1931 / 111 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 15 May 1931 18:00:01 GMT) scan diff

Reichs⸗ und Staatsanzeiger

Nr. 111 vom 15. Mai 1931. S. 2.

bei der Bewertung der Grundstücke tatsächlich den jetzigen Wert zugrunde legen und gewissenhaft prüfen, ob von Staat und Reich, das heißt aus Mitteln der Allgemeinheit, die Bürgschaften für solche gewaltigen Schuldsummen übernommen werden können. (Sehr gut! bei den Regierungsparteien.)

Die langsame Durchführung der Maßnahmen, die die preußische Staatsregierung ebenso wie die Reichsregierung be⸗ dauert, ist, wie gesagt, einmal dadurch bedingt, daß der Apparat vollkommen neu aufgezogen werden muß und sich erst einarbeiten muß; letzten Endes aber ist und das ist das Entscheidende diese langsame Durchführung, die auch ich im Interesse der not⸗ leidenden Landwirte jener Gegenden beklage, auf die Schwierig⸗ keiten zurückzuführen, die wir bei der Geldbeschaffung haben. Wir können nicht erhebliche Beträge aus Etatsmitteln bereitstellen, sondern in der Hauptsache werden die Beträge für die Um⸗ schuldung durch Aufnahme von Krediten beschafft, für die wir die

Bürgschaft leisten. Die Kreditgeber müssen erst gefunden werden,

und es ist tatsächlich nichts Neues, daß seit dem Wahlausfall vom 14. September vorigen Jahres eine solche Versteifung auf dem Kapitalmarkt eingetreten ist, daß (Zurufe.) Meine Damen und Herren, ich glaube, Sie haben alle die letzte Rede des Herrn Reichsbankpräsidenten Luther gelesen, dem man doch ein sach⸗

kundiges Urteil auf diesem Gebiet zutrauen kann. Er hat mir in einer persönlichen Unterredung weiter bestätigt, daß diese Ver⸗

steifung leider jetzt noch anhält. Nach der Wahl ist tatsächlich eine Versteifung auf dem Geldmarkt eingetreten, und es ist merk⸗ würdig, daß auch das Volksbegehren für Preußen im Auslande höher bewertet wird als bei uns und weiter dazu beiträgt, diese Versteifung auf dem Kapitalmarkt aufrechtzuerhalten und sogar zu verstärken. (Hört, hört!) Wir sehen hier, daß selbst eine solche innerpolitische gedachte Aktion sich auch außenpolitisch auf dem finanziellen Gebiete für uns nachteilig auswirkt.

Ich bedaure daher auch die Ausführungen des Herrn Nr. Neu⸗ mann (Frohnau) von der Deutschen Volkspartei über die Unwahr⸗ haftigkeit des Etats usw., die er gestern hier gemacht hat. Auch

solche Ausführungen tragen nicht dazu bei, die Aufbringung der für die Osthilfe notwendigen erheblichen Kapitalien zu erleichtern.

Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir noch ein Wort zur Kritik an der Etatsaufstellung. Daß ein Etat, den man im Herbst aufstellt, am Ende des Jahres nicht auf Heller und Pfennig so stimmt, wie man es damals vorausgesehen hat, ist eine Binsen⸗ wahrheit; das weiß jeder, damit rechnet jeder sachlich denkende

Mensch. Daß nach einer Etatsaufstellung, die auf Grund der Erfahrungen des Vorjahres gemacht wird, die Summen, sei es bei den Ausgaben, sei es bei den Einnahmen, besonders bei den Einnahmen, von der wirtschaftlichen Entwicklung, die sich natürlich auf alle Erträgnisse der öffentlichen Einrichtungen auswirkt, ab⸗ hängen, so daß jeder Etat nur eine Vorkalkulation ist, da nie⸗ mand wissen kann, wie sich die Dinge gestalten werden, wird all⸗ gemein zugegeben werden müssen. Gestaltet sich die Wirtschaft

günstig, so gestalten sich die öffentlichen Einnahmen günstig; ge⸗ stalten sich die wirtschaftlichen Verhältnisse ungünstiger, wie wir das in den letzten Jahren gehabt haben, so gestaltet sich auch der „Etat ungünstiger, und die angesetzten Beträge werden bei den Einnahmen nicht erreicht und bei den Ausgaben zum Teil über⸗ schritten werden, weil sich bei der wirtschaftlichen Depression Aus⸗ gaben ergeben, die vorher nicht hatten vorausgesehen werden können. Man sollte also mit solchen Ausführungen im Interesse des Kredits des preußischen Staates und im Intersse des Ver⸗ trauens zu der Finanzgebarung des Reichs und Preußens vor⸗ sichtig sein. Denn solche Ausführungen wirken sich unter Um⸗ ständen nachteilig für die Kreditbeschaffung aus, und letzten Endes sind die notleidenden wirtschaftlichen Kreise im Osten diejenigen, ie am ersten darunter leiden. Jedenfalls, meine Damen und Herren, wollte ich nur zum Abschluß dieser Frage erklären, daß sich die preußische Regierung auch durch diese zum Teil unsach⸗ gemäße und unzutreffende Kritik nicht davon wird abhalten lassen, ebenso wie früher mit ihrer ganzen Energie, und nach Maßgabe ihrer finanziellen Kräfte, für die notleidenden Ost⸗ hilfegebiete das zu tun, was eben möglich ist. (Bravo!) b Nun noch eine kleine persönliche Angelegenheit, weil sie Ammer wiederkehrt und auch in der dritten Beratung einige Redner darauf zurückgekommen sind, das sind meine Versamm⸗ lungsreden. Ich halte sehr wenig Versammlungsreden. Es gibt Politiker auch Minister die sehr viel mehr reden als ich. Ich bin der Meinung, daß man in der jetzigen Zeit der Ratio⸗ nalisierung auch mit der persönlichen Energie der Minister etwas rationeller vorgehen und sie nicht allzu viel reden sollten. Des⸗ wegen rede ich sehr ungern. Aber es ist merkwürdig: Wenn ich vor der Beratung meines Etats nun mal nicht eine oder zwei Reden gehalten habe, dann sind Sie bei der Beratung meines

