1931 / 64 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 17 Mar 1931 18:00:01 GMT) scan diff

Reichs⸗ und Staatsanzeiger Nr. 64 vom 17. März

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1931.

S. 2.

um 6 vH kürzte. Da habe ich gesagt: nein, diesen Schiedsspruch erkläre ich nicht für verbindlich, in dem man die Löhne der Jugendlichen von 1 Reichsmark und die Frauenlöhne von 2 Reichsmark noch um 6 vH kürzen will; das send Dinge, die über das, was sozial vertretbar ist, hinausgehen. (Sehr richtig! im Zentrum.) Dann hat sich herausgestellt, daß das schließlich trotzdem gemacht werden mußte, weil diese Gruben es han⸗ delt sich in der Hauptsache um Bleigruben usw. sich gegen⸗ wärtig bei der polnischen Konkurrenz einfach nicht mehr halten können. Da sind die Arbeiter an mich herangetreten und haben gesagt: wir können nicht verantworten, daß jetzt wieder ein paar tausend Menschen an der polnischen Grenze aus dem Arbeits⸗ prozeß herauskommen, Arbeitsminister, leite du ein zweites Schlichtungsverfahren ein. Gut, das habe ich getan. Und dann haben die Gewerkschaften selbst den neuen Schiedsspruch angenommen, der einen fünfprozentigen Lohnabzug und einige Ausnahmen für Frauen und Jugendliche vorsieht.

Wenn ich Ihnen alle meine Erfahrungen im letzten Jahre, die ich als Arbeitsminister bei Verbindlichkeitserklärungen von Schiedssprüchen machen mußte, einmal in einer mehrstündigen Rede vortragen könnte, da würden manche Dinge anders gesehen werden, als das gegenwärtig der Fall ist. Aber ich habe mich ja sowohl im Haushaltsausschuß wie am vorigen Donnerstag so eingehend, wie es im Rahmen eines allgemeinen Vortrags möglich ist, über diese Dinge geäußert, so daß ich auf die Lohn⸗ frage nicht erneut zurückzukommen brauche.

Zur Sozialversicherung habe ich auch das Notwendigste im Haushaltsausschuß bereits gesagt. Im letzten Jahre habe ich versucht, Aenderungen in der Krankenversicherung vorzunehmen, um die Voraussetzungen für das Durchhalten der Arbeitslosen⸗ versicherung zu schaffen. Das ist auch erreicht worden. Die Bei⸗ träge zur Arbeitslosenversicherung sind im letzten Jahre um 3 vH erhöht worden, die zur Krankenversicherung um 1 vH ge⸗ kürzt, so daß die gesämte Sozialbelastung für die Arbeiter im Jahre 1931 trotz der gewaltigen Leistungen auf dem Gebiete der Arbeitslosenversicherung um etwa ¾ vH höher waren als im vorhergehenden Jahre, weil sie zwar um 17½ vH höhere Bei⸗ träge zur Arbeitslosenversicherung zahlen mußten, ihnen aber die Beiträge bei der Krankenversicherung um vH gesenkt worden sind. Die Unternehmer hatten praktisch im Jahre 1931 gut 1 vH der Mehrbeiträge zu zahlen als vorher. Es ist des⸗ halb nicht richtig, wenn immer wieder gesagt wird, daß der Sozialetat im laufenden Jahre so außerordentlich stark zu⸗ sammengestrichen worden sei. Richtig ist lediglich, daß im Sozialetat dieses Jahres 445 Millionen weniger stehen als im vorangehenden Jahre. Das hängt in der Hauptsache damit zu⸗ sammen, daß die Arbeitslosenversicherung vom Reichsetat ab⸗ gehängt worden ist. Aber auf der anderen Seite sind die Arbeit⸗ geber auch mit 1 ¼ vH neuen Beträgen zur Arbeitslosenversiche⸗ rung belastet worden, und das macht wieder nahezu 400 Mil⸗ lionen Reichsmark aus. Ob man letzten Endes die Beiträge der Arbeitgeber als vorenthaltener Lohn oder als Steuer ansieht, ist gleichgültig. Diese Beiträge der Arbeitgeber zur Sozialver⸗ sicherung sind zum Teil vorenthaltener Lohn, aber andererseits wirken sie sich auch genau so wie Steuern aus (Zustimmung im Zentrum), so daß also das, was die Arbeitgeber im. Jahre 1931 mehr an Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung leisten müssen, ungefähr durch das, was im Reichshaushalt weniger steht, aus⸗ geglichen ist. Ganz so schlimm darf man also die Dinge, wenn man sie im Zusammenhang betrachtet, nicht ansehen und kann nicht behaupten, daß man etwa in diesem Jahre hauptsächlich Streichungen am Etat des Reichsarbeitsministeriums vorge⸗ nommen habe.

In nächster Zeit ist die Sanierung der Knappschaft dringend erforderlich. Ueber das Wie gehen allerdings die Meinungen noch sehr auseinander. Das ist auch nicht sehr leicht, weil ja, wie

ie gesehen haben, von der Reichsregierung das sogenännte Plafond⸗Gesetz beschlossen worden ist. Ich las da noch vorgestern abend in den „Führerbriefen“, daß die Reichsregierung sich um as Plafond⸗Gesetz nicht kümmere und daher die Voraussetzungen, ie dieses Gesetz schaffen solle, nicht beachte. Die Reichsregierung hat das Plafond⸗Gesetz deshalb gemacht, weil Parker Gilbert fünf Jahre lang in der ganzen Welt die Behauptung verbreitet hat, der Reichsetat Deutschlands sei zwar durchsichtig, daneben liefen aber noch 17 Länderetats und etwa 60 000 Gemeindeetats. Und von diesen 60 000 Gemeindeetats sei ein großer Teil Städteetats, die viel umfangreicher seien als die meisten Länderetats. So sei die öffentliche Finanzwirtschaft in Deutschland nicht durchsichtig, und solange diese Undurchsichtigkeit bestehe, müsse auch die deutsche Kreditwirtschaft danach beurteilt werden.

