1931 / 72 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 26 Mar 1931 18:00:01 GMT) scan diff

Insofern bin ich mit Herrn von Rohr ganz einverstanden.

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auch für Breitscheid in Anspruch nehmen.

Reicho⸗ und Staatsanzeiger Nr. 72

*

vom 26. März 1931.

S. 4.

schlesien nach den Zeitungsberichten gesprochen: Herr Hugenberg, Herr Bang, Herr Kleiner und Herr Hauptmann Schmidt, Reichs⸗ agsabgeordneter aus Hannover. Kommt man mit den Reden weiter? (Sehr gut! bei der Sozialdemokratischen Partei.) Nein, meine Herren. Ich messe einer Rede, wie sie aus Anlaß einer staatlichen Repräsentation, wie sie aus Anlaß eines Bolkstages, Feines Volkstrauertages oder eines Volksfreudentages gehalten wird, keine unmittelbare politische Bedeutung und ö“ Aber wenn diese Reden nicht weiterbringen, was soll uns weiter⸗ bringen? Sollen wir Polen den Krieg erklären? Das will er nicht, und ich unterstelle es ihm auch nicht. Wenn er das aber nicht will, dann soll er doch nicht solche hämischen Bemerkungen machen gegenüber der Rede, die auch einmal ein Mitglied der Preußischen Regierung hält. Wenn er aber auf diese Dinge näher eingegangen ist und weiter davon sprach, „auch der deutsch verbliebene Teil von Oberschlesien wäre nicht bei Preußen, wenn es nach Ihrer Politik gegangen wäre“, dann habe ich zunächst zu sagen, daß er hier einmal wieder sozialdemokratische Politik und Politik der Preußischen Staatsregierung gleichstellt. Herrn Kollegen von Eynern bitte ich, sich das besonders zu merken. Diese Gleichstellung ist in diesem Fall freilich durchaus verdient; denn die sozialdemokratische Politik in Sachen Oberschlesien war die Politik der preußischen Staatsregierung schlechthin, und diese Politik hat auch hier im Hause stets die weitgehendste Anerkennung gefunden. (Sehr richtig! bei der Sozialdemokratischen Partei.) Herr von Rohr hat so getan, als ob es nur ein Mühen, ein Ringen, einen Kampf um die Existenz, um die Substanz von Oberschlesien gegeben habe, nämlich den Kampf um den Anna⸗ berg. Herr von Rohr ist auch in der Betrachtung dieser Dinge nicht aus Pommern herausgekommen. Ich habe 1919, als es noch sehr gefährlich war, mit dem verdienten General von Höfer und mit dem Mitglied dieses Hauses, dem Abgeordneten Hörfing, in Oberschlesien versucht, eine preußische, eine deutsche Phalanx zu

2 errichten denjenigen Strömungen gegenüber, die die Wirtschafts⸗

nöte in der Provinz und jene Zeit benutzen wollten, um polnische Staatszwecke, polnische Umsturzzwecke zu erreichen. In jener Zeit, als es gefährlich war, haben die Arbeiter aller Richtungen, nicht nur Sozialdemokraten, unter Führung Hörsings, in den vordersten Reihen gestanden, und es ist bezeichnend, daß in diesen Zeitläuften, insbesondere im April 1919 und im August 1920, die Arbeiter, die kleinen Leute, die Beamten und Angestellten die Treiber waren, die Männer waren, die an eine friedliche Lösung des Konflikts nicht glaubten, die auf die Herausgabe von Waffen drängten, die sich in den Fabriken mit nicht kriegsgerechten Waffen versehen wollten, um gegen die polnischen Insurgenten zu gehen, daß aber das retardierende Element auf der Seite der Rechts⸗ parteien zu finden war. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Und der Geist vom Annaberg hätte keine Bedeutung in der deutschen Geschichte bekommen, die tapferen Männer vom Anna⸗ berg hätten sich nicht für Oberschlesien einzusetzen brauchen, wenn es nicht vor ihrer Aktion 1919 und 1920 beherzte Männer ge⸗ geben hätte, die Oberschlesien auf keinen Fall preisgeben wollten. (Sehr wahr! im Zentrum.)

Nun hat Herr von Rohr mir vorgehalten, daß ich einmal davon gesprochen hätte, daß ich und meine politischen Freunde Polenfreunde seien. Diese Bezeichnung ist uns beigelegt worden. Wir haben sie nicht akzeptiert, wenigstens nicht ohne Einschrän⸗ kung. Ich habe in meiner Reichstagsrede 1928 schon daran er⸗ innert, daß, wer in Danzig zum Volkstag wählte und sozialdemo⸗ kratisch stimmte, von den Herren der Deutschnationalen Volkspartei den Polen gleichgestellt worden ist. „Wer sozialdemokratisch wählt, wählt polnisch“ so lautete damals die Wahlparole der Deutsch⸗ nationalen Volkspartei. Und als im Streit um den Panzerkreuzer den Sozialdemokraten allerlei dunkle Motive unterstellt wurden, hat man auch auf ihre Polenfreundlichkeit hingewiesen. Das sind Bezeichnungen, die Sie uns gegeben haben, die wir aber nur in⸗ sofern akzeptieren, als auch wir bestrebt sind, mit den demo⸗ kratischen Polen gute Freundschaft zu halten. (Sehr gut! bei den Sozialdemokraten. Zuruf rechts.) Heute nicht; da stimme ich Ihnen zu. Aber man darf die Hoffnung nicht verlieren, daß auch in Ihren Reihen in nächster Zeit Republikaner und Demokraten erstehen werden.