Etats in tödlicher Verlegenheit. (Heiterkeit bei den Regierungs⸗ parteien.) Da Sie sachlich gegen meine Politik und Amtsführung nichts einwenden können, so stürzen Sie sich stets wie Geier auf diese Reden und machen Sie zum Gegenstand Ihrer Kritik. Aber nun ist Ihnen das auch nicht einmal immer so ganz ge⸗ grückt; denn Sie müssen sich meistens auf die sehr unzulänglichen Zeitungsberichte berufen. Da stellt sich später dann heraus, daß Sie gegen etwas polemisieren (Zuruf bei der Deutschnationalen Volkspartei: Bismarck!) nein, der ist auf Grund aktenmäßiger Vernehmungen entlassen worden (erneuter Zuruf bei der Deutschnationalen Volkspartei), was ich nicht gesagt habe. Durch diese Vorgänge bin ich gewitzigt, weil ich mir gesagt habe, mein Ctat und meine Tätigkeit wird nicht besprochen werden, sondern r eine Rede im Sportpalast, und infolgedessen habe ich die Rede sienographieren lassen, damit mir hinterher nichts passiert. Nun habe ich erleben müssen, daß gegen den Inhalt meiner Rede nichts irgendwie Beachtliches vorgetragen werden konnte; Sie mußten sich deswegen an kleinliche Aeußerlichkeiten halten, z. B. daran, ob der Ministerpräsident überhaupt das Recht hat, in einer sozialdemokratischen Versammlung zu reden. Darauf muß ich nun erklären: ebenso wie der Herr Reichskanzler als Mitglied der Zentrumspartei das Recht für sich in Anspruch nimmt und auch hat, in Zentrumsversammlungen zu sprechen, ebenso wie die Minister, die der Volkspartei angehören, in den Versamm⸗ lungen ihrer Partei reden, ebenso wie die Minister, die der Deutschnationalen Volkspartei angehören es gab ja früher im Reich solche Minister —, in den Versammlungen ihrer Partei

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redeten, ebenso muß ich für mich als Sozialdemokrat das Recht in Anspruch nehmen, auch in sozialdemokratischen Versamm⸗ lungen zu sprechen. (Zustimmung bei der Sozialdemokratischen Partei.) Gewiß werde ich stets auch bei diesen Reden nie ver⸗ gessen, daß ich Ministerpräsident bin, und ich werde den Inhalt meiner Rede immer so einrichten, daß ich sie auch als Minister⸗ präsident verantworten kann. (Bravo! bei der Sozialdemokra⸗ tischen Partei.) Dagegen haben Sie bisher keine Einwendungen erheben können. Nun haben Sie und das ist für die geistige Höhe Ihrer Auffassung über diese Dinge bezeichnend fest⸗ gestellt, daß im Sportpalast nur rote Fahnen und keine schwarz⸗ rotgoldnen vorhanden waren; ja, es soll sogar auf der Straße ein kommunistisches Flugblatt verbreitet worden sein. Dafür bin ich auch verantwortlich gemacht worden, das soll ich auch noch inhibieren. Nun weiß ich wirklich nicht, welche Fahnen in dem großen Raum waren. Da das Reichsbanner aufmarschiert war, glaube ich, sind auch sehr viele schwarzrotgoldne Fahnen dabei⸗ gewesen. Aber im übrigen kann ich von den sozialdemokratischen Vereinen, die mit ihren Vereinsfahnen anrücken, nicht ver⸗ langen, diese, ihre Vereinsfahne zu Hause zu lassen. Uebrigens habe ich vor der roten Farbe nicht so große Scheu wie manche Tiere (große Heiterkeit), gleichwohl würde ich unter der roten Hakenkreuzfahne und der kommunistischen roten Fahne nicht reden, weil es sich bei ihnen um Fahnen von Parteien handelt, die die heutige Verfassung mit Ge⸗ walt ändern wollen. Aber wenn andere Vereine mit roten Fahnen aufziehen, soll ich in einer solchen Versammlung nicht reden? Außerdem sind schwarzrotgoldne Fahnen bei Ver⸗ sammlungen dagewesen. Ich habe diese Angelegenheit hier er⸗ wähnt, um zu zeigen, wie kleinlich man die Tätigkeit des leiten⸗ den Ministers in Preußen beurteilt, gegen dessen Amtsführung und Regierungstätigkeit man nichts Wesentliches zu sagen weiß. Im übrigen kann ich Ihnen auch das eine sagen: das einzig Er⸗ freuliche an dieser sonst so peinlichen und niederdrückenden Debatte ist das eine, daß endlich einmal auch die Herren der Deutschen Volkspartei und der Deutschnationalen Volkspartei so energisch dafür eintreten, daß überall die schwarzrotgoldne Fahne gezeigt wird. (Große Heiterkeit.) Bleiben Sie bei dieser Einstellung, dann werden wir einig sein, dann werde ich immer aufpassen und dafür sorgen insbesondere, wenn ich vorher darauf auf⸗ merksam gemacht werde —, daß in jeder sozialdemokratischen Ver⸗ sammlung auf Ihren Wunsch möglichst viel schwarzrotgoldne Fahnen gezeigt werden.

