“
Reichs⸗ und Staatsanzeiger Nr. 158 vom 10.
Juli 1931. S.
2
einer Verwaltungsreform begründen wollte, daß wir uns nicht darüber täuschen dürften, daß wir nach dem Jahre 1925, nach der
ereinnahme großen ausländischen Kapitals doch auch einmal mit der Kehrseite dieser Kreditgewährung würden rechnen müssen, und daß es deswegen darauf ankäme, sich beizeiten durch eine Ver⸗ billigung des Verwaltungsapparats auf diese Verpflichtungen der späteren Jahre einzurichten. Aber darauf lege ich jetzt nicht ent⸗ scheidenden Wert.
Ich möchte vielmehr darauf hinweisen, daß im Jahre 1927 vier deutschnationale Minister in der Reichsregierung gesessen haben, und daß in dieses Jahr sallen erstens der Abbau verschie⸗ dener zu Buch schlagender Reichsstenern (sehr wahr! im Zentrum), und weiter eine Beamtenbesoldung, die ich selbstverständlich den Beamten damals sehr gegönnt habe, die aber doch, wie sich jetzt herausstellt (Zuruf rechts: Sie haben sie persönlich unterstützt), —
as wissen Sie nicht, Sie kennen meine Reden darüber nicht (Zu⸗ ruf! Ich habe sie gelesen!), — nein, sonst würden Sie mir diesen Vporwurf nicht machen —, das finanzielle Leistungsvermögen des deutschen Volkes bei weitem überschätzte. Sie, meine Damen und Herren von rechts, waren an diesen Gesetzgebungswerken im Reiche ervorragend beteiligt. Wir haben damals vorausgesagt, daß dem Jahre 1927, in dem jeder Pfennig hätte zurückgehalten werden müssen, ein übles Jahr 1928 und ein noch übleres Jahr 1929 folgen würde. Wir haben das vorausgesagt. (Ruf bei der zirtschaftspartei: Wir auch!) Ich sagte ja, daß keine Partei von sich behaupten darf, sie sei immer klüger gewesen. Aber es ist nun einmal eine alte deutsche Unart, daß, wenn wir durch irgendein Unglück in einen Zustand nationaler und wirtschaftlicher Bedräng⸗ nis hineingekommen sind, wir nicht alle unsere Kräfte zusammen⸗ fassen, um schnellstens wieder herauszrkommen, sondern daß wir nach Sündenböcken suchen, denen wir die Verantwortung auf⸗ laden. (Sehr wahr! im Zentrum.) Sie machen die „Erfüllungspolitik“ für alle die Dinge ver⸗ ntwortlich, die Sie hier im einzelnen angeführt haben, Herr Abg. von Winterfeld. Sie appellieren damit an das kurze poli⸗ tische Gedächtnis der deutschen Wähler. (Heiterkeit.) Denn: haben Sie die Erfüllungspolitik nicht mitgemacht? Sie saßen doch im Jahre 1927 und bis zum 29. Juni 1928 in der Reichsregierung, die wichtige Akte auf diesem Gebiet herbeigeführt hat. (Abg. Steuer: Sie wissen doch, daß wir Locarno nicht mitgemacht haben!) — Ja, einmal überließen Sie den andern wieder die Ver⸗ antwortung; da suchten Sie den Weg in die Freiheit, blieben aber bemüht, später wieder in die Regierung hineinzukommen. Das war 1925, als Sie hinausgingen. Ich spreche jetzt aber von dem Zeitpunkt vom 4. Februar 1927 bis zum 29. Juni 1928. In dieser Zeit haben Sie nicht nur wichtige außenpolitische Dinge mitgemacht, die sich an den Namen Stresemann knüpfen, sondern auch noch anderes „erfüllt“, auf das ich nachher zu sprechen kommen werde. Also es geht auch nicht an, Sozialdemokraten oder Demo⸗ kraten oder Zentrumsmänner oder — meine Herren von der Volkspartei nehmen Sie mir es nicht übel, wenn ich Sie in diesem Zusammenhange mit nenne — (Heiterkeit) Herren von der Volks⸗ partei für die Erfüllungspolitik verantwortlich zu machen. Nein, meine Herren, in der Zeit, wo Sie an der Regierung beteiligt waren, zeichneten Sie mitverantwortlich, und diese „Schuld“ nimmt Ihnen vor der Geschichte niemand ab. (Zuruf des Ab⸗ geordneten Steuer.) — Seitdem, jawohl. Herr Abgeordneter Steuer, Sie halten es jetzt, wo Sie in der Opposttion sind, taktisch für richtig, die schärfere Tonart wieder herauszukehren. Würde 8 es durch einen Zufall, sagen wir: durch ein Wabhlglück dahin⸗ kommen, daß Sie in der Reichsregierung Aufnahme fänden, dann müßten Sie die Politik von 1927/28 wieder fortsetzen, und keine
Maus bisse einen Faden davon ab. (Heiterkeit — Zuruf des Ab⸗ geordneten Steuer.)
Nun hat der Herr Abgeordnete von Winterfeld gemeint, ich hätte den Freiherrn vom Stein als Sozialdemokraten proklamiert oder reklamiert. Herr Abgeordneter von Winterfeld, trauen Sie mir doch eine solche Geschmacklosigkeit nicht zu! Ich zahle Ihnen Ihre ganzen Barkosten für den Volksentscheid (Zuruf rechts:
Haben Sie so viel Geld? — Heiterkeit) — ich kann ja den Einsatz wagen, es kostet mich nichts —, wenn Sie mir eine Stelle in meinen Reden zeigen, die ich aus Anlaß der Stein⸗Feiern jetzt
gehalten habe — und ich dehne das aus auf andere Auslassungen
über Stein —, ich zahle Ihnen diesen Betrag, wenn Sie mir nachweisen können, daß ich auch nur eine ähnliche Aeußerung getan habe. Davon kann gar keine Rede sein. Aber wenn Sie in diesem Zusammenhange gesagt haben, man habe vergessen, bei den Stein⸗Feiern daran zu erinnern, daß Stein sich für die Wehr⸗ pflicht eingesetzt habe, und daß die Tatsache, daß wir jetzt abrüsten müßten, Schuld der regierenden Parteien sei (Abg. Stener: Und Ihre Partei noch weiter abrüsten will!) — Herr Abgeordneter Steuer, seien Sie vorsichtig —, dann erinnere ich an folgendes. Es gab ein Gesetz, an dessen Verabschiedung alle Parteien des Reichstags mit großem Widerwillen herangegangen sind — ich kann das insbesondere auch für die Sozialdemokratische Partei feststellen, für die damals der Abgeordnete Stampfer sprach —, ein Gesetz, das im Jahre 1927 den Reichstag beschäftigte: das war das Kriegsgerätegesetz, mit dem sich auch die Herren der Deutschnationalen Partei, die es mit einbrachten, ver⸗ pflichteten, dem ehemaligen Feindbund gegenüber Bedingungen zu erfüllen, die die Deutschnationalen, wenn sie nicht dabeigewesen waren, den anderen als Vaterlandsverrat angekreidet hätten. (Sehr wahr! bei den Regierungsparteien. — Abg. Steuer: Es war ja nur die Ausführung eines vorhandenen Gesetzes! — Heiterkeit.) — Herr Abgeordneter Steuer, mit dieser Redensart können Sie alles begründen. Auch. Ihre „Erfüllungspolitik“ können Sie damit begründen, daß das ja die Erfüllung des Ver⸗ sailler Friedensvertrages ist.