Nun ist unsere gegenwärtige Generation überbelastet durch Leistungen aus den Kriegsfolgen. Wir, müssen heute etwa 3 Milliarden für die Arbeitslosen aufbringen, etwa 1 Milliarde für Auslandszinsen, etwa 2 Milliarden mehr Inlandszinsen im Vergleich zur Volkswirtschaft anderer Länder, 1,9 Milliarden für Pensionen gegenüber 400 Millionen Mark im Jahre 1913, 1,4 Milliarden für Kriegsbeschädigte, wobei ich die Offiziers⸗ pensionen nicht eingerechnet habe, weil sie beim vorausgegangenen Posten bereits mitgerechnet sind, 1 Milliarde Mark für sonstige Kriegsschäden, die sich zum Teil auch in der Invaliden⸗ und Kranken⸗ versicherung bemerkbar machen, weil der Gesundheitszustand des deutschen Volkes sehr viel schlechter ist. So kommt man zu 12 bis 13 Milliarden Mark Vorlasten, die bezahlt werden müssen, bevor der erste Pfenig für Lohn und Gehalt verausgabt werden kann. Solange diese Situation besteht, gibt es keine andere Möglichkeit der Politik, als dahin zu streben, daß ein Teil dieser starken Be⸗ lastung beseitigt wird. Das ist möglich teils auf dem reparations⸗ politischen Weg, teils dadurch, daß ein Teil der gegenwärtigen Ausgaben auf die künftigen Generationen mitabgewälzt wird. Das erreichen wir nicht anders als dadurch, daß wir eine ver⸗ trauenswürdige Kreditbasis schaffen. Aus diesen Erwägungen heraus ist das sogenannte Plafond⸗Gesetz geschaffen worden.

Wenn Sie sich nun den Etat einmal unter dem Gesichts⸗ winkel des Plafond⸗Gesetzes ansehen, so werden Sie finden, daß er in diesem Jahre mir 10,4 Milliarden Mark balanciert. Davon haben wir auf 6,2 Milliarden Mark keinen Einfluß, die auf drei Posten des Etats entfallen. Das sind erstens die Ueberweisungen r und Gemeinden. Sie betrugen im vorigen Jahre

mit den Polizeikosten der Länder, die das Reich trägt, 3,6 Mil⸗ liarden. In diesem Jahre stehen im Etat dafür mit den Polizei⸗ kosten 3,2 Milliarden. Der zweite Posten sind die Reparationen und Liquidationsschäden, sie stehen im Etat mit 2,1 Milliarden. Der dritte Posten schließlich, Schuldentilgung und Schulden⸗ verzinsung, erscheint im Etat mit etwa 900 Millionen. Dann verbleiben also im Netto⸗Etat des Reiches ganze 4,2 Milliarden Mark. Von diesen entfallen nahezu 2,6 Milliarden auf den Etat des Arbeitsministeriums, davon der weitaus größte Teil auf die Kriegsbeschädigten usw. Wenn wir nun das Plafond⸗Gesetz durch⸗ führen und damit die Kreditbasis schaffen wollen, dann können wir nicht höhere Ausgaben als 10,4 Milliarden machen. Wenn wir aber von diesen 10,4 Milliarden auf 6,2 Milliarden keinen Einfluß haben und wenn von den restlichen 4,2 Milliarden schon 60 Prozent auf den Etat des Arbeitsministeriums entfallen, dann sehen Sie, daß ich, wenn ich aus Reichsmitteln allein 85 oder 100 Millionen Mark für die Knappschaft heraussparen will, dann gezwungen werde, diesen Betrag zu einem großen Teil auf Kosten der ärmeren Leute, der Kriegsbeschädigten, der Krisenfürsorge⸗ empfänger und der Invalidenrentner herauswirtschaften.

Das ist die schwierige Situation, vor der wir stehen. Wäre die Lage anders, dann wäre es uns nicht eingefallen, Herr Kollege Schneider, einen so komplizierten Weg vorzuschlagen. Wir hatten kürzlich im Sozialpolitischen Ausschuß einen Weg vorgeschlagen; dieser Weg ist bis jetzt stark kritisiert worden. Der Bergbau allein kann gegenwärtig diese 85 bis 100 Millionen nicht auf⸗ bringen. Er befindet sich ebenso wie die Eisenindustrie in einer schweren Krisis; die Gründe will ich im einzelnen nicht anführen. In dieser Situation kann man den Bergbau nicht wieder mit 85 Millionen oder mit 6,5 Prozent Beitragserhöhung belasten. Sie haben vor einigen Monaten gelesen, daß ich am 2. Januar in Freiburg eine Besprechung mit dem Herrn Reichskanzler und dem Herrn Vizekanzler und Reichsfinanzminister hatte. Ich bin nach Freiburg gefahren, bevor ich zur Erledigung des Lohnkonflikts an die Ruhr fuhr, und habe in Freiburg zum Herrn Reichskanzler und Herrn Vizekanzler folgendes gesagt: Ich soll jetzt an der Ruhr Lohnkürzungen vornehmen. Die Bergleute haben aber im letzten Jahr bereits 20 Feierschichten gehabt. Wenn ich jetzt an der Ruhr noch einmal bei den Lohnkürzungen nachgebe, so ist es eine glatte Unmöglichkeit, daß ich dann in einigen Wochen noch einmal mit 6 ½ Prozent Beitragserhöhung für die Knappschaft komme.

Wenn ich damals in der Lohnkürzungsgeschichte nicht nach⸗ gegeben hätte, hätte ich praktisch nichts erreicht, weil ja die Kohlen⸗ absatzlage in Deutschland so kompliziert ist. Wir produzieren in Deutschland ungefähr 140 Millionen Tonnen Steinkohlen. Davon gehen etwa 36 Millionen Tonnen ins Ausland. Diese Auslands⸗ kohle verträgt keine neue Belastung, weil England uns auf den Auslandsmärkten ebenso wie Polen starke Konkurrenz macht. Durch die Förderung von 36 Millionen Tonnen Kohlen werden aber mehr als 100 000 Mann beschäftigt. ir haben dann weiter das bestrittene Gebiet, in dem die deutsche Kohle in Konkurrenz mit der ausländischen Kohle arbeiten muß, das ist die Nord⸗ und Ost⸗ seeküste, der Rhein, die Elbe, die Oder, der Wasserweg überhaupt, die Kanalwege. In diesem bestrittenen Gebiet kämpft gegenwärtig die englische Kohle mit der deutschen einen schweren Konkurrenz⸗ kampf. Schließlich haben wir noch das unbestrittene Gebiet. Wenn ich damals in der Lohnfrage nicht nachgegeben hätte, dann wäre in dem unbestrittenen Gebiet die Kohlenpreisermäßigung wieder aufgehoben worden; denn vor der Lohnkürzung war ja die Kohlenpreissenkung um 9 Prozent erfolgt. In diesem Falle aber hätte die deutsche Wirtschaft, insbesondere die Ausfuhr⸗ industrie, gesagt: Was macht denn diese Regierung für eine Politik? Auf der einen Seite will sie Preissenkung, auf der andern Seite sabotiert sie selbst ihre eigene Preissenkungsaktion.