Bei der Kritik gerade dieses Punktes ist noch die Verfügung des Staatsministeriums angezogen worden, wonach Behörden⸗ vertreter an Veranstaltungen nicht teilnehmen dürfen, bei denen nicht die schwarzrotgoldne Fahne gezeigt wird. Das hat mit meinem Auftreten in dieser Versammlung gar nichts zu tun. Diese Verfügung vom 17. Oktober 1927 besagt ausdrücklich, daß Vertreter preußischer Staatsbehörden an Veranstaltungen, bei denen Flaggenschmuck verwendet wird, nur dann teilnehmen dürfen, wenn die Reichsfarben an hervorragender Stelle gezeigt werden. Ich habe nicht als Vertreter der Staatsregierung an der fraglichen Versammlung teilgenommen, sondern als Parteiange⸗ höriger, wie jeder andere Politiker und Minister in seinen Parteiversammlungen spricht. Wenn diese Verfügung fortgesetzt herangezogen wird, handelt es sich lediglich um ein irreführendes Manöver, das ich mit aller Entschiedenheit zurückweisen muß. (Zuruf bei der Deutschnationalen Volkspartei: Sie haben doch eine behördliche Erklärung abgegeben! Freidenkerbewegung!) Ich habe keine behördliche Erklärung abgegeben; ich habe ledig⸗ lich die Notwendigkeit der Verordnung des Herrn Reichspräsiden⸗ ten, insbesondere des Passus begründet, der sich gegen die Be⸗ schimpfung kirchlicher Einrichtungen wandte. Ich habe dort als Redner erklärt, nach meiner Auffassung brauchten die Freidenker⸗ kreise sich gar nicht an dieser Verordnung zu stoßen, denn sie hätten die Möglichkeit, die Ethik ihrer Weltanschauung der der Kirche gegenüberzustellen; sie könnten darauf verzichten, durch vergiftende Herabsetzung, Beleidigung und Beschimpfung Anders⸗ denkender für ihre Ideen Propaganda zu machen. Das habe ich in dieser Versammlung nicht als behördlicher Vertreter, sondern als Sozialdemokrat gesagt, ebenso wie der Reichskanzler in einer Zen⸗ trumsversammlung seine politischen Maßnahmen rechtfertigen kann als Zentrumspolitiker. (Zuruf bei der Deutschnationalen Volkspartei: Im „Vorwärts“ stand es anders!) Lesen Sie doch etwas fleißiger und eingehender den „Vorwärts“! Vielleicht wer⸗ den Sie dann doch noch etwas vernünftiger auf politischem Gebiet. (Große Heiterkeit bei der Sozialdemokratischen Partei. Abg. Koennecke: Also Sie rücken von ihm ab!) Sehr erfreulich ist lediglich Ihr Eintreten für die schwarz⸗rot⸗goldene Fahne.

Zum Schluß noch eins! Herr Lukassowitz kritisierte die erste Rede, die ich hier beim Etat ich glaube, es war in der zweiten Lesung gehalten habe. Er sagte, ich hätte mich lediglich auf die Verteidigung beschränkt, und die Rede hätte eigentlich gar nicht auf dem richtigen Niveau gestanden. Ja, ich habe mich lediglich auf die Verteidigung, auf die Widerlegung dessen, was hier vorgebracht worden war, beschränkt. Wenn ich da nicht auf ein sehr hohes Niveau kommen konnte, so lag das an dem, was hier vorgebracht worden war. (Große Heiterkeit bei der Sozial⸗ demokratischen Partei und im Zentrum.) Die Herren von der deutschnationalen Opposirion haben ja die Möglichkeit, die Debatte auf ein höheres Niveau zu heben. Es liegt also nur an ihnen, daß die Debatte nicht auf einem höheren Niveau stand, nicht an meinen Antworten, die dem entsprachen, was hier vorgebracht worden war.

Herr Lukassowitz hat mir dann in diesem Zusammenhang ge⸗ raten, ein Buch zu lesen; ich glaube, es heißt: „Die Herrschaft der Minderwertigen“. Ja, meine Damen und Herren, da er in seiner Rede erklärt hat, daß seine Partei nach der Macht im Staate, also nach der Herrschaft in Preußen, strebe, kann ich es verstehen, daß er sich mit solchem Eifer der Lektüre dieses Buches „Die Herrschaft der Minderwertigen“ widmet. (Große Heiterkeit bei der Sozialdemokratischen Partei und im Zentrum.) Ich bin in den 12 Jahren meiner Ministerschaft ohne die Lektüre dieses Buches ausgekommen und werde weiter ohne sie auskommen. (Lebhafter Beifall und Heiterkeit bei der Sozialdemokratischen Partei und im Zentrum.) 8

2239. Sitzung vom 13. Mai 1931, 11,20 Uhr. (Bericht d. Nachrichtenbüros d. Vereins deutscher Zeitungsverleger“.)

Bei Beginn der heutigen Plenarfitzung des Preußischen Landtags führt Abg. Leinert (Soz.) aus, im Düsseldorfer „Mittag“ sei unter der Ueberschrift „Preußische Landtags⸗ Fidelitas“ über die kürzliche Nachtsitzung des Landtags berichtet worden. In dem Bericht hieß es u. a., daß in den Wandel⸗ gängen die Schnapspullen umhergelegen hätten, und daß die Ab⸗ geordneten gegen 1 Uhr, schon sehr bläulich schimmernd, über 4 Milliarden entschieden hätten. Der Abg. Leinert betont, daß auch andere Parlamente Nachtsitzungen g daß es aber wohl Niemanden gebe, der das eigene Parlament so beschmutze wie der Berichterstatter der genannten Düsseldofer Zeitung, der Mitglied der wirtschaftsparteilichen Fraktion des Landtags und in Düsseldorf sehr gut bekannt sei.

Abg. Borck (D. Nat.) betont daß er sich gegen die Bericht⸗ erstattung der „Täglichen Rundschau“ über 28 Nachtsitzung verwahren müsse, weil dieses Blatt beauptet habe, der deutsch⸗ nationale Abgeordnete Weisemann sei schwer betrunken gewesen, als er seine Ausführungen ö Finanzverwaltung machte. Weisemann v. die deutschnationale Fraktion hätten die „Tägliche Rundschau“ wegen verleumderischer Beleidigung verklagt.

Abg. Dr. Hestermann (Wirtsch. P.) betont, er müsse

jenüber dem Abg. Leinert feststellen, daß ein Abgeordneter r Wirtschaftspartei nicht Mitarbeiter des Düsseldorfer „Mit⸗ tag“ sei.

Präsident Bartels schließt diese Art Berichterstattung an.

Abg. Leinert (Soz.) erklärt, nach seinen genauen Infor mationen stamme der Bericht des Düsseldorfer von einem Abgeordneten der Wirtschaftspartei.