Nun zu den Bemerkungen darüber, daß die Preußische Regie⸗ rung die Studentenbewegung unterdrücke. Das ist ja eine wirk⸗ liche preußische Angelegenheit; alles andere gehörte doch wohl zur Zuständigkeit des Reiches und des Reichstags. Meine Damen und Herren, ich habe schon in der Dezember⸗Sitzung des Landtags darauf hingewiesen, daß ich eine kraftvolle Bewegung der Studierenden an den Universitäten durchaus begrüße, wenn sie sich in den erlaubten Grenzen hält. Und wenn die Herren auf Grund ihrer Erziehung auf dem Gymnasium oder auf Grund
ihrer Erziehung im Elternhause heute schon glauben und heute besonders glauben, von sich aus berufen zu sein, gegen den Versailler Vertrag zu protestieren, dann sind das alles Dinge, gegen die an sich ich keine Polizei aufbieten werde. Aber Herr Dr. von Winterfeld, Sie haben anzuführen ganz vergessen, daß ein Professor, der Ihnen politisch nicht sehr fernsteht und der auch noch in diesem Jahre insbesondere scharf gegen Versailles protestiert hat, von randalierenden Studenten — allerdings nicht in Preußen — an der Ausübung seiner Vorlesungen gehindert worden ist. Ist Ihnen „Professor Nawiasky auch schon ein Er⸗ füllungspolitiker“ oder ein „Vaterlandsverräter“ geworden, gegen den die Studenten angehen dürfen? Sie haben vergessen anzu⸗ führen, daß eine wirklich geistige Bewegung der Studenten nichts mit dem Unfug zu tun haben darf, der sich an der Kieler Uni⸗ versität gezeigt hat. (Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Tränen⸗ gas, das das Augenlicht beschädigen, das eine dauernde Benach⸗ teiligung der Gesundheit der davon Betroffenen zur Folge haben kann, ist kein Kampfmittel einer wirklich nationalen Bewegung an den Hochschulen.
Nun hätte ich eigentlich erwartet, daß der Herr Abg. von Winterfeld aus der lange Liste der üblen Zustände in Deutsch⸗ land, die er hier vorgetragen hat, die Konsequenz gezogen hätte: „Wir wollen in dieser Notzeit alle staatsbejahenden und auf⸗ bauenden Kräfte zusammenfassen und deshalb vom Volksentscheid Abstand nehmen.“ Es wird gerade heute ein Dokument bekannt, das die Vertreter der Wirtschaft und Finanz an den Reichsbank⸗ präsidenten gerichtet haben, in dem diese Kreise sich bereit erklären, eine große solidarische Aktion zur Stützung der deutschen Wirt⸗ schaft herbeizuführen. Für mich war besonders interessant, daß es in einer Passage dieses Schreibens heißt, daß es jetzt darauf ankomme, das Vertrauen in Deutschlaͤnd und auf Deutschland wiederherzustellen. Ich weiß sehr wohl, daß Weltwirtschaftskrise und Reparationslasten unsere Finanzen am meisten in Unordnung gebracht haben. Ich weiß aber auch, daß eine Reihe politischer Momente den Abzug fremden und auch deutschen Kapitals aus den deutschen Bankunternehmungen in den letzten Monaten begünstigt haben. (Sehr richtig! bei den Regierungsparteien.) Wer zu einer Gesundung unserer wirtschaftlichen, finanziellen und politischen Verhältnisse kommen will, muß deshalb alles tun, um das Ver⸗ trauen in die deutsche Kraft und Festigkeit zu vermehren, und muß alles unterlassen, was die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse in Deutschland noch mehr zu verwirren geeignet ist. Ich glaubte deshalb, daß Sie zu der Folgerung kommen würden: „Wir sehen ein, daß in der jetzigen Zeit, die viel schwieriger ist als die Zeit, als das Volksbegehren eingeleitet wurde, die Dinge in Deutschland nicht durch einen langen Abstimmungskampf immer mehr auf die Spitze getrieben werden dürfen; wir wollen deshalb den Stahlhelm dahin beeinflussen, daß er den Volks⸗ entscheid zurückzieht.“ (Zuruf rechts: Das ist verfassungsrechtlich nicht mehr möglich!) — Ich bin nicht der Formalist wie Sie. Ich würde, wenn ich die Dinge nach der Richtung weiter be⸗ trachtete, wie ich es vorgetragen habe, besonders aber dann, wenn ich so sehr an die Disziplin der Stahlhelmmitglieder glaubte wie Sie, mich für einen Aufruf an den Stahlhelm einsetzen und der ganzen deutschen Oeffentlichkeit auseinandersetzen: „Wir haben es zum Volksbegehren gebracht und sind damit durchgekommen. Der Landtag hat sich mit unserem Begehren beschäftigt, aber jetzt muß Schluß damit sein, der Volksentscheid wird abgeblasen, es geht niemand am 9. August zur Abstimmung!“ Das wäre, eine nationale Tat. (Zuruf rechts.) Dazu gehört aber ein wenig Selbstüberwindung, und ich bin fest überzeugt: diese Selbstüber⸗ windung bringen die Herren von der Deutschnationalen Volks⸗ partei und vom Stahlhelm nicht auf. (Erneuter Zuruf rechts.) — Herr Abg. Steuer, Sie wissen so gut wie ich, daß wir heute schon an jedem Sonntag trotz Notverordnung und Polizeiverbot blutige Auseinandersetzungen in den verschiedensten Gegenden Deutsch⸗ lands, auch in Preußen haben. Wenn das schon in einer — sagen wir einmal — normalen Zeit — verzeihen Sie den Ausdruck; er ist nicht ganz zutreffend — geschieht, dann glaube ich, werden Sie mir zustimmen, wenn ich sage: in Wahlzeiten, in Ab⸗ stimmungszeiten wird sich diese leidenschaftliche Atmosphäre noch mehr laden. Wir haben aber doch alle ein Interesse daran, daß das unterbleibt. (Abg. Steuer: Wollen Sie das Wählen ganz abschaffen?) — Nein, darum handelt es sich gar nicht. Es handelt sich darum, daß wir gesunde Nerven bis zu dem Zeitpunkt be⸗ halten, an dem die Legislaturperiode des Preußischen Landtags normal abläuft. (Abg. Steuer: Meinen Sie, dann sind die Leute wieder ruhiger?) — Sie sehen ja, ich komme mit den Herren nicht zu einem Akkord; deshalb unterlasse ich meine weiteren Be⸗ mühungen.