Nun habe ich damals in Freiburg dem Herrn Reichskanzler und dem Herrn Vizekanzler gesagt: Es ist ausgeschlossen, daß ich jetzt an die Ruhr gehen und den Bergleuten neben den Feier⸗ schichten, die sie schon gemacht haben, noch 6 ¼ vH Lohnkürzung zumuten kann, und dann in vier Wochen wiederkomme, um ihnen zu sagen: So, jetzt habt ihr noch 6,5 vH eures Lohns aufzubringen für die Sanierung der Knappschaft. Da hat der Herr Reichs⸗ fünanzminister gesagt, er sehe ein, daß das nicht geht, wir müßten einen anderen Weg finden. Nun ist es natürlich in Verbindung mit dem Plafondgesetz und den Gedanken, die ich hier vorgetragen habe, nicht sehr einfach, den Weg zu finden. Am nächsten Diens⸗ tag findet im Sozialpolitischen Ausschuß erneut eine Aussprache statt. Ich glaube, daß dann ein Unterausschuß eingesetzt werden muß, der den Weg mit zu suchen hat.

Bis jetzt sind zwei Vorschläge gemacht worden, mit denen man aber meines Erachtens in diesem Jahre wenigstens nichts anfangen kann. Der erste Vorschlag kommt von den Berg⸗ leuten. Er geht dahin, eine Kohlenabgabe zu erheben. Die Be⸗ gründung dafür sieht so ans: Wenn heute zwei Bergleute genau soviel Kohle fördern wie drei Bergleute im Jahre 1913, so haben wir heute den dritten Mann, das ist der eiserne Bergmann. Wenn der durch die Rationalisierung mitschafft, dann soll er auch einen Betrag zur Knappschaftskasse zahlen. Das ist also an sich eine richtige Konstruktion. Das kann man aber gegenwärtig, im Jahre 1931, nicht. Als ich Mitte November auf Einladung der englischen Regierung in London war, sagte man sich: Deutschland und Eng⸗ land sind die Hauptkohlenausfuhrländer Europas. Warum sollen diese schließlich für alle Zeiten den übrigen europäischen Ländern die Kohlen schenken, damit diese Länder auf diese Art und Weise ihre Industrien mit billiger deutscher, mit billiger englischer Kohle aufbauen und uns dann wieder Konkurrenz machen können? Nun wird zur Zeit über ein europäisches Kohlenabkommen verhandelt. Und solange dieses europäische Kohlenabkommen nicht abgeschlossen ist, würde ich es für falsch halten, die deutsche Kohle weiter zu belasten und damit den status quo der deutschen Kohle für den internationalen Wettbewerb, für dieses europäische Kohlenab⸗ kommen, zu verschlechtern. Also über diese Belastung des dritten, des sogenannten eisernen Bergmanns kann man erst von dem Augenblick an reden, wo das europäische Kohlenabkommen ab⸗ geschlossen ist. Solange aber dieses internationale Kohlen⸗ abkommen nicht abgeschlossen ist, erscheint dieser Weg nicht gangbar.

Der zweite Weg, der vorgeschlagen worden ist, ist der Antrag der Sozialdemokratischen Partei. Auch dieser Vorschlag läßt sich

im Jahre 1931 nicht durchführen, weil die Industriebelast Jahre 1931 ja für die Osthilfe gar nichts gibt, das Zukunft geschehen. In diesem Jahre ist das, was an gye⸗ belastung noch vorhanden ist, ja noch in den Reichshan⸗ eingestellt. Erst für das nächste Jahr wird diese Summe 82 Etat herausgenommen. Im nächsten Jahre wird der 2 sinanzminister in großer Sorge sein, wie er für den Postest an Industriebelastung ausfällt und für die Osthilfe . werden soll, andere Einnahmen für den Etat schaffen kann für das Jahr 1931 und es ist ja gerade die große Schve⸗ keit, wie wiv die Knappschaft über das Jahr 1931 8 bringen sind aus diesem Posten Mittel nicht verfügben müßten wieder aus dem Etat herausgenommen werden.

Das sind die Schwierigkeiten, vor denen wir stehen. Ne Konstruktion, die der Herr Kollege Schneider (Berlin) so kins hat, war folgende: 85 bis 100 Millionen kann ich, wenn üh der Invalidenversicherung, der Arbeitslosenversicherung 32 Kriegsbeschädigten wieder soundsoviel wegnehmen will, wärtig aus Reichsmitteln für die Knappschaft nicht anftees Und weil ich das nicht kann, so haben wir nach langvie Verhandlungen folgende Konstruktion gewählt: Für das; 1931 müssen alle Opfer bringen. Es muß zunächst einmal Reich Opfer bringen. Das Reich ist bereit, etwa die Hälhr Betrags, der der Knappschaft fehlt, zur Verfügung zu 5 trotzdem das die größten Schwierigkeiten macht. Zweitens ang die Arbeiter allgemein etwas an Opfern bringen, und zwar e die Invalidenversicherung. Die Invalidenversicherung mjr dieser Situation der Knappschaft etwas entgegenkon Drittens müssen auch die Angestellten etwas an Opfern für e eine Jahr bringen. Und viertens müssen die Bergleute felbst kleines Opfer bringen. Das war unsere Konstruktion. Prß aber bereit, im Sozialpolitischen Ausschuß noch über die Pegt einzelnen für die Knappschaftssanierung mit uns reden zu hf Darin sind wir jedenfalls alle einig, daß die Knappscheft h zerschlagen werden darf, daß man es den Bergleuten richt muten darf, im nächsten Jahre eine ganz große Rentenki mit in Kauf nehmen zu müssen. (Zustimmung.)