Und nun hat Herr von Rohr Reden von mir herausgesucht und mir unterstellt, daß ich in Kiel gefagt hätte, wenn unfere Reparationen auf 2 Milliarden Mark herabgesetzt würden, können wir froh sein. Ich frage Sie: trauen Sie mir einen solchen Unsinn zu? Auch ein Minister kann Fehlgriffe tun. Auch ihm passiert ein lapsus linguae, auch dem Minister verrutscht einmal die Zunge; das gebe ich alles zu. Aber, meine Damen und Herren, daß ich in einem Augenblick, in dem die Debatte über die Noung⸗Leistungen oder die deutschen Reparations⸗ leistungen im Gange ist, auch nur unter vier Augen erklären würde, daß eine Herabsetzung auf jährlich 2 Milliarden der deutschen Wirtschaft genüge, das dürfen Sie mir doch nicht zu⸗ trauen. Trotzdem wird in ganz Deutschland unterstellt, daß ich in einer öffentlichen Rede in Kiel das gesagt hätte. In Wirk⸗ lichkeit habe ich in einer Vertrauensmännerversammlung der Kieler Arbeiterschaft, der ich die Wirtschaftslage des Frühjahrs 1929 auseinandersetzen wollte, gesagt, daß die steuerlichen Er⸗ fordernisse wahrscheinlich die Wirtschaftslage des Jahres 1929 noch weiter verschlechtern würden. Sie wissen, meine Damen und Herren, daß es sich damals beim Steuerbedarf des Reiches um einen Betrag von ungefähr 500 Millionen handelte. Da sagte ich: wenn es uns nicht gelinge, beträchtliche Abstriche an den Reparationsleistungen zu machen, müßten wir weitere 500 Mil⸗ lionen aus der deutschen Wirtschaft herauspumpen. Das war der einzige Hinweis auf die Reparationsverhandlungen. Daraus ist nun gemacht worden, daß ich den Unterhändlern in Paris in den Rücken gefallen wäre, daß ich damals mehr hätte zahlen wollen, als es der preußische Herr Ministerpräsident zum Ausdruck ge⸗ bracht hätte. (Zuruf rechts: Nein, nicht Sie, Ihr Freund Breit⸗ scheid!) Ich weiß nicht, was man Breitscheid unterstellt. Aber was ich für uns alle in Anspruch nehme: daß man uns nicht für dümmer halten soll, als wir in Wirklichkeit sind, das möchte ich (Heiterkeit. Ruf rechts: Einverstanden!)

Weiter habe ich in dieser Kieler Rede das genaue Gegenteil von dem gesagt, was Herr Abg. von Rohr weiter unterstellte: er und seine politischen Freunde hätten schon im Jahre 1929 das Absacken der wirtschaftlichen Konjunktur feststellen können, während wir damals noch in rosenrotem Optimismus gesegelt seien. Meine Damen und Herren, ich habe um die Jahreswende 1928/29 zu diesem Thema etwas geschrieben, nämlich eine Be⸗ gründung zu meinem Schiedsspruch, den ich im Dezember 1928 im Streit der Metallindustrie Nordwest abgegeben habe, und in der Begründung zu diesem Schiedsspruch habe ich schon auf die abflauende wirtschaftliche Konjunktur aufmerksam gemacht. Es kann also gar keine Rede davon sein, daß wir uns auch bei unseren Maßnahmen in der Preußischen Staatsregierung von ganz falschen wirtschaftlichen Voraussetzungen hätten leiten lassen. Alles, was Herr Abg. von Rohr in diesen Punkten glaubte fest⸗ stellen zu können, gehört in das Gebiet der politischen Fabel.

Ich wende mich nun den Ausführungen des Herrn Abg. von Eynern zu, der, wenn ich richtig unterrichtet bin, der Auf⸗ fassung Ausdruck gegeben hat, daß ich mehr Polizei⸗ minister als Verwaltungsminister sei. Er hat diese Behanptung mit dem Hinweise darauf begründet, daß wir mit unseren Verwaltungsreformgesetzen nicht weitergekommen seien. Ich habe diese Bemerkung auch gar nicht als einen Vor⸗ wurf aufgefaßt, möchte sie vielmehr als eine Schmeichelei hin⸗ nehmen aber dabei doch auch gleich die Einschränkung machen: ein Polizeiminister von heute darf nicht nur der Polizeiminister des Gummiknüppels und des Karabiners und des Seitengewehrs sein (Abg. Schulz [Neukölln]: Das sind Sie ja. Heiterkeit rechts) ich wußte sehr genau, daß meine Feststellung dieses Echo finden würde (Heiterteit), nein, Polizeiminister sein heißt heute auch Minister der vorbeugenden Maßnahmen sein. (Sehr gut! bei der Sozialdemokratischen Partei.) Ich glaube auch, daß ich in dem Bemühen, die Gemeindefinanzen in Ordnung zu halten und in Ordnung zu bringen, wo sie zerrüttet sind, der bessere Polizeiminister bin. Denn, wenn es uns nicht gelänge, in dieser Zeit der allgemeinen Finanznot die Gemeinden in den Stand zu setzen, ihre Verpflichtungen gegenüber den Wohlfahrtserwerbs⸗ losen zu erfüllen, dann würden wir in das Volk eine so große Beunruhigung, in das Wirtschaftsleben eine so große Unsicherheit hineintragen, daß dann der andere Polizeiminister in Aktion zu treten verpflichtet wäre. Der beste Polizeiminister ist in dieser Zeit der Verwaltungsminister. (Sehr richtig! Sehr gut! bei der Sozialdemokratischen Partei.)