Abg. Dr. Hestermann (Wirtsch. P.) entgegnet darauf, de 28g Schmidt⸗Hoepke sei jetzt nicht anwesend. Er FA. abe nicht,

daß der Bericht von Dr. Schmidt⸗Hoepke stamme bei findet ein Antrag des Beamten⸗Ausschusses Annahme,

sich auch dem Protest gege

Der Landtag erledigt dann kleine Vorlagen. Da⸗

der im Interesse sparsamerer Finanzgebarung die stärkere

Berücksichtigung von Versorgungsanwärtern bei notwendigen Einstellungen fordert.

In der hierauf fortgesetzten Aussprache zur Allgemeinen

Finanzverwaltung bei der 3. Beratung des Haushalts⸗ plans für 1931 gibt

Abg. Dr. Neumann⸗Frohnau (D. Vp.) dem n minister Severing zu, daß er für seine Person ein sparsamer

Vertreter des Staates sei; aber es komme ja auf die Haltung der Sozialdemokratischen Partei an, und die habe er, der Redner, kritisiert. Wenn aber Minister Severing gesagt habe, das große, teure Sozialversicherungsgesetz sei 1927 im Reichstag gemacht

worden, als die Sozialdemokratische Partei nicht in der Reichs⸗ regierung gewesen sei, so habe die Deutsche Volkspartei das Arbeitslosenversicherungsgesetz damals nur als einen Versuch be⸗ zeichnet, von dem sie bereits nach kurzer Zeit eingesehen habe, daß er verfehlt sei. Alle Reformworschläge seien aber an der Heltunfh der Sozialdemokratischen Partei ; abe Minister

reform gemacht. Und Severing habe auch Mitschuld daran, daß die Gemeindefinanzen so ins Arge gekommen seien, denn er habe das staatliche Außüichtsrecht nicht ausreichend geübt.

wahr! rechts.) Dem Ministerpräsidenten erwidere er, daß es ihm ferngelegen habe, dem Staatsministerium den persönlichen Vorwurf der Unwahrhaftigkeit zu machen; wenn er von einem unwahren Etat sprach, habe er nur das Gleiche getan, wie vor ihm der Abg. Falk (D. Staatsp.).

Abg. Falk (Staatsp.) lehnt es ab, vom Abg. Neumann (D. Vp.) als Kronzeuge gegen die Schwierigkeiten benutzt zu werden, in denen sich die Deutsche Volkspartei befinde. Deutsche Volkspartei habe sich der Mitarbeit an der Verwal⸗ tungsreform versagt. Der Abgeordnete Dr. Neumann gehe den

fenschen Weg mit seinen Vorwürfen gegen die Regierung, was es gerade der volksparteiliche Ab-⸗

ich schon daraus ergebe, da geordnete von Eynern N. 2 sei, der dem Polizeiverwaltungs⸗ hesett die allergrößten Schwieri keiten bereitet habe. Er, Redner, habe den Etat als innerlich 5 l bezeichnet (Na also! rechts), um darzulegen, daß, wenn es selbst im gut verwalteten Preußen so bestellt wäre, es Zeit zur Revision der Reparationsverpflich⸗ tungen wäre. Gegenüber diesem objektiven Vorwurf habe der Abgeordnete Dr. Neumann dem Minister Severing einen sub⸗ jektiven Vorwurf machen wollen. (Sehr wahr! bei der Deutschen Staatspartei, Widerspruch rechts).

Minister des Innern Dr.⸗Ing. Severing: Meine Damen und Herren! Ich bin mir durchaus darüber im klaren, daß es angesichts der Geschäftslage des Hauses mißlich ist, die Dinge ausführlich zu behandeln, die in den Debatten der letzten Tage eine gewisse Rolle gespielt haben, und heute morgen vom Herrn Kollegen Neumann (Frohnau) noch einmal aufge⸗ griffen worden sind. Ich bedaure, daß wir jetzt unmittelbar vor dem Schluß der dritten Lesung stehen; denn ich glaube, der Wert unserer Auseinandersetzungen der letzten Tage hätte nur ge⸗ winnen können, wenn es möglich gewesen wäre, ausführlicher alle die Fragen zu besprechen, die Herr Kollege Neumann (Frohnau) angeschnitten hat. (Zurufe rechts.) Ich habe es nicht verhindert. Im nächsten Herbst wird sich wohl Gelegenheit bieten, einmal einen geschichtlichen Rückblick darüber zu geben, was auf dem Gebiete der Verwaltungsreform, das heute morgen ins⸗ besondere von Herrn Kollegen Neumann (Frohnau) genannt wor⸗ den ist, von der heutigen Regierung getan und von früheren Regierungen versäumt worden ist. Es ist für uns sehr leicht, Herr Kollege Neumann, den Nachweis zu erbringen, daß wir es in der Regierung nicht an den erforderlichen Bemühungen haben fehlen lassen. Aber es ist für uns auch leicht, darauf hinzuweisen, daß es vor dem Kriege preußische Regierungen gegeben hat, die sich 50 Jahre lang bemüht haben, Verwaltungsreformen mit dem Ziele der Vereinfachung und Verbilligung des Verwaltungs⸗ apparats durchzusetzen, und auch keinen größeren Erfolg zu ver⸗ zeichnen hatten als heute die preußische Regierung. (Sehr ichtig! in der Mitte und bei der Sozialdemokratischen Partei.) .