Ich darf mich jetzt den Ausführungen des Herrn Abg. Ben⸗ scheid zuwenden. (Zuruf bei der Sozialdemokratischen Partei: Lohnt sich das?) — Ja, das lohnt sich (Heiterkeit), nicht, weil der Abg. Benscheid eine Reihe von richtigen und unrichtigen Be⸗ merkungen vorgetragen hat, gegen die man polemisieren müßte, um sie hier richtigzustellen. Es kommt vielmehr darauf an, der politischen Brunnenvergiftung entgegenzutreten, die gerade von der Kommunistischen Partei (Zuruf bei den Kommunisten: Von der S. P. D.!) in diesen Zeitläuften versucht und durchgeführt wird.
In einem bin ich mit dem Herrn Abg. Benscheid durchaus einig. Er hat in seiner Rede gesagt: Die Wirtschaftskrise spricht eine schärfere Sprache als alle politische Demagogie. Jawohl, das ist richtig. Aber weil die Wirtschaftskrise eine viel schärfere Sprache spricht als alle politische Demagogie, deswegen halte ich die Politik der Kommunistischen Partei für falsch. Herr Abg. Ben⸗ scheid, Sie haben aus Ihrer engeren Heimat — ich glaube, aus Remscheid — Beispiele dafür angeführt, daß die Stadtverwaltung nicht in der Lage gewesen sei — (Abg. Benscheid: In der Lage?) — Wie wollen Sie das formulieren? (Abg. Benscheid: Sie hat nicht gezahlt! — Heiterkeit.) — Also nicht in der Lage gewesen sei — Herr Benscheid bestätigt das —, den Wohlfahrtserwerbs⸗ losen die gewohnte Unterstützung zu zahlen. Sollten Sie nicht doch einmal darüber nachgedacht haben, woher das kam? (Zuruf bei den Kommunisten: Durch Ihren Finanzausgleich!) Ich frage Sie: wollen Sie unterstellen, daß die Mitglieder der Stadtver⸗ waltung in Remscheid ihren bösen Willen — (Abg. Benscheid:
Jawohl!) — Na, dann ist mit Ihnen überhaupt nicht zu disku⸗
Meine Damen und Herren, die Zahl der Wohlfahrtserwerbs⸗ losen wird bei einem längeren Andauern der allgemeinen Arbeits⸗ losigkeit eine weitere beträchtliche Steigerung erfahren, und da die Gemeinden nicht in der Lage sind, aus Eigenem die Kosten auf⸗ zubringen, die zur Unterstützung der Wohlfahrtserwerbslosen er⸗ forderlich sind, müßten Staat und Reich einspringen. Deswegen müssen aus neuen Steuern die Mittel aufgebracht werden, die man dann den Gemeinden zuführen soll. (Abg. Schulz Neukölln]: Krisenlohnsteuer!) Nicht nur die Krisenlohnsteuer, sondern auch andere Steuerarten müssen dazu angespannt werden. (Zurufe bei den Kommunisten.) Ueberlegen Sie doch einmal, ob das mög⸗ lich wäre, wenn, wie Sie es beabsichtigen, durch eine weitere Be⸗ unruhigung der deutschen Wirtschaft die Steuereingänge ge⸗ ringer, die Lasten aber größer würden. (Aha⸗Rufe und Lärm bei den Kommunisten.) Ja, auch wenn wir den Konkurs anmelden — davon werden die Wohlfahrtserwerbslosen nicht satt. (Erneute Zurufe bei den Kommunisten.) Wir treiben praktische Arbeiter⸗ politik; wir wollen alle über die Krise hinwegbringen. (Abg. Schulz [Neukölln]: 450 Millionen für die Polizei! — Große Un⸗ ruhe. — Glocke des Präsidenten.) — Herr Abgeordneter Dr. Boehm hat mich heute daran erinnert, daß ich einmal die Herren von der Kommunistischen Partei als politische Kinder bezeichnet hätte. Ich habe davon nichts zurückzunehmen. Daß diese Kinder aber ernsthaft annehmen würden, daß die preußische Staatsregierung darauf verzichten könne, eine schlagfertige Polizei aufzustellen und zu unterhalten — so naiv habe ich sie nie eingeschätzt. (Lebhafte Zurufe bei den Kommunisten. — Glocke des Präsidenten.) — Zum Kapitel Polizei möchte ich übrigens folgende Behauptung des Herrn Abgeordneten Benscheid zurückweisen. Er hat von den Schutzpolizeibeamten, die sich in Zivilkleidung in die Reihen der Berliner Demonstranten begeben haben, als von Provokateuren gesprochen. (Lebhafte Zu⸗ stimmung bei den Kommunisten.) Ich weise diese Be⸗ hauptung mit aller Entschiedenheit zurück. (Abg. Schulz [Neu⸗ kölln): Wahrheiten können Sie nicht zurückweisen! — Lebhafte Zurufe bei den Kommunisten. — Glocke des Präsidenten.) — Ich möchte darüber hinaus noch folgende Erklärung abgeben. Wenn in einem Teil der Presse diese Methode der Polizei, Schutz⸗ polizeibeamte auch unter die Reihen der Demonstranten zu mischen, heftig kritisiert worden ist, so gebe ich an dieser Kritik folgendes zu. Es wäre mir lieber, wenn wir die Zweckbestim⸗ mung der Schutzpolizei, in erster Linie Bereitschaftspolizei zu sein, 100 prozentig aufrechterhalten könnten, und mein Bestreben wird darauf gerichtet sein, dieses Ziel auch möglichst zu erreichen. Wenn aber gewisse Gruppen und Parteien ihre Taktik wechseln, wenn sie neben den Demonstrationszügen, die sich in der Mitte der Straße bewegen, auch noch Trupps aufstellen, die auf den Bürgersteigen die Dinge zu komplizieren suchen, dann geht es nicht an, nur mit uniformierten Schutzpolizeibeamten die er⸗ forderlichen Recherchen der Polizei durchzuführen. (Lebhafte Zu⸗ rufe bei den Kommunisten.) Ich muß mir deshalb vorbehalten, die Polizei immer so einzusetzen, wie es die Sicherheit des Staates und die öffentliche Ruhe und Sicherheit verlangt. Gei⸗ fall bei den Regierungsparteien — lebhafte Zurufe bei den Kom⸗ munisten.)