Aber, meine Damen und Herren, darin gebe ich Ihnen ganz recht: für Verwaltungsgesetze, die hier zunächst einmal theorethi⸗ sche, akademische Auseinandersetzungen erfordern würden, ist jetzt wirklich keine Zeit. Wenn Herr Abg. Grosske gestern gemeint hat, diese meine Ansicht, die ich ja schon im Hauptausschuß geäußert habe, sei der beste Beweis für die Notwendigkeit, den Landtag auf⸗ zulösen, so irrt er. Herr Abg. Grosske, ich maße mir nicht an, Prophetengabe zu besitzen; aber das glaube ich Ihnen doch sagen zu dürfen: der neue Landtag, ganz gleich, wann er gewählt wird, wird zur Verabschiedung einer Verwaltungsreform, die diesen Namen verdient, noch weit unfähiger sein als dieser Landtag. (Sehr wahr!)

Herr Abg. von Eynern hat dann bemängelt, daß ich im Haupt⸗ ausschuß über die Gemeindefinanzen sehr wenig gesagt habe, und hat mich in einen gewissen Gegensatz gebracht zu dem Herrn Finanzminister, der sehr viel gesprächsger gewesen sei. Zunächst ist das ganz allgemein betrachtet nicht richtig. Es mag sein, daß der Herr Preußische Finanzminister im Hauptausschuß des Land⸗ tags eingehendere Mitteilungen über den Stand der Gemeinde⸗ finanzen gemacht hat; dafür habe ich eingehendere Mitteilungen in den Vereinigten Ausschüssen des Staatsrats gemacht, und ich habe nicht den Ehrgeiz, alles zu wiederholen, besonders das nicht zu wiederholen, was man bei allen einsichtigen Männern der parlamentarischen Körperschaften als bekannt voraussetzen kann. Wenn aber Herr Kollege von Eynern sagt, der Innenminister hat wenig gesagt, und der Herr Finanzminister ist gesprächiger gewe⸗ sen, dann möchte ich ihn darauf aufmerksam machen, daß es in diesen Zeitläuften nicht darauf ankommt gesprächig zu sein, son⸗ dern darauf, den Gemeinden mit der Tat zu helfen. (Heiterkeit und Zustimmung.)

Wenn nun Herr von Eynern weiter fagt, bei dem Hin und Her der Verantwortungsverschiebung habe man manchmal den Eindruck, daß die boshafte Bemerkung Heinrich Heines vom Wasch⸗ lapski und Kragülinski, den Polen aus der Polackei, angewendet werden könnte, von denen der eine nicht wollte, daß der andere für ihn zahle, dann, glaube ich, hinkt dieses Beispiel insofern, als es sich gar nicht darum handelt, wer von Preußen und wer vom Reich zahlt; denn wir müssen ja im Staat und im Reich die „Zeche“ für einen dritten bezahlen, für die Gemeinde. Für jeden, der heute im öffentlichen Leben steht, kommt es nicht so sehr darauf an, in dieser Frage die formelle Zuständigkeit zu be⸗ tonen oder zu bestreiten, als vielmehr alle Kraft darauf zu ver⸗ wenden, daß im Notfall keine Gemeinde zusammenbricht.

Ich kann in diesem Augenblick nicht sagen, zu welcher Re⸗ gelung die Gemeinden mit der Staatsregierung und mit der Reichsregierung gelangen werden. Ich darf Sie aber dringend bitten, aus dieser Unmöglichkeit, Ihnen heute detaillierte An⸗ gaben darüber zu machen, wie wir für die Gemeinden sorgen wollen, nicht zu folgern, als ob der Innenminister oder ein an⸗ deres Glied der Preußischen Staatsregierung sich passiv verhalte. Wir tun alles Mögliche, und der Innenminister ist, wie es seine Pflicht ist und wie es auch zu seiner Zuständigkeit gehört, ganz selbstverständlich der treibende Motor in diesen Bemühungen, die Gemeinden vor dem Zusammenbruch zu schützen.

Was die Herren Abgeordneten von Eynern und Grosske mit Bezug auf die Verwaltungsreform gesagt haben, hat mich als alten Praktiker auf diesem Gebiet nicht überzeugt. Sie wollen beide ein schleunigeres Tempo, und der Herr Abgeordnete Grosske hat angegeben, daß er als ein geeignetes Mittel die Einsetzung einer Kommission zum Studium der Verwaltungsreform betrachte. Meine Damen und Herren, ich habe auch im Reich an der Stelle des Innenministers gesessen, ich kenne die Länderkonferenz, ich kenne die Arbeiten und Untersuchungen ihrer Ausschüsse. Wenn Sie sich einmal danach erkundigen wollen, was bei all diesen Untersuchungen herausgekommen ist, wird man Ihnen sagen:

wertvolles Material, aber nichts weiter. Ich glaube de Material“ haben wir heute schon in den Annalen unser schen Parlamentsgeschichte, und wir brauchten nicht bei besorgt zu sein, dieses Material, d. h. diese Makulatur b-. Meter zu erhöhen. (Zuruf rechts: Schaffen Sie nur * Vollmachten!) Geben Sie mir solche Vollmachten „, mächtigungsgesetz. Sie würden dann sehen, in welch scr Tempo die Dinge kommen würden, die jetzt ins Stocken ge sind. (Abg. Dr. Ponfick: Ihnen geben wir sie vielleicht Gut, ich bin Ihnen sehr dankbar.