Für das Jahr 1932 ich kann natürlich dieses Jahr ig mäßig nicht voraussehen würde ich schon andere Wege ste wie man der Knappschaft helfen könnte. Aber im Jahre wo die Sache mit dem Plafondgesetz und anderen Dingen, inf aufgezeigt habe, zusammenhängt, ist es außerordentlich stan einen einwandfreien Weg zu finden. Daß er aber gefundenn muß, darüber besteht in diesem Hause keine Meinungsversches heit. Es muß aber eine Konstruktion gefunden werden, wie nuß⸗ Knappschaft über das Jahr 1931 hinüberbringen kann. Jahre 1932 wird die endgültige Knappschaftsreform in de bindung mit der Reform der Invalidenversicherung durchft werden müssen.

Ueber die Arbeitslosenversicherung möchte ich heute ne näheren Ausführungen machen. Ich sagte schon im Hanche ausschuß, daß ich mir in der Arbeitslosenfrage eine gewisse gand haltung auferlegen muß, weil die Gutachterkommission einge worden ist. Wenn ich heute über alle Einzelheiten der Arlbet losenfrage im Jahre 1931 reden würde, dann würde die achterkommission kommen und sagen: Wenn du auf allen Gebit schon weißt, was du willst, warum hast du dann die Gutatt kommission eingesetzt? Aus diesen Erwägungen muß ich naturgemäß einige Beschränkungen bei der Behandlung Arbeitslosenfrage auferlegen.

Im April werden sehr viele Sitzungen und Besprecm

über die Arbeitslosenfrage notwendig werden, einmal uite

Reichsfinanzminister und den Länderfinanzministern, dam der Arbeitslosenversicherungsanstalt, dann mit den Gemeindent Aber bis Ende April müssen wir auch über das ller worüber wir heute noch nicht klar sein können, nämlich daitt was im künftigen Jahre alles auf dem Gebiete der Arbeitzit frage zu geschehen hat. Wenn man in den Dingen vornic kommen will, kann man nicht im Oktober oder Novemtert fangen, sondern man muß so früh wie möglich anfangen. April wird also der Termin sein, wo weitgehende Klärun! handen sein muß. Im April wird auch über den freiviht Arbeitsdienst, über Doppelverdiener usw. zu reden sein, auch i das, was der Herr Kollege Schneider (Berlin) bezüglih! Ersatzkassen gesagt hat.

Ich weiß ja, daß die Angestellten ihre Ersatzkasfen d wollen; aber so einfach liegen die Dinge nicht. Wenn zu dersch Stunde, wo das Reich keine Mittel mehr zur Arbeitslosen sicherung gibt, auch noch die besten Risiken aus der Arbeitele versicherung herausfallen sollen, dann frage ich: Wer soll! den anderen helfen? (Sehr wahr! im Zentrum und bij Sozialdemokraten.) Sollen dann die anderen etwa 15 1 Lohnes an Beiträgen abführen? Wenn das Reich der Auch losenversicherung wieder größere Mittel zur Verfügung könnte, dann könnte man über diese Dinge reden. (Zun den Sozialdemokraten: Auch dann nicht!) Man könnte vef stens finanziell darüber reden; die grundsätzliche Seite der . ist ja eine alte politische Streitfrage. Aber jedenfalls kann 2 in einer Stunde, wo 4 bis 5 Millionen Arbeitslose vordn sind und wo das Reich keinen Pfennig mehr zur Arbeitstn versicherung gibt, nicht beliebig mit Ersatzkassenfragen arbeiten. (Zuruf des Abgeordneten Schneider Berling Gewiß, über Einzelheiten kann man reden; ich bin bereit vernünftigen Vorschlag in den nächsten Wochen zu prüfen. man soll nicht glauben, daß man gegenwärtig alle diese 2 in Ordnung bringen kann. Ich habe kürzlich einmal an der mit mehreren Industriellen, die zu den gemäßigten gehörene, feriert, die sich sehr anerkennend über die Bergleute ausgespe haben. Den Bergleuten habe ich dann gesagt, ich 6 daß die 300 000 Ruhrbergleute auf der Galerie gesessen u diese Aussprache angehört hätten. Ebenso wünschte ich, 8 Kollege Schneider (Berlin) und seine engeren Freunde 2 Angestelltenschaft würden im Verlauf des Monats Aprib,ne großen Auseinandersetzungen zwischen Reichsarbeitsminge Reichsfinanzministerium und Länderfinanzministerien, Reich, Ländern und Gemeinden, zwischen Reichsarbeitsming und Arbeitslosenversicherungsanstalt stattfinden, auf ber sitzen und die ganze Diskussion mit anhören. Dann Ge vielleicht zum Schluß fragen: Wie machen wir nun die

Aler seither für die 4000

worüber ich nicht allein

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e Dinge liegen kompliziert, aber wenn uns die Angestellten daslable Vorschläge machen, werden wir sie bestimmt eingehend 2 Herr Kollege Thiel hat die Frage aufgeworfen, ob man lebung des Wohnungsmarktes einen Teil der Haus⸗ lassen solle, um Geld für neue Wohnungen frei zu Das ist auch nicht einfach. Gegenwärtig dürften üieleicht im Durchschnitt auf eine einzelne der etwa 1 % bis n Millionen mit Hauszinssteuer erbauten Wohnungen 3000 bis 4 Reichsmark Hauszinssteuer gegeben worden sein. Nehmen wir nun einmal an, es wird ein Teil der Hauszinssteuer erlassen, es werden selbst 75 vH der Hauszinssteuer erlassen in der An⸗ nahme, daß dann Geld für den Neubau frei würde, dann würde der Zustand eintreten, daß derjenige, der auf dem privaten * kt an Stelle der Hauszinssteuer sich anderes Geld be⸗ er für 1000 mehr normale Zinsen zahlt, als

Hauszinssteuer an Zinsen gezahlt hat. Ich glaube daher nicht, daß wir auf diesem Wege Kapital in rüößerem Umfang für den Wohnungsmarkt frei bekommen. Nehmen wir einmal 4000 RM an, zu 1 vH verzinst macht 40 RM. geilweise wird die Hauszinssteuer mit 2 vH rückzahlbar, das find 80 RM. Wenn aber einer 400 RM Hauszinssteuer hat, sund er bekäme selbst 75 vH erlassen das sind auch Dinge, reden kann, sondern da müßten der

Finanzminister und die Länder mitreden; das wäre eine gewaltige gapitalstransaktion mit Rückwirkungen auf den Realkreditmarkt; ber ich nehme es bloß einstweilen von der finanziellen Seite —, so würde eintreten, daß er bei 2 vH Hauszinssteuer für die 000 NM auf dem privaten Kapitalmarkt mit etwa 8 bis 9 vH ie gleichen Zinsen zahlen muß wie bisher und bei 1 vH Haus⸗ dinssteuer das Doppelte der seitherigen Zinsen. Das hat also seine Schwierigkeiten. (Abgeordneter Thiel: Es ist nicht aus⸗ sichtslos!) Geprüft soll die Sache werden.