Dann hat sich Herr Benscheid darüber beklagt, daß in seiner engeren Heimat eine Zeitung verboten worden sei, die den Auf⸗ ruf gebracht hatte: Schlagt die Faschisten, wo ihr sie trefft! Gegen eine solche Aufforderung hat die Polizei allerdings einzuschreiten. Was würden Sie sagen, wenn die faschistische Presse die Auf⸗ forderung brächte: Schlagt die Kommunisten, wo ihr sie trefft! (Zuruf bei den Kommunisten: Das tut sie ja!l) — Nein! Ich be⸗ tone: wenn diese oder eine ähnliche Aufforderung in der faschisti⸗ schen Presse stünde, würde sie ebenfalls verboten werden. (Großer Lärm bei den Kommunisten.) Aber das ist ja letzten Endes auch eine Schutzvorschrift für Sie. (Abg. Schulz [Neukölln): Wir brauchen Ihren Schutz nicht! — Lebhafte Zurufe bei den Kom⸗ munisten.) — Sie verstehen mich nicht ganz. Ich will folgendes sagen: Der Faschist von heute ist nicht selten der Kommunist von morgen und umgekehrt. Ich will das nicht im einzelnen belegen. (Sehr gut! bei den Sozialdemokraten. — Zuruf rechts: Sie meinen wohl die Sozialfaschisten! — Lebhafte Zurufe bei den Sozialdemokraten. — Glocke des Präsidenten.) — Gestatten Sie mir noch ein paar ganz kurze Worte zur Spartakiade! Ich hatte zunächst die Absicht, beide Veranstaltungen, die hier und in der Oeffentlichkeit erörtert worden sind, das sogenannte Sportfest der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei und die Sparta⸗ kiade zu gestatten. Sportfeste möchte ich nicht verbieten, gegen Sportfeste möchte ich nicht die Staatsgewalt mobilmachen, wenn sich das irgendwie mit den Grundsätzen der Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung vereinbaren läßt. Ich habe noch immer eine Rede in Erinnerung, die auf mich in meiner Jugend einen starken Eindruck gemacht hat, die entweder zu Ende der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts oder zu Beginn dieses Jahrhunderts der frühere Oberbürgermeister von Barmen, das Herrenhausmitglied und der spätere preußische Finanzminister Herr Lentze gehalten hat, der nicht in den Verdacht kommt, daß er der Sozialdemokratie oder einer anderen linksgerichteten Gruppe nahesteht. Herr Lentze hat damals nicht mit Unrecht darauf hingewiesen, daß man den Arbeitern ihre Feste — er hatte damals auch Turner⸗ und Sängerfeste im Auge — nicht durch kleinliche Polizeischikane ver⸗ gällen soll. Das schaffe immer Unbehagen und Verbitterung. (Abg. Steuer: Ein vernünftiger Mann!) So wollte ich es auch halten. Ich habe am Donnerstag vor dem Sonnabend, an dem das Verbot der beiden Veranstaltungen ausgesprochen wurde, in bezug auf das Sportfest der Nationalsozialisten erklärt, daß, selbst wenn einige Beanstandungen zu erheben wären, dieses Sportfest stattfinden solle, um nicht in der Oeffent⸗ lichkeit den Eindruck zu erwecken, daß die Polizei mit kleinlichen Mitteln die Veranstaltung der Nationalsozialisten stören wolle. Dann aber erschien am Freitagnachmittag wieder der auf 14 Tage verbotene „Angriff“. Die Zeitung gab in mehreren Artikeln dem sogenannten Sportfest einen derartigen Charakter, daß nun die Polizei zum Einschreiten verpflichtet war. „Sturm auf das Stadion! Aufbruch des deutschen Berlin!“ So hieß es an der Spitze in großen Schlagzeilen. An einer Stelle des Leitartikels wurde gesagt:
Jeder muß morgen im Stadion sein, der auch nur einen Funken jenes nationalen Befreiungswillens spürt, dessen Bannerträger
Reichs⸗ und Staatsanzeiger Nr. 158 vom 10. Juli 1931. S.
und Verkünder der Nationalsozialismus ist. Es muß und wird den absterbenden Parteimächten des abgewirtschafteten der⸗ zeitigen Systems gezeigt werden, daß der Nationalsozialismus eine unaufhaltsam marschierende VBolksbewegung geworden ist. (Zuruf rechts: Das steht fest!) — Das mag sein. Aber wenn von einem absterbenden System gesprochen wird, dann wollen Sie es uns nicht verdenken, wenn wir gelegentlich noch einige Lebens⸗ zeichen von uns geben. (Heiterkeit — Zuruf rechts: Sterben müßt Ihr doch!) An einer anderen Stelle des Blattes heißt es: Zehntausende hatten sich am Wittenbergplatz und am Nollen⸗ dorsplatz angesammelt. In langen Demonstrationszügen zogen die Massen durch den Westen Berlins. In Reihen zu Achten, Männer und Jünglinge, Arbeiter und Studenten, Männer im zerschlissenen Rock, in der Arbeitsbluse neben dem Bürger. Alle fühlten sich eins im Kampf gegen den Schundfilm, der unsere deutschen Helden des Weltkrieges, die für ihr Vaterland in den Tod gingen, besudelte. Der Marschschritt der Kolonnen hallte wider von den Fronten der Prunkbauten des Westens.