Nun einige Bemerkungen zu den Ausführungen von 8 Kollegen Fald! Ich bin mit ihm der Meinung, daß es Aa der Kommunalaufsichtsbehörde ist, darüber zu wachen, daß Auslandskapital nicht den Einfluß zurückbekommt es bei der Einrichtung unserer öffentlichen Betriebe g2. bahnen, Gaswerke, Elektrizitätswerke ufw. einmal besessen Diese Aufgabe ist aber sehr schwierig, und man kann sie ein lich nur lösen, indem man der allgemeinen Finanznot zu t rückt und dafür sorgt, daß unser Land nicht neuen politischen, schütterungen ausgesetzt wird. (Sehr richtig! bei der Cag demokratischen Partei.) Was Herr Kollege Dr. Hoepker Iic bei der ersten Lesung des Etats hier ausgeführt hat, ist le im Lande, vielleicht auch im Parlament, nicht voll gewin worden. Der Kapitalabfluß, der nach dem 14. September; setzte, hat doch für unsere industriellen Unternehmungen im folge gehabt, daß sie 10 vH für ihre Betriebskapitalien bept müssen, während es bei dem Konkurrenzkampf auf dem 9 markt der Elektroindustrie, der Maschinenindustrie und der Te. industrie in den anderen Ländern Frankreich, der Sce Belgien, der Tschechoslowakei viel leichter fällt. Die Um nehmungen in diesen Staaten brauchen das Geld, das sie hen nehmen, nur mit einem ganz geringen Zinsfuß zu verzinsen, * deshalb können diese Industrien viel eher als unsere deuß Industrie auf dem Weltmarkt konkurrieren. Wenn wir jetzt g durch ein schwächliches Verhalten der Regierung möglich mact ja, geradezu begünstigen würden, daß Desperados von rechts 1 links die Weltöffentlichkeit in der Auffassung irreführten, Deuff land stehe am Vorabend eines Bürgerkrieges, dann würde es ni bei dem Kapitalabfluß vom 14. September bleiben, sondern Re würden sich diese üblen Vorgänge weiter fortsetzen.

Ich kann deshalb ein Mittel zur Durchführung all der zu Anregungen des Herrn Kollegen Falck nur darin erblicken,n wir die Gemeinden zur sorgsamsten Geschäftsführung auf bend Seiten des Etats, bei den Einnahmen wie bei den Ausmehe anhalten (sehr richtig! bei der Wirtschaftspartei), und daß n alle Kräfte in der Staatsregierung darauf verwenden, das A vor neuen Unruhen zu bewahren. Ein anderes Mittel, zu ch Herabsetzung der Werktarife zu kommen, sehe ich nn Ich stimme im Grundsatz dem Herrn Kollegen Falck durche darin zu, daß man, wenn man vom allgemeinen Preiselt spricht, auch daran gehen müßte, z. B. den Preis des elektrise Stromes, insbesondere für die kleinen Haushaltungen, abzuban (Sehr richtig.) Solange aber die Gemeinden die Einkünfte: diesen Einrichtungen (Zuruf des Abg. Werdes) so nötig hat wie das liebe Brot, so lange kann meines Erachtens nicht die R davon sein, daß eine nennenswerte Reduzierung der Einheißt tarife, wie sie jetzt in den Städten festgelegt sind, vorgenom wird. (Zuruf des Abg. Donners.) Diese Gewinne mögen sich zu beklagen sein; aber sie kommen nicht den Kapitalisten gute, sondern heute brauchen die Gemeinden diese Ueberschif um die Wohlfahrtserwerbslosen über Wasser zu halten. Sol⸗ den Gemeinden kein anderes Mittel zur Verfügung steht, diesen wichtigsten sozialpolitischen Zweck der hentigen Zeit zu füllen, so lange kann, fürchte ich, von einem nennenswerten Ab⸗ der Einheitstarife nicht die Rede sein. (Abg. Dr. Ponfick: 2 Folgen der gemeindlichen Großmannspolitik werden heute bezahl Herr Abgeordneter Ponfick, ich glaube, es ist ein müßiges 8 ginnen, hier im Parlament oder an anderer Stelle zu un suchen, wer eine Großman nspolitik getrieben hat. 6. ruf bei der Wirtschaftspartei: Die haben alle Gemeinden; trieben!) Jawohl, Landgemeinden, Großgemeinden. Son Sie aber in den Jahren 1926, 1927, 1928 Mitglied dieses Han gewesen sind: Fühlen Sie sich frei von jeder Schuld der Gr mannssucht, haben Sie in den Jahren, in denen es uns gut gih auf die Notwendigkeit von Sparmaßnahmen hingewiesen? 8 ruf bei der Deutschnationalen Volkspartei und der Wirtschaft partei: Jawohl, immer, sehr oft!) Hat man daran gedacht,) ein ordentlicher Kaufmann in den guten Jahren etwas weniger glückliche Jahre zurücklegen muß? Im Jahre 1928, letzten Jahre einer wirtschaftlich leidlichen Konjunktur, hat n Raubbau an den Reichsfinanzen getrieben. (Zurufe bei! Deutschnationalen Volkspartei.) Herr Steuer, ich bin in! Wertschätzung des Herrn Schlieben mit Ihnen durchaus em Das alles hat aber doch jetzt keinen Sinn. Es kommt ja auch un darauf an, daß wir hier als höchster Gerichtshof heute dam Recht sprechen, wer am meisten gefündigt hat in der Großmann) sucht in Reich, Ländern und Gemeinden, sondern es kommt darge an, die begangenen Sünden nach Möglichkeit abzustellen wenigstens die Schäden zu heilen, die verursacht worden (Zuruf bei der Deutschen Volkspartei: Neue Steuern!) 82 Abgeordneter Leidig, werden Sie neue Stenern bewilige (Heiterkeit und Zurufe: Die Volkspartei will ja keine Steuk bewilligen! Das haben wir ja im Reiche gesehen!) 88