Dann hat Herr Kollege Thiel gemeint, daß man die großen Wohnungen in kleine umwandeln und auch auf die Art und Weise den Wohnungsmarkt entlasten soll. Ich habe das 1920/21 schon versucht ich war ja drei Jahre lang preußischer Wohlfahrts⸗ ninister, so daß ich schon damals mit dem Wohnungswesen viel zu tun hatte aber ich habe es allmählich aufgegeben. Ich habe mich überzeugen müssen, daß der Umbau von Altwohnungen fast geurer ist als der Neubau (sehr richtig! bei der Wirtschaftspartei), weil die Installation, doppelter Eingang, Küche und die sonstigen Anlagen, mit das Teuerste im ganzen Wohnungsbau ist. In ben letzten Jahren habe ich in den Dingen keine Erfahrung mehr. Aber ich habe in den Jahren 1919 bis 1921 darin so große Er⸗ chrungen gesammelt, daß ich heute mit Schrecken daran denke, diese großen Umbauten vorzunehmen. (Abgeordneter Thiel: Es kommen jetzt andere Wohnungen dafür in Frage!) Das ist zum Teil richtig. Gegenwärtig wohnt ein sehr großer Teil des deutschen Volkes in Wohnungen, die für ihn im Hinblick auf seine Einkommensverhältnisse usw. zu teuer sind. Aber dafür, wie wir diese Dinge von oben her gut gestalten sollen, sehe ich noch nicht den rechten Weg. Aber prüfen lassen will ich die Dinge sehr gern; denn ich habe vorgestern gesagt, daß wir uns heute keine mneuen Wohnungen mehr mit Zuschüssen aus öffentlichen Mitteln

ür 10 000 Re leisten können. Wenn wir bei dieser Lage durch den Umbau alter Wohnungen Ersparnisse machen können, wären wir töricht, und es wäre nicht zu verantworten, wenn wir es icht täten. (Sehr richtig! in der Mitte.)

Dann ist gewünscht worden, die fremdländischen Landarbeiter nicht mehr nach Deutschland hereinzulassen, wo wir doch fünf Millionen Arbeitslose hätten. Ueber diese Dinge haben im Laufe per letzten Monate große Verhandlungen stattgefunden. Es hat eine eingehende Aussprache zwischen dem preußischen Minister⸗ präfidenten, dem preußischen Landwirtschaftsminister, dem Reichs⸗

nicht zur Be zinssteuer er bekommen.

Kgapitalmar schaffen muß,

erährungsminister und dem Reichsarbeitsminister stattgefunden. non dieser Sitzung haben wir uns doch allseitig überzeugt, daß man

vicht plötzlich von einem Tag zum anderen die fremdländischen Landarbeiter abriegeln kann, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil diese fremdländischen Landarbeiter zu 85 vH jugendliche weib⸗ iche Arbeitskräfte sind und diese kann man gegenwärtig nicht so blötlich entbehren. (Hört, hört! bei den Kommunisten.) Diese Kräfte werden überwiegend für den Zuckerrübenbau benötigt, und unsere Zuckerwirtschaft befindet sich bekanntlich gegenwärtig in dem Umstellungsprozeß. Aber wir vier sind uns einig darüber gewesen, daß im Laufe dieses Jahres alles aufgeboten werden nuß, damit wir im nächsten Jahre entweder überhaupt nicht mehr der nur noch einen sehr geringen Teil dieser fremdländischen ibeitsträfte in Deutschland brauchen. Es besteht also Ueber⸗ instimmung darin, daß der Kreis dieser ausländischen Arbeiter hedeutend vermindert werden muß. Er wird auch bedeutend ver⸗ mindert. Im vorigen Jahr sind über 100 000 hereingelassen erden. Aber von einem Jahr zum anderen zu sagen, an die telle dieser 100 000 wird nichts gesetzt, erschien uns vier, die wir us sehr gründlich über die Dinge unterhalten haben Sie sehen 5 daraus, daß die preußische Regierung den Standpunkt ver⸗

een hatte, daß überhaupt keiner mehr hereingelassen werden

sollee nicht möglich. Um die Verminderung beziehungsweise

h benas dieser Arbeitskräfte zu erreichen, dafür müssen ver⸗ hiedene Umschulungsmaßnahmen usw. stattfinden.

Der Herr Kollege von Stauffenberg hat dann gewünscht, daß

er Verwaltungsrat der Siedlungsbank ergänzt werden möchte.

2. .

nn ich zu. Wir haben in den ersten Monaten des Be⸗ * . neuen Siedlungsbank den Verwaltungsrat klein ge⸗ sehr viele Schwierigkeiten zu überwinden waren. Die verden konnte ja nur zwischen Reich und Preußen errichtet babiet ah vH der Siedlung spielen sich auf preußischem Neichssiedl Da wäre es falsch gewesen, etwa eine besondere G e e zu errichten oder die Rentenbankkreditanstalt agen neh die Preußische Landespfandbriefbank in Siedlungs⸗ aaehe . arbeiten zu lassen. Man hat sich auf eine gibt Bant zwischen Reich und Preußen geeinigt. Es pielt E allerlei Schwierigkeiten, bis sich so eine Bank ein⸗ . Aus diesen Erwägungen heraus haben wir auch anfäng⸗

ich d vird deserwaltungsrar klein gelassen. Aber in der nächsten Zeit

Herr H bene ”dege von Stauffenberg ausgesprochen hat, erweitert

er Verwaltungsrat entsprechend dem Wunsche, den der

In der Forderung der Betreuung der jugendlichen Arbeits⸗ losen, die der Herr Kollege Schneider (Berlin) zum Schluß auf⸗ stellte, stimme ich ihm ganz zu. Was wir in der Betreuung der Jugendlichen, bei denen die Beeinträchtigung der Arbeitskraft und des Arbeitswillens ja ganz etwas anderes bedeutet, als wenn sae; ältere Arbeiter L— mehr beschäftigen kann, von der Reichs⸗ egierung aus tun können, wird mit allem 9 . (Beifall in der Mitte.)