NReine Damen und Herren! Herr Kollege Falk hat eben dankenswerterweise schon im allgemeinen das ausgeführt, was zur Entgegnung auf die Ausführungen des Herrn Kollegen Neu⸗ mann zu sagen war. Ich darf mir gestatten, Ihnen in kurzen Zügen im einzelnen darzulegen, was die preußische Regierung auf diesem Gebiete getan hat. Dem Herrn Kollegen Neumann ist bekannt, daß hier im Jahre 1924 ein Gesetzentwurf verhan⸗ delt wurde, der auch die Bezeichnung „kleine Verwaltungsreform“ trug und zum Gegenstand hatte, Regierungsprädien und Oberpräsidien an den Stellen zusammenzulegen, wo eine solche Zusammenlegung möglich war, zumeist also am Sitz der Ober⸗

*) Mit Ausnahme der dur

der Herren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben sind.

große Verwaltungsreformen heranzugehen. tungsreformen auf dem Gebiete der Vereinfachung der Staats⸗

partei gesagt, daß sie, wenn sie positive Leistungen des Preußen⸗ parlaments und der Preußenregierung herbeiführen wollten, doch

ittag“ dennoch

Innen⸗

gescheitert. In Preußen evering nicht einmal die kleine Verwaltungs⸗

(Sehr

Sperrdruck hervorgehobenen Reden

8

NR

S.

präsidien. Der Gesetzentwurf ist damals hier im Plenum be⸗

handelt und einem Ausschuß überwiesen worden, und ist nur um deswillen unter den Tisch gefallen, weil der Landtag im Oktober aufgelöst wurde und die Neuwahlen das bitte ich besonders Herrn Kollegen Neumann zu beherzigen im Endergebnis eine andere Zusammensetzung der preußischen Regierung und dem⸗ zufolge auch eine andere Parteikonstellation hier im Hohen Hause im Gefolge hatte. Wir hatten damals ich weiß es nicht mehr genau, aber es wird wohl so ähnlich gewesen sein wie heute

im Landtage eine schwache Mehrheit, die es dem zuständigen

inister nicht gerade zum besonderen Vergnüngen machen konnte, Denn Verwal⸗

verwaltung und der Kommunalverwaltung, kann man nicht mit 5 oder 6 Stimmen Mehrheit im Landtage durchführen. Deswegen habe ich das werden mir alle Kollegen der Deutschen Volks⸗ partei bestätigen von Anfang 1925 an, ich möchte fast sagen: heißem Liebeswerben den Herren von der Volks⸗

auch dazu mithelfen möchten. (Sehr gut! in der Mitte und links.) Wie diese Bemühungen um eine Erbreiterung der Regierung und der Regierungsbasis im Landtage von Ihnen, meine Herren von der Deutschen Volkspartei, be⸗ antwortet worden sind, das wird ja besonders Ihnen in Erinnerung sein. Sie haben in der ganzen Legislaturperiode von 1925 bis 1928 nichts getan, um die Arbeiten des Landtags auf diesem Gebiete zu fördern. (Sehr richtig! bei den Regierungsparteien. Abg. Stendel: Sie haben ja nichts gebracht!) Lachen bei den Regierungsparteien.) Aber Herr Abgeordneter Stendel, Sie haben vergessen, daß ich im Herbst 1925, auch um Ihnen die große politische Verantwortung jener Zeit klarzumachen, dem Gemeindeausschuß des Preußischen Landtags ein detailliertes Programm, alle Einzelheiten meiner Pläne zur Verwaltungs⸗ reform unterbreitet habe. (Sehr richtig! bei der Soz.⸗Dem. P.) In diesem Programm war unter anderem vorgesehen, nicht auf die kleine Verwaltungsreform, Zusammenlegung der Ober⸗ präsidien und Regierungspräsidien zurückzukommen, sondern die Regierungspräsidien überhaupt zu beseitigen. In diesem Pro⸗ gramm war vorgesehen, leistungsschwache Landkreise zu be⸗ seitigen und sie mit leistungsfähigen zusammenzulegen. In diesem Programm war sogar vorgesehen eine Beschränkung der Mit⸗ gliederzahl dieses Hohen Hauses und der Abbau einzelner Ministerien. Ich habe in jenen Tagen, als ich mir erlaubte, dieses Programm dem Hause zu unterbreiten, darauf verwiesen, daß wir, wenn wir uns auf längere Zeit darauf einrichten müßten, Reparationszahlungen zu leisten, dann nicht allein im Reiche, sondern auch in den Einzelländern und in den Gemeinden die Verpflichtung hätten, peinlichst zu üuntersuchen, ob wir nicht an allen Ecken und Enden mindestens in der Verwaltung sparen könnten. Und wenn Herr Kollege Hecken mir gestern den Vorwurf gemacht hat, daß ich in einer Rede hier im Land⸗ tag einmal erklärt hätte: „Ich mache die Forderungen auf Ein⸗ schränkung der kulturellen und sozialen Aufgaben der Gemeinden nicht mit“, dann muß ich Ihnen sagen, daß ich der Ueberzeugung bin, daß auch ein deutschnationaler Innenminister sich zunächst einmal auf diesen Standpunkt gestellt hätte, mindestens solange, als er der Hoffnung gewesen wäre, daß man Ersarnisse im Reiche, in den Ländern und in den Gemeinden in technischer Beziehung, in der Vereinfachung der Verwaltung hätte durch⸗ führen können. (Abgeordneter Hecken: Es kommt darauf an, wie man diese beiden Gebiete abgrenzt, und darin unterscheiden wir uns!) Ja, aber die Grenzen sind schwimmend, Herr Kollege Hecken, das werden Sie mir auch zugestehen. Also ich wollte Ihnen den Nachweis dafür erbringen, meine Damen und Herren, daß die preußische Staatsregierung, daß insbesondere der verant⸗ wortliche Ressortminister es an Bemühungen nicht hat fehlen lassen, eine Verwaltungsreform durchzuführen, die in ihrem finanziellen Ergebnis zu Buche schlug, ich wollte Ihnen aber auch sagen, daß das Hohe Haus und insbesondere die Deutsche Volks⸗ partei es an der notwendigen Unterstützung dieser Bestrebungen hat fehlen lassen. (Lebhafte Zustimmung bei den Regierungs⸗ parteien. Zurufe bei der D. B.⸗P.)