„Man hat nun in vielen Fällen Klage geführt, daß wer dem Mittel der Einsetzung von Staatskommissare gegriffen haben, um Steuerfestsetzungen in den einzelnen meinden zu treffen oder sonstwie die Finanzen der Gemeinden Ordnung zu bringen. Herr Abgeordneter Schwenk hat gestern g meint, ich hätte im Ausschuß die Tätigkeit der Staatskomme gelobt und hätte von ihnen als von Whltätern der Menschhenn sprochen. Ich bin in der Tat der Meinung, daß die Staatsto missare als Wohltäter der betreffenden Gemeinden anzuspree sind. (Hört, hört! bei den Kommunisten.) Ja, das find sie ac (Rufe bei den Kommunisten: Ist ja nicht wahr!) Rem geben das nicht zu. (Heiterkeit. Zuruf bei den Kommunife Dadurch wird es nicht richtiger, weil Sie es behaupten)) wissen doch, daß diese Maßnahme sehr odiös ist, wir wissen,

rtsetzung in der Zweiten Beilage.)

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gWweite Beilage ün Deutschen Reichs

Berlin, Donnerstag, den 26. März

anzeiger und Preußischen Staatsanzeiger

1931

mit keine Popularität erzielt und daß, wenn man auf der Linie so vorgeht, man uns den Vorwurf machen kann, rdie Selbstverwaltung abbauen wollten. Da liegt doch näher, als daß wir von solchen Maßnahmen Abstand „wenn sie nicht unbedingt erforderlich sind. Wenn wir or der Frage stehen, ob wir den Gemeinden Mittel ver⸗ sollen, die Erwerbslosen über die schlimmsten Zeiten zubringen, oder die Gemeinden zusammenkrachen zu lassen egrößte Unordnung und Unsicherheit in das Erwerbsleben zübringen, dann wiegt der Entschluß, einen oder ein Dutzend 100 Staatskommissare einzusetzen, gegenüber diesen Even⸗ ten federleicht. Meine Damen und Herren, es ist auch nicht wir stets par order du mufti zu einer solchen Einrichtung nen sind, manchmal sind wir von den Gemeinden gebeten „die Staatskommissare zu stellen. (Zuruf bei der Wirt⸗ partei: Und manchmal da, wo es nicht nötig war!) cht auch! Das ist aber kein Vorwurf, den man uns machen Manchmal mußten wir einschreiten, weil wir den Eindruck hatten, daß die städtischen Körperschaften Willen oder die Einsicht hatten, zeitig genug jnanzen in Ordnung zu bringen. Und wenn ich nun durch zuruf es soll ja mein Kollege Weidemann gewesen sein ran erinnert wurde, daß wir auch in Pommern nach dem n sehen sollen, so möchte ich zur Erhärtung dieser meiner sung einen niedlichen Bericht zum Vortrag bringen, der mdeswillen einen pikanten Beigeschmack hat, weil er Herrn nRohr nicht ganz außer acht läßt. Der Bericht lautet so: einer kürzlich abgehaltenen Provinzialvorstandssitzung des landbundes in Stettin hielt ein Herr von Kleist⸗Schmenzin in Referat über die Steuerbelastung. Er hielt es für erforder⸗ ich, daß alle Gemeinde⸗ und Kreisetats abgelehnt werden, da⸗ alles zusammenbreche. venn die Gemeindevertreter oder Kreistagsabgeordneten nicht volten, gebe es ein einfaches Mittel: die famosen Kerle der Slurmabteilungen würden sie einfach verprügeln. ert, hört!) diese Aeußerung erweckte eine etwas betretene Stimmung, aber line Zurechtweisung etwa durch den mitanwesenden Vorsitzen⸗ den, der kein Geringerer als das Mitglied des Landtags von gohr war. ört, hört!) zie sehen, meine Damen und Herren: Staatskommissare dHeine notwendige Einrichtung. Was nun den Entschließungs⸗ irag der Herren von der Kommunistischen Partei anlangt, der hnit der Tätigkeit des Oberbürgermeister Jarres beschäftigt, üchte ich mich den Ausführungen anschließen, die Herr Kollege ner zu dieser Angelegenheit gemacht hat. Ich habe mich meswegs, wie Herr Abgeordneter Schwenk gestern meinte, im euptausschusse des Landtags mit dem Vorgehen des Oberbürger⸗ eiters einverstanden erklärt. Ich habe sogar davon gesprochen, pjer sich vergriffen habe. Aber ich habe sein Vorgehen insofern verstehen und zu entschuldigen versucht, als er bemüht ge⸗ gen sei, nicht nur einen Steuerausfall zu verhindern, sondern ch die finanzielle Möglichkeit der Stadt, Wohlfahrtserwerbs⸗ sez unterstützen, zu verbessern. Das waren die Gründe, die nOberbürgermeister Jarres bestimmt haben, einzugreifen. Mit i materiellen Vorgehen habe ich mich durchaus nicht einver⸗ den erklärt. Ich nehme von der Loyalität des Herrn Schwenk 9 er Gelegenheit nimmt, diese seine irrige Auffassung zu nchtigen. Aber ich möchte auch an dieser Stelle zum Ausdruck bringen,

jes ein Unfug ist, wenn Stadtverordnete, wenn sie mit der

üigkeit eines Oberbürgermeisters nicht einverstanden sind, Miß⸗ nensvoten annehmen, von denen sie wissen, daß sie keine recht⸗ he Bedeutung haben. Das ist Parlamentspielerei in des Wortes rwegenster Bedeutung. (Abg. Kasper: Ihre Fraktion hat doch gsimmt!) Das entbindet mich nicht von der Verpflichtung, nieser Stelle den Appell an alle Stadtverordnete zu richten, sAnsehen der Stadtverordnetenversammlungen nicht durch der⸗ ige bloße Demonstrationen herabzusetzen. (Sehr gut!)