8 1“]

8 43. Sitzung vom 16. März 1931. 2 . (Bericht d. Nachrichtenbüros d. Vereins deutscher Zeitungsverleger.)

„Präsident Löbe eröffnet die Sitzung um 2 Uhr und teilt mit, daß die sozialdemokratische Reichstagsfraktion einen 2, eingebracht hat, der eine wirksamere Bekämpfung von Aufforderungen zum politischen Mord und schärfere Be⸗

stimmungen über den Handel mit Waffen und Munition verlangt.

„Abg. Agatz (Komm.) verweist auf das Attentat auf kommu⸗ nistische Funktionäre in Hamburg. Wieder sei ein Hhaus kadedan der ffeioen braunen Merdpes zum Opfer gefallen, die aus den Kreisen der Schwerindustrie finanziert werde und auch auf sozial⸗ demokratischer Seite Unterstützung finde. (Großer Lärm bei den Sozialdemokraten.) Er beantragt soforiige Aufhebung des Ver⸗ —— Rotfrontkämpferbundes und sämtlicher Demonstrations⸗ rbote. Beide Anträge werden, miteinander verbunden, auf die gesetzt, wie es die Antragsteller verlangt atten. Das Haus setzt dann die 2. Beratung des Haushalts des Reichsarbeitsministeriums fort.

Abg. Lambach (Kons.) erklärt, daß die Ursache der heutigen Arbeitslosigkeit nicht etwa in der Sozial⸗ und irace olgäit u suchen sei. Wenn die deutsche Arbeitslosigkeit wir 8 ihre

rsache in der verfehlten Politik und Konstruktion der Arbeits⸗ losenversicherung und des Tarifwesens 2B92 dann dürften Eng⸗ land und Amerika überhaupt keine Arbeitslosigkeit haben. Tat⸗ ächlich ist in diesen Ländern der Prozentsatz der evölkerung ebenso groß wie in Deutschland. Die Ursache der

ringen Beschäftigungsmöglichkeiten in Deutschland liegt in der erarmung 2 Lutschlands, in der Einschnürung der deutschen Wirtschaft und damit in den Tributlasten. Es muß endlich der Weg beschritten werden, um uns von diesen Lasten zu befreien. Es handelt sich hier nicht mehr allein um eine Frage der 88 Ehre, sondern auch um eine vordringliche Frage der deutschen Sozialpolitik. In der Arbeitslosenversicherung sind wir der Auf⸗ 8 ung, daß an dem ip unter allen Umständen vLgelholten werden muß. Der bewegliche Faktor darf nicht die öhe der Leistungen, sondern 8 die Dauer der Zahlungen sein. zie vom Minister gegen die Zulassung von Ersatzkassen für die Angestellten angeführten Gründe sind nicht stichhaltig. Bei künftigen Handelsverträgen sollte man in Zukunft mehr g auf die gleichberechtigte Behandlung der Arbeitskräfte legen. Es darf kein Handelsvertrag mit einem Lande abgeschlossen werden, in dem deutsche Arbeiter weniger Freiheit genießen, als Ange⸗ örige dieses Landes in Deutschland. Wir haben einen ent⸗ A Antrag eingebracht. So international die Ursachen eer heutigen Krise sind, so sehr sind wir der Auffassung, daß die Krise national überwunden werden muß. Wir stimmen dem Minister zu, daß öffentliche Mittel für Luxusbauten nicht in Be⸗ tracht kommen. enso wenig ist es aber angebracht, mit öffent⸗ lichen Mitteln nur große Mietskasernen mit Zwergwohnungen in den n- e ⸗NE. bauen. Es muß hier eine goße Umstellung erfsn en in der Richtung, daß besonders eine Heim tättensiedlung gefördert wird, die zugleich einen uschuß für unsere Ernährungs⸗ wirtschaft bedeutet. In der Sozialversicherung treten wir für stärkere Selbstverwaltung ein, wie sie der Reichstag wiederholt efordert hat. Für die Sanierung der Knappschaft werden gewisse pfer notwendig sein. Außerordentlich bedenklich wäre es aber, für diesen Zweck die Rücklagen der Angestelltenversicherung an⸗ zugreifen. In die Angestelltenversicherung würde dadurch eine proße Unsicherheit hineingetragen, da dieser Eingriff gleich⸗

deutend wäre mit dem Eingriff in die Rücklagen einer privaten Versicherungsgesellschaft. Es könnten für die Angestelltenversiche⸗ rung die gleichen Gefahren entstehen, wie - heute bei der Inva⸗ lidentversicherung vorliegen. Deutschland kann nicht durch inter⸗ nationalen Ausgleich gesunden, sondern die Gesundung muß aus dem eigenen Volkskörper heraus erfolgen. Wir unterstützen daher die Maßnahmen zugunsten der Landwirtschaft. Wir bitten aber die Landwirt 888 sich in gleichem Maße auch für die Existenz des Angestelltenstandes mit seinen Selbsthilfeeinrichtungen ein⸗

zusetzen. 1b Abg. Dill (Soz.) betont, daß die disziplinierte Haltung der it vor allem der * nte⸗