Nun noch ein Wort zu den Aufgaben der Reichspolitik. Die grundsätzlichen Festlegungen auf dem Gebiete der Sozialpolitik trifft ja der Reichstag. Herr Abgeordneter Neumann (Frohnau) konnte deswegen bei seinen entsprechenden Bemerkungen auch nur die Reichspolitik im Auge haben. Da habe ich mir darauf hinzuweisen erlaubt, daß ein großes sozialpolitisches Gesetz, die Erwerbslosenversicherung, im Jahre 1927 unter der Mitverant⸗ wortung volksparteilicher Minister und unter der Zustimmung der volksparteilichen Fraktion im Reichstage gemacht worden ist. Herr Kollege Neumann, Sie haben zur Rechtfertigung oder zur Entschuldigung, wie Sie wollen, der Haltung Ihrer Freunde im Reichstage heute hier ausgeführt, in den Reden der Vertreter Ihrer Fraktion sei zum Ausdruck gekommen, daß die volkspartei⸗ liche Fraktion das Gesetz als einen Versuch auf diesem Ge⸗ biete betrachtet habe. Meine Herren, gestatten Sie mir dazu eine Bemerkung: man darf nach den auf dem Gebiete der Sozialpolitik gemachten Erfahrungen, nach den Erfahrungen, die auch Sie in den letzten 30 oder 40 Jahren hätten sammeln können und sollen, auf diesem Gebiet nicht einen Schritt nach vorwärts gehen, von dem man annehmen muß, daß man ihn später wieder nach rück⸗ wärts gehen muß. Meine Herren von der Deutschen Volkspartei, wenn aus anderen Ländern Erfahrungen auf diesem Gebiet nicht zur Verfügung standen, wenn man in Deutschland ebenfalls keine Beispiele und keine ausreichenden ziffernmäßigen Unterlagen hatte, dann war der „Versuch“ nicht allein ein Versuch für Ihre Partei, sondern für alle Parteien, die am Zustandekommen der Arbeitslosenversicherung damals mitgewirkt haben. Wenn man auf diesem Gebiet Versuche macht, dann muß man den Grundsatz berücksichtigen, daß Fortschritte auf dem Gebiet der Sozialpolitik sich niemals später in Rückschritte wandeln dürfen. Aber Ihre Haltung gerade in diesen Fragen war keineswegs immer konse⸗ quent. Es ist nicht nur so gewesen, Herr Abg. Neumann, wie Sie es heute morgen darzustellen beliebten, daß innerhalb der sozialdemokratischen Fraktion Differenzen in der Frage bestanden haben, ob man damals einem Kompromißvorschlage zustimmen sollte oder nicht; mundestens die gleichen Differenzen bestanden

auch unter Ihren politischen Freunden. Was Sie nachher auf diesem Gebiet getan haben, ist auch alles andere gewesen als eine konsequente Interessenvertretung der Wirtschaft. Im Frühjahr 1930 handelte es sich darum, eine Beitragserhöhung um ¼ vH vorzunehmen, und da wollten Sie nicht mittun. N ach einigen Monaten waren Sie gezwungen, unter der ver⸗ antwortlichen Führung eines volksparteilichen Ministers eine höhere Beitragserhöhung vor⸗ zunehmen. (Hört, hört! bei den Regierungsparteien.)

Um dieser Dinge willen ist es am 27. März des vergangenen Jahres zur Sprengung der Großen Koalition im Reich gekommen. Gestatten Sie mir dazu eine Bemerkung auf Grund meiner Er⸗ fahrungen ich war dabei und kann es Ihnen, glaube ich, ohne Zorn und ohne Voreingenommenheit sagen —: Wenn man hier in den letzten Tagen den 14. September als einen „schwarzen Tag“ in der Entwicklung der deutschen Wirtschaft und der deutschen Politik bezeichnethat, dann möchte ich der Meinung Aus⸗ druck geben, daß dieser schwarze Tag Vorläufer gehabt hat: Der eine war die Reichstagsauf⸗ lösung am 19. Juli, der andere war die Spren⸗ gung der Großen Koalition am 27. März. (Sehr wahr! bei den Regierungsparteien.) Wenn einmal ganz vor⸗ urteilslos nach den Gründen der Sprengung der Großen Koalition gefragt wird, dann kommt sicherlich auf das Konto Ihrer Partei, Herr Kollege Neumann, ein großer Teil der Schuld. (Sehr wahr! bei den Regierungsparteien.) Das möchte ich zur Abwehr der heutigen Angriffe des Herrn Kollegen Neumann hier betonen.

Ich glaube aber, Sie alle haben den Eindruck gewonnen, daß es durchaus nützlich ist, daß wir uns einmal objektiv über diese Dinge unterhalten, nicht allein, um die geschichtliche Wahrheit festzustellen, vielleicht würde eine solche Auseinandersetzung uns auch die Basis bringen, zu erkennen, daß wir, was ich ja schon häufig gesagt habe, allzumal Sünder sind, und aus dieser Erkenntnis die Schlußfolgerung zu ziehen, daß alle Parteien daran mitzuarbeiten haben, daß wir aus den heutigen ungünstigen wirt⸗ schaftlichen Verhältnissen herauskommen. Dazu gehört aber das möchte ich noch dem Herrn Abg. Hecken sagen —, daß wir diese Untersuchungen und Feststellungen leidenschaftslos und ohne jede persönliche Voreingenommenheit treffen. Herr Kollege Hecken hat sich gestern über den neuen Oberbürgermeister von Magdeburg geäußert und hat gemeint, daß der neue Ober⸗ bürgermeister hier in Berlin den Befähigungsnachweis für un⸗ wirtschaftliche Ausgaben erbracht habe, so ungefähr hat er sich ausgedrückt. Ich glaube, es ist heute keine Kunst, irgendeinem Finanzverwalter zu sagen, daß er den Befähigungsnachweis für sparsame Wirtschaft nicht erbracht habe. Sie können deutschnatio⸗ nale Oberbürgermeister oder deutschnationale Finanzdezernenten der großen Städte heranziehen, ich bin der festen Ueberzeugung, daß einige der Ausgaben, die diese Herren geleistet haben, auch Ihren Beifall, Herr Kollege Hecken, nicht finden werden. Das Gesamturteil über Herrn Reuter und seine Wirk⸗ samkeit weicht weit von dem ab, was Sie hier gestern über ihn gesagt haben. (Zuruf des Abgeordneten Hecken.) Das wollte ich gerade ausführen, Herr Kollege Hecken. Was Sie gesagt haben, ist ein Werturteil, das von vielen auch Ihrer Herren nicht geteilt wird.

Ich möchte mir zu ihren Ausführungen noch folgende reizende Anmerkung erlauben. Die gesamte Rechtsfraktion der Magdeburger Stadtverordnetenversammlung war bereit, Herrn Reuter mitzuwählen. (Abgeordneter Steuer: Nicht die Deutsch⸗ nationalen! Das ist falsch!) Herr Abgeordneter Steuer, ich erkläre Ihnen, die gesamte Rechtsfraktion (Widerspruch des Abgeordneten Steuer) da sind die Deutschnationalen einbegriffen war bereit, Herrn Oberbürgermeister Reuter mitzuwählen, wenn die Sozialdemokraten sich dazu bereit gefunden hätten, zum zweiten Bürgermeister den Kandidaten der Rechtskoalition zu wählen. (Stürmische Rufe: Hört, hört! bei den Regierungsparteien Widerspruch bei der Deutschnationalen Volkspartei.)

Und nun, meine Damen und Herren, noch eine ganz kurze Feststellung zu den Ausführungen des Abgeordneten Hecken über den Bau des Verwaltungsgebäudes in Merfeburg. Herr Kollege Hecken hat es so dargestellt, als ob sich der sozial⸗ demokratische Landrat Guske eine Wohnung im Betrage von 900 000 RM habe erstellen lassen und als ob er diesen Zeit⸗ läufen nichts darin gefunden habe, einen Tennisplatz im Betrage von 8000 RM anzulegen. Das waren wörtlich seine Ausführungen, wie sie ihren Niederschlag auch im Parlaments⸗ bericht der „Deutschen Tageszeitung“ gefunden haben. Herr Kollege Hecken bestätigt mir eben, daß er das auch so aufgefaßt haben will.

Wie liegen nun die Dinge? Zunächst kann von der Anlage eines Tennisplatzes absolut nicht die Rede sein. Dieser Tennis⸗ platz existiert nur in der Phantasie, ich will nicht sagen des Herrn Kollegen Hecken, aber mindestens in der Phantasie seiner Ge⸗ währsmänner. Der Kreistag des Landkreises Merseburg das sind die Auszeichnungen, die ich mir auf Grund der Aktenvor⸗ gänge heute habe anfertigen lassen hatte bereits im Jahre 1914 den Bau eines neuen Kreishauses beschlossen. Dieses Pro⸗ jekt wurde allerdings während des Krieges und der Inflations⸗ zeit vorläufig zurückgestellt. Von 1914 bis 1927 wurde für diesen Zweck bereits ein Betrag von 830 000 Mark angesammelt. Nach⸗ dem auf Grund eines öffentlichen Wettbewerbs im Jahre 1927 von den Kreiskörperschaften für die Ausführung der Ent⸗ wurf das ist auch wieder sehr interessant des Pro⸗ fessors Schulze (Naumburg) angenommen war, wurde von diesem zunächst ein vorläufiger Kostenanschlag aufgestellt, der mit 907 500 RM abschloß, jedoch unter dem ausdrücklichen Vorbehalt einer normalen Bodenbeschaffenheit, Nichtvorhanden⸗ sein von Grundwasser und ohne Berücksichtigung der Kosten für den inneren Ausbau des Gebäudes. Der auf Grund der tatsäch⸗ lichen Bodenbeschaffenheit des Bauplatzes und des inzwischen tät⸗ sächlich festgestellten Vorhandenseins von Grundwasser von dem Kreisbaurat Dr. Moldenhauer am 15. April 1928 aufgestellte Kostenanschlag bezifferte die Gesamtkosten auf voraussichtlich 1 250 000 RM auszugeben, halte auch ich in dieser Zeit für un⸗ Beschluß vom 28. Juni 1928 festgesetzt, obgleich damals mit den

Maurerarbeiten überhaupt noch nicht begonnen und auch sonst

über die wirkliche Höhe der Baukosten ein zuverläfsiger Ueber⸗ blich noch nicht zu gewinnen war. Aus dieser Tatsache erklären sich die später eingetretenen Ueberschreitungen des Kosten⸗ anschlages. Diese Ueberschreitungen beziffern sich auf 315 000 RM. Der mit 4200 RM veranschlagte Tennisplatz ist nicht ausgeführt worden, und der heute amtierende Landrat bittet dringend, ihn mit einem solchen Tennisplatz auch zu verschonen. Also, Herr Kollege Hecken, Sie sind von Ihren Gewährsmännern hinters Licht geführt.

Was insbesondere die Dienstwohngebäude für den Landrat anbelangt, so ist zu betonen, daß die Dienstwohnung, abgesehen von geringfügigen Abweichungen, hinsichtlich der Größe und Anordnung der Räume im wesentlichen genau so ausgeführt worden ist, wie es in dem von den Kreiskörperschaften ge⸗ nehmigten Entwurf vorgesehen war.

Und nun gestatten Sie mir, einige allgemeine Bemerkungen zu der Ausführung des Baues zu machen. Für die Erstellung eines Verwaltungsgebäudes für den Kreiskommunalverband 1 250 000 RM auzugeben, halte auch ich in dieser Zeit für un⸗ verantwortlich. (Sehr richtig!) Ich halte mit meiner Meinung da gar nicht zurück, und ich möchte, daß diese Bemerkung dazu beiträgt, unsere Kommunalverbände anzuhalten, mit der größten Sparsamkeit an die Errichtung von Dienstgebäuden heranzugehen. Wenn ich das ganz allgemein zugebe, so wollen Sie mit Bezug auf diesen besonderen Fall folgendes berücksichtigen:

Der Neubau ist zu einer Zeit beschlossen worden, in der sich die Finanzen des Kreises Merseburg in einer fehr günstigen Lage befanden.