Angstvoll flüchteten die Schmarotzer des Kurfürstendamms
in die hintersten Winkel ihrer Wohnpaläste. Berlin zeigte sein wahres Gesicht, und schon verkroch sich das Geschmeiß. — — Die Puste soll ihnen wegbleiben, wenn sie die Massen marschieren sehen. (Zuruf rechts: Ist denn das so schlimm?) Wenn die Herren den Mund weniger voll genommen hätten, dann hätte auch die An⸗ bündigung, daß dieses Fest kein reines Sportfest sei, die Polizei nicht in Harnisch gebracht. Wenn die Herren aber glauben, sie könnten sich auch über die Bestimmungen der Notverordnung vom 28. März dieses Jahres hinwegsetzen, sie dürften die zwingenden Vorschriften dieser Notverordnung verletzen, dann hat ihnen die Polizei klarzumachen, daß es noch eine Stelle gibt, die die Durch⸗ führung der Notverordnung überwacht. (Sehr gut! bei den Re⸗ gierungsparteien.) Die Spartakiade wurde an dem gleichen Tage erboten, weil Meldungen darüber eingingen, daß kommunistische Zeitungen dieser Veranstaltung einen ähnlichen Kampfcharakter ür parteipolitische Zwecke gegeben hatten. (Lebhafte Zurufe bei en Kommunisten). — Es wäre interessant, meine Herren, den Be⸗ hauptungen über imparitätische Behandlung einmal nachzugehen. Die Herren von der Kommunistischen Partei behaupten, das sei alles mit Goebbels arrangiert worden, um die Spartakiade zu verbieten. (Heiterkeit in der Mitte und links.) — Ja, allen Ernstes! Ich könnte Ihnen das durch die Anführung einiger Stellen aus kommunistischen Flugblättern belegen. Das ist atürlich ebenso absurd wie die Behauptung der „Kreuzzeitung“, die Aufhebung des Verbotes stelle einen Anbiederungsversuch meinerseits bei den Herren der Kommunistischen Parlei dar. Meine Herren Kommunisten, ich bitte Sie, mich gegen diese Be⸗ hauptung in Schutz zu nehmen. (Große Heiterkeit in der Mitte nd bei den Sozialdemokraten.) Das Verbot mußte in beiden Fällen durchgeführt werden, und es ist durchgeführt worden. Ich glaube, daß selbst die Kreise, die sich schon eingebildet hatten, daß das „absterbende System“ ganz schwach sei, daß wir uns gar nicht mehr rühren könnten, jetzt auch zu der Erkenntnis gekommen sind, daß wir noch da sind und uns unserer Haut zu wehren wissen. Zustimmung bei den Regierungsparteien — Gegenrufe rechts und bei den Kommunisten.) — Herr Abgeordneter Steuer, wir tun das nicht etwa zu dem Zweck, um die Minister der Weimarer Koalition am Ruder zu halten! Was der Herr Ministerpräsident am 15. Ok⸗ tober des vorigen Jahres hier ausgesprochen hat, um die Stellung⸗ nahme der Staatsregierung gegenüber den Auflösungsanträgen aus dem Hause zu begründen, gilt auch heute noch: Wir bleiben auf unseren Plätzen, weil wir der Meinung sind, daß wir damit nicht nur dem preußischen, sondern auch dem deutschen Volke in dieser unruhigen Zeit den allerbesten Dienst erweisen! (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)
8 3 111“ Iu“ 247. Sitzung vom 9. Juli 1931, 12,20 Uhr. (Bericht d. Nachrichtenbüros d. Vereins deutscher Zeitungsverleger*.)
Bei Beginn der heutigen Landtagssitzung gibt Abg. Weis⸗ sermel (D. Nat.) namens seiner Fraktion eine Erklärung ab, in der behauptet wird, daß der bisherige deutschnationale Abg. Klein⸗Halensee nicht freiwillig aus der Partei und Fraktion aus⸗ geschieden, sondern ordnungsmäßig ausgeschlossen worden sei, weil er mit einer anderen Partei Verhandlungen wegen des Ueber⸗ tritts angeknüpft habe, ohne der Deutschnationalen Partei vorher .. Weise sein Mandat zur Verfügung zu
ellen.
Abg. Schulz⸗Neukölln (Komm.) kommt in einer Erklä⸗ rung auf seine gs- Auseinandersetzung mit dem Präösidenten Bartels zurück, bei der er behauptet hatte, der Präsident ses ge⸗ wohnheitsmäßig nicht, wenn beleidigende Zurufe gegen Kommu⸗ nisten laut würden. Zum Nachweis dieser Behauptung verliest der Redner Stellen aus den amtlichen Sitzungsprotokollen von früheren Sitzungen. Er, der Redner, müsse Hürshe Verwah⸗ rung gegen die krasse parteiische Verhandlungsführung durch den Präsidenten einlegen.
. Präsident Bartels erwidert, er habe in der Tat eine vom Abgeordneten Schulz⸗Neukölln besonders gerügte Aeußerung des Abgeordneten Heß (Zentr.) gegen die Lebanasden seinerzeit sofort geahndet. Abg. Keller (Landvolk) gibt folgende Erklärung ab: Der Abgeordnete Schmelzer hat in der gestrigen Sitzung des land⸗ wirtschaftlichen Ausschusses versucht, seine Haltung in der Aus⸗ schußsitzung am 9. 6. 1931 gegenüber den landwirtschaftlichen inträgen der Landvolkpartei zu verwischen. Ich sehe mich des⸗ halb veranlaßt, in aller Oeffentlichkeit festzustellen daß der im Deutschen Landvolk“ erschienene Bericht voll den Tatsachen ent⸗ spricht. In demselben ist gesagt, daß die Annahme der Land⸗ volkanträge in bezug auf den Schutz der Veredelungswirtschaft durc. die Haltung des Abgeordneten Schmelzer und die von ihm esttelten Anträge verhindert wurde. Schmelzer hat ausdrücklich erklärt, für einen Butterzoll von 100 RM nicht eintreten zu können. Es ist bedauerlich, wenn der Abgeordnete Schmelzer von EE“ der Landvolkpartei ppricht, da es sich ganz im Gegenteil dabei um Lebensnotwendigkeiten der gesamten deut⸗ schen Landwirtschaft handelt. Abg. Jürgensen (Eoz.) führt in einer Geschäftsordnungs⸗
bemerkung aus, die Mitglieder des Landtags hätten heute ge⸗
schlossene Briefe zugestellt erhalten, die sich mit dem Volksentscheid beschäftigen, schwere Angriffe enthielten, aber keinen Absender erkennen ließen. Die Absender seien zu feige gewesen, sich zu
*) Mit Ausnahme der dur
Sperrdruck hervorgehobenen Reden der Herren Minister, die im
ortlaute wiedergegeben sind.
nennen. Er ersuche den Präsidenten, in Zukunft zu verhindern, daß Briefe ohne Absender offiziell nicht zur Verteilung kommen.
Präsident Bartels erklärt, er habe auf Grund dieses or⸗ falls veranlaßt, daß in Zukunft den Abgeordneten geschlossene Briefe dann nicht mehr Lugestellt werden, wenn sie keinen Ab⸗ sender erkennen ließen. (Sehr gut! bei den Regierungsparteien.)
Der Wunsch des Abg. Schulz⸗Neukölln (Komm.), sofort über den kommunistischen Antrag zu verhandeln, der einen Untersuchungsausschuß zur Prüfung der Vorgänge in den Fürsorgeanstalten Scheuen usw. einsetzen will, scheitert am Widerspruch aus dem Hause. (Rufe bei den Kommunisten: „Die Begünstiger!“)
„Das Haus erledigt dann kleine Vorlagen. Die Geschäfts⸗ berichte der Preußischen Bergwerksgesellschaften gehen ohne Aussprache an den Hauptausschuß.
Annahme finden Anträge des Handelsausschusses, die u. a. die Regierung ersuchen, unverzüglich auf die Reichs⸗ regierung einzuwirken, daß bei Fortführung der Verhand⸗ lungen über den sogenannten Schenker⸗Vertrag die schwer gefährdeten Belange der Privatwirtschaft gewährleistet bleiben. Hinsichtlich der Verringerung der Han⸗ delsspanne für Lebensmittel durch Aenderung der tariflichen Bestimmungen (Traglasten und Lebensmittel⸗ transporte) wird die Regierung ersucht, auf das Reich dahin einzuwirken, daß für einen Träger die Höchstgrenze für Trag⸗ lasten auf 100 kg erhöht werde und daß die Frachtpreise für Lebensmitteltransporte sowie die Fahrpreise für Lebens⸗ mitteltransporteure ermäßigt werden. Weiter soll die Staats⸗ regierung eine solche Aenderung des Entwurfs eines Pensionskürzungsgesetzes beim Reich erwirken, die bei den pensionierten und auf Wartegeld ge⸗ setzten Beamten ein Einkommen aus Arbeit zur Hälfte auf die Pension anrechnet. Die Genehmigung zum Neben⸗ erwerb durch Beamte soll die Regierung grundsätzlich versagen und in gleichem Sinne auf die Reichsregierung ein⸗ wirken. Außerdem soll die Regierung beim Reich baldige Vorlegung eines Gesetzes aus Artikel 164 der Reichsver⸗ fassung über den Schutz des gewerblichen Mittel⸗ standes verlangen, ferner selbst zur Behebung der Not⸗ stände in Handwerk, Handel und Gewerbe dafür sorgen, daß Stundung und Steuernachlaß rechtzeitig gewährt, die Steuern der Leistungsfähigkeit der Betriebe besser angepaßt werden und dieser Gesichtspunkt besonders bei der Gewerbesteuer be⸗ achtet wird. Mit aller Schärfe sollen die Behörden ange⸗ wiesen werden, öffentliche Arbeiten möglichst nicht an Gene⸗ ralunternehmer zu vergeben. Auch wird durch entsprechen⸗ des Verlangen bei der Reichsregierung eine Aen derun der Stillegungsverordnung befürwortet so, daß die Anmeldungsfrist für die Stillegung von Betrieben von vier Wochen auf drei Monate verlängert wird. Vor end⸗ gültiger Stillegung sollen alle zulässigen Möglichkeiten er⸗ schöpft werden, um durch Arbeitsstreckung die Stillegung hintanzuhalten.
Der Landtag nimmt dann Anträge des Beamtenaus⸗ schusses an, wonach Mittel verfügbar gemacht und Maß⸗ nahmen getroffen werden Nern zur Beseitigung des Miß⸗ verhaltnisses zwischen den Bezügen des beamteten und nicht⸗ beamteten Theater⸗Betriebspersonals.
Schließlich stimmt das Haus einem Antrag des Rechts⸗ ausschusses zu, der die Regierung ersucht, auf die Reichs⸗ dahin einzuwirken, daß, soweit dies bisher noch nicht geschehen ist, die Plasfen der Erziehungs⸗ und Straf⸗ anstalten in geeigneter Weise in die soziale Reichsversiche⸗ rung, vor allem in die Unfall⸗ und Invalidenversicherung einbezogen werden.
Es folgt die Aussprache über den Bericht des Krolloper⸗Untersuchungsausschusses.
Berichterstatter Abg. Dr. Rose⸗Stade (D. Vp.) verweist auf den umfangreichen gedruckten Bericht, der dem Hause vor⸗ liegt. Die im Ausschuß angenommenen Schlußfeststellungen, die der Landtag nun bestätigen soll, empfehlen die Annahme und Ausführung des vom Staat mit der Volksbühne Berlin anläß⸗ lich der Schließung der Krolloper abgeschlossenen Vertrags.
In der Aussprache betont Abg. Ilse Noack (D. Nat.), daß es sich schon bei dem ersten Vertrag mit der Volksbühne um ein Entgegenkommen des Staates gegenüber der Volksbühne gehandelt habe. Schon damals sei man sich im Ministerium darüber klar gewesen, daß der Vertrag niemals ein glänzendes Geschäft den Staat werden würde. Die größeren Vorteile hätten von Anfang an bei der Volksbühne gelegen, die allerdings anfänglich Opfer gebracht habe. Eine rechtliche Verpflichtung für den Staat, der Volksbühne in ihrer damaligen Notlage beizuspringen, —2 nicht bestanden. Die Volksbühne habe sich nach Erstattung ihrer Aus⸗ lagen mit dem 5 Betrag von 100 000 RM für abgefunden erklärt. Auf Anfrage der Oberrechnungskammer habe es der Finanserinister nicht für nötig gehalten, von der Volksbühne eine ormelle Erklärung zu verlangen, daß sie nach § 14 des Vertrags vom Jahre 1923 abgefunden sei. Gar nicht ernst zu nehmen sei das Gutachten Geilgens, nach dem eine Aufwertung verlangt worden sei, die für jeden durch die Inflation betrogenen Staats⸗ bürger sehr interessant sein müßte. Ein Staat, dessen wirtschaft⸗ liche Entwicklung seit Annahme des Versailler Vertrags den schwersten Gefahren ausgesetzt gewesen sei, hätte bei der Ab⸗ fassung von Verträgen besonders vorsichtig sein müssen und sich eine Rücktrittsmöglichkeit im Vertrage von 1923 sichern müssen. Verschiedene Zeugen im Ausschuß hätten sich an wichtige Dinge nicht erinnern können. (Zuruf bei den Deutschnationalen: Schlechtes Gedächtnis!) Die Volksbühne sei längst nicht mehr in der Lage gewesen, die ursprünglich vorgesehene Anzahl von Karten abzunehmen, sie sei sogar schon vor Eröffnung der Lindenoper mit der Kartenabnahme in Verzug gewesen. Schon der Vertrag von 1923 sei eine Schädigung der Staatsfinanzen. Der Finanzminister habe sich dabei der Kontrolle des Landtags entzogen und das Etatsrecht insofern verletzt. Auch der Vertrag von 1930 schädige die Staatsfinanzen. Zwar hatte der Landtag die Regierung beauftragt, mit der Volksbühne zu einem Ueber⸗ einkommen zu gelangen. Der Landtag hat die Regierung beauf⸗ tragt, das Verhältnis mit der Volksbühne zu lösen. Besonders das Kultusministerium hat sich diese Aufgabe sehr leicht gemacht. Es hat nicht genügend geprüft, wo Rücktrittsmöglichkeiten liegen. Es hat die Volksbühne nicht aufgefordert, die ursprüngliche An⸗ zahl Karten abzunehmen. Es ist sehr schnell mit finanziellen Ent⸗ schädigungen bereit gewesen. Der Staat hat gegenüber der Volks⸗ bühne eine Großzügigkeit gezeigt, die man bei dem Verhalten des Finanzministers gegenüber den Bauern vermißt. Die Deutsch⸗ nationalen lehnen den Vertrag ab und betonen, daß der Aus⸗ schußschlußantrag aus rein politischen Gründen der Regierungs⸗ parteien zustande gekommen sei.
Abg. Stendel (D. Bp.) sagt, es habe sich bereits früher gezeigt, daß die Regierungsparteien über den Volksbühnenvertrag nach rein politischen Gründen entscheiden wollten. Rein recht⸗ lich habe nach seiner Meinung die Volksbühne überhaupt keinen Anspruch auf Entschädigung. Die Regierungsvertreter hätten bei Abschluß des Vertrags mit ganz großer Sorglosigkeit gehandelt und um der sozialen Kunstpflege willen die rechtlichen Ueber⸗ legungen ganz ausgeschaltet. Dies bleibe bestehen, wenn man
vor, dabei habe Moskau Rußland. r.
daß der Untersuchungsauss
sondern
der Staat, wenn er
auch einzelnen Regierungsvertretern ein Verschulden nicht habe nachweisen können. Er beharre gar nicht darauf, daß seine Rechts⸗ auffassung allein die richtige sei. Aber er verlange, daß diese 8 rechtliche Streitfrage durch objektive Stellen nachgeprüft werde und nicht durch parteipolitische Instanzen im Preußischen Land⸗ tag. e vr Regierungsparteien hätten nicht das Recht, in dieser Notzeit 1,9 Millionen Mark Steuergelder ohne weiteres der Volksbühne auszuliefern. Das bedeute au
„wenngleich die
Verfehlung. (Sehr wahr! rechts.) Das gelte a Deutsche Volkspartei * s selbstverständlich für die soziale Kunstpflege eintrete. Die Volksbühne müßte eigentlich ihrersets eine Schädigung nachweisen, da sie aber kein Erwerbsunternehmen ist, dürfte ihr der Nachweis eines zu ersetzenden Schadens vor dem Schiedsgericht schwer —2 Leider hätten die Regierungsparteien im Untersuchungsausschuß auch die geringsten Anträge zur noch⸗ maligen Ueberprüfung des Vertrags abnelehnt So, wie die Unter⸗ befesgeaz lhe jetzt arbeiteten, sei eben diese Einrichtung der
eine moralische
Verfassung überhaupt ein ganz großer Fehlschlag. Im Falle des
Volksbühnenvertrags sei von den 4 —z das Etats⸗
recht verletzt worden. (Zuruf des Abg. Heilmann (Soz.): „Ihr
Minister Boelitz für den ersten Volksbühnenvertrag verant⸗
wortlich!“) Rein formal stimme das. Aber es sei eben Stellung
zu nehmen gegen das Verhalten der Ministerialbeamten, die zu
henmachti gehandelt hätten. Die Regierungsparteien sollten sehen, wie sie es verantworten könnten, der Volksbühne 1,9 Mil⸗
lionen zuzuschanzen, wo man zum Beispiel nicht einmal Geld für
die Grenztheater habe. (Sehr wahr! rechts.)