in dieser harten langen Erziehungsarbeit der Gewerkschaften zu danken sei. Um 8 mehr müsse die Arbeiterschaft empört sein, wenn aus purem achtftreben und aus Haß gegen die Gewerkschaften die Zahl der Arbeitslosen noch durch Aussperrung vermehrt würde. Solche brutale Unternehmerwillkür habe man in der letzten Woche in Bayern erleben müssen. Auf Grund eines Schiedsspruchs über sechsprozentigen Lohnabbau, der von den Gewerkschaften an⸗ enommen sei, hätten die bayerischen Metallindustriellen 40 000 Arbeiter ausgesperrt. (Hört, hört! links.) Nicht eine wirtschaft⸗ liche Zwangslage, sondern lediglich politische Gründe hätten das Vorgehen der Unternehmer veranlaßt. Den Glauben an die Wirt⸗ schaftsführer hätten die Arbeiter längst verloren. Der Arbeits⸗ minister müsse dafür sorgen, daß sie nicht auch den Glauben an die Staatsgewalt vollends verlieren. 8 Abg. Fahrenbrach (Zentr.) erklärt, daß die Rettung in erster Linie durch Selbsthilfe aus der Wirtschaft kommen müsse. Sie sei allerdings nicht dadurch zu erreichen, daß man uns durch hohe Zölle vom Auslandsmarkt abschneide, durch Kartelle die Preise in die Höhe schraube und die Löhne unter das Existen⸗ minimum senke. In der heutigen Zeit sei eine aktive Sozia olitik notwendig. Der Redner verlangt ein Zu⸗ von Ernährungs⸗, Wirtschafts⸗ und Arbeits⸗ ministerium. Das Wirtschaftsministerium sollte während der vom Arbeitsminister mitverwaltet werden. Die Kauf⸗ kraft des Innenmarktes muß gestärkt und die Ausfuhr hoch⸗ wertiger Fertigfabrikate gefördert werden. Bedauerlich ist der ungesunde Rückgang der selbständigen Wirtschaftsschichten. Von entscheidender Bedeutung 1 die Kaufkraft der Lohn⸗ und Gehalts⸗ empfänger. Der Reallohn darf daher nicht gesenkt werden, sondern er muß erhöht werden. Das kann aber jetzt nicht durch Erhöhung des Nominallohns, sondern durch Senkung der Preise geschehen. Vor allem darf kein weiterer Lohnabbau erfolgen, so lange der Preisabbau ihm hinterherläuft, Es geht nicht an, im Lohn nur einen Faktor der Produktionskosten zu sehen. Er bildet für die meisten Familien die Existenzgrundlage. Heute herr⸗ t eine wahre Lohnabbaupsychose. So verlangt 3 B. in der Tabakindustrie der Arbeitgeberverband trotz der schon so geringen Löhne einen weiteren Lohnabbau von 10 bis 12 vH. Lieber ollte man sehen, ob man nicht den Lohnanteil auf Kosten des Handels und der Verbraucherschaft etwas Pee en kann. ie Unterschiede wischen den Durchschnitts öhnen bzw. Gehältern der einzelnen Froduktionsgruppen sind jetzt viel zu groß geworden Besonders die Gehälter der Direktoren und der leitenden Angestellten sind viel zu hoch. Einzelne Direktoren haben das Zehnfache eines Ministergehalts. Wenn die Sozialversicherung an unserer Krise schun wäre, dann dürfte es in e * Flgane keine i 8 aterialismus, der Machtstandpunkt, der saftskrise geben. Der M. terialismn Üeeans

Klassenkampfgedanke verschlimmert die Lage und läßt keine ver⸗ nünfrige Regelung aufkommen. Vor allem der sozialen Lage des Arbeitnehmers muß Rechnung getragen werden. Das ist eine Sache der Gesinnung. Wir fordern daher den endgültigen Reichs⸗ wirtschaftsrat sowie ein besseres Tarifvertragsrecht. Dann wäre eine Verständigung viel leichter, und man brauchte nicht so oft die aatlichen Schli in Tätigleit zu setzen. Für die Zu⸗ ge gesetzgeberischer Maßnahmen in der Arbeitszeitfrage im Falle s8 Ausbleibens einer freiwilligen Verständigung danlen wir dem Minister. Die Regierung sollte den einzelnen Berufszweigen Vor⸗ schlaͤge Regelung der Arbeitszeit machen. Wir fordern ferner aßnahmen zum Schutze älterer Arbeiter und Angestellten gegen Entlassung und Beseitigung des Unwesens der Doppelverdiener. Im letzten Punkt muß die Regierung aber mit gutem Beispiel vorangehen.

Abg. Janschek (Soz.) erklärt, die Lohnsenkung sei bereits zn weit gegangen. Ohne Verkürzung der Arbeitszeit sei an eine

egelung nicht zu denken. Sogar im Bergbau betrage die Arbeits⸗ zeit zum Teil noch 10 Stunden. (Hört, hört!) Die wohl⸗ erworbenen Rechte der Bergarbeiter dürften bei einer Aenderung der Knappschaftsversicherung nicht angetastet werden. Der Redner begründete einen Antrag seiner Fraktion auf Bereitstellung von mindestens 50 Millionen Mark für Zwecke der notleidenden Knappschaftsversicherung aus der auch für die Finanzierung der Osthilfe herangezogenen Industriebelastung. Die Bergarbeiter selbst könnten unmöglich weiter Opfer bringen.

Abg. Olga Körner (Komm.) bemerkt, der kapitalistische Staat sei nicht mehr in der Lage, die Lebens⸗ und Wohnungs⸗ bedürfnisse der arbeitenden Bevölkerung zu befriedigen. Die Wohl⸗ müßten bei den jetzigen niedrigen Unter⸗ tützungssätzen buchstäblich hungern. Dabei verxlange der Städtetag neuerdings Kürzung der Sätze um 12 vH. Angesichts der unge⸗ heuren Notlage in den Familien der Arbeiterschaft sei es unerhört, daß die Sozialdemokraten im Haushaltsausschuß die Mittel für die Kinderspeisung abgelehnt, dagegen der Einsetzung der Rate für den Panzerkreuzer zugestimmt hätten. Wahrhaft unsittlich sei es, von den Proletarierfrauen zu verlangen, sie sollten Kinder ge⸗ bären, ihnen aber nicht die Möglichkeit zu geben, sie ausreichend zu ernähren. Selbst im Mutterleib müßten die Kinder schon

ungern. Der Mutterschutz stehe zum Pchene Teil nur auf dem Papier. In Rußland werde besser für Mutter und Kind gesorgt. Abg. Karsten (Soz.): Die Kommunisten sollten nicht immer die Sozialdemokraten angreifen, sondern sich lieber ernsthaft mit den sozialpolitischen Frg hen beschäftigen. (Zwischenrufe bei den Kommunisten.) Durch ihr Vorgehen versetzen die Kommunisten der Sozialversicherung nur einen heftigen Stoß. Wir sind uns bewußt, daß wir in der Notzeit die Sozialversicherung nicht aus⸗ bauen, sondern nur erhalten können. (Zwischenrufe bei den Kom⸗ munisten.) In Rußland ist die Sozialpolitik schon abgebaut. (Widerspruch bei den Kommunisten.) Ein Abbau der Sozialversiche⸗ rung nach dem Wunsch der Arbeitgeber würde nur zur Verringe⸗ rung der schon sehr niedrigen Renten auf der einen Seite und zu weiterer Belastung für die Gemeinden führen. Wir verlangen jegt durch unseren im Ausschuß angenommenen Antrag, daß die ngehörigen der Erwerbslosen auch von den Gebühren für den Krankenschein und die Arzneikosten befreit werden. Die Unfall⸗ versicherung ist noch nicht weit genug ausgedehnt, die Berufs⸗ krankheiten sind nicht bedacht. Ferner muß der alleinige Einfluß der Arbeitgeber bei der Unfallversicherung beseitigt werden. Wir werden den Abbau der Sozialversicherung verhindern und an den Aufbau denken, wenn die Zeit dazu gekommen ist.