Ich sagte schon, bereits im Jahre 1914 wurde die Absicht ge⸗ äußert, ein Verwaltungsgebäude zu errichten. Der Kreiskommunalverband hatte in früheren Jahren für den Bau über 800 000 aus überschüssigen Mitteln zurückgelegt. Er verfügte weiterhin über ein Gesamtvermögen von 2,75 Mil⸗ lionen und erhob in den Jahren 1926 bis 1928 fast die

niedrigsten Steuern in der ganzen Provinz Sachsen. Das Rückgrat der Kreisfinanzen bildet das Leuna⸗Werk. Der kata⸗

strophale Rückgang dieses Werkes, der die gegenwärtige finan⸗

zielle Notlage des Kreises mit verursacht hat, konnte bei den

Beschlüssen über die Durchführung nicht in Rechnung gestellt

werden. Ich habe Ihnen diese Passagen aus den Akten vorgelesen damit auch die andere Seite gehört wird. Aber ich wiederhole noche einmal, daß ich mich mit diesen Bemerkungen durchaus nicht identifiziere. Ich bin im Begenteil der Meinung, daß man, wenn man übarhaupt sparen will und dieses Sparen nicht nur eine platonische Geste sein soll, gerade in guten Jahren sparen soll. (Sehr gut!) Aber da darf ich nun wieder folgendes anführen. Es. ist unrichtig und ungerecht, einem Landratsamtsverwalter die Schuld daran beizumessen, daß er im Jahre 1928 die wirt⸗ schaftliche Situation und die wirtschaftliche Zukunftsentwicklung nicht richtig vorausgesehen habe. Im Reich, in den Ländern und auch in den Gemeinden ist gerade in den Jahren 1926 bis 1928 sehr viel gefündigt worden. (Zustimmung rechts.) Und wenn wir aus diesen Sünden, für die wir nicht einzelne Personen, sondern die falsche Einstellung fast des ganzen deutschen Volkes verantwortlich machen müßten, für die Zukunft lernen wollen, dann haben auch diese falschen Maßnahmen noch ein gutes Er⸗ gebnis gehabt. (Lebhafter Beifall.)

Abg. Steuer (D. Nat.) gab hierauf die Erklärung ab, daß es unrichtig sei, daß die Deutschnationalen in Magdeburg bereit⸗ gewesen seien, für den Stadtrat Reuter als Oberbürgermeister sich dieser in Berlin als ungeeignet erwiesen abe. Ob irgendwelche andere rechtsstehenden Stadtverordneten sich mit diesem Gedanken zeitweife getragen haben, solle dahin⸗ gestellt öbleiben. Jedenfalls hätten die Deutschnationalen niemals diese Absicht gehabt.

Dann schließt die allgemeine Aussprache. Das Haus tritt in die Beratung der einzelnen Haushalte ein. Eine Reihe von Etats wird ohne Aussprache erledigt.

Beim Justizhaushalt erinnert Abg. Graf von Po⸗ seeeen (Volksrecht P.) an den angenommenen Ent⸗ chließungsantrag, in dem an die Reichsregierung das Ersuchen gerichtet wurde, unverzüglich Ermittlungen darüber anzustellen, welche Personen an dem Verbrechen der Inflation schufdeg sind und entsprechende Maßnahmen zu treffen. Es sei in dieser An⸗

elegenheit von der Staatsregierung efhm unternommen. Jeden⸗

fall habe man von einem 82* oder von irgendwelchen Maß⸗ nahmen nichts gehört. Krin Parlament würde sich eine solche Behandlung gefallen lassen.

Ministerpräsident Dr. Braun: Mir ist nicht gegenwärtig, zu welchem Etat der Antrag gehört, den der Herr Abgeordnete Graf von Posadowsky⸗Wehner zum Gegenstand seiner Anfrage ge⸗ macht hat; aber soweit mir erinnerlich ist, handelt es sich um einen der vielen Entschließungsanträge, die zu Hunderten von diesem Hause angenommen werden und über deren weiteres Schicksal das Staatsministerium alljährlich in einem ziemlich umfgngreichen Bande Auskunft gibt. Ich weiß nicht, ob über den Antrag, den Herr Graf von Posadowsky hier erwähnte, bereits Auskunft gegeben ist, oder ob im nächsten Bande, der dem Hause zugehen wird, Auskunft über das Schicksal dieses Antrags er⸗ teilt werden wird. Jedenfalls kann aus dem Umstande, daß dem Herrn Abg. Graf von Posadowsky eine derartige Antwort bisher nicht bekanntgeworden ist, nicht hergeleitet werden, daß die Staatsregierung die Rechte und das Ansehen dieses Hohen Hauses mißachte. (Zuruf bei der Deutschen Fraktion.) ;

Ein Regierungsvertreter antwortet sodann auf die Anfrage der Sozialdemokraten, in der erklärt worden ist, die Gerichtsbehörden, insbesondere von Dortmund und Kassel, hättem die Polizei bei ihrem Vorgehen gegen nationalsozialistische Aus⸗ schreitungen im Stich gelassen. in der Antwort des Staats⸗

ministeriums werden die Vorwürfe bezüglich der Kasseler Be⸗ hörden für unbegründet erklärt. 8

Abg. Kuttner (Soz.) nimmt die Vorwürfe Amtsgerichtsrat Funk in Kassel zurück.

Abg. Hestermann (Wirtsch. P.) bedauert, daß die Staats⸗ regierung 8. der Beantwortung der re nicht auch die Dort⸗ munder Justiöbehörde in Schutz Serweee habe. Nach seinen Informationen hätten sowohl der Landgerichtspräsident in Dort⸗ mund als auch der Oberlandesgerichtspräsident in Hamm auf Grund ihrer Untersuchungen die Vorwürfe für unberechtigt er⸗ klärt. Eine Stellungnahme der Regierung sei um so mehr not⸗ wendig, als der „Dortmunder Generalanzeiger“ von einer fest⸗ gestellten Parteilichkeit der Dorkmunder Richter gesprochen habe⸗

Justizminister Dr. Schmidt: Auf die Bemerkungen des Herrn Kollegen Hestermann habe ich zu erwidern, daß die

gegen den

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