Abg. Grebe (Zentr.) hält den Rechtsparteien vor, daß sie auch versucht hätten, ein politisches Geschäft mit dem Untersuchungs⸗ ausschuß zu machen. Das wichtigste Ergebnis sei wohl, daß sich im Gegensatz zur Erwartung der Rechtsparteien in dem Aus⸗ schuß ergeben habe, daß die Beamten beim Abschluß der Verträge mit der Volksbühne nach bestem Wissen und Gewissen earbeitet — Im übrigen sei in der Tat aus den Aulschußverhand⸗ ungen nicht viel herausgekommen, weil eben nichts zu ermitteln ewesen wäre. Es sei nicht wahrscheinlicher gemacht, daß die egierung zu günstigeren Bedingungen von dem Vertrag los⸗ kommen könnte. Nach dem, was im Untersuchungsausschuß zutage getreten sei, glaube er nicht, daß eine günstigere Regelung mög⸗ ich gewesen wäre, als der Vertrag sie vorsehe. Daß ein Schieds⸗ gericht eine günstigere Lösung für den Staat beschließen würde, wie Herr Stendel glaube, könnte man höchstens annehmen, wenn dieses Schiedsgericht anerkennen würde, daß der § 12 des Ver⸗ trags von 1923 das Vertxragsende schon bei Schließung der Kroll⸗ oper gekommen sehe. Dieser Paragraph 12 spreche aber von einer „Einstellung des Staatstheaterbetriebs“ schlechthin. Herr Stendel stütze sich nur auf die seiner Auffassung nahekommenden Zeugen⸗ aussagen, berücksichtige aber nicht, daß maßgebende gierungs⸗ beamte sich gegen seine Interpretation des § 12 ausgesprochen hätten. Weiter sei daran zu erinnern, daß noch vor einem Jahr sich auch die Parteien, die heute gegen den Vertrag sind, für eine gütliche Einigung mit der Volksbühne eingesetzt haben. Wenn der Be⸗ richterstatter von Verstößen gegen das Etatsrecht gesprochen habe, so seien tatsächlich soiche Verstöße beim Vertrag von 1923 vorgekom⸗ men. Diese Angelegenheit wäre aber längst erledigt. Und damals hätten Vertreter der Rechtsparteien der Regierung sogar ihren Dank dafür ausgesprochen, daß sie durch ihr schnelles Zugreifen die Krolloper vor der damals drohenden Schließung bewahrt hätten. Heute freilich beurteile man die gleichen Vorgänge bei den gleichen Rechtsparteien ganz anders. Schädigungen des Staates seien im Untersuchungsausschuß tatsächlich nicht sest⸗ gestellt worden. “
Abg. Schulz⸗Neukölln (Komm.) erklärt, dieser Unter⸗ suchungsausschuß habe nichts festgestellt und hätte 8., a. ebenso⸗ gut unterbleiben können. Der Redner schildert dann, wie der neue Freistaat Preußen versucht hätte, die Arbeiterschaft kunst⸗ olitisch zu beeinflussen. Der Vertrag habe der Volksbühne und eren Leitung eine ganze Reihe von Vorteilen gebracht. Die Volksbühnenbürokratie werde ausschlaggebend von der Sozial⸗ demokratischen Partei geschützt. In dem Untersuchungsausschuß sei klar geworden, daß die Leitung lediglich um die Subvention
zur Erhaltung des Bürokratenstabes gekämpft habe und nicht, um ihre kunstpolitischen Bestrebungen durchzusetzen. D Frage der I“ welche kunstpolitischen Grundsätze der
Die klare
eneralsekretär der Volksbühne, Dr. Nestriepke, in der Volks⸗ bühne vertreten habe, sei im Ausschuß gar nicht zugelassen worden. Dr. Nestriepke werde dafür ewig dankbar sein, denn solche Grund⸗ 8 habe es nicht gegeben, vielmehr habe es sich immer ledig⸗ lich um finanzielle Fragen gedreht. Mit der Verhinderung dieser Frage habe die Sozialdemokratie das erbärmliche und schändliche Versagen der Volksbühnenleitung auf kultuxellem Gebiet gedeckt. Den Kommunisten werfe man immer „Kulturbolschewisniuns“ sechs Opern gegen zwei Opern im Die Volksbühne sei von der Sozialdemo⸗ atie zertrümmert worden, die kulturpolitischen Bestrebungen
des revolutionären Proletariats könne man aber nicht aufhalten. (Beifall bei den Kommunisten.)
Abg. Dr. Hildegard S5418 er (Soz.) weist darauf hin, uß nicht von den Regierungs⸗
arteien, sondern von der Rechtsopposition verlangt worden sei.
on irgendwelchen Verfehlungen oder gar von Korruption von
Staatsbeamten hätten die werhanungen nichts erwiesen. Auch Angriffe gegen Beamte wegen
ahrlässigen Handelns zuungunsten des Staates seien unbegründet. Die große Frage, um die es sich hier handele, sei die soziale Darunter ist zu verstehen nicht eine Art Wohlfahrtskunstpflege für Minderbemittelte, eine Kunst, die Verbindung sucht mit den großen modernen Fragen des Staates und der Ge ellschaft. Die reaktio⸗ nären Bestrebungen seien auf die Schließung der Krolloper und Schädigung der Volksbühne ausgegangen. Der Fuschuß von 100 000 RM an die Volksbühne erscheine auch heute noch nicht u hoch. Daher stimme die sozialdemokratische Fraktion dem Ausschußantrag zu.
Abg. Baecker⸗Berlin (D. Landvolk) betont, daß die Prü⸗ ung der finanziellen Fragen die Hauptaufgabe des Unter⸗ uchungsausschusses gewesen sei. Früher hätten die Staatstheater mit einem —7 abgeschlossen. Nach dem Vertrag müsse
1 ie Krolloper soehe⸗ der Volksbühne eine erhebliche Entschädigung zahlen. Der Fe ler sei leider nicht mehr gutzumachen. Die Zuwendungen an die Volksbühne ständen in gar keinem Verhältnis zu den Unterstützungen der übrigen Theater im Lande, besonders der Grenztheater. Die Ausschuß⸗ verhandlungen hätten aber ergeben, daß der Staat um eine Ent⸗ schädigung der Volksbühne nicht herumkomme.
Abg. Dr. Bohner (D. Staatsp.) wendet sich gegen die den Beamten der Ministerien gemachten Vorwürfe. Er weist den Vorwurf zurück, daß die Ausschußentschließung von den Re⸗ gierungsparteien aus politischen Gründen Ffast sei. An einer sozialen Kunstpflege hätten alle Parteien Interesse. Das Volk müsse hineinwachsen in die wahre Kunst. Aus diesem Gesichts⸗ punkt müsse man die Leistungen der Volksbühne anerkennen.
Die Staatspartei stimme dem neuen Vertrag zu, weil der alte
be gültig sei und es keine andere Möglichkeit gebe, mit der Volksbühne zu einer Einigung zu kommen. Man habe aber zu den beiden Ministerien das Zutrauen, daß sie dem Staate wie der Volksbühne gerecht zu werden verstanden hätten. Abg. Mentz (Wirtsch. P.) erklärt, aus dem Vertrag von 1923 könne die Volksbühne keine Ansprüche an den Staat her⸗ leiten. Die Volksbühne sei froh gewesen, von dem alten Vertrag loszukommen. Sie konnte nicht erfüllen, hätte also von Rechts wegen Schadenersatz leisten müssen. Die künstlichen Konstruk⸗ tionen, die dem Vertrag einen anderen Inhalt zu geben suchten, lehne die v artei ab. 1 Abg. Koch (D. Nat.) wendet sich gegen die Entschädigun
an die Volksbühne. Vorkommnisse, wie sie sich in dem Verhältni