Abg. ee (Soz.): Der Abgeordnete Hermann war am Sonnabend sehr besorgt um die Demokratie, seine Aus⸗ ührungen waren aber reine Theorie. Die Lehrlinge werden von

i Arbeitgebern als Ausbeutungsobjekte betrachtet und beliebig auf die Straße geez. Im Baugewerbe sind 17 000 Lehrlinge, d. h. 51,3 vH, arbeitslos. Wir verlangen eine angemessene Ent⸗ schädigung für die Arbeit der Lehrlinge. Die Gewerkschaften haben selbst ein Interesse an der Heranbildung eines tüchtigen Nach⸗ wuchses, und wir lehnen eine Arbeitsordnung keineswegs ab, aber muß auch brauchbar sein. Das Baugewerbe leidet ganz be⸗ onders unter der Krise. Die Arbeitslosigkeit der Bauarbeiter im Deutschen Baugewerksbund ist von 29 vH im Durchschnitt von 1929 auf 47,6 vH in 1930 gestiegen. (Hört, hört!) Mit dem Neben⸗ gewerbe, wie Transportgewerbe usw., leben 10 Millionen Menschen von der Bauindustrie. Der Ausfall an Aufträgen im Jahre 1930 gegenüber 1929 beläuft sich auf rund eine Milliarde Mark, die Arbeitslosigkeit umfaßt 60 vH. Dabei ist der Wohnungs⸗ bau dringend, die Wohnungsnot ist noch immer sehr groß. Etwa 700 000 Familien sind ohne eigene Wohnung. Nur gesunde Woh⸗ nungen können die Arbeitskraft erhalten; wir müssen die Arbeiter aus den ng⸗ herausbringen. Das ist eine volkswirt⸗ schaftlich wertvolle Tat. An Baustoffen fehlt es nicht, aber an Kapital. Die Banken haben gute Geschäfte gemacht. Wenn jetzt viele Wohnungen leer stehen, so ist daran nicht der Mangel an Mietern, sondern der hohe Mietzins schuld. Rechnet man die Herstesen einer Neubauwohnung mit 7000 Reichsmark, so be⸗ trägt bei der Finanzierung mit Hauszinssteuermitteln der Zins 393 ℳ, ohne diese 651 ℳ. Allein mit privaten Mitteln kann also nicht gebaut werden. Die Kapitalisten verschieben ihr Geld. Wohin wären wir gekommen, wenn der Staat nicht in die Woh⸗ nungswirtschaft eingegriffen hätte? Eine freie Wohnungswirt⸗ schaft, wie sie war, darf niemals wiederkehren. Das A und O des Wohnun sbaues ist die Finanzfrage: die Wohnungsausstattung ist heute viel besser, man kann den Mietzins nicht ohne weiteres mit dem von 1914 vergleichen. Wir setzen unsere Hoffnung auf den Reichsarbeitsminister. Die Bauarbeiterlöhne dürfen allerdings nicht noch weiter herabgesetzt werden, wenn die Arbeiter überhaupt noch weiterleben sollen. Die E“ gezeigt, daß der Abbau der Bauarbeiterlöhne nicht zur Verbesserung der Baukonjunktur und zur Ankurbelung der Wirtschafßs⸗ geführt hat. Man darf nicht bloß die Stundenlöhne ansehen, schnittslohn berechnen, und dann ist die Statistik des Herrn Freybe falsch. Der Arbeitsminister muß dafür sorgen, daß die Baukosten und namentlich die Preisgestaltung der Baustoffe richtig. bemessen werden. Denn darin liegt vor allem die Verteuerung des Woh⸗ nungsbaues.

Abg. Thesen (Komm.) erörtert die Stillegung des Hütten⸗

werkes Duisburg⸗Meiderich und spricht von einem Akt faschistischer Willkür, da wirtschaftliche Gründe für die Stillegung nicht aus- Sozialdemokratie und die Ge⸗ Lohnraubaktion des Oberbürger⸗

wendet sich gleichfalls die Haltung der bayerischen Metallindustriellen, deren Vor⸗

schlaggebend gewesen seien. Die werkschaften hätten bei der 1 meisters Jarres Zuhälterdienste geleistet.

Abg. Treßmann (Bayer. Vp.) gegen ehen ein rwartung aus, daß bei den

Angriff auf den Wirtschaftsfrieden sei. Er spricht die

sondern muß den Jahresdurch⸗

Verhandlungen des Beauftragten

des Arbeitsministers der Verständigungswillen siegen werde. Der Redner betont dann die Notwendigkeit, vor allem das Bauwesen

wieder in normale Bahnen zu lenken. Hauszinssteuermittel sollte man die

Bei der Verteilung der Wohnungsgröße nicht zu schematisch festsetzen. Der Herstellung nur von Klein⸗ und Kleinst⸗

wohnungen sei sehr bedenklich. Vor allem müsse man den Kinder⸗ reichen ausreichenden und preiswerten Wohnraum schaffen. Eine

Voraussetzung für die Gesundung der Wohnungswirt chaft sei di allmähliche Beseitigung der Wohnungsgesetze. Der Redner er wartet vom Minister, daß jeder Weg beschritten wird, der zu eine Besserung auf dem Gebiete des Wohnungswesens führt.

Abg. Biester (Soz.) tritt für stärkere Förderung der Land⸗ arbeitersiedlungen ein. Zur planmäßigen Si

sonders auch ein fruchtbares Zusammenarbeiten der beteiligten Die Siedlungsgesell⸗ der Regierung überwacht werden. 8 die Siedlung dürfe nicht das Geld des Siedlers entscheidend e

Stellen, das man heute oft noch vermisse. schaften müßten schärfer von

in, sondern einzig und allein die siedlerischen Qualitäten. Im usschuß werde man die Frage einer genossenschaftlichen und eine Pach siedlung eingehend prüfen müssen.

Siedlung gehöre be⸗

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