e liegt auf derselben Linie, wenn nun zu allem Ueber⸗ noch die Herren von der Kommunistischen Partei beantragen: das Staatsministerium wird aufgefordert, den Oberbürger⸗ mister von Duisburg, Jarres, entsprechend dem gegen ihn im der Stadtverordnetenmehrheit angenommenen Mißtrauens⸗ atum sofort seines Postens zu entheben.

terkeit.) Nein, das geht nicht! Der Landtag ist kein Exekutiv⸗ ien der Duisburger Stadtverordnetenversammlung. Auch der zutsregierung darf man das nicht zumuten.

Nun noch ein paar Bemerkungen zum Volksbegehren, das in n Kranz natürlich nicht fehlen kann. Das Kapitel Volks⸗ eecren führt mich zunächst zu der Beamtenpolitik. Ich düe, Sie werden es verstehen, wenn ich Ihnen erkläre, daß 1 speiübel ist, immer und immer wieder zur Begründung der retischen Beamtenpolitik, insbesondere meiner Personal⸗ 1 hier zusprechen. Sie werden es mir ersparen, die Grundsätze, die ich in diesen Fragen einhalte befolge, nochmals dem Hause mitzuteilen. Ich bin Ihnen ein Unbekannter. Bei diesen Grundsätzen bleibt es. Ich bin Meinung, daß es sich der preußische Staat besonders in diesen tien nicht gefallen lassen darf, daß er von innen heraus, von 8 Beamtenschaft aus unterhöhlt wird. (Sehr richtig! links.) 4 der Herr Kollege von Eynern und die ihm nahestehende dg davon gesprochen haben, daß ist bei der Hereinnahme der * und Mannschaften des Reichswasserschutzes in die eziche Polizei doch auch wieder eine gewisse Unduldsamkeit erkennen lassen, und daß aus diesen meinen Maßnahmen 8* werden könne, als ob ich die Beamten der Reichs⸗ I und Reichseinrichtungen für nicht zuverlässig im Ver⸗ gssinne halte, so muß ich ihm sagen, daß die Haltung meines

gegen ihn einzuleiten gedenke.

Ministeriums und meine persönliche Haltung in dieser Frage gerade in den letzten Wochen durch die Reichstagsdebatte die vollste Rechtfertigung erfahren hat. Denn es waren Abgeordnete mehrerer Parteien, die den Herrn Reichspostminister und den Herrn Reichsfinanzminister dringend gebeten haben, dafür zu sorgen, daß auch in den Reihen ihrer Verwaltung Ordnung ge⸗ halten wird. (Sehr richtig! links.) Ich werde Ihnen kein Amts⸗ geheimnis verraten, wenn ich Ihnen weiter mitteile, daß auch in den Reihen der Innenminister mehrerer Länder der Eindruck besteht, als ob einzelne Stellen der Reichsverwaltung in dieser Beziehung mehr Sorgfalt und mehr Aufmerksamkeit an den Tag legen könnten. Jedenfalls ist der Standpunkt des Innen⸗ ministeriums in der Frage des Reichswasserschutzes unverändert geblieben, und es ist doch zum Vertragsabschluß mit dem Reichs⸗ verkehrsministerium gekommen.

Futterkrippe! (Abg. Werdes: Schönes Wort!) Ja, für landwirtschaftliche Betriebe sogar eine sehr nahrhafte Angelegen⸗ heit! Aber Futterkrippe und Staatsamt! Wer so laut und so häufig von Staatsautorität spricht wie die Herren von der Deutschnationalen Volkspartei, sollte sich überlegen, ob er mit dieser Bezeichnung die Staatsautorität fördert. Wenn heute ein Staatsamt ich habe das schon früher wiederholt gesagt oder das Amt in einer Kommunalverwaltung oder das Amt in einer Reichsbehörde eine Futterkrippe ist, ist es dann nicht auch in der Vorkriegszeit eine Futterkrippe gewesen! Und wenn es eine Futterkrippe ist, und wenn früher ausschließlich die den Deutschnationalen oder damals Konservativen nahestehenden Kreise an der Futterkrippe gesessen haben, ist es dann nicht ein Akt der Gerechtigkeit, wenn einmal ein Schichtwechsel vorge⸗ nommen wird! (Lebhafte Heiterkeit. Abg. Dr. Ponfick: Eine neue Begründung für die Revolution! Abg. Werdes: Wann kommt der nächste Schichtwechsel?! Lebhafte Zurufe rechts und links.) Ich überlasse es Ihnen, eine Revision dieser Begriffs⸗ bestimmung eintreten zu lassen. Sie sollten diese hanebüchene Bezeichnung von der Tribüne hier aus unterlassen. Wenn draußen im Land Agitatoren achten Grades mit einer solchen Bezeichnung kommen, nimmt man es ihnen nicht übel. Aber Abgeordneten mit akademischer Bildung sollten andere Ausdrücke zur Verfügung stehen. (Zuruf bei der Sozialdemokratischen Partei: Steuer, merken Sie sich das!) ¼

Ein letztes Wort zum Volksbegehren! Der Herr Abg. von Eynern hat gestern in seiner Rede schon darauf aufmerksam gemacht, daß die Fraktion der Deutschen Volkspartei einen Ent⸗ schließungsantrag des Inhalts eingebracht habe:

