganz Deutschland ist darüber einig, daß ihm durch das einseitige Schuld⸗ diktat von Versailles schwerstes Unrecht zugefügt worden ist. (Sehr richtig! und Händeklatschen.) Die Welt weiß, daß wir diejenigen, die diesen Schuldspruch gefällt haben, nicht als unparteiische und unabhängige Richter anerkennen. (Sehr richtig!) In vielen feier⸗ lichen Erklärungen ist das von berufener Seite gesagt worden. Ich erinnere an die amtliche Kundgebung der Reichsregierung vom 29. August 1924 aus Anlaß der Annahme des Dawes⸗Planes. Ich erinnere an das Memorandum für unseren Eintritt in den Bölkerbund, das wir den Ratsmächten zugestellt haben. Wir haben darin erklärt, daß wir mit der Uebernahme der internationalen Pflichten nicht die zur Begründung gewisser Verpflichtungen auf⸗ gestellten Behauptungen anerkennen, die eine moralische Belastung Deutschlands in sich schließen. Ich verweise auf die in der gleichen Richtung liegende Verwahrung in der Note, die unter dem 29. September 1925 von der Reichsregierung an die Locarno⸗ Mächte gerichtet worden ist. Der Herr Reichspräsident hat in der Stunde der Einweihung des Tannenberg⸗Denkmals am 28. Sep⸗ tember 1927 für ganz Deutschland die Kriegsschuldlüge feierlich zurückgewiesen. Ferner hat sich der Herr Reichspräsident mit der Reichsregierung vereinigt zu einer gemeinsamen Kundgebung aus Anlaß der zehnten Wiederkehr des Tages der Unterzeichnung des Versailler Vertrags am 28. Juni 1929. Alle diese Kundgebungen haben den deutschen Standpunkt vor aller Welt klargelegt. Es bedarf daher nicht noch weiterer einseitiger Notifizierungen. (Sehr richtig!)
In dem Kampfe für Wahrheit, Ehre und Freiheit haben wir neben solchen Kundgebungen den Weg der Aufklärung beschritten. Auf diesem Wege sind bedeutsame Fortschritte zu verzeichnen. Wie Sie wissen, hat die deutsche Regierung ihren Feldzug mit der Offenlegung ihrer geheimpolitischen Archive, der Veröffentlichung der diplomatischen Dokumente der Vorkriegszeit eingeleitet. Dieser bahnbrechende Schritt hat unsere ehemaligen Kriegsgegner ge⸗ zwungen, uns zu folgen. Die Wirkung unseres Schrittes war, daß
aller anderen Länder eingehend mit der Frage der Schuld am Kriege befaßt haben. Ein Gedankenaustausch zwischen den Ge⸗ lehrten der verschiedensten Länder ist seit Jahren im Gange. Durch diese Arbeit ist die Grundlage der Versailler Kriegsschuldthese, der sogenannte Rapport der Vorfriedenskonferenz, in seiner historischen Haltlosigkeit längst erwiesen. (Zustimmung.) Der Tag ist nicht fern, an dem ein Areopag von Richtern oder Gelehrten zusammentreten wird, um endlich den Spruch der Wahrheit und Gerechtigkeit zu fällen. (Lebhafter Beifall.) Die deutsche Regie⸗ rung wird ihren Kampf fortsetzen und wie bisher alle geeigneten Mittel einsetzen. Sie wird nicht ruhen, bis sie unser Volk von der ihm aufgezwungenen seelischen Last befreit hat. (Beifall.)
1 Meine Damen und Herren, die Reparationsfrage, auf die ich zum Schluß eingehe, stand in Genf nicht auf der Tagesordnung. Ich habe, wie im Herbst vergangenen Jahres, die Wirtschafts⸗ debatte benutzt, um auf die Wirtschaftswidrigkeit und ihre Folgen hinzuweisen, die durch den gewaltigen Kapitalentzug ohne Gegen⸗ leistung und durch den Zwang zu einer von anderen Volkswirt⸗ schaften als nachteilig empfundenen Handelspolitik entstehen.
Die Reparationsfrage drängt sich aber auch gleichsam wie ein ungebetener Gast in alle internationalen Zusammenkünfte ein. Das Gespenst wird erst zur Ruhe kommen, die Weltwirtschaft von diesem Alb befreit sein, wenn Wirtschaftsvernunft und Gerechtig⸗ keit sich endgültig durchgesetzt haben. (Sehr gut!)
Seit den Tagen von Versailles, wo Siegesrausch Hunderte von Milliarden aus Deutschland herauspressen wollte, durch die Zeit der Diktate, Ultimaten und Sanktionen hindurch bis zur Ge⸗ genwart, wo das Verständnis für den unerträglichen, auf dem deutschen Volk lastenden Druck und die Gefahren der Reparationen für die Weltwirtschaft wächst, ist die Reparationsfrage ein Stö⸗ rungsfaktor friedlicher Weltpolitik und zugleich ein entscheidendes Problem deutscher Außenpolitik. (Zustimmung.)
Seit einem Jahr ist ein „Neuer Plan“ internationales Ver⸗ tragsrecht geworden. Unsere Gegner wissen, daß wir uns von ihm nicht einseitig lossagen, daß wir ihn nicht zerreißen werden. Wie die Unverbrüchlichkeit der Pflicht zur Zahlung privater deutscher Finanzschulden, so steht fest, daß wir über unsere öffent⸗ lichen Schuldverpflichtungen nur auf dem Vertragsboden, nur mit den Mitteln internationaler Rechtsordnung verhandeln und han⸗ deln werden. (Bravo!)
Aber unsere Gläubiger wissen auch, daß wir niemals eine Garantie für die Erfüllbarkeit des Neuen Plans gegeben, sie viel⸗ mehr stets abgelehnt haben. (Zustimmung.) Schon Stresemann hat im Juni 1929 in diesem Hohen Hause darauf hingewiesen, daß niemand es unternehme, von uns eine Garantie für die Erfüllung zu fordern. Ich selbst habe bei der Verabschiedung der Gesetze über den Neuen Plan keinerlei Voraussagen, selbst nicht für kurze Zeiträume, übernommen. In weiten Kreisen des Auslands ist man sich wohl nicht im Zweifel darüber gewesen, daß es sich nur um eine neue Etappe handelte. Die Elastizität des Plans er⸗ gibt sich ja schon aus dem Sonder⸗Memorandum, in welchem Grundsätze für den Fall der Herabsetzung oder Streichung der interalliierten Schulden durch die Vereinigten Staaten festgelegt sind.
Wir können feststellen, daß inzwischen eine weitere Besinnung der Welt auf die Wirtschaftsvernunft und auf die Lebensnotwen⸗ digkeiten alle Völker eingetreten ist. Wir dürfen darauf hin⸗ weisen, daß seit den Haager Konferenzen eine völlige Verlagerung in der Weltwirtschaft stattgefunden hat, und daß wir vor ganz neuen Aufgaben zur Überwindung dieser Krise wie der deutschen Krise stehen, bei denen die Reparationsfrage einen ausschlag⸗ gebenden Faktor bildet. (Lebhafte Zustimmung.) Wir haben schließlich in unserer Krisennot noch wenig von dem Geiste der Zusammenarbeit verspürt, der Deutschland die Erfüllung seiner Verpflichtungen nach dem Wunsche der Sachverständigen er⸗ leichtern sollte. (Lebhafte Zustimmung.)
Diese Lage in Verbindung mit unserer Finanznot und der Verelendung unseres Volkes bringt die Reparationsfrage in den Vordergrund auch des außenpolitischen Handlungsbereichs.
Der Herr Reichskanzler hat die Haltung der Reichsregierung zur Lösung des Reparationsproblems in diesem Hohen Hause vorige Woche festgestellt. Die Reichsregierung hat am Neujahrs⸗ tag dem Herrn Reichspräsidenten gegenüber die Verantwortung dafür übernommen, daß das deutsche Volk durch unerträgliche Lasten nicht seiner sozialen und sittlichen Grundlagen beraubt wird. Mit dem Reichsfinanzminister fühle ich diese Verantwor⸗ tung und lasse sie bei keinem außenpolitischen Schritt aus dem Auge. Wie, nach innen gesehen, die Reparationsfrage nur ein Teil, wenn auch der wichtigste, unseres ganzen Finanzproblems ist, so steht sie nach außen im Gesamtzusammenhang der Außen⸗ politik. Wir dürfen diese Zusammenhänge niemals außer acht lassen. Ich bin deshalb mit dem Herrn Reichskanzler der Mei⸗ nung, daß Zeitpunkt und Maßnahmen für eine Erleichterung unserer Lasten nicht außerhalb solcher Zusammenhänge bestimmt
werden dürfen. (Sehr gut! in der Mitte.)
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich mit einigen mehr persönlich gefärbten Bemerkungen über außenpolitische Zu⸗ sammenarbeit in unserem Volke schließen. Die Vertreter deutscher Interessen, die von internationalen Tagungen heimkehren, stoßen zu Hause häufig auf irrige Vorstellungen. Manche Kreise in Deutschland werden von der Anschauung beherrscht, daß wir in internationalen Verhandlungen das Gefühl für die Werte des nationalen Lebens verlieren, daß wir uns gleichsam in einen dem eigenen Volke feindlichen Zusammenhang verstricken lassen. Dem möchte ich meine persönliche Erfahrung gegenüberstellen. Gerade in Genf und bei sonstigen internationalen Verhandlungen ist die Verantwortung für das deutsche Volk wach. Gerade dort ist das Nationalbewußtsein hell und wird im internationalen Ringen um Höherentwicklung der Menschheit nicht verdunkelt. In diesem Ringen auf internationalem Boden ist es aber von ent⸗ scheidender Bedeutung, daß es gelingt, die geistige Gemeinschaft, die seelische Mitarbeit, die Resonanz im Volke zu verbreitern und zu verstärken. (Sehr wahr!) Wie in Wirtschaft und Finanzen gerade auch für eine erfolgreiche Außenpolitik Konsolidierung er⸗ forderlich ist, so sollte es auch unser Bestreben sein, stärkere Kräfte als bisher geordnet der außenpolitischen Vertretung zur Ver⸗
ügung zu stellen. (Erneute Zustimmung.) 8 Amtsantritt und bei
gekennzeichnet: Erringung der nationalen Freiheit sowie der moralischen und materiellen Gleichberechtigung Deutschlands auf dem Wege des Friedens unter Ablehnung einer Politik der Abenteuer. Hinter diesem Ziele steht die überwältigende Mehr⸗ heit des deutschen Volkes, auch über Einzelziele, die sich auf solchem Hintergrunde abheben, herrscht weitgehendste Uebereinstimmung. Die Methode zu ihrer Erreichung kann nur in Vereinigung zähen Willens mit klarer Erkenntnis der Lage und Besonnenheit der Führung bestehen. Die Reichsregierung wird die werbende Kraft ihrer Ziele und ihres leidenschaftlichen nationalen Strebens entschlossen einsetzen. Sie wird — davon bin ich überzeugt — auf diesem Wege eine stetig wachsende Gefolgschaft finden. (Leb⸗ hafter Beifall in der Mitte.)
23. Sitzung vom 11. Februar 1931, nachmittags 3 Uhr. (Bericht d. Nachrichtenbüros d. Vereins deutscher Zeitungsverleger*.) Präsident Löbe eröffnet die Sitzung um 3 Uhr. Vor Eintritt in die Tagesordnung gibt Abg. Döbrich (D. Landvolk) folgende Erklärung ab: Die Fraktion Deutsches Landvolk verwahrt sich gegen die Vorwürfe, die gestern seitens der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei und der Deutschnationalen Volkspartei gegen uns gerichtet worden sind. Wir sind weder eine Tributpartei noch eine Young⸗Partei. Wir haben mit im schärfsten Kampf geger den Young⸗Plan gestanden. Wir weisen auch mit Entrüstung die Aeußerung des Abg. Wend⸗ hausen +2. als ob wir nicht zum wahren Deutschland oder der nationalen Opposition gehörten. Wir lassen uns unsere Maß⸗ nahmen aber nicht von anderen Parteien vorschreiben. An unserer Stellung zur Regierung hat sich nichts geändert. Wir stehen in Opposition, aber nicht in einer rundsäthllchem sondern einer sach⸗ lihen Opposition. Wir werden aus unserem Verantwortungs⸗ ühl heraus uns an einer sachlichen Arbeit im Parlament weiter teiligen. Wir haben daher auch einer Aenderung der Geschäfts⸗ ordnung — wie sie in dem gleichen Sinne früher wieder⸗ holt von deutschnationaler Seite gefordert wurde und wie sie auch im Thüringer Landtag mit Zustimmung der Nationalsozialisten eingeführt wurde und gehandhabt wird.
Das Haus setzt dann die außenpolitische Aus-⸗ sprache fort. Außer dem deutschnationalen Miß⸗ trauensantrag gegen den Minister des Aus⸗ wärtigen Dr. Curtius liegt jetzt auch ein Miß⸗ trauensantrag der Kommunisten vor.
Abg. Stoecker (Komm.) erklärt, der Auszug der National⸗ sozialisten könne die Arbeiterschaft nicht über die Tatsache hin⸗ wegtäuschen, daß im Reichstag in der Frage der Young⸗Politik eine breite Einheitsfront von den Sozialdemokraten bis zu den Nationalsozialisten bestehe. Herr von Seeckt habe die Wiederauf⸗ richtung Deutschlands als Machtstaat gefordert. Die Wieder⸗ herstellung eines imperialistischen Machtstaates sei das wahre Ziel der deutschen Außenpolitik. Hitler habe deutlich erklärt, daß auch das dritte Reich Erfüllungspolitik treiben werde. Die Regierung brauche für ihre Politik die Nationalsozialisten als Trommler und Paukenschläger und die Sozialdemokraten als Flötenbläser. Immer wieder müsse festgestellt werden, daß der kommunistische Antrag auf Einstellung der Young⸗Zahlungen am 29. Oktober mit Hilfe der Nationalsozialisten niedergestimmt worden ist. Die Nationalsozialisten wollen sich, fährt Redner fort, nur von der Stellung zu unserem Antrag gegen das internationale Finanz⸗ kapital drücken, denn bei der heutigen Abstimmung hätten sie für unseren Antrag stimmen müssen. Der nationalsozialistische Antrag auf Vorbereitung des Austritts aus dem Völkerbund ist nur ein leere Geste, weil für den Austritt eine zweijährige Frist vor⸗ geschrieben ist. Inzwischen könnte man sich ja überlegen, ob man einen solchen re. wieder rückgängig machen soll. Auch mit diesem Antrag unterstützen schließlich die Nationalsozialisten das Finanzkapital. Nun wir sind es, die dem heutigen System den
odesstoß versetzen können. (Beifall bei den Kommunisten.) Genf ist trotz der Aeußerungen des Außenministers nur die Schacher börse der Intrigen der imperialistischen Finanzmächte. Der Völkerbund ist das, was wir immer gesagt haben, ein nackter Völkerbund der Kapitalisten. Es ist ein wahres Wort gesprochen worden, daß wir uns wieder mitten in der Vorkriegszeit befinden, daß die Friedenszeit vorüber sei, und die imperialistische Politik der Reichsregierung rüstet sich auf kommende Kriege ein. Wa Herr Kaas uüber die Abrüstungsfrage sagte bestätigt nur, wir immer über das Affentheater der Abrüstung in Genf gesagt haben. Die deutsche Regierung macht das Komödienspiel der A. rüstung mit. Aus den Worten des Außenministers geht deutlich das Streben nach Aufrüstung hervor, und das Zentrum denkt in demselben Sinne. Im Auswärtigen Ausschuß hat ein An⸗ trag aller Regierungsparteien über die Beschlüsse der vor⸗ bereitenden Abrüstungskommission den Konventionsentwurf dieser Kommission für ungenügend erklärt und für Deutschland die völlige Gleichstellung mit den anderen Staaten auf “ verteidigung verlangt. Die anderen Staaten rüsten aber nicht ein Gewehr ab, der Beschluß des Auswärtigen Ausschusses be⸗ deutet also die gleiche Aufrüstung für Deutschland wie für die anderen. Die Sozialdemokraten machen das mit, Herr Stampfer hat erst gestern die Gleichberechtigung verlangt. Was nützt da alles Friedensgerede von Henderson und anderen? Stahlhelm und Reichsbanner rüsten zum Krieg. In allen imperialistischen Staaten, auch in Mussolinien und in Polen werden die Minder⸗ heiten gewaltsam unterdrückt. Dagegen machen wir allein die
wahre Proletarierpolitik und mit Unterstützung unserer Genossen werden wir mit Pilsudski und mit Brüning aufräumen. Unter französischem Protektorat rüsten Polen und Rumänien und bauen e. Bahnen zu dem einzigen Zweck eines Krieges gegen ie Sowjetunion. Die Bourgeoisie fürchtet das Proletariat, die russischen Arbeiter und Bauern, die im wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Anfstieg begriffen sind und eine friedliche Politik treiben wollen ohne Kapitalisten, F Ausbeuter. „Beifall bei den Kommunisten.) Die „Deutsche ergwerkszeitung“ spricht für ein Bündnis mit Frankreich, weil sonst an keine Abrüstung zu denken sei; so sprechen aunch Kaas und Hitler. Der deutsch⸗fran⸗ ösische Block ist gegen Rußland gerichtet man spricht davon, aß „die russische Wunde Europas ausgebrannt werden müsse, das heißt, daß Rußland mit Gewalt niedergeschlagen werden müsse. Ach, die Bourgeoisie wird sich an diesem Experiment die Finger verbrennen. Zur Durchführung dieser Pläne ist man nur noch nicht gekommen, weil man sich über den Preis g9, nicht einig geworden ist. Wir fordern den Außenminister auf, ich zu den Kriegsplänen der deutschen Sdurgeoisie zu äußern.
ir aber werden uns allen solchen Plänen entgegenwerfen und sie zuschanden machen, wir werden die Unterdrückten in der ganzen Welt befreien von dem Druck des Kapitalismus.
Abg. Mollath (Wirtsch. P.) betont, daß die Verhandlungen des Studienausschusses für europäische zusammenarbeit von höchster Bedeutung nicht nur für die europäische, sondern für die gesamte Weltwirtschaft seien. Die Notwendigkeit tiefschürfender Beratungen über dieses Problem sei um so mehr akut, als hier der Schlüsselpunkt eines redlichen Teils der Weltwirtschaftskrise sei. Daraus ergebe sich auch ganz Pvangsläufig die hohe Be⸗ deutung einer aktiven Mitarbeit utschlands. Nachdrücklichst müsse aber darauf hingewiesen werden, daß das hohe Ziel nur dann erreicht werden könne, wenn die Gleichberechtigung aller beteiligten Völker unter allen Umständen sichergestellt sei. Wir
Die Reichsregierung hat bei ihrem
sich die Sachverständigen nicht nur Deutschlands, sondern auch fast
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Eröffnung des neuen Reichstags ihre außenpolitischen Ziele
*) Mit Ausnahme der dur der Herren Minister, die im
Sperrdruck hervorgehobenen Reden orklaute wiedergegeben sin *