Der Landtag wolle beschließen: Das Staatsministerium wird ersucht, eine Erklärung dahin abzugeben, daß 1. es allen preußischen Beamten freisteht, sich für das Volksbegehren, betreffend Auflösung des Landtags, in die Listen einzutragen, in Uebereinstimmung mit Art. 118 der Reichsverfassung den Staatsbeamten, die sich än die Listen eintragen und in ihrer Agitation für das Volksbegehren die den Be⸗ amten durch ihre besonderen Pflichten gesetzten Grenzen nicht überschreiten, keine Benachteiligung irgend welcher Art zuteil wird, auch die mittelbaren Staatsbeamten vor jeder Benach⸗ teiligung aus dem gleichen Anlaß geschützt werden. Ich bin in der erfreulichen Lage, diesen Wunsch der Herren von der Deutschen Volkspartei wörtlich zu erfüllen. Die Erklärung, die die Herren in dem Antrag wünschen, wird hiermit abgegeben, wohlgemerkt auch mit der Einschränkung, die die Herren in der Formulierung selbst gezogen haben. (Abgeordneter Buchhorn: Selbstverständlich!) Nicht wahr, Sie haben gesagt, daß die den Beamten durch ihre besonderen Pflichten gesetzten Grenzen nicht überschritten werden dürfen.

Nun möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, meine Herren, daß es auch politische Beamte im preußischen Staats⸗ körper gibt, die des Glaubens sind, daß sie diese Grenzen nicht innezuhalten brauchen. Ueber das Thema ‚Nieder mit der roten Regierung in Preußen!“ hat der Landrat von Bismarck die Rede gehalten, aus der ich eingangs meiner Ausführungen eine Stelle zitierte. Die Antwort auf diese Rede wird darin bestehen, daß ich der nächsten Staatsministerialsitzung einen Antrag meines Ressorts unterbreite, den Landrat von Bismarck zur Disposition zu stellen. (Bravo! bei den Regierungsparteien.) Was würden Sie sagen, wenn Sie die Verantwortung für die Geschicke des Staates trügen und ein politischer Beamter, ein Exponent des Staatswillens, in dieser Art im Lande herumreisen und herab⸗ setzend von seiner Regierung sprechen würde? Der Mann hat geradezu den Schritt provoziert, den ich in den nächsten Tagen (Zurufe bei der Deutschnationalen Volkspartei.) Gewiß, ich bin davon überzeugt, aber daß ist nicht deutsch und nicht national! So faßt dieser Herr aber seine deutschnationale Gesinnung auf.

Ich möchte Ihnen noch sagen, meine Herren, daß ich, wenn ich zu der Auffassung gelange, daß Beamte des preußischen Staates oder mittelbare Staatsbeamte sich an der Art von Agitation beteiligen, wie sie in Poesie und Prosa vom Stahlhelm jetzt eingeleitet werden soll, gegen diese Beamte bei aller Wahrung Ihrer Wünsche, meine Herren von der Deutschen Volkspartei, unnachsichtig einschreiten werde. (Lachen bei der Deutschen Volks⸗ partei. Bravo! bei den Regierungsparteien.) Ich sprach von einer Agitation des Stahlhelms in Poesie. Ich darf mir gestatten, Ihnen von der Form, welche diese poetischen Ergüsse angenommen haben, einige Proben zu geben

Stürzt der roten Bonzen Thron, 1

Helft mit goldner Munition! (Große Heiterkeit.) Das ist die Poesie. Die Prosa, meine Herren, folgt unmiitelbar danach: „Einzahlungen sind zu leisten auf das Konto....“ (Erneute Heiterkeit.) Hören Sie einen anderen

Die Bonzen kleben, das Volk verdirbt.

Hilf Preußen erheben, eh’ Deutschland stirbt! Etwas anderes!

Hört her, setzt Euch zur Wehr!

Es kleben die Bonzen an Deutschlands Thronen.

Drum hungern Millionen.

Die Lehr’? Volksbegehr! (Heiterkeit.) 8

Auf, deutscher Bauer, auf, erwache,

Auf Preußens Landtag flammt der rote Hahn!

Das Volksbegehren sei die Rache

Für das was dir Rotpreußen angetan! (Heiterkeit. Zurufe bei den Sozialdemokraten. Nein, i glaube, das verdient die Note: 5 minus.

Meine Damen und Herren, Sie haben aus der Erklärung, die ich auf Wunsch der Deutschen Volkspartei abgegeben habe, erfahren, daß wir in der Preußischen Staatsregierung das Volksbegehren und alles, was damit zusammenhängt, nicht fürchten. Wir müssen aber hier folgendes zum Ausdruck bringen: in dieser Zeit der wirtschaftlichen Not und der politischen Zer⸗ rissenheit sollten nach uͤnserer Meinung alle Kräfte zusammen⸗ gefaßt werden, um Preußen und Deutschland aus den größten Bedrängnissen zu befreien. (Zustimmung bei den Regierungs⸗ parteien.) Wer das nicht anerkennt, wer in seiner politische Verbohrtheit mit solchen Mitteln agitiert, wie es jetzt der Stah helm tut, der mag sich einbilden, im preußischen und deutsche Volksleben vorübergehend Erfolge erzielen zu können. Aber, meine Damen und Herren, auf die Dauer haben nur diejenigen ein Recht auf die Zukunft, ein Recht, an den Geschicken des Reiches und des Landes entscheidend mitzuarbeiten, die in der 1 schwersten Zeit ihren Mann gestanden und ihre Verantwortung getragen haben. (Sehr wahr! bei den Regierungsparteien.) Es ist von den Männern, die die von mir vorgetragenen Verse ge⸗ prägt haben, mit denen draußen im Volke politische Brunnen⸗ vergiftung betrieben werden soll, wenig geschmackvoll, von den Ministern des Reiches und von den Ministern Preußens als von „Bonzen“ zu sprechen, die an ihren Aemtern klebten. (Zu⸗ rufe von verschiedenen Seiten.) Meine Damen und Herren, ich erkläre Ihnen, ich habe mich nie zu einem Amte gedrängt und klebe an keinem Amt. Ich glaube aber, daß es in dieser Zeit der außenpolitischen Bedrängnis Herr Kollege Falk hatte recht, wenn er an die Vorgänge der letzten Tage erinnerte und der innerpolitischen Wirren Pflicht aller ernsten Männer ist, auf dem Posten zu verharren, auf den das Vertrauen des Volkes sie berufen hat. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Revidiert das Volk seine Anschauungen durch ein anderes Votum des Parlaments oder durch eine Volksentscheidung, so dürfen Sie überzeugt sein: wir werden nicht an unseren Posten kleben, wir werden nicht bonzenhaft unsere Stühle festhalten (Zuruf bei der Deutschen Fraktion: Ihnen wollen wir das glauben!), sondern wir würden dann, allerdings mit anderen Mitteln, mit anderen Waffen als Sie, aber frei von der Bürde, die wir in schwerster Zeit getragen haben, einmal wieder werben, agitieren können, und wie lange dann Ihre Herrlichkeit dauern würde, meine Herren von der Rechten, das ist eine Frage, die die Zukunft zu beantworten hat. Wir stehen dieser Antwort mit dem besten Gewissen gegenüber. (Lebhaftes Bravo! und Hände⸗ klatschen bei den Sozialdemokraten, der Deutschen Staatspartei und im Zentrum. Glocke des Präsidenten.) 1“

225. Sitzung vom 25. März 1931. (Bericht d. Nachrichtenbüros d. Vereins deutscher Zeitungsverleger .)

Bei Beginn der heutigen Sitzung wendet sich zur Geschäfts⸗ ordnung Abg. Steinhoff, (D. Nat.) in längeren Aus⸗ führungen gegen die gestrige Rede des Abgeordneten Letterhaus (Zentr.), der die Deutschnationalen, deren Redezeit bereits er⸗ schöpft gewesen sei, überfallen und Unwahrheiten über ihren Kampf gegen die jetzige Regierung verbreitet habe. (Präsident Bartels rügt diese Ausdrucksweise.) Abg. Steinhoff beantragt, die Redezeit für den Innenetat ür jede Fraktion um eine halbe Stunde zu verlängern und zur Beratung über diesen den Aeltestenrat sofort zusammenzuberufen, damit den

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Deutschnationalen Gelegenheit gegeben werde, sich ausführlich gegen das Zentrum zu äußern. . Der deutschnationale Antrag wird gegen den Antrag⸗ steller, die Deutsche Volkspartei und die ommunisten ab⸗ gelehnt und hierauf die allgemeine Aussprache zur 2. Lesung des Innenetats fortgesetzt. 8 Abg. Prelle (D. Hannov. P.) beschäftigt sich mit den An⸗ griffen Ldes Ab alk (St.⸗P.) gegen die Deutsch⸗Hannoversche Partei. Der alt habe zunächst zur Einigkeit gerufen und davor gewarnt, Gra en aufzureißen, die das Volk trennen könnten. Gleich darauf aber habe Herr Falk selbst mit allerstärkster Leiden⸗ schaft nationale Gegensätze mit den Deutsch⸗Hannoveranern kon⸗ struiert, die gar nicht vorhanden seien. Der ß Falk habe doch wohl mit seinem Hinweis auf die Leiden des Rheinlandes nicht die Deutsch⸗Hannoveraner als Deutsche minderen Wertes dar⸗ stellen wollen? (Abg. Falk (St.⸗P.): „Wie können Sie mir so etwas unterstellen?“) Herr Falk habe Gräben aufgerissen nicht nur gegen die Hannoveraner, sondern gegen alle Deutschen, die keine Preußen sind (Sehr wahr bei den Deutsch⸗Hannoveranern; Zurufe links). Der Redner sagt unter Hinweis auf he g. Vorgänge, daß Hannover auch vor der Fecsfehorigter⸗ zu Preußen immer Verbündeter Preußens gewesen sei. Seit Begrün⸗ dung des Deutschen Reichs 1871 hätten die berufenen Vertreter Hannovers immer das Deutsche Reich als den Rahmen auch für ihr staatliches Leben betrachtet. Und auch in diesen schwierigen Zeiten hätten die pflichtbewußten Niedersachsen ihre Schuldigkeit getan. Etwaige Bestrebungen auf Wiedererrichtung einer han⸗ noverschen Monarchie seien nigt mehr aufgetreten, wenn auch natürlich die Deutsch⸗Hannoveraner gute Freundschaft mit den Vertretern dieser alten Idee hielten. Die Deutsch⸗Hannoveraner erstrebten eine Reichsreform, wie sie ja auch von anderen Par⸗ teien verlangt werde, und Anträge der Deutsch⸗Hannoveraner in dieser Richtung seien mehrere Male mit ÜUnterstützung der Sozial⸗ demokraten und anderer Parteien der Ausschußbehandlung über⸗ wiesen worden. Auf ausführliche Darle hen wolle er ver⸗ zichten, sondern nur die Angriffe des Abg. Fe entschieden zurück⸗

4*) Mit Ausnahme der dur Sperrdruck hervorgehobenen Reden der Herren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